OLG Hamburg zu der Frage der Herausgabe der Urkunde über eine Gewährleistungsbürgschaft und der Höhe des Kostenvorschusses für die Beseitigung von Baumängeln
vorgestellt von Thomas Ax
Beanstandet der Bauherr Fehler bei der Bauausführung nur unter dem Gesichtspunkt, dass diese nachteilige Auswirkungen auf den Schallschutz hätten, so bedarf die Fehlerbehauptung keiner weiteren Aufklärung, wenn sowohl das vom Bauherrn als vertragsgemäß behauptete als auch das durch die vereinbarte Bauweise bei einwandfreier Ausführung erreichbare erhöhte Schallschutzniveau tatsächlich erreicht ist und eine sachverständige Beurteilung auch sonst keine Hinweise auf etwaige Schallschutzdefizite ergibt.(Rn.61) (Rn.64) (Rn.67) Es ist kein gerichtliches Geständnis i.S.d. § 288 ZPO, wenn eine Partei auf Rückfrage die vom Gericht im Rahmen seines Sachberichts vorgenommene Einteilung des Tatsachenvortrags in streitig und unstreitig lediglich als zutreffend bezeichnet.(Rn.75) Wenn im Rahmen der Ersatzvornahme zwangsläufig weitere Mängel oder Schäden beseitigt werden, für die der Unternehmer nicht einzustehen hat, dann ist dieser Vorteil auszugleichen.(Rn.104) Eine Gewährleistungsbürgschaft sichert keinen über etwaige Gewährleistungsansprüche hinausgehenden Druckzuschlag nach § 641 Abs. 3 BGB. Sie ist nur anhand der voraussichtlich zu sichernden Mängelbeseitigungskosten zu bemessen. Ggf. ist daher ein Austausch der Bürgschaft gegen eine herabgesetzte, auf das Sicherungsinteresse begrenzte Bürgschaftserklärung vorzunehmen.(Rn.110) Weil zwischen der Klage auf Herausgabe der Gewährleistungsbürgschaft und der Gewährleistungswiderklage wirtschaftliche Gleichwertigkeit i.S.d. § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG besteht, entspricht der höhere Gegenstandswert der Gewährleistungswiderklage dem Gesamtstreitwert.(Rn.118)
OLG Hamburg, Urteil vom 26.01.2024 – 4 U 4/23
Gründe
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Die Klägerin begehrt vom Beklagten, eine Gewährleistungsbürgschaft nicht in Anspruch zu nehmen und die Bürgschaftsurkunde herauszugeben. Der Beklagte begehrt widerklagend einen Kostenvorschuss für die Beseitigung mutmaßlicher Baumängel.
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Mit VOB-Vertrag vom 30.04.2013/13.05.2013 (Anlage K 1) beauftragte der Beklagte die Klägerin mit dem Rohbau einer Doppelhaushälfte. Wegen etwaiger Gewährleistungsansprüche vereinbarten die Parteien eine Verjährungsfrist von 5 Jahren und 4 Monaten und die Stellung einer Gewährleistungsbürgschaft. Die Abnahme der Bauleistungen fand am 22.08.2013 statt (vgl. Abnahmeprotokoll im Anlagenkonvolut K 2). Die Klägerin überließ dem Beklagten die streitgegenständliche Gewährleistungsbürgschaft über 5.910,78 € (im Anlagenkonvolut K 4), in welcher die Bürgin u.a. ihre Haftung erklärt, falls die Bürgschaft vor dem 27.08.2018 in Anspruch genommen werde.
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Mit Schreiben vom 16.08.2018 (Anlage K 5) machte der Beklagte verschiedene Mängel geltend. U.a. sei der Schallschutz zur benachbarten Doppelhaushälfte mangelhaft. Es träten Risse in den Wänden auf. Im Hauswirtschaftsraum seien die Zuleitungen für Trinkwasser und für die Wärmeversorgung auf der falschen Seite des Raumes verlegt. Die Aufrichterbögen der Wärmeversorgung seien zudem in einem zu großen Abstand zur Wand verlegt, so dass der Raum wegen der hierdurch erforderlichen Leitungsstränge nicht sinnvoll genutzt werden könne. Der Beklagte verlangte die Beseitigung der Mängel und setzte hierfür eine Frist bis zum 20.09.2018.
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Am 27.08.2018 teilte der Beklagte der Bürgin mit, die Bürgschaft in Anspruch nehmen zu wollen. Die Klägerin stellte die geltend gemachten Mängel in Abrede und forderte den Beklagten auf, die Bürgschaftsurkunde herauszugeben.
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Die Klägerin hat u.a. vorgetragen, sie habe ihre Leistungen vollständig und mangelfrei erbracht. Etwaige Gewährleistungsansprüche seien verjährt
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Der Beklagte hat u.a. vorgetragen, Vertragssoll sei ein Schalldämm-Maß von 64 dB gewesen. Dieses werde nicht erreicht, weil die Klägerin die Trennfuge zwischen den beiden Doppelhaushälften nicht fachgerecht ausgeführt habe, insbesondere nicht in der vereinbarten Stärke von 4 cm und nicht mit ausreichender Dämmung, so dass der Luftschallschutz unzureichend sei oder jedenfalls nicht dem bei korrekter Ausführung zu erwartendem Niveau entspreche.
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Es sei auf nicht fachgerechte Arbeiten der Klägerin zurückzuführen, dass im gesamten Haus Risse aufträten.
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Die Klägerin habe die Zuleitungen für die Trinkwasser- und Wärmeversorgung im Hauswirtschaftsraum so gelegt, dass der Raum nicht sinnvoll genutzt werden könne. Selbst falls die Klägerin dabei nur Vorgaben des Architekten umgesetzt habe, hätte sie Bedenken anmelden müssen.
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Mit dem angefochtenen Urteil (in der Fassung des am 09.02.2023 berichtigten Berichtigungsbeschlusses vom 07.02.2023), auf das zur näheren Sachdarstellung Bezug genommen wird, hat das Landgericht die Klage abgewiesen und der Widerklage teilweise stattgegeben.
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Die Klage sei unbegründet, weil der Beklagte die Bürgschaft zu Recht in Anspruch nehme. Die Sicherungsvereinbarung sei wirksam, insbesondere sei die Vereinbarung einer Gewährleistungsfrist von 5 Jahren und 4 Monaten agb-rechtlich nicht zu beanstanden.
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Der Sicherungsfall sei eingetreten. Der Beklagte habe einen Vorschussanspruch nach §§ 634 Nr. 2, 637 BGB in Höhe von 4.146,56 €. Denn dieser Betrag sei erforderlich, um 17 Risse im Mauerwerk zu schließen, die auf mangelhaften Leistungen der Klägerin beruhten. Regiekosten seien dabei mit 15 % zu kalkulieren. Weder sei dem Beklagten ein Mitverschulden anzulasten, noch sei ein Abzug „Neu für Alt“ vorzunehmen.
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Die Forderung sei nicht verjährt. Der Sicherungsfall sei in unverjährter Zeit eingetreten, weil der Kläger den Mangel vor Ablauf der Verjährungsfrist gerügt habe.
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Der Beklagte dürfe die Bürgschaft auch in 4.146,56 € überschreitender Höhe zurückbehalten, weil ein Druckzuschlag gemäß § 641 Abs. 3 BGB zu berücksichtigen sei.
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Da dem Beklagten ein unverjährter Vorschussanspruch zustehe, der durch die Bürgschaft gesichert sei, habe die Klägerin auch keinen Anspruch auf Herausgabe der Bürgschaftsurkunde. Abweichend von § 17 Abs. 8 Nr. 2 VOB/B sei vereinbart, dass die Bürgschaftsurkunde nicht zurückzugeben sei, solange noch eine Gewährleistungsbürgschaft geschuldet sei.
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Nur wegen der 17 Risse in den Wänden sei in Höhe von 4.146,56 € auch die Widerklage auf Zahlung eines Kostenvorschusses begründet.
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Im Übrigen sei die Widerklage unbegründet. Zu etwaigen weiteren Rissen habe der Beklagte nicht schlüssig vorgetragen. Die Rissbildung sei nach den Ausführungen des Sachverständigen auch abgeschlossen. Zudem sei der Vortrag zu weiteren Rissen verspätet erfolgt.
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Nach den Ergebnissen des Sachverständigenbeweises bestehe kein Mangel in Hinblick auf den Schallschutz. Sogar die erhöhten Anforderungen an den Luftschallschutz Rw von 64 dB nach VDI 4100:2007-08 seien erfüllt. Im Obergeschoss und im Dachgeschoss seien Werte erreicht, die schon die Grenze der Machbarkeit bei Doppelhaushälften darstellten. Die Doppelhaushälften seien im Bereich der Haustrennwand hinreichend entkoppelt.
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Ein Anspruch wegen der im Hauswirtschaftsraum verlegten Zuleitungen scheide bereits aus, weil sich der Beklagte Gewährleistungsrechte nicht gemäß § 640 Abs. 3 BGB bei der Abnahme vorbehalten habe. Es sei durch einfaches Betrachten erkennbar gewesen, wo die Leerrohre die Bodenplatte durchdringen.
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Die Berufung des Beklagten
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Mit seiner Berufung verfolgt der Beklagte weiter seine Widerklage, soweit diese erstinstanzlich ohne Erfolg geblieben ist.
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Der Beklagte wiederholt seinen Vortrag, dass der von der Klägerin errichtete Bau im Bereich der Gebäudetrennfuge zwischen den Doppelhaushälften von der vertraglich vereinbarten Beschaffenheit abweiche. Dies rüge er als Mangel nur soweit daraus nachteilige Folgen für den Schallschutz resultierten. Die Parteien hätten eine vollständige Trennung zwischen beiden Haushälften, einschließlich aller Geschossdecken und der Bodenplatte, mit einer durchgehenden Trennfuge von 4 cm vereinbart. Tatsächlich sei die Fuge aber nicht durchgehend in einer Stärke von 4 cm ausgeführt. Zudem seien Beton und überschüssiger Mörtel in die Fuge gelangt und würden diese vollständig verschließen. Zudem sei zu beanstanden, dass in die Fugen der Geschossdecken statt der vereinbarten Mineraldämmstreifen Styroporplatten eingebaut sind. Das Dämmmaterial sei auch nicht flächendeckend in die Trennfuge eingebaut. Im Obergeschoss seien nicht die vertraglich vereinbarten Kalksandsteine mit einer Steinfestigkeitsklasse SFK 20 und einer Rohdichte von 2,0 verbaut, sondern nur Steine mit einer Steinfestigkeitsklasse SFK 12 und einer Rohdichte von 1,8. Es sei fehlerhaft, dass das Landgericht zu diesem Vortrag trotz erstinstanzlicher Beweisantritte nicht Sachverständigenbeweis erhoben habe. Die geschilderten Abweichungen führten zu Nachteilen beim Luftschallschutz, weil bei vertraglich vereinbarter Ausführung ein besseres Schallschutzniveau erreicht würde. Für die Luftschalldämmung sei das mit der geschuldeten Bauweise im Erdgeschoss erreichbare Schalldämm-Maß von 65 dB knapp nicht eingehalten, soweit in einem Fall ein Wert von nur 64 dB gemessen worden sei. Für die Trittschalldämmung im Eingangsbereich sei der vom Sachverständigen errechnete erreichbare Wert von 36 dB zuungunsten des Beklagten überschritten, soweit der Sachverständige hier 39 dB gemessen habe. Die Ausführung des Sachverständigen, dass die die Fuge zur Wand überbrückende Bodenbeschichtung hierzu einen Beitrag von ca. 5 dB leiste, überzeuge nicht.
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Das Landgericht habe nicht alle mangelbedingten Risse bei der Berechnung des Vorschussanspruchs berücksichtigt. Die Begründung, der Beklagte habe die in der Anlage B17 beschriebenen weiteren Risse nicht ordnungsgemäß in das Verfahren eingeführt, verkenne die Reichweite der Symptomrechtsprechung. Es reiche aus, dass der Beklagte eine Vielzahl von Rissen als Mangelsymptom für nicht ordnungsgemäße Maurerarbeiten benannt habe. Es sei nicht erforderlich, bei sich wiederholenden Symptomen jedes einzeln aufzuführen. Der Beklagte habe zur mutmaßlichen Ausweitung der Rissbildung erst nach Vorlage des Sachverständigengutachtens und nach mündlicher Verhandlung vorgetragen, weil seine Prozessbevollmächtigte davon ausgegangen aus, dass der Sachverständige den Umfang der Rissbildung ohnehin umfassend untersuchen werde.
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Schließlich lasse sie nicht festzustellen, dass der Beklagte bei der Abnahme des Rohbaus Kenntnis gehabt habe, wie die Leitungsführung im Hauswirtschaftsraum im Endzustand verlaufen und was dies für die Nutzbarkeit des Raumes bedeuten werde. Selbst wenn die Klägerin hierbei Vorgaben des Beklagten gefolgt sei, hätte sie auf Bedenken hinweisen müssen.
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Der Beklagte beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils
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1. die Klägerin zu verurteilen, über die zuerkannten 4.146,56 € hinaus weitere 30.353,44 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 21.02.2019 zu zahlen;
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2. festzustellen, dass die Klägerin verpflichtet ist, dem Beklagten alle weiteren Kosten, die er zur Beseitigung von
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a) den unter A. I. 2. der Berufungsbegründungsschrift vom 27.02.2023 aufgeführten baulichen Mängeln und Mängeln des Schallschutzes an der Gebäudetrennwand der Doppelhaushälfte …,
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b) Rissen des Innenputzes und des Mauerwerks der Wände des Hauses, wenn diese 0,2 mm überschreiten und sowohl im Putz als auch im Mauerwerk vorhanden sind,
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c) Mängeln an der Grundleitungsbodenplattendurchführung im Hauswirtschaftsraum
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aufwenden muss, zu ersetzen.
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Die Klägerin beantragt,
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die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.
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Die Klägerin verteidigt das erstinstanzliche Urteil, soweit das Landgericht mangelhafte Leistungen der Klägerin verneint hat.
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Die sachverständig ermittelten guten Schalldämmwerte hätten ohne eine vertragsgemäße Ausführung der Gebäudetrennwand nicht erreicht werden können. Im Bereich der Geschossdecken habe die Klägerin statt Mineralwolle hochwertige Schallschutzplatten aus Styropor verbaut, weil Mineralwolle in diesem Bereich beim Betonieren zusammengedrückt würde und die gewünschten Dämmwerte dann gerade nicht erreicht würden.
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Es sei sachverständig geklärt, dass eine Ausweitung der Rissbildung nicht zu befürchten sei.
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Die Klägerin stellt unstreitig, alle Leerrohre, u.a. für die Trinkwasserversorgung, in der Bodenplatte verlegt zu haben. Nur die Aufrichterbögen für die Fernwärme hätten Dritte verlegt, bevor die Klägerin überhaupt die Bodenplatte gefertigt habe.
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Ein Anspruch wegen der im Hauswirtschaftsraum verlegten Zuleitungen scheide aber bereits aus, weil die Hauseinführungen für die Trinkwasser- und Wärmeversorgung nicht zum Leistungssoll der Klägerin gehörten. Die Lage der Hauseinführungen folge den Vorgaben des Beklagten und seines Architekten anhand von Zeichnungen der Versorger. Der Beklagte habe die Lage der Hauseinführungen im Raum damit begründet, dass noch eine Art „Installationswand“ hätte errichtet werden sollen. Weil sich der Beklagte bei der Abnahme insoweit keine Gewährleistungsrechte gemäß § 640 Abs. 3 BGB vorbehielt, könne er diese auch nicht geltend machen. Es sei durch einfaches Betrachten erkennbar gewesen, wo die Leerrohre die Bodenplatte durchdringen.
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Die Anschlussberufung der Klägerin
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Mit ihrer Anschlussberufung verfolgt die Klägerin weiter ihr erstinstanzliches Klagebegehren und begehrt die vollständige Abweisung der Widerklage.
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Wenn das Landgericht Risse in den Wänden auf mangelhafte Arbeiten der Klägerin zurückführe, übersehe es, dass die Klägerin nicht mit Putzarbeiten beauftragt war. Es handele sich um für den Rohbauer nicht vermeidbare Schwundrisse, die während der Trocknungszeit der verarbeiteten Baustoffe entstünden.
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Die Klägerin beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils,
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1. den Beklagten zu verurteilen, es zu unterlassen, die … als Bürgin aus dem Bürgschein … über den Betrag von 5.910,78 € wegen der Behauptung aus seinem Aufforderungsschreiben vom 27.08.2018, es bestünden von der Klägerin zu verantwortende Mängel am Bauvorhaben „Neubau einer Doppelhaushälfte, …“, in Anspruch zu nehmen und die Zahlung des Bürgschaftsbetrages in Höhe von 5.910, 78 € an sich zu verlangen, weshalb er gegenüber der vorbenannten Bürgin schriftlich zu erklären hat, diese aus der vorbenannten Bürgschaft nicht mehr in Anspruch zu nehmen,
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2. den Beklagten zu verurteilen, die vorbenannte Bürgschaftsurkunde im Original an die Klägerin, hilfsweise an …, herauszugeben,
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3. den Beklagten anzudrohen, in jedem Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld gegen ihn bis zur Höhe von 125.000 € oder eine Ordnungshaft bis zu 6 Monaten festzusetzen,
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4. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 551 € netto vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.09.2018 zu zahlen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
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Der auf die Unterlassung der Inanspruchnahme aus der Bürgschaft und die Androhung eines Ordnungsgeldes gerichtete Klagantrag sei nicht statthaft, weil es an einem Verfügungsgrund im einstweiligen Rechtsschutz fehle.
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Entgegen den Hinweisen des Berufungsgerichts sei im Rahmen der Beseitigung von Rissen keine Vorteilsausgleichung geboten. Der Beklagte habe jahrelang mit sichtbaren Rissen leben müssen, ohne dass allein ein neuer Anstrich ohne Sanierung des Putzuntergrundes sinnvoll gewesen wäre. Es sei das Recht des Beklagten, dass er die Risse erst gegen Ablauf der Gewährleistungsfrist gerügt habe. Es sei eine bloße Vermutung, dass die Risse früher aufgetreten seien.
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Das Berufungsgericht hat den Geschäftsführer der Beklagten ergänzend angehört und Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen ….
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Hierzu und ergänzend zum Parteivortrag wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen aus beiden Instanzen und die Protokolle der mündlichen Verhandlungen und Beweisaufnahmen Bezug genommen.
II.
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A. Die Berufung des Beklagten
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Die gemäß § 519 ZPO formgerecht und gemäß §§ 517, 520 ZPO fristgerecht eingelegte, mithin zulässige Berufung des Beklagten ist unbegründet. Die angefochtene Entscheidung des Landgerichts beruht im Ergebnis nicht auf einer Rechtsverletzung (§§ 513 Abs. 1 Alt. 1, 546 ZPO) zulasten des Beklagten und die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen rechtfertigen keine für den Beklagten günstigere Entscheidung (§ 513 Abs. 1 Alt. 2 ZPO).
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1. Die Berufung des Beklagten hat keinen Erfolg, soweit der Beklagte einen Kostenvorschuss und die Feststellung der Ersatzpflicht für die Beseitigung etwaiger Schallschutzmängel begehrt.
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Der Beklagte rügt Baufehler bei der Ausführung des Mauerwerks, insbesondere im Bereich der Trennfuge, nur, soweit hieraus Schallschutzmängel resultieren (vgl. Klarstellung für die Berufungsinstanz: Protokoll vom 04.09.2023, Bl. 657R d.A.). Mängel des Schallschutzes i.S.d. § 633 Abs. 2 Satz 1 BGB liegen aber nicht vor. Denn die Doppelhaushälfte des Beklagten ist insoweit nicht mit Fehlern behaftet, die den Wert oder die Tauglichkeit zu dem gewöhnlichen oder nach dem Vertrag vorausgesetzten Gebrauch mindern. Der Berufungsvortrag, mit dem der Beklagte weitere bauteilöffnende und -zerstörende Untersuchungen begehrt und ganz allgemein vermutet, dass sich „irgendwo in den Ausführungen des Sachverständigen ein Fehler eingeschlichen haben könnte“, vermag keine Zweifel i.S.v. § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der erstinstanzlichen Tatsachenfeststellungen zu begründen.
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a) Dem Vertrag ist keine ausdrückliche Vereinbarung zu entnehmen, welche Schallschutzwerte durch die vereinbarte Bauausführung erreicht werden sollten.
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Der Beklagte hat aber wiederholt konkretisierend vortragen, dass seine im Vertrag zum Ausdruck gebrachte Erwartung als Auftragnehmer, welche in der konkret vereinbarten Bauausführung ihren Niederschlag gefunden habe, eine Luftschalldämmung mit einem Schalldämm-Maß von 64 dB sei (Seite 9 des Schriftsatzes vom 14.02.2019; Seite 4 des Schriftsatzes vom 26.07.2019). Dies sei das vertraglich geschuldete Schallschutzniveau.
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Hieran muss sich der Beklagte festhalten lassen. Dieses Schalldämm-Maß ist nach dem Ergebnis der fachlich einwandfrei durchgeführten und dokumentierten Schallmessungen auch tatsächlich erreicht oder überschritten. Etwaige Messfehler sind weder anhand des Vortrags des Beklagten noch sonst ersichtlich. Da die gewünschten Schalldämm-Maße erreicht sind, liegt kein Mangel vor.
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b) Der Sachverständige hat weiter ausgeführt, dass eine von der konkret gewählten Bauausführung unabhängige, allgemein anerkannte Regel der Technik über verbindliche einzuhaltende Schallschutzwerte nicht ohne weiteres zu benennen sei. Auch diese Einschätzung steht im Einklang mit dem in mehreren anderen Berufungsverfahren betreffend Anforderungen des Schallschutzes erworbenen Kenntnisstand des Senats. Welcher Schallschutz für die Errichtung von Doppelhäusern geschuldet ist, ist vielmehr durch Auslegung des Vertrages im Einzelfall zu ermitteln (BGH, Urteil vom 14. Juni 2007 – VII ZR 45/06 –, juris, Rn. 28).
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aa) Soweit der Sachverständige weiter ausgeführt, dass am ehesten die im DEGA Memorandum BR 0101 formulierten Anforderungen, die an der Haustrennwand bei nicht unterkellerten Häusern im Erdgeschoss ein Schalldämm-Maß von 60 dB fordern, den allgemein anerkannten Regeln der Technik im Zeitraum der Fertigstellung entspreche, ist festzustellen, dass auch dieser Wert erreicht ist.
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bb) Der besonders erfahrene Sachverständige hat unter detaillierter Auseinandersetzung mit den maßgeblichen Regel- und Erfahrungswerten weiter dargelegt, dass im gesamten Haus ein Luftschall- und ein Trittschallschutzniveau erreicht werde, welches nicht nur „normalen“, sondern „erhöhten“ Anforderungen genüge. Das in den oberen Geschossen gemessene Lufschalldämm-Maß zeige Werte, die schon die Grenze der Machbarkeit in Doppelhäusern darstellten. Mit 64 dB im Erdgeschoss sei für Doppelhäuser ohne Kellergeschoss ebenfalls ein sehr guter Wert erreicht. Die Luftschalldämmung sei „ganz hervorragend“. In seinen 38 Jahren als Sachverständiger handele es sich um die drittbeste Dämmung, die er aufgefunden habe.
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cc) Ergänzend hat der Sachverständige Geräusche wie Klavierspielen, Schreie, Gehen und Stühlerücken im Nachbarhaus erzeugen lassen und diese subjektiv dahingehend beurteilt, dass die jeweiligen Geräusche gar nicht, kaum oder allenfalls sehr leise zu hören waren (vgl. Tabelle auf Bl. 234 d.A.). Auch diese Wahrnehmungen des Sachverständigen bieten keine Hinweise auf etwaige Schallschutzdefizite.
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c) Darüber hinaus ist der Berufung aber im Ausgangspunkt zuzustimmen, dass auch der vertraglich vereinbarten Bauweise eine besondere Bedeutung für die Ermittlung des vereinbarten Schallschutzniveaus zukommt. Geschuldet sind demnach diejenigen Werte, welche durch die vereinbarte Bauweise bei einwandfreier Ausführung erreicht werden (vgl. BGH, Urteil vom 14. Juni 2007 – VII ZR 45/06 –, juris, Rn. 29; Urteil vom 14. Mai 1998 – VII ZR 184/97 –, juris, Rn. 8).
Randnummer64
aa) Auch nach diesem Maßstab ist der Rohbau mangelfrei. Denn der Sachverständige hat das durch die vereinbarte Bauweise bei einwandfreier Ausführung erreichbare bzw. das aufgrund der gewählten Konstruktion zu erwartende Schallschutzniveau errechnet. Auch das zu erwartende Schallschutzniveau ist nach den gemessenen Werten erreicht (vgl. im Einzelnen die Ergebnistabellen auf Bl. 334 d.A. mit Berechnungen in den Anlagen auf Bl. 336 ff. d.A.). Etwaige Fehler bei der rechnerischen Ermittlung dieser Werte sind nicht nachvollziehbar vorgetragen und auch sonst nicht ersichtlich.
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bb) Soweit der Beklagte darauf hinweist, dass der Sachverständige für das Erdgeschoss ein erreichbares Schalldämm-Maß von 65 dB errechnet, aber nur 64 dB gemessen habe, rechtfertigt dies nicht die Annahme eines Mangels. So führt der Beklagte unter Verweis auf die höchstrichterliche Rechtsprechung mit Schriftsatz vom 14.05.2021 selber zutreffend aus, dass eine überhaupt wahrnehmbare Verbesserung des Schalldämm-Maßes ohnehin erst bei einer deutlichen Steigerung des Schalldämmmaßes von mehreren Dezibel einträte. Der Sachverständige hat in seiner Anhörung am 21.06.2021 weiter ausgeführt, dass die Berechnungen immer anhand von Prüfstandwerten unter optimalen Bedingungen erfolgen würde, so dass ein gewisser Abzug vorzunehmen sei, den er vorliegend mit 2 dB bemessen habe, dass aber der in der Praxis erreichbare Wert dennoch nie dezibelgenau bemessen sei, sondern +/- 1 dB betrage. Auch der für die Fuge vorzunehmende Abzug von vorliegend 6 dB für den Bereich des Erdgeschosses erfolge standardisiert, aber sei nicht auf einen Dezibel genau zu bemessen. Weiter werde das Messergebnis von 64 dB standardisiert abgerundet, so dass die Differenz zu 65 dB wahrscheinlich geringer sei als 1 dB. Schließlich betrügen die üblichen Messtoleranzen +/- 1 dB. Daraus folgt in der Gesamtschau nachvollziehbar und im Einklang mit der Einschätzung des Sachverständigen (vgl. Bl. 377 d.A.), dass die in der Praxis nicht wahrnehmbare und den Bereich von Rundungs- und Messtoleranzen nicht überschreitende Abweichung zwischen einem Rechenwert von 65 dB und ein tatsächlich gemessenes Schalldämm-Maß von nur 64 dB keinen Schluss auf einen tauglichkeitsmindernden Fehler zulässt.
Randnummer66
cc) Ein Mangel des Trittschallschutzes folgt auch nicht daraus, dass der Sachverständige im Eingangsraum einen erreichbaren Norm-Trittschallpegel von 39 dB errechnet, aber einen Trittschallpegel von nur 36 dB gemessen hat. Denn diese Negativabweichung liegt darin begründet, dass der Oberbelag im Eingangsbereich über den Boden in den Wandbereich hochgezogen ist (vgl. Bilder auf Bl. 238 d.A.). Die hierdurch verursachte Kopplung des Fußbodens mit der Wand vermindert nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen die Trittschalldämmung, indem ein Anteil des Körperschalls über diese Kopplung vom Fußboden auf die Wand und über die Gebäudesohle und den Fundamentstreifen weiter übertragen wird. Nur dies vermag auch plausibel zu erklären, warum die Trittschalldämmung im Erdgeschoss des Wohnzimmers bei einem Bodenbelag mit freier Fuge zur Wand 5 dB besser ist als im angrenzenden Eingangsbereich ohne Trennung zwischen Boden und Wand. Gerade die unterschiedlichen Messergebnisse im Wohnzimmer ohne Schallkopplung und im Eingangsbereich mit Schallkopplung durch den Bodenbelag schlössen andere bauliche Ursachen – wie etwa eine nicht getrennte Fuge in der Bodenplatte – für die Messdifferenz von 5 dB aus. Bei 5 dB handele sich auch um eine nach sachverständiger Einschätzung erwartbare Größenordnung. Diese Ausführungen überzeugen auch den Senat. Der Berufungsvortrag rechtfertigt keine Zweifel an diesen Ausführungen. Der Senat war jüngst mit einem anderen Verfahren befasst, in dem der dortige Sachverständige eine allein durch den fugenlosen Fußbodenbelag als Schallbrücke verursachte Verschlechterung des Trittschalls von mehr als 5 dB ermittelte.
Randnummer67
d) Weil bei einem insgesamt hohen Schallschutzniveau auch die bei einwandfreier Ausführung erreichbaren Schalldämm-Maße tatsächlich erreicht sind, bedarf es keiner weiteren, bauteilöffnenden oder -zerstörenden Untersuchung zum Zustand der Trennfuge und zu den verwendeten Materialien. Weil das geschuldete Schallschutzniveau erreicht und auch ein besonders hohes ist, kommt es für die allein streitgegenständlichen Rüge eines Schallschutzmangels nicht auf die konkrete Ausführung an. Der Vortrag des Beklagten zum Zustand der Trennfuge und zu den verwendeten Materialen ist nicht entscheidungserheblich. Es bedarf keiner weiteren Beweiserhebung.
Randnummer68
2. Die Berufung des Beklagten hat auch keinen Erfolg, soweit der Beklagte mit seiner Widerklage einen Kostenvorschuss und die Feststellung der Ersatzpflicht für eine Verlegung der Hauseinführungen für Fernwärme und Trinkwasser begehrt.
Randnummer69
a) Soweit der Beklagte vor allem beanstandet, die Zuleitungen für die Wärmeversorgung und für das Trinkwasser seien auf der falschen Seite des Hauswirtschaftsraumes verlegt, hat der Beklagte nicht bewiesen, dass der Klägerin insoweit ein Fehler unterlaufen wäre.
Randnummer70
aa) Aus dem Inhalt der Akte nebst Anlagen und aus den Zeugenaussagen ergeben sich keine Hinweise, dass die Klägerin insoweit von einer vorgegebenen Planung abgewichen sein könnte. Ein Abgleich der Ausführungsplanung (Anlage B 20) mit den Lichtbildern der Bodenplatte im Anlagenkonvolut B 23 legt vielmehr nahe, dass die Durchführungen für Abwasser, Fernwärme und weitere Gewerke in Relation zueinander jeweils plangemäß auf den jeweils richtigen Seiten umgesetzt wurden. Auch der sachverständige Zeuge … hat in seiner Vernehmung bestätigt, dass die Hauseinführungen im Hauswirtschaftsraum so positioniert wurden, wie es nach seiner Architektenplanung vorgesehen war.
Randnummer71
bb) Auch ergibt sich aus dem Beklagtenvortrag nicht, dass die Klägerin Planungen der technischen Folgegewerke gekannt hat oder hätte kennen müssen, anhand derer sie dann ggf. eine etwaige Fehlerhaftigkeit der insoweit korrekt umgesetzten Ausführungsplanung – wie aus dem Plan in Anlage B 20 ersichtlich – hätte erkennen können und daher auf Bedenken hinweisen müssen. Der Zeuge … hat vielmehr ausgesagt, dass Folgegewerke noch gar nicht beauftragt gewesen seien.
Randnummer72
b) Soweit der Beklagte auch beanstandet, die Aufrichterbögen der Fernwärmeversorgung seien in einem zu großen Abstand zur Wand montiert, kann dahinstehen, ob dies auf Vorgaben des Versorgers D… beruhen könnte. Denn der Beklagte hat schon nicht bewiesen, dass die Klägerin die Aufrichterbögen eingebaut hat.
Randnummer73
aa) Ein solcher Beweis ist nicht entbehrlich gemäß § 288 ZPO. Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlungen vom 18.10.2023 nicht gerichtlich zugestanden, die Hauseinführungen für Trinkwasser und Fernwärme verlegt zu haben. Sie hat zuletzt am Ende der mündlichen Verhandlung vom 18.10.2023 wirksam bestritten, die Aufrichterbögen für die Fernwärme verlegt zu haben.
Randnummer74
(1) Das gerichtliche Geständnis ist die innerhalb des Rechtsstreits abgegebene Erklärung einer Partei, dass eine vom Gegner behauptete, ihr im Rechtssinne ungünstige Tatsache wahr sei. Die Wirkung dieser Erklärung ist eine doppelte. Zunächst wirkt sie auf dem Gebiet des Verhandlungsgrundsatzes in Bezug auf das Gericht ebenso wie das Schweigen auf die gegnerische Behauptung: Was eine Partei gegen sich gelten lässt, wird ohne weiteres zur Urteilsgrundlage. Zu dieser Wirkung bedarf es an sich weder einer Erklärung des Geständnisses, noch eines sie stützenden Parteiwillens. Die zweite Wirkung des gerichtlichen Geständnisses besteht dagegen in der nachfolgenden Bindung der Partei an ihr Wort: Während ein Bestreiten bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung jederzeit mit der Wirkung nachgeholt werden kann, dass die Tatsache nunmehr des Beweises bedarf, ist nach Ablegung des gerichtlichen Geständnisses ein einfaches Bestreiten ausgeschlossen und der Widerruf an die Voraussetzungen des § 290 ZPO gebunden. In dem Geständnis liegt somit ein Willensmoment: die Partei erklärt, eine Tatsache gegen sich gelten lassen zu wollen. Die Willenserklärung, die somit positiv-rechtlich in dem Geständnis liegt, ist die Erklärung des Einverständnisses damit, dass die Tatsache ungeprüft zur Urteilsgrundlage gemacht wird (BGH, Versäumnisurteil vom 19. Mai 2005 – III ZR 265/04 –, juris, Rn. 12).
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(2) Die am 18.10.2023 vom Prozessbevollmächtigten der Klägerin abgegebene Erklärung (vgl. Bl. 695R d.A.), dass der Sachbericht des Gerichts, was streitig oder unstreitig sei, zutreffe, lassen nach Wortlaut und Kontext keinen derartigen Geständniswillen erkennen.
Randnummer76
Das Gericht hatte die Klägerin in der Verhandlung vom 18.10.2023 aufgefordert, vor einer etwaigen Beweisaufnahme ihren Tatsachenvortrag, ob sie die Hausleitungen verlegt habe oder nicht, klarzustellen. Das Gericht hat ausgeführt, es deute den Klägervortrag vorläufig so, dass nicht mehr bestritten werde, dass die Klägerin die Hauseinführungen verlegt habe. Allerdings habe dies der Geschäftsführer der Klägerin in seiner Anhörung am 04.09.2023 noch mit Nichtwissen bestritten. Das Gericht bezweifele unter Verweis auf § 138 Abs. 4 ZPO aber, ob ein Bestreiten mit Nichtwissen überhaupt zulässig sei. Das Gericht bat um Stellungnahme, ob der gegnerische Sachvortrag insoweit als streitig oder unstreitig gelten solle. Der Prozessbevollmächtigte antwortete, dass er um die Problematik des § 138 Abs. 4 ZPO wisse, aber letztlich keine verlässlichen Informationen habe, und erklärte deshalb: „Wenn das Gericht meint, dass nach dem Vortrag vom 18.9. unstreitig sei, dass die Klägerin die Hauseinführungen für Trinkwasser und Fernwärme gemacht hat, so trifft das zu“. Diese Antwort ist exakt protokolliert. Entgegen der Argumentation der Berufung haben Gericht und Klägerin damit terminologisch präzise „unstreitig“ von „zugestanden“ unterschieden. Der Klägervertreter hat erläutert, dass das Nichtbestreiten letztlich auf einem Nichtwissen beruhe. Er warb – nach Erinnerung des Gerichts, insoweit nicht protokolliert – um Verständnis für den „nicht ganz stringenten“ Sachvortrag, indem er – wie schon der Geschäftsführer der Klägerin bei seiner Anhörung am 04.09.2023 (Bl. 657R d.A.) – offenlegte, dass es die Mandantin einfach nicht mehr wisse, auch wenn sie sich fortlaufend um Aufklärung bemühe. Dann liegt es fern anzunehmen, dass die Klägerin ihr Einverständnis erklären wollte, diese Tatsache ungeprüft und nur unter den Voraussetzungen des § 290 ZPO widerruflich zur Urteilsgrundlage machen wollte. So schien es – nach dem damaligen gemeinsamen Verständnis von Gericht und Parteien – ganz unproblematisch und nicht den engen Voraussetzungen des § 290 ZPO unterworfen, dass der Klägervertreter noch im selben Termin nach der Zeugenvernehmung seinen Vortrag dahingehend präzisierte, dass er sich die Angaben des damals zuständigen klägerischen Mitarbeiters, des Zeugen …, zu eigen mache (vgl. Bl. 700R unten d.A.).
Randnummer77
bb) Das vertragliche vereinbarte Leistungssoll der Klägerin und die von der Klägerin tatsächlich abgerechneten Leistungen beinhalten nicht den Einbau der Aufrichterbögen des Wärmeversorgers (vgl. Angebot, Anlage K 10, und Schlussrechnung, Anlage K 3), was dagegen spricht, dass es sich um eine von der Klägerin vertraglich geschuldete und tatsächlich erbrachte Leistung handelt.
Randnummer78
cc) Dass nach dem Beklagtenvortrag der Fernwärmeversorger und Folgegewerke die Montage von Aufrichterbögen nicht in Rechnung gestellt hätten, ist jedenfalls dann kein Indiz für den Beklagtenvortrag, wenn unstreitig auch die Klägerin die Montage von Aufrichterbögen nicht in Rechnung gestellt hat.
Randnummer79
dd) Soweit der Beklagte argumentiert, eine Notiz des Zeugen … (im Plan Anlage B 20) zur Abgabe der Aufrichterbögen an die Baustelle indiziere, dass diese nachfolgend von der Klägerin verbaut worden seien, hat der Zeuge … nachvollziehbar erläutert, dass seiner Notiz eine solche Bedeutung nicht beigemessen werden könne und sich der Gehalt der Notiz auf die bloße Information der Anlieferung beschränke. Dies entspricht auch dem Verständnis des Gerichts.
Randnummer80
ee) Jedoch hat der Zeuge … – relativ zielgerichtet und mit kategorischer Vehemenz – zugunsten des Beklagten ausgesagt, dass die Klägerin alle Zuleitungen durch die Bodenplatte geführt habe. Diese Aussage beruht aber nicht auf einer konkreten Wahrnehmung des Zeugen. Der Zeuge war nicht dabei, als die Aufrichterbögen eingebaut wurden. Vielmehr hat er die Aussage mit seinem allgemeinen Fachwissen erklärt: „Die Leute des Rohbauers bringen die Leitungen ein, so macht man das“. Soweit der Zeuge … – indiziell zugunsten des Beklagten – ausgesagt hat, er habe im maßgeblichen Zeitraum keine anderen Fahrzeuge und Arbeitsgeräte auf der Baustelle gesehen, hat dagegen der Zeuge … ausgesagt, er meine sich an Fahrzeuge anderer Firmen zu erinnern, ohne dass es verwundert, dass der im Arbeitsalltag auf Baustellen arbeitende Zeuge nicht präzisieren konnte, ob und welche Mitarbeiter welcher Firma er vor zehn Jahren auf dieser Baustelle gesehen habe.
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ff) Die – nach Schluss der mündlichen Verhandlung verspätet – eingereichte Kopie einer mutmaßlichen Email des Zeugen … (Anlage B 25), dass die Leerrohre für die Hausversorgung von der Firma … eingebaut seien, rechtfertigt keine andere Beurteilung, weil für die Aufrichterbögen für die Wärmeversorgung überhaupt keine Leerrohre eingebaut wurden, sondern die Aufrichterbögen direkt einbetoniert wurden, und weil der Zeuge eingeräumt hat, damals gar nicht gesehen zu haben, wer die Rohre der Wärmeversorgung einbaute.
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gg) Weiter hat der Zeuge … ausgesagt, die Klägerin habe die Aufrichterbögen nicht montiert. Für die hohe Glaubhaftigkeit dieser Aussage spricht insbesondere ihre Genese, wonach der Zeuge … vor Gericht zunächst wiederholt auf seine fehlende konkrete Erinnerung verwies, er dann aber erst anhand der ihm vorgelegten Bilder von den Bauarbeiten die Information erhielt, dass die Wärmeversorgung nicht durch KG-Rohre geführt worden war, und daraufhin erläutern und dann präzisieren konnte, dass die Mitarbeiter der Klägerin als Hauseinführungen überhaupt nur KG-Rohre verlegten, so dass er ausschließen könne, die Aufrichterbögen verlegt zu haben, aber zugleich anhand des Bildmaterials bestätigen könne, dass er bzw. Mitarbeiter der Klägerin Leerrohre für die Hausversorgung verlegt hätten. Nachvollziehbar hat der Zeuge anhand der weiteren im Anlagenkonvolut K23 enthaltenen Bilder, die die Verlegung der KG-Rohre für die weiteren Hauseinführungen zeigt, erläutert, dass sie für die Verlegung von Hauseinführungen „immer nur einmal buddeln“, die durch die Bilder von der Verlegung der KG-Rohre belegten Erdanhaftungen an den Fernwärmerohren aber darauf hindeuten, dass die Fernwärmerohre aber schon standen, als die Klägerin ihre Arbeiten zur Verlegung der KG-Rohre als Hauseinführungen ausgeführte.
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Das Gericht hält es in der Gesamtschau für deutlich wahrscheinlicher, dass nicht der Zeuge … sondern der Zeuge … der objektiven Wahrheit entsprechend ausgesagt hat.
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hh) Schließlich war die Aussage des Zeugen … unergiebig, weil er nicht wusste, wer die Aufrichterbögen montiert hat.
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Die auf seiner Auswertung der Vertragsunterlagen zum streitgegenständlichen Bauvorhaben gründende weitere Aussage des Zeugen …, dass der Einbau der Fernwärmerohre eine Leistung des Versorgers gegenüber dem Bauherren sei und dass der Leistungsumfang des Versorgers die Hausanschlussleitung inklusive Montage- und Tiefbauarbeiten von den Verteilleitungen bis zu den Absperrarmaturen nach der Hauseinführung im Haus erfasse, könnte indiziell eher dafür sprechen, dass die Klägerin diese Leistung nicht oder jedenfalls nicht im Auftrag des Beklagten als Bauherrn erbracht haben könnte. Andererseits ist den als Anlage B19 vorgelegten Unterlagen des Wärmeversorgers unter Ziffer 3.2.1 zu entnehmen, dass der Bauherr für den ordnungsgemäßen Einbau der Aufrichterbögen verantwortlich sei. Auch dies besagt aber letztlich nicht, ob und ggf. durch welche Firma der Beklagte diese Arbeit ggf. ausführen ließ.
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ii) In der Gesamtschau aller Umstände ist der Beweis, dass die Klägerin die Aufrichterbögen im Auftrag des Beklagten einbauen sollte und tatsächlich einbaute, nicht erbracht.
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c) Soweit die Klägerin in der Berufungsinstanz unstreitig gestellt hat, die Leerrohre für die übrigen Hausdurchführungen, also auch die Durchführung für die Trinkwasserversorgung, verlegt zu haben, stehen dem Beklagten keine Mangelrechte zu, obwohl die – gemäß Ausführungsplanung an der richtigen Wand des Hauswirtschaftsraums positionierte – Durchführung ausweislich des Gutachtens vom 21.02.2022 23 cm von der nächstliegenden Wand entfernt und damit möglicherweise nicht nah genug an der nächsten Wand positioniert ist.
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aa) Diesbezügliche Gewährleistungsrechte dürften verjährt sein. Denn dass die Trinkwasserdurchführung nicht nah genug an der Wand verlaufe, hat der Beklagte in unverjährter Zeit überhaupt nicht gerügt. In seinem Schreiben vom 16.08.2018 (Anlage K 4) und in den Widerklageanträgen vom 21.12.2018 (Bl. 42 d.A.) hat er lediglich gerügt, dass sich die Durchführung der Trinkwasserversorgung auf der linken statt auf der rechten Seite des Raumes befinde. Eine auf der falschen Seite eines Raumes montierte Leitung ist ein anderer Mangel als eine auf der richtigen Seite, aber nicht nah genug an der Wand montierte Leitung.
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bb) Weiter ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin für diesen Mangel verantwortlich ist. Wie aus den Bildern im Anlagenkonvolut 23 ersichtlich und wie auch von den Zeugen … und … erläutert, hat die Klägerin insgesamt vier KG-Rohre für Hausdurchführungen gelegt, auch wenn nach dem vertraglichen Leistungssoll (vgl. Pos. 3.05 in den Anlagen K 3 und K 10) nur zwei Durchführungen geschuldet waren. Es ist nicht vorgetragen und erscheint fernliegend, dass die Klägerin sodann eine Belegung der konkret gewählten Durchführung mit dem Trinkwasserrohr vorgegeben hätte. Es ist auch nicht vorgetragen oder sonst ersichtlich, dass alle vier Durchführungen fehlerhaft positioniert und keine der vier Hausdurchführungen besser für die Trinkwasserversorgung geeignet gewesen wäre. Sehr nachvollziehbar hat der Zeuge … hierzu ausgeführt „ich frage mich, wo die beiden anderen Einführungen geblieben sind“. Der sachverständige Zeuge … hat weiter ausgeführt, dass die Belegung der zur Verfügung stehenden Durchführungen mit den einzelnen Medien wie Strom, Wasser, Telefon etc. jedenfalls nicht Sache des Rohbauers sei.
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cc) Nur ergänzend weist das Gericht darauf hin, dass ein Aufwand für die Verlegung der Trinkwasserleitung um ggf. 10 bis 20 cm näher an die Wand unverhältnismäßig im Sinne des § 13 Abs. 6 VOB/B bzw. § 635 Abs.3 BGB erschiene. Ausweislich der gutachterlichen Dokumentation (Bl. 452 d.A.) ist dort auch Elektrik montiert. Falls die weitere Heranführung der Wasserleitung an die Elektrik überhaupt zulässig ist, ist ein objektives Interesse des Beklagten für eine solche Maßnahme nicht zu erkennen. Er würde wegen der dort an der Wand montierten Elektrik keine zusätzliche Stellfläche gewinnen.
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d) Dann kann weiter dahinstehen, ob dem Landgericht zu folgen wäre, dass einem Mangelbeseitigungsanspruch wegen der Lage der Hauseinführungen auch § 640 Abs. 3 BGB entgegenstünde, weil der Beklagte einen solchen Mangel bei der Abnahme nicht gerügt hat, obwohl er den Mangel gekannt habe, weil der objektive Zustand bei der Abnahme des Rohbaus den Schluss zulasse, dass der Beklagte auch als Laie erkannt habe, dass die Rohre so verlegt worden seien, dass der Raum nicht optimal genutzt werden könne (so auf Seite 15 f. des landgerichtlichen Urteils).
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e) Nur ergänzend ist der Klägerin auch mit ihrem Einwand zuzustimmen, dass dem Beklagten hinsichtlich der Höhe des Mangelbeseitigungsaufwands ggf. eine gravierende Verletzung einer Schadensminderungsobliegenheit entsprechend §§ 254 Abs. 2 2. Alt, 278 BGB anzulasten wäre, weil der Architekt und die Folgegewerke es unterlassen haben, den durch eine schlecht positionierte Hausdurchführung begründeten Schaden zu mindern. Denn die nachfolgenden Gewerke hätten eine Fehlpositionierung der Durchführung um weniger als 20 cm durch geringen Aufwand mit Hilfe einer Leitungsverlegung unter dem Estrich ausgleichen können, so dass der nun erforderliche ganz erhebliche Mangelbeseitigungsaufwand – einen Mangel unterstellt – nicht angefallen wäre.
Randnummer93
3. Die Berufung des Beklagten ist auch ohne Erfolg, soweit der Beklagte einen höheren Kostenvorschuss für die Beseitigung weiterer, vom Sachverständigen nicht dokumentierter Risse begehrt.
Randnummer94
a) Zwar ist dem Beklagten zuzugeben, dass er mit der Rüge des Mängelsymptoms, nämlich dass sich aufgrund fehlerhafter Maurerarbeiten Risse bildeten, hinreichend substantiiert zu sämtlichen tatsächlich auftretenden Mängelfolgen vorgetragen hat.
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b) Allerdings ist der Vortrag zum hieraus resultierenden Mangelbeseitigungsaufwand, nämlich dass wegen eines Schadensbildes, das größer sei als der Beweisaufnahme und dem landgerichtlichen Urteil zugrundeliegend, der Mangelbeseitigungsaufwand tatsächlich höher sei, gemäß §§ 296 Abs. 2, 282 Abs. 2 ZPO verspätet. Der erstinstanzlich zu Recht als verspätet zurückgewiesene Vortrag bleibt auch in zweiter Instanz prozessual unzulässig, § 538 Abs. 1 ZPO.
Randnummer96
Zum Schadensbild und dem daraus resultierenden Mangelbeseitigungsaufwand hatte der Beklagte auf Seite 11 bis 19 des Schriftsatzes vom 14.02.2019 detailliert unter Auflistung jedes einzelnen mutmaßlichen Risses vorgetragen. Nur dieser Vortrag wurde sodann Gegenstand der Sachverständigenbeweiserhebung. Dass es nach September 2020 zu weiteren mangelbedingten Rissen gekommen sei, die deshalb einen höheren Mangelbeseitigungsaufwand verursachen, hat der Beklagte erst am 14.04.2022 und damit erst nach der weiteren mündlichen Verhandlung vom 21.06.2021, nach dem zweiten Ortstermin des Sachverständigen vom 21.09.2021 und nach Erstattung des schriftlichen Gutachtens vom 21.02.2022 vorgetragen, so dass das Gericht den Beweisbeschluss vom 16.08.2019 nicht rechtzeitig erweitern und der Sachverständige die mutmaßlichen weiteren Risse seiner Begutachtung nicht mehr zugrunde legen konnte. Die Zulassung des verspäteten des Vortrags hätte nach üblichen Stellungnahmefristen eine Erweiterung des Beweisbeschlusses, eine weitere Befunderhebung in einem zusätzlichen Ortstermin und ein Nachtragsgutachten erfordert, was die Erledigung des Rechtsstreits verzögert hätte. Die Verspätung war grob nachlässig, zumal der anwaltlich vertretene Beklagte anhand des Beweisbeschlusses und auch des tatsächlichen Verhaltens des Sachverständigen, der im Ortstermin eine Begutachtung etwaiger Risse, die bis dahin nicht Gegenstand des Beklagtenvortrags und damit nicht Gegenstand des Beweisbeschlusses waren, ausdrücklich ablehnte, rechtzeitig eindeutig den Umfang der Beweisaufnahme zur Rissbildung erkennen konnte. Es lag fern, dass der Sachverständige seinen Gutachtenauftrag überschreiten würde und dass er, obwohl die zu untersuchenden Risse in einer ganz ungewöhnlichen Detailgenauigkeit vorgegeben waren, auch andere, nicht vom Parteivortrag und vom Beweisbeschluss erfasste mutmaßliche Risse untersuchen würde.
Randnummer97
c) Materiell-rechtlich ist bei ca. sieben Jahren nach Abschluss der Rohbauarbeiten auftretenden mutmaßlichen Rissen eine Kausalität zwischen der Klägerin allein anzulastenden Fehlern des Putzgrundes und dem Auftreten etwaiger weiterer Risse nicht nachgewiesen. Der Sachverständige hat anlässlich seiner Anhörung am 14.11.2002 ausgeführt, dass mehr als sechs Jahre nach Fertigstellung des Rohbaus putzgrundbedingte Vorgänge abgeschlossen seien und Risse, die nach so langer Zeit entstünden, nach seiner Erfahrung nicht auf den Putzgrund zurückzuführen seien, auch wenn sie breiter seien als Haarrisse (Seite 7 des Protokolls vom 14.11.2022). Diese Ausführungen stehen im Einklang mit Erkenntnissen des Senats aus anderen Bauverfahren. Dies gilt vorliegend umso mehr, als bei sämtlichen vom Sachverständigen als mangelbedingt erkannten und im Abstand von ca. einem Jahr zweimal begutachteten Rissen keine Veränderung eingetreten ist, was der Sachverständige überzeugend dahingehend deutet, dass die Rissbildung im September 2020 abgeschlossen war.
Randnummer98
B. Die Anschlussberufung der Klägerin
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Die zulässige Anschlussberufung der Klägerin hat in der Sache teilweise Erfolg.
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4. Die Anschlussberufung hat hinsichtlich der Widerklage teilweise Erfolg, soweit der Beklagte wegen der durch Mängel des Mauerwerks verursachten Rissbildungen einen Anspruch auf einen Kostenvorschuss aus §§ 634 Nr. 2, 637 BGB in Höhe von nur 2.800 € hat.
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a) Zwar trägt die Klägerin auch in zweiter Instanz keine Gründe vor, die Anhaltspunkte für Zweifel an der Vollständigkeit i.S.d. § 529 Abs. 1 ZPO derjenigen landgerichtlichen Feststellungen ergibt, aus welchen die Mangelhaftigkeit ihrer Leistung i.S.d. § 633 Abs. 1 BGB folgt. Auch wenn – aus Gründen wirtschaftlicher Vernunft – die im Mauerwerk gründenden Ursachen für die Rissbildung nicht durch eine zerstörende Untersuchung bis ins Letzte aufgeklärt sind, bestehen nach den Ausführungen des Sachverständigen keine Zweifel, dass – in Abgrenzung zu im begrenzten Umfang hinzunehmenden Haarrissen und in Abgrenzung zur Verantwortung anderer Gewerke (Putz, Estrich, Statik) – die der Berechnung des Vorschussanspruchs zugrunde liegenden Risse jeweils auch im Putzgrund vorhanden waren und damit ihre Ursache im Leistungsbereich der Klägerin (Maurerarbeiten) haben und bei mangelfreier Ausführung des Mauerwerks nicht aufgetreten wären.
Randnummer102
b) Aber hinsichtlich der zu erwartenden, vom Landgericht mit sachverständiger Hilfe ermittelten Kosten der Ersatzvornahme ist im Wege der gebotenen Vorteilsausgleichung ein Abzug von (rund) 1/3 der Kosten der Ersatzvornahme vorzunehmen. In dieser Höhe sind im Wege eines gerechten Ausgleichs der widerstreitenden Interessen dem Beklagten diejenigen Vorteile zuzurechnen, welche er im adäquaten Zusammenhang mit der Ersatzvornahme erhalten wird.
Randnummer103
aa) Zwar kommt ein Vorteilsausgleich unter Verweis auf eine durch die Nachbesserung erhöhte Lebensdauer des Werks regelhaft nicht in Betracht, wenn er auf einer jahrelangen Verzögerung der Mangelbeseitigung beruht und sich die Arbeitgeber jahrelang mit einem fehlerhaften Werk begnügen musste. Der Auftragnehmer darf dadurch, dass der Vertragszweck nicht sogleich, sondern erst später im Rahmen der Gewährleistung erreicht wird, keine Besserstellung erfahren. Ein solches Ergebnis widerspräche dem Gesetzeszweck der Gewährleistung im Werkvertragsrecht (BGH, Urteil vom 17.05.1984 – VII ZR 169/82 – juris Rn. 34; OLG Celle, Urteil vom 10.06.2021 – 8 U 11/20 – BauR 2023, 646; Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 5. Auflage, Teil 5 Rn. 80).
Randnummer104
bb) Vorliegend ist aber ausnahmsweise eine Vorteilsausgleichung geboten, weil der Beklagte im Zuge der Mängelbeseitigung eine Besserstellung gegenüber dem Zustand erhalten wird, der bestünde, wenn der Vertragszweck sogleich erreicht worden wäre. Zum einen führen die Mangelbeseitigungsarbeiten auch zur Beseitigung von Haarrissen und anderen Risse bzw. optischen Beeinträchtigungen, die nicht auf mangelhafte Leistungen der Klägerin zurückzuführen sind. Wenn damit aber im Rahmen der Ersatzvornahme zwangsläufig weitere Mängel oder Schäden beseitigt werden, für die der Unternehmer nicht einzustehen hat, so ist dieser Vorteil auszugleichen (Werner/Pastor, Baurecht, 18. Auflage, Rn. 2936). Zum anderen sollen nach dem gewählten Weg der Mangelbeseitigung die Wände zusätzlich mit Malervlies, also einem rissüberbrückenden, widerstandsfähigen und schimmelvorbeugendem Untergrund armiert werden. Damit wird der Beklagte als Resultat der Mangelbeseitigung eine höherwertige Ausführung erhalten, als er sie ohne Auftreten von Mängeln aus dem Leistungsbereich der Klägerin erhalten hätte.
Randnummer105
cc) Zudem dürfte zu berücksichtigen sein, dass der Beklagte die Rissbildung erst nach Ablauf von fünf Jahren gerügt hat, also erst nach Ablauf einer ohnehin üblichen Renovierungsperiode für Malerarbeiten in Wohnräumen. Sollte die Rissbildung tatsächlich erst so spät aufgetreten sein, so liegt eine Ausnahmekonstellation vor, weil sich der Mangel dann erst verhältnismäßig spät ausgewirkt hat, der Beklagte bis dahin keine Gebrauchsnachteile hinnehmen musste und deshalb der Vorteil einer insgesamt deutlich längeren einwandfreien Nutzung auszugleichen ist (OLG Jena, Urteil vom 17. Februar 2022 – 8 U 1133/20 –, Rn. 65, juris). Aber auch wenn die Rissbildung früher aufgetreten sein sollte und der Beklagte sich zunächst freiwillig mit dem fehlerhaften Werk begnügt und bewusst bis zum Ablauf einer üblichen Renovierungsperiode eine Mangelrüge unterlassen hätte, um dann ohnehin fällige Sanierungsarbeiten zu verlangen, so wäre er nach Treu und Glauben gehalten, sich an den Kosten der ohnehin fälligen Renovierung zu beteiligen. Der Vorteil beruht in beiden Fällen für die Dauer eines üblichen Renovierungsintervalls von ca. 5 Jahren nicht auf einer Verzögerung der Mangelbeseitigung seitens der Klägerin.
Randnummer106
5. Die Anschlussberufung hat auch hinsichtlich der Klage teilweise Erfolg, soweit die Klägerin einen Anspruch auf Herausgabe der streitgegenständlichen Gewährleistungsbürgschaft und auf Verzicht auf die aus der Bürgschaft resultierenden Rechte hat, Zug-um-Zug gegen Stellung einer Bürgschaft über einen auf den begründeten Kostenvorschussanspruch begrenzten geringeren Betrag.
Randnummer107
a) Bei verständiger Würdigung des Klägervortrags ist das klägerische Begehr dahingehend auszulegen, dass die Klägerin die Herausgabe der Bürgschaft unter Verzicht auf etwaige Rechte aus der Bürgschaft begehrt.
Randnummer108
b) Der vorliegend in einem Hauptsacheverfahren geltend gemachte Anspruch auf Rückgabe einer Sicherheit setzt – anders als im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes – keinen Verfügungsgrund voraus. Ausreichend ist das Bestehen eines materiellrechtlichen Anspruchs auf Herausgabe und Verzicht.
Randnummer109
c) Abweichend von den im Übrigen zutreffenden Ausführungen des Landgerichts zum Klaganspruch, kann die Klägerin aufgrund der vertraglichen Sicherungsabrede die Herausgabe der Bürgschaft verlangen, soweit diese nicht mehr zur Sicherung von Gewährleistungsansprüchen in verbürgter Höhe erforderlich ist.
Randnummer110
Denn einen über etwaige Gewährleistungsansprüche hinausgehenden Druckzuschlag nach § 641 Abs. 3 BGB sichert die Bürgschaft nicht. Denn während das Leistungsverweigerungsrecht aus § 641 Abs. 3 BGB gegenüber dem Werklohnanspruch des Auftragnehmers über die Sicherung des Anspruchs hinaus den Zweck verfolgt, Druck auf den Auftragnehmer auszuüben, damit dieser die ihm obliegenden Leistungen umgehend erbringt, dient die Bürgschaft lediglich der Sicherstellung des Gewährleistungsanspruchs. Die Bürgschaft ist nur anhand der voraussichtlich noch zu sichernden Mängelbeseitigungskosten zu bemessen. Im Fall der Sicherheit durch Bürgschaft bedeutet dies, dass ein Austausch der Bürgschaft Zug-um-Zug gegen Hergabe einer herabgesetzten, auf das Sicherungsinteresse begrenzten Bürgschaftserklärung vorzunehmen ist (vgl. BGH, Urteil vom 26. März 2015 – VII ZR 92/14 – NJW 2015, 1952, 1955, Rn. 58; OLG Oldenburg Urteil vom 21. Juli 2000 – 2 U 124/00, BeckRS 2000, 30123786; OLG Frankfurt a. M. Urteil vom 20. Juni 2007 – 4 U 265/06, BeckRS 2008, 13122; OLG Koblenz Urteil vom 8. Mai 2003 – 5 U 1515/02, BeckRS 2003, 6290).
Randnummer111
6. Im Übrigen sind der Klagantrag und damit auch die diesbezügliche Anschlussberufung unbegründet.
Randnummer112
a) Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, dass der Beklagte bestimmte Erklärungen in Schriftform gegenüber der Bürgin abgibt. Die Vollstreckung des Anspruchs auf Verzicht auf die Rechte aus der Bürgschaft richtet sich ggf. nach § 894 ZPO. Für eine Androhung nach § 890 Abs. 2 ZPO für den nur Zug-um-Zug gegen Stellung einer Ersatzbürgschaft zu erfüllenden Anspruch ist noch kein Raum.
Randnummer113
b) Einem Anspruch auf Ersatz der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten aus §§ 280, 286 BGB steht entgegen, dass der Beklagte sich gegenüber dem Herausgabeverlangen auf seine Gewährleistungsrechte berufen hat und die Bürgschaft auch tatsächlich zurückbehalten darf, solange die Klägerin keine Austauschbürgschaft über einen auf das Sicherungsinteresse begrenzten Betrag stellt.
Randnummer114
C. Nebenentscheidungen
Randnummer115
7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Randnummer116
8. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern, § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO.
Randnummer117
9. Der Gebührenstreitwert ist in Höhe des zwischen den Parteien streitigen Kostenvorschusses für die Mängelbeseitigung, also in Höhe des Widerklagebegehrens von 34.500 € festzusetzen.
Randnummer118
a) Weil zwischen der Klage auf Herausgabe der Gewährleistungsbürgschaft und der Gewährleistungswiderklage wirtschaftliche Gleichwertigkeit i.S.d. § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG besteht (OLG Stuttgart, Beschluss vom 25. Juni 1998 – 12 W 36/98 –, juris; Zöller/Herget, ZPO, 34. Auflage, § 3 Rn. 16.52), entspricht der höhere Gegenstandswert der Gewährleistungswiderklage dem Gesamtstreitwert.
Randnummer119
b) Auch der die Vorschusswiderklage ergänzende Feststellungsantrag, der neben der Vorschussklage entbehrlich wäre und lediglich klarstellende Funktion hat (vgl. BGH, Urteil vom 25. September 2008 – VII ZR 204/07), erhöht den Streitwert nicht.
Randnummer120
c) Gemäß diesen Ausführungen erfolgt die Änderung des erstinstanzlichen Streitwerts durch das Berufungsgericht nach § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG.