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Zum Anspruch aus § 642 BGB und zur prozessualen Geltendmachung des Anspruchs

Zum Anspruch aus § 642 BGB und zur prozessualen Geltendmachung des Anspruchs

von Thomas Ax

§ 642 BGB setzt nur voraus, dass der Besteller durch das Unterlassen einer Handlung, die bei der Herstellung des Werks erforderlich ist, in Annahmeverzug gerät.

Bei der Schaffung des Entschädigungsanspruchs gemäß § 642 BGB ist der Gesetzgeber zwar davon ausgegangen, dass dem Unternehmer während des Annahmeverzugs des Bestellers typischerweise ein Nachteil entsteht, der angemessen zu entschädigen ist. Er hat die Vorschrift jedoch – anders als das Berufungsgericht meint – nicht in der Weise ausgestaltet, dass er einen Nachteil zu einer anspruchsbegründenden Voraussetzung erhoben hat.

Bei zutreffendem Verständnis der Vorschrift erfordert § 642 BGB eine Abwägungsentscheidung des Tatrichters auf der Grundlage der in § 642 Abs. 2 BGB genannten Kriterien. Dabei ist die angemessene Entschädigung im Ausgangspunkt an den auf die unproduktiv bereitgehaltenen Produktionsmittel entfallenden Vergütungsanteilen einschließlich der Anteile für allgemeine Geschäftskosten sowie für Wagnis und Gewinn zu orientieren. Dagegen gewährt § 642 BGB keinen vollständigen Ausgleich für die während des Annahmeverzugs nicht erwirtschaftete Vergütung.

Dem Wortlaut des § 642 BGB ist der Inhalt des Entschädigungsanspruchs nicht eindeutig zu entnehmen. Die Vorschrift bietet nur Anhaltspunkte für die Bemessung des Entschädigungsanspruchs, indem sie in § 642 Abs. 2 BGB vier zu berücksichtigende Kriterien nennt. Danach bestimmt sich die Höhe der Entschädigung einerseits nach der Dauer des Annahmeverzugs und der Höhe der vereinbarten Vergütung, andererseits nach demjenigen, was der Unternehmer infolge des Annahmeverzugs an Aufwendungen erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erwerben kann. Diese Kriterien bilden den Rahmen für die Bemessung der Entschädigung. Darüber hinaus wird aus der Formulierung “einerseits – andererseits” deutlich, dass der Tatrichter eine Abwägungsentscheidung zu treffen hat (Sienz,BauR 2014, 390, 398; Glöckner,BauR 2014, 368, 374). Dies wird weiter auch durch den Umstand belegt, dass die Entschädigung “angemessen” sein soll. Die Vorschrift sieht danach keine exakte Berechnung des Entschädigungsanspruchs vor, sondern geht davon aus, dass der Tatrichter im Rahmen der erforderlichen Abwägung einen Ermessensspielraum hat. Er kann dabei auf die Möglichkeit der Schätzung gemäß § 287 ZPO zurückgreifen (vgl. BGH, Urteil vom 26. Oktober 2017 – VII ZR 16/17 Rn. 45, BGHZ 216, 319 ).

Dagegen kann dem Wortlaut des § 642 Abs. 2 BGB nicht entnommen werden, dass eine Berechnung in Anlehnung an § 649 Satz 2 BGB a.F., jetzt § 648 Satz 2 BGB zu erfolgen hat. Die Vorschrift benennt zwar weitgehend die Kriterien, die auch bei der Vergütung gemäß § 649 Satz 2 BGB a.F., jetzt § 648 Satz 2 BGB von Bedeutung sind. Indes gibt § 649 Satz 2 BGB a.F., jetzt § 648 Satz 2 BGB dadurch, dass sich der Unternehmer auf die vereinbarte Vergütung ersparte Aufwendungen und einen anderweitigen Erwerb “anrechnen lassen” muss, eine Berechnung vor, während § 642 Abs. 2 BGB eine Abwägungsentscheidung erfordert.

Dem Wortlaut des § 642 BGB kann ebenfalls nicht entnommen werden, dass Maßstab für die Bemessung der Entschädigung die tatsächlichen Kosten für die Bereithaltung von Produktionsmitteln sein sollen. Vielmehr bestimmt § 642 Abs. 2 BGB , dass bei der Festsetzung der angemessenen Entschädigung unter anderem die vereinbarte Vergütung für die unproduktiv bereitgehaltenen Produktionsmittel zu berücksichtigen ist.

Der BGH hat aus dem Wortlaut der Vorschrift und dem systematischen Regelungszusammenhang mit den Gefahrtragungsregeln der §§ 644 , 645 BGB weiter gefolgert, dass nach dem Sinn und Zweck des § 642 BGB der Unternehmer dafür entschädigt werden soll, dass er während des Annahmeverzugs des Bestellers infolge Unterlassens einer diesem obliegenden Mitwirkungshandlung Personal, Geräte und Kapital, also die Produktionsmittel zur Herstellung der Werkleistung, bereithält ( BGH, Urteil vom 26. Oktober 2017 – VII ZR 16/17 Rn. 33, BGHZ 216, 319 ; Urteil vom 24. Januar 2008 – VII ZR 280/05 Rn. 11, BGHZ 175, 118 ; Urteil vom 7. Juli 1988 – VII ZR 179/87 ,BauR 1988, 739, juris Rn. 21). Ein am Sinn und Zweck der Vorschrift orientiertes Verständnis führt danach dazu, dass die Höhe der Entschädigung einen Bezug zu der vergeblichen Bereithaltung von Produktionsmitteln während der Dauer des Annahmeverzugs haben muss.

Eine in Anlehnung an § 649 Satz 2 BGB a.F., jetzt § 648 Satz 2 BGB erfolgende Berechnung kann demgegenüber zu einer nicht gerechtfertigten Besserstellung des Unternehmers führen. Denn anders als bei einer freien Kündigung behält der Unternehmer im Fall des Annahmeverzugs des Bestellers trotz der Störung seinen vollen Vergütungsanspruch, den er durch Ausführung der Werkleistung nach Beendigung des Annahmeverzugs verdient. Auf der anderen Seite ergibt sich aus der Bezugnahme auf die vereinbarte Vergütung in § 642 Abs. 2 BGB , dass mit dem Ersatz allein der tatsächlichen Kosten der Bereithaltung von Produktionsmitteln eine unzureichende Kompensation des Unternehmers verbunden sein kann.

Die systematische Auslegung führt zu keiner anderen Beurteilung. Wie der BGH bereits ausgeführt hat, ergänzt § 642 BGB die Gefahrtragungsregeln in §§ 644 , 645 BGB und betrifft ebenso wie § 645 BGB die Verteilung des vertraglichen Risikos, wenn infolge einer vom Besteller zu erbringenden Mitwirkungshandlung die Ausführung der Leistung durch den Unternehmer gestört wird, ohne dass eine der Parteien hieran ein Verschulden trifft ( BGH, Urteil vom 26. Oktober 2017 – VII ZR 16/17 Rn. 30 m.w.N., BGHZ 216, 319 ).

Da diese Vorschriften kein Verschulden voraussetzen, auch wenn es in der Regel um Ereignisse geht, die der Sphäre des Bestellers zuzurechnen sind, besteht keine Rechtfertigung, dem Unternehmer jedweden Nachteil zu ersetzen. So kann der Unternehmer nach § 645 BGB für den Fall, dass das Werk vor der Abnahme infolge eines Mangels des vom Besteller gelieferten Stoffes oder infolge einer von dem Besteller für die Ausführung erteilten Anweisung untergegangen, verschlechtert oder unausführbar geworden ist, nur einen der geleisteten Arbeit entsprechenden Teil der Vergütung verlangen. Dies gilt auch dann, wenn der Vertrag als aufgehoben gilt, weil der Besteller die ihm obliegende Mitwirkungshandlung innerhalb der ihm gesetzten Frist nicht nachgeholt hat, §§ 643 , 645 Abs. 1 Satz 2 BGB .

Ein weitergehender Anspruch auf Ersatz der Vergütung für nicht erbrachte Leistungen und auf den darin enthaltenen Anteil für allgemeine Geschäftskosten, Wagnis und Gewinn steht dem Unternehmer nur unter den Voraussetzungen des § 645 Abs. 2 BGB zu. Dies spricht dafür, dass auch der Entschädigungsanspruch gemäß § 642 BGB nicht den gesamten Nachteil ausgleichen soll, der durch die während des Annahmeverzugs nicht mögliche Erwirtschaftung der Vergütung entstanden ist.

Aus den Gesetzesmaterialien folgt ebenfalls kein anderes Ergebnis. Ihnen ist zu entnehmen, dass der Gesetzgeber die Vorschrift des § 642 BGB geschaffen hat, weil er einerseits einen bloßen Aufwendungsersatz nach § 304 BGB als nicht ausreichend ansah, andererseits aber einen Schadensersatzanspruch für zu weitreichend erachtete, da durch eine den Besteller zur Leistung des vollen Schadenersatzes verpflichtende Bestimmung nicht das Interesse beider Teile in angemessener Weise gewahrt würde (vgl. Motive II, S. 495 f. = Mugdan, Die gesammten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, II. Band, S. 276 f.; Roskosny/Bolz,BauR 2006, 1804, 1809).

Aus den Gesetzesmaterialien kann weiter geschlossen werden, dass der Gesetzgeber neben dem Vergütungsanspruch, der bei Herstellung des Werks nach Beendigung des Annahmeverzugs verdient wird, zusätzlich eine Entschädigung für den Zeitraum, in dem nicht geleistet werden konnte, schaffen wollte, ohne jedoch jegliche Nachteile ausgleichen zu wollen, die dadurch entstehen, dass der Unternehmer seine Leistung während des Annahmeverzugs nicht gewinnbringend ausführen kann.

Danach ist die angemessene Entschädigung gemäß § 642 BGB im Ausgangspunkt daran zu orientieren, welche Anteile der vereinbarten Gesamtvergütung einschließlich Wagnis, Gewinn und allgemeinen Geschäftskosten auf die vom Unternehmer während des Annahmeverzugs unproduktiv bereitgehaltenen Produktionsmittel entfallen.

Der Tatrichter hat daher festzustellen, inwieweit der Unternehmer während des Annahmeverzugs Produktionsmittel unproduktiv bereitgehalten hat, und die hierauf entfallenden Anteile aus der vereinbarten Gesamtvergütung zu berücksichtigen, wobei er nach § 287 ZPO zur Schätzung berechtigt ist (vgl. Althaus, NZBau 2018, 643 f.).

Zu den Vergütungsanteilen für die vom Unternehmer unproduktiv bereitgehaltenen Produktionsmittel gehören nicht die infolge des Annahmeverzugs ersparten Aufwendungen einschließlich darauf entfallender Anteile für allgemeine Geschäftskosten, Wagnis und Gewinn.

Im Hinblick auf das Kriterium des anderweitigen Erwerbs hat der Tatrichter weiterhin zu prüfen, ob der Unternehmer seine Produktionsmittel während des Annahmeverzugs anderweitig – produktiv – eingesetzt hat oder einsetzen konnte. Dabei ist es ohne Bedeutung, ob die anderweitige Einsatzmöglichkeit auf einem sogenannten “echten Füllauftrag” beruht, also auf einem Auftrag, der nur wegen des Annahmeverzugs angenommen und ausgeführt werden kann. Das Kriterium des anderweitigen Erwerbs ist im Rahmen von § 642 BGB eigenständig und nicht in Anlehnung an § 649 Satz 2 BGB a.F., jetzt § 648 Satz 2 BGB auszulegen, da die der Vorschrift des § 642 BGB zugrundeliegende Interessenlage im Hinblick auf die spätere Ausführung der Leistung eine andere ist als diejenige bei der freien Kündigung (hierzu näher bereits Sienz,BauR 2014, 390, 391 ff.; vgl. ferner Drittler,BauR 2019, 1524, 1528 f.).

Die Darlegungs- und Beweislast für die in § 642 Abs. 2 BGB genannten Kriterien trägt nach allgemeinen Grundsätzen der Unternehmer als Anspruchssteller, der die Tatsachen für die vom Tatrichter vorzunehmende Abwägungsentscheidung beizubringen hat (vgl. Althaus, NZBau 2018, 643, BeckOK Bauvertragsrecht/Sienz, Stand: 31. Oktober 2019, § 642 BGB Rn. 101 ff.). Darin unterscheidet sich § 642 BGB von § 649 Satz 2 BGB a.F., jetzt § 648 Satz 2 BGB (zur dortigen Beweislastverteilung siehe BGH, Urteil vom 21. Dezember 2000 – VII ZR 467/99 ,BauR 2001, 666= NZBau 2001, 202, juris Rn. 13 m.w.N.).

Erleichterungen ergeben sich daraus, dass der Tatrichter die Möglichkeit der Schätzung gemäß § 287 ZPO hat. Auf dieser Grundlage hat der Tatrichter im Rahmen einer Abwägungsentscheidung die angemessene Entschädigung zu bestimmen. Dabei hat er einen Ermessensspielraum, der ihm die Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls ermöglicht.

Zum Anspruch auf Schadensersatz aus § 6 Abs. 6 VOB/B und zur prozessualen Geltendmachung des Anspruchs wegen einer durch die Auftraggeberin zu vertretenden Baubehinderung

Zum Anspruch auf Schadensersatz aus § 6 Abs. 6 VOB/B und zur prozessualen Geltendmachung des Anspruchs wegen einer durch die Auftraggeberin zu vertretenden Baubehinderung

von Thomas Ax

Die schlüssige Geltendmachung eines Anspruches auf Schadensersatz aus § 6 Abs. 6 VOB/B durch den Auftragnehmer erfordert die Darlegung einer oder mehrerer Pflichtverletzungen der Auftraggeberin sowie der sich daraus ergebenden Behinderungen der eigenen Leistung (vgl. BGH, Urteil vom 21. März 2002 – VII ZR 224/00 -, juris Rn.23; Urteil vom 24. Februar 2005 – VII ZR 141/03 – juris Rn.13).

Dafür ist eine konkrete, bauablaufbezogene Darstellung der jeweiligen Behinderung erforderlich (vgl. BGH a.a.O.). Das heißt, es ist zusätzlich zu den konkreten Pflichtwidrigkeiten der Auftraggeberin dazu vorzutragen, welche vorgesehenen Bauarbeiten ihretwegen nicht oder nicht in der vorgesehenen Zeit durchgeführt werden konnten und wie sich die Verzögerungen konkret auf die Baustelle ausgewirkt haben (vgl. Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 4. Auflage, 8. Teil Rn.56).

Aus dem Vortrag muss sich nachvollziehbar ergeben, dass und in welchem Umfang eine Pflichtverletzung eine Behinderung verursacht hat (vgl. BGH, Urteil vom 24. Februar 2005 – VII ZR 141/03 – juris Rn.18). Angesichts regelmäßig zeitabhängiger Mehrkosten gilt Gleiches für die Dauer der Erschwernis oder Behinderung, so dass es letztlich der Darlegung einer ununterbrochenen Kausalkette vom Verzug der Auftraggeberin mit einer Leistungspflicht über die schadensbegründenden Umstände in Form der konkreten Behinderung bis hin zu den dadurch entstandenen Mehrkosten bedarf (vgl. Kniffka/Koeble a.a.O.).

Der Vortrag zu Pflichtverletzungen und Behinderungen ist im Schadensersatzprozess an den Anforderungen einer Behinderungsanzeige nach § 6 Abs. 1 S. 1 VOB/B zu messen. Deswegen muss der Auftragnehmer Angaben dazu machen, ob und wann seine Arbeiten, die nach dem Bauablauf zu einem bestimmten Zeitpunkt ausgeführt werden mussten, nicht oder nicht wie vorgesehen ausgeführt werden konnten (vgl. BGH Urteil vom 24. Februar 2005 – VII ZR 141/03 – juris Rn.17).

Irgendwelche aus § 287 ZPO ableitbare Darlegungserleichterungen kommen dem Auftragnehmer nicht zugute, soweit es sich um Tatsachen zum Haftungsgrund handelt, die allein nach § 286 ZPO zu beurteilen sind (vgl. BGH, Urteil vom 24. Februar 2005 – VII ZR 141/03 – juris Rn.15; Kniffka/Koeble, a.a.O.).

Die unbestrittene Schwierigkeit, insbesondere die Kausalitäten darzustellen und zu beweisen, rechtfertigen es nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes nicht, dem Auftragnehmer Darlegungs- oder Beweiserleichterungen zu gewähren (vgl. BGH, Urteil vom 24. Februar 2005 – VII ZR 141/03 – juris Rn.13; Urteil vom 21. März 2002 – VII ZR 224/00 -, juris Rn.23; BGH NJW 1986, S. 1684 [BGH 20.02.1986 – VII ZR 286/84]). Vielmehr ist es die Aufgabe des sich durch Pflichtverletzungen der Auftraggeberin behindert fühlenden Auftragnehmers, eine aussagekräftige Dokumentation zu erstellen, aus der sich die Behinderung sowie deren Dauer und Umfang ergeben. Sofern ein Auftragnehmer mangels einer ausreichenden Dokumentation der Behinderungstatbestände und der sich daraus ergebenden Verzögerungen nicht zu einer den Anforderungen entsprechenden Darstellung in der Lage ist, geht dies zu seinen Lasten (vgl. BGH, Urteil vom 24. Februar 2005 – VII ZR 141/03 – juris Rn.13; Urteil vom 21. März 2002 – VII ZR 224/00 -, juris Rn.23).

Anders verhält es sich im Bereich der Haftungsausfüllung. Auch hier bedarf es für die Darlegung der Mehrkosten regelmäßig einer bauablaufbezogenen Darstellung der Ist- und Sollabläufe, die eine geltend gemachte Bauzeitverlängerung nachvollziehbar macht (vgl. BGH, Versäumnisurteil vom 24. Februar 2005 – VII ZR 225/03 -, juris Rn.30f). Allerdings kommen dem Auftragnehmer insoweit die aus § 287 ZPO folgenden Darlegungserleichterungen zugute (vgl. BGH, Urteil vom 24. Februar 2005 – VII ZR 141/03 – juris Rn.15).

Über die Frage der reinen Schlüssigkeit des Vorbringens hinaus ist in Rechtsstreitigkeiten über Behinderungen des Bauablaufs regelmäßig von herausragender Bedeutung, ob der Auftragnehmer den von ihm geltend gemachten Anspruch ausreichend substantiiert hat (vgl. Roquette/Bescher, BauR 2018, S. 422, 425f; Kniffka, Festschrift für Prof. Dr.-Ing. Andreas Lang, 2018, S. 65, 76). Die Substantiierungslast kann sich infolge des gegnerischen Vorbringens erhöhen (vgl. BGH, Urteil vom 19. Mai 2011 – VII ZR 24/08 -, juris Rn.14). Sachvortrag bedarf der Ergänzung, wenn er im Hinblick auf die Einlassung des Gegners unklar wird und nicht mehr den Schluss auf die Entstehung des geltend gemachten Rechts zulässt (vgl. BGH, Urteil vom 22. November 1996 – V ZR 196/95 -, juris Rn.6). Es ist damit eine Frage des Einzelfalls, inwieweit der Auftragnehmer unter Berücksichtigung des Wechselspiels von Vortrag und Gegenvortrag ausreichend substantiiert zu den einzelnen Tatbestandsmerkmalen vorzutragen hat (vgl. Roquette/Bescher a.a.O. S. 425; Kniffka a.a.O., 76 – 80). Daraus folgt auch, dass der klagende Auftragnehmer nicht von Anfang an zu allen denkbaren Einwendungen der Auftraggeberin vortragen muss. Das gilt beispielsweise für Darlegungen zu den Fragen, ob mit den in der Kalkulation enthaltenen Mitteln (Personal, Geräte) die Bauzeit einzuhalten gewesen wäre, ob weitere Behinderungstatbestände vorhanden waren, ob Bauablaufumstellungen unmöglich waren oder ob der Auftragnehmer Füllaufträge hätte annehmen können (vgl. Roquette/Bescher a.a.O. S. 432 ff; Kniffka a.a.O., S. 80 – 84).

Trägt allerdings die Auftraggeberin dazu vor, kann das zunächst schlüssige Vorbringen des klagenden Auftragnehmers mit der Folge unklar werden, dass es den Schluss auf die darzulegenden Tatbestandsmerkmale nicht mehr zulässt. Selbstredend erschweren die Dynamik möglicher Pflichtverletzungen und Behinderungen die konkrete, bauablaufbezogene Darstellung der jeweiligen Pflichtverletzung und Behinderung erheblich.

Das entbindet den Kläger aber nicht von dem Erfordernis des Vortrages, wie sich das Baufeld an den jeweiligen Tagen darstellte (vorgeworfene Pflichtwidrigkeit), welche vorgesehenen Bauarbeiten nicht oder nicht in der vorgesehenen Zeit durchgeführt werden konnten und wie sich die Verzögerungen konkret auf die Baustelle ausgewirkt haben (Behinderungen). Gerade wenn der Auftragnehmer teilweise gearbeitet hat, ist eine solche Darstellung erforderlich (vgl. zur Darlegungslast bei Teilarbeiten BGH, Urteil vom 24. Februar 2005 – VII ZR 141/03 – juris Rn.21).

Der Kläger muss damit für jeden einzelnen Tag vortragen, an welchem genauen Ort und aus welchem Grund konkret eine Einschränkung vorlag, welche an diesem Tag in welcher Art konkret geplanten Arbeiten deswegen nicht oder nur eingeschränkt durchgeführt werden konnten und welche Verzögerung dies nach sich zog. Mit diesen Anforderungen wird dem Kläger bzw. der Schuldnerin auch nichts Unmögliches abverlangt.

Gerade die Darlegung der einzelnen Behinderungssituationen ist zur Abgrenzung der Grundfrage, ob eine Pflichtwidrigkeit der Auftraggeberin und eine dadurch ausgelöste Behinderung gegeben ist, zwingend erforderlich.

Eine ordnungsgemäße Behinderungsanzeige i.S.d. § 6 Abs. 1 S. 1 VOB/B ist Voraussetzung des Schadensersatzanspruches nach § 6 Abs. 6 VOB/B.

Eine Behinderungsanzeige gem. § 6 Abs. 1 S. 1 VOB/B muss alle Tatsachen enthalten, aus denen sich für den Auftraggeber mit hinreichender Klarheit und erschöpfend die dem Auftragnehmer bekannten Hinderungsgründe ergeben. Die Angaben müssen sich darauf erstrecken, ob und wann seine Arbeiten, die nach dem Bauablauf nunmehr ausgeführt werden müssten, nicht oder nicht wie vorgesehen ausgeführt werden können (vgl. BGH, Urteil vom 21. Oktober 1999 – VII ZR 185/98 -, juris Rn.11).

Eine Behinderungsanzeige kann nach ihrem Sinn und Zweck, der darin besteht, den Auftraggeber vor drohender Inanspruchnahme zu warnen und ihm Gelegenheit zur Abhilfe zu verschaffen, keinen Schadensersatzanspruch wegen in der Vergangenheit liegender Umstände rechtfertigen. Vor diesem Hintergrund kann auch die Streitfrage dahinstehen, ob eine nachträgliche und damit nicht “unverzügliche” Behinderungsanzeige i.S.d. § 6 Abs. 1 S. 1 VOB/B überhaupt noch Wirkung in die Zukunft entfalten kann (dafür Vygen/Joussen/Lang/Rasch – Vygen/Joussen, Bauverzögerung und Leistungsänderung, 7. Auflage, Teil A Rn.404; Heiermann/Riedl/Rusam – Kuffer/Petersen, Handkommentar zur VOB/B, 16. Auflage, § 6 VOB/B Rn.10; OLG Stuttgart, Urteil vom 29.11.2011, AZ 10 U 58/11 – juris; OLG Köln, BauR 1981, 472, 474; dagegen Ingenstau/Korbion-Döring, VOB-Kommentar, 20. Auflage, § 6 Abs. 1 Rn.7).

Bei Offenkundigkeit kann die Anzeigepflicht nach § 6 Abs. 1 S. 2 VOB/B entfallen. Offenkundig und bekannt sind die hindernden Umstände nur dann, wenn der Auftraggeber nach seinem Verhalten, seinen Äußerungen oder Anordnungen zweifellos darüber unterrichtet ist oder sie im Sinne des § 291 ZPO offenkundig sind (vgl. Heiermann/Riedl/Rusam – Kuffer/Petersen, Handkommentar zur VOB, 14. Auflage, § 6 VOB/B Rn.13). Sie müssen so deutlich hervortreten, dass sie selbst einem bautechnischen Laien nicht verborgen bleiben können (vgl. Heiermann/Riedl/Rusam – Kuffer/Petersen a.a.O.).

VG München zu der Frage der Bestimmtheit einer Beseitigungsanordnung für einen Grenzbau vorgestellt

VG München zu der Frage der Bestimmtheit einer Beseitigungsanordnung für einen Grenzbau vorgestellt

vorgestellt von Thomas Ax

Es begegnet hinsichtlich der nötigen Bestimmtheit keinen Bedenken, wenn die Bauaufsichtsbehörde vom Adressaten einer Beseitigungsanordnung verlangt, eine an eine vorhandene Grenzgarage angebaute Pkw-Vorplatzüberdachung und einen Wohnwagenabstellplatz so zu beseitigen, dass nach Beseitigung der bestehenbleibende Grenzbau den Maßgaben des Art. 6 Abs. 9 Nr. 1 BayBO entspricht. Die Festlegung eines Finalprogramms (hier: Einhaltung der Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 9 Nr. 1 BayBO) ist in Verwaltungsakten möglich und stellt keinen Mangel hinreichender Bestimmtheit dar. Die Regelung ist aus Gründen der Verhältnismäßigkeit sogar geboten, weil die Beseitigungsanordnung dadurch auf das unzulässige Maß beschränkt wird und dem Adressaten der Beseitigungsanordnung die Entscheidung überlassen wird, welchen Teil der Anbauten er beseitigt. Der Verweis auf Art. 6 Abs. 9 Nr. 1 BayBO ist ebenfalls nicht zu beanstanden, weil die damit an den Adressaten der Beseitigungsanordnung  gestellten Anforderungen hinsichtlich des Umfangs der Beseitigung nachlesbar und allgemein zugänglich sind.

VG München, Urteil vom 23.6.2020, Aktenzeichen  M 1 K 17.3953

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet und hat daher keinen Erfolg.
Die Beseitigungsanordnung in Nr. 1 und die Zwangsgeldandrohung in Nr. 2 des Bescheids vom 20. Juli 2017 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
1. Die Beseitigungsanordnung ist rechtmäßig, weil sie hinreichend bestimmt ist (vgl. unter 1.1.), die Voraussetzungen des Art. 76 Satz 1 BayBO erfüllt sind und die Maßnahme weder ermessensfehlerhaft noch unverhältnismäßig ist (1.2.).
1.1. Die Beseitigungsanordnung ist hinreichend bestimmt i.S.v. Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG, obwohl in Nr. 1 des Bescheids sowohl das Grundstück FlNr. 1486/2 als auch das Grundstück FlNr. 1486/1 genannt ist, die Beseitigung jedoch nur die bauliche Anlage auf dem Grundstück FlNr. 1486/2 erfasst.
Der Grundsatz der hinreichenden Bestimmtheit einer Einzelfallregelung bedeutet zum einen, dass deren Adressat in der Lage sein muss zu erkennen, was von ihm gefordert wird, und zwar in dem Sinne, dass der behördliche Wille keiner unterschiedlichen subjektiven Bewertung zugänglich ist; zum anderen folgt daraus, dass der Verwaltungsakt Grundlage für Maßnahmen zu seiner zwangsweisen Durchsetzung sein kann (vgl. BVerwG, U.v. 2.7.2008 – 7 C 38/07 – BVerwGE 131, 259). Der Regelungsgehalt muss sich dabei nicht unmittelbar und ausschließlich aus dem Entscheidungssatz ergeben. Es reicht, wenn sich die Regelung aus dem gesamten Inhalt des Bescheids, insbesondere seiner Begründung sowie den weiteren, den Beteiligten bekannten oder ohne weiteres erkennbaren Umständen unzweifelhaft erkennen lässt (vgl. BVerwG, U.v. – 6 C 6/00 – BVerwGE 114, 160). Entscheidend sind die konkreten Umstände des Einzelfalles (vgl. BVerwG, U.v. 15.2.1990 – 4 C 41/87 – BVerwGE 84, 335; BayVGH, U.v. 15.12.1992 – 2 B 92.88 – BayVBl 1993, 274; Ramsauer in Kopp/Ramsauer, VwVfG, 19. Auflage 2018, § 37 Rn. 6).
Unter Zugrundelegung der genannten Maßstäbe ist die Beseitigungsanordnung als hinreichend bestimmt i.S.v. Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG anzusehen. Aus dem Entscheidungssatz in Verbindung mit den Bescheidsgründen ergibt sich für die Klägerin klar und unzweideutig, welche Anbauten in welchem Umfang zu beseitigen sind.
Aus Nummer II.2.a Absatz 2 und 5 der Bescheidsgründe ergibt sich, dass die Beseitigungsanordnung nur das Grundstück FlNr. 1486/2 betreffen soll. So heißt es in Nummer II.2.a Absatz 5, dass der 2,30 m lange Teil der Pkw-Vorplatzüberdachung, der auf dem Grundstück FlNr. 1486/1 liegt, keinen Grenzbau darstellt. Dieser Teil der Mauer wurde im weiteren Verlauf auch nicht bei der Berechnung der Länge des Grenzbaus berücksichtigt. Soweit demgegenüber in der Beseitigungsanordnung in Nr. 1 neben dem Grundstück FlNr. 1486/2 das Grundstück FlNr. 1486/1 genannt wurde, handelt es sich daher um eine offenbare Unrichtigkeit i.S.v. Art. 42 Satz 1 BayVwVfG. Hierzu hat der Beklagte in der mündlichen Verhandlung klargestellt, dass sich der Bescheid ausschließlich auf das Grundstück FlNr. 1486/2 beziehen soll. Von einer Beschränkung der Anordnung auf dem Grundstück FlNr. 1486/2 ging auch die Klägerin aus. So hat sie in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, dass es aus ihrer Sicht nicht sinnvoll bzw. aufgrund der baulichen Konstruktion der Pkw-Vorplatzüberdachung nicht möglich sei, die 2,30 m lange Wand auf dem Grundstück FlNr. 1486/1 stehen zu lassen, wenn Teile der unmittelbar südlich anschließenden Mauer beseitigt werden. Gerügt wurde von der Klägerin auch nicht die hinreichende Bestimmtheit der Beseitigungsanordnung, sondern lediglich die Handlungspflicht selbst und die bei deren Erfüllung entstehenden Folgen.
Die Verwendung der Begriffe „Pkw-Vorplatzüberdachung“ und „Wohnwagenabstellplatz“ in Nr. 1 des Bescheids führen ebenfalls nicht zur Unbestimmtheit der Anordnung. Die Beseitigung der Pkw-Vorplatzüberdachung umfasst neben dem Vordach selbst auch die Mauern und Wände im nordöstlichen Bereich des Grundstücks FlNr. 1486/2; die des Wohnwagenabstellplatzes den südlichen Garagenanbau. Der Beklagte hat bei seinem Bescheid die von der Klägerin in deren Bauantrag unter dem 13. Oktober 2014 selbst gewählte Terminologie für den südlichen und nördlichen Garagenanbau übernommen, in dem es hieß: „Errichtung von Überdachungen, eines Geräte-Holzlegeschuppens, Balkonerweiterung, Pkw-Vorplatzüberdachungen, Wohnwagenabstellplatz, Garagenumbau“. Die Begriffe werden zudem in den Bescheidsgründen präzisiert. Dort wird der Wohnwagenabstellplatz in Nummer I. Absatz 4 als südlicher Anbau an die klägerische Garage bezeichnet. Die Pkw-Vorplatzüberdachung wird in Nummer I Absatz 5 als Vordach definiert. Da in dem entsprechenden Absatz explizit auch auf die nach Nordosten an die Garage unmittelbar anschließenden Mauern und Wände genannt werden, ist für die Klägerin erkennbar, worauf sich die Beseitigungsanordnung bezieht.
Es begegnet keinen rechtlichen Bedenken, dass der Beklagte von der Klägerin verlangt, die Pkw-Vorplatzüberdachung sowie den Wohnwagenabstellplatz so zu beseitigen, dass nach Beseitigung der bestehenbleibende Grenzbau den Maßgaben des Art. 6 Abs. 9 Nr. 1 BayBO entspricht. Die Festlegung eines Finalprogramms (hier: Einhaltung der Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 9 Nr. 1 BayBO) ist in Verwaltungsakten möglich und stellt keinen Mangel hinreichender Bestimmtheit dar (vgl. NdsOVG, B.v. 4.9.2018 – 10 LA 45/18 – NuR 2019, 127). Die Regelung ist aus Gründen der Verhältnismäßigkeit sogar geboten, weil die Beseitigungsanordnung dadurch auf das unzulässige Maß beschränkt wird und der Klägerin die Entscheidung überlassen wird, welchen Teil der Anbauten sie beseitigt. Der Verweis auf Art. 6 Abs. 9 Nr. 1 BayBO ist ebenfalls nicht zu beanstanden, weil die damit an die Klägerin gestellten Anforderungen hinsichtlich des Umfangs der Beseitigung nachlesbar und allgemein zugänglich sind (vgl. Tiedemann in Bader/Ronellenfitsch, BeckOK VwVfG, Stand: 1.7.2020, § 37 Rn. 7).
1.2. Die Voraussetzungen des Art. 76 Satz 1 BayBO für den Erlass einer Beseitigungsanordnung sind erfüllt. Die Beseitigungsanordnung ist auch nicht ermessensfehlerhaft oder unverhältnismäßig.
Nach Art. 76 Satz 1 BayBO kann die Bauaufsichtsbehörde bezüglich Anlagen, die im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet werden, die teilweise oder vollständige Beseitigung anordnen, wenn nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können. Der Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften setzt dabei wegen des Eingriffs in die Bausubstanz nach ganz herrschender Meinung voraus, dass die genehmigungsbedürftige Anlage sowohl formell als auch materiell illegal ist (vgl. BVerwG, U.v. 10.12.1982 – 4 C 52/78 – NVwZ 1983, 472; BayVGH, B.v. 20.1.2003 – 20 ZB 99.3616 – juris Rn. 3).
Die Klägerin hat mit der Pkw-Vorplatzüberdachung und dem Wohnwagenabstellplatz Anlagen errichtet (vgl. unter 1.2.1.), die formell (1.2.2.) und materiell (1.2.3.) illegal sind und damit in Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften stehen. Die Beseitigungsanordnung ist zudem ermessenfehlerfrei ergangen und verhältnismäßig (1.2.4.).
1.2.1. Mit dem Anbau der Pkw-Vorplatzüberdachung und dem Wohnwagenabstellplatz wurden Anlagen i.S.v. Art. 2 Abs. 1 Satz 4 BayBO errichtet.
Bei der Pkw-Vorplatzüberdachung und dem Wohnwagenabstellplatz handelt es sich jeweils um Garagen i.S.v. Art. 2 Abs. 8 Satz 2 BayBO. Unter den Begriff der Garage fallen sowohl geschlossene als auch offene Garagen (vgl. § 1 Abs. 1 und 2 GaStellV; Dirnberger in Simon/Busse, BayBO, 137. EL Juli 2020, Art. 2 Rn. 686 und 697), sodass auch die nach Norden hin offene Pkw-Vorplatzüberdachung als Garage anzusehen ist. Da Garagen stets Gebäude sind, handelt es sich bei den beiden Anbauten auch um Gebäude i.S.v. Art. 2 Abs. 2 BayBO. Aufgrund ihrer baulich-konstruktiven Verbindung mit der Doppelgarage sowie deren einheitlichen Nutzungszwecks (Abstellmöglichkeit für Kraftfahrzeuge) sind die Anbauten nicht als selbständige Gebäude, sondern als Teile eines einheitlichen Gebäudes zu qualifizieren, das sich aus Pkw-Vorplatzüberdachung, Doppelgarage und Wohnwagenabstellplatz zusammensetzt.
1.2.2. Die Pkw-Vorplatzüberdachung und der Wohnwagenabstellplatz sind formell illegal.
Für die genehmigungsbedürftigen Anbauten liegt keine Baugenehmigung vor. Die Baugenehmigung vom 11. Januar 2008 umfasste weder die Pkw-Vorplatzüberdachung noch den Wohnwagenabstellplatz. Genehmigt wurde nach dem Eingabeplan lediglich die Doppelgarage mit folgenden Maßen: 6,49 m Länge, 6,99 m Breite, 3,00 m mittlere Wandhöhe. Im Eingabeplan wurde darüber hinaus zwar eine Mauer mit 1,50 m Länge an der Nordostecke der Doppelgarage eingezeichnet. In dem genehmigten Eingabeplan fehlt jedoch eine Höhenangabe für die Mauer. Die Genehmigung ist daher insoweit unbestimmt, weshalb die Mauer nicht vom Genehmigungsumfang umfasst ist.
Die streitgegenständlichen Anbauten sind nicht nachträglich genehmigt worden. Der unter dem 13. Oktober 2014 von der Klägerin eingereichte Bauantrag wurde vom Landratsamt im Hinblick auf die Errichtung der Pkw-Vorplatzüberdachung und des Wohnwagenabstellplatzes mit Bescheid vom 21. Juli 2014 abgelehnt.
Es handelt sich nicht um verfahrensfreie Bauvorhaben nach Art. 57 BayBO. Die Anbauten sind insbesondere nicht nach Art. 57 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a und b BayBO verfahrensfrei, weil der Bruttorauminhalt des aus Pkw-Vorplatzüberdachung, Doppelgarage und Wohnwagenabstellplatz bestehenden (einheitlichen) Gebäudes (vgl. oben unter 1.2.1.) mehr als 75 m3 beträgt.
1.2.3. Die Pkw-Vorplatzüberdachung und der Wohnwagenabstellplatz sind materiell illegal, weil sie die Abstandsflächen zum östlich gelegenen Grundstück FlNr. 1486/3 nicht einhalten.
Durch die Anbauten an die bestehende Doppelgarage ist ein neuer Baukörper entstanden, der in seiner Gesamtheit die abstandsflächenrechtlichen Regelungen in Art. 6 BayBO einhalten muss. Die neu entstehenden Außenwände sind in ihrer gesamten Ausdehnung einschließlich des Altbestands den abstandsflächenrechtlichen Anforderungen unterworfen (vgl. BayVGH, U.v. 20.12.1988 – 20 B 88.00137 – BayVBl 1989, 721; Kraus in Simon/Busse, BayBO, 137. EL Juli 2020, Art. 6 Rn. 25). Für die Frage der Einhaltung der Abstandsflächen i.S.v. Art. 6 BayBO sind daher nicht nur die Anbauten, sondern der gesamte Grenzbau auf dem Grundstück FlNr. 1486/2 bestehend aus Pkw-Vorplatzüberdachung, Doppelgarage und Wohnwagenabstellplatz zu betrachten.
Bei dem Grenzbau handelt es sich um keine nach Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 BayBO privilegierte Grenzbebauung. Die Vorschrift setzt voraus, dass die Garage höchstens eine Gesamtlänge von 9 m je Grundstücksgrenze aufweist. Die Garage weist tatsächlich eine Gesamtlänge von 13,56 m (4,01 m Länge des Wohnwagenabstellplatzes; 6,50 m Länge der Doppelgarage; 1,49 m Länge der ersten Mauer; 1,56 m Länge der zweiten, zum Teil aus Glas bestehenden Mauer; vgl. S. 31 der Behördenakte) an der Grundstücksgrenze zum Grundstück FlNr. 1486/3 auf. Folglich sind die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 BayBO nicht erfüllt. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass auf Höhe der Doppelgarage auf der anderen Seite der Grundstücksgrenze ebenfalls eine Garage steht. Die Vorschrift stellt bereits nach ihrem Wortlaut lediglich auf die Grenzbebauung selbst und nicht auf eine etwaige Bebauung auf der gegenüberliegenden Seite der Grundstücksgrenze ab. Die 6,50 m Länge der Doppelgarage können daher entgegen dem klägerischen Vorbringen bei der Berechnung der Gesamtlänge der Grenzbebauung nicht außer Betracht bleiben.
Da die Höchstmaße einer nach Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 BayBO privilegierten Grenzbebauung überschritten sind, gelten die allgemeinen Abstandsflächen nach Art. 6 Abs. 4 bis 7 BayBO. Gemäß Art. 6 Abs. 4 Satz 1 BayBO bemisst sich die Abstandsfläche nach der Wandhöhe und wird senkrecht zur Wand gemessen. Die Wandhöhe ist gemäß Art. 6 Abs. 4 Satz 2 BayBO das Maß von der Geländeoberfläche bis zum Schnittpunkt der Wand mit der Dachhaut oder bis zum oberen Abschluss der Wand. Die Wandhöhe beträgt nach den Messungen bei der Baukontrolle am 8. Dezember 2016 mindestens 3,17 m für den Wohnwagenabstellplatz, 3,00 m für die Doppelgarage und mindestens 3,55 m für die Pkw-Vorplatzüberdachung. Da sowohl die Neigung der Pultdächer der beiden Anbauten als auch die Neigung des Satteldachs der Doppelgarage weniger als 45 Grad betragen, ist die Höhe der Dächer nicht gemäß Art. 6 Abs. 4 Satz 3 BayBO hinzuzurechnen. Die Tiefe der Abstandsfläche beträgt somit gemäß Art. 6 Abs. 4 und 5 BayBO 3,17 m für den Wohnwagenabstellplatz, 3,00 m für die Doppelgarage und 3,55 m für die Pkw-Vorplatzüberdachung.
Nach Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayBO müssen die Abstandsflächen auf dem Grundstück selbst liegen. Ausnahmsweise können sie gemäß Art. 6 Abs. 2 Satz 3 BayBO auf dem Nachbargrundstück liegen. Dies setzt jedoch voraus, dass der Nachbar schriftlich gegenüber der Bauaufsichtsbehörde erklärt, dass er die Abstandsfläche in einer bestimmten Breite und Tiefe auf seinem Grundstück übernimmt und sich zugleich verpflichtet, diese Fläche nicht zu überbauen (vgl. Schönfeld in Spannowsky/Manssen, BeckOK Bauordnungsrecht Bayern, Stand: 1.6.2020, Art. 6 Rn. 113). Eine solche Erklärung haben die Eigentümer des Grundstück FlNr. 1486/3 nicht gegenüber dem Landratsamt abgegeben. Sie haben vielmehr selbst den Antrag auf bauaufsichtliches Einschreiten gestellt und damit zu erkennen gegeben, dass sie mit den klägerischen Anbauten nicht einverstanden sind. Eine Abstandsflächenübernahme i.S.v. Art. 6 Abs. 2 Satz 3 BayBO war auch nicht Gegenstand des Vergleichs vor dem Amtsgericht M* … … … vom … Mai 2016. Eine Übernahme könnten die Nachbarn im Übrigen hinsichtlich der Abstandsfläche des Grenzbaus, die auf den mit einer Garage bebauten Bereich des Grundstück FlNr. 1486/3 fällt, wegen der Verpflichtung zur Freihaltung der Fläche nicht erklären. Die Abstandsfläche der östlichen Außenwand des auf dem Grundstück FlNr. 1486/2 liegenden Grenzbaus liegt somit vollständig auf dem Grundstück FlNr. 1486/3 und verstößt damit gegen Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayBO. Die Gesamtüberschreitung des Grenzbaus beträgt ca. 42,5 m2, von denen ca. 12 m2 auf den Wohnwagenabstellplatz, ca. 19,5 m2 auf die Doppelgarage und ca. 11 m2 auf die Pkw-Vorplatzüberdachung entfallen.
1.2.4. Auch die weiteren Voraussetzungen für den Erlass der Beseitigungsanordnung sind erfüllt. Die Beklagte hat ihr Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt und verhältnismäßig gehandelt.
Der Beklagte hat sein Ermessen im Hinblick auf Adressaten und Frist der Beseitigungsanordnung ordnungsgemäß ausgeübt. Gegenüber der Bauaufsichtsbehörde ist bislang nur die Klägerin aufgetreten. Als Bauherrin und Eigentümerin des Grundstücks FlNr. 1486/2 hat sie sowohl den Bauantrag für die Errichtung des Einfamilienhauses mit Doppelgarage als auch den nachträglichen Bauantrag für die Errichtung der Pkw-Vorplatzüberdachung und des Wohnwagenabstellplatzes gestellt. Daher war die Beseitigungsanordnung gegenüber ihr zu erlassen, weil sie sowohl Verhaltens- als auch Zustandsstörerin ist (vgl. Art. 9 LStVG). Die Frist für die Beseitigung wurde mit einem Monat nach Unanfechtbarkeit des Bescheids ausreichend lang bemessen.
Das von der Beklagten ausgeübte Ermessen ist auch sonst fehlerfrei ausgeübt worden. Es ist rechtlich nicht zu beanstanden, dass der Beklagte im Rahmen seiner Abwägungsentscheidung dem Interesse der Allgemeinheit an rechtmäßigen Bauzuständen sowie dem der Nachbarn auf Einhaltung der Abstandsflächen den Vorrang vor dem privaten Interesse der Klägerin auf Erhalt des Grenzbaus im gegenwärtigen Umfang eingeräumt hat. Der Beklagte hat bei der Ermessensentscheidung insbesondere berücksichtigt, dass das Maß der zulässigen Grenzbebauung nicht bloß unwesentlich überschritten wurde. Ein Einverständnis der östlich gelegenen Grundstückseigentümer mit dem Grenzbau – wie von der Klägerin vorgetragen – kann zudem weder den Behördenakten noch dem Vergleich vor dem Amtsgericht M* … … … vom … Mai 2016 entnommen werden. Der nach dem gerichtlichen Vergleich gestellte Antrag der östlich gelegenen Grundstückseigentümer auf bauaufsichtliches Einschreiten zeigt vielmehr, dass sie mit dem Grenzbau der Klägerin nicht einverstanden sind und ein erhebliches Interesse an der Einhaltung der Abstandsflächen haben.
Die Befugnis zu einem behördlichen Einschreiten ist nicht aufgrund des Schreibens vom 21. Juli 2016 an die östlichen Grundstückseigentümer in entsprechender Anwendung des § 242 BGB verwirkt worden. Denn zum einen wurde das Schreiben nicht auch an die Klägerin zugestellt. Zum anderen heißt es in dem Schreiben lediglich, dass derzeit von einer Beseitigung abgesehen werde. Eine rechtlich bindende Zusicherung der Beklagten i.S.v. Art. 38 BayVwVfG, dass von einer Beseitigungsanordnung gegenüber der Klägerin abgesehen werde, wurde daher zu keinem Zeitpunkt gegeben.
Die Beseitigungsanordnung verstößt auch nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Der Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung dargelegt, dass die aufgenommenen Bezugsfälle (vgl. S. 42 ff. der Behördenakte) die Grundlage für die Erstellung eines Konzepts für ein etwaiges bauaufsichtliches Aufgreifen seien und er den Ausgang dieses Verfahrens als Musterverfahren abwarte, um dann gegebenenfalls eine abstandsflächenrechtliche Bereinigung vorzunehmen. Hiergegen ist nichts einzuwenden.
Die Beseitigungsanordnung ist verhältnismäßig. Sie ist insbesondere auf das nach Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 BayBO zulässige Maß beschränkt worden. Ferner ist es der Klägerin ins Belieben gestellt, welche Teile der Garagenanbauten sie hierzu entfernt. Ein milderes, gleich geeignetes Mittel zur Wiederherstellung rechtmäßiger Bauzustände ist nicht ersichtlich. Auch die Angemessenheit der Maßnahme ist zu bejahen, weil der zu erwartende Schaden nicht erkennbar außer Verhältnis zum beabsichtigten Erfolg steht.
2. Gegen die Zwangsgeldandrohung in Nr. 2 des streitgegenständlichen Bescheids bestehen keine rechtlichen Bedenken (Art. 29, 31, 36 VwZVG). Insbesondere ist die Frist sowie die Höhe des Zwangsgeldes angemessen.
3. Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Der Ausspruch über die sofortige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Zum Betretungsrecht der mit dem Vollzug der Bayerischen Bauordnung beauftragten Personen im Rahmen der bauaufsichtlichen Aufgaben und Befugnisse und wenn der Vollzug des Baurechts – insbesondere für die Prüfung von Bauanträgen und von bauaufsichtlichen Maßnahmen sowie allgemein für die Bauüberwachung gewährleistet werden muss

Zum Betretungsrecht der mit dem Vollzug der Bayerischen Bauordnung beauftragten Personen im Rahmen der bauaufsichtlichen Aufgaben und Befugnisse und wenn der Vollzug des Baurechts - insbesondere für die Prüfung von Bauanträgen und von bauaufsichtlichen Maßnahmen sowie allgemein für die Bauüberwachung gewährleistet werden muss

von Thomas Ax

Das Betretungsrecht nach Art. 54 Abs. 2 Satz 4 BayBO umfasst die Befugnis der mit dem Vollzug der Bayerischen Bauordnung beauftragten Personen, Grundstücke und bauliche Anlagen auch gegen den Willen der Betroffenen zu betreten und (schlicht) in Augenschein zu nehmen (d.h. nicht eine Durchsuchung i.S. von Art. 13 Abs. 2 GG durchzuführen). Sinn des Betretungsrechts ist es zu prüfen, ob die für die Bauaufsicht maßgebenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften eingehalten sind. Das Betretungsrecht erstreckt sich auf bebaute und unbebaute Grundstücke, Anlagen und Wohnungen. Für die Überprüfung muss ein sachlicher Grund vorliegen, der sich allgemein daraus ergibt, dass bauliche Anlagen so zu errichten, zu ändern oder instand zu halten sind, dass die öffentliche Sicherheit und Ordnung, insbesondere Leben und Gesundheit, und die natürlichen Lebensgrundlagen nicht gefährdet werden. Das Betretungsrecht steht den berechtigten Personen “in Ausübung ihres Amtes” zu. Das Betreten des Grundstücks muss geeignet, erforderlich und angemessen sein. Dabei muss sich die Bauaufsichtsbehörde regelmäßig nicht darauf verweisen lassen, dass eine Einsichtnahme auch von der Straße oder von einem Nachbargrundstück aus möglich wäre. Geeignet, erforderlich und zumutbar ist eine auf das Betreten gerichtete Duldungsverpflichtung insbesondere dann, wenn eine hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass unter Verstoß gegen baurechtliche Bestimmungen gebaut wird und zuvor vergeblich versucht wurde, einen Augenscheintermin zu vereinbaren. Ein wiederholtes Betreten ist zulässig, wenn dies zur umfassenden Sachverhaltsermittlung erforderlich ist oder die Möglichkeit zwischenzeitlicher Veränderungen besteht.

Das Betretungsrecht besteht nicht nur im Rahmen der bauaufsichtlichen Aufgaben und Befugnisse gem. Art. 54 Abs. 2 Satz 1 BayBO besteht, sondern ganz allgemein, wenn der Vollzug des Baurechts – insbesondere für die Prüfung von Bauanträgen und von bauaufsichtlichen Maßnahmen (Art. 54 Abs. 2 Satz 2, Abs. 4, Art. 74 ff. BayBO) sowie allgemein für die Bauüberwachung (Art. 77, 78 BayBO) – gewährleistet werden muss. Den Berechtigten soll mit dem Betretungsrecht die Möglichkeit eröffnet werden, durch Inaugenscheinnahme die zur Bauüberwachung notwendigen Erkenntnisse zu ermitteln resp. sich eine Meinung darüber zu bilden, ob die baurechtlichen Vorschriften eingehalten sind. Eine konkrete Gefahr wird nicht vorausgesetzt (vgl. BVerwG, B.v. 7.6.2006 – 4 B 36.06 – ZfBR 2006, 688 = juris Rn. 4; BayVGH, B.v. 25.2.2009 – 9 C 08.2244 und 9 C 08.2245 – jeweils juris Rn. 2; VG Augsburg, U.v. 26.4.2010 – Au 5 K 09.1474 – juris Rn. 37; VG Würzburg, U.v. 5.5.2008 – W 5 K 08.660 – juris Rn. 37; zum Ganzen vgl. auch Molodovsky/Famers/Waldmann, BayBO, Stand: Mai 2021, Art. 54 Rn. 98 f., 103; Dirnberger in Busse/Kraus, BayBO, Stand: März 2021, Art. 54 Rn. 131, 134).

Art. 54 Abs. 2 Satz 4 BayBO ermächtigt auch zum Betreten von Wohnungen i.S. von Art. 13 Abs. 7 GG, hierbei gelten aber aufgrund der verfassungsrechtlichen Beschränkungen nach Art. 13 Abs. 7 GG, Art. 106 Abs. 3 BayVerf sowie am Maßstab des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit besondere Anforderungen.

Das Betreten (allgemein eines Grundstücks oder speziell einer “Wohnung”) selbst ist ein Realakt, sodass es einer Verfügung nicht bedarf, wenn die Betroffenen hiermit einverstanden sind (Molodovsky/Famers/Waldmann a.a.O. Art. 54 Rn. 106). Jedenfalls wenn es um das Betreten von Wohnungen i.S. von Art. 13 GG geht, bedarf die allgemeine gesetzliche Ermächtigung, eine Wohnung auch gegen den Willen der Betroffenen zu betreten, im Einzelfall der Konkretisierung durch eine entsprechende Duldungsanordnung. Denn erst durch einen solchen Verwaltungsakt wird in nachprüfbarer Weise festgestellt, dass die Voraussetzungen des Art. 54 Abs. 2 Satz 4 BayBO unter Berücksichtigung der Schranken des Art. 13 Abs. 7 GG vorliegen (vgl. BayVerfGH, E.v. 30.1.2006 – Vf. 5-VII-05 – BayVBl 2006, 304 = juris Rn. 28; BayVGH, U.v. 10.4.1986 – 2 B 85 A.630 – BayVBl 1987, 21/22). In der Kommentarliteratur wird darüber hinaus mit Blick auf das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG, Art. 3 Abs. 1 BV) und die Garantie des effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) auch in allen anderen Fällen des Betretens eines Grundstücks / Anwesens gegen den Willen des Verfügungsberechtigten die Notwendigkeit einer Duldungsanordnung gesehen, bevor Verwaltungszwang angewendet werden kann (Dirnberger in Busse/Kraus, BayBO, Art. 54 Rn. 141 f.; Molodovsky/Famers/Waldmann a.a.O. Art. 54 Rn. 107 f.). Im Übrigen gelten für die Ausübung des Betretungsrechts die allgemeinen Voraussetzungen des Sicherheitsrechts, insbesondere muss der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachtet werden (BayVerf-GH, E.v. 30.1.2006 a.a.O. juris Rn. 21; BayVGH, B.v. 26.3.2012 – 9 ZB 08.1359 – juris Rn. 15; Molodovsky/Famers/Waldmann, a.a.O. Art. 54 Rn. 104 m.w.N.). Dies setzt voraus, dass die Interessen des Betroffenen sachgerecht mit den öffentlichen Interessen an der Wahrnehmung von Recht und Ordnung abgewogen werden.

Wohnung i.S. von Art. 13 GG ist jeder nicht allgemein zugängliche Raum, der zu Aufenthalts- oder Arbeitszwecken von Menschen bestimmt oder benutzt wird. Während teilweise Gärten generell vom verfassungsrechtlichen Wohnungsbegriff ausgenommen werden (Molodovsky/Famers/Waldmann, BayBO, Stand: Mai 2021, Art. 54 Rn. 100 m.w.N.), werden nach wohl überwiegender Ansicht auch Freiflächen, die einer privaten Nutzung zugeordnet sind und bei denen ein Mindestmaß an räumlicher Abschottung gegeben ist, wie z. B. Hausgärten oder umfriedete Kinderspielplätze in der Nähe von Wohnungen, dem Schutzbereich des Art. 13 GG und damit auch dem Schrankenvorbehalt des Art. 13 Abs. 7 GG unterfallend angesehen (vgl. BGH, B.v. 14.3.1997 – 1 BGs 65/97 – NJW 1997, 2189 = juris Rn. 6 ff.; VG Augsburg, U.v. 26.4.2010 – Au 5 K 09.1474 = juris Rn. 44; Dirnberger in Busse/Kraus, BayBO, Art. 54 Rn. 138).

Allgemein ermächtigt Art. 54 Abs. 2 Satz 4 BayBO auch zum Betreten von Wohnungen i.S. von Art. 13 Abs. 7 GG, hierbei gelten aber aufgrund der verfassungsrechtlichen Beschränkungen nach Art. 13 Abs. 7 GG, Art. 106 Abs. 3 BayVerf besondere Anforderungen. Auch wenn Art. 54 Abs. 2 Satz 4 BayBO die Anforderungen des Art. 13 Abs. 7 GG, wonach Eingriffe und Beschränkungen in den verfassungsrechtlich geschützten Wohnbereich – soweit es nicht um die Abwehr einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr für einzelne Personen geht – nur auf Basis einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage und nur zur Verhütung von dringenden Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung zulässig sind, nicht ausdrücklich nennt, müssen diese beim Betreten von Wohnungen selbstverständlich beachtet werden (zum Ganzen: BVerwG, B.v. 7.6.2006 – 4 B 36.06 – ZfBR 2006, 688 = juris Rn. 2 ff.; BayVerfGH, E.v. 30.1.2006 – Vf. 5-VII-05 – BayVBl 2006, 304 = juris Rn. 25 f.; Dirnberger in Busse/Kraus, BayBO, Art. 54 Rn. 134 f., 136 ff.). Vergleichbares gilt auch nach Art. 106 Abs. 3 BayVerf (BayVerfGH, E.v. 30.1.2006 a.a.O.). Eine dringende Gefahr im Sinne des Art. 13 Abs. 7 GG liegt vor, wenn eine Sachlage oder ein Verhalten ohne Einschreiten der Behörde mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein wichtiges Rechtsgut schädigen würde. Die Einhaltung der formellen und materiellen Anforderungen des Baurechts stellt in aller Regel ein solches wichtiges Rechtsgut dar (zum Ganzen vgl. BayVGH, B.v. 19.6.1991 – 2 CS 91.625 – S. 7, nicht veröffentlicht; B.v. 25.2.2009 – 9 C 08.2244 und 9 C 08.2245 – jeweils juris Rn. 2; B.v. 26.3.2012 – 9 ZB 08.1359 – juris Rn. 15; B.v. 9.12.2015 – 1 ZB 14.1937 – juris Rn. 4; OVG RhPf, U.v. 15.2.2006 – 8 A 11500/05 – BauR 2006, 971 = juris Rn. 16; VG München, U.v. 13.3.2019 – M 9 K 17.6073 – juris Rn. 19; VG Augsburg, U.v. 26.4.2010 – Au 5 K 09.1474 – juris Rn. 37; Molodovsky/Famers/Waldmann, BayBO, Art. 54 Rn. 105; Dirnberger in Busse/Kraus, BayBO, Art. 54 Rn. 138). Damit kann insbesondere auch die Gewährleistung eines ungehinderten Vollzugs der der Bauaufsichtsbehörde obliegenden Aufgabe, bei der Errichtung, Änderung, Nutzungsänderung sowie bei der Nutzung und Instandhaltung von Anlagen darüber zu wachen, dass die öffentlichen Vorschriften und die auf Grund dieser Vorschriften erlassenen Anordnungen eingehalten werden (Art. 54 Abs. 2 Satz 1 BayBO), als wichtiges Rechtsgut angesehen werden, was es bei entsprechendem Anlass rechtfertigt, vom Betretungsrecht auch gegenüber einer “Wohnung” i.S. von Art. 13 GG bzw. Art. 106 Abs. 3 BayVerf Gebrauch zu machen (VG Würzburg,U.v. 5.5.2008 – W 5 K 08.660 – juris Rn. 33 m.w.N.). Die Duldungsanordnung der Betretung setzt dabei auch bei Wohnungen i.S. von Art. 13 GG, Art. 106 Abs. 3 BayVerf nicht voraus, dass ein Verstoß gegen baurechtliche Vorschriften vorliegt, vielmehr reicht schon die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines solchen Verstoßes aus (BayVGH, B.v. 9.9.2019 – 1 ZB 19.836 – juris Rn. 5; B.v. 9.9.2019 – 1 ZB 19.839 – juris Rn. 4; Manssen in Spannowsky/Manssen, Bauordnungsrecht Bayern BeckOK, Stand: April 2021, Art. 54 Rn. 33; Molodovsky/Famers/Waldmann a.a.O. Art. 54 Rn. 105). Im Einzelfall ist die rechtsstaatliche Bedeutung der Unverletzlichkeit der Wohnung mit dem öffentlichen Interesse an der Wahrung von Recht und Ordnung abzuwägen (BayVGH, B.v. 9.1.1996 – 2 CS 95.3895 – BeckRS 1996, 14855 m.w.N.).

Zudem ist im Rahmen der ergänzend gebotenen Abwägung zwischen der rechtsstaatlichen Bedeutung der Unverletzlichkeit der Wohnung einerseits mit dem öffentlichen Interesse an der Wahrung von Recht und Ordnung andererseits (s.o.) zu berücksichtigen, dass das Schutzbedürfnis sonstiger Wohnbereiche (wie z.B. Hausgärten) im Vergleich zu Wohnräumen i.e.S. gemindert ist (BayVGH, B.v. 16.1.2014 – 1 ZB 13.301 – juris Rn. 7; VG Augsburg, U.v. 26.4.2010 – Au 5 K 09.1474 = juris Rn. 44; Dirnberger in Busse/Kraus, BayBO, Art. 54 Rn. 138; bei Betriebs- und Arbeitsräumen vgl. auch BVerfG, B.v. 13.10.1971 – 1 BvR 280/66 – BVerfGE 32, 54 = juris Rn. 51 ff.). Die gebotene Abwägung der rechtsstaatlichen Bedeutung der Unverletzlichkeit auch von Freiflächen, die einer privaten Nutzung zugeordnet sind, mit dem Interesse sowie der Aufgabe des Staats, die formellen und materiellen Anforderungen des Baurechts zu gewährleisten, ergibt, dass der mit dem Betreten einer Gartenfläche verbundene Eingriff in Rechte der Antragsteller weniger schwer wiegt als ein Absehen von der Überprüfung und Durchsetzung des Rechts.

Selbst wenn auch der hintere Gartenbereich vom Schutzbereich des Art. 13 GG erfasst wird, würde es sich bei dem zeitlich begrenzten Betreten nicht um einen tiefgreifenden Grundrechtseingriff handeln (im Ergebnis ebenso in den Fallgestaltungen bei BayVGH, B.v. 16.1.2014 a.a.O. und VG Augsburg, U.v. 26.4.2010 a.a.O.).

Das Betreten des Grundstücks muss geeignet, erforderlich und angemessen sein. Dabei muss sich die Bauaufsichtsbehörde regelmäßig nicht darauf verweisen lassen, dass eine Einsichtnahme auch von der Straße oder von einem Nachbargrundstück aus möglich wäre. Geeignet, erforderlich und zumutbar ist eine auf das Betreten gerichtete Duldungsverpflichtung insbesondere dann, wenn eine hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass unter Verstoß gegen baurechtliche Bestimmungen gebaut wird und zuvor vergeblich versucht wurde, einen Augenscheintermin zu vereinbaren (BayVGH, B.v. 19.6.1991 – 2 CS 91.625 – S. 9, nicht veröffentlicht; Dirnberger in Busse/Kraus, BayBO, Art. 54 Rn. 135). Ein wiederholtes Betreten ist zulässig, wenn dies zur umfassenden Sachverhaltsermittlung erforderlich ist oder die Möglichkeit zwischenzeitlicher Veränderungen besteht (BayVGH, B.v. 9.1.1996 – 2 CS 95.3895 – BeckRS 1996, 14855; Dirnberger in Busse/Kraus, a.a.O., Art. 54 Rn. 135).

Errichtungsmethoden lassen sich einteilen in: modulare (Off-site), konventionelle (On-site) und hybride Bauverfahren

Errichtungsmethoden lassen sich einteilen in: modulare (Off-site), konventionelle (On-site) und hybride Bauverfahren

Bei der modularen Vorfertigung wird ein „Inside-Out“-Ansatz zum Bau von Baugruppen verwendet. Zum Beispiel kann eine Sanitäreinheit einer Abfolge von Rahmen, Innenfläche, Elektrik, Sanitär, Mechanik, Isolierung, Außenverkleidung und Beschichtung folgen. Entscheidend hierbei ist, dass ein Planungsstand nach der Übergabe an die Vorfertigung hinsichtlich des technischen Entwurfs nicht mehr abgeändert wird („Design-Freeze“). Die Moduleinheiten werden unter optimierten Produktionsbedingungen in einer präzisen, ressourceneffizienten Fließfertigung computergestützt, teilautomatisiert hergestellt, was Einschränkungen durch Witterung und Verzögerungen durch vorangestellte Gewerke vermeidet. Durch die Phasenüberschreitung der Vorfertigung mit der Gründung kann der Realisierungsprozess beschleunigt werden.

Traditionelle Bauverfahren arbeiten hingegen nach einem „Outside-In“-Ansatz. Im Zuge eines Bauzyklus arbeiten die Gewerke übereinander bzw. aufeinander aufbauend. Oftmals werden hybride Bauweisen angewandt, bei denen Abschnitte in traditionellen Bauverfahren vor Ort errichtet werden, die aufgrund von programmatischen Anforderungen, wie bspw. großen Öffnungen und Spannweiten nur schwer in der Fabrik vormontiert werden können.
Insbesondere der steigende Grad der Haustechnik führt bei einer konventionellen Realisierung, mit stark zergliederten Montage- und Installationsprozessen, zu einer Überforderung der zu koordinierenden Gesamtplanung. Infolgedessen entstehen nicht selten Zeit- und Kostenüberschreitungen.

Im Vergleich zu einer konventionellen Montage werden potenzielle Konstruktionsprobleme auf der Baustelle in die Entwicklung vorverlagert und damit vom eigentlichen „Ort des Problems“ entkoppelt. Durch eine Zusammenfassung der technischen Gewerke in sogenannte modulare TGA-Verbundsysteme (bspw. Heizzentrale, Lüftungszentrale, Technikschacht, Medientrassen) können wesentlich kürzere Realisierungszeitspannen erreicht werden. Durch vorgedachte Lösungen verschlankt sich der Entscheidungsfindungsprozess auf die bestehenden Optionen bzw. daraus ableitende Anpassungen. Daraus ergeben sich Vorteile hinsichtlich Produktivität, Arbeitssicherheit, Qualität, Reduktion der Bauabfälle und Nachhaltigkeit.

Wie legt man das Fundament für ein erfolgreiches, nachhaltiges Bauprojekt?

Wie legt man das Fundament für ein erfolgreiches, nachhaltiges Bauprojekt?

Ein erfolgreiches, nachhaltiges Projekt hängt von der übergeordneten Unternehmensstrategie, einer klaren Projektstrategie und intelligenten und modernen baulichen und technischen Konzepten ab. Ein klarer Projektauftrag ist hierbei wichtig und sichert den Projekterfolg. Er verhindert, dass ein Projekt während des Projektverlaufs wiederholt in Frage gestellt oder sogar gestoppt wird.

Planen und Bauen ist eine Teamaufgabe.

Nebst den vorhergenannten formalen Randbedingungen ist eine konstruktive und auch ehrliche Kommunikation im Projektteam ebenso wichtig.

Ein weiterer Faktor für ein stabiles Fundament sind die richtigen Leute in der richtigen Funktion und ein fairer Umgang miteinander. Wenn dann Betrieb und Bau gemeinsam ein Gebäude entwickeln und planen, entsteht ein optimales Produkt. Der Bau benötigt vom Betrieb präzise Angaben zur baulich-technischen Planung und braucht dazu oftmals den iterativen Austausch zur Detaillierung. Es gilt, zwischen Bau und Betrieb zu übersetzen, zu abstrahieren und zu vermitteln.

Der Einbezug der Nutzer ist unabdingbar und wichtig zur Definition der Anforderungen an ein Gebäude. Die Anspruchsgruppen sind über die Unterschiedlichen Hierarchiestufen hinweg. Als guter organisatorischer und prozessualer Weg hat sich das Arbeiten mit Nutzervertretern herausgestellt. Der Einbezug der Nutzer und eine regelmäßige und stufengerechte Kommunikation unterstützen die Identifikation mit dem Projekt und dem späteren Gebäude wesentlich.

Der Bauherr ist doch kein Versuchskaninchen und muss bei der Mängelbeseitigung nicht einfach alles über sich ergehen lassen!

Der Bauherr ist doch kein Versuchskaninchen und muss bei der Mängelbeseitigung nicht einfach alles über sich ergehen lassen!

von Thomas Ax 

Dem Werkunternehmer ist es zwar regelmäßig überlassen, in welchem Umfang und auf welche Weise er einen Baumangel beseitigen will. Er trägt das Risiko seiner Arbeit und er muss daher grundsätzlich auch allein entscheiden können, auf welche Weise er die Mängel dauerhaft beseitigen will (vgl. BGH, Urteil vom 27.11.2003, VII ZR 93/01, NZBau 2004, 153; zur Beweislast des Auftraggebers vgl. BGH, Urteil vom 05.05.1969, VII ZR 26/69, ZfBR 2001, 110 (Ls.) bzw. juris; vgl. auch OLG Düsseldorf, Urteil vom 30.08.2012, I-23 U 143/11, BauR 2013, 107; OLG Celle, Urteil vom 17.03.2011, 6 U 125/10, IBR 2012, 21; OLG Celle, Urteil vom 02.06.2010, 14 U 205/03, BauR 2010, 1613; Bold, NJW 2007, 2960/2963 – Schallschutz).

Ein Unternehmer muss sich daher nur ausnahmsweise, insbesondere wenn Treu und Glauben dies erfordern, Weisungen von Seiten des Auftraggebers unterwerfen (vgl. OLG Koblenz, Urteil vom 06.08.2004, 8 U 19/04, IBR 2005, 368, Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen durch BGH, Beschluss vom 12.05.2005, VII ZR 216/04).

Das ist z.B. der Fall, wenn der Unternehmer eine völlig unzureichende Nacherfüllung plant, bei der von vorneherein abzusehen ist, dass sie nicht zu einer vollständigen, nachhaltigen und den anerkannten Regeln der Technik entsprechenden Mängelbeseitigung führen kann.
Auf solche untauglichen Nachbesserungsansinnen des Auftragnehmers, die sich als bloßer Versuch einer Nachbesserung darstellen, braucht sich der Auftraggeber einer Werkleistung regelmäßig nicht einzulassen (vgl. BGH, Urteil vom 05.05.2011, VII ZR 28/10, NJW 2011, 1872; BGH, Urteil vom 13.12.2001, VII ZR 27/00, NJW 2002, 1262; BGH, Urteil vom 24.04.1997, VII ZR 110/96, BauR 1997, 638; OLG Stuttgart, Urteil vom 30.12.2009, 9 U 18/09, Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen durch BGH, Beschluss vom 09.02.2012, VII ZR 15/10, IBR 2012, 258; Werner/Pastor, a.a.O., Rn 2091; Vygen/Joussen, Bauvertragsrecht nach VOB und BGB, 5. Auflage 2013, Rn 1337 mwN; vgl. auch BGH, Urteil vom 07.03.2013, VII ZR 119/10, NJW 2013, 1528; BGH, Urteil vom 05.10.2005, X ZR 276/02, BauR 2006, 524; ibronline-Kommentar/Krause-Allenstein, Stand 12.03.2018, § 635, Rn 24 ff./31 mwN).

Herrscht Streit darüber, wie die Nachbesserung vertragsgerecht erfolgen muss, tragen beide Parteien ein Risiko, wenn sie darüber keine Einigung erzielen. Besteht der Unternehmer auf einer Nachbesserungsmaßnahme, die unzureichend ist, kann der Besteller diese zurückweisen (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 30.12.2009, a.a.O.). Er gerät dann nicht in Annahmeverzug (vgl. BGH, Urteil vom 29.06.2006, VII ZR 274/04, juris; BGH, Urteil vom 27.03.2003, VII ZR 443/01, juris); der Unternehmer verliert in diesem Fall sein Nacherfüllungsrecht. Für die Beurteilung, ob eine durch den Werkunternehmer angebotene Nachbesserungsmaßnahme geeignet ist oder nicht, kommt es auf objektive Maßstäbe an und nicht darauf, welche Erkenntnisse der Werkunternehmer zum Zeitpunkt der Abgabe eines Nachbesserungsangebots hatte (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 30.12.2009, a.a.O.; ibronline-Kommentar-Krause/Allenstein, Stand 12.03.2018, § 635, Rn 30 ff. mwN).

Nacherfüllungsmaßnahmen, die den vertraglich geschuldeten Erfolg nicht vollständig herbeiführen, muss der Bauherr grundsätzlich nicht akzeptieren und darf er zurückweisen (vgl. BGH, Urteil vom 08.07.2004, VII ZR 317/02, juris; ibronline-Kommentar-Krause/Allenstein, a.a.O., § 635, Rn 25 mwN).
Diese geschuldete Abstimmung mit dem Besteller (im Sinne einer nachvollziehbaren Darstellung der angebotenen Sanierung von Deckenflächen) ist Ausfluss der vom BGH in ständiger Rechtsprechung formulierten und zunehmend erweiterten Kooperationspflichten von Bauvertragsparteien (vgl. insbesondere BGH, Urteil vom 10.05.2007, VII ZR 226/05, juris). Dies folgt auch daraus, dass keiner Partei mit einer Nacherfüllung gedient ist, die sich später als unzureichend erweist.

Es gibt kein Recht des Werkunternehmers bzw. Bauträgers, sich durch sukzessive Mängelbeseitigungsversuche an den von ihm vertraglichen geschuldeten “erhöhten Schallschutz” schrittweise (und für ihn kostensparend) quasi “heranzutasten”. Dies gilt erst recht im Rahmen eines schon bezogenen bzw. bewohnten Objekts, bei dem jede weitere Teil- bzw. Schlusssanierung mit erheblichen, den Bauherrn auch immateriell belastenden Einschränkungen der Bewohnbarkeit des Objekts und entsprechend hohem Aufwand bei dem notwendigen Schutz des persönlichen Inventars des Bauherrn verbunden ist.

OLG Brandenburg zu der Frage, dass die Ablehnung eines Richters grundsätzlich nicht erfolgreich auf die Verfahrensweise oder die Rechtsauffassung eines Richters gestützt werden kann und dass eine Ausnahme von diesem Grundsatz dann geboten ist, wenn die Gestaltung des Verfahrens oder die Entscheidungen des Richters sich so weit von den anerkannten rechtlichen – insbesondere verfassungsrechtlichen – Grundsätzen entfernen, dass sie aus der Sicht der Partei nicht mehr verständlich und offensichtlich unhaltbar erscheinen und dadurch den Eindruck einer willkürlichen oder doch jedenfalls sachfremden Einstellung des Richters erwecken

OLG Brandenburg zu der Frage, dass die Ablehnung eines Richters grundsätzlich nicht erfolgreich auf die Verfahrensweise oder die Rechtsauffassung eines Richters gestützt werden kann und dass eine Ausnahme von diesem Grundsatz dann geboten ist, wenn die Gestaltung des Verfahrens oder die Entscheidungen des Richters sich so weit von den anerkannten rechtlichen - insbesondere verfassungsrechtlichen - Grundsätzen entfernen, dass sie aus der Sicht der Partei nicht mehr verständlich und offensichtlich unhaltbar erscheinen und dadurch den Eindruck einer willkürlichen oder doch jedenfalls sachfremden Einstellung des Richters erwecken

vorgestellt von Thomas Ax

1. Die Ablehnung eines Richters wegen der Besorgnis der Befangenheit findet statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Dabei kommen nur objektive Gründe in Frage. Rein subjektive, unvernünftige Vorstellungen des Ablehnenden scheiden als Gründe aus. Entscheidend ist, ob ein am Verfahren Beteiligter bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass hat, an der Unvoreingenommenheit des Richters zu zweifeln.
2. Die Ablehnung kann grundsätzlich nicht erfolgreich auf die Verfahrensweise oder die Rechtsauffassung eines Richters gestützt werden. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz ist nur dann geboten, wenn die Gestaltung des Verfahrens oder die Entscheidungen des Richters sich so weit von den anerkannten rechtlichen – insbesondere verfassungsrechtlichen – Grundsätzen entfernen, dass sie aus der Sicht der Partei nicht mehr verständlich und offensichtlich unhaltbar erscheinen und dadurch den Eindruck einer willkürlichen oder doch jedenfalls sachfremden Einstellung des Richters erwecken.
3. Der Umstand, dass ein Richter auf einen nachgelassenen Schriftsatz keine Hinweise erteilt hat, ist nicht geeignet, eine unsachgemäße Einstellung oder Vorgehensweise zu belegen.
4. Die richterliche Pflicht zum Erteilen von Hinweisen ist auf die Zeit der Vorbereitung wie auch der Durchführung der mündlichen Verhandlung begrenzt ist.
5. Nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung ist die Erteilung von Hinweisen erst wieder im Verkündungstermin möglich. In dessen Vorbereitung obliegt es dem Richter zu prüfen, ob das Vorbringen im nachgelassenen Schriftsatz eine Wiedereröffnung der mündlichen Verfahren und gegebenenfalls die Erteilung weiterer Hinweise zur Vorbereitung des Fortsetzungstermins erfordert oder aber die Verkündung eines Urteils angezeigt ist.

OLG Brandenburg, Beschluss vom 07.10.2024 – 1 W 45/24

Gründe

I.

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Rückzahlung von 250.000 € aufgrund ungerechtfertigter Bereicherung im Zusammenhang mit einem Mietkaufvertrag in Anspruch. Die Beklagte hat Widerklage sowie eine gegen den Ehemann der Klägerin gerichtete Drittwiderklage auf Zahlung von 5.657,20 € erhoben, woraufhin die Klägerin und Widerbeklagte (im Folgenden nur Klägerin genannt) sowie der Drittwiderbeklagte beantragt haben, die Dritt-/Widerklage “im Wege einer Zwischenentscheidung” als unzulässig abzuweisen.

Nachdem die Einzelrichterin der 1. Zivilkammer in der mündlichen Verhandlung vom 10. Juni 2024 auf die Erfolglosigkeit der Klage wie auch der Dritt-/Widerklage hingewiesen, Schriftsatznachlass gewährt und Termin zur Verkündung einer Entscheidung auf den 2. August 2024 bestimmt hatte, haben die Klägerin sowie der Drittwiderbeklagte mit Schriftsatz vom 13. Juli 2024 ergänzend vorgetragen. Mit Schriftsatz vom 26. Juli 2024 haben sie die Einzelrichterin sodann wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und zur Begründung ausgeführt, die Richterin habe ausweislich der in der mündlichen Verhandlung erteilten Hinweise den Antrag auf Zwischenentscheidung über die Dritt-/Widerklage nicht zur Kenntnis genommen und überdies auch ihre Ausführungen im Schriftsatz vom 13. Juli 2024 unbeachtet gelassen, zu denen sie explizit Hinweise erbeten hätten. Sie rügten ferner einen Verstoß gegen den gesetzlichen Richter, da sich die Zuständigkeit der Kammer aus den online abrufbaren Geschäftsverteilungsplänen des Landgerichts nicht ableiten ließe.

Die abgelehnte Richterin hat am 26. Juli 2024 eine dienstliche Stellungnahme abgegeben, in der sie erklärt, sämtliches Parteivorbringen zur Kenntnis genommen und ihre Entscheidungsfindung angesichts der noch laufenden Schriftsatzfrist auch noch nicht abgeschlossen zu haben.

Das Landgericht hat das Ablehnungsgesuch mit Beschluss vom 7. August 2024 zurückgewiesen. Soweit das Verhalten der Richterin in der mündlichen Verhandlung vom 10. Juni 2024 – namentlich das Unterbleiben von Hinweisen zur (Dritt-)Widerklage – beanstandet würde, sei das Gesuch bereits unzulässig. Im Übrigen sei der Antrag unbegründet. Die fehlende Reaktion der Richterin auf den Schriftsatz vom 13. Juli 2024 gebe keinen Anlass an deren Unparteilichkeit zu zweifeln. Zum einen sei die Richterin bis zum 22. Juli 2024 im Urlaub gewesen und zum anderen sei sie nicht zur Erteilung von Hinweisen vor dem anberaumten Verkündungstermin verpflichtet.

Mit Schriftsatz vom 26. August 2024 legten die Klägerin und der Drittwiderbeklagte beim Oberlandesgericht sofortige Beschwerde gegen den ihrer Prozessbevollmächtigten am 13. August 2024 zugestellten Beschluss ein und rügten erneut die Zuständigkeit der 1. Zivilkammer des Landgerichts.

II.

1. Die sofortige Beschwerde ist nach §§ 46 Abs. 2, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zulässig, nachdem sie insbesondere innerhalb der in § 569 Abs. 1 Satz 1 ZPO bestimmten Frist eingelegt worden ist.

Der Senat ist auch nicht deshalb an einer Entscheidung über die sofortige Beschwerde gehindert, weil das Landgericht auf die beim Beschwerdegericht eingelegte Beschwerde keine Abhilfeentscheidung getroffen, sondern die Akte auf die Aktenanforderung unmittelbar vorgelegt hat. Mängel des Abhilfeverfahrens stehen der Durchführung des Beschwerdeverfahrens grundsätzlich nicht entgegen (BGH, Beschluss vom 17. Juni 2010 – V ZB 13/10, und Beschluss vom 15. Februar 2017 – XII ZB 462/16).

2. In der Sache hat das Rechtsmittel jedoch keinen Erfolg. Das Landgericht Frankfurt (Oder) hat das Ablehnungsgesuch der Klägerin und des Drittwiderbeklagten zu Recht zurückgewiesen, da die vorgebrachten Ablehnungsgründe die Besorgnis der Befangenheit der abgelehnten Richterin nicht rechtfertigen.

a) Nach § 42 Abs. 2 ZPO findet die Ablehnung eines Richters wegen der Besorgnis der Befangenheit statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Dabei kommen nur objektive Gründe in Frage. Rein subjektive, unvernünftige Vorstellungen des Ablehnenden scheiden als Gründe aus. Entscheidend ist, ob ein am Verfahren Beteiligter bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass hat, an der Unvoreingenommenheit des Richters zu zweifeln (vgl. BVerfG Beschluss vom 16.02.1995 – 2 BVR 1852/54 -, BVerfGE 92, 138, 139).

Nach allgemeiner Auffassung kann die Ablehnung grundsätzlich nicht erfolgreich auf die Verfahrensweise oder die Rechtsauffassung eines Richters gestützt werden. Denn im Ablehnungsverfahren geht es allein um die Parteilichkeit des Richters und nicht um die Richtigkeit seiner Handlungen und Entscheidungen, deren Überprüfung allein dem Rechtsmittelgericht vorbehalten ist. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz ist nur dann geboten, wenn die Gestaltung des Verfahrens oder die Entscheidungen des Richters sich so weit von den anerkannten rechtlichen – insbesondere verfassungsrechtlichen – Grundsätzen entfernen, dass sie aus der Sicht der Partei nicht mehr verständlich und offensichtlich unhaltbar erscheinen und dadurch den Eindruck einer willkürlichen oder doch jedenfalls sachfremden Einstellung des Richters erwecken (zum Maßstab KG, Beschluss vom 02.07.2015 – 10 W 13/15 -).

b) An diesem Maßstab gemessen liegen keine objektiven Gründe vor, welche aus Sicht eines vernünftigen und besonnenen Betrachters Misstrauen gegen die Unparteilichkeit der abgelehnten Richterin rechtfertigen.

aa) Ihr Ablehnungsgesuch können die Klägerin und der Drittwiderbeklagte dabei zunächst nicht auf den Umstand stützen, dass die Richterin in der mündlichen Verhandlung am 10. Juni 2024 keine Hinweise in Bezug auf den Antrag erteilt hat, die Dritt-/Widerklage im Wege einer Zwischenentscheidung als unzulässig abzuweisen. Ein diesbezügliches Ablehnungsrecht haben die Klägerin und der Drittwiderbeklagte – wie das Landgericht im Ergebnis zutreffend ausführt – gemäß § 43 ZPO verloren, nachdem sie sich in Kenntnis des Sachverhalts und des damit nach ihrer Auffassung verbundenen Ablehnungsgrundes in die Verhandlung eingelassen und Anträge gestellt haben.

bb) Der Umstand, dass die abgelehnte Richterin auf den nachgelassenen Schriftsatz vom 13. Juli 2024 keine Hinweise erteilt hat, ist nicht geeignet, eine unsachgemäße Einstellung oder Vorgehensweise zu belegen. Die gegenteilige Auffassung der Klägerin und des Drittwiderbeklagten verkennt die Reichweite der richterlichen Hinweispflichten nach § 139 ZPO wie auch die gesetzlichen Regelungen zum Ablauf des Zivilprozesses.

Sowohl der Wortlaut des § 139 ZPO als auch dessen Stellung innerhalb der ZPO – namentlich im Titel 1 “Mündliche Verhandlung” des Abschnitts 3 im 1. Buch – und sein Sinn und Zweck machen deutlich, dass die richterliche Pflicht zum Erteilen von Hinweisen auf die Zeit der Vorbereitung wie auch der Durchführung der mündlichen Verhandlung begrenzt ist. In diesem Rahmen dient sie u.a. der Konzentration auf die wesentlichen Streitfragen und damit der Beschleunigung des Prozesses (vgl. MüKoZPO/Fritsche, 6. Aufl. 2020, ZPO § 139 Rn. 2, beck-online).

Nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung ist die Erteilung von Hinweisen – wie das Landgericht zutreffend ausführt – erst wieder im Verkündungstermin möglich. In dessen Vorbereitung obliegt es der Richterin, zu prüfen, ob das Vorbringen im nachgelassenen Schriftsatz eine Wiedereröffnung der mündlichen Verfahren nach § 156 Abs. 1 ZPO und ggf. die Erteilung weiterer Hinweise zur Vorbereitung des Fortsetzungstermins erfordert oder aber die Verkündung eines Urteils angezeigt ist. Diese prozessrechtlichen Regelungen beanspruchen auch dann Geltung, wenn eine Partei – wie hier – um die Erteilung von Hinweisen schon vor dem Verkündungstermin bittet. Der Umstand, dass die Richterin ihre Vorgehensweise an den gesetzlichen Verfahrensregelungen ausgerichtet hat, spricht gerade für die Unparteilichkeit ihrer Verhandlungsführung und ist deshalb nicht geeignet, eine Voreingenommenheit gegenüber der Klägerin und dem Drittwiderbeklagten zu belegen.

cc) Anlass an der Unvoreingenommenheit der abgelehnten Richterin zu zweifeln, gibt auch nicht der Umstand, dass der ohne ihre Beteiligung gefasste Beschluss vom 7. August 2024 keine näheren Ausführungen zu der – seitens der Klägerin und des Drittwiderbeklagten in Abrede gestellten – Zuständigkeit der 1. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt (Oder) enthält.

3. Im Rahmen der Entscheidung über das Ablehnungsgesuch hat schließlich auch der Senat keinen Anlass, über die Zuständigkeit der Zivilkammer zu befinden.

OLG Braunschweig zu der Frage, dass ein verfahrensbeendender Prozessvergleich nicht durch gerichtliche Entscheidung ergänzt werden kann

OLG Braunschweig zu der Frage, dass ein verfahrensbeendender Prozessvergleich nicht durch gerichtliche Entscheidung ergänzt werden kann

vorgestellt von Thomas Ax

1. Ein verfahrensbeendender Prozessvergleich kann nicht durch gerichtliche Entscheidung ergänzt werden.
2. Ist der Vergleich nach § 278 Abs. 6 ZPO zutreffend festgestellt, ist eine Ergänzung auch nicht im Wege der Berichtigung möglich.
3. Sind durch einen Prozessvergleich nach dessen Regelung “alle gegenseitigen Ansprüche aus dem zugrundeliegenden Rechtsstreit abgegolten” und hat der Kläger mit der Klage nur eigene Leistungsansprüche sowie einen Feststellunganspruch für zukünftige Ansprüche mit der üblichen Einschränkung “soweit nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen werden” geltend gemacht, so bedarf es in dem Vergleich ohnehin nicht noch zusätzlich einer ausdrücklichen Regelung, wonach auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte (z. B. eine private Krankenversicherung) von Gesetzes wegen übergegangene oder zukünftig übergehende Ansprüchen nicht Gegenstand des Vergleichs sind.

OLG Braunschweig, Beschluss vom 21.10.2024 – 9 U 75/23

Gründe

Die Voraussetzungen für eine Berichtigung oder Ergänzung liegen nicht vor.

Eine Berichtigung kommt lediglich bei einer fehlerhaften Niederlegung einer Entscheidung – hier des Beschlusses nach § 278 Abs. 6 ZPO – in Form einer Abweichung zwischen dem von dem Gericht Gewollten und dem vom Gericht Erklärten (vgl. BGH NJW 1985, 742) in Betracht; eine Ergänzung i. S. v. § 321 ZPO verlangt, dass das Gericht beim Fällen eines Urteils oder bei einer Beschlussfassung etwas übergangen hat.

An alldem fehlt es vorliegend:

Die Parteien haben den Vergleichsvorschlag des Senats (Beschluss vom 15.5.2024, S. 9 = Bl. 45 NHA) durch Schriftssätze des Klägers vom 5.6.2024 (Bl. 62 NHA) und 10.9.2024 (Bl. 6 RHA) sowie den Schriftsatz des Beklagten vom 27.9.2024 (S. 3 = Bl. 20 RHA) exakt genau so angenommen, wie er ihnen zuvor vorgeschlagen worden ist. Der Feststellungsbeschluss vom 30.9.2024 (Bl. 22 f. RHA) stimmt damit ebenfalls genau überein.

Unabhängig davon ist eine Ergänzung eines Vergleichs durch ein Gericht bereits nicht statthaft. Ein Vergleich ist ein von den Parteien vor Gericht geschlossener Vertrag (vgl. Zöller/Geimer, ZPO, 35. Aufl., Rn. 3ff.), den das Gericht nicht durch Beschluss ändern kann (OLG Nürnberg MDR 2003, 652).

Vorsorglich wird auf Folgendes hingewiesen:

Der nunmehr nachträglich vom Kläger zu Ziffer 4 gewünschte Zusatz ist rechtlich überflüssig. Die Zahlung zu Ziffer 1 und Abgeltungsregelung unter Ziffer 2 beziehen sich allein auf alle “gegenseitigen” Ansprüche “aus dem zugrundeliegenden Rechtsstreit”. Das erfasst logisch nur Ansprüche der Parteien. Den gesetzlich auf die private Krankenversicherung oder andere Dritte übergegangenen Ansprüchen fehlte es jeweils wechselseitig an der Aktivlegitimation der Parteien, um Ansprüche “der Parteien” zu sein. Solche Ansprüche konnten damit auch keine “gegenseitigen” sein, mithin auch nicht “aus dem zugrundeliegenden Rechtsstreit”. Das gilt auch für zukünftige Ansprüche. Denn erfasst sind von Vergleichsziffer 2 zukünftige Ansprüche auch nur “aus dem zugrundeliegenden Rechtsstreit”. Im vorliegenden Rechtstreit anhängig waren die etwaigen zukünftigen Ansprüche nur in Form der beantragten Feststellung, die aber bereits jeweils die gesetzlich auf Dritte, insbesondere Versicherungen oder Sozialversicherungsträger übergegangene oder übergehenden Ansprüche von vornherein ausdrücklich ausgenommen hat (“mit Ausnahme”, vgl. Klageschrift S. 2, Ziffer 3 = Bl. 2 d.A.; LGU S. 7 = Bl. 399 d.A.).

Mit anderen Worten: Die mit Schriftsatz vom 8.10.2024 – ohne Erfolg – vom Senat begehrte Zusatzregelung wäre eine rein deklaratorische, die nur die ohnehin bereits bestehende Rechtslage ausdrückt. Sie ist daher auch nicht erforderlich.

Sollten die Parteien das anders sehen, steht es ihnen frei, diese außergerichtlich noch zu vereinbaren. Im vorliegenden, durch den Vergleich endgültig beendeten (vgl. Zöller/Geimer, a.a.O., Rn. 13) Rechtsstreit ist dafür aus den oben genannten Gründen unter Beteiligung des Gerichts jedenfalls kein Raum mehr

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Gesonderte gerichtliche oder anwaltliche Gebühren sind nicht angefallen.

Anforderungen an die schlüssige Darlegung eines Mangels im Prozess/ Substantiierungsanforderungen versus Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG)

Anforderungen an die schlüssige Darlegung eines Mangels im Prozess/ Substantiierungsanforderungen versus Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG)

von Thomas Ax

Ein Sachvortrag zur Begründung eines Anspruchs ist nach der ständigen Rechtsprechung des BGH (vgl. nur Urteil vom 18.05.2021 – VI ZR 401/19, Rn. 19, 20 m.w.N.) bereits dann schlüssig und erheblich, wenn die Partei Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet und erforderlich sind, das geltend gemachte Recht als in der Person der Partei entstanden erscheinen zu lassen. Die Angabe näherer Einzelheiten ist nicht erforderlich, soweit diese für die Rechtsfolgen nicht von Bedeutung sind. Das Gericht muss nur in die Lage versetzt werden, aufgrund des tatsächlichen Vorbringens der Partei zu entscheiden, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für das Bestehen des geltend gemachten Rechts vorliegen. Diese Grundsätze gelten insbesondere dann, wenn die Partei keine unmittelbare Kenntnis von den ihrer Behauptung zugrundeliegenden Vorgängen hat. Eine Partei darf auch von ihr nur vermutete Tatsachen als Behauptung in einen Rechtsstreit einführen, wenn sie mangels entsprechender Erkenntnisquellen oder Sachkunde keine sichere Kenntnis von entscheidungserheblichen Einzeltatsachen hat. Unbeachtlich ist der auf Vermutungen gestützte Sachvortrag einer Partei erst dann, wenn die Partei ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts willkürlich Behauptungen “aufs Geratewohl” oder “ins Blaue hinein” aufstellt. Bei der Annahme von Willkür in diesem Sinne ist allerdings Zurückhaltung geboten. In der Regel wird sie nur bei Fehlen jeglicher tatsächlicher Anhaltspunkte vorliegen (BGH, Urteil vom 18.05.2021 – VI ZR 401/19, Rn. 19, 20 mwN.). Generell genügt der Besteller im Werkvertragsrecht den Anforderungen an die schlüssige Darlegung eines Mangels im Prozess bereits dann, wenn er die Erscheinungen, die er auf vertragswidrige Abweichungen zurückführt, hinlänglich deutlich beschreibt. Er ist nicht gehalten, die Mangelursachen im Einzelnen zu bezeichnen (sog. Symptomtheorie, st. Rspr., vgl. nur BGH, Beschluss vom 04.11.2020 – VII ZR 261/18, Rn. 14 m.w.N.).