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OLG Braunschweig zu der Frage, dass ein verfahrensbeendender Prozessvergleich nicht durch gerichtliche Entscheidung ergänzt werden kann

OLG Braunschweig zu der Frage, dass ein verfahrensbeendender Prozessvergleich nicht durch gerichtliche Entscheidung ergänzt werden kann

vorgestellt von Thomas Ax

1. Ein verfahrensbeendender Prozessvergleich kann nicht durch gerichtliche Entscheidung ergänzt werden.
2. Ist der Vergleich nach § 278 Abs. 6 ZPO zutreffend festgestellt, ist eine Ergänzung auch nicht im Wege der Berichtigung möglich.
3. Sind durch einen Prozessvergleich nach dessen Regelung “alle gegenseitigen Ansprüche aus dem zugrundeliegenden Rechtsstreit abgegolten” und hat der Kläger mit der Klage nur eigene Leistungsansprüche sowie einen Feststellunganspruch für zukünftige Ansprüche mit der üblichen Einschränkung “soweit nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen werden” geltend gemacht, so bedarf es in dem Vergleich ohnehin nicht noch zusätzlich einer ausdrücklichen Regelung, wonach auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte (z. B. eine private Krankenversicherung) von Gesetzes wegen übergegangene oder zukünftig übergehende Ansprüchen nicht Gegenstand des Vergleichs sind.

OLG Braunschweig, Beschluss vom 21.10.2024 – 9 U 75/23

Gründe

Die Voraussetzungen für eine Berichtigung oder Ergänzung liegen nicht vor.

Eine Berichtigung kommt lediglich bei einer fehlerhaften Niederlegung einer Entscheidung – hier des Beschlusses nach § 278 Abs. 6 ZPO – in Form einer Abweichung zwischen dem von dem Gericht Gewollten und dem vom Gericht Erklärten (vgl. BGH NJW 1985, 742) in Betracht; eine Ergänzung i. S. v. § 321 ZPO verlangt, dass das Gericht beim Fällen eines Urteils oder bei einer Beschlussfassung etwas übergangen hat.

An alldem fehlt es vorliegend:

Die Parteien haben den Vergleichsvorschlag des Senats (Beschluss vom 15.5.2024, S. 9 = Bl. 45 NHA) durch Schriftssätze des Klägers vom 5.6.2024 (Bl. 62 NHA) und 10.9.2024 (Bl. 6 RHA) sowie den Schriftsatz des Beklagten vom 27.9.2024 (S. 3 = Bl. 20 RHA) exakt genau so angenommen, wie er ihnen zuvor vorgeschlagen worden ist. Der Feststellungsbeschluss vom 30.9.2024 (Bl. 22 f. RHA) stimmt damit ebenfalls genau überein.

Unabhängig davon ist eine Ergänzung eines Vergleichs durch ein Gericht bereits nicht statthaft. Ein Vergleich ist ein von den Parteien vor Gericht geschlossener Vertrag (vgl. Zöller/Geimer, ZPO, 35. Aufl., Rn. 3ff.), den das Gericht nicht durch Beschluss ändern kann (OLG Nürnberg MDR 2003, 652).

Vorsorglich wird auf Folgendes hingewiesen:

Der nunmehr nachträglich vom Kläger zu Ziffer 4 gewünschte Zusatz ist rechtlich überflüssig. Die Zahlung zu Ziffer 1 und Abgeltungsregelung unter Ziffer 2 beziehen sich allein auf alle “gegenseitigen” Ansprüche “aus dem zugrundeliegenden Rechtsstreit”. Das erfasst logisch nur Ansprüche der Parteien. Den gesetzlich auf die private Krankenversicherung oder andere Dritte übergegangenen Ansprüchen fehlte es jeweils wechselseitig an der Aktivlegitimation der Parteien, um Ansprüche “der Parteien” zu sein. Solche Ansprüche konnten damit auch keine “gegenseitigen” sein, mithin auch nicht “aus dem zugrundeliegenden Rechtsstreit”. Das gilt auch für zukünftige Ansprüche. Denn erfasst sind von Vergleichsziffer 2 zukünftige Ansprüche auch nur “aus dem zugrundeliegenden Rechtsstreit”. Im vorliegenden Rechtstreit anhängig waren die etwaigen zukünftigen Ansprüche nur in Form der beantragten Feststellung, die aber bereits jeweils die gesetzlich auf Dritte, insbesondere Versicherungen oder Sozialversicherungsträger übergegangene oder übergehenden Ansprüche von vornherein ausdrücklich ausgenommen hat (“mit Ausnahme”, vgl. Klageschrift S. 2, Ziffer 3 = Bl. 2 d.A.; LGU S. 7 = Bl. 399 d.A.).

Mit anderen Worten: Die mit Schriftsatz vom 8.10.2024 – ohne Erfolg – vom Senat begehrte Zusatzregelung wäre eine rein deklaratorische, die nur die ohnehin bereits bestehende Rechtslage ausdrückt. Sie ist daher auch nicht erforderlich.

Sollten die Parteien das anders sehen, steht es ihnen frei, diese außergerichtlich noch zu vereinbaren. Im vorliegenden, durch den Vergleich endgültig beendeten (vgl. Zöller/Geimer, a.a.O., Rn. 13) Rechtsstreit ist dafür aus den oben genannten Gründen unter Beteiligung des Gerichts jedenfalls kein Raum mehr

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Gesonderte gerichtliche oder anwaltliche Gebühren sind nicht angefallen.

Anforderungen an die schlüssige Darlegung eines Mangels im Prozess/ Substantiierungsanforderungen versus Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG)

Anforderungen an die schlüssige Darlegung eines Mangels im Prozess/ Substantiierungsanforderungen versus Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG)

von Thomas Ax

Ein Sachvortrag zur Begründung eines Anspruchs ist nach der ständigen Rechtsprechung des BGH (vgl. nur Urteil vom 18.05.2021 – VI ZR 401/19, Rn. 19, 20 m.w.N.) bereits dann schlüssig und erheblich, wenn die Partei Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet und erforderlich sind, das geltend gemachte Recht als in der Person der Partei entstanden erscheinen zu lassen. Die Angabe näherer Einzelheiten ist nicht erforderlich, soweit diese für die Rechtsfolgen nicht von Bedeutung sind. Das Gericht muss nur in die Lage versetzt werden, aufgrund des tatsächlichen Vorbringens der Partei zu entscheiden, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für das Bestehen des geltend gemachten Rechts vorliegen. Diese Grundsätze gelten insbesondere dann, wenn die Partei keine unmittelbare Kenntnis von den ihrer Behauptung zugrundeliegenden Vorgängen hat. Eine Partei darf auch von ihr nur vermutete Tatsachen als Behauptung in einen Rechtsstreit einführen, wenn sie mangels entsprechender Erkenntnisquellen oder Sachkunde keine sichere Kenntnis von entscheidungserheblichen Einzeltatsachen hat. Unbeachtlich ist der auf Vermutungen gestützte Sachvortrag einer Partei erst dann, wenn die Partei ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts willkürlich Behauptungen “aufs Geratewohl” oder “ins Blaue hinein” aufstellt. Bei der Annahme von Willkür in diesem Sinne ist allerdings Zurückhaltung geboten. In der Regel wird sie nur bei Fehlen jeglicher tatsächlicher Anhaltspunkte vorliegen (BGH, Urteil vom 18.05.2021 – VI ZR 401/19, Rn. 19, 20 mwN.). Generell genügt der Besteller im Werkvertragsrecht den Anforderungen an die schlüssige Darlegung eines Mangels im Prozess bereits dann, wenn er die Erscheinungen, die er auf vertragswidrige Abweichungen zurückführt, hinlänglich deutlich beschreibt. Er ist nicht gehalten, die Mangelursachen im Einzelnen zu bezeichnen (sog. Symptomtheorie, st. Rspr., vgl. nur BGH, Beschluss vom 04.11.2020 – VII ZR 261/18, Rn. 14 m.w.N.).

Zur Frage der Drittschadensliquidation

Zur Frage der Drittschadensliquidation

von Thomas Ax

Nach der Rechtsprechung des BGH (zuletzt bspw. Urteil vom 21.04.2023 – V ZR 86/22, Rn. 23 m.w.N.) ist in besonders gelagerten Fällen eine Drittschadensliquidation möglich, bei der der Vertragspartner denjenigen Schaden geltend machen kann, der bei dem Dritten eingetreten ist, der selbst keinen Anspruch gegen den Schädiger hat. Liegen die Voraussetzungen der Drittschadensliquidation vor, wird in einem ersten Schritt der Anspruch dem (schadenslosen) Vertragspartner gewährt, der ihn dann im zweiten Schritt analog § 285 BGB an den Geschädigten abzutreten hat (vgl. Grüneberg/Grüneberg, a.a.O., Vorb. v. § 249 BGB, Rn. 107; BeckOGK/Mäsch, Stand: 01.07.2024, § 328 BGB, Rn. 175). Drittschadensliquidation kommt bei der sog. mittelbaren Stellvertretung in Betracht. In diesen Fällen schließt der mittelbare Stellvertreter im eigenen Namen, aber für fremde Rechnung einen Vertrag mit dem Schädiger. Maßgebend ist, dass das Geschäft auf Rechnung des Dritten abgeschlossen worden ist (vgl. MüKoBGB/Oetker, 9. Aufl. 2022, § 249 BGB, Rn. 296; BeckOK BGB/Johannes W. Flume, 70. Ed., Stand: 01.05.2024, § 249 BGB, Rn. 369).

OLG München zu der Frage, dass eine vierzigjährige “Gewährleistungsgarantie” betreffend die Konstruktion für Außenwände, die Konstruktion für Innenwände, die Deckenkonstruktion sowie die Dachkonstruktion nur die “statische Grundkonstruktion” des Gebäudes umfasst und dass Abdichtungen, Fugen, Schienen und Verblechungen davon nicht umfasst sind

OLG München zu der Frage, dass eine vierzigjährige "Gewährleistungsgarantie" betreffend die Konstruktion für Außenwände, die Konstruktion für Innenwände, die Deckenkonstruktion sowie die Dachkonstruktion nur die "statische Grundkonstruktion" des Gebäudes umfasst und dass Abdichtungen, Fugen, Schienen und Verblechungen davon nicht umfasst sind

vorgestellt von Thomas Ax

OLG München, Urteil vom 11.09.2024 – 27 U 6864/22 Bau

Gründe:

I.

Die Parteien streiten über Kostenvorschuss- und Schadensersatzansprüche aufgrund behaupteter Werkmängel bei der Errichtung eines Einfamilienhauses.

Die Parteien schlossen am 04.03.2003/14.03.2003 einen Vertrag über die Errichtung eines Einfamilienhauses unter Geltung des Werkvertragsrechts (Anlage K1). Hierbei erkannten die Kläger die Allgemeinen Vertragsbedingungen der Beklagten an.

§ 8 Ziff. 1 der Allgemeinen Vertragsbedingungen regelt zur Gewährleistung der Beklagten:

“Unmittelbar nach Fertigstellung des vertraglich vereinbarten Lieferumfanges findet eine förmliche Abnahme statt. Mit der Abnahme beginnen die Gewährleistungspflichten von … gemäß (Anlage Gewährleistungsgarantie). Ausgenommen sind Gewerke und Materialien, die einem natürlichen Verschleiß unterliegen.”

Die “Anlage Gewährleistungsgarantie” liegt als Anlage K 1 vor und enthält für die Gewerke auszugsweise folgende Regelung zur Gewährleistungsfrist:

“Konstruktion für Außenwände, Innenwände, Deckenkonstruktion Dachkonstruktion: 40 Jahre”

Die Leistungsbeschreibung (zum Vertrag Nr. …) enthielt auf Seite 2 eine Regelung dahingehend, dass die Gewährleistungsfristen betragen sollen (vgl. Klageerwiderung vom 18.07.2018, S.1 = Bl. 24):

“40 Jahre für die statische Grundkonstruktion und

5 Jahre für die Ausgangsgewerke gemäß BGB”

Das Einfamilienhaus wurde am 16.03.2004 abgenommen.

Die Verfugung der Eckbereiche des Wintergartens wurde nicht von der Beklagten, sondern von den Klägern vorgenommen.

Bereits 2007 bemerkten die Kläger Feuchtigkeit im Bereich des Dachs des Wintergartens bzw. der Decke des Wohnzimmers. Anfang 2008 erbrachte die Beklagte Nachbesserungsarbeiten, nach denen sich jedoch immer noch Wasserspuren an der Decke des Wohnzimmers abzeichneten, worüber die Kläger die Beklagte mit E-Mail vom 14.02.2008 informierten (Anlage K3). Im Juli 2008 informierten die Kläger die Beklagte über Wassereintritt unterhalb der inneren Fensterleisten des Wintergartens (Anlage K4). Die Beklagte erbrachte Nachbesserungsarbeiten, indem sie Silikon aufbrachte und an den waagerechten Leisten der Wintergartenverglasung Aluwinkel aufklebte. Die Kläger nahmen die Nachbesserungsarbeiten im Juli 2008 ab.

Im Juni 2017 kam es zu einem erheblichen Feuchtigkeitseintritt an der Decke des Wintergartens. Außerdem hatte die Holzkonstruktion des Wintergartens begonnen, von außen zu verrotten. Die Kläger zeigten dies der Beklagten an. Nach E-Mail-Verkehr mit der Beklagten forderten die Kläger diese schließlich mit E-Mail vom 28.11.2017 unter Berufung auf die vierzigjährige Garantie dazu auf, die Verpflichtung zur Mängelbeseitigung bis 06.12.2017 schriftlich anzuerkennen, bis 20.12.2017 mit der Mängelbeseitigung zu beginnen und die Mängel bis 17.01.2018 zu beseitigen. Mit E-Mail vom 03.12.2017 lehnte die Beklagte eine Nacherfüllung ab und berief sich auf Verjährung.

Die Beklagte behauptet, die Verrottungen am Wintergarten seien nicht auf mangelhafte Arbeiten der Beklagten und auch nicht auf einen Feuchtigkeitseintritt vom Bereich des Flachdachs zurückzuführen, sondern vielmehr darauf, dass die von den Klägern selbst hergestellte Terrasse aus Holz völlig unfachmännisch an das Hauptgebäude angeschlossen worden sei. Die Kläger hätten weder die erforderlichen Abdichtungsmaßnahmen ausgebildet noch die erforderlichen Abstände eingehalten, um den konstruktiven Holzschutz zu gewährleisten.

Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben. Sie ist der Auffassung, die Mängelrechte der Kläger seien verjährt. Die vierzigjährige Gewährleistungsgarantie für die Konstruktion für Außenwände, Innenwände, Deckenkonstruktion und Dachkonstruktion bedeute lediglich, dass die Bauteile für sich genommen 40 Jahre “aushalten” sollten. Dies sei hinsichtlich aller von der Beklagten verwendeter Konstruktionshölzer der Fall. Die Gewährleistungsfrist für den Dachbelag erfasse lediglich die Ordnungsmäßigkeit der verwendeten Baustoffe, nicht jedoch Ausführungsfehler.

Das Erstgericht hat der auf Vorschusszahlung zur Mängelbeseitigung und Feststellung der Ersatzpflicht über den Vorschussbetrag hinausgehenden Schäden gerichteten Klage überwiegend stattgegeben, wobei es die Ansprüche sämtlich auf die Gewährleistungsgarantie gestützt hat, genauer auf die dort enthaltenen Gewährleistungsfristen betreffend die Konstruktion für Außenwände Innenwände Deckenkonstruktion Dachkonstruktion.

Das Erstgericht legte die Gewährleistungsgarantie als Haltbarkeitsgarantie in der Form aus, dass das Werk der Beklagten die vereinbarte Garantiefrist ohne Mängel oder Schäden an den jeweils genannten Gewerken überstehe. Die Beklagte als Herstellerin des Werks habe eine verschuldensunabhängige Einstandspflicht zusätzlich zur gesetzlichen Gewährleistung übernommen.

n den Punkten Konstruktion für Außenwände, Innenwände, Deckenkonstruktion, Dachkonstruktion legt das Erstgericht die Reichweite der Gewährleistungsgarantie dahingehend aus, dass sich diese nicht nur auf die “statische Grundkonstruktion” beziehe, sondern jeweils das gesamte Gewerk (so etwa das gesamte Dach) umfasse.

Das Erstgerichts hat sich vom Vorhandensein folgender Mängel überzeugt:

a) Das Flachdach weist aufgrund von Feuchtigkeit hohle Stellen auf und ist nicht fachgerecht abgedichtet. Zum einen fehle es an einer Abdeckungshochführung entlang dem unteren waagerechten Fensterblendrahmen der auf die Dachterrasse hinausführenden Fenster. Der Anschluss sei dort nicht dicht ausgeführt. Ein Maßstab könne in die unverschlossene Fuge eingeführt werden. Zum anderen werde die Anschlusshöhe der Abdichtungshochführung von mindestens 15 cm weder an den Fenstern noch an den Wandhochführungen erreicht. Darüber hinaus sei das obere Ende der Klemmschienen aus Blech nicht regensicher verwahrt und der maximal zulässige Schraubenabstand von 7,5 cm zum Ende der Klemmschiene werde teilweise überschritten. Für sich allein sei die Klemmschiene nicht hinreichend regensicher.

b) Die Außenwand im Bereich der auf die Dachterrasse hinausführenden Fenster ist nicht fachgerecht abgedichtet. Im Bereich der Rollladenführungsschiene fehle eine Abdichtung sowohl zur Fensterleibung als auch zum Fensterblendrahmen. Zwischen der Führungsschiene und dem WDVS-Oberputz der Fensterleibung bestehe ein etwa 2 cm tiefer Spalt. Zwischen Bordstückoberseiten und dem Aufstand des Fensterleibungsputzes bestehe keine Dichtungseinlage.

c) Die Holzkonstruktion des Wintergartens weist Feuchteschäden auf und ist nicht ausreichend durch konstruktive Maßnahmen gegen Feuchte geschützt. Die tragende Holzkonstruktion des Wintergartens in dem Auflager und der Eck-Konstruktionsfuge sei physikalischen Einwirkungen ungeschützt ausgesetzt. Der Fußpunkt müsse so ausgebildet werden, dass die Konstruktion vor Niederschlagswasser geschützt sei. Eine zwischen Holzkonstruktion und Unterkonstruktion bestehende Fuge müsse überdeckt werden, um Feuchtigkeitseintritt zu verhindern, sowie einen wirksamen Tropfüberstand aufweisen. Dies sei hier nicht erfolgt. Die auf die Kellerdecke auflagernden waagerechten Lagerhölzer wiesen deutliche Feuchteschäden auf, das Ständerholz am Fußende sei aufgerissen, der Dichtstoff in den Fugen aufgelöst und die weiße Farbe rissig und teilweise abgelöst. Auch die Kellerwand sei infolgedessen durchfeuchtet. Im Bereich der Festverglasung fehle es an einer fachgerechten Niederschlagsableitung. Der Tropfüberstand der Leichtmetall-Profile reiche nicht aus, um die Holzkonstruktion vor Niederschlagswasser zu schützen. Die Dichtstofffugen seien weder fachgerecht geplant noch ausgeführt.

Im Termin vom 26.07.2022, auf welchen hin das angefochtene Urteil erging, hatte das Erstgericht der Beklagtenpartei eine Stellungnahme zu den im Termin sachverständigenseits genannten DIN-Normen und Regelwerken bis 15.09.2022 erteilt. Mit Schriftsatz vom 15.09.2022 legte der Beklagtenvertreter das Leistungsverzeichnis (als Anlage B 6) vor. Das Vorbringen der Beklagtenpartei zur Leistungsbeschreibung hat das Erstgericht bei der Auslegung der Reichweite der Gewährleistungsgarantie unter Bezugnahme auf § 296a ZPO insgesamt unberücksichtigt gelassen.

Mit ihrer Berufung beantragt die Beklagte,

das Urteil des Landgerichts Memmingen vom 25.10.2022, Az. 36 O 656/18 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Dabei wendet sich die Beklagtenpartei in erster Linie gegen die vom Erstgericht vorgenommenen Auslegung der Reichweite der Gewährleistungsgarantie. Die Berufung rügt hier zunächst, dass das Landgericht unstreitigen Parteivortrag zum Inhalt der Garantievereinbarung schlicht übersehen habe. Die Voraussetzungen der Präklusion des Vorbringens zum Leistungsverzeichnis gem. § 296a ZPO seien nicht gegeben. Die Beklagte habe auf Seite 1 ihrer Klageerwiderung den Inhalt der Gewährleistungsgarantie nach den zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarungen klargestellt. In der Klageerwiderung habe die Beklagte auch vorgetragen, dass sie ausweislich der Leistungsbeschreibung nichts anderes als eine Gewährleistungsgarantie für die “statische Grundkonstruktion” gewährt habe. Demzufolge sei die Feststellung auf Seite 17 der Entscheidungsgründe, die Beklagte habe “mit Schriftsatz vom 15.9.2022 erstmals” vorgetragen, aus dem Leistungsverzeichnis ergebe sich, dass die Gewährleistungsgarantie sich nur auf die “statische Grundkonstruktion” beziehe, in der Sache falsch. Der Inhalt des Leistungsverzeichnisses sei schon durch das erste Vorbringen der Beklagten Bestandteil des der Entscheidung zugrunde zu legenden Streitstoffs geworden. Es handle sich insoweit auch um unstreitiges Vorbringen. Die Kläger seien selbst im Besitz des Leistungsverzeichnisses. Entgegen ihrer Pflicht aus § 138 ZPO zu vollständigem Vortrag hätten sie dieses nicht zusammen mit den anderen Vertragsunterlagen zu den Akten gereicht. An keiner Stelle hätten sie aber den Vortrag der Beklagten zur Leistungsbeschreibung bestritten. Hätte das Landgericht den Vortrag der Beklagten nicht übersehen, sondern lediglich für unsubstantiiert gehalten, hätte es hierauf hinweisen müssen. Nach feststehender Rechtsprechung hat das Gericht gemäß § 139 ZPO darauf hinzuwirken, dass sich ein Verfahrensbeteiligter über alle erheblichen Tatsachen vollständig erklärt. Demzufolge sei ein Berufungsgrund aufgrund Verstoßes gegen die Hinweispflicht gem. § 139 Abs. 2 ZPO gegeben, wenn das Gericht den bisherigen Sachvortrag als nicht hinreichend substantiiert betrachtet und dies den Parteien nicht mitteilt. Selbstverständlich hätte die Beklagte die Leistungsbeschreibung anderenfalls vor der mündlichen Verhandlung vorgelegt.

Aus der eindeutigen Formulierung im Leistungsverzeichnis auf S. 2 unter Ziff. 2 ergebe sich, dass sich die vierzigjährige Gewährleistungsgarantie nur auf die “statische Grundkonstruktion” und damit ausschließlich auf das Tragwerk bezog. Darauf, dass die Leistungsbeschreibung bereits zum Streitstoff gemacht worden war, komme es jedoch noch nicht einmal an. Auch unabhängig davon ergebe sich im Wege der Auslegung, dass sich die von der Beklagten gewährte Gewährleistungsgarantie lediglich auf das Tragwerk bezog. Die Berufung rügt insoweit einen Verstoß gegen die Auslegungsgrundsätze der §§ 157, 133 BGB.

Ohne die Annahme eines Garantiefalles hätte das Landgericht die Klage infolge Verjährung der Gewährleistungsansprüche abweisen müssen. Das Einfamilienhaus wurde am 16.04.2004 abgenommen. Die Klage wurde im Jahr 2018 erhoben und damit ohne jeden Zweifel nach dem Eintritt der Verjährung gemäß § 634a Nr. 2 BGB.

Die Beklagte wendet sich (vorsorglich) zudem gegen die Feststellung der uneingeschränkten Schadensersatzpflicht in Ziff. 2 des angefochtenen Urteils. Insoweit rügt die Beklagte die rechtsfehlerhafte Ablehnung eines Mitverschuldens der Klagepartei sowie die Verkennung des Inhalts der vereinbarten Garantie. Indem es aus der Vereinbarung nicht nur eine Nachbesserungspflicht abgeleitet habe, sondern auch einen verschuldensunabhängigen Schadensersatzanspruch bezüglich sämtlicher Mangelfolgeschäden, weiche das Landgericht ohne Begründung von der feststehenden Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ab.

Die Kläger beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Verwendung des Wortes “Konstruktion” im allgemeinen Sprachgebrauch ergebe, dass damit die sinnvoll geplante Zusammensetzung mehrerer Baustoffe zu einem funktionstüchtigen Bauwerk gemeint sei. Gerade daran fehle es nach den eindeutigen und wiederholt bekräftigten Darlegungen des Sachverständigen. Im Sinne des vorstehend wiedergegebenen Verständnisses werde der Begriff der Konstruktion regelmäßig auch in der obergerichtlichen und höchstrichterlichen Rechtsprechung verwendet (so OLG Dresden vom 28.7.2016, Az. 10 O 1106/14 – NZB mit Beschluss des BGH vom 21.6.2017 zurückgewiesen, IBR 2017, 569).

8Gerade die Kombination dieser Begrifflichkeiten belege, dass eine Begrenzung auf Standsicherheit und Tragwerk gerade nicht gewollt sein kann, denn es sei bereits allgemein bekannt, dass nicht jede Innenwand einen Beitrag zur Standsicherheit des Gebäudes leiste. Die Berufungsklägerin habe das streitgegenständliche Anwesen schlüsselfertig erstellt. Planung und Ausführung lagen in ihrem Verantwortungsbereich. Die Berufungsklägerin sei verpflichtet gewesen, eine Konstruktion der Außenhülle des Gebäudes zu planen und auszuführen, die ein Eindringen von Feuchtigkeit entsprechend der fachlichen Anforderungen verhindere.

Im Übrigen wird gemäß § 540 ZPO auf die Feststellungen des Ersturteils Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung hat Erfolg und führt zur Abweisung der Klage.

Die nach § 529 ZPO dieser Entscheidung zugrunde zu legenden Feststellungen zu den am Gewerk (Fertighaus) vorhandenen Mängeln rechtfertigen keine Ansprüche aus der beklagtenseits gewährten “Gewährleistungsgarantie”.

1. Die vom Erstgericht erfolgte Auslegung der Reichweite der “Gewährleistungsgarantie” betreffend die “Konstruktion für Außenwände, die Konstruktion für Innenwände, die Deckenkonstruktion sowie die Dachkonstruktion” weist Rechtsfehler auf.

Bei zutreffender Auslegung der “Gewährleistungsgarantie” sind Gewährleistungsansprüche der Kläger in Bezug auf die festgestellten Mängel verjährt, da die “Gewährleistungsgarantie” diese konkreten Mängel nicht umfasst.

a) Zu Unrecht hat das Erstgericht das Vorbringen der Beklagtenpartei zur Leistungsbeschreibung nach § 296 a ZPO unberücksichtigt gelassen. So hätte das Erstgericht das unbestritten gebliebene Vorbringen in der Klageerwiderung berücksichtigen müssen. Die relevante Passage aus der Leistungsbeschreibung ist in der Klageerwiderung wörtlich wiedergegeben (dort S.1 = Bl. 24 d.A.). Unabhängig davon ist das Vorbringen der Beklagtenpartei unter Bezugnahme auf die Leistungsbeschreibung im Schriftsatz vom 15.09.2022 mangels Bestreitens seitens der Klagepartei im Berufungsrechtszug nach § 529 Abs. 2 ZPO zugrunde zu legen (vgl. BGH GS NJW 2008, 3434).

b) Unter Einbeziehung der Leistungsbeschreibung gelangt der Senat im Wege der Auslegung zu dem Ergebnis, dass die vierzigjährige “Gewährleistungsgarantie” betreffend Konstruktion für Außenwände, die Konstruktion für Innenwände, die Deckenkonstruktion sowie die Dachkonstruktion nur die “statische Grundkonstruktion” umfasst.

Was Gegenstand des Bauvertrags bzw. hier des Fertighausvertrages ist, muss im Einzelfall durch Auslegung der Vertragsunterlagen und gegebenenfalls weiterer Absprachen festgestellt werden, wobei nach ständiger Rechtsprechung der Vertrag als sinnvolles Ganzes unter Berücksichtigung aller Vertragsunterlagen nach den §§ 133, 157 BGB auszulegen ist (vgl. BGH, NZBau 2008, 437, 439 m. w. N.; OLG Koblenz, NZBau 2010, 562, 563; KG, NJW 2020, 343 Rn. 24).

Zu den anerkannten Auslegungsgrundsätzen gehört es, dass die Auslegung in erster Linie den von den Parteien gewählten Wortlaut der Vereinbarung und den diesem zu entnehmenden objektiv erklärten Parteiwillen zu berücksichtigen hat (vgl. BGH, NJW 2001, 144). Bei der Auslegung dürfen dabei grundsätzlich nur solche Umstände berücksichtigt werden, die bei Zugang der Erklärung dem Empfänger bekannt oder für ihn erkennbar waren (vgl. BGH, NJW 1988, 2878, 2879; BGH, NJW-RR 2007, 529). Zudem darf der Empfänger der Erklärung nicht einfach den für ihn günstigsten Sinn beilegen. Er ist vielmehr nach Treu und Glauben verpflichtet, unter Berücksichtigung aller Umstände mit gehöriger Aufmerksamkeit zu prüfen, was der Erklärende gemeint hat (vgl. BGH, NJW 2008, 2702 Rn. 30; Grüneberg/Ellenberger, BGB, 84. Auflage 2024, § 133 Rn. 9). Das gilt insbesondere dann, wenn erkennbar eine von zwei möglichen Auslegungen für den Erklärenden wirtschaftlich wenig Sinn macht (vgl. BGH, NJW 2008, 2702 Rn. 30).

Die klägerische Rechtsauffassung, die Verwendung des Wortes “Konstruktion” im allgemeinen Sprachgebrauch “die sinnvoll geplante Zusammensetzung mehrerer Baustoffe zu einem funktionstüchtigen Bauwerk” (vgl. BB S. 3) verbiete ohne eindeutige Erklärung eine Beschränkung dahingehend, nur für die Eignung des Tragwerks bzw. der Statik haften zu wollen, geht am Wortsinn vorbei. So ist ausdrücklich von “statischer Grundkonstruktion” die Rede.

Auch der Einwand, dass gerade die Kombination dieser Begrifflichkeiten (Konstruktion für Außenwände und Innenwände, Dachkonstruktion, Deckenkonstruktion) belege, dass eine Begrenzung auf Standsicherheit und Tragwerk gerade nicht gewollt sein konnte, da es allgemein bekannt sei, dass nicht jede Innenwand einen Beitrag zur Standsicherheit des Gebäudes leistet, greift nicht. Aufgrund der Beschränkung auf die statische Grundkonstruktion scheiden Innenwände ohne entsprechenden statischen Beitrag – wie Innenwände aus Gipskarton – selbstredend aus. Vor allem legt die klägerische Auffassung eine den Klägern einseitig günstige Auslegung zugrunde. Eine solche einseitige Auslegung würde auch zu einer für den Erklärenden (hier Verkäufer/Bauunternehmer) wirtschaftlich wenig sinnhaften überproportionalen Ausdehnung seiner Gewährleistungspflicht führen. So würde die im Vertrag erwähnte reguläre fünfjährige Verjährungsfrist nicht nur um das achtfache auf vierzig Jahre verlängert, sondern inhaltlich bei Lichte besehen nahezu das gesamte Werk umfassen.

Würde man die Sichtweise der Kläger, dass die Beklagte verpflichtet war, eine Konstruktion der Außenhülle des Gebäudes zu planen und auszuführen, die ein Eindringen von Feuchtigkeit entsprechend der fachlichen Anforderungen und eine damit verbundene Beeinträchtigung der Standsicherheit verhindert, weiterverfolgen, so müssten konsequenterweise auch der Dachbelag und die Flachdachfolie, Gesims-, Trauf- und Holzschalung, Fenster samt Rolläden und auch Flaschnerarbeiten einer vierzigjährigen Verjährung unterliegen, da auch diese Gewerke/Bauteile die Grundkonstruktion ebenfalls vor Feuchtigkeit schützen und damit als “bestandserhaltend” anzusehen sind. Eine solche Auslegung wäre aber nicht nur wirtschaftlich bedenklich, sondern findet bereits im Wortlaut keinen Rückhalt. So erfolgte die “Gewährleistungsgarantie” sprachlich betrachtet gerade nicht für die gesamte “Gebäudehülle” o. Ä., sondern wurde auf die “statische Grundkonstruktion” beschränkt. Schon nach dem allgemeinen sprachlichen Verständnis (Grundkonstruktion) liegt insoweit eine einschränkende Konkretisierung vor, die sich auf grundlegende statisch relevante Teile bezieht und damit auf die tragende Grundkonstruktion. Mit einer “Gewährleistungsgarantie” für eine Dachkonstruktion, so wie sie ein Zimmermann herstellt, wird nach einem objektiven Maßstab aus Empfängersicht nichts anderes versprochen als das Einstehenwollen für die Standfestigkeit, die Verwendung der geeigneten Materialien und die fachgerechte Verbindung der Hölzer zu einem belastbaren Tragwerk. Auch der Begriff “Konstruktion für Außenwände” kann nach dem objektiv zu beurteilenden Verständnis auf nichts Anderes als auf das Tragwerk der Holzständerwand bezogen werden. Demgemäß sind bei einer Garantie für die statische Grundkonstruktion gerade nicht die Abdichtung, Fugen oder Schienen und Verblechungen einbezogen.

Auch aus der von den Klägern zitierten Entscheidung des OLG Dresden (Urteil vom 28. Juli 2016 – 10 U 1106/14 -) ergibt sich nichts Gegenteiliges. So stand in dem dortigen Fall die Planung eines Lichtdaches durch einen Architekten im Streit. Der Architekt darf in seiner Planung eines Lichtdaches in der Tat nur eine Konstruktion vorsehen, von der er völlig sicher ist, dass sie den an sie zu stellenden Anforderungen genügt, insbesondere gegen eine – gefahrenträchtige – Abdichtung gegen Feuchtigkeit. Dies ist aber mit der vorliegenden Streitfrage nicht vergleichbar: Die Frage einer mangelhaften Konstruktion des Lichtdachs durch den Architekten kann mit der Frage, wie weit eine Haftung für die statische Grundkonstruktion eines Daches geht, nicht verglichen werden, insbesondere wenn die “Gewährleistungsgarantie” gerade für andere Teilgewerke des Daches – wie ausgeführt – andere Gewährleistungsfristen vorsieht.

c) Die gewährte “Gewährleistungsgarantie” eröffnet darüber hinaus die Frage, ob die Garantiefrist grundsätzlich als Verjährungsfrist, als widerlegliche Vermutung des Vorhandenseins des während der Frist aufgetretenen Mangels bereits bei Gefahrübergang oder aber als Haltbarkeitsgarantie verstanden werden musste.

Diese Frage muss der Senat jedoch angesichts der Feststellungen zu den Mängeln nicht beantworten, weil die Mängel sämtlich bei Gefahrübergang vorlagen und eine Haftung auch bei Auslegung der “Gewährleistungsgarantie” als bloße Regelung zur Verjährungsfrist zu keinem abweichenden Ergebnis käme.

d) Nach allgemeinen Auslegungsgrundsätzen verbleiben keine Zweifel daran, dass die vierzigjährige “Gewährleistungsgarantie” jeweils nur solche Mängel umfasst, die in der statischen Grundkonstruktion des jeweils angeführten Gewerks einschließlich deren Ausführung ihren Ursprung haben.

Hierfür streitet nicht nur der Wortlaut “für die einzelnen Gewerke” in der “Gewährleistungsgarantie, sondern auch die Systematik der Regelung mit einer Abschichtung der Fristen. Andernfalls würde – wie ausgeführt und wiederum den allgemeinen Auslegungsgrundsätzen folgend – die zeitlich gestaffelte “Garantie” für einzelne Gewerke ihres Sinnes enthoben (so etwa, wenn nach über 30 Jahren eine fehlende Dichtheit des Daches zu Mängeln an der statischen Grundkonstruktion führen würde).

Damit sind die vom Erstgericht festgestellten Mängel betreffend die fehlende Dichtigkeit des Flachdachs ebenso wie diejenigen betreffend die nicht fachgerechte Abdichtung der Außenwand im Bereich der auf die Dachterrasse hinausführenden Fenster nicht von der “Gewährleistungsgarantie” betreffend die Gewerke Konstruktion für Außenwände, Konstruktion für Innenwände, Deckenkonstruktion sowie die Dachkonstruktion erfasst.

Nichts anderes gilt nach Auffassung des Senats für die vom Erstgericht festgestellten Mängel an der Holzkonstruktion des Wintergartens. Diese haben ihre Ursache nicht in einer fehlerhaften bzw. fehlerhaft ausgeführten (statischen) Grundkonstruktion. So beschränken sich die insoweit festgestellten Mängel darauf, dass die Holzkonstruktion des Wintergartens im Bereich des Anschlusspunktes der Außenwand zur Kellerdecke nicht über die baukonstruktiv notwendigen Maßnahmen zur Vermeidung einer Feuchteeinwirkung im Sockelbereich von Wänden in Holzbauweise (Gutachten vom 26.06.2021 unter Ziff. 2.9.4 = Bl. 182 d.A. bzw. unter Ziff. 2.10.1. = Bl. 183 d.A.) verfügt: Es fehlt ein fachgerechter Feuchteschutz der Holzkonstruktion des Wintergartens außen; stattdessen sind die Fugen zwischen dem waagrechten Konstruktionsholz und der senkrecht aufgehenden Stütze lediglich mit dauerelastischem Material versehen worden. Die bereits eingetretene Holzfäule (Gutachten Ziff. 2.12. = Bl. 185 d.A.) ist mithin (denklogisch) nur der nicht fachgerechten Niederschlagsableitung (Gutachten Abb. 06 = Bl. 180 d.A.) und mitnichten der Konzeption und Ausführung der statischen Konstruktion selbst geschuldet. Dies wird darin offensichtlich, dass der Sachverständige für den Senat überzeugend als Problemlösung für den Schutz der Holzkonstruktion des Wintergartens eine Blechabdeckung als Bauteilschutz vorschlägt (vgl. Ergänzungsgutachten vom 19.01.2022, dort auf S. 23 ff., 24 = Bl. 242 ff. d.A., insbes. Skizze S. 24), mithin ein “Zusatz”-Gewerk (Flaschner/Spengler), das nicht der statischen Grundkonstruktion selbst, sondern dessen Schutz dient.

Dafür, dass die statische Grundkonstruktion des Wintergartens mithin dessen Stand- und Tragfestigkeit in Planung bzw. Ausführung selbst mangelbehaftet wäre, ergeben sich weder auf Grundlage der Ausführungen des Sachverständigen in Gutachten/Ergänzungsgutachten und dessen Anhörung in der mündlichen Verhandlung vom 26.07.2022 greifbare Anhaltspunkte noch wurde die statische Ausführung des Wintergartens selbst klägerseits in Frage gestellt.

Auf die Frage, ob der Wintergarten überhaupt von der statischen Grundkonstruktion des Fertighauses erfasst wird, nachdem es sich schlicht um einen – (wie etwa aus Foto Nr. 01 des Gutachtens vom 26.06.2021 = Bl. 141 d.A. ersichtlich) auch nachträglich anbringbaren – Anbau – in gleicher Weise möglich auch an ein Haus in Massivbauweise – handelt, kann damit offenbleiben. Dagegen spricht jedenfalls, dass das Verkaufsargument einer vierzigjährigen Garantie für die Statik eines Fertighauses aus Empfängersicht nur darauf abzielen kann, die (möglichen) statischen Nachteile eines solchen gegenüber Häusern in Massivbauweise aufzufangen.

2. Die festgestellten Mängel betreffend die fehlende Dichtigkeit des Flachdachs sind auch nicht etwa von der Regelung der “Gewährleistungsgarantie” zur Dichtigkeit von “Dachbelag, Betondachplatten und Flachdachfolie” gedeckt. Die Bezugnahme auf die Herstellerangaben für die Länge der Gewährleistungsfrist (20 bzw. 30 Jahre) lässt auch aus der für die Auslegung maßgeblichen Empfängersicht keine Zweifel daran, dass die “Gewährleistungsgarantie” insoweit nur für das Material und gerade nicht für die Ausführung der Abdichtungsarbeiten greifen sollte.

OLG Oldenburg zu der Frage, dass wenn der Besteller den Unternehmer auffordert, den Mangel “schnellstmöglich, spätestens bis zum …” zu beseitigen, darin eine befristete Mahnung (“schnellstmöglich”) und eine Fristsetzung zur Nacherfüllung (“spätestens bis zum …”) liegen kann

OLG Oldenburg zu der Frage, dass wenn der Besteller den Unternehmer auffordert, den Mangel "schnellstmöglich, spätestens bis zum ..." zu beseitigen, darin eine befristete Mahnung ("schnellstmöglich") und eine Fristsetzung zur Nacherfüllung ("spätestens bis zum ...") liegen kann

vorgestellt von Thomas Ax

1. Nach Abnahme des Werks kommt der Eintritt des Verzugs mit der Herstellungsverpflichtung nicht mehr in Betracht.
2. Der Verzug mit der Nacherfüllungsverpflichtung gem. § 634 Nr. 1, § 635 Abs. 1 BGB setzt grundsätzlich eine Mahnung voraus. Fordert der Besteller den Unternehmer auf, den Mangel “schnellstmöglich, spätestens bis zum …” zu beseitigen, können darin eine befristete Mahnung (“schnellstmöglich”) und eine Fristsetzung zur Nacherfüllung (“spätestens bis zum …”) liegen.
3. Verbindet der Besteller ein solches Nachbesserungsverlangen mit der Maßgabe, Termine unter Einhaltung einer Vorlaufzeit mit ihm abzusprechen, kann dies geeignet sein, die Frist für den Eintritt der Mahnung hinauszuschieben.
4. Zur Frage der Anspruchsgrundlage auf Schadensersatz wegen eines werkmangelbedingten Nutzungsausfallschadens (“erweitertes Leistungsinteresse”).
5. Ein Schadensersatzanspruch wegen werkmangelbedingten Nutzungsausfalls gem. § 634 Nr. 4, § 280 Abs. 1 BGB kann wegen eines überwiegenden Mitverschuldens des Bestellers ausgeschlossen sein, wenn der Besteller ihm bekannte Mängel dem Unternehmer nicht anzeigt, die jener vor Schadenseintritt beseitigt hätte.

OLG Oldenburg, Urteil vom 05.11.2024 – 2 U 93/24

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt von der Beklagten Schadensersatz, weil er eine Fahrsiloanlage mangelbedingt nicht rechtzeitig in Gebrauch nehmen konnte. Deswegen habe er seine Maisernte nicht in diese einbringen können, sondern entsprechend der Anlagen K 8 und K 9 verkaufen und zu höheren Preisen Futtermittelersatz zukaufen müssen.

Der Kläger trug sich bereits 2019 mit dem Gedanken, in seinen Betrieb eine Fahrsiloanlage errichten zu lassen. Für diese beantragte und erhielt er eine Baugenehmigung (Anlage K 18). In dieser war eine Dichtigkeitsprüfung durch einen Sachverständigen gefordert. Im Juli 2020 fand sich auf Aufforderung des Klägers der Gutachter DD bei ihm ein. Gegenstand des Gesprächs war, dass die Fahrsiloanlage unter Mitwirkung des Gutachters hergestellt werden soll. Die Beklagte ist eine Gewerbeunternehmung zum Bau von Fahrsiloanlagen. Mit ihr schloss der Kläger am 9.3.2021 einen Vertrag, in dem die Beklagte sich verpflichtete, für den Kläger eine Fahrsiloanlage herzustellen. Auf die Anlage K 1 sowie Auftragsbestätigung Anlage K 13 und die Baugenehmigung Anlage K 18 wird Bezug genommen. Am 16.9.2021 nahm der Kläger das Bauwerk ab. Auf das Abnahmeprotokoll Anlage B 2 wird verwiesen. Eine Dichtigkeitsprüfung hatte der Gutachter DD bereits vorgenommen. Die Termine hatte er jeweils mit dem Geschäftsführer der Beklagten besprochen, auf dessen Anforderung auch die Rechnung an die Beklagte adressiert und von dieser bezahlt wurde.

Die Beklagte stellte ihre Leistungen mit Schlussrechnung vom 30.9.2021 in Rechnung (Anlage K 5). In dieser war ein Bruttorestbetrag von 5.898,06 Euro offen, der auch die Sachverständigenvergütung umfasste. Darin vermerkte die Beklagte, die “Unterlagen” erst nach Begleichung der Schlussrechnung dem Landkreis zuzustellen, was sie gegenüber dem Kläger nach Ausbleiben der Zahlung am 13.10.2021 (Anlage K 6) wiederholte.

Spätestens am 14.10.2021 stellte der Kläger fest, dass – nach seiner streitigen Behauptung – die Anlage teilweise undicht sei und ihre Abflüsse sich nicht öffnen ließen. Nach einem Telefonat mit der Beklagten am 14.10.2021 rügte der Kläger mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 15.10.2021 andere Mängel an der Anlage, die bereits beseitigt waren. Am 25.10.2021 forderte der Kläger über ein weiteres Schreiben seines Prozessbevollmächtigten, wegen dessen Inhalts die Anlage K3 in Bezug genommen wird, zur Beseitigung der Mängel (teilweise Undichtigkeit, Abflüsse ließen sich nicht öffnen) bis zum 8.11.2021 auf. Unmittelbar darauf veräußerte der Kläger den von ihm Anfang Oktober geernteten Mais. Weder darauf noch auf den Umstand möglicher und nunmehr geltend gemachter Folgekosten durch den dadurch notwendigen Zukauf von Futter wies der Kläger die Beklagte mit dem Schreiben vom 25.10.2021 oder sonst zu irgendeinem Zeitpunkt hin.

Am 8.12.2021 übersandte der Gutachter DD den Prüfbericht der Fahrsiloanlage dem Landkreis.

Das Landgericht, auf dessen tatsächliche Feststellungen nebst Anträgen gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, hat die Klage abgewiesen. Ein Verzugsschadensersatzanspruch käme nicht in Betracht. Die Beklagte habe nicht gegen eine Fertigstellungsfrist aus dem Werkvertrag verstoßen. Zudem sei eine Mahnung erst mit dem 8.11.2021 wirksam geworden und damit zu einem Zeitpunkt, in dem der Schaden wegen des vorherigen Maisverkaufs bereits entstanden war. Selbst wenn sich aus dem Werkvertrag eine Fertigstellungsfrist ergebe, läge wegen der Abnahme kein Verzug vor. Das Zurückhalten des Prüfberichts durch die Beklagte rechtfertige kein anderes Ergebnis, weil eine mündliche Berichterstattung gegenüber dem Landkreis ausgereicht hätte und außerdem der Gutachter DD nicht Erfüllungsgehilfe der Beklagten gewesen sei, sondern der Kläger diesen beauftragt habe. Mängelansprüche kämen ebenfalls nicht in Betracht. Schadensersatz statt der Leistung wegen der behaupteten Mängel käme mangels Fristsetzung zur Nacherfüllung nicht in Betracht. Im Übrigen stünde nicht fest, dass die Beklagte dem Kläger vorgemacht habe, der Betrieb der Anlage sei an die Vorlage des schriftlichen Prüfberichts gebunden, so dass auch daraus kein Anspruch erwachsen könne.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit seiner Berufung. Er greift an, dass das Landgericht zu Unrecht nicht von der Vereinbarung eines Fertigstellungszeitpunkts Ende März 2021, im Juli 2021 oder spätestens zu Beginn des Oktobers 2021 ausgegangen sei. Ansprüche stünden dem Kläger jedenfalls zu, weil die Einlagerung des Mais im Zeitpunkt des Verkaufs mangels vorliegenden Prüfberichts verboten war. Entgegen der Auffassung schuldete die Beklagte dem Kläger die rechtzeitige Vorlage des Prüfberichts beim Landkreis und sie hätte sich dafür ihres Erfüllungsgehilfen DD bedient. Das folge aus den Gesamtumstäden.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Abänderung des am 28.05.2024 verkündeten Urteils des Landgerichts Oldenburg, Az. 3 O 979/23, zu verurteilen, an den Kläger 66.977,40 Euro nebst Zinsen in Höhe von neun Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 08.06.2022 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen.

II.

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Der Kläger verfolgt im Berufungsrechtszug gegenüber der Beklagten sein Begehren auf Erstattung des Schadens weiter, der ihm dadurch entstanden ist, dass er am 26. und spätestens 29.10.2021 seinen Mais nicht in die beauftragte Fahrsiloanlage einbringen konnte, ihn deswegen verkaufen und zu höheren Kosten Futtermittel zukaufen musste. Soweit der Kläger den Zeitpunkt des Maisverkaufs in seiner Berufungsbegründung erstmals auf den 27./31.10.2021 datiert, ist dies unzutreffend. Aus der Anlage K 8 ergibt sich, dass der Mais am 26.10.2021 bei der EE angeliefert wurde. Nach den eigenen Angaben des Klägers aus der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 1.2.2024 erfolgte die Ablieferung bei der FF GbR “2 oder 3 Tage später”. Damit fand der erste Verkauf spätestens am 26.10.2021 und der zweite spätestens am 29.10.2021 statt. Die Daten der Gutschriften (Anlagen K 8 und K 9), auf die der Kläger Bezug zu nehmen scheint, sind nicht maßgeblich.

Unter Berücksichtigung dessen steht dem Kläger ein Anspruch auf Zahlung des in Höhe von 66.977,40 Euro geltend gemachten Schadens unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu.

A) Er ergibt sich nicht aus Verzug gem. §§ 280 Abs. 2, 286 Abs. 1, 288 Abs. 4 BGB.

1. Die Beklagte befand sich mit ihrer Herstellungsverpflichtung aus § 631 Abs. 1 BGB in Verbindung mit dem Vertrag über die Errichtung der Fahrsiloanlage nicht in Verzug als der Schaden entstanden ist.

In diesem Zusammenhang kann auf sich beruhen, zu welchem Termin die Parteien die Fertigstellung der Fahrsiloanlage vereinbart haben oder für welchen Zeitpunkt sich die Fertigstellungsverpflichtung aus den Umständen ergibt, § 271 Abs. 1 BGB. Denn mit der Abnahme der Fahrsiloanlage am 16.9.2021 ist die Erfüllung des Werkvertrages eingetreten (vgl. BGH NJW 2017, 1604 Rn. 33; Jurgeleit in Kniffka/Koeble/Jurgeleit/Sacher, Kompendium des Baurechts, 5. Aufl., Teil 3 Rn. 2, 16). Mit dieser Erfüllung ist der durch den Abschluss des Werkvertrages entstandene Anspruch auf Herstellung der Fahrsiloanlage gem. § 362 BGB erloschen. Deswegen konnte die Beklagte ab dem Zeitpunkt der Abnahme am 16.9.2021 mit ihrer Herstellungsverpflichtung weder in Verzug geraten noch sein. Der seitens des Klägers geltend gemachte Schaden ist indes nach seinem eigenen Vorbringen erst dadurch ausgelöst worden, dass er am 26./29.10.2021 vorhandenen Mais aus Eigenbeständen nicht in die Fahrsiloanlage eingebracht, sondern verkauft hat. Ein Ursachenzusammenhang zwischen einem Verzug mit der Fertigstellung des Werks aus dem ursprünglichen Vertrag und dem geltend gemachten Schaden kommt deswegen nicht in Betracht.

2. Der Kläger kann den Schadensersatzanspruch auch nicht daran knüpfen, dass die Beklagte mit einer Nacherfüllungsverpflichtung gem. § 635 BGB in Verzug geraten wäre. Das ist zwar grundsätzlich möglich (vgl. BeckOK BGB/Voit, 70. Ed. 1.2.2024, BGB § 634 Rn. 29), vorliegend sind allerdings die Voraussetzungen nicht erfüllt.

a) Ein Nacherfüllungsanspruch des Klägers käme hinsichtlich der streitigen Behauptung des Klägers, im Zeitpunkt der Abnahme sei die Fahrsiloanlage undicht gewesen und ihre Abflüsse hätten sich nicht öffnen lassen, in Betracht. Unterstellt man dieses streitige Vorbringen als zutreffend, wäre ein auf diese Mängel bezogener Nacherfüllungsanspruch zum Beginn der Schadensentstehung am 26. und 29.10.2021 infolge des Maisverkaufs fällig gewesen.

Allerdings befand sich die Beklagte im maßgeblichen Zeitpunkt der Schadensentstehung mit der zugunsten des Klägers unterstellten Nacherfüllungsverpflichtung nicht in Verzug. Es fehlte an einer ausreichenden Mahnung des Klägers, die auch nicht gem. § 286 Abs. 2 BGB entbehrlich war.

Ausweislich der Anlage K 3 rügte der Kläger erst mit Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 25.10.2021 erstmals nach der Abnahme die Undichtigkeiten der Fahrsiloanlage sowie den Umstand, dass die Abflüsse der Siloanlage sich nicht öffnen ließen. Es schloss sich in diesem Schreiben die Aufforderung an, diese Mängel “schnellstmöglich, spätestens jedoch bis zum 8.11.2021 zu beseitigen, weil “die Fahrsiloanlage von unserem Mandanten genutzt werden muss” (Anlage K 3). Damit lag eine befristete Mahnung vor. Zwar war für deren Verzugsbegründung nicht auf die Fristsetzung zum 8.11.2021 abzustellen, weil diese in erster Linie die weitergehenden Mängelgewährleistungsrechte auslösen sollte (vgl. Grüneberg/Grüneberg, BGB, 83. Aufl., § 286 Rn. 17). Angesichts dessen blieb allerdings die Befristung durch das Adjektiv “schnellstmöglich”. Sie war auf den Verzugseintritt zu beziehen. Dies gilt umso mehr, weil der Kläger in dem Schreiben vom 25.10.2021 darauf hinwies, dass Mängelbeseitigungsarbeiten anzukündigen sowie abzusprechen wären und er dadurch selbst eine dem sofortigen Verzugseintritt entgegenstehende eigene Annahme- bzw. Mitwirkungshandlung statuiert hat. Die Beklagte hat das Mahnschreiben vom 25.10.2021, das ihr vorab per Email übermittelt wurde, frühestens an diesem Tage erhalten. Auch eine “schnellstmögliche” Reaktion beim Kläger vor Ort benötigte angesichts der geforderten Maßnahmen, der örtlichen Entfernung vom Betriebssitz der Beklagten sowie des durch den Kläger statuierten Mitwirkungserfordernisses nach objektivem Verständnis zeitlichen Vorlauf. Dies gilt umso mehr als der Kläger selbst forderte, dass Mängelbeseitigungstermine “unter Berücksichtigung einer entsprechenden Vorlaufzeit – damit unser Mandant disponieren kann – entweder direkt mit unserem Mandanten oder über unser Büro abzusprechen” seien. Deswegen war die Frist “schnellstmöglich” aus der Mahnung weder bereits am 26. noch am 29.10.2021 abgelaufen, so dass ein Verzug mit der geschuldeten Nacherfüllung erst danach eintreten konnte.

Soweit ein Verzug der Beklagten wegen der von dem Kläger behaupteten Mängel später eingetreten ist, fehlt es an der kausalen Verbindung mit dem durch den Kläger geltend gemachten Schaden.

b) Demgegenüber kommt ein Verzug der Beklagten mit einer Nacherfüllungsverpflichtung im Hinblick auf eine verspätete Überlassung des nach Ziff. 10 der Baugenehmigung (Anlage K 18) erforderlichen Prüfberichts des Gutachters DD über die Dichtigkeit und Funktionsfähigkeit der Fahrsiloanlage schon im Ansatz nicht in Betracht.

aa) Der Bauvertrag umfasste die Überlassung eines solchen Prüfberichts entgegen der Auffassung des Klägers nicht. Aus dem schriftlichen Bauvertrag (Anlage K 1) und insbesondere der vom Kläger zur Untermauerung seines abweichenden Rechtsstandpunkts in Bezug genommenen Ziffer 2.3 dieses Bauvertrages ergibt sich eine solche Leistungsverpflichtung nicht. Dort wird die “Vorlage aller statischen Unterlagen, Genehmigungen des Auftraggebers” unter der Überschrift “§ 2 Vertragsgrundlage” genannt. Diese Formulierung statuiert schon vom Wortlaut her mitnichten eine Leistungsverpflichtung der Beklagten, sondern vielmehr eine Mitwirkungsobliegenheit des Klägers. Diese beruht darauf, dass die Beklagte das Gebäude in Übereinstimmung mit dem öffentlichen Baurecht zu errichten hat und dafür die Baugenehmigung benötigt. Keinesfalls kann der Passus aber als eine Leistungserweiterung dahin verstanden werden, dass die Beklagte sich auch zur Einholung und Überlassung der für den Betrieb der zu errichtenden Anlage erforderlichen und dem Landkreis vorzulegenden Prüfzeugnisse erstreckt.

Das lässt sich auch nicht daraus ableiten, dass die Beklagte den Prüfbericht auf die Schlussrechnung (Anlage K 5, Pos. 0.23) gesetzt hat. Aus dieser nach Vertragsschluss liegenden Handlung kann nicht ohne Weiteres nachträglich konstruiert werden, dass die Überlassung des Prüfberichts bereits ursprünglich Teil der vertraglichen Bauleistungsverpflichtung geworden wäre. Der tatsächliche Verlauf spricht vorliegend eindeutig dagegen. So hat der Kläger vorgetragen, dass zwischen den Parteien des Rechtsstreits zunächst die Beauftragung des Sachverständigen durch ihn vereinbart gewesen ist (Bl. 136 eA LG, Bl. 36 eA OLG). Zudem hat das Landgericht auf Grundlage der Aussage des Zeugen DD festgestellt, dass der Kläger bereits am 3.7.2020 den Erstkontakt mit diesem hergestellt und besprochen hat, was gemacht werden sollte. Erst im Laufe der Baumaßnahme hat die Beklagte den weiteren Kontakt zu dem Gutachter DD gesucht, ihn aufgefordert, die Rechnung für das Gutachten an sie zu richten, das Gutachten von ihm erhalten, dessen Rechnung beglichen sowie diesen Betrag mit der eigenen Schlussrechnung gegenüber der Klägerin geltend gemacht. Dies geschah, obwohl dies nach dem eigenen Vorbringen des Klägers “nicht zwischen den Parteien vereinbart worden war” (Bl. 136 eA LG = S. 6 des Schriftsatzes vom 5.3.2024). Eine Vertragserweiterung in Bezug auf den Bauvertrag der Parteien war damit genauso wenig verbunden wie die Eingehung einer eigenständigen vertraglichen Verpflichtung der Beklagten gegenüber dem Kläger, ihm den Prüfbericht zu verschaffen. Es fehlt an jedweder vertraglichen Abrede zwischen der Beklagten und dem Kläger in Bezug auf den Prüfbericht. Das rein tatsächliche Verhalten der Beklagten gegenüber dem Zeugen DD hat nicht den Erklärungswert zum Vertragsschluss führender Willenserklärungen gegenüber dem Kläger.

bb) Der Anspruch des Klägers lässt sich auch nicht darauf stützen, dass die Beklagte dem Kläger die Überlassung des Prüfberichts aus einem anderen Rechtsgrund schuldete und sie mit dieser Verpflichtung in Verzug geraten wäre.

Vielmehr ist das Landgericht auf Grundlage seiner nicht zu beanstandenden tatsächlichen Feststellungen zu Recht davon ausgegangen, dass eine vertragliche Verbindung mit dem Inhalt der Herstellung des Prüfzeugnisses zwischen dem Gutachter DD und dem Kläger gegeben war. Dagegen streiten weder die Aussage des Zeugen DD noch die weiteren Umstände. Der Zeuge DD hat auf die Frage, wer ihm den Auftrag erteilt habe, zunächst die vom Landgericht getroffene Feststellung wiedergegeben, dass bereits am 3.7.2020 ein Erstgespräch mit dem Kläger stattgefunden hat. Er hat ferner angegeben, in diesem Zusammenhang mit dem Kläger den Leistungsumfang besprochen zu haben. Lediglich die Prüfungstermine, die im Juni und September 2021 stattfanden, habe ihm später der Geschäftsführer der Beklagten mitgeteilt. Dieser habe ihn dann auch um die Rechnung gebeten, die von der Beklagten bezahlt wurde. Eine generalisierende Angabe, ob grundsätzlich der Bauherr oder Anlagenhersteller sein Vertragspartner werde, hat der Zeuge nicht treffen können, weil dies von deren Vereinbarungen abhänge.

Angesichts dessen ist allein der rechtliche Rückschluss möglich, dass der Kläger den vergütungspflichtigen Auftrag erteilt hat, während die Beklagte diese Schuld entweder gem. § 414 BGB übernommen oder einen Schuldbeitritt erklärt hat. Selbst wenn die Beklagte damit bezweckt hätte, die Fäden in der Hand zu behalten, sich in eine bessere Position für die Durchsetzung ihrer Schlussrechnung zu bringen und den Kläger mit der – tatsächlich gar nicht in seinen Händen liegenden – Zurückhaltung des Prüfberichts zur Zahlung anzuhalten, führt dies zu keiner anderen vertragsrechtlichen Einordnung.

Es hätte mithin dem Kläger oblegen, sich an seinen Vertragspartner, den Zeugen DD, zu wenden und den Prüfbericht zu verlangen. Nur am Rande sei erwähnt, dass der Gutachter DD einer solchen Aufforderung nach seiner Aussage vor dem Landgericht ohne Weiteres nachgekommen wäre.

cc) Selbst wenn die Beklagten entgegen der vorstehenden Ausführungen dem Kläger die Überlassung des Prüfberichts schuldete, war sie mit einer entsprechenden Nacherfüllungsverpflichtung im Zeitpunkt der Schadensentstehung nicht in Verzug. Eine Mahnung in Bezug auf die Überlassung des Prüfberichts sprach der Kläger bis zu diesem Zeitpunkt nicht gegenüber der Beklagten aus, § 286 Abs. 1 BGB. Diese war auch nicht entbehrlich. Insbesondere stellte die Verknüpfung von Zahlung und Überlassung der Unterlagen in der Rechnung vom 16.9.2021 (Anlage K 5) und dem Schreiben vom 13.10.2021 keine ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung der Beklagten gem. § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB dar.

An die Annahme einer solchen Erfüllungsverweigerung sind strenge Anforderungen zu stellen. Erforderlich ist grundsätzlich, dass der Schuldner die Erfüllung des Vertrages gegenüber dem Gläubiger unmissverständlich, endgültig und ernsthaft ablehnt, so dass jenseits vernünftiger Zweifel feststeht, dass er unter keinen Umständen mehr zur freiwilligen Erfüllung bereit ist. Nach der Formel des BGH liegt eine Erfüllungsverweigerung in diesem Sinne nur vor, wenn der Schuldner unmissverständlich und eindeutig zum Ausdruck bringt, er werde seinen Vertragspflichten unter keinen Umständen nachkommen (vgl. BGH NJW 2017, 1666 Rn. 31; 2015, 3455 Rn. 33). Die Weigerung muss als das “letzte Wort” des Schuldners erscheinen (vgl. BGH NJW 2016, 3235 Rn. 37).

So liegt es bei den in Bezug genommenen Anlagen nicht. Aus ihnen geht lediglich hervor, dass die Beklagte den Rechtsstandpunkt vertrat, die Unterlagen bis zur Entrichtung der Vergütung nicht zu schulden und ihre Überlassung deshalb von der Zahlung der Vergütung abhängig zu machen. Selbst wenn dies zweimal erfolgte, lässt sich daraus keine ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung entnehmen. Insofern ist nämlich auch in den Blick zu nehmen, dass in dem Verhalten lediglich der Rechtsstandpunkt der Beklagten zum Ausdruck kommt. Der Kläger hat durch sein Schweigen zu den Prüfunterlagen bis zur Schadensentstehung dem Beklagten gegenüber nicht einmal offengelegt, dass er insoweit einen anderen Standpunkt vertritt. Damit hat er das Entstehen einer rechtlichen Meinungsverschiedenheit der Parteien, die für sich genommen keine ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung begründet, verhindert. Eine solche offen zutage tretende Meinungsverschiedenheit wiederum hätte durchaus eine Veränderung im Verhalten der Beklagten nach sich ziehen können.

B) Der Kläger kann die Erstattung des Schadens nicht aus den §§ 634 Nr. 4, § 280 Abs. 1 und 3, 281 BGB wegen der von ihm behaupteten Mängel der Fahrsiloanlage beanspruchen. Die streitigen Mängel hat die Beklagte jedenfalls zum Ablauf der Mängelbeseitigungsfrist am 8.11.2021 durch die Beklagte behoben. Es fehlt an der Voraussetzung einer erfolglos abgelaufenen Frist zur Nacherfüllung.

C) Denkbar wäre deswegen allein ein Anspruch des Klägers gegen die Beklagte aus §§ 634 Nr. 4, 280 Abs. 1 BGB. Auch er kommt aus nachfolgenden Gründen nicht in Betracht.

Der Kläger macht vorliegend einen Schaden geltend, der nach seinen Behauptungen darauf beruht, dass er die Fahrsiloanlage wegen eines Mangels in einem bestimmten Zeitraum nicht nutzen konnte. Es ist seit Einführung der Schuldrechtsreform Gegenstand streitiger Diskussion, auf Grundlage welcher schadensrechtlichen Vorschriften derartige Schäden zu erstatten sind. In Betracht kommen Schadensersatz neben der Leistung gem. §§ 634 Nr. 4, 280 Abs. 1 BGB, Schadensersatz statt der Leistung gem. §§ 634 Nr. 4, 280 Abs. 3, 281 BGB oder Verzugsschadensersatz gem. der §§ 280 Abs. 2, 286 BGB. Gemessen an der Anzahl juristischer Veröffentlichungen verkürzt lassen sich drei wesentliche Ansätze in der Literatur unterscheiden. Hinzu tritt die Rechtsprechung verschiedener BGH-Senate.

1. a) Der schadensphänomenologische Abgrenzungsansatz (vgl. BeckOGK/Riehm, 1.4.2021, BGB § 280 Rn. 221 ff.; Kindl JURA 2020, 881, 883; Grigoleit/Bender ZfPW 2019, 1ff; Grigoleit/Riehm AcP 203 (2003), 727) ordnet § 280 Abs. 1 BGB nur Schadensposten zu, die keinen Bezug zum Äquivalenzinteresse aufweisen, während § 281 BGB auf Schäden anzuwenden ist, die auf dem endgültigen Ausbleiben des Äquivalenzinteresses beruhen, und § 286 BGB für Schäden Anwendung findet, in denen das Äquivalenzinteresse verspätet befriedigt wurde. Betriebs- oder Nutzungsausfallschäden, die infolge einer mangelhaften Werkleistung entstanden sind, fallen damit nur dann unter § 634 Nr. 4, 280 Abs. 3, 281 BGB, wenn sie auf dem endgültigen Ausbleiben der Leistung beruhen. Entstehen sie vor dem oder unabhängig vom endgültigen Leistungsausfall, soll § 286 BGB zur Anwendung gelangen.

Nach dem zeitlich-dynamischen Abgrenzungsansatz (vgl. Lorenz JuS 2008, 203, 204; ders. NJW 2002, 2497, 2500; Gsell in FS Canaris, 2017, 451 ff.; Hirsch JuS 2014, 97 ff) ist maßgeblich, ob der eingetretene Schaden durch eine fiktive Nacherfüllung im letztmöglichen Zeitpunkt, für den überwiegend auf das endgültige Ausbleiben der Leistung abgestellt wird, entfallen wäre bzw. entfallen würde. Ist dies der Fall und kam es tatsächlich nicht zur Nacherfüllung, ist die Schadensposition allein nach § 281 BGB erstattungsfähig. Entfällt der Schaden nicht, ist § 280 BGB einschlägig, soweit seine Ursache nicht ausschließlich im Schuldnerverzug liegt, weil er dann § 286 BGB zuzuordnen ist.

Vertreter der Gesamtabrechnungslehre (vgl. Benicke/Hellwig ZIP 2015, 1106; Soergel/Benicke/Hellwig NJW 2014, 1697; Ackermann JuS 2012, 865 (872); Huber AcP 210 (2010), 319, 335 ff.) gehen von einem Nacheinander von Schadensersatz neben und statt der Leistung aus. Solange der Leistungsanspruch besteht, könne der Gläubiger entstandene Schadenspositionen als Schadensersatz neben der Leistung, nämlich als einfachen Schadensersatz neben der Leistung gem. 280 Abs. 1 BGB oder als Schadensersatz neben der Leistung wegen Verzögerung der Leistung nach den §§ 280, 286 BGB liquidieren. Geht der Leistungsanspruch unter, komme nur noch Schadensersatz statt der Leistung gem. § 281 BGB in Betracht

b) Nach der Rechtsprechung des VIII. Zivilsenats des BGH ist ein Betriebs- oder Nutzungsausfallschaden als Schadensersatz statt der Leistung zu qualifizieren, soweit er auf dem endgültigen Ausbleiben der Leistung infolge des Erlöschen der ursprünglichen Leistungspflicht beruht (vgl. BGH NJW 2010, 2426 Rn. 13). Dieser Fall liegt nicht vor, weil die Beklagte den für den Betriebs- oder Nutzungsausfallschaden maßgeblichen Mangel beseitigt und der Vertrag durchgeführt worden ist.

Für diese Konstellationen, in denen der Besteller am Vertrag festhält, das beauftragte Werk aber wegen eines Mangels nicht nutzen kann und auf dieser Grundlage Schadensersatz verlangt, hat der V. Zivilsenats des BGH entschieden, dass der Anspruch des Bestellers sich nach den §§ 634 Nr. 4, 280 Abs. 1 BGB richtet, so dass es weder des Verzuges noch einer Fristsetzung zur Nacherfüllung bedarf (vgl. BGH NZBau 2009, 715). Dies ist allerdings in der dargestellten Pauschalität auf Kritik gestoßen, weil damit nicht geklärt sei, ob ein Nutzungsausfallschaden, der durch eine Mängelbeseitigung nach Fristsetzung verhindert worden wäre, überhaupt als Mangelfolgeschaden und damit nach den §§ 634 Nr. 4, 280 Abs. 1 BGB geltend gemacht werden kann (vgl. Jurgeleit in Kniffka/Koeble/Jurgeleit/Sacher, Kompendium des Baurechts, 5. Aufl., Teil 5 Rn. 419).

Der VII. Zivilsenat des BGH trifft die Unterscheidung zwischen Schadensersatz neben der Leistung und Schadensersatz statt der Leistung dergestalt, dass die §§ 634 Nr. 4, 280 Abs. 1 BGB nur für Schäden einschlägig sind, die aufgrund eines Werkmangels entstanden sind und durch eine Nacherfüllung der geschuldeten Werkleistung nicht beseitigt werden können, während der Ersatzanspruch nach den §§ 634 Nr. 4, 280, 281 BGB an die Stelle der geschuldeten Werkleistung tritt und das Leistungsinteresse des Auftraggebers erfasst (vgl. BGH NJW 2019, 1867). Hinsichtlich der Betriebs- und Nutzungsausfallschäden besteht die Schwierigkeit maßgeblich darin, dass sie ein erweitertes Leistungsinteresse betreffen. Eine Nacherfüllung kann diesen Schaden nicht beseitigen, aber, sofern sie rechtzeitig erfolgt, bereits seinen Eintritt verhindern. Auf der anderen Seite tritt ein Betriebs- oder Nutzungsausfallschaden niemals an die Stelle der Werkleistung selbst, sofern der Auftraggeber am Vertrag festhält. Vielmehr wird in diesen Fällen das Werk letztlich vertragsgemäß hergestellt und der Schaden daneben liquidiert. Die Einordnung als Schadensersatz statt der Leistung steht zudem in einem dogmatischen Spannungsverhältnis zu § 281 Abs. 4 BGB.

c) Der Frage der Erstattungsfähigkeit von Betriebs- oder Nutzungsausfallschaden soll sich deswegen zunächst wertungsmäßig angenähert werden. Es kann keinem durchgreifenden Zweifel unterliegen, dass diese nicht an eine Fristsetzung zu Nacherfüllung gekoppelt werden darf, soweit eine frühestmögliche Nacherfüllung den Eintritt des Betriebs- oder Nutzungsausfallschaden nicht verhindert hätte. Eindeutig erstattungsfähig müssen auf der anderen Seite Betriebs- oder Nutzungsausfallschäden sein, die nach Ablauf einer durch den Auftraggeber gesetzten angemessenen Frist zur Nacherfüllung entstehen. Problematisch sind hingegen Konstellationen, in denen ein Betriebs- oder Nutzungsausfallschaden durch eine frühestmögliche Nacherfüllung vermieden worden wäre, allerdings gar keine oder zunächst keine Frist zur Nacherfüllung gesetzt worden ist. In dieser Konstellation ist es nicht einzusehen, warum ein nachbesserungsbereiter und -fähiger Auftragnehmer für Betriebs- oder Nutzungsausfallschäden haften soll, die maßgeblich darauf beruhen, dass ihm Mängel, die dem Auftraggeber bekannt sind, nicht rechtzeitig angezeigt wurden. Damit treten eine zeitliche sowie eine kenntnisbezogene Komponente in den Vordergrund.

Unter diesem Blickwinkel wird vertreten, für die Einordnung von Betriebs- oder Nutzungsausfallschäden als Schadensersatz statt der Leistung oder als Schadensersatz neben der Leistung auf den Ablauf einer fiktiven angemessenen Frist zur Nacherfüllung abzustellen, die mit der Kenntnis des Auftraggebers von dem für den Betriebs- oder Nutzungsausfallschaden ursächlichen Mangel beginnt. Schäden vor Ablauf dieser fiktiven Frist fallen unter die §§ 634 Nr. 4, 280 BGB, Schäden nach ihrem Ablauf können nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen der §§ 634, 280, § 281 BGB liquidiert werden (vgl. Ostendorf NJW 2010, 2833, 2387). Damit einher geht die Einschätzung, dass Betriebs- oder Nutzungsausfallschaden je nach zeitlichem Anfall sowohl Schadensersatz statt als auch neben der Leistung darstellen können (vgl. Ostendorf NJW 2010, 2833, 2834, 2386f).

Anstatt diese Gesichtspunkte des Mitverschuldens nach § 254 BGB bereits in die Abgrenzung der Schadensarten einzuarbeiten (vgl. Ostendorf NJW 2010, 2833, 2387), ist es ebenso denkbar, den Betriebs- oder Nutzungsausfallschaden unter Berücksichtigung der bislang dazu ergangenen BGH-Rechtsprechung dogmatisch den §§ 634 Nr. 4, 280 BGB zuzuordnen und § 254 BGB auf der Rechtsfolgenseite zur Anwendung zu bringen (vgl. Jurgeleit in Kniffka/Koeble/Jurgeleit/Sacher, 5. A., Teil 5 Rn. 419; BeckOGK/Seichter, 1.7.2024, BGB § 634 Rn. 312 und 316).

2. Unter Berücksichtigung der vorstehenden Erwägungen bedarf die Frage, ob der Betriebs- bzw. Nutzungsausfallschaden des Klägers nach den §§ 280 Abs. 2, 286, 288 Abs. 4, 635, gem. §§ 634 Nr. 4, 280 Abs. 1, und 3, 281 BGB oder nach den §§ 634 Nr. 4, 280 BGB erstattungsfähig ist, keiner Entscheidung. Die Voraussetzungen des Verzugsschadenersatzes sowie des Schadensersatzes statt der Leistung liegen nach den Ausführungen oben A) und B) nicht vor. Ein Anspruch des Klägers wegen Mängeln der Anlage gem. §§ 634 Nr. 4, 280 BGB ist wegen eines weit überwiegenden Mitverschuldens des Klägers an dem konkreten Schadenseintritt ausgeschlossen. Er ist seiner aus § 254 Abs. 2 S. 1 BGB resultierenden Warnobliegenheit in eklatanter Weise nicht gerecht geworden.

Nach seinen eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 1.2.2024 (Bl. 88 eA LG = S. 2f des Protokolls) hat der Kläger die Maisernte Anfang Oktober eingefahren und in Kenntnis des Umstands, dass dies nicht dauerhaft möglich ist, am 26. und 29.10.2021 verkauft. Ausweislich des Schreibens seines Prozessbevollmächtigten vom 25.10.2021 sowie der Angaben des Klägers sowie seines Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 1.2.2014 (Bl. 93 eA LG = S. 7 des Protokolls) hatte der Kläger von den nunmehr gerügten Mängeln (Undichtigkeiten der Fahrsiloanlage; Abflüsse der Siloanlage lassen sich nicht öffnen) spätestens zwischen dem 10. und dem 14.10.2021 Kenntnis. Das ergibt sich aus dem Datum der dem Schreiben vom 25.10.2021 beigefügten Lichtbilder sowie dem Inhalt des Schreibens selbst. In dem es heißt “Der AWSV-Sachverständige hat daraufhin am 15.10.21 festgestellt, dass die Anlage NICHT dicht ist (Siehe Bilder).” Ferner ist darin niedergelegt: “Darüber hinaus ist es erforderlich, dass die Abflüsse der Siloplatte bei etwaigen Verstopfungen geöffnet werden können. Dies ist allerdings, wie unser Mandant bei der Suche nach den undichten Stellen feststellen musste, nicht möglich, da die Abflüsse der Siloplatte mit Heissbitumen verklebt worden sind.” Dies korrespondiert mit der Erklärung des Prozessbevollmächtigten des Klägers in der mündlichen Verhandlung, der Kläger habe am 14.10.2021 wegen der Mängel mit dem Beklagten telefoniert.

Demgegenüber hat der Kläger die Beklagte erst durch das Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 25.10.2021, das am selben Tag per mail vorab versandt wurde, unter Fristsetzung zur Beseitigung der Mängel aufgefordert. In dem vorangegangenen Schreiben vom 15.10.2021 wurde allein eine bereits behobene Pfützenbildung beanstandet, wie sich aus S. 2 der Anlage K 3 entnehmen lässt. Auf den Umstand, dass der Kläger den Mais zeitnah, nämlich in der letzten Oktoberwoche, verkaufen müsste und dass dadurch ein erheblicher Schaden durch den Zukauf von Futter entstehen würde, machte der Kläger den Beklagten weder mit dem Schreiben vom 25.10.2021 noch davor aufmerksam. Darin ist vielmehr erst nach der Fristsetzung auf den 8.11.2021 und im Übrigen pauschal die Rede davon, dass “die Geltendmachung des Schadens, der unserem Mandanten möglicherweise dadurch entstehen wird, dass die Anlage wegen der bestehenden Mängel nicht ordnungsgemäß genutzt werden kann, (…) ausdrücklich vorbehalten (bleibt).

Die Beklagte hingegen hat auf die Fristsetzung mit Email vom 5.11.2021 dem Kläger mitgeteilt, dass sie Mängelbeseitigungsmaßnahmen binnen der gesetzten Frist, nämlich am 8.11.2021, durchführen würde. Genau so hat sie sich dann auch tatsächlich verhalten. Daraus lässt sich für den Senat der sichere Schluss ziehen, dass die Beklagte, wenn sie rechtzeitig, nämlich bereits nach dem Entdecken der Mängel durch den Kläger spätestens am 14.10.2021, nicht nur über die Mängel und den drohenden großen Schaden durch den anstehenden Maisverkauf ab dem 26.10.2021 informiert und zur Mängelbeseitigung aufgefordert worden wäre, die von ihr letztlich am 8.11.2021 vorgenommene Mängelbeseitigung tatsächlich schon bis zum 25.10.2021 abgeschlossen hätte. Dies war ihr angesichts neun verbleibender Werktage möglich. Der Umstand, dass sie die Mängel binnen der letztlich gesetzten Frist ohne Kenntnis von dem möglichen Schaden beseitigt hat, spricht eindeutig dafür, dass sie diese Möglichkeit in Ansehung eines in Höhe von über 66.000 Euro drohenden Schadens wahrgenommen hätte.

Angesichts dessen hält der Senat es nicht für gerechtfertigt, die Beklagten für den geltend gemachten Betriebs- bzw. Nutzungsausfallschaden haften zu lassen (vgl. Jurgeleit in Kniffka/Koeble/Jurgeleit/Sacher, 5. A., Teil 5 Rn. 419). Dies zumal das Verschulden der Beklagten an der streitigen Undichtigkeit der Anlage gering ist. So war die Anlage am 15.10.2021 nach Angaben des Gutachters DD, der an diesem Tag eine Dichtigkeitsprüfung vorgenommen hat, dicht (Bl. 210 eA LG = S. 4 des Protokolls vom 16.4.2024). Deswegen kann eine schwerwiegendere handwerkliche Nachlässigkeit der Beklagten nicht angenommen werden. Vor diesem Hintergrund ist auch für einen geringen Haftungsanteil der Beklagten kein Raum.

OVG Saarland zu der Frage, dass durch die Nutzung von Stellplätzen und Garagen hervorgerufene Immissionen grundsätzlich auch in ruhigen Wohngebieten von den Bewohnern zu tolerieren sind und vorbehaltlich, hier nicht ersichtlicher, besonderer Verhältnisse im Einzelfall keine nachbarlichen Abwehransprüche begründen

OVG Saarland zu der Frage, dass durch die Nutzung von Stellplätzen und Garagen hervorgerufene Immissionen grundsätzlich auch in ruhigen Wohngebieten von den Bewohnern zu tolerieren sind und vorbehaltlich, hier nicht ersichtlicher, besonderer Verhältnisse im Einzelfall keine nachbarlichen Abwehransprüche begründen

vorgestellt von Thomas Ax 

1. Durch die Nutzung von Stellplätzen und Garagen hervorgerufene Immissionen sind grundsätzlich auch in ruhigen Wohngebieten von den Bewohnern zu tolerieren und begründen vorbehaltlich, hier nicht ersichtlicher, besonderer Verhältnisse im Einzelfall keine nachbarlichen Abwehransprüche.
2. Einzelfall, in dem aufgrund der örtlichen Verhältnisse keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass es aufgrund der Stellplatzsituation zu chaotischen Verkehrsverhältnissen im unmittelbaren Umfeld des klägerischen Grundstücks das sich eine Straße oberhalb des Bauvorhabens befindet kommen könnte; hier: kein Anlass für die Einholung eines verkehrstechnischen Gutachtens.
3. Hat sich das Verwaltungsgericht wie vorliegend im Rahmen des Ortstermins geschehen einen Eindruck von dem Baugrundstück und seiner Umgebung, insbesondere auch von der baulichen Situation auf benachbarten Grundstücken, verschafft, so ist die Zulassung der Berufung nur gerechtfertigt, wenn das Antragsvorbringen besondere Aspekte des Einzelfalles aufzeigt, die eine überwiegende Wahrscheinlichkeit der Unrichtigkeit des vom Verwaltungsgericht gefundenen Ergebnisses der Zumutbarkeitsbewertung begründen können.
OVG Saarland, Beschluss vom 02.10.2024 – 2 A 94/23
Gründe:

I.

Die Kläger wenden sich gegen ein der Beigeladenen im Jahr 2021 genehmigtes Bauvorhaben.

Die Kläger sind Eigentümer des in Hanglage mit einem Einfamilienwohnhaus bebauten Grundstücks …-Straße …, … A-Stadt (Gemarkung …, Flur …, Flurstück …). An der rückwärtigen Grundstücksgrenze und in nordwestlicher Ausrichtung grenzt das tiefer gelegene, mit einem Mehrfamilienhaus bebaute Vorhabengrundstück (Am …, Gemarkung …, Flur …, Flurstück …) an. Dieses befindet sich am Ende der Sackgasse “Am …”, über die es erschlossen wird. Entlang der östlichen Grundstücksgrenze beider Grundstücke verläuft ein knapp drei Meter breiter Fußweg, der die “…straße” mit der Straße “Am …” und mit der “…-Straße” über eine Treppe verbindet. Beide Grundstücke liegen nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes.

Mit Bauschein vom 19.1.2021 – ergänzt durch eine Änderungsgenehmigung (Tektur) vom 20.6.2022 – erteilte die Beklagte der Beigeladenen im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren (§ 64 LBO) die streitgegenständliche Baugenehmigung zum “Neubau eines Mehrfamilienwohnhauses mit 6 Wohneinheiten und 2 Carports für je 3 PKW”. Das Gebäude weist im Kellergeschoss in Richtung des Anwesens der Kläger 6 Kellerräume, einen Hauswirtschaftsraum und einen Hausanschlussraum auf. Auf der ebenerdigen Nordostseite befindet sich eine Wohnung. Im Erdgeschoss und im 1. Obergeschoss befinden sich jeweils zwei Wohnungen. Das als Staffelgeschoss ausgeführte 2. Obergeschoss enthält eine Wohnung; die Loggia dieser Wohnung befindet sich an der Westecke des Gebäudes in Richtung des Anwesens … Der Hauseingang befindet sich in der Verlängerung des Wendehammers der Straße “Am …”. Rechts und links der Zufahrt lässt die Baugenehmigung jeweils einen Carport für je 3 Pkw zu. Im Anschluss an den Carport in Richtung auf und unmittelbar an das Grundstück der Kläger angrenzend sieht die Baugenehmigung einen Abstellraum für Fahrräder und daneben eine Abstellfläche für Mülltonnen vor.

Die Kläger legten am 5.5.2021 Widerspruch gegen die Baugenehmigung vom 19.1.2021 ein, dem der Beklagte nicht abhalf.

Am 22.7.2021 haben die Kläger beim Verwaltungsgericht des Saarlandes Klage erhoben und die Anordnung der aufschiebenden Wirkung beantragt. Zur Begründung haben sie vorgetragen, das Bauvorhaben verstoße gegen nachbarschützende Vorschriften und entfalte eine erdrückende Wirkung.

Das Verwaltungsgericht des Saarlandes hat den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung mit Beschluss vom 2.8.2021 – 5 L 804/21 -zurückgewiesen. Mit Widerspruchsbescheid des Stadtrechtsausschusses aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 27.4.2022 ist der Widerspruch ebenfalls zurückgewiesen worden.

Mit Schriftsatz vom 23.1.2023 haben die Kläger den Widerspruchsbescheid vom 21.12.2022 in die Klage einbezogen und beantragt,

1.die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 19.1.2021 zur Errichtung eines Neubaus eines Mehrfamilienwohnhauses mit sechs Wohneinheiten und zwei Carports für je drei PKW in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Stadtrechtsausschusses … vom 21.12.2022 (Az: 153/21) aufzuheben,

2.die Beklagte zu verpflichten, gegenüber der Beigeladenen den Abriss des auf dem Grundstück …, … A-Stadt, Gemarkung …, Flur …, Flurstück …, bereits realisierten Gebäudes anzuordnen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Verwaltungsgericht hat die Örtlichkeit am 19.4.2023 in Augenschein genommen und die Klage aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 28.6.2023 abgewiesen. Zur Begründung hat die Kammer im Wesentlichen ausgeführt, die Kläger würden durch die Baugenehmigung vom 19.1.2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheides aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 27.4.2022 nicht in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Sie hätten auch keinen Anspruch gegenüber der Beklagten auf Abriss des bereits errichteten Mehrfamilienwohnhauses im Wege des bauaufsichtsbehördlichen Einschreitens (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Im vorliegenden Fall bestünden keine bauordnungsrechtlichen Abwehransprüche. Die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung halte die nachbarschützenden Abstandsflächenbestimmungen (§§ 7, 8 LBO) ein. Die Außenwand des Erd- und Obergeschosses halte einen Abstand von 3,50 m zur Grenze des klägerischen Grundstücks ein. Bei dem nach § 7 Abs. 5 Satz 1 LBO zulässigen Maß von 0,4 H dürfe die Wandhöhe bis zu 8,75 m betragen; sie sei indes nur 7,215 m hoch. Die um ein Meter zurückversetzte Außenwand des Staffelgeschosses habe eine Gesamthöhe von 9,555 m, dürfe aber bis zu 11,25 m hoch sein, sodass das Wohngebäude abstandsflächenrechtlich unbedenklich sei. Erfolglos machten die Kläger zudem geltend, dass der Abstellraum für Fahrräder (Nutzfläche laut Flächenberechnung: 9,39 m²; Höhe: 2,64 m) sowie der kleiner dimensionierte Abstellraum für die Müllcontainer, die zusammen eine Gesamtlänge von 7,36 m entlang der Grundstücksgrenze aufwiesen, die Abstandsflächenbestimmungen im Verhältnis zu ihrem Grundstück verletzten. Zutreffend habe die Beklagte darauf hingewiesen, dass nach § 8 Abs. 2 Nr. 4 LBO Gebäude zum Abstellen von Fahrrädern, Nebengebäude und Nebenanlagen zum Abstellen und zum Lagern mit einem Brutto-Rauminhalt von jeweils maximal 30 m3 bis zu einer Gesamtlänge von 12 m je Grundstücksgrenze in Abstandsflächen sowie ohne eigene Abstandsfläche zulässig seien. Da das insoweit genehmigte Bauwerk diese Zweckbestimmung und Maße einhalte, müsse es folglich auch keine Abstandsfläche zum Grundstück der Kläger einhalten. Ferner könnten die Kläger auch keine bauplanungsrechtlichen Abwehransprüche aus dem Gebot der Rücksichtnahme herleiten. Da sich das Vorhabengrundstück innerhalb des im Zusammenhang bebauten Ortsteils und damit im Innenbereich der Stadt A-Stadt befinde und kein Bebauungsplan bestehe, beurteile sich die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens nach § 34 BauGB. Nach dessen Absatz 1 sei ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfüge und die Erschließung gesichert sei. Nachbarschutz vermittele § 34 Abs. 2 BauGB zunächst hinsichtlich des Gebotes, dass sich der Neubau, um planungsrechtlich zulässig zu sein, nach “der Art der baulichen Nutzung” in die Umgebungsbebauung einfügen müsse. Das sei hier ohne weiteres anzunehmen, weil sich der Neubau eines (Mehrfamilien-) Wohnhauses in einer Umgebung, die offensichtlich ebenfalls von Wohnnutzung im Sinne eines allgemeinen oder reinen Wohngebietes (§§ 3, 4 BauNVO) geprägt sei, in diese Nutzungsart einfüge. Eine bessere Gebietsverträglichkeit als die von Nutzungen derselben Art gebe es nicht. Die Anzahl von Wohnungen in einem Gebäude sei kein Kriterium für die Frage, ob sich ein Vorhaben nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfüge. Auch sogenannten “Milieuschutz” gewährleiste das allgemeine Bauplanungsrecht nicht. Deshalb begründe der sogenannte Gebietsgewährleistungsanspruch keine Grundlage für die Abwehr eines Mehrfamilienhauses in einem faktisch von Einfamilienhäusern geprägten allgemeinen oder reinen Wohngebiet. Soweit sich die Kläger gegen das Maß der baulichen Nutzung (§ 16 BauNVO) wendeten, könne dies für sie nur unter dem Gesichtspunkt des Gebotes der Rücksichtnahme eine rechtlich geschützte Abwehrposition begründen. Denn Festsetzungen in Bebauungsplänen über das Maß der baulichen Nutzung dienten grundsätzlich städtebaulichen Zwecken und hätten deshalb keine nachbarschützende Funktion. Nachbarschutz vermittelten sie nur dann, wenn sich aus einem Bebauungsplan selbst oder seiner Begründung ein dahingehender Rechtssetzungswille der plangebenden Gemeinde im Einzelfall hinreichend sicher erkennen lasse. Gebe es aber im unbeplanten Innenbereich – wie hier – keinen Bebauungsplan, bedeute das zugleich, dass eine Überschreitung des sich aus der Umgebungsbebauung ergebenden Maßes der baulichen Nutzung den Nachbarn, vom Gebot der Rücksichtnahme abgesehen, keine Abwehrposition verschaffe. Vorliegend verletze das Vorhaben nicht das aus § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO folgende Gebot nachbarlicher Rücksichtnahme. Eine Verletzung des Rücksichtnahmegebotes komme dann in Betracht kommt, wenn durch die Verwirklichung des genehmigten Vorhabens ein in der unmittelbaren Nachbarschaft befindliches Wohngebäude “eingemauert” oder “erdrückt” werde. Hauptkriterien bei der Beurteilung einer “erdrückenden” bzw. “abriegelnden” Wirkung seien die Höhe des Bauvorhabens und seine Länge sowie die Distanz der baulichen Anlage in Relation zur Nachbarbebauung. Eine solche Wirkung komme daher vor allem bei nach Höhe und Volumen “übergroßen” Baukörpern in geringem Abstand zu benachbarten Wohngebäuden in Betracht. Ein Vorhaben übe grundsätzlich dann “erdrückende” bzw. “einmauernde” Wirkung gegenüber dem Nachbarn aus, wenn es in Höhe und Volumen ein Übermaß besitze und auch nicht annähernd den vorhandenen Gebäuden gleichartig sei. Das Gebot der Rücksichtnahme sei indes in aller Regel nicht verletzt, wenn – wie hier – die Abstandsflächen eingehalten würden. Dass das Vorhaben erdrückende Wirkung entfalten könne, sei – nach dem vor Ort gewonnenen Eindruck der Kammer – fernliegend. Es halte die unter Ziffer 1. dargelegten Abstände zur klägerischen Grundstücksgrenze und damit den vorgeschriebenen Grenzabstand ein. Auch die Länge des Gebäudes von rund 18,60 m sei nicht so exzessiv, dass sich für das klägerische Grundstück der Eindruck eines “Abgeriegeltseins” ergebe. Das Gebäude der Beigeladenen grenze bereits nur rückwärtig an die Grundstücksgrenze der Kläger an, so dass auch vor diesem Hintergrund eine einmauernde Wirkung oder eine Einhausung des Gartenbereiches im Sinne einer “Box” eher fernliegend sei. Auch eine über das in Ortslagen unvermeidbare und stets hinzunehmende Maß hinausgehende Verschattungswirkung sei bei den genehmigten Dimensionen und Abständen nicht ansatzweise ersichtlich, zumal das von den Klägern bewohnte Einfamilienwohnhaus – infolge der Hanglage – eine größere Höhenlage aufweise. Auf den Fortbestand einer faktischen Ruhezone auf einem fremden Grundstück habe ein Nachbar keinen Anspruch, so dass er damit die Bebauung des Nachbargrundstücks nicht verhindern könne. Eine mögliche Verschlechterung oder der Wegfall der Aussicht begründeten ebenso keine Rücksichtslosigkeit eines Vorhabens, weil es in der Regel weder einen Schutz vor Verschlechterung der Aussicht noch vor Einsichtsmöglichkeiten von benachbarten Häusern gebe. Im öffentlichen Baurecht stelle die Freihaltung der Aussicht keinen Schutzgegenstand dar, weil es an der Schutzwürdigkeit dieses Belangs fehle. Von einer erdrückenden Wirkung könne nicht schon dann ausgegangen werden, wenn ein Neubau höher werde als ein benachbartes vorhandenes Bauwerk. Das klägerische Wohnanwesen weise infolge der Hanglage des Grundstücks eine größere Höhenlage auf als das Vorhaben(grundstück) der Beigeladenen. Dadurch bedingt entstünden wechselseitige Einsichtsmöglichkeiten. Selbst wenn das Grundstück der Kläger durch das Vorhaben an Wert verlieren sollte, sei dies vorliegend nicht zu berücksichtigen. Einen allgemeinen Schutz dagegen, dass durch Vorgänge, die auf einem anderen Grundstück stattfinden, der Wert des eigenen Grundstücks sinke, kenne die Rechtsordnung nicht. Folglich könne nicht davon ausgegangen werden, dass das mit der Baugenehmigung zugelassene Vorhaben der Beigeladenen für die Kläger schlechthin unzumutbare Auswirkungen haben werde. Dies beträfe selbst eine eventuelle Verschlechterung der Lichtverhältnisse und der Belüftung auf dem Grundstück der Kläger. Das Gebot der Rücksichtnahme vermittele einem Nachbarn keinen Anspruch darauf, von jeglichen Beeinträchtigungen in Folge der baulichen Nutzung auf den angrenzenden Grundstücken verschont zu bleiben. Auch die Anzahl und Lage der genehmigten Pkw-Stellplätze begründe keine Rücksichtslosigkeit des Bauvorhabens. Ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme könne zwar in Betracht kommen, wenn sich die Erschließungssituation eines Grundstücks durch eine vorhabenbedingte Überlastung einer das Grundstück des Betroffenen erschließenden Straße oder durch unkontrollierten Parksuchverkehr erheblich verschlechtere. Auch könne eine unzureichende Stellplatzzahl eines Bauvorhabens gegenüber den Eigentümern der vom parkenden Verkehr und Parksuchverkehr betroffenen Grundstücke im Einzelfall – ausnahmsweise – im bauplanungsrechtlichen Sinne rücksichtslos sein. Beides sei hier aber ersichtlich nicht der Fall. Negative Auswirkungen auf die Erschließungssituation des klägerischen Grundstücks seien bereits fernliegend, weil das Grundstück der Kläger über die Straße “…-Straße” und nicht über die Straße “Am …” erschlossen werde. Darüber hinaus sei eine Beeinträchtigung nicht schon darin zu sehen, dass die angrenzenden und umliegenden Straßen durch Fahrzeuge von Nutzern der baulichen Anlage der Beigeladenen zum Parken in Anspruch genommen würden und den Klägern nur noch mit den daraus folgenden Einschränkungen zur Verfügung stünden. Bei den in dem Gebiet bebauten Grundstücken handele es sich nach dem Vortrag der Beteiligten um Wohngrundstücke in einem reinen bzw. allgemeinen Wohngebiet. Mithin handele es sich bei den zu beparkenden Straßen um Anwohnerstraßen, so dass nicht mit einem erheblichen – über die Wohnnutzung hinausgehenden – Verkehr zu rechnen sei. Ein etwaig in Betracht kommendes individuelles Fehlverhalten sei städtebaulich nicht relevant; “wildem Parken” sei gegebenenfalls mit Mitteln des Ordnungsrechts zu begegnen. Zudem gehörten Garagen- oder Stellplatzemissionen heutzutage selbst in Wohnbereichen zu den Alltagserscheinungen und seien dort grundsätzlich hinzunehmen, soweit sie durch die in dem Gebiet zur Deckung des Stellplatzbedarfs notwendigen Anlagen verursacht würden. Deshalb seien die Auswirkungen einer Stellplatz- bzw. Garagenanlage, die aufgrund der Stellplatzpflicht (§ 47 Abs. 1 und 2 LBO) als notwendiges “Zubehör” zu einer auf dem Grundstück statthaften (Haupt-) Bebauung errichtet werde, prinzipiell zu dulden. Nachbarrechtliche Abwehrrechte gegen Immissionen von Stellplätzen und Garagen, die der Deckung eines entsprechenden Bedarfs einer zugelassenen Wohnnutzung dienten, kämen nur dann in Betracht, wenn besondere Umstände – insbesondere die Anordnung der Anlagen – hinzuträten, die dazu führten, dass Nachbarn einem das Maß des regelmäßig hinzunehmenden wesentlich übersteigenden “Mehr” an Belästigungen ausgesetzt seien. Derartige besondere Umstände seien jedoch vor Ort durch die Kammer nicht feststellbar gewesen. Vorliegend habe die Beklagte mit der Baugenehmigung insgesamt 6 Stellplätze zugelassen, die sich allesamt auf dem Vorhabengrundstück in der Verlängerung der Straße “Am …” befänden und von dort ebenerdig im vorderen Grundstücksbereich angefahren werden könnten. Von diesen ausschließlich der Wohnnutzung dienenden Stellplätzen dürften keine nennenswerten Emissionen ausgehen. Selbst wenn aber die zukünftigen Bewohner des Anwesens über mehr als insgesamt 6 Pkw verfügen sollten, erwiese sich dies unter dem Gesichtspunkt der Rücksichtslosigkeit als unbedenklich. Auch dieser Zu- und Abgangsverkehr würde allein der Wohnnutzung dienen, sodass nicht mit einem größeren Bewegungsaufkommen zu rechnen sei, wobei sich der Parkplatzsuchverkehr zudem grundsätzlich nicht im Bereich des Grundstücks der Kläger an der “…-Straße”, sondern voraussichtlich auf der Straße “Am …” abspielen werde. Wenn dabei unter Ausnutzung des Verbindungsfußwegs in der “…-Straße” oder in der “…straße” geparkt werden solle, läge dies ebenfalls im zulässigen Rahmen des Gemeingebrauchs. Zudem seien notwendige Stellplätze im Sinne der Vorschrift des § 47 LBO schon nicht Prüfungsgegenstand des im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren nach § 64 LBO geprüften Vorhabens der Beigeladenen. Zuletzt stelle auch der Abstellraum für die Müllcontainer bzw. die vermeintlich davon ausgehenden Geruchsimmissionen keine unzumutbare Belastung für die Kläger dar und begründe somit auch keine Verletzung des Rücksichtnahmegebotes. Zum einen sei der Abstellraum für Müllcontainer – wie oben bereits erörtert – unter Wahrung der Abstandsflächenbestimmungen nach den §§ 7, 8 LBO errichtet worden. Zum anderen sei nicht ersichtlich, dass es sich vorliegend um einen gravierenden Ausnahmefall handele, in dem eine Belästigung nicht hinnehmbar sei und somit nach bauplanungsrechtlichen Vorschriften unzulässig wäre. Vielmehr gehöre das Entsorgen von Müll zu den täglichen, sozialadäquaten Handlungen von Haushalten in einem reinen bzw. allgemeinen Wohngebiet, sodass es unter Nachbarn unter Zugrundelegung einer wechselseitigen Rücksichtnahme hinzunehmen sei. Auch gegebenenfalls davon ausgehende Immissionen seien grundsätzlich hinzunehmen. Vorliegend hätten die Kläger insbesondere nicht vorgetragen, dass etwaige Geruchsimmissionen den Grad des Üblichen übersteigen würden und auch sonst lägen – nach allgemeiner Lebenserfahrung – hierfür keine Anhaltspunkte vor. Vielmehr sei bei der Zurverfügungstellung eines Containers für die Müllentsorgung sogar davon auszugehen, dass Immissionen noch eher abgehalten würden als dies üblicherweise der Fall sei. Nach alledem verletze die angegriffene Baugenehmigung die Kläger nicht in ihren Rechten und es bestünde auch kein Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten.

Die Kläger begehren die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil.

II.

Dem Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung (§§ 124a Abs. 4, 124 Abs. 1 VwGO) gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 28.6.2023 – 5 K 805/21 – kann nicht entsprochen werden. Dem den gerichtlichen Prüfungsumfang mit Blick auf das Darlegungserfordernis (§ 124a Abs. 4 Satz 4 und Abs. 5 Satz 2 VwGO) begrenzenden Antragsvorbringen in dem Schriftsatz vom 28.8.2023 lässt sich ein Zulassungsgrund im Sinne des § 124 Abs. 2 VwGO nicht entnehmen.

Der Vortrag der Kläger begründet nicht die geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen dann, wenn gegen deren Richtigkeit nach summarischer Prüfung gewichtige Anhaltspunkte sprechen, wovon immer dann auszugehen ist, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird. Richtigkeit im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO meint dabei die Ergebnisrichtigkeit des Entscheidungstenors, nicht dagegen die (vollständige) Richtigkeit der dafür gegebenen Begründung (vgl. Beschluss des Senats vom 27.2.2024 – 2 A 2/23 -). Zur Begründung ihres Zulassungsantrags haben die Kläger vorgetragen, das Verwaltungsgericht habe unberücksichtigt gelassen, dass der Garten ihres Hausanwesens zur Straße “Am …” und damit auch in Richtung des streitgegenständlichen Bauvorhabens ausgerichtet sei, sodass sie von ihrem Garten auf das streitgegenständliche Hausanwesen blickten. Im Rahmen der Abwägung sei der Sinn und Zweck des Gartens als Erholungszentrum des Hausbewohners unberücksichtigt geblieben. Zudem komme es durch den Parksuchverkehr und den Umstand, dass die Parkflächen unmittelbar an ihr Hausanwesen angrenzten, zu erheblichen Lärmbeeinträchtigungen. Ein Lärmgutachten sei jedoch nicht eingeholt worden. Auf dem streitbezogenen Grundstück sei lediglich ein Parkplatz pro Wohneinheit geplant und mittlerweile ausgeführt. Da die angrenzenden Straßen allesamt eng und bereits mit dem dortigen Parkverkehr versehen seien, sei indes zu erwarten, dass parksuchender Verkehr, insbesondere solcher, welcher durch das streitgegenständliche Bauvorhaben hervorgerufen werde, weil jede Wohneinheit mindestens zwei Fahrzeuge in Besitz habe, zu einem erhöhten und das angrenzende Wohngebiet überlastenden Verkehr und damit einer entsprechenden Geräuschentwicklung führe. Ein entsprechendes verkehrstechnisches Gutachten sei ebenfalls nicht eingeholt worden. Zudem gehe entgegen den Feststellungen des Verwaltungsgerichts eine erdrückende Wirkung von dem streitgegenständlichen Bauvorhaben aus. Dies weise bereits bezogen auf die Maße ein weit größeres Volumen auf als die übrige Bebauung, was zu einer erdrückenden Wirkung führe. Dies gelte trotz Einhaltung der Abstandsflächen, weil sich das streitgegenständliche Bauvorhaben deutlich über die vorhandene Bebauung, insbesondere die konkrete Nachbarbebauung erhebe. Unberücksichtigt bleibe hierbei, dass die Grenzbebauung des Bauvorhabens – auch unter “Einhaltung” der gesetzlichen Abstandsflächen – unmittelbar die Grenzmauer zum klägerischen Grundstück bilde. Vom Garten aus sei daher lediglich der Blick auf diese Mauer möglich, was einen hofartigen Charakter der Bebauung entstehen lasse. Zudem habe das Verwaltungsgericht unzutreffend berücksichtigt, dass das klägerische Hausanwesen in Hanglage gebaut sei. Denn trotz der Hanglage und der erhöhten Stellung ihres Hausanwesens rage das streitgegenständliche Bauvorhaben über das klägerische Hausanwesen auf, was die abriegelnde Wirkung des Bauvorhabens belege. Aus jedem Blickwinkel sei für die Kläger – ausgehend von ihrem Grundstück – außer dem Bauvorhaben nichts zu erkennen. Zudem habe das Verwaltungsgericht nicht gewürdigt, dass dem Wohnraum und dem Garten als Rückzugs- und Erholungsort eine erhöhte Schutzbedürftigkeit zukomme. Hierbei sei zu sehen, dass durch die Errichtung der Carports bzw. der “Mülleinhausung” ein Hofcharakter geschaffen worden sei, welcher sich dadurch verstärke, dass auch durch die Nutzung anderer Räume und Flächen des klägerischen Hausanwesens eine freie Sicht nicht gewährleistet werden könne. Es finde ein Zusammenspiel zwischen (zulässiger) Grenzbebauung und übergroßem Baukörper statt, sodass trotz Einhaltung der Abstandsflächen in der Gesamtbetrachtung eine erdrückende Wirkung zu bejahen sei und eine Verletzung der nachbarschützenden Rechte hätte bestätigt werden müssen.

Dieses Vorbringen begründet keine ernstlichen Zweifel an der Ergebnisrichtigkeit des erstinstanzlichen Urteils.

Soweit die Antragsteller rügen, dass betreffend die von der Stellplatznutzung ausgehenden kraftfahrzeugbedingten Immissionen und ferner in Bezug auf die durch den “Parksuchverkehr” ausgelösten Immissionen keine Gutachten eingeholt worden seien, begründet dies keine Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung.

Wie bereits das Verwaltungsgericht ausgeführt hat, sind nach der ständigen Rechtsprechung des Senats durch die Nutzung von Stellplätzen und Garagen hervorgerufene Immissionen auch in ruhigen Wohngebieten von den Bewohnern zu tolerieren und begründen – vorbehaltlich, hier nicht ersichtlicher, besonderer Verhältnisse im Einzelfall – keine nachbarlichen Abwehransprüche (vgl. Beschluss des Senats vom 4.1.2019 – 2 B 344/18 -, sowie beispielsweise OVG des Saarlandes, Beschlüsse vom 26.6.2017 – 2 A 151/17 -, BauR 2017, 1738, m.w.N., zu mehreren Stellplätzen für eine Kindertagesstätte, und vom 28.1.2016 – 2 B 236/15 -, zu einer im Wege einer Befreiung von einer Grünflächenfestsetzung zugelassenen Herstellung einer 3,80 m breiten, etwa 100 m bis 120 m langen gepflasterten Zufahrt zu zwei Wohngebäuden unmittelbar entlang der Nachbargrenzen; speziell für die im Rahmen des baurechtlichen Nachbarstreits unter dem Aspekt des Rücksichtnahmegebotes vorzunehmende Interessenbewertung beispielsweise OVG des Saarlandes, Beschlüsse vom 4.7.2016 – 2 A 161/16 -, SKZ 2017, 68, Leitsatz Nr. 28, vom 4.12.2008 – 2 A 228/08 -, LKRZ 2009, 142, vom 30.3.2012 – 2 A 317/11 -, SKZ 2012, 171, Leitsatz Nr. 22, und vom 24.5.2012 – 2 A 395/11 -, SKZ 2012, 173, Leitsatz Nr. 25; weitere Nachweise bei Bitz/Schwarz u.a., Baurecht Saarland, 2. Auflage 2005, Kap. XI, Rn 110 ff.). In Fällen, in denen ausschließlich Wohnzwecken dienende Gebäude Genehmigungsgegenstand sind, sind die Beeinträchtigungen aufgrund des dabei zu erwartenden Zu- und Abgangsverkehrs von Nachbarn selbst in reinen Wohngebieten grundsätzlich hinzunehmen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20.3.2003 – 4 B 59.02 -), weil die durch die Benutzung in diesen Fällen verursachten Beeinträchtigungen auch in Wohngebieten zu den von der Nachbarschaft in aller Regel nicht abwehrbaren “Alltagserscheinungen” gehören (vgl. dazu OVG des Saarlandes, Beschluss vom 30.8.2016 – 2 B 224/16 -, SKZ 2017, 69, Leitsatz Nr. 31). Bei der Bedarfsdeckung im Sinne des § 12 Abs. 2 BauNVO dienenden Stellplätzen ist daher im Regelfall auch von einer Nachbarverträglichkeit der durch die Stellplatznutzung verursachten Immissionen auszugehen (vgl. Beschluss des Senats vom 4.1.2019 – 2 B 344/18 -, unter Hinweis auf OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 28.11.2017 – 2 S 20.17 -, wonach das sowohl für die mit der Stellplatznutzung üblicherweise einhergehende Lärmbelästigung als auch für etwaige Abgas- und Lichtemissionen gilt, die nach der Wertung des Gesetzgebers als sozialadäquat hinzunehmen sind). Nur unter besonderen Umständen sind Immissionen, die nach § 12 BauNVO zulässige Stellplätze hervorrufen, nach Maßgabe des § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO unzumutbar. Besondere Umstände dieser Art haben die Kläger indes nicht vorgetragen. Das gilt hier insbesondere auch deswegen, weil die angefochtene Baugenehmigung nur eine von ihrem Umfang her “überschaubare” Anzahl von sechs Stellplätzen (je 3 Stellplätze pro Carport) zulässt, die an den Wendehammer – und damit an den Straßenraum – anschließen. Soweit die Kläger unter anderem in diesem Zusammenhang auf den besonders geschützten rückwärtigen Gartenbereich ihres Grundstücks verweisen, ist zu berücksichtigen – wie es auch das Verwaltungsgericht getan hat -, dass das streitbezogene Baugrundstück am Ende einer Sackgasse liegt und über jene erschlossen ist, wobei das klägerische Grundstück derart liegt, dass der Gartenbereich in Richtung des unterhalb liegenden Wendehammers ausgerichtet ist. Hier hat sich lediglich eine durch die örtlichen Verhältnisse bereits angelegte Bauoption auf einem unterhalb liegenden Grundstück in einem Wohngebiet realisiert. Somit liegen die Stellplätze des Nachbargrundstücks gerade nicht im “rückwärtigen, geschützten” Bereich, sondern schließen sich – aus der Sicht des neuen Bauvorhabens – unmittelbar an die betreffende Straße (hier den Wendehammer) an. Folglich bestand auch kein Anlass, die durch die Stellplatznutzung verursachten Immissionen im Wege eines Lärmgutachtens aufzuklären (vgl. hierzu: Hessischer VGH, Beschluss vom 10.7.2014 – 3 A 893/14.Z -, Rn. 12-13). Den durch die Verwirklichung des Bauvorhabens zusätzlich entstehenden Zu- und Abgangsverkehr hat das Verwaltungsgericht ebenfalls gewürdigt und ist zu dem nicht zu beanstandenden Schluss gelangt, dass dieser aller Voraussicht nach kein für die Kläger unzumutbares Ausmaß erreichen werde. Aus dem Vorbringen der Kläger, bei 6 neu entstehenden Wohneinheiten mit durchschnittlich 2 Fahrzeugen pro Wohneinheit würden die vorhandenen 6 Stellplätze nicht ausreichen, sodass ein erhöhter Park- und Suchverkehr auf den ohnehin beengten Straßen stattfände, folgt kein Verstoß gegen das baurechtliche Rücksichtnahmegebot. Das Verwaltungsgericht hat sich auch insoweit bei der Ortsbesichtigung einen eigenen Eindruck von den konkreten örtlichen Gegebenheiten verschafft und ist zu dem nachvollziehbaren Ergebnis gelangt, dass negative Auswirkungen auf die Erschließungssituation des klägerischen Grundstücks bereits deshalb fernliegend seien, weil das Grundstück der Kläger über die Straße “…-Straße” und nicht über die Straße “Am …” erschlossen werde. Zugleich hat das Gericht festgestellt, dass es sich bei den zu beparkenden Straßen um Anwohnerstraßen handelt, so dass nicht mit einem erheblichen – über die Wohnnutzung hinausgehenden – Verkehr zu rechnen sei. Das Antragsvorbringen zeigt keine besonderen Aspekte auf, die eine Unrichtigkeit dieser Feststellungen nahelegen. Dass es aufgrund der örtlichen Verhältnisse – auch angesichts der vorhandenen 6 Stellplätze am Wohngebäude – zu chaotischen Verkehrsverhältnissen im unmittelbaren Umfeld des klägerischen Grundstücks – das sich eine Straße oberhalb des Bauvorhabens befindet – kommen könnte (vgl. hierzu: BayVGH, Beschluss vom 20.3.2018 – 15 CS 17.2523 -), ist nicht dargetan. Daher bestand auch kein Anlass für die Einholung eines verkehrstechnischen Gutachtens.

Soweit die Kläger rügen, das Verwaltungsgericht habe fälschlicherweise eine erdrückende Wirkung des streitigen Bauvorhabens verneint, zeigen sie ebenfalls keine ernstlichen Zweifel an der erstinstanzlichen Entscheidung auf. In dem Urteil wurde einzelfallbezogen eine für die Kläger “erdrückende” Wirkung des Vorhabens unter Hinweis auf den gewonnenen Eindruck von der Örtlichkeit und die Einhaltung der Abstandsflächen verneint, wobei das Gericht zusätzlich die Lage des klägerischen Grundstücks wie auch die jeweiligen Maße der Baukörper auf dem streitbezogenen Grundstück in die Beurteilung einbezogen hat. Dass es hinsichtlich der Einhaltung des Gebots nachbarlicher Rücksichtnahme bei dem genehmigten Vorhaben zu einem anderen als dem von den Klägern gewünschten Ergebnis gelangt ist, begründet nicht schon aus sich heraus ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung (vgl. Beschluss des Senats vom 21.6.2007 – 2 A 152/07 -). Dass die auf einer Tatsachenwertung der tatsächlichen Auswirkungen im konkreten Umfeld eines Bauvorhabens beruhende Einschätzung in aller Regel die Verschaffung eines eigenen Eindrucks von den konkreten örtlichen Gegebenheiten voraussetzt und daher von einem Rechtsmittelgericht im Zulassungsverfahren bis auf Ausnahmekonstellationen selbst nicht abschließend nur auf Grund der Aktenlage beurteilt werden kann, rechtfertigt ebenfalls nicht schon die Annahme, das auf einer Ortsbesichtigung beruhende Ergebnis der Beurteilung des Verwaltungsgerichts unterläge ernstlichen Zweifeln hinsichtlich seiner Richtigkeit (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) (vgl. Beschluss des Senats vom 20.12.2019 – 2 A 26/19 -). Hat sich das Verwaltungsgericht – wie vorliegend im Rahmen des Ortstermins geschehen – einen Eindruck von dem “Baugrundstück” und seiner Umgebung, insbesondere auch von der baulichen Situation auf benachbarten Grundstücken, verschafft, so ist die Zulassung der Berufung nur gerechtfertigt, wenn das Antragsvorbringen besondere Aspekte des Einzelfalles aufzeigt, die eine überwiegende Wahrscheinlichkeit der Unrichtigkeit des vom Verwaltungsgericht gefundenen Ergebnisses der Zumutbarkeitsbewertung begründen können (vgl. Beschluss des Senats vom 20.12.2019 – 2 A 26/19 -).

Das ist hier erkennbar nicht der Fall. Die Kläger haben mit ihrem Vorbringen im Hinblick auf die umfangreichen Feststellungen und nachvollziehbaren Ausführungen des Verwaltungsgerichts zu den Voraussetzungen einer “erdrückenden Wirkung” und den örtlichen Gegebenheiten keine Zweifel an der erstinstanzlichen Entscheidung begründet.

Da das Vorbringen der Kläger daher keinen Grund für die von ihnen beantragte Zulassung der Berufung im Sinne des § 124 Abs. 2 VwGO aufzeigt, ist ihr Antrag zurückzuweisen.

OLG Bamberg zu der Frage, dass wenn die Parteien eines VOB/B-Bauvertrag in einem Verhandlungsprotokoll handschriftlich vereinbaren, dass “Mengenänderungen mehr oder weniger als 10 % die EPs nicht ändern”, es sich um eine Individualvereinbarung handelt, die eine Preisanpassung nach § 2 Abs. 3 VOB/B ausschließt und der AGB-Inhaltskontrolle entzogen ist

OLG Bamberg zu der Frage, dass wenn die Parteien eines VOB/B-Bauvertrag in einem Verhandlungsprotokoll handschriftlich vereinbaren, dass "Mengenänderungen mehr oder weniger als 10 % die EPs nicht ändern", es sich um eine Individualvereinbarung handelt, die eine Preisanpassung nach § 2 Abs. 3 VOB/B ausschließt und der AGB-Inhaltskontrolle entzogen ist

vorgestellt von Thomas Ax

1. Das bloße Schweigen ist in der Regel keine Willenserklärung, sondern das Gegenteil einer Erklärung. Eine Ausnahme hiervon besteht im Handelsverkehr nach den Grundsätzen über das Schweigen auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben.
2. Der Empfänger eines kaufmännischen Bestätigungsschreibens muss unverzüglich widersprechen, wenn er den Inhalt des Schreibens nicht gegen sich gelten lassen will. Widerspricht er nicht, wird der Vertrag mit dem aus dem Bestätigungsschreiben ersichtlichen Inhalt rechtsverbindlich, es sei denn, dass der Bestätigende das Verhandlungsergebnis bewusst unrichtig wiedergegeben hat oder das Bestätigungsschreiben so weit vom Verhandlungsergebnis abweicht, dass der Absender vernünftigerweise nicht mit dem Einverständnis des Empfängers rechnen konnte.
3. Vereinbaren die Parteien eines VOB/B-Bauvertrag in einem Verhandlungsprotokoll handschriftlich, dass “Mengenänderungen mehr oder weniger als 10 % die EPs nicht ändern”, handelt es sich um eine Individualvereinbarung, die eine Preisanpassung nach § 2 Abs. 3 VOB/B ausschließt und der AGB-Inhaltskontrolle entzogen ist.
OLG Bamberg, Urteil vom 20.07.2023 – 12 U 9/22

Gründe:

I.

Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Stellung von Bauhandwerkersicherheiten nach § 648 a BGB in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung (§ 648 a BGB a.F.).

Die Klägerin betreibt einen Elektrofachbetrieb, der sich insbesondere auf Elektroeinlegearbeiten spezialisiert hat. Dabei werden die für eine spätere Installation der Versorgung mit Elektrik notwendigen Leerrohre, Verteilerdosen und dergleichen mit Baufortschritt des Rohbaus, insbesondere bei Betonagen erbracht. Die Beklagte betreibt ein Bauunternehmen, welches – u.a. als Generalunternehmer – umfassende Bauleistungen erbringt.

Die Parteien stehen seit etwa 8 Jahren in vertraglichen Beziehungen, wobei die Beklagte die Klägerin als Nachunternehmerin bei diversen Bauvorhaben mit Elektroeinlegearbeiten betraut hat.

Streitgegenständlich sind im vorliegenden Verfahren die Bauvorhaben

– Neubau A.,

– Neubau B. und

– das Bauvorhaben D.

Die Parteien haben den Werkverträgen die VOB/B in der zum Zeitpunkt des jeweiligen Vertragsschlusses gültigen Fassung zugrunde gelegt.

In den Werkverträgen zu den Bauvorhaben A., B. und D. (K 1 bis K 12) wurde in den Verhandlungsprotokollen jeweils handschriftlich vereinbart:

“Massenänderungen mehr oder weniger als 10 % ändern die EPs nicht”.

Im Verlauf der Bauvorhaben kam es bei den Bauvorhaben A. und B. zu erheblichen Mindermengen (mehr als 10 %). Die Klägerin berechnete unter Zugrundelegung ihrer Urkalkulation neue (höhere) als die vertraglich vereinbarten Einheitspreise, auf die sie ihre Schlussrechnungsforderungen stützt (vgl. die AGK-Ausgleichsberechnungen bezüglich A. Anlage K 73, bezüglich B. vgl. Anlage zu Blatt 118 ff., Anlagenband II). Eine Nachtragsvereinbarung zwischen den Parteien wurde insoweit nicht getroffen.

Im Einzelnen:

1. Neubau A.

Die Beklagte beauftragte die Klägerin mit Vertrag vom 31.05.2013/14.06.2013 für das Bauvorhaben “A.” mit Elektroeinlegearbeiten zu einem Einheitspreis von 54.633,53 Euro (Anlage K 1).

Im Dezember 2014 erfolgte die Abnahme des Werkes der Klägerin durch die Beklagte. Im Anschluss bezahlte die Beklagte die Werklohnforderung der Klägerin nicht vollständig.

Am 13.09.2019 kam es zu einem Telefonat zwischen dem Mitarbeiter der Beklagten, dem Zeugen X. und dem Geschäftsführer der Klägerin, dessen Inhalt zwischen den Parteien im Einzelnen streitig ist.

Mit Schreiben vom 17.09.2019 (Anlage B 3) teilte die Beklagte der Klägerin mit:

“Bei dem Bauvorhaben Neubau A. werden wir so vorgehen wie zwischen uns besprochen. Ihre letzte durch uns geprüfte und freigegebene Abschlagsrechnung (2. AR RE-Nr. 001 vom 21.07.2014) wird als Schlussrechnung angesehen (siehe Anlage). Der Einbehalt in Höhe von 5 % für die Vertragserfüllung wird von uns hiermit ausgezahlt. Der 5 % ige Einbehalt für die Gewährleistung wird nach deren Ablauf durch uns ausbezahlt. Gewährleistungsdauer gem. Vertrag 5 Jahre und 6 Wochen, oder sofort bei Vorlage einer Bürgschaft. Ablauf der Gewährleistung 07.12.2019”.

Eine Reaktion der Klägerin hierauf erfolgte nicht.

Mit Schreiben vom 26.11.2019 forderte die Klägerin die Beklagte erfolglos auf, bis zum 10.12.2019 Sicherheit in Höhe von 19.131,93 Euro zu leisten (ausstehender Werklohn i.H.v. 17.392,66 Euro + 10%, Anlage K 3).

Daraufhin kündigte die Klägerin den Werkvertrag mit der Beklagten am 11.12.2019 (Anlage K 4).

Am 16.03.2020 zahlte die Beklagte einen Betrag in Höhe von 3.837,56 Euro. Mit Schriftsatz vom 30.06.2020 hat die Klägerin den Rechtsstreit in der Hauptsache insoweit teilweise für erledigt erklärt. Die Beklagte hat der Teilerledigterklärung widersprochen. Mit Schriftsatz vom 20.05.2021 hat die Klägerin sodann insoweit die Klagerücknahme erklärt.

Die Klägerin macht einen Restbetrag aus der Schlussrechnung in Höhe von 13.555,10 Euro geltend. Der von der Klägerin geforderte Betrag der Sicherheit beträgt 14.910,61 Euro (13.555,10 Euro + 10 %).

2. Neubau B.

Mit Nachunternehmervertrag vom 20./24.07.2017 beauftragte die Beklagte die Klägerin mit Elektroeinlegearbeiten für das Bauvorhaben “Neubau B.” zu einem Einheitspreis von 124.333,82 Euro netto (K 8). Später wurden noch zwei Nachträge in Höhe von 21.770,10 Euro (K 7) sowie 1.000,00 Euro (K 8) vereinbart.

Die Abnahme der Leistung betreffend den ursprünglichen Auftrag erfolgte am 06.02.2019.

Am 20.11.2019 stellte die Klägerin die 5. Abschlagsrechnung über 55.307,18 Euro (K 9).

Mit Schreiben vom 25.11.2019 verlangte die Klägerin erfolglos eine Sicherheitsleistung in Höhe von 114.034,02 Euro für noch offenen Werklohn von 103.667,29 Euro zzgl. 10 % bis zum 09.12.2019 (K 10).

Am 10.12.2019 kündigte die Klägerin den Werkvertrag (K 11).

Am 16.03.2020 zahlte die Beklagte auf den noch ausstehenden Werklohn einen Betrag von 13.608,84 Euro.

3. Bauvorhaben D.

Am 24.05.2017 beauftragte die Beklagte die Klägerin mit Elektroeinlegearbeiten für das Bauvorhaben D. zu einem Einheitspreis von 136.587,40 Euro netto (K 12).

Am 09.07.2019 erfolgte die Abnahme des Werks der Klägerin durch die Beklagte.

Die Klägerin stellte am 30.10.2019 eine Schlussrechnung über noch offene 26.306,00 Euro (K 13). In der Folgezeit zahlte die Beklagte den noch offenen Rechnungsbetrag nicht.

Mit Schreiben vom 26.11.2019 forderte die Klägerin die Beklagte erfolglos dazu auf, Sicherheit i.H.v. 28.936,60 Euro zu leisten (ausstehender Werklohn 26.306,00 Euro + 10 %) bis zum 10.12.2019 (K 14).

Die Klägerin kündigte daraufhin den Werkvertrag mit der Beklagten am 11.12.2019 (K 15).

Die Klägerin hat in erster Instanz beantragt, der Klägerin für deren Werklohnforderungen aus den genannten drei Werkverträgen Sicherheit gemäß § 648 a BGB a.F. in Höhe von 14.910,61 Euro (A.), in Höhe von 53.864,13 Euro (B.) und in Höhe von 28.936,60 Euro (D.) zu leisten. Darüber hinaus hat sie die Verurteilung der Beklagten zur Erstattung ihrer außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten betreffend die drei vorgenannten Bauvorhaben beantragt.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat in erster Instanz im Wesentlichen vorgetragen:

1. Bauvorhaben A.

Hinsichtlich des Bauvorhabens A. bestehe ein Anspruch nach § 648 a BGB a.F. nicht. Die Parteien hätten sich bei einem Telefonat darauf geeinigt, dass die Leistungen der Klägerin durch die Zahlung der 2. Abschlagsrechnung vom 20.07.2014 abgegolten sein sollten. Der Inhalt des Telefonats sei durch das Schreiben der Beklagten an die Klägerin vom 17.09.2019 (Anlage B 3), bei dem es sich um ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben handele, festgehalten worden. Es gebe somit keine zu sichernde Forderung, weshalb auch kein Anspruch auf Sicherheitsleistung bestehe. Überdies sei der Werklohnanspruch mit Ablauf des 31.12.2017 verjährt. Für eine verjährte Forderung sei keine Sicherheit zu leisten. Darüber hinaus habe die Klägerin den Anspruch betreffend eine Vereinbarung der Parteien hinsichtlich einer Vergütungsanpassung wegen Mengenunterschreitungen im Sinne des § 2 Abs. 3 Nr. 3 VOB/B nicht hinreichend dargelegt.

2. Bauvorhaben B.

Die Beklagte hat behauptet, die Abschlagsrechnung der Klägerin sei nicht prüfbar. Das der Rechnung zugrunde liegende Aufmaß entspreche nicht den vertraglichen Vereinbarungen. Mit Kündigung des Vertrages sei Abrechnungsreife eingetreten, so dass kein Anspruch auf Abschlagszahlung mehr bestehe.

Bereits am 13.03.2020 und damit vor Zustellung der Klage sei im Rahmen der Schlussrechnung vom 04.03.2020 der Betrag von 13.608,64 Euro an die Klägerin bezahlt worden (B 11), weshalb keine zu sichernde Werklohnforderung mehr bestehe.

3. Bauvorhaben D.

Am 31.10.2019 habe die Beklagte die mangelnde Prüfbarkeit der Schlussrechnung gerügt, weil sich aus den Plänen nicht der Umfang der erbrachten Leistungen erkennen lasse.

Die Beklagte ist der Ansicht, dass 80 % der Leistungen nicht erbracht worden seien, so dass sich sogar eine Überzahlung von 23.213,69 Euro ergebe.

Wegen der Einzelheiten des Sachvortrages wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung und die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Eine Beweisaufnahme hat in erster Instanz nicht stattgefunden.

II.

Mit dem am 10.06.2021 verkündeten Endurteil hat das Landgericht der Klägerin Bauhandwerkersicherungen gemäß § 648 a BGB a.F. in Höhe von 77,04 Euro (A.), in Höhe von 20.581,20 Euro (B.) und in Höhe von 28.936,50 Euro (D.) zugesprochen. Darüber hinaus hat das Landgericht die Beklagte dazu verurteilt, die Klägerin von den Gebührenforderungen der xxx Rechtsanwälte betreffend die außergerichtliche Tätigkeit der Rechtsanwälte in Höhe der jeweiligen Gegenstandswerte freizustellen. Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen.

Die Klägerin habe gegen die Beklagte für alle drei Bauvorhaben gemäß § 648 a BGB a.F. einen Anspruch auf Stellung von Bausicherheiten in der jeweils tenorierten Höhe.

Vorliegend sei die Anwendung des § 2 Abs. 3 VOB/B ausweislich der Verhandlungsprotokolle (Anlage A zum Nachunternehmervertrag, Anlage K 1, K 6, K 12) zur Überzeugung des Gerichts durch die Parteien wirksam abbedungen worden, weshalb der Klägerin kein Anspruch aus § 2 Abs. 3 VOB/B wegen Mehr- oder Mindermengen von mehr als 10 % der ausgeschriebenen Mengen zustehe (LGU Seite 16). Dies ergebe sich aus dem Wortlaut der Vereinbarung “Massenänderungen mehr oder weniger als 10 % ändern die EPs nicht”.

Entgegen der Ansicht der Beklagten seien die Werklohnansprüche der Klägerin nicht verjährt (LGU Seite 19/20).

Wegen der Einzelheiten der Berechnung der zu sichernden Forderungen wird auf die Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

III.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung, mit der sie ihre in erster Instanz gestellten Anträge bezüglich der Bauvorhaben A. und B., soweit diese durch das Landgericht abgewiesen wurden, weiterverfolgt.

Die Beklagte erstrebt die Zurückweisung der Berufung.

Mit ihrer Anschlussberufung erstrebt die Beklagte die vollständige Abweisung der Klage hinsichtlich des Bauvorhabens A. und die vollständige Abweisung der Klage hinsichtlich der durch das Landgericht zuerkannten Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten.

Die Klägerin erstrebt die Zurückweisung der Anschlussberufung.

Die Klägerin ist der Auffassung, dass die teilweise Klageabweisung bezüglich des Vorhabens A. und B. zu Unrecht erfolgt sei. Die Klägerin habe erstinstanzlich sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach ihre jeweiligen Vergütungsansprüche aus den Ausgleichsberechnungen für Mindermengen (AGK-Ausgleichsberechnung) dargetan. Insbesondere sei schlüssig vorgebracht worden, dass sich der jeweilige Vergütungsanspruch auf einen Vertrag stütze, mit dem die Anwendung der VOB/B, insbesondere des § 2 Abs. 3 VOB/B in der damaligen Fassung wirksam vereinbart worden sei.

Dass das Landgericht die Sicherheiten insoweit nicht gewähren wolle, weil die Anwendung des § 2 Abs. 3 VOB/B hier wirksam ausgeschlossen sei, sei rechtsfehlerhaft. Die hier strittigen Klauseln lauteten gerade nicht: “Die Anwendung des § 2 Abs. 3 VOB/B ist ausgeschlossen”. Vielmehr schlössen die hier strittigen, von der Beklagten selbst formulierten und vorgegebenen Klauseln nach richtigem Verständnis und in feindlichster Auslegung für den Adressaten jegliche Anpassung des Einheitspreises aus. Dies erfasse auch die Fälle des Wegfalls der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB, jedenfalls soweit diese auf eklatanten Mengenabweichungen beruhe.

Bei den in den Verhandlungsprotokollen getroffenen Vereinbarungen handele es sich nicht um Individualvereinbarungen, sondern um AGB, die der Klägerin von der Beklagten, ohne dass hierüber verhandelt worden sei, einseitig vorgegeben worden seien. Als AGB-Regelung seien die Vereinbarungen gemäß § 307 BGB unwirksam. Die Klägerin verweist hierzu auf BGH-Rechtsprechung. Das Landgericht habe die Beweisantritte zum Vorliegen von AGB zu Unrecht übergangen, indem es die mit Schriftsatz vom 14.09.2021, Seite 9 benannten Zeugen nicht vernommen habe (Blatt 312, 313 d.A.). Demzufolge seien auch die Nebenforderungen auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten zu Unrecht teilweise abgewiesen worden.

Die Klägerin hat im Berufungsverfahren zuletzt beantragt (Schriftsatz vom 16.05.2022, Blatt 395 ff.):

1. Das Urteil des Landgerichts Schweinfurt vom 10.06.2021 wird teilweise abgeändert, soweit die Klage teilweise abgewiesen wurde.

2. Auf die Berufung hin wird die Beklagte (über das erstinstanzlich Zugesprochene hinaus) verurteilt wie folgt:

2.1. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin für deren Werklohnforderungen aus dem Werkvertrag vom 31.05.2013/14.06.2013 betreffend das Bauvorhaben “Neubau A.” für Elektroeinlegearbeiten weitere Bauhandwerkersicherung im Sinne des § 648 a BGB a.F. nach Wahl der Beklagten entweder durch Garantie oder durch ein sonstiges Zahlungsversprechen eines im Geltungsbereich dieser Norm zum Geschäftsbetrieb befugten Kreditinstituts oder Kreditversicherers in Höhe von noch 14.833,57 Euro zu stellen.

2.2. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin für deren Werklohnforderungen aus dem Werkvertrag vom 20./24.07.2017 betreffend das Bauvorhaben “Neubau B.” für Elektroeinlegearbeiten weitere Bauhandwerkersicherung im Sinne des § 648 a BGB a.F. nach Wahl der Beklagten entweder durch Garantie oder durch ein sonstiges Zahlungsversprechen eines im Geltungsbereich dieser Norm zum Geschäftsbetrieb befugten Kreditinstituts oder Kreditversicherers in Höhe von noch 33.282,89 Euro zu stellen.

2.3. Die Beklagte wird ferner verurteilt, der Klägerin weitere außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten (1,3 Geschäftsgebühr aus einem Gegenstandswert von 19.131,93 Euro betreffend die Bauhandwerkersicherung zur A. zuzüglich Auslagenpauschale) von weiteren 564,70 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 11.01.2020 zu erstatten.

2.4. Die Beklagte wird ferner verurteilt, der Klägerin weitere außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten (1,3 Geschäftsgebühr aus einem Gegenstandswert von 114.034,02 Euro zuzüglich Auslagenpauschale) von weiteren 552,50 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 11.01.2020 zu erstatten.

Die Beklagte beantragt, die Berufung der Klägerin zurückzuweisen (Schriftsatz vom 10.08.2021, Blatt 259).

Im Wege der Anschlussberufung beantragt die Beklagte:

1. Das Urteil des Landgerichts Schweinfurt vom 10.06.2021 (Az.: 12 O 315/20 Bau) aufzuheben, soweit die Beklagte verurteilt wird, der Klägerin für deren Werklohnforderung aus dem Werkvertrag vom 31.05.2013/14.06.2012 betreffend das Bauvorhaben A. für Elektroarbeiten eine Bauhandwerkersicherung im Sinne des § 648 a BGB a.F. in Höhe von 77,04 Euro zu stellen und die Klage insoweit abzuweisen.

2. Das Urteil des Landgerichts Schweinfurt vom 10.06.2021 (Az.: 12 O 315/20 Bau) aufzuheben, soweit die Beklagte verurteilt wird, die Klägerin von der Gebührenforderung der xxx Rechtsanwälte als außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten

– in Höhe einer 1,3 Geschäftsgebühr aus einem Gegenstandswert von 4.268,48 Euro zzgl. Auslagenpauschale, insgesamt 419,09 Euro,

– In Höhe einer 1,3 Geschäftsgebühr aus einem Gegenstandswert von 47.869,73 Euro zzgl. Auslagenpauschale, insgesamt 1.531,90 Euro und

– In Höhe einer 1,3 Geschäftsgebühr aus einem Gegenstandswert von 28.936.80 Euro zzgl. Auslagenpauschale, insgesamt 1.141,90 Euro freizustellen und die Klage insgesamt abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Anschlussberufung der Beklagten zurückzuweisen (Schriftsatz vom 24.11.2021, Blatt 366).

1. Die Beklagte vertritt die Auffassung, dass die Frage der Unwirksamkeit der Klausel “Massenänderungen mehr oder weniger als 10 % ändern die EPs nicht” dahinstehen könne, da die Unwirksamkeit der Klausel nicht zur Anwendbarkeit des § 2 Abs. 3 VOB/B führe, sondern lediglich zur Anwendung des § 313 BGB, zu dessen Voraussetzungen die Klägerin nichts vorgetragen habe.

2. Zum Bauvorhaben A. könne die Berufung der Klägerin schon deshalb keinen Erfolg haben, weil die Schlussrechnung der Klägerin vom 12.11.2019, aus der sich die zu sichernde Forderung ergeben solle, für das Rechtsverhältnis der Parteien nicht maßgeblich sei. Wie bereits in erster Instanz (Schriftsatz vom 10.08.2021) ausgeführt, hätten sich die Parteien in einem Telefonat vom 13.09.2019 darauf geeinigt, dass die letzte geprüfte und freigegebene Abschlagsrechnung der Klägerin vom 21.07.2014 als Schlussrechnung anzusehen sei und der darin vorgenommene Einbehalt von 5 % für die Vertragserfüllung ausgezahlt werden solle. Zugleich sei vereinbart worden, dass die Gewährleistungsfrist am 07.12.2019 ende. Zum Beweis bietet die Beklagte den Zeugen X. an. Hierüber habe der Zeuge X. ein Schreiben angefertigt, in dem er den wesentlichen Inhalt des Telefonats wiedergegeben habe (Anlage B 3). Anschließend habe er das Schreiben per Einschreiben an die Klägerin übersandt. Dieses Schreiben stelle ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben dar. Ein Widerspruch seitens der Klägerin sei nicht erfolgt. Damit stehe fest, dass die Abschlagsrechnung vom 21.07.2014 als Schlussrechnung angesehen werde und demzufolge die darin abgerechnete Vergütung maßgeblich sei. Die Beklagte habe den sich aus der Abschlagsrechnung vom 21.07.2014 ergebenden Saldo abzüglich eines Sicherheitseinbehaltes in Höhe von 3.837,56 Euro bezahlt. Der Sicherheitseinbehalt sei am 16.03.2020 ausbezahlt worden. Damit seien sämtliche Ansprüche der Klägerin erfüllt. Es gebe keine sicherungsfähigen Ansprüche der Klägerin mehr.

3. Bei der Bestimmung in den Verhandlungsprotokollen, “Massenänderungen mehr oder weniger als 10 % ändern die EP´s nicht” handele es sich nicht um eine Allgemeine Geschäftsbedingung. Diese Bestimmung sei zwischen den Parteien während der Vergabegespräche individuell ausgehandelt worden Hierfür hat die Beklagte Beweis durch Vernehmung von Zeugen angeboten (Blatt 350). Selbst wenn das anders zu beurteilen wäre, wäre die Klausel nicht unwirksam. Darüber hinaus fehle es bezüglich der AGK-Ausgleichsberechnung an einer sicherungsfähigen Nachtragsvereinbarung.

4. Bezüglich des Bauvorhabens B. ist die Beklagte der Auffassung, dass sie, nachdem sie die Klägerin nach Kündigung des Bauvertrages erfolglos zur Schlussrechnungsstellung aufgefordert habe, selbst eine Schlussrechnung erstellt habe (B 8, B 9 und B 10). Den sich daraus ergebenden Saldo in Höhe von 13.608,84 Euro habe die Beklagte am 13.03.2020 ausgeglichen. Es gebe daher keine zu sichernde Werklohnforderung mehr. Zwar habe die Klägerin am 30.04.2020 eine eigene Schlussrechnung vom 30.04.2020 gestellt, mit der sie eine Zahlung in Höhe von 48.967,39 Euro zur Grundlage für das hier streitgegenständliche Sicherungsverlangen mache. Die Schlussrechnung vom 30.04.2020 enthalte in zwei Positionen wiederum eine AGK-Ausgleichsberechnung nach § 2 Abs. 3 Nr. 3 VOB/B und zwar in Höhe von insgesamt 30.846,09 Euro. Ebenso wie beim Bauvorhaben A. sei im vorliegenden Fall die Anwendung des § 2 Abs. 3 VOB/B zwischen den Parteien ausgeschlossen. Anders als beim Bauvorhaben A. sei die Klausel beim Bauvorhaben B. nicht ausgehandelt worden. Allerdings habe das Protokoll, das der Klägerin zugesandt worden sei, genau demjenigen der A. entsprochen, das im einzelnen ausgehandelt gewesen sei. Sie sei daher davon ausgegangen, dass die Klägerin mit den Regelungen einverstanden sei.

Auf die Ausführungen in der Berufungsbegründung, der Berufungserwiderung und der Anschlussberufung sowie der Erwiderung auf die Anschlussberufung wird wegen der Einzelheiten Bezug genommen.

Der Senat hat im Termin vom 15.06.2023 den Geschäftsführer der Klägerin informatorisch gehört. Darüber hinaus hat der Senat im Termin vom 15.06.2023 eine Beweisaufnahme durch Vernehmung der Zeugen Y., Z., V. und X. durchgeführt. Auf das Protokoll des Termins vom 15.06.2023 wird Bezug genommen.

IV.

1. Zulässigkeit der Berufung:

Die Berufung ist zulässig (§§ 511 ff. ZPO). Gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist wurde der Klägerin mit Beschluss des OLG Bamberg vom 21.09.2021 (Blatt 321 ff.) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.

Der Auffassung der Beklagten, die Berufung sei unzulässig, weil sie nicht ausreichend begründet worden sei (Berufungserwiderung Seite 14 ff, Blatt 358 ff. d.A.) kann nicht gefolgt werden. Die Beklagte meint, die Klägerin befasse sich in ihrer Berufung ausschließlich mit der Frage, ob die fragliche Klausel eine Allgemeine Geschäftsbedingung darstelle und nach § 307 BGB unwirksam sei. Hierauf komme es aber nach Auffassung des Erstgerichts nicht an, welches die Wirksamkeit der Regelung ausdrücklich offengelassen habe und ausgeführt habe, selbst wenn man die Wirksamkeit der Regelung unterstelle, komme nicht die VOB/B zur Anwendung, sondern allein die Regelungen des BGB, die eine Vertragsanpassung im Falle von Mengenunterschreitungen von mehr als 10 % nicht vorsähen. Dieses Argument des Erstgerichts habe die Klägerin nicht angegriffen, sondern sich nur mit der AGB-Widrigkeit der Regelung befasst. Die Berufungsbegründung sei daher unzureichend und die Berufung damit unzulässig.

Dem kann nicht gefolgt werden. Die Argumentation des Erstgerichts, wonach selbst wenn man die Wirksamkeit der Regelung unterstelle, nicht die VOB/B zur Anwendung komme, sondern allein die Regelungen des BGB, die eine Vertragsanpassung im Falle von Mengenunterschreitungen von mehr als 10 % nicht vorsähen, wird von der Berufung durchaus angegriffen. Dies ergibt sich insbesondere aus den Ausführungen auf Seite 4 der Berufungsbegründung. Danach erfasse die Klausel auch die Fälle des Wegfalls der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB. Damit greift die Berufung auch die die angefochtene Entscheidung tragende Begründung an und ist damit zulässig.

2. Begründetheit der Berufung und der Anschlussberufung:

Die Berufung ist unbegründet. Die Anschlussberufung ist teilweise begründet.

Bezüglich des Bauvorhabens A. steht der Klägerin kein Anspruch auf eine Bauhandwerkersicherung nach § 648 a.F. BGB zu, weil insoweit eine zu sichernde Restwerklohnforderung nicht mehr besteht. Insoweit war die Entscheidung auf die Anschlussberufung der Beklagten dahingehend abzuändern, dass die Klage auf Bauhandwerkersicherung abgewiesen wird (hierzu unter a).

Bezüglich des Bauvorhabens B. ist die Berufung der Klägerin nicht begründet. Eine höhere zu sichernde Forderung als sie das Landgericht zuerkannt hat, besteht nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme nicht. Insoweit war die Berufung zurückzuweisen (hierzu unter b).

Bezüglich der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten ist die Anschlussberufung hingegen nicht begründet und war insoweit zurückzuweisen (hierzu unter c).

a) Bauvorhaben A.:

Hinsichtlich des Bauvorhabens A. kann die Frage der Auslegung und der Wirksamkeit der Klausel “Mengenänderungen mehr oder weniger als 10 % ändern die EPs nicht”, letztlich dahinstehen. Insoweit hat die durch den Senat durchgeführte Beweisaufnahme durch Vernehmung des Zeugen X. ergeben, dass dem als Anlage B 3 vorgelegten Schreiben vom 17.09.2019 ein Telefonat zwischen dem Zeugen X. und dem Geschäftsführer der Klägerin vorausging, bei dem Vereinbarungen bezüglich der Restwerklohnforderung aus dem Bauvorhaben A. getroffen wurden, die in dem Schreiben der Beklagten an die Klägerin vom 17.09.2019 (Anlage B 3) festgehalten wurden. Der Zeuge X. hat hierzu angegeben, nach seiner Erinnerung habe es ein Telefonat zwischen ihm und Herrn W. gegeben und er habe den Inhalt dieses Telefonats in einem Schreiben so festgehalten, wie er Herrn W. verstanden habe. Im Nachgang habe sich dann aber herausgestellt, dass sie sich wohl nicht richtig verstanden hätten und er habe Herrn W. dann auch vorgehalten, warum er dies der Firma xxxx nicht früher mitgeteilt habe. Dem Zeugen X. wurde das Schreiben vom 17.09.2019 (Anlage B 3) vorgehalten. Der Zeuge X. hat erklärt, dass er dieses Schreiben nach dem Telefongespräch mit Herrn W. so per Einschreiben herausgegeben habe. Auf das Schreiben habe Herr W. entweder lange nicht oder überhaupt nicht reagiert.

Nach dem persönlichen Eindruck, den der Zeuge X. bei seiner Vernehmung gemacht hat, erachtet der Senat den Zeugen X. als glaubwürdig. Der Zeuge machte auf den Senat einen seriösen Eindruck. Auch an der Glaubhaftigkeit der Angaben des Zeugen X. hat der Senat keine Zweifel. Der Senat verkennt nicht, dass der Zeuge X. bis zum 01.05.2023 bei der Beklagten beschäftigt war und daher der Beklagten nahesteht. Ein wirtschaftliches Eigeninteresse des Zeugen X. am Ausgang des Rechtsstreits ist, da der Zeuge nicht mehr bei der Beklagten beschäftigt ist, aber nicht erkennbar. Es ist nicht ersichtlich, warum der Zeuge den Inhalt des Telefonats, welches dem Schreiben vom 17.09.2019 vorausging, unrichtig wiedergegeben haben sollte.

Der Zeuge hat zudem ausdrücklich klargestellt, dass er den Geschäftsführer der Klägerin so verstanden habe, wie er es in dem Schreiben vom 17.09.2019 (Anlage B 3) wiedergegeben habe. Er hat eingeräumt, dass man sich bei dem Telefonat möglicherweise missverstanden habe.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme hat die Klägerin daher durch ihr Schweigen auf das Schreiben vom 17.09.2019 der darin vorgeschlagenen Lösung zugestimmt. Zwar ist bloßes Schweigen in der Regel keine Willenserklärung, sondern das Gegenteil einer Erklärung (Grüneberg, BGB, 82. Aufl., Einf. vor § 116 BGB Rdnr. 7). Von diesem Grundsatz gibt es jedoch Ausnahmen. Hier sind die Grundsätze über das Schweigen auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben (§ 356 Abs. 1 HGB) anwendbar. Im Handelsverkehr gilt der Grundsatz, dass der Empfänger eines kaufmännischen Bestätigungsschreibens unverzüglich widersprechen muss, wenn er den Inhalt des Schreibens nicht gegen sich gelten lassen will. Widerspricht er nicht, wird der Vertrag mit dem aus dem Bestätigungsschreiben ersichtlichen Inhalt rechtsverbindlich, es sei denn, dass der Bestätigende das Verhandlungsergebnis bewusst unrichtig wiedergegeben hat oder das Bestätigungsschreiben so weit vom Verhandlungsergebnis abweicht, dass der Absender vernünftigerweise nicht mit dem Einverständnis des Empfängers rechnen konnte (Grüneberg, BGB, 82. Aufl., § 147 BGB Rdnr. 8). Davon, dass das Verhandlungsergebnis bewusst unrichtig wiedergegeben oder weit abweichend vom Verhandlungsergebnis wiedergegeben wurde, kann in Anbetracht der glaubwürdigen Angaben des Zeugen X. nicht ausgegangen werden.

Der Geschäftsführer der Klägerin hat auf das Schreiben vom 17.09.2019 innerhalb angemessener Frist, auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass er zum Zeitpunkt des Zugangs des Schreibens, welches auf dem Postweg per Einschreiben versendet wurde, 2 Wochen in Urlaub gewesen ist, nicht reagiert. Der Geschäftsführer der Klägerin wäre verpflichtet gewesen, wenn er mit der in dem Schreiben der Beklagten vom 17.09.2019 (B 3) als Ergebnis des Telefonats wiedergegebenen Lösung nicht einverstanden war, unverzüglich nach seiner Rückkehr aus dem Urlaub zu reagieren und dem zu widersprechen. Dies ist hier nicht erfolgt. Das Schweigen des Geschäftsführers der Klägerin ist nach den Grundsätzen des kaufmännischen Bestätigungsschreibens als Zustimmung zu werten.

Demzufolge besteht aus dem Bauvorhaben A. aufgrund der getroffenen Vereinbarung keine zu sichernde Restwerklohnforderung mehr. Insoweit war die Entscheidung des Landgerichts auf die Anschlussberufung der Beklagten abzuändern und die Klage auf Bauhandwerkersicherung gemäß § 648 a.F. BGB insoweit abzuweisen.

b) Bauvorhaben B.

Hinsichtlich des Bauvorhabens B. ist die Berufung der Klägerin nicht begründet. Eine höhere zu sichernde Werklohnforderung als vom Landgericht errechnet, besteht nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme nicht. Die Parteien haben die in § 2 Abs. 3 VOB/B geregelte Preisänderungsmöglichkeit individualvertraglich ausgeschlossen, so dass die Klägerin wegen der Mindermengen im konkreten Fall keine Nachtragsforderung stellen kann und demzufolge ein Anspruch auf eine Bauhandwerkersicherung nach § 648 a BGB a.F. bezüglich der geltend gemachten Mehrforderung nicht besteht.

Eine Nachtragsvereinbarung über geänderte Einheitspreise ist nicht zustande gekommen; es handelt sich um ein einseitiges Verlangen der Klägerin auf Preisänderung aufgrund § 2 Abs. 3 Nr. 3 VOB/B. Das Verlangen auf Preisänderung nach § 2 Abs. 3 Nr. 3 VOB/ ist unter Bezugnahme auf die AGK-Ausgleichsberechnungen jeweils schlüssig dargestellt.

Die Parteien haben hier durch die Vereinbarung im Verhandlungsprotokoll: “Mengenänderungen mehr oder weniger als 10 % ändern die EPs nicht” eine Abänderung der vertraglich vereinbarten Einheitspreise nach § 2 Abs. 3 VOB/B wegen Mengenänderungen mehr oder weniger als 10 % bezüglich des Bauvorhabens B. durch eine Individualvereinbarung ausgeschlossen. Eine Preisänderung nach § 2 Abs. 3 VOB/B ist aufgrund dieser Vereinbarung ausgeschlossen.

Dafür, dass diese Klausel nicht als Allgemeine Geschäftsbedingung der Klägerin gestellt wurde, sondern zwischen den Parteien individuell ausgehandelt wurde, spricht schon die äußere Gestaltung: Die Klausel befindet sich in einem als “Verhandlungsprotokoll” bezeichneten Schriftstück, in dem unter Ziffer 19.11 (“Sonstige technische/kaufmännische Vereinbarungen”) handschriftlich getroffene Vereinbarungen wiedergegeben werden. Das Verhandlungsprotokoll vom 20.07.2017 erweckt von seiner äußeren Gestaltung her den Eindruck, dass die Punkte, die handschriftlich ergänzt wurden, während der Verhandlung im Einzelnen durchgesprochen und sodann handschriftlich in das Protokoll eingefügt wurden.

Dieser äußere Eindruck hat sich durch die vom Senat durchgeführte Beweisaufnahme letztlich bestätigt. Der Zeuge Y. hat glaubhaft angegeben, dass die in den Verhandlungsprotokollen niedergelegten Punkte vorher jeweils durchgesprochen wurden. Der Zeuge Y. hat ausgesagt, er könne nicht sagen, wer die streitgegenständliche Klausel eingebracht habe. Es gebe Verträge, in denen sie stehe und andere, in denen sie nicht stehe. Es habe keine Regel dafür gegeben, wann diese Klausel in den Vertrag gekommen sei. Man habe sie besprochen, wenn keine Einwände gekommen seien, sei sie aufgenommen worden, sonst vielleicht nicht. Zwar hat der Zeuge Y. an den Verhandlungen bezüglich des Vorhabens B. nicht selbst teilgenommen, was sich auch aus dem Verhandlungsprotokoll auf Seite 1 ergibt, wo die Teilnehmer genannt sind. Der Zeuge hat aber das übliche Procedere bezüglich der Klausel anschaulich und glaubhaft geschildert. Der Zeuge Z., der laut Verhandlungsprotokoll an der Verhandlung bezüglich des Bauvorhabens B. teilgenommen hat, hatte keine Erinnerung mehr an das konkrete Verhandlungsgespräch. Er meinte, dass die handschriftlichen Einträge am Telefon durchgesprochen worden seien. Er hat angegeben, dass die streitgegenständliche Klausel zwar öfters verwendet worden sei, aber nicht standardmäßig. So sei die Klausel beim Bauvorhaben H. nicht verwendet worden. Der Zeuge V., der an den Verhandlungen bezüglich der A. teilgenommen hat, hat angegeben, dass die Klausel nicht so wichtig gewesen sei, dass sie zu 100 % ins Protokoll gemusst hätte. Die streitgegenständliche Klausel sei keine Standardklausel gewesen.

Aufgrund der Angaben der vernommenen Zeugen, an deren Glaubwürdigkeit der Senat keinen Zweifel hat, ist der Senat davon überzeugt, dass die streitgegenständliche Klausel der Klägerin nicht einseitig durch die Beklagte gestellt worden ist, sondern jeweils im Einzelfall darüber verhandelt wurde, ob sie in den Vertrag aufgenommen wird oder nicht. Der Senat verkennt dabei nicht, dass die vernommenen Zeugen Y., Z. und V. bei der Beklagten beschäftigt sind oder waren und insofern der Beklagten nahestehen. Es ist hier aber nicht erkennbar, warum die Zeugen hier nicht wahrheitsgemäß ausgesagt haben sollten. Die Klausel wurde den Angaben der Zeugen zufolge nicht standardmäßig bei jedem Bauvorhaben vereinbart, z.B. beim Bauvorhaben H. wurde sie nicht vereinbart. Der Senat geht aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme davon aus, dass die Klausel beim Bauvorhaben B. aufgrund einer Individualvereinbarung in den Vertrag aufgenommen wurde.

Allgemeine Geschäftsbedingungen liegen nicht vor, soweit die Vertragsbedingungen zwischen den Parteien in einzelnen ausgehandelt sind, § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB. Die streitgegenständliche Klausel unterliegt daher nicht der AGB-Kontrolle. Die Rechtsprechung des BGH, wonach eine Klausel in AGB des Auftraggebers “Massenänderungen – auch über 10 % – sind vorbehalten und berechtigen nicht zur Preiskorrektur” den Auftragnehmer unangemessen benachteiligt, weil sie auch Ansprüche wegen Störung der Geschäftsgrundlage ausschließt (BGH, Urteil vom 04.11.2015 – VII ZR 282/14 – BauR 2016, 260, zitiert bei Ingenstau/Korbion, VOB/B, 22. Aufl. § 3 Abs. 3 Rdnr. 10), ist hier daher nicht einschlägig, weil es sich hier um eine individuell vereinbarte Klausel handelt und die Einbeziehung in den Vertrag auf der freien Entscheidung der Klägerin beruhte.

Die streitgegenständliche Klausel ist auch nicht – wie der Geschäftsführer der Klägerin bei seiner informatorischen Anhörung angegeben hat – als bloße Wiedergabe des § 2 Abs. 3 VOB/B zu verstehen (“Ist ja in der VOB/B so geregelt”). Die Klausel enthält vielmehr eine von § 2 Abs. 3 VOB/B abweichende Regelung dahingehend, dass bei Mengenänderungen nach unten oder nach oben über 10 % entgegen § 2 Abs. 3 keine Preisänderung verlangt werden kann. Wäre die Klausel als bloße Wiedergabe der Regelung in § 2 Abs. 3 VOB/B zu verstehen, wäre sie überflüssig.

Für eine Preisanpassung nach § 313 BGB fehlt es – wie das Landgericht zu Recht ausgeführt hat – an einem Sachvortrag der Klägerin.

Die Frage der Aufmaßdifferenzen wird im Hauptsacheverfahren zu klären sein. Im Verfahren auf Bauhandwerkersicherung genügt – wie das Landgericht zu Recht ausgeführt hat – eine Schlüssigkeitsprüfung. Eine mögliche Übersicherung wird hierbei in Kauf genommen.

c) Nebenforderungen

Das Landgericht hat die Beklagte zur Freistellung von den Gebührenforderungen der xxx Rechtsanwälte verurteilt (LGU 23, 24). Die Beklagte habe sich mit der Stellung der Sicherheit in Verzug befunden und habe die entstandenen außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten als Verzugsschaden zu ersetzen, allerdings nur in der jeweils schlüssig dargelegten Höhe des Gegenstandswertes.

Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung, mit der sie bezüglich der A. und B. die Zuerkennung der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten auf der Grundlage der von ihr geltend gemachten Hauptforderungen erstrebt.

Die Berufung der Klägerin, die sich gegen die Kürzung der Gegenstandswerte wendet, ist nicht begründet.

Auf die Ausführungen des Landgerichts zur Höhe der Gegenstandswerte wird Bezug genommen. Das Landgericht hat die Freistellungsverpflichtung zu Recht auf der Grundlage der jeweiligen berechtigten Gegenstandswerte ausgesprochen.

Die Anschlussberufung erstrebt die Abweisung der Klage betreffend die Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten und macht geltend, dass die Beklagte sich mit der Stellung der Sicherheiten nicht in Verzug befunden habe.

Die Anschlussberufung der Beklagten ist nicht begründet.

Aufgrund des Schreibens der Beklagten vom 04.12.2019 (K 61) liegt hier – was die Stellung der Sicherheiten für alle drei Bauvorhaben angeht – eine ausdrückliche und endgültige Erfüllungsverweigerung seitens der Beklagten vor. Dort wird ausgeführt:

“Des Weiteren weisen wir Ihr Verlangen nach einer Bauhandwerkersicherung nach § 650 f BGB zurück, da die Arbeiten bereits abgeschlossen sind und keine Leistungen, bis auf etwaige Mängelbeseitigungen, ausstehen und Ihr Kreditorenkonto keine ausstehende Vergütung ausweist”.

Damit war eine Mahnung entbehrlich. Das Landgericht ging zu Recht davon aus, dass sich die Beklagte mit der Stellung der Sicherheit grundsätzlich in Verzug befand und daher die entstandenen außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten als Verzugsschaden zu ersetzen seien, allerdings nur in der jeweils schlüssig dargelegten Höhe des Gegenstandswertes (LGU 23).

Zum Zeitpunkt des Schreibens der Beklagten vom 04.12.2019 bestand für die Klägerin aus dem Bauvorhaben A. noch eine Werklohnforderung in Höhe von 3.837,56 Euro. Gemäß § 648a BGB a.F. stand der Klägerin damit eine Sicherheit in Höhe von 110 % dieses Betrages zu. Auf der Grundlage dieses Gegenstandswertes hat das Landgericht zu Recht eine 1,3 Geschäftsgebühr in Höhe von 393,90 Euro zuzüglich der Auslagenpauschale zugesprochen. V.

Die Kostenentscheidung für die erste Instanz beruht auf §§ 91, 92 Abs. 1, 269 Abs. 3 S. 3 ZPO. Die Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung um lediglich 77,04 Euro (Ziffer 1) führt nicht zu einer Änderung der Kostenquote, die das Landgericht zutreffend errechnet hat (LGU Seite 24, 25).

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin gemäß § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens war gemäß §§ 47 Abs. 1, 3 ZPO auf 48.193,50 Euro festzusetzen.

Bezüglich der Berufung der Klägerin sind die im Schriftsatz vom 16.05.2022 gestellten Anträge maßgeblich (Blatt 395,396). Hinzuzurechnen ist der Wert der Anschlussberufung:

Antrag zu 2.1.: 14.833,57 Euro

Antrag zu 2.2: 33.282,89 Euro

Anträge Anschlussberufung 77,04 Euro

Summe 48.193,50 Euro

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 ZPO) liegen nicht vor.

Verkündet am: 20.07.2023

VGH Bayern zur Frage der Genehmigungspflichtigkeit der (Um-)Nutzung von Wohnung als Praxis

VGH Bayern zur Frage der Genehmigungspflichtigkeit der (Um-)Nutzung von Wohnung als Praxis

vorgestellt von Thomas Ax

1. Die Nutzung einer baulichen Anlage kann untersagt werden, wenn die Nutzung öffentlich-rechtlichen Vorschriften widerspricht. Diese Voraussetzungen sind grundsätzlich schon dann erfüllt, wenn eine bauliche Anlage ohne erforderliche Genehmigung, somit formell illegal, genutzt wird.
2. Es entspricht regelmäßig pflichtgemäßer Ermessensausübung, wenn die Bauaufsichtsbehörde eine formell illegale Nutzung durch den Erlass einer Nutzungsuntersagung unterbindet. Allerdings darf eine formell rechtswidrige Nutzung aus Gründen der Verhältnismäßigkeit regelmäßig dann nicht untersagt werden, wenn sie offensichtlich genehmigungsfähig ist.
3. Die Nutzung einer Wohnung als Praxis liegt nicht innerhalb deren Variationsbreite, sondern weist eindeutig eine andere Zweckbestimmung auf.
VGH Bayern, Beschluss vom 01.10.2024 – 15 CS 24.1320

Gründe

I.

Die Antragstellerin wendet sich gegen eine Anordnung des Landratsamts Regensburg, mit der ihr die Nutzung ihres Gebäudes als Praxis für Naturheilverfahren und Osteopathie untersagt wurde.

Mit Bescheid vom 11. September 2019, geändert durch Bescheid vom 10. Oktober 2019 und Nachtrags-(Tektur-)Genehmigung vom 19. August 2020 wurde der Antragstellerin und ihrem Ehegatten die Baugenehmigung zur Errichtung eines Zweifamilienhauses erteilt. Das Baugrundstück liegt im planungsrechtlichen Außenbereich und in Teilbereichen im FFH-Gebiet “Trockenhänge bei Kallmünz”. Die Baugenehmigung für den Neubau eines Wohnhauses auf dem nordwestlich des Baugrundstücks der Antragstellerin gelegenen Grundstück wurde von ihr erfolglos angefochten (VG Regensburg, U.v. 18.4.2024 – RO 2 K 23.178), jedoch auf die Klage einer Umweltvereinigung aufgehoben (VG Regensburg, U.v. 18.4.2024 – RO 2 K 23.205).

Zu Beginn des Jahres 2021 verlegte die Antragstellerin ihre Praxis für Naturheilverfahren und Osteopathie in die Räumlichkeiten des Erdgeschosses ihres genehmigten Zweifamilienhauses. Nach Anhörung zu einer Nutzungsuntersagung durch das Landratsamt stellte die Antragstellerin gemeinsam mit ihrem Ehemann mit Unterlagen vom 14./15. September 2023 einen Bauantrag zur Nutzungsänderung einer bestehenden Wohnung in eine Praxis für Naturheilverfahren und Osteopathie. Die Vertretung der Antragstellerin und ihres Ehemannes wurde durch ihren Bevollmächtigten sowohl im Baugenehmigungs- als auch im Verfahren betreffend die Nutzungsuntersagung gegenüber dem Landratsamt angezeigt.

Mit persönlich an die Bauantragsteller zugestelltem Bescheid vom 12. Februar 2024 lehnte das Landratsamt die beantragte Nutzungsänderung einer bestehenden Wohnung in eine Praxis für Naturheilverfahren und Osteopathie ab, ordnete gegenüber der Antragstellerin die Einstellung der Nutzung des Gebäudes als Praxis für Naturheilverfahren und Osteopathie ab 1. September 2024 sowie die sofortige Vollziehung der Nutzungsuntersagung an und drohte ein Zwangsgeld in Höhe von 3.000 Euro an. Gegen diesen Bescheid erhoben die Antragstellerin und ihr Ehemann Klage zum Verwaltungsgericht (RO 2 K 24.413), über die noch nicht entschieden ist. Ein inhaltlich nahezu identischer Bescheid vom 29. Februar 2024 wurde dem Bevollmächtigten der Antragstellerin und ihres Ehemannes zugestellt und von diesem mit Schriftsätzen vom 23. März 2024 und vom 2. April 2024 in die Klage einbezogen.

Unter dem 10. Juni 2024 stellten die Antragstellerin und ihr Ehemann Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz zur Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Anfechtungsklage gegen die Nutzungsuntersagungsverfügung vom 29. Februar 2024 sowie zur vorläufigen Feststellung, dass der Bescheid vom 12. Februar 2024 mangels ordnungsgemäßer Zustellung nicht wirksam geworden ist, hilfsweise er von der aufschiebenden Wirkung der Klage erfasst ist, weiter hilfsweise die aufschiebende Wirkung der hilfsweisen Anfechtungsklage gegen die Nutzungsuntersagungsverfügung vom 12. Februar 2024 wiederherzustellen. Mit Beschluss vom 16. Juli 2024 lehnte das Verwaltungsgericht den Antrag ab. Zur Begründung wurde u.a. ausgeführt, dass der Ehemann der Antragstellerin mangels Adressatenstellung der Nutzungsuntersagungsverfügung nicht antragsbefugt ist. Für eine Klärung der Bekanntgabe- und Zustellungsfragen im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes betreffend den Bescheid vom 12. Februar 2024 bestehe kein Rechtsschutzbedürfnis, da das Landratsamt ausdrücklich erklärt habe, aus diesem Bescheid nicht zu vollstrecken. Im Übrigen sei der Antrag unbegründet, da die angefochtene Nutzungsuntersagung voraussichtlich rechtmäßig sei. Es liege keine offensichtliche Genehmigungsfähigkeit vor, da sich das Vorhaben im Außenbereich befinde und jedenfalls eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange durch eine Verfestigung einer unerwünschten Splittersiedlung zu befürchten sei.

Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde. Der Feststellungsantrag sei zulässig, da der durch den Bescheid hervorgerufene Rechtsschein beseitigt werden müsse. Die Beschwerde gegen die Nutzungsuntersagung sei begründet, weil die Nutzungsänderung offensichtlich genehmigungsfähig sei. Maßgebend sei nicht allgemein die Genehmigungsfähigkeit von Praxisnutzungen, sondern nur die Genehmigungsfähigkeit der untersagten Nutzung, da die Antragstellerin nur einen eingeschränkten Ein-Personen-Betrieb ohne Laufkundschaft an nur drei Wochentagen betreibe. Zudem dürfe eine bloße Teil-Nutzungsänderung im Bestandsgebäude nicht mit der Neuerrichtung eines Gebäudes im Außenbereich gleichgestellt werden. Vielmehr komme es darauf an, ob die Nutzungsänderung im Vergleich zur genehmigten Nutzung im baulich unveränderten Bestand öffentliche Belange mehr beeinträchtige als die genehmigte Bestandsnutzung, was hier nicht der Fall sei. Durch den eingeschränkten Praxisbetrieb werde der Außenbereich weit weniger beeinträchtigt, als durch die genehmigte Wohnnutzung. Die Baugenehmigung sei auch nicht erloschen und die genehmigte Nutzung genieße Bestandsschutz. Es müsse berücksichtigt werden, dass hier die Zulässigkeit eines nicht privilegierten Vorhabens geprüft und genehmigt worden sei. Das Gebäude sei von Anfang an als Wohngebäude und damit als nicht privilegiertes Gebäude im Außenbereich genehmigt worden; eine nun fiktive Aufspaltung sei nicht sachgerecht. Dem Vorhaben stünden weder die Darstellungen des Flächennutzungsplans entgegen noch die Befürchtung der Verfestigung einer Splittersiedlung; insofern vermittle die Baugenehmigung Bestandsschutz. Zusätzlich erforderliche Stellplätze könnten auf bereits versiegelten Flächen hergestellt werden, so dass keine bauliche Erweiterung stattfinde. Es handle sich um einen Sonderfall, da die Nutzung deutlich geringer als bei typischen Praxen sei. Die Nutzungsuntersagung sei auch ermessensfehlerhaft, da die Antragstellerin sich gegen das Nachbarbauvorhaben gewandt habe und hierfür sanktioniert werden solle. Das Landratsamt verhalte sich widersprüchlich, wenn einerseits eine extensiv genutzte Ein-Personen-Praxis verlagert werden solle und dafür eine intensive Wohnnutzung erfolgen solle. Schließlich müsse der Antrag unabhängig von der Hauptsache Erfolg haben, weil sonst vollendete Tatsachen geschaffen würden und die Antragstellerin ihre berufliche Tätigkeit nicht ausüben könne. Es liege ein schwerwiegender, schlecht revidierbarer Eingriff in die Berufsausübung und die Praxis der Antragstellerin vor.

Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,

unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses die aufschiebende Wirkung ihrer Anfechtungsklage vom 23. Februar 2024 gegen die Nutzungsuntersagungsverfügung des Antragsgegners vom 29. Februar 2024 wiederherzustellen und

unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses vorläufig – bis zur Entscheidung in der Hauptsache – festzustellen, dass der Bescheid des Landratsamts Regensburg vom 12. Februar 2024 mangels ordnungsgemäßer Zustellung nicht wirksam geworden ist,

hilfsweise: die aufschiebende Wirkung der hilfsweisen Anfechtungsklage der Antragstellerin vom 23. Februar 2024 gegen die Nutzungsuntersagungsverfügung des Antragsgegners vom 12. Februar 2024 wiederherzustellen.

Der Antragsgegner beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Unzulässigkeit des vorläufigen Feststellungsantrags werde mit der Beschwerde nicht in Frage gestellt. Im Übrigen sei der Antrag gegen die Nutzungsuntersagungsverfügung unbegründet, da das Vorhaben der Antragstellerin nicht offensichtlich genehmigungsfähig sei. Schon die nachgereichte Betriebsbeschreibung der Antragstellerin beinhalte diverse Nutzungsvarianten zur Auswahl. Die Nutzungsuntersagung habe in erster Linie die Funktion, den Bauherrn auf das Genehmigungsverfahren zu verweisen. Das Bauvorhaben sei bereits zum Zeitpunkt der Genehmigungserteilung nicht materiell baurechtmäßig gewesen. Zudem würden Bestands- und Funktionsänderungen nicht vom Bestandsschutz erfasst. Die Auffassung, einem zu Unrecht genehmigten, nicht privilegierten Vorhaben komme ein höherer Bestandsschutz zu als einer Entprivilegierung, sei unzutreffend. Schließlich bestehe die Gefahr der Verfestigung einer Splittersiedlung auch ohne eine äußere Änderung des Baukörpers und die negative Vorbildwirkung entfalle nicht, weil die neue Nutzung nur in einem Teil des Gebäudes ausgeübt werde. Die entsprechenden Folgen habe die Antragstellerin zu tragen, da der Praxisbetrieb ohne vorherige Genehmigung aufgenommen worden sei. Ein Eingriff in die Berufsfreiheit der Antragstellerin liege nicht vor, da die grundsätzliche Tätigkeit als Heilpraktikerin nicht untersagt werde.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der vorgelegten Behördenakte Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Aus den im Beschwerdeverfahren vorgetragenen Gründen, auf deren Prüfung der Verwaltungsgerichtshof beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Sätze 1 und 6 VwGO), ergibt sich nicht, dass der Beschluss des Verwaltungsgerichts aufzuheben oder abzuändern wäre. Die vorzunehmende Abwägung der gegenseitigen Interessen geht hier, auch unter Berücksichtigung des Vortrags, dass der Beschwerde unabhängig von den Erfolgsaussichten stattzugeben sei, zulasten der Antragstellerin aus.

1. Die Beschwerde bleibt erfolglos, soweit die Antragstellerin die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen den Bescheid vom 29. Februar 2024 begehrt.

Im Rahmen eines Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO trifft das Gericht aufgrund der sich im Zeitpunkt seiner Entscheidung darstellenden Sach- und Rechtslage eine eigene Ermessensentscheidung darüber, ob die Interessen, die für einen sofortigen Vollzug des angefochtenen Verwaltungsakts sprechen, oder diejenigen, die für die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung streiten, höher zu bewerten sind. Im Rahmen dieser Interessenabwägung sind auch die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache zu berücksichtigen. Diese sind ein wesentliches, aber nicht das alleinige Indiz für und gegen den gestellten Antrag. Wird der in der Hauptsache erhobene Rechtsbehelf bei der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur möglichen summarischen Prüfung voraussichtlich erfolgreich sein (weil er zulässig und begründet ist), so wird regelmäßig nur die Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung in Betracht kommen. Wird dagegen der in der Hauptsache erhobene Rechtsbehelf voraussichtlich keinen Erfolg haben (weil er unzulässig oder unbegründet ist), so ist dies ein starkes Indiz für die Ablehnung des Eilantrags. Sind schließlich die Erfolgsaussichten offen, findet eine allgemeine, von den Erfolgsaussichten unabhängige Abwägung der für und gegen den Sofortvollzug sprechenden Interessen statt (vgl. BayVGH, B.v. 18.9.2017 – 15 CS 17.1675 -).

Im vorliegenden Fall müssen die Interessen der Antragstellerin zurückstehen, weil die Anfechtungsklage gegen die Nutzungsuntersagung nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage rechtmäßig ist und die Antragstellerin nicht in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 76 Satz 2 BayBO sind mit hoher Wahrscheinlichkeit erfüllt; Ermessensfehler liegen nicht vor.

Nach Art. 76 Satz 2 BayBO kann die Nutzung einer baulichen Anlage untersagt werden, wenn die Nutzung öffentlich-rechtlichen Vorschriften widerspricht. Diese Voraussetzungen sind grundsätzlich schon dann erfüllt, wenn eine bauliche Anlage ohne erforderliche Genehmigung, somit formell illegal, genutzt wird. Da die Nutzungsuntersagung in erster Linie die Funktion hat, den Bauherrn auf das Genehmigungsverfahren zu verweisen, muss grundsätzlich nicht geprüft werden, ob das Vorhaben auch gegen materielles Recht verstößt. Es entspricht regelmäßig pflichtgemäßer Ermessensausübung, wenn die Bauaufsichtsbehörde eine formell illegale Nutzung durch den Erlass einer Nutzungsuntersagung unterbindet. Allerdings darf eine formell rechtswidrige Nutzung aus Gründen der Verhältnismäßigkeit regelmäßig dann nicht untersagt werden, wenn sie offensichtlich genehmigungsfähig ist (vgl. BayVGH, B.v. 17.2.2023 – 15 CS 23.95 -). Letzteres ist hier nicht der Fall, da – worauf das Verwaltungsgericht zutreffend abgestellt hat (BA S. 17) – nicht ohne ins einzelne gehende Prüfung beurteilt werden kann, ob die geänderte Nutzung bauplanungsrechtlich zulässig ist (vgl. BayVGH, B.v. 25.3.2024 – 1 CS 24.65 -).

Auszugehen ist von der Beschwerde nicht in Frage gestellten Umstand, dass es sich bei der tatsächlich ausgeübten Praxisnutzung – unabhängig von deren Umfang – um eine nach Art. 55 Abs. 1, Art. 57 Abs. 4 BayBO genehmigungspflichtige Nutzungsänderung handelt, an die andere öffentlich-rechtliche Anforderungen als an die genehmigte Zweifamilienhausnutzung zu stellen sind. Die Nutzung einer Wohnung als Praxis liegt nicht innerhalb deren Variationsbreite, sondern weist eindeutig eine andere Zweckbestimmung auf. Diese neue Nutzung berührt andere öffentlich-rechtliche Vorschriften i.S.d. Art. 68 Abs. 1 BayBO, wie z.B. die Stellplatzfrage, Immissionen sowie die bauplanungsrechtliche Vereinbarkeit und das Rücksichtnahmegebot, zumal § 13 BauNVO im Außenbereich nach § 35 BauGB nicht anwendbar ist (vgl. Stock in König/Roeser/Stock, BauNVO, 5. Auflage 2022, § 13 Rn. 1a).

Das Verwaltungsgericht geht hier davon aus, dass die untersagte Praxisnutzung nicht offensichtlich genehmigungsfähig ist und stellt hierbei auf die Lage des (Bestands-)Gebäudes im Außenbereich sowie Probleme und Fragen i.R.d. Genehmigungsfähigkeit (BA S. 17), insbesondere § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 und Nr. 7 BauGB (BA S. 18 f.), ab. Hiergegen ist nichts zu erinnern.

Der Vortrag der Antragstellerin, das Verwaltungsgericht stelle nicht auf die tatsächlich ausgeübte Ein-Personen-Praxis-Nutzung ab, sondern auf eine intensivere Nutzungsmöglichkeit, ändert nichts daran, dass die untersagte Nutzung nicht offensichtlich genehmigungsfähig ist. Das Verwaltungsgericht hat ausgeführt (BA S. 20), dass sich die Besonderheiten der Praxis der Antragstellerin weder in der Betriebsbeschreibung zum Bauantrag vom 14./15. September 2023 widerspiegeln noch vor dem Hintergrund des Internetauftritts der Antragstellerin plausibel erscheinen, so dass nicht von einer offensichtlichen Genehmigungsfähigkeit ausgegangen werden könne. Die tatsächlich ausgeübte Nutzung erscheint somit unklar, weshalb keine offensichtliche Genehmigungsfähigkeit vorliegt. Hieran ändern auch die während des Beschwerdeverfahrens modifizierten Antragsunterlagen und die geänderte Betriebsbeschreibung mit verschiedenen Nutzungsvarianten nichts, zumal es Sache des Bauherrn ist, konkrete Nutzungsentscheidungen zu treffen (vgl. BayVGH, B.v. 15.6.2021 – 9 ZB 19.2484 -) und deren Genehmigungsfähigkeit vor Betriebsaufnahme zu klären (vgl. BayVGH, B.v. 15.6.2021 – 9 ZB 18.2144 -). Unabhängig davon ist auch die vorgetragene Ein-Personen-Praxis mit eingeschränkten Betriebszeiten aufgrund der Lage im bauplanungsrechtlichen Außenbereich sowie der Frage der Reichweite des Bestandsschutzes und der Beeinträchtigung öffentlicher Belange nicht offensichtlich genehmigungsfähig.

Soweit die Antragstellerin der Ansicht ist, das Verwaltungsgericht verkenne den Bestandsschutz und bestandskräftig geprüfte Punkte dürften nicht noch einmal geprüft werden, verhilft dies der Beschwerde nicht zum Erfolg. Denn der Bestandsschutz erstreckt sich nur auf den genehmigten Bestand und die genehmigte Funktion und nicht auf Bestands- und/oder Funktionsänderungen (BVerfG, B.v. 15.12.1995 – 1 BvR 1713/92 -; BayVerfGH, E.v. 21.10.2009 – Vf. 105-VI-08 -; Decker in Busse/Kraus, BayBO, Stand Januar 2024, Art. 76 Rn. 117). Die Änderung der Nutzung von Wohnen in Praxis im Erdgeschoss des Gebäudes der Antragstellerin stellt unzweifelhaft eine Funktionsänderung dar, derentwegen sie sich nicht auf Bestandsschutz berufen kann. Die Antragstellerin geht offenbar davon aus, dass mit der Genehmigung ihres Zweifamilienhauses im Außenbereich nach § 35 Abs. 2 BauGB bei einer Nutzungsänderung alle nicht privilegierten Vorhaben bei der Prüfung der Beeinträchtigung öffentlicher Belange vom Bestandsschutz erfasst würden. Dies lässt sich allerdings mit der Feststellungswirkung der Baugenehmigung, die sich ausschließlich auf das konkrete Bauvorhaben und die konkrete Nutzung bezieht, nicht in Einklang bringen (vgl. HessVGH, U.v. 22.2.2018 – 4 A 1837/17 -; BayVGH, B.v. 26.9.2016 – 15 ZB 16.1365 -; Decker in Busse/Kraus a.a.O. Art. 68 Rn. 34). Dies gilt auch, wenn die neue Nutzung nur einen Teil des vorhandenen Gebäudes betrifft. Denn auch dann ist in einheitlicher Beurteilung der baulichen Anlage und der einem Teil derselben auszuübenden neuen Nutzung zu prüfen, ob dieses Vorhaben öffentliche Belange beeinträchtigt (vgl. BVerwG, B.v. 3.12.1990 – 4 B 145.90 -). Ob die neue Nutzung hinsichtlich der mit ihr verbundenen Beeinträchtigung des Außenbereichs tatsächlich hinter der der genehmigten Nutzung eines Zweifamilienhauses zurückbleibt, ist – worauf das Verwaltungsgericht zutreffend abstellt – nicht offensichtlich und bedarf im Hinblick auf die Funktionsänderung einer eingehenden Prüfung.

Die Ausführungen der Antragstellerin zu § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB führen ebenfalls nicht zum Erfolg, denn auch durch eine Nutzungsänderung ohne jede äußere Änderung des Baukörpers kann die Gefahr einer Splittersiedlung aufkommen (vgl. BVerwG, U.v. 19.4.2012 – 4 C 10.11 -). Das Verwaltungsgericht stellt insoweit zutreffend darauf ab, dass der Bestandsschutz des nicht privilegiert genehmigten Wohngebäudes dem nicht entgegensteht, denn es liegt eine Funktionsänderung vor, für die der von der Antragstellerin in Anspruch genommene Bestandsschutz nicht greift. Bei der Beurteilung des Vorhabens nach § 35 Abs. 2 BauGB kommt es – entgegen der Ansicht der Antragstellerin – nicht allein darauf an, dass irgendein nicht privilegiertes Vorhaben bestandsgeschützt ist. Vielmehr ist auch die genehmigte Funktion maßgebend, weshalb die öffentlichen Belange des § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB auch anhand der neuen Funktion zu prüfen sind. Ein Anspruch des Bauherrn auf Zulassung eines Bauvorhabens aus dem eigentumsrechtlichen Bestandsschutz außerhalb der einfachgesetzlichen Regelungen besteht gerade nicht (vgl. BVerwG, U.v. 14.4.2000 – 4 C 5.99 -). Zur Verfestigung einer Splittersiedlung trägt aber nicht nur die Errichtung eines zum Wohnen geeigneten Gebäudes bei, sondern auch die Änderung eines solchen Gebäudes (vgl. BVerwG, U.v. 14.4.2000, a.a.O.). Zu dem vom Verwaltungsgericht ebenfalls angeführten § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB verhält sich die Beschwerde nicht.

Die Nutzungsuntersagung vom 29. Februar 2024 ist voraussichtlich auch ermessensfehlerfrei. Sachfremde Erwägungen, eine Strafaktion oder ein kollusives Zusammenwirken von Landratsamt und Gemeinde sind nicht ersichtlich. Anhaltspunkte hierfür ergeben sich auch nicht aus den Akten. Unabhängig davon ist es Aufgabe der Bauaufsichtsbehörde, bei Kenntnis von Baurechtsverstößen, bauaufsichtlich einzuschreiten (vgl. Art. 54 Abs. 2, Art. 76 BayBO). Im Hinblick auf die o.g. Grundsätze ist auch kein widersprüchliches Verhalten der Bauaufsichtsbehörde festzustellen, wenn einerseits die nach Ansicht der Antragstellerin “extensiv genutzte Ein-Personen-Praxis” verlagert werden und andererseits “intensive Wohnnutzung” erfolgen soll. Denn dies entspricht einerseits dem rechtlichen (Prüfungs-)Maßstab und andererseits der Genehmigungssituation.

2. Die Beschwerde bleibt auch im vorläufigen Feststellungsantrag und dem hilfsweise hierzu gestellten Antrag, die aufschiebende Wirkung der hilfsweisen Klage gegen den Bescheid vom 12. Februar 2024 wiederherzustellen, erfolglos.

Das Verwaltungsgericht hat hierzu ausgeführt, dass hinsichtlich des Antrags auf vorläufige Feststellung der Unwirksamkeit des Bescheids vom 12. Februar 2024 das Rechtsschutzbedürfnis der Antragstellerin fehlt. Anhaltspunkte für die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung gem. § 123 Abs. 1 VwGO ergeben sich – worauf das Verwaltungsgericht zutreffend hingewiesen hat (BA S. 14) – im Hinblick auf die Erklärung des Landratsamts im Rahmen der Antragserwiderung vom 12. Juni 2024, aus dem Bescheid vom 12. Februar 2024 nicht zu vollstrecken, nicht. Hiermit setzt sich die Beschwerde nicht auseinander und legt keinen Anordnungsgrund dar (§ 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO). Die Frage, ob – wie die Antragstellerin anführt – zur Beseitigung eines möglichen Rechtsscheins eine entsprechende Feststellung in der Hauptsache begehrt werden kann, genügt nicht, ein Rechtsschutzbedürfnis für eine einstweilige Anordnung zu begründen. Dies gilt sinngemäß auch für den hierzu gestellten Hilfsantrag gem. § 80 Abs. 5 Satz 1, Abs. 2 Nr. 4 VwGO in Bezug auf den Bescheid vom 12. Februar 2024.

3. Unter Berücksichtigung der mangelnden Erfolgsaussichten in der Hauptsache, führt die Abwägung auch im Übrigen nicht zu einem Überwiegen des von der Antragstellerin geltend gemachten Suspensivinteresses.

Die von der Antragstellerin behauptete geringfügige Nutzung als Ein-Personen-Praxis, die hinter der genehmigten Wohnnutzung zurückbleibe, ist im Rahmen der Abwägung irrelevant, da dies bereits Teil der Tatbestandsprüfung des Art. 76 Satz 2 BayBO ist. Ein Eingriff in Art. 14 Abs. 1 und Art. 12 Abs. 1 GG ist nicht dargelegt. Art. 14 Abs. 1 GG schützt nur das Recht, Grundstücke im Rahmen der Gesetze bebauen zu können (vgl. BVerwG, U.v. 12.3.1998 – 4 C 10.97 -) und auch aus Art. 12 Abs. 1 GG dürfte kein Recht auf Ausübung bzw. Aufrechterhaltung einer baurechtlich illegalen Nutzung herzuleiten sein (vgl. BayVGH, B.v. 28.12.2016 – 15 CS 16.1774 -). Ein Eingriff in die allenfalls betroffene Möglichkeit der Berufsausübung ist hier durch hinreichende Gründe des Allgemeinwohls, wie z.B. der Gewährleistung baurechtmäßiger Zustände und der Vermeidung der Beeinträchtigung öffentlicher Belange, gerechtfertigt. Dass durch den Vollzug der Nutzungsuntersagung vollendete Tatsachen sowie unwiederbringliche Nachteile und Schäden geschaffen würden, ist nicht ersichtlich. Durch die Nutzungsuntersagung entsteht zwar ein wirtschaftlicher Schaden dadurch, dass die Antragstellerin für den Fall, dass die geplante Nutzung sich im Ergebnis als genehmigungsfähig erweisen sollte, die Praxis nicht in dem zum Wohnen genehmigten Gebäude betreiben kann. Diesen Schaden hätte die Antragstellerin im Hinblick auf die fehlende Beachtung des Genehmigungserfordernisses allerdings hinzunehmen. Auch unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 Abs. 1 GG wäre es eine nicht zu rechtfertigende Bevorzugung des gesetzesuntreuen Bürgers, wenn die Bauaufsichtsbehörde vor Erlass der Nutzungsuntersagungsverfügung die materielle Legalität der nicht genehmigten Nutzung unter Umständen in einem langwierigen Verfahren nachweisen müsste, während der gesetzestreue Bürger die Voraussetzungen für die Genehmigungsfähigkeit der beabsichtigten Nutzung im Genehmigungsverfahren selbst dartun und bis zur Entscheidung hierüber mit der Aufnahme der Nutzung warten muss (vgl. BayVGH, B.v. 29.2.2024 – 15 CS 24.168 -). Im Übrigen muss, wer eine formell illegale Nutzung aufnimmt, jederzeit damit rechnen, mit einem Nutzungsverbot belegt zu werden (vgl. BayVGH, B.v. 25.3.2024 – 1 CS 24.65 -).

OVG Saarland zu der Frage, dass welche Anforderungen das Gebot der Rücksichtnahme begründet, wesentlich von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls abhängt

OVG Saarland zu der Frage, dass welche Anforderungen das Gebot der Rücksichtnahme begründet, wesentlich von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls abhängt

vorgestellt von Thomas Ax

1. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Nachbarrechtsbehelfs gegen eine Baugenehmigung kommt nur in Betracht, wenn die notwendige überschlägige Kontrolle zumindest gewichtige Zweifel an der rechtlichen Unbedenklichkeit der Genehmigung gerade mit Blick auf die Position des konkreten Nachbarn ergibt.
2. Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung eines Vorhabens nach der Art der baulichen Nutzung einem der Baugebietstypen der BauNVO, so steht wie auch bei festgesetzten Baugebieten den Eigentümern von Grundstücken innerhalb des für die Anwendung des § 34 Abs. 2 BauGB maßgeblichen Gebiets ein Anspruch auf Erhaltung dieses Gebietscharakters zu, ohne dass es darauf ankäme, ob die gebietswidrige Nutzung den Nachbarn selbst unzumutbar beeinträchtigt oder nicht (sog. Gebietserhaltungsanspruch).
3. Welche Anforderungen das Gebot der Rücksichtnahme begründet, hängt wesentlich von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab. Eine Rechtsverletzung ist erst dann zu bejahen, wenn von dem Vorhaben eine unzumutbare Beeinträchtigung ausgeht.
OVG Saarland, Beschluss vom 02.10.2024 – 2 B 54/24

Gründe

I.

Die Antragsteller wenden sich gegen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung zur “Entwicklung einer Mehrgenerationen-Sporteinrichtung mit Multifunktionsspielfeld auf dem ehemaligen Sportplatz in ###” samt Ausnahme gemäß § 3 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO. Sie sind Eigentümer des mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks ###-Straße in ### (Flurstück-Nr. ### in Flur ### der Gemarkung ###). Der rückwärtige südliche Grundstücksbereich grenzt an das Vorhabengrundstück mit der Flurstück-Nr. ### an, das im Katasterplan als Sportplatz bezeichnet ist und im Süden durch den Bebauungsplan “###.”

begrenzt wird. Das Wohnhaus der Antragsteller ist in unmittelbarer Nähe des Vorhabengrundstücks errichtet. Beide Grundstücke liegen nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplans in der bebauten Ortslage von ###.

Am 8.2.2023 beantragte die Beigeladene eine Baugenehmigung im vereinfachten Genehmigungsverfahren für die Errichtung einer Sporteinrichtung mit Multifunktionsfeld. Am 14.6.2023 beantragte sie zudem die Erteilung einer Ausnahme gemäß § 68 Abs. 2 LBO i. V. m. § 3 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO.

Ausweislich des den Genehmigungsunterlagen beigefügten Erläuterungsberichts sei es der Beigeladenen ein großes Anliegen, für die jüngere Generation, aber auch für Familien und Senioren einen Raum im Freien anzubieten, wo man sich treffen und sportlich aktiv sein könne. Darüber hinaus solle der Ort eine Begegnungsstätte im Grenzgebiet zu Frankreich sein und Platz für Dorffeste etc. bieten. In den letzten Jahren seien auf dem nicht mehr genutzten Sportplatz (Fußballplatz) in ### ein Beach-Soccer- und ein Volleyballfeld sowie eine Boule-Bahn hergestellt worden. Eine Elterninitiative habe für ihre Kinder einen Pumptrack mit Erdhügeln errichtet. Zur weiteren Entwicklung des Geländes seien der Bau eines Multifunktionsspielfelds (30 m x 15 m) sowie die Herstellung einer Laufbahn mit Weitsprungbalken und eines Festplatzes geplant. Das Angebot auf dem ehemaligen Sportplatz werde durch eine Spiel- und Liegewiese sowie eine Fläche mit Senioren-Fitnessgeräten und Calisthenicsgeräten für die Jugend ergänzt. Die vorhandene Boule-Bahn solle um eine Bahn erweitert werden. In Verbindung mit einer Laube und Sitzmöglichkeiten werde dieser Bereich als Treffpunkt und Begegnungsstätte gestaltet. Das anschließende Sportheim biete darüber hinaus die Möglichkeit einer Gastronomie. Die vorhandene Randbepflanzung aus Baum- und Strauchgehölzen werde durch die Pflanzung von Laubholz-Hochstämmen zur Einbindung, Akzentuierung und Beschattung ergänzt. Das Spielfeld werde mit einem Ballfangzaun aus Stabgitter und einer Höhe von ca. 5 m einschließlich eines Doppelflügeltors ausgestattet.

Zur Begründung des Antrags auf Erteilung einer Ausnahme wurde ausgeführt, dass gemäß § 3 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO den Bedürfnissen der Bewohner des Gebiets dienende Anlagen für sportliche Zwecke ausnahmsweise zugelassen werden könnten. Bei der vorgesehenen Nutzung seien keine störenden Beeinträchtigungen zu erwarten. Die Geräuscheinwirkungen durch das geplante Multifunktionsspielfeld und die weiteren geplanten Anlagen seien in Anlehnung an die Immissionsrichtwerte der Achtzehnten Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Sportanlagenlärmschutzverordnung – 18. BImSchV -) vom 18.7.1991 (BGBl. I S. 1588, 1790), zuletzt geändert durch Art. 1 der Verordnung vom 8.10.2021 (BGBl. I S. 4644), mit Einschränkung der Nutzungszeiten als schalltechnisch verträglich einzustufen.

Aufgrund der räumlichen Nähe zu bereits vorhandener Wohnbebauung wurde im Verwaltungsverfahren ein schalltechnisches Gutachten der ### vom 24.4.2023 vorgelegt, in dem “die Geräuscheinwirkungen der in der Planung vorgesehenen Sportanlagen (Multifunktionsspielfeld, Beach-Volleyballfeld, Laufbahn mit Sprunggrube, Pumptrackanlage, Bereich für die Fitnessgeräte und die Calisthenicsgeräte) nach der 18. BImSchV” (vgl. S. 5 des schalltechnischen Gutachtens vom 24.4.2023 – Bl. 21 der Verwaltungsakte) beurteilt wurden. Nach dem Ergebnis des Gutachtens seien diese überwiegend als schalltechnisch verträglich einzustufen (vgl. S. 14 des schalltechnischen Gutachtens vom 24.4.2023 – Bl. 30 der Verwaltungsakte):

“Einzig in der Ruhezeit am Morgen (06.00-08.00 Uhr werktags und 07.00-09.00 Uhr sonntags) werden Überschreitungen der Immissionsrichtwerte um 5 dB ermittelt, sofern alle Sportanlagen zeitgleich in einer hohen Intensität genutzt werden. Ebenso muss die Nutzung der Sportanlage im Nachtzeitraum zwischen 22.00 und 06.00 Uhr werktags bzw. 22.00 und 07.00 Uhr sonntags ausgeschlossen werden.”

Hinsichtlich des Grundstücks der Antragsteller wurde dabei “[a]ufgrund der vorhandenen Gebäudestruktur” (vgl. S. 8 des schalltechnischen Gutachtens vom 24.4.2023 – Bl. 24 der Verwaltungsakte) die Schutzwürdigkeit eines allgemeinen Wohngebiets (WA) zur Beurteilung herangezogen.

Mit – am 6.6.2023 eingegangenem – Schreiben vom 1.6.2023 teilte das Landesamt für Umwelt- und Arbeitsschutz (LUA) dem Antragsgegner mit, dass gegen die Ausführung des Bauvorhabens keine grundsätzlichen Bedenken bestünden. Es werde jedoch gebeten, die anliegenden Forderungen als zusätzliche Auflagen dem Bauschein beizufügen:

“Auflagen des Lärmschutzes

1. Der Betreiber der Sportanlage hat dafür Sorge zu tragen, dass eine Nutzung der Anlage an Werktagen in der Zeit von 06.00 Uhr – 07.00 Uhr und an Sonntagen in der Zeit von 06.00 Uhr – 09.00 Uhr nicht erfolgt. Ebenso ist eine Nutzung der Anlage zur Nachtzeit der TA Lärm (22.00 Uhr – 06.00 Uhr) nicht zulässig.

2. Der Fangzaun des Multifunktionsspielfeldes ist schalltechnisch optimiert auszuführen. Das bedeutet, dass durch Dämpfungspuffer am Fangzaun die Übertragung von Körperschall auf angrenzende Gitterelemente weitestgehend vermieden wird.

3. Bei den Bauarbeiten sind die Bestimmungen der ,Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Schutz gegen Baulärm – Geräuschimmissionen -‘ (B.Anz.Nr.160 v. Aug.1970) zu beachten.

4. Zur Vermeidung von schädlichen Umwelteinwirkungen durch Baulärm sind entsprechend dem Stand der Lärmminderungstechnik geräuscharme Bauverfahren anzuwenden bzw. geräuscharme Baumaschinen einzusetzen.

5. Beim Vorliegen von Nachbarschaftsbeschwerden wegen Lärm durch den Betrieb der Sportanlage ist durch eine Messung einer nach § 29b Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG) bekanntgegebenen Stelle der Nachweis zu erbringen, dass die im Anhang B des vom Büro ### erstellten Gutachtens mit der Berichtsnummer ### ermittelten Beurteilungspegel eingehalten werden.”

Mit Bauschein vom 22.6.2023 erteilte der Antragsgegner dem Beigeladenen die begehrte Baugenehmigung für die “Entwicklung einer Mehrgenerationen-Sporteinrichtung mit Multifunktionsspielfeld auf dem ehemaligen Sportplatz in ###” im vereinfachten Genehmigungsverfahren (vgl. Bl. 91 ff. der Verwaltungsakte). Genehmigungsbestandteil ist u. a. die benannte Stellungnahme des LUA vom 1.6.2023, auf dessen Auflagen – für den Fall berechtigter Nachbarschaftsbeschwerden – unter der Überschrift “Auflagen zum Bauschein” ausdrücklich Bezug genommen wurde. Mit Bescheid vom 22.6.2023 ließ der Antragsgegner zudem die beantragte Ausnahme nach § 3 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO zu (vgl. Bl. 90 der Verwaltungsakte). Eine Zustellung der Bescheide an die Antragsteller erfolgte nicht.

Mit Schreiben vom 9.11.2023 legten die Antragsteller gegen die Baugenehmigung vom 22.6.2023 Widerspruch ein und beantragten die sofortige Aussetzung der Vollziehung. Mit Schreiben vom 13.2.2024 erhoben sie Widerspruch gegen die der Beigeladenen gemäß Bescheid vom 22.6.2023 erteilte Ausnahme.

Am 14.11.2023 beantragten die Antragsteller beim Verwaltungsgericht einstweiligen Rechtsschutz. Zur Begründung machten sie unter Darlegung im Einzelnen geltend, es sei davon auszugehen, dass das genehmigte Multifunktionsfeld aufgrund der Gegebenheiten des Einzelfalls unter Beachtung des § 22 Abs. 1 BImSchG zu für sie unzumutbaren Lärmbelästigungen führen werde und daher gegen das drittschützende Gebot der Rücksichtnahme verstoße. Es werde praktisch ein ganzer Freizeitpark genehmigt; so ziele die gesamte Konzeption offenkundig nicht allein darauf ab, die sportlichen Bedürfnisse der Bewohner des Gebiets zu decken, sondern gehe weit darüber hinaus. Es solle ein Treffpunkt für die gesamte Region geschaffen werden. Das schalltechnische Gutachten vom 24.4.2023 lege lebensfremde Annahmen bei der Bestimmung des zu erwartenden Lärmpegels zugrunde. Auch beurteile sich die Schutzwürdigkeit ihres Grundstücks nicht anhand der für ein allgemeines, sondern anhand der für ein reines Wohngebiet maßgeblichen Immissionsrichtwerte. Antragsgegner und Beigeladene traten dem – unter Berufung auf das Ergebnis des schalltechnischen Gutachtens und die in der Baugenehmigung enthaltenen Auflagen zum Lärmschutz – entgegen.

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag der Antragsteller im März 2024 zurückgewiesen. In der Begründung heißt es u. a., eine Verletzung öffentlich-rechtlich geschützter Nachbarrechte der Antragsteller durch die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung samt Ausnahme sei bei summarischer Prüfung mit der erforderlichen “überwiegenden Wahrscheinlichkeit” nicht zu erkennen. Die Baugenehmigung sei hinreichend bestimmt im Sinne des § 37 Abs. 1 SVwVfG. Im Übrigen sei auf die sich aus § 34 BauGB ergebenden Anforderungen abzustellen, da das Vorhabengrundstück – ebenso wie das Grundstück der Antragsteller – in einem Teil der Ortslage von ### liege, für den kein Bebauungsplan bestehe. Nach den übereinstimmenden Angaben der Beteiligten handele es sich bei der näheren Umgebung wohl um ein faktisches reines Wohngebiet im Sinne des § 34 Abs. 2 BauGB i. V. m. § 3 BauNVO. Nachbarschutz vermittele § 34 BauGB zunächst hinsichtlich des Gebots, dass sich das Vorhaben nach der Art der baulichen Nutzung in die Umgebungsbebauung einfügen müsse. Der Gebietswahrungsanspruch der Antragsteller könne nur verletzt sein, wenn die Voraussetzungen für eine ausnahmsweise Zulässigkeit des Bauvorhabens seiner Art nach nicht vorlägen. Nach § 3 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO könnten in reinen Wohngebieten ausnahmsweise Anlagen für kirchliche, kulturelle, gesundheitliche und sportliche Zwecke zugelassen werden, wenn sie den Bedürfnissen der Bewohner des Gebiets dienten. Da die Bedürfnisklausel eine fußläufig erreichbare Infrastrukturausstattung bei gleichzeitiger Gewährleistung der gebietstypischen Wohnruhe ermöglichen solle, seien die vier genannten Nutzungsarten im Wesentlichen auf die Befriedigung der innergebietlichen Nachfrage beschränkt. Eine Anlage für sportliche Zwecke könne zugelassen werden, wenn sie nach Zweckbestimmung, Umfang und Ausstattung geeignet sei, in erheblichem Umfang den Bedürfnissen der Bewohner des Gebiets zu dienen. Eine “überschießende” Bedürfnisbefriedigung für andere Baugebiete sei in den Grenzen der Gebietsverträglichkeit grundsätzlich zulässig. Die in § 3 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO genannten Anlagen dürften auch von Gebietsfremden genutzt werden. Der – je nach den Besonderheiten eines konkreten Gebiets mehr oder weniger – kleine Einzugsbereich setze zudem der Art der Anlagen Grenzen, die auf Grund dieser Klausel überhaupt für eine Zulassung in Betracht kämen. Diejenigen Anlagen, die nach ihrer Zweckbestimmung auf einen vorwiegend übergebietlichen Nutzerkreis zielten, fielen nicht in den Anwendungsbereich des § 3 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO. In reinen Wohngebieten kämen danach nur gebietsverträgliche, kleine Anlagen in Betracht. Sportanlagen, die einem innergebietlichen Bedürfnis nach eigener Sportausübung auf dem “Sportplatz um die Ecke” dienten, seien nur in sehr engen Grenzen als gebietsverträglich im reinen Wohngebiet vorstellbar. Der Einzugsbereich solcher Anlagen sei schon wegen der Bedürfnisklausel ziemlich klein, so dass sowohl der Größe der Sportanlage als auch den möglichen Sportarten enge Grenzen gesetzt seien. Mit dem Gebietscharakter könnten am ehesten kleine Sportanlagen vereinbar sein, wenn die Ausübung des Sports in einem Gebäude stattfinde und die Nutzung keinen nennenswerten An- und Abfahrtverkehr erzeuge. Sportanlagen im Freien seien nicht grundsätzlich unzulässig, z. B. Tischtennisplatten, ein kleiner Bolzplatz, ein kleines Handball- oder Basketballfeld oder eine Tennisanlage mit einem oder zwei Spielfeldern. Seien solche Anlagen für sportliche Zwecke nicht weit genug von Wohngebäuden entfernt oder wirksam von störanfälliger Wohnbebauung abgeschirmt, könnten die typischen, mit der Sportausübung verbundenen Begleiterscheinungen unzumutbare Belästigungen und Störungen verursachen (insbesondere Schlag- bzw. Aufprallgeräusche, Ballfangvorrichtungen). Fallbezogen müsse berücksichtigt werden, dass das Grundstück der Antragsteller durch den angrenzenden Sportplatz (ehemaliger Fußballplatz) mit Vereinshaus entsprechend negativ vorgeprägt sei. Dass das Vorhabengrundstück aufgrund einer vollständigen Nutzungsaufgabe nicht mehr als Sportplatz geprägt sei, könne nicht festgestellt werden. So seien auf dem Vorhabengrundstück bereits ein Beach-Volleyballfeld, eine Boule-Bahn sowie ein Pump-Track für Kinder errichtet worden. Prägend für die Mehrgenerationen-Sporteinrichtung sei das Multifunktionsspielfeld mit einer Fläche von 30 x 15 m, welches einen Abstand von ca. 30-35 m zum Grundstück der Antragsteller aufweise. Zusätzlich zu den vorhandenen Anlagen und dem Multifunktionsspielfeld seien eine weitere Boule-Bahn, eine Laufbahn mit Weitsprungbalken sowie Senioren-Fitnessgeräte und Calisthenicsgeräte geplant. Seien in der Rechtsprechung bereits ein kleiner Bolzplatz, ein kleines Handball- oder Basketballfeld oder eine Tennisanlage mit einem oder zwei Spielfeldern als in einem reinen Wohngebiet zulässig erachtet worden, so sei das hier streitgegenständliche Multifunktionsspielfeld mit einer solchen Anlage vergleichbar. Ein kleiner Bolzplatz weise schätzungsweise eine Größe von 15-25 m x 30-70 m auf. Ein Tennisplatz habe die Maße 23,77 m x 10,97 m. Hinzu komme eine Auslaufzone von mindestens 6,40 m. Unter Berücksichtigung der weiter geplanten und bereits vorhandenen Sportanlagen sowie der Vorprägung des Vorhabengrundstücks sei die geplante Mehrgenerationen-Sporteinrichtung – soweit die Vorgaben des Lärmschutzes eingehalten würden – noch in einem reinen Wohngebiet zulässig. Die Kammer sei insoweit der Auffassung, dass die Sporteinrichtungen den Bedürfnissen der Bewohner des Gebiets dienten. Das Vorhabengrundstück sei umgeben von Wohnbebauung. Nach Zweckbestimmung der Mehrgenerationen-Sporteinrichtung, Umfang und Ausstattung sei diese geeignet, den Bedürfnissen der unterschiedlichen Bewohner des Gebiets (Kinder, Jugendliche, Erwachsene und Senioren) durch die unterschiedlichen Sportanlagen zu dienen. Es werde jedoch darauf hingewiesen, dass eine “überschießende” Bedürfnisbefriedigung für andere Baugebiete nicht Überhand nehmen dürfe. Vor diesem Hintergrund sehe die Kammer die Ausführungen im Erläuterungsbericht, es solle eine Begegnungsstätte im Grenzgebiet zu Frankreich geschaffen werden, kritisch. Dass das zur Genehmigung gestellte Vorhaben dementsprechend genutzt werden solle, ergebe sich hingegen nicht maßgeblich aus der Baugenehmigung. Eine Verletzung des Gebietserhaltungsanspruchs scheide demnach nach der im Eilverfahren allein möglichen summarischen Prüfung aus. Auch eine Verletzung des Drittschutz vermittelnden Gebots der Rücksichtnahme könne nicht festgestellt werden. Das Vorhaben sei nicht wegen seiner Umweltauswirkungen auf das Nachbargrundstück “unzumutbar” und damit rücksichtslos. Eine Verletzung ergebe sich – nach summarischer Prüfung – nicht aus den seitens der Antragsteller geltend gemachten Lärmimmissionen. Das zumutbare Maß an Lärmimmissionen sei in Anknüpfung an die in § 2 Abs. 2 der 18. BImSchV festgelegten Richtwerte zu bestimmen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts könnten im Falle eines baurechtlich zulässigen Nebeneinanders von Wohnen und Sportanlagen faktische Vorbelastungen dazu führen, dass dem Schutz des Wohnens ein geringerer Stellenwert zukomme und Beeinträchtigungen in einem weitergehenden Maß zumutbar seien, als sie sonst in dem betreffenden Wohngebiet hinzunehmen wären. Auf dieser Grundlage seien Antragsgegner und Beigeladene davon ausgegangen, dass das Grundstück der Antragsteller weniger schutzbedürftig sei und somit nicht die Immissionsrichtwerte für ein reines Wohngebiet, sondern für ein allgemeines Wohngebiet nach § 2 Abs. 2 Nr. 3 der 18. BImSchV einschlägig seien. Das Grundstück der Antragsteller liege am Rand der Wohnbebauung hin zum Außenbereich und nicht inmitten des faktischen reinen Wohngebiets. Zudem grenze es unmittelbar an das Vorhabengrundstück, das früher als Sport- bzw. Fußballplatz gedient habe. Die Antragsteller seien in ihrem Vertrauen darauf eingeschränkt, dass die Immissionssituation unverändert bleiben und es nicht im Lauf der Zeit zu stärkeren Belastungen kommen würde. Ausweislich des schalltechnischen Gutachtens würden die maßgeblichen Immissionsrichtwerte außer für die Zeiträume werktags 6.00 Uhr bis 8.00 Uhr und an Sonntagen in der Zeit von 6.00 Uhr bis 9.00 Uhr sowie zur Nachtzeit eingehalten. Dem werde durch die in der Baugenehmigung enthaltenen Auflagen des LUA Rechnung getragen. Die von den Antragstellern gegen das schalltechnische Gutachten vorgetragenen Bedenken griffen nicht durch. Soweit die Antragsteller rügten, dieses lege in Bezug auf die Kommunikationsgeräusche lebensfremde Annahmen bei der Bestimmung des zu erwartenden Lärmpegels zugrunde, weil neben den Anlagennutzern keine weiteren Personen wie Zuschauer, Wartende etc. berücksichtigt würden, könne nicht festgestellt werden, dass hinsichtlich der aus den verschiedenen Lärmquellen zu erwartenden Lärmereignisse von einem für den Gegenstand der Bauleitplanung ergebnisrelevant unrealistischen Szenario ausgegangen worden sei, was Art, Umfang und Dauer der jeweils zu erwartenden Lärmereignisse angehe. Zu berücksichtigen sei, dass ein konkreter Mittelwert von Benutzern bzw. Besuchern sich im Vorfeld schwer vorhersagen lasse. Diese Unsicherheit werde durch den konservativen Ansatz im schalltechnischen Gutachten dergestalt ausgeglichen, dass eine dauerhafte Nutzung aller Sportarten über den gesamten Tageszeitraum unterstellt werde. Maßgebliche Lärmquelle für das Grundstück der Antragsteller sei insoweit das Multifunktionsfeld mit einer Belastung von 51 dB(A). Insgesamt sei die Belastung des Grundstücks der Antragsteller mit 52 dB(A) angegeben. Dass die aus ihrer Sicht fehlende Berücksichtigung von Zuschauergeräuschen etc. dazu führe, dass für die genehmigten Zeiträume der zulässige Wert von 55 dB(A) überschritten werde, trügen die Antragsteller nicht substantiiert vor. Eine Unzumutbarkeit des Multifunktionsspielfeldes im Verhältnis zu den Antragstellern könne aktuell nicht festgestellt werden. Das Feld befinde sich ca. 30-35 m von der Grundstücksgrenze der Antragsteller entfernt. Diese wiesen zwar zutreffend darauf hin, dass das Multifunktionsfeld aufgrund seiner Konstruktion – d. h. insbesondere aufgrund der vorgesehenen Umrandung – hinsichtlich der davon ausgehenden Lärmemissionen nicht mit einem Spielplatz oder einem “normalen” Bolzplatz vergleichbar sei. Hinzu kämen Lärmimmissionen durch Zurufe sowie sonstige Lautäußerungen der Spieler. Im schalltechnischen Gutachten werde jedoch festgehalten, dass das Feld mit einem schalltechnisch optimierten Fangzaun aus Metall umringt werden solle, sodass die Übertragung von Körperschall auf angrenzende Gitterelemente durch die verwendeten Dämpfungspuffer weitestgehend vermieden werde. Beim Auftreffen des Fußballs auf den Zaun träten nur dumpfe Aufprallgeräusche auf und keine klappernden oder scheppernden metallischen Geräusche der Zaunelemente. Dem entspreche die beauflagte schalltechnische Optimierung des Fangzauns. Auch eine Verletzung sonstiger öffentlich-rechtlicher und dem Schutz der Antragsteller dienender Vorschriften sei nicht ersichtlich.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die am 28.3.2024 eingelegte und am 18.4.2024 begründete Beschwerde der Antragsteller.

II.

Die gemäß § 146 VwGO statthafte Beschwerde der Antragsteller gegen den ihrem Prozessbevollmächtigten am 18.3.2024 zugestellten Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 12.3.2024 – 5 L 1908/23 -, mit dem ihr Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 22.6.2023 zur “Entwicklung einer Mehrgenerationen-Sporteinrichtung mit Multifunktionsspielfeld auf dem ehemaligen Sportplatz in ###” sowie ihres Widerspruchs gegen den “Bescheid über Ausnahmen § 3 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO” vom 22.6.2023 zurückgewiesen wurde, muss ohne Erfolg bleiben. Das Verwaltungsgericht hat dem Antrag auch unter Berücksichtigung des den Prüfungsumfang des Rechtsmittelgerichts begrenzenden Beschwerdevorbringens (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) zu Recht nicht entsprochen.

Die allgemein für derartige Nachbarrechtsbehelfsverfahren nach den §§ 80a Abs. 3, 80 Abs. 5 VwGO geltenden Maßstäbe hat das Verwaltungsgericht in der erstinstanzlichen Entscheidung zutreffend dargelegt. Danach setzt der Erfolg eines solchen Aussetzungsbegehrens über eine Feststellung der objektiven Rechtswidrigkeit, die keinen Grund darstellt, dem Nachbarinteresse an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung den Vorrang einzuräumen, hinaus das (voraussichtliche) Vorliegen einer für den Erfolg jedes Nachbarrechtsbehelfs notwendigen Verletzung einer auch dem Schutz des jeweiligen Rechtsbehelfsführers dienenden Vorschrift des materiellen öffentlichen Rechts voraus (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO analog). Eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Nachbarrechtsbehelfs gegen eine Baugenehmigung kommt nur in Betracht, wenn die notwendig “überschlägige” Kontrolle zumindest gewichtige Zweifel an der rechtlichen Unbedenklichkeit der Genehmigung gerade mit Blick auf die Position des konkreten Nachbarn ergibt (vgl. dazu etwa Beschluss des Senats vom 3.11.2023 – 2 B 127/23 -, m. w. N., ständige Rechtsprechung). Dass dies hier nicht der Fall ist, hat das Verwaltungsgericht im Ergebnis zutreffend festgestellt. Das Vorbringen in der Beschwerdebegründung rechtfertigt keine abweichende Beurteilung.

1. Die Antragsteller können zunächst nicht mit Erfolg geltend machen, ihr Gebietserhaltungsanspruch sei – durch die angefochtene Baugenehmigung und die der Beigeladenen erteilte Ausnahme – verletzt, “da die ausnahmsweise Zulässigkeit des streitgegenständlichen Bauvorhabens seiner Art nach im faktischen reinen Wohngebiet nicht gegeben” sei.

Ein solcher Gebietserhaltungsanspruch hinsichtlich eines faktischen reinen Wohngebiets (§ 3 BauNVO) auf der Grundlage von § 34 Abs. 2 BauGB besteht vorliegend nicht.

Gemäß § 34 Abs. 2 BauGB beurteilt sich, sofern im – wie hier – unbeplanten Innenbereich die Eigenart der näheren Umgebung einem der in der BauNVO bezeichneten Baugebiete entspricht, die Zulässigkeit eines Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre. Auf nach der BauNVO ausnahmsweise zulässige Vorhaben ist § 31 Abs. 1 BauGB, im Übrigen § 31 Abs. 2 BauGB entsprechend anzuwenden.

Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung eines Vorhabens nach der Art der baulichen Nutzung einem der Baugebietstypen der BauNVO, so steht – wie auch bei festgesetzten Baugebieten – den Eigentümern von Grundstücken innerhalb des für die Anwendung des § 34 Abs. 2 BauGB maßgeblichen Gebiets ein Anspruch auf Erhaltung dieses Gebietscharakters zu, ohne dass es darauf ankäme, ob die gebietswidrige Nutzung den Nachbarn selbst unzumutbar beeinträchtigt oder nicht. Dieser bauplanungsrechtliche Nachbarschutz beruht auf dem Gedanken des wechselseitigen Austauschverhältnisses. Im Rahmen des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses kann so das Eindringen einer gebietsfremden Nutzung und damit die schleichende Umwandlung des (faktischen) Baugebiets unabhängig von einer konkreten Beeinträchtigung verhindert werden (vgl. BVerwG, Urteile vom 16.9.1993 – 4 C 28/91 -, und vom 29.3.2022 – 4 C 6/20 -, sowie Beschluss vom 4.11.2022 – 4 BN 31/22 -).

Der die nähere Umgebung im Sinne des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB bildende Bereich reicht so weit, wie sich die Ausführung des zur Genehmigung gestellten Vorhabens auswirken kann und wie die Umgebung ihrerseits den bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstücks prägt oder doch beeinflusst, wobei auf das abzustellen ist, was in der Umgebung tatsächlich vorhanden ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 22.10.2020 – 4 B 18/20 -, m. w. N.). Die Grenzen der näheren Umgebung im Sinn des § 34 BauGB lassen sich nicht schematisch festlegen, sondern sind nach der tatsächlichen städtebaulichen Situation zu bestimmen, in die das für die Bebauung vorgesehene Grundstück eingebettet ist. Diese kann so beschaffen sein, dass die Grenze zwischen näherer und fernerer Umgebung dort zu ziehen ist, wo zwei jeweils einheitlich geprägte Bebauungskomplexe mit voneinander verschiedenen Bau- und Nutzungsstrukturen aneinanderstoßen. Der Grenzverlauf der näheren Umgebung ist nicht davon abhängig, dass die unterschiedliche Bebauung durch eine künstliche oder natürliche Trennlinie (Straße, Schienenstrang, Gewässerlauf, Geländekante etc.) entkoppelt ist. Eine Grundstücksgrenze kann auch ohne weitere trennende Elemente die Grenze zwischen zwei faktischen Baugebieten im Sinn von § 34 Abs. 2 BauGB bilden. Voraussetzung ist, dass dort – auch äußerlich erkennbar – zwei in sich homogene, aber voneinander in der Nutzungsstruktur klar abgegrenzte Bebauungszusammenhänge aufeinandertreffen (vgl. BayVGH, Beschluss vom 18.7.2024 – 1 ZB 24.758 -, m. w. N.). Bei der erforderlichen wertenden und bewertenden Betrachtung der konkreten tatsächlichen Verhältnisse kann nach dem Sachzusammenhang nur an äußerlich erkennbare, also mit dem Auge wahrnehmbare Gegebenheiten der vorhandenen Bebauung und der übrigen Geländeverhältnisse angeknüpft werden. Hierzu kommt auch die Heranziehung von Lageplänen, die ein Bild “von oben” vermitteln, in Betracht. Eine wechselseitige Beeinflussung kann dabei auch über ein den optischen Zusammenhang unterbrechendes Hindernis hinweg noch zu bejahen sein; ob eine derartige Beeinflussung trotz einer vom Standpunkt eines stehenden Menschen nicht überwindbaren optischen Trennung vorliegt, ist eine Frage des konkreten Einzelfalls (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 4.10.2023 – 1 A 10514/23.OVG -, m. w. N.).

Nach diesen Kriterien und summarischer Prüfung – unter Auswertung der vorgelegten Verwaltungsunterlagen samt Lageplänen – dürfte die nähere Umgebung des Vorhabengrundstücks für die Art der baulichen Nutzung derart abzugrenzen sein, dass sie jedenfalls den Baublock umfasst, der durch den Bebauungsplan “###” im Süden, die ### im Osten, die ### (einschließlich des Grundstücks der Antragsteller) im Norden und das Flurstück-Nr. ### im Westen abgegrenzt wird.

Nach summarischer Prüfung entspricht die Art des derart umgrenzten Gebiets faktisch nicht einem reinen (§ 3 BauNVO), sondern einem – (nur) vorwiegend dem Wohnen dienenden – allgemeinen Wohngebiet im Sinne des § 4 BauNVO. Das Gebiet ist nicht nur durch Wohngebäude geprägt, sondern auch durch den ehemaligen Sportplatz (bzw. Fußballplatz) samt (auf dem Flurstück-Nr. ### gelegenem) Sportheim. Dieser wäre – als Anlage für sportliche Zwecke – in einem reinen Wohngebiet regelmäßig auch nicht ausnahmsweise zulässig (gewesen), weil er nicht “den Bedürfnissen der Bewohner des Gebiets dien[t]” (vgl. § 3 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO): Zum einen ist dessen Nutzung an die Vereinsmitgliedschaft gebunden und damit enger gefasst, zum anderen beschränkt sie sich nicht auf die Bewohner des Gebiets, sondern spricht alle Vereinsmitglieder an (vgl. Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger/Stock, BauGB, 154. EL April 2024, § 3 BauNVO Rn. 83c m. w. N., und BeckOK BauNVO/Hornmann, 38. Ed. (Stand: 15.7.2024), § 3 BauNVO Rn. 195). Insofern kann das Gebiet nicht mehr als reines Wohngebiet angesehen werden.

In dem faktischen allgemeinen Wohngebiet ist das Bauvorhaben der Beigeladenen – als (unbestritten) Anlage für sportliche Zwecke – gemäß § 34 Abs. 2 BauGB i. V. m. § 4 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO allgemein zulässig (vgl. zum Begriff “Anlagen für sportliche Zwecke” nur Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger/Stock, BauGB, 154. EL April 2024, § 4 BauNVO Rn. 103 mit zahlreichen Beispielen), so dass es einer Ausnahme gemäß § 3 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO nicht bedurft hätte. Die diesbezüglichen Einwände der Antragsteller im Beschwerdeverfahren sind insofern ohne Belang. Vielmehr ist das Vorhaben “Entwicklung einer Mehrgenerationen-Sporteinrichtung mit Multifunktionsspielfeld” im genehmigten Umfang mit dem Gebietscharakter eines allgemeinen Wohngebiets vereinbar – wobei das Verwaltungsgericht bereits zutreffend darauf hingewiesen hat, dass die im im Verwaltungsverfahren vorgelegten Erläuterungsbericht benannte Intention, der “Ort [solle] eine Begegnungsstätte im Grenzgebiet zu Frankreich sein und Platz für Dorffeste etc. bieten”, in der der Beigeladenen erteilten Baugenehmigung keine Stütze findet (vgl. hierzu S. 16 und 20 des erstinstanzlichen Beschlusses vom 12.3.2024 – 5 L 1908/23 -). Insoweit hat auch der Antragsgegner mit Schriftsatz vom 23.4.2024 bekräftigt, dass das genehmigte Vorhaben nicht auf einen überregionalen Benutzerkreis abziele, auch wenn es einen breiteren Nutzerkreis haben möge als ein Kinderspielplatz oder ein Volleyballfeld. Vor diesem Hintergrund ist eine Verletzung des Gebietserhaltungsanspruchs der Antragsteller nicht ersichtlich.

2. Ein Abwehranspruch lässt sich auch nicht aus dem Gebot der Rücksichtnahme begründen. Diesbezüglich machen die Antragsteller geltend, die Voraussetzungen für die im schalltechnischen Gutachten vom 24.4.2023 vorgenommene Absenkung des Schutzniveaus ihres Grundstücks lägen nicht vor. Es seien nicht die für ein allgemeines, sondern die für ein reines Wohngebiet geltenden Immissionsrichtwerte zugrunde zu legen. Dann wäre das ihnen zumutbare Maß hinzunehmender Lärmimmissionen überschritten.

Inhaltlich zielt das Gebot der Rücksichtnahme darauf ab, Spannungen und Störungen, die durch unverträgliche Grundstücksnutzungen entstehen, möglichst zu vermeiden. Welche Anforderungen das Gebot der Rücksichtnahme begründet, hängt wesentlich von den jeweiligen Umständen des Einzelfalles ab. Für eine sachgerechte Bewertung des Einzelfalles kommt es wesentlich auf eine Abwägung zwischen dem, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zumutbar ist, an. Bedeutsam ist ferner, inwieweit derjenige, der sich gegen das Vorhaben wendet, eine rechtlich geschützte wehrfähige Position innehat. Eine Rechtsverletzung ist erst dann zu bejahen, wenn von dem Vorhaben eine unzumutbare Beeinträchtigung ausgeht (vgl. BayVGH, Beschluss vom 27.6.2024 – 2 BV 22.501 -, m. w. N.). Eine unzumutbare Beeinträchtigung des Nachbargrundstücks durch das Bauvorhaben ist nicht zu erwarten. Entgegen der Ansicht der Antragsteller ist die Zugrundelegung der für ein allgemeines Wohngebiet geltenden Immissionsrichtwerte im schalltechnischen Gutachten vom 24.4.2023 schon deshalb nicht zu beanstanden, weil es sich vorliegend – wie dargelegt – faktisch um ein solches handelt. Dass – nach den zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts (vgl. hierzu S. 24 ff. des erstinstanzlichen Beschlusses vom 12.3.2024 – 5 L 1908/23 -) – diese Richtwerte nach dem Ergebnis des Gutachtens unter Berücksichtigung der auf die Stellungnahme des LUA vom 1.6.2023 zurückgehenden Lärmschutzauflagen eingehalten werden, stellen die Antragsteller im hiesigen Beschwerdeverfahren nicht substantiiert in Frage. Soweit diese auf S. 7 ihres Schriftsatzes vom 18.4.2024 pauschal anführen, das Gutachten leide unter “all seiner zu beanstandenden, teilweise lebensfremden Annahmen”, genügt ihr Vorbringen schon nicht den Darlegungserfordernissen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO. Insgesamt erweist sich das Bauvorhaben daher nicht als rücksichtslos gegenüber den Antragstellern.

VG Münster zu der Frage, des Lärms, der von einer Schulsportanlage ausgehen darf

VG Münster zu der Frage, des Lärms, der von einer Schulsportanlage ausgehen darf

vorgestellt von Thomas Ax

1. Die Unzumutbarkeit von Immissionen (Lärm, Gerüche, Licht etc.) im Sinne des bauplanungsrechtlichen Rücksichtnahmegebots knüpft an den Begriff der schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne von § 3 Abs. 1 BImSchG an. Es gibt kein baurechtliches Rücksichtnahmegebot, das etwa dem Verursacher von Umwelteinwirkungen mehr an Rücksichtnahme zugunsten von Nachbarn gebieten würde, als es das Bundes-Immissionsschutzgesetz gebietet. Dieses Gesetz hat vielmehr die Grenze der Zumutbarkeit von Umwelteinwirkungen für Nachbarn und damit das Maß der gebotenen Rücksichtnahme mit Wirkung auch für das Baurecht allgemein bestimmt.
2. Unter welchen Voraussetzungen gemessen am Empfinden eines verständigen Durchschnittsmenschen von schädlichen Umwelteinwirkungen auszugehen ist, wird durch die entsprechenden Verordnungen zum BImSchG näher konkretisiert, hinsichtlich von Lärmimmissionen durch Sportanlagen insbesondere durch die Bestimmungen der Sportanlagenlärmschutzverordnung (18. BImSchV).
3. Als normkonkretisierender Verwaltungsvorschrift kommt ihr, soweit sie für Geräusche den unbestimmten Rechtsbegriff der schädlichen Umwelteinwirkungen konkretisiert, eine im gerichtlichen Verfahren zu beachtende Bindungswirkung zu. Die normative Konkretisierung des gesetzlichen Maßstabs für die Schädlichkeit von Geräuschen ist jedenfalls insoweit abschließend, als sie bestimmte Gebietsarten und Tageszeiten entsprechend ihrer Schutzbedürftigkeit bestimmten Immissionsrichtwerten zuordnet und – auch durch Verweise auf andere Technische Regelwerke – das Verfahren der Ermittlung und Beurteilung der Geräuschimmissionen vorschreibt.
4. Für eine einzelfallbezogene Beurteilung der Schädlichkeitsgrenze aufgrund tatrichterlicher Würdigung lässt das normkonkretisierende Regelungskonzept der Sportanlagenlärmschutzverordnung nur insoweit Raum, als es insbesondere durch Kann-Vorschriften und Bewertungsspannen Spielräume eröffnet.
5. Sind die Verordnungen zum BImSchG, insbesondere die Sportanlagenlärmschutzverordnung oder die TA Lärm nicht (unmittelbar) anwendbar und gilt für die Beurteilung der Zumutbarkeit der Geräuschimmissionen der zur Genehmigung beziehungsweise Vorbescheidung gestellten Anlage auch kein anderes normatives Regelwerk, wie z.B. die TA Lärm (6. BImSchV), bindend, bleibt die Beurteilung der Zumutbarkeit von Geräuschen gerade von atypischen, wegen ihrer Vielgestaltigkeit in ihren Lärmauswirkungen schwer greifbaren Anlagen weitgehend der tatrichterlichen Wertung im Einzelfall vorbehalten.
VG Münster, Urteil vom 09.10.2024 – 2 K 3097/22

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer dem Beigeladenen vom Beklagten erteilten Baugenehmigung vom 14. Oktober 2022 über die Änderung von Nutzungszeiten einer Schulsportanlage.

Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks Gemarkung M. Flur 000, Flurstück 000 mit der postalischen Anschrift N.———-straße 0, 00000 M. (klägerisches Grundstück / Klägergrundstück). Das Grundstück liegt westlich der N.———-straße , die östlich unmittelbar an das Grundstück der Beigeladenen, Gemarkung M. , Flur 000, Flurstück 000 mit der postalischen Anschrift N.———-straße 0, 00000 M. (Vorhabengrundstück) grenzt. Auf dem Vorhabengrundstück befinden sich neben den Gebäuden der ehemaligen H. -Schule (Gesamtschule M. /U. ) ein Tartanspielfeld (Basketballfeld), ein Kleinspielfeld und eine Pumptrack-Anlage. Letztere beruht auf einer Baugenehmigung aus dem Jahre 2019.

Pumptrack-Anlagen dienen grundsätzlich dazu, mit speziellen Fahrrädern befahren zu werden, wobei es den Fahrerinnen und Fahrern darauf ankommt, die vorhandenen Hindernisse ohne in die Pedale zu treten durch Schwungnehmen mit dem eigenen Körpergewicht (vom englischen “to pump”) zu befahren. Praktisch werden Pumptrack-Anlagen gelegentlich auch von Inline-Skates-, Scooter-, Skateboard- oder Longboardfahrenden genutzt. Der Kläger nutzt sein Grundstück selbst zu Wohnzwecken. Sowohl das klägerische als auch das Vorhabengrundstück liegen nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplans. Ca. 100 m nordwestlich der vorbezeichneten Grundstücke verläuft die P. Straße, westlich und südwestlich verläuft eine Bahnlinie.

Hinter dem Vorhabengrundstück schließt sich in östlicher Richtung ebenfalls die N.———-straße an, sodann liegen dort der katholische Kindergarten St. N1. und der Friedhof St. N1. . In dem nordwestlich der verfahrensgegenständlichen Grundstücke gelegenen Geviert zwischen P. Straße, Bahnlinie und der N.———-straße befinden sich Wohnbebauung, der Gewerbebetrieb B. Bau (P. Straße 00) und die Fahrschule G. (P. Straße 28a). Auf dem Grundstück P. Straße 00 befindet oder befand sich ausweislich der online verfügbaren Bildaufnahmen einmal eine Bäckerei und Konditorei. Wegen der weiteren Einzelheiten der örtlichen Belegenheiten wird auf die nachfolgenden Abbildungen Bezug genommen.

(Abbildung 01: Auszug aus tim-online.nrw.de)

(Abbildung 02: Auszug aus tim-online.nrw.de)

Am 21. Juli 2022 stellte die Beigeladene beim Beklagten einen Antrag auf Erteilung einer Baugenehmigung für die Änderung der Nutzungszeiten der vorgenannten Anlagen. Der Inhalt des Antrags bestand unter anderem darin, einheitliche Nutzungszeiten für alle drei auf dem Vorhabengrundstück vorhandenen Felder zu bestimmen.

Unter dem 14. Oktober 2022 genehmigte der Beklagte einheitliche Betriebszeiten für alle drei Anlagen. An Werktagen sollen diese in den Zeiten von 10.00 Uhr bis 21.00 Uhr, an Sonn- und Feiertagen in den Zeiten von 11.00 Uhr bis 20.00 Uhr liegen (Auflage Nr. 4 der Baugenehmigung). Darüber hinaus verfügte der Beklagte Auflagen zu den mit den Anlagen verbundenen Schallimmissionen:

Nach Auflage Nr. 1 sind “die Sportanlagen” schalltechnisch so zu errichten und zu betreiben, dass die von diesen Anlagen ausgehenden Geräuschimmissionen auch unter Berücksichtigung und Einberechnung der von anderen Sportanlagen ausgehenden Geräuschimmissionen einschließlich der jeweils zugehörigen Nebeneinrichtungen (Parkplatz, Lüftungsanlagen, Lautsprecher…) u.a. am Immissionsort auf dem Grundstück des Klägers werktags außerhalb der Ruhezeit zwischen 8.00 Uhr und 20.00 Uhr 55 dB(A), innerhalb der Ruhezeit von 6.00 Uhr bis 8.00 Uhr 50 dB(A) und innerhalb der Ruhezeit von 20.00 Uhr bis 22.00 Uhr 55 dB(A) sowie an Sonn- und Feiertagen außerhalb der Ruhezeit von 9.00 Uhr bis 13.00 Uhr und von 15.00 Uhr bis 20.00 Uhr 55 dB(A) sowie innerhalb der Ruhezeit von 7.00 Uhr bis 9.00 Uhr 50 dB(A) und von 13.00 Uhr bis 15.00 Uhr sowie 20.00 bis 22.00 Uhr 55 dB(A) nicht überschreiten. Einzelne kurzzeitige Geräuschspitzen sollen die Immissionsrichtwerte tags um nicht mehr als 30 dB(A) überschreiten. Grundlage der Bewertung und Messung der Immissionsrichtwerte ist ausweislich der Auflage Nr. 1 die 18. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes – Sportanlagenlärmschutzverordnung (18. BImSchV) vom 18. Juli 1991, zuletzt geändert durch Art. 1 der Verordnung vom 1. Juni 2017.

Nach Auflage Nr. 2 ist die Pumptrack-Anlage schalltechnisch so zu errichten und zu betreiben, dass die von dieser Anlage ausgehenden Geräuschimmissionen an u.a. am Immissionsort auf dem klägerischen Grundstück an Werktagen außerhalb der Ruhezeit zwischen 8.00 Uhr und 20.00 Uhr 55 dB(A) und innerhalb der Ruhezeit zwischen 6.00 Uhr und 8.00 Uhr sowie 20.00 Uhr und 22.00 Uhr 50 dB(A), an Sonn- und Feiertagen außerhalb der Ruhezeit zwischen 9.00 Uhr und 13.00 Uhr sowie 15.00 Uhr und 20.00 Uhr 50 dB(A) und innerhalb der Ruhezeit zwischen 7.00 Uhr und 9.00 Uhr, 13.00 Uhr und 15.00 Uhr sowie 20.00 Uhr und 22.00 Uhr 50 dB(A) nicht überschreiten. An Sonn- und Feiertagen gelten insoweit tagsüber in der Zeit von 7.00 Uhr bis 22.00 Uhr durchgängig die Immissionsrichtwerte der Ruhezeit, als Nacht gilt die Zeit von 22.00 Uhr bis 7.00 Uhr. Einzelne kurzzeitige Geräuschspitzen dürfen die Immissionsrichtwerte für den Tag um nicht mehr als 20 dB(A) und den Immissionsrichtwert für die Nacht um nicht mehr als 10 dB(A) überschreiten. Grundlage der Bewertung und Messung der Immissionsrichtwerte ist ausweislich der Auflage Nr. 2 der Runderlass des Ministeriums für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz NRW “Messung, Beurteilung und Verminderung von Geräuschimmissionen bei Freizeitanlagen” – V-5-8827.5 vom 23. Oktober 2006, zuletzt geändert durch Runderlass vom 13. April 2016 (Freizeitlärmrichtlinie NRW) und in Verbindung mit der Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA Lärm) vom 26. August 1998. Wegen der weiteren Einzelheiten, Auflagen und Hinweise wird ergänzend auf den Bescheid des Beklagten vom 14. Oktober 2022 Bezug genommen.

Am 14. November 2022 hat der Kläger Klage erhoben. Zur Begründung führt er wie folgt aus: Die erteilte Baugenehmigung sei rechtswidrig und verletze ihn in seinen Rechten. Sie sei ihm gegenüber bauplanungsrechtlich rücksichtslos, weil sie die von dem streitgegenständlichen Vorhaben ausgehenden Lärmimmissionen unzureichend betrachte und hierauf beruhe. Die Beklagte habe mit einem Schutzanspruch für ein faktisches Allgemeines Wohngebiet einen unzutreffenden Beurteilungsmaßstab angelegt, weil das klägerische Grundstück in einem faktischen reinen Wohngebiet liege. Auch erwiesen sich die vom Beklagten eingeholten Schallimmissionsgutachten als unrichtig und unvollständig. Es fehle insbesondere an einer Lärmimmissionsberechnung, welche die gesamte Freizeitanlage als Ganze betrachte. Eine solche umfassende Betrachtung sei aber erforderlich gewesen. Der ursprünglich für die Genehmigung der Errichtung der Spielfelder (nicht der erst im Jahre 2019 hinzugekommenen Pumptrack-Anlage) eingeholte schalltechnische Bericht der KÖTTER beratenden Ingenieure vom 12. Februar 1996 (KÖTTER 1996) befasse sich nur mit den Immissionen dieser Felder. Die Schallimmissionsprognose der RP Schalltechnik vom 30. September 2019 (RP 2019) beziehe sich ausschließlich auf die Pumptrack-Anlage. Die schalltechnische Stellungnahme der KÖTTER Consulting Engineers vom 25. Mai 2022 (KÖTTER 2022) nehme eine neue Beurteilung der Frage der Einhaltung der Immissionsrichtwerte für ein Allgemeines Wohngebiet unter dem Gesichtspunkt der Änderung der 18. BImSchV vor und beziehe sich ausschließlich auf den schalltechnischen Bericht aus dem Jahre 1996.

Die Schallimmissionsprognose RP 2019 betrachte die Geräuschvorbelastung durch die Nutzung der Kleinspielfelder nicht, weil analog zur TA Lärm für die Pumptrack-Anlage der Irrelevanznachweis mit einer Richtwertunterschreitung um mindestens 6 dB(A) geführt worden sei. Diese Annahme sei nicht haltbar, weil der Gutachter verkannt habe, dass der an den Immissionsorten resultierende Beurteilungspegel sich aus dem äquivalenten Dauerschallpegel und Zuschlägen für die Impulshaltigkeit und die Informationshaltigkeit der Geräusche zusammensetze. Diese zwingend anzusetzenden Zuschläge fehlten bei der Schallimmissionsprognose RP 2019. Die fehlende Ermittlung der Gesamtbelastung schlage auch auf die Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung durch, weil sich bei einer zutreffenden Ermittlung auch am Tage Richtwertüberschreitungen am Immissionsort auf dem klägerischen Grundstück ergäben. Die vorbezeichneten Gutachten L. 2022 und S. 2019 seien auch deshalb fehlerhaft, weil sie auf einer nicht einschlägigen Rechtsgrundlage beruhten, nämlich der nicht relevanten Sportanlagenlärmschutzverordnung (18. BImSchV).

Maßgeblich sei die strengere Freizeitlärmrichtlinie NRW. Die Schallimmissionsprognose S. 2019 weise außerdem Ungenauigkeiten und Unklarheiten auf. In Kapitel 7 der Prognose “Berechnungsmethodik und Darstellungsarten” sei die Angabe enthalten, dass die Berechnung für den Sonntag als stärkster belasteter Wochentag mit den höchsten Zuschlägen und strengsten Richtwerten durchgeführt worden sei; es sei unklar, welche Zuschläge gemeint seien, weil weder die Freizeitlärmrichtlinie NRW noch die 18. BImSchV Ruhezeitenzuschläge vorsähen. Auch finde sich keine Erklärung, warum die Berechnungsergebnisse nach der 18. BImSchV und nach der Freizeitlärmrichtlinie eine Differenz von 3 dB(A) aufwiesen. Dieser Unterschied lasse sich nicht allein mit den unterschiedlichen Berechnungsmethoden erklären. Ferner sei die Schallimmissionsprognose S. 2019 auch hinsichtlich der mittelbar mit der Nutzung der Sportanlage verbundenen Beeinträchtigungen unvollständig. Ein etwaiger anlagenbezogener PKW-Verkehr finde in der Schallimmissionsprognose keine Berücksichtigung. Auch fehlten Emissionsquellen, wie beispielsweise Bluetooth-Boxen zur Musikwiedergabe, die häufig während der Nutzung derartiger Freizeitanlagen verwendet würden. Zur weiteren Begründung dieser Rügen reicht der Kläger eine Stellungnahme der X. & H1. Akustik und Immissionsschutz GmbH vom 25. Oktober 2022 (X1. & H2. 2022) ein. Zuletzt verletze die Baugenehmigung vom 14. Oktober 2022 den Kläger auch deshalb in seinen Rechten, weil durch die erteilten Auflagen nicht hinreichend sichergestellt sei, dass die beauflagten Nutzungszeiten in der Praxis auch jederzeit eingehalten würden. Zwar sei das Aufstellung von Hinweisschildern an deutlich sichtbaren Stellen beauflagt (Auflage Nr. 5), jedoch keine Einrichtung einer Überwachung der Einhaltung insbesondere hinsichtlich einer nächtlichen Überschreitung der Immissionsrichtwerte. Auch dies führe zu einer Rücksichtslosigkeit des Vorhabens gegenüber dem Kläger.

Der Kläger beantragt,

die der Beigeladenen von dem Beklagten unter dem 14. Oktober 2022 erteilte Baugenehmigung zur Änderung der Nutzungszeiten der Schulsportanlage auf dem Grundstück Gemarkung M. , Flur 000, Flurstück 000 mit der postalischen Anschrift N.———-straße 0, 00000 M. (Az. 63-880-2846.2022), zugestellt am 21. Oktober 2022, aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen. 

Zur Begründung tritt er dem klägerischen Vortrag entgegen und legt eine Stellungnahme seiner Kreispolizeibehörde vom 1. Februar 2023 zu den am Vorhabengrundstück erfolgten polizeilichen Einsätzen im Jahre 2022 und bis zum Datum der Stellungnahme, vor, sowie eine ausführliche immissionsschutzrechtliche Stellungnahme seiner Immissionsschutzbehörde vom 3. März 2023. Auf den Inhalt dieser Stellungnahmen wird umfassend Bezug genommen. Nach der kreispolizeilichen Stellungnahme vom 1. Februar 2023 sei es im Jahre 2022 am Vorhabengrundstück zu 17 Einsätzen gekommen. Das Gebiet werde regelmäßig bestreift. Ein Großteil der Einsätze erfolge zwischen April und August, zumeist wegen Ruhestörungen. Vermehrte Einsätze seien im Jahr 2022 nicht zu verzeichnen gewesen, es könnten keine signifikanten Besonderheiten im Vergleich zu anderen Örtlichkeiten festgestellt werden, eine Beeinträchtigung der objektiven Sicherheitslage sei nicht festzustellen. Die Immissionsschutzbehörde des Beklagten führt in ihrer Stellungnahme vom 3. März 2023 u.a. wie folgt aus: Mit der angefochtenen Baugenehmigung würden im Interesse der Anwohner, auch des Klägers, für die Gesamtanlage (Kleinspielfelder und Pumptrack-Anlage) einheitliche, vollziehbare Nutzungszeiten festgelegt, die sich innerhalb der ermittelten, schallimmissionstechnisch zulässigen Nutzungszeiten bewegten. Die Einwände des Klägers gegen diese Baugenehmigung griffen aus immissionsschutzrechtlicher Sicht nicht durch. Die prägende nähere Umgebung des klägerischen und des Vorhabengrundstücks sei als faktisches Allgemeines Wohngebiet (WA), nicht als Reines Wohngebiet (WR) einzuordnen. Die in erster Reihe an der P. Straße angesiedelten gewerblichen Nutzungen wirkten sich insoweit prägend auch auf das klägerische und das Vorhabengrundstück aus. Auch die Einwendungen zur Unrichtigkeit bzw. Unvollständigkeit der eingeholten Schallimmissionsgutachten griffen nicht durch. Die seit den 1990er Jahre genehmigten Kleinspielfelder seien als Sportanlagen im Sinne der 18. BImSchV (Sportanlagenlärmschutzverordnung) zu qualifizieren. Genehmigt seien ausdrücklich zwei Kleinspielfelder als “Sportanlagen”, und zwar eines für Basketball und Tennis und eines für Fußball, Handball, Volleyball etc. Es handle sich hier – anders als bei der zuletzt hinzugekommenen Pumptrack-Anlage, nicht um Freizeitanlagen im Sinne der strengeren Freizeitlärmrichtlinie NRW. Die Spielfeldgröße des Basketballfelds entspreche den Maßgaben der einschlägigen Sportverbände. Es handle sich, anders als der Kläger ausführt, nicht um ein Streetball-Feld, eine Trendsportart, die auf einem wesentlich kleineren quadratischen Feld und nur auf einen Korb gespielt werde. Auch das andere Kleinspielfeld sei für Fußball, Handball, Volleyball etc. ausgeprägt und nach der Sportanlagenlärmschutzverordnung (18. BImSchV) zu beurteilen. Denn Letzteres sei ebenfalls mit einer Tartan-Oberfläche ausgeführt. Es enthalte an den Längsseiten eine zusätzliche Sicherheitszone von mindestens einem Meter und an den Stirnseiten von zwei Metern über die aufgebrachten Markierungen hinaus. So ergebe sich ein Multifunktionsspielfeld der Größe 40 m x 20 m innerhalb der Markierungen, zuzüglich der Sicherheitsstreifen mithin eine Tartanfläche von insgesamt 44 m x 22 m. Diese Maße entsprächen der einschlägigen DIN-Normung für Kleinspielfelder als Anlagen für den Wettkampfsport (DIN-Normung 18035:2018-09, Sportplätze – Teil 1, 5. Anlagen für den Wettkampfsport, 5.1.3 Kleinspielfelder). Es enthalte ferner die von der Internationalen Handballföderation vorgegebene Größe und Markierungen für Wettkampfhandball und sei für verschiedene Varianten des Fußballspiels (6 gegen 6, 8 gegen 8) und für das Volleyballspiel im Sinne eines vielfältigen Sportangebots inner- und außerhalb des Schulsports ausgestaltet und geeignet. Die Pumptrack-Anlage stelle hingegen eine Freizeitanlage im Sinne der Freizeitlärmrichtlinie NRW dar. Sie sei dementsprechend nach Behördenbeteiligung im Genehmigungsverfahren anhand der Freizeitlärmrichtlinie NRW prognostisch betrachtet worden. Eine Ermittlung der Gesamtbelastung sei aufgrund der unterschiedlichen Regelwerke mit abweichenden Immissionsrichtwerten und unterschiedlichen Rechenvorschriften nicht möglich. Nach den einschlägigen Regelwerken seien die beiden rechtlich zu unterscheidenden Lärmarten isoliert zu betrachten. Auch eine fehlende Berücksichtigung der Impulshaftigkeit von Lärm stelle keinen Mangel der Begutachtung dar. Weder nach der 18. BImSchV noch nach der Freizeitlärmrichtlinie NRW habe ein Impulszuschlag bei Geräuschen durch die unverstärkte menschliche Stimme anzuwenden. Insoweit verweist der Beklagte auf die Freizeitlärmrichtlinie und Nr. 1.3.3 des 1. Anhangs der 18. BImSchV. Zu den gerügten Ungenauigkeiten und Unklarheiten führt der Beklagte aus, aus seiner Sicht sei anzunehmen, dass mit der Wendung “dass die Berechnung für den Sonntag als stärkster belasteter Wochentag mit den höchsten Zuschlägen und strengsten Richtwerten durchgeführt wurde” gemeint gewesen sein dürfte, dass bei einer vergleichenden Betrachtung nach 18. BImSchV und nach RdErl.

Freizeitlärm NRW für Sonn- und Feiertage zum einen die strengsten Richtwerte nach dem Beurteilungswerk RdErl. Freizeitlärm gelten, da danach die reduzierten Immissionsrichtwerte für die sog. Ruhezeiten ganztags einzuhalten sind und im Vergleich gegenüber der 18. BImSchV für den Beurteilungszeitraum “Ruhezeiten” entsprechend um 5 dB(A) reduzierte “strengere” Immissionsrichtwerte i.S.v. “strengsten Richtwerten” innerhalb der mittäglichen und abendlichen Ruhezeit zu berücksichtigen sind. Hinsichtlich des Einwands die 3 dB(A) Unterschied bei gleichen Emissionsdaten vermutet der Beklagte, dass es sich um eine unterschiedliche Behandlung von Impulszuschlägen handeln könnte, die die von Gutachterbüros verwandten Programme teils automatisch vergäben. Die Verwendung von Bluetooth-Boxen sei bei der Begutachtung zurecht außer Betracht geblieben, weil missbräuchliche Nutzungen einer Anlage nicht Gegenstand des Baugenehmigungsverfahrens sein könnten. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Stellungnahme Bezug genommen.

Die Beigeladene beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung führt sie nichts aus.

Die Beteiligten haben in der mündlichen Verhandlung am 9. Januar 2024 übereinstimmend erklärt, auf die Durchführung einer weiteren mündlichen Verhandlung zu verzichten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie des beigezogenen Verwaltungsvorgangs des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I. Das Gericht konnte aufgrund Einzelrichterbeschlusses vom 31. Oktober 2023 gemäß § 6 Abs. 1 VwGO durch den Berichterstatter als Einzelrichter und gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, weil die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vom 9. Januar 2024 übereinstimmend auf die Durchführung einer weiteren mündlichen Verhandlung verzichtet haben.

II. Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Sie ist unbegründet.

Im Rahmen einer Drittanfechtungsklage kommt dem Gericht nur ein begrenzter Prüfungsmaßstab zu. Einen Rechtsanspruch auf Aufhebung einer erteilten Baugenehmigung haben Nachbarn wie der Kläger nicht schon dann, wenn die Baugenehmigung objektiv rechtswidrig ist. Vielmehr setzt die Aufhebung derselben darüber hinaus voraus, dass der Nachbar durch die Baugenehmigung zugleich in eigenen (Nachbar-)Rechten, d.h. in einem Recht, welches zumindest auch dem Schutz des Nachbarn zu dienen bestimmt ist, verletzt ist (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Vgl. nur BVerwG, Urteile vom 15. Februar 1990 – 4 C 39.86 -, und vom 6. Oktober 1989 – 4 C 14.87 -; Beschluss vom 16. August 1983 – 4 B 94.83 -; Urteil vom 23. August 1974 – IV C 29.73 -.

In Betracht kommt insoweit in erster Linie eine Verletzung des Klägers in drittschützenden, ihn in ihren Schutzkreis einbeziehenden, Vorschriften des öffentlichen Bauplanungs- und des öffentlichen Bauordnungsrechts. Eine derartige Verletzung drittschützender Vorschriften liegt jedoch nicht vor.

Insbesondere ist der Kläger nicht in seinem allein geltend gemachten normativ im – hier vorliegenden – Fall eines unbeplanten Innenbereichsgrundstücks an § 34 Abs. 1, Abs. 2 BauGB angeknüpften Recht auf Einhaltung des bauplanungsrechtlichen Gebots der Rücksichtnahme verletzt.

Das Gebot der Rücksichtnahme soll einen angemessenen Interessenausgleich im Nachbarschaftsverhältnis gewährleisten. Der Umfang der für jedes Vorhaben geltenden öffentlich-rechtlichen Pflicht, auf andere Rücksicht zu nehmen, hängt entscheidend von den Umständen des Einzelfalles ab. Das Rücksichtnahmegebot beinhaltet, dass umso mehr an Rücksichtnahme verlangt werden kann, je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung derer ist, denen die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zu Gute kommt; umgekehrt braucht derjenige, der ein Vorhaben verwirklichen will, umso weniger Rücksicht zu nehmen, je verständlicher und unabweisbarer die von ihm verfolgten Interessen sind. Abzustellen ist darauf, was einerseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten und andererseits dem Rücksichtnahmebegünstigten nach Lage der Dinge zuzumuten ist.

Vgl. BVerwG, Urteile vom 25. Februar 1977 – IV C 22/75 -; vom 23. September 1999 – 4 C 6/98 -, und vom 5. Dezember 2013 – 4 C 5/12 -; OVG NRW, Urteil vom 4.5.2016 – 7 A 615/14 -.

Die Unzumutbarkeit von Immissionen (Lärm, Gerüche, Licht etc.) im Sinne des bauplanungsrechtlichen Rücksichtnahmegebots knüpft damit an den Begriff der schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne von § 3 Abs. 1 BImSchG an. Hierbei handelt es sich um Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen. Es gibt kein baurechtliches Rücksichtnahmegebot, das etwa dem Verursacher von Umwelteinwirkungen mehr an Rücksichtnahme zugunsten von Nachbarn gebieten würde, als es das Bundes-Immissionsschutzgesetz gebietet. Dieses Gesetz hat vielmehr die Grenze der Zumutbarkeit von Umwelteinwirkungen für Nachbarn und damit das Maß der gebotenen Rücksichtnahme mit Wirkung auch für das Baurecht allgemein bestimmt.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 30. September 1983 – 4 C 74/78 -; OVG NRW, Beschluss vom 26. Februar 2003 – 7 B 2434/02 -.

So wird ein möglichst umfassender Gleichlauf zwischen baurechtlicher Zumutbarkeit bzw. Gebietsverträglichkeit und immissionsschutzrechtlicher Bewertung sichergestellt. Hierbei ist ein objektivierter Maßstab anzulegen, nämlich das Empfinden eines verständigen Durchschnittsmenschen, nicht die individuelle Einstellung eines besonders empfindlichen Nachbarn.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 23. September 2020 – 8 A 1161/18 -, m. w. N.; OVG NRW, Beschluss vom 22. Juli 2022 – 8 B 1880/21 -.

Unter welchen Voraussetzungen gemessen am Empfinden eines verständigen Durchschnittsmenschen von schädlichen Umwelteinwirkungen auszugehen ist, wird durch die entsprechenden Verordnungen zum BImSchG näher konkretisiert, hinsichtlich von Lärmimmissionen durch Sportanlagen insbesondere durch die Bestimmungen der Sportanlagenlärmschutzverordnung (18. BImSchV). Als normkonkretisierender Verwaltungsvorschrift kommt ihr, soweit sie für Geräusche den unbestimmten Rechtsbegriff der schädlichen Umwelteinwirkungen konkretisiert, eine im gerichtlichen Verfahren zu beachtende Bindungswirkung zu. Die normative Konkretisierung des gesetzlichen Maßstabs für die Schädlichkeit von Geräuschen ist jedenfalls insoweit abschließend, als sie bestimmte Gebietsarten und Tageszeiten entsprechend ihrer Schutzbedürftigkeit bestimmten Immissionsrichtwerten zuordnet und – auch durch Verweise auf andere Technische Regelwerke – das Verfahren der Ermittlung und Beurteilung der Geräuschimmissionen vorschreibt. Für eine einzelfallbezogene Beurteilung der Schädlichkeitsgrenze aufgrund tatrichterlicher Würdigung lässt das normkonkretisierende Regelungskonzept der Sportanlagenlärmschutzverordnung nur insoweit Raum, als es insbesondere durch Kann-Vorschriften und Bewertungsspannen Spielräume eröffnet.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 8. November 1994 – 7 B 73/94 -; ergänzend zur TA Lärm BVerwG, Urteile vom 29. November 2012 – 4 C 8/11 -, und vom 29. August 2007 – BVerwG 4 C 2.07 -, jeweils m.w.N.; OVG NRW, Urteil vom 5. Juli 2017 – 7 A 2432/15 -.

Die Sportanlagenlärmschutzverordnung (18. BImSchV) gilt gemäß § 1 Abs. 1 18. BImSchV für die Errichtung, die Beschaffenheit und den Betrieb von Sportanlagen, soweit sie zum Zwecke der Sportausübung betrieben werden und einer Genehmigung nach § 4 BImSchG nicht bedürfen. Diese Beschreibung des Anwendungsbereichs der Verordnung sowie die in ihrem § 3 vorgesehenen Maßnahmen (z.B. zu Lautsprecheranlagen, Zuschauern, lärmgeminderten oder lärmmindernden Ballfangzäunen, Bodenbelägen, Schallschutzwänden und -wällen etc.) lassen erkennen, dass sich der Verordnungsgeber am Leitbild einer Sportanlage orientiert hat, die dem Vereinssport, Schulsport oder vergleichbar organisiertem Freizeitsport dient.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 11. Februar 2003 – 7 B 88/02 -.

Sportanlagen im vorgenannten Sinne sind nach § 1 Abs. 2 18. BImSchV ortsfeste Einrichtungen, die zur Sportausübung bestimmt sind; zu ihnen zählen auch Einrichtungen, die mit der Sportanlage in engem räumlichen und betrieblichen Zusammenhang stehen, § 1 Abs. 3 Satz 1 18. BImSchV. Obwohl der immissionsschutzrechtliche Sportbegriff weder durch den Gesetz- noch den Verordnungsgeber definiert ist, ist gleichwohl anerkannt, dass sich “Sport” in diesem Sinne durch bestimmte Wesensmerkmale definiert, insbesondere körperliche Bewegung, Wettkampf- und Leistungsstreben, das Vorhandensein von Regeln und Organisationsformen und die Betätigung als Selbstzweck ohne produktive Absichten. Je nach Erscheinungsform der Sportart kommt den genannten Kriterien ein unterschiedliches Gewicht zu, auch müssen nicht alle gleichzeitig erfüllt sein. Insbesondere im Bereich des Breiten- und Freizeitsports etwa ist der Wettkampf- und Leistungscharakter unterzugewichten. Weiter muss die Zweckbestimmung der Anlage nicht ausschließlich die Sportausübung sein, ausreichend ist vielmehr, wenn sie auch sportlichen Zwecken zu dienen bestimmt ist.

Vgl. Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 24. August 2007 – 22 B 05.2870 -; VG Ansbach, Urteil vom 28. Oktober 2021 – AN 17 K 20.00907 -; Reidt/Schiller in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, 95. EL Mai 2021, § 1 18. BImSchV Rn. 27.

Sind die Verordnungen zum BImSchG, insbesondere die Sportanlagenlärmschutzverordnung oder die TA Lärm nicht (unmittelbar) anwendbar und gilt für die Beurteilung der Zumutbarkeit der Geräuschimmissionen der zur Genehmigung beziehungsweise Vorbescheidung gestellten Anlage auch kein anderes normatives Regelwerk, wie z.B. die TA Lärm (6. BImSchV), bindend, bleibt die Beurteilung der Zumutbarkeit von Geräuschen gerade von atypischen, wegen ihrer Vielgestaltigkeit in ihren Lärmauswirkungen schwer greifbaren Anlagen weitgehend der tatrichterlichen Wertung im Einzelfall vorbehalten. Diese Einzelfallwertung richtet sich maßgeblich insbesondere nach der durch die Gebietsart und die tatsächlichen Verhältnisse bestimmten Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit; dabei sind wertende Elemente wie Herkömmlichkeit, soziale Adäquanz und allgemeine Akzeptanz ebenso mitbestimmend wie eine etwaige tatsächliche oder rechtliche Vorbelastung. Zu berücksichtigen sind darüber hinaus die einzelnen Schallereignisse, ihr Schallpegel und ihre Eigenart (zum Beispiel Dauer, Häufigkeit, Impulshaltigkeit) sowie ihr Zusammenwirken.

Vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 11. Februar 2003 – 7 B 88.02 -, Urteile vom 30. April 1992 – 7 C 25.91 – und vom 24. April 1991 – 7 C 12.90 -; OVG NRW, Urteil vom 6. September 2011 – 2 A 2249/09 -.

Im Rahmen der solchermaßen vorzunehmenden Gesamtabwägung können technische Regelwerke, die der Erfassung der Geräuschcharakteristik und des daraus folgenden Störgrads der jeweils zur Beurteilung anstehenden Anlage am nächsten kommen, als Orientierungshilfe beziehungsweise “grober Anhalt” herangezogen werden. Hat der Gesetzgeber diese Regelwerke nicht in seinen Regelungswillen aufgenommen, erzeugen sie für Behörden und Gerichte jedoch keine Bindungswirkung und dürfen nicht schematisch angewandt werden, sondern sind nur ein Parameter unter mehreren innerhalb der Gesamtabwägung.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 6. September 2011 – 2 A 2249/09 -.

Eine solche, der richterlichen Rechtsanwendung im Einzelfall Anhalt bietende Bedeutung ist auch der sogenannten Freizeitlärmrichtlinie NRW (Runderlass des Ministeriums für Umwelt und Naturschutz Landwirtschaft und Verbraucherschutz – V-5 – 8827.5 vom 23. Oktober 2006) in der aktuell geltenden Fassung zuzumessen.

Gemäß Nr. 1 Abs. 1 Satz 1 der Freizeitlärmrichtlinie NRW sind Freizeitanlagen Einrichtungen im Sinne des § 3 Abs. 5 Nr. 1 oder Nr. 3 BImSchG, die dazu bestimmt sind, von Personen zur Gestaltung ihrer Freizeit genutzt zu werden. Grundstücke gehören zu den Freizeitanlagen, wenn sie nicht nur gelegentlich zur Freizeitgestaltung bereitgestellt werden (Nr. 1 Abs. 1 Satz 2 der Freizeitlärmrichtlinie NRW). Nr. 1 Abs. 2 der Freizeitlärmrichtlinie NRW zählt beispielhaft Anlagenarten auf, die insbesondere zu den Freizeitanlagen gehören wie Grundstücke, auf denen in Zelten oder im Freien Volksfeste und ähnliche Traditionsveranstaltungen, Musikdarbietungen, Zirkusveranstaltungen, regelmäßige Feuerwerke oder ähnliches stattfinden, Freilichtbühnen, Freizeitparks oder Vergnügungsparks. Während die TA Lärm auf Anlagen zugeschnitten ist, die überwiegend dem Arbeitsleben zuzurechnen sind, will die Freizeitlärmrichtlinie NRW dem Umstand Rechnung tragen, dass Konflikte aufgrund von Geräuschen durch Freizeitanlagen in der Regel dann auftreten, wenn ein Teil der Bevölkerung in der Freizeit (in den Abendstunden, an Wochenenden und Sonn- und Feiertagen) Entspannung durch Ruhe sucht, ein anderer sich dagegen durch Aktivitäten in Freizeitanlagen erholen will (vgl. Nr. 3 der Freizeitlärmrichtlinien NRW). Daher werden die von Freizeitanlagen verursachten Geräuschimmissionen zwar grundsätzlich nach der TA Lärm bewertet, von deren Bewertungsmaßstäben allerdings mit Blick auf die Besonderheiten des Freizeitlärms durch die Vorgabe bestimmter Ruhe- und Beurteilungszeiten Ausnahmen gemacht werden sollen (vgl. Nr. 3.1 und Nr. 3.3 der Freizeitlärmrichtlinie NRW).

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 6. September 2011 – 2 A 2249/09 -.

In Anwendung der vorstehenden Maßgaben erweist sich die angefochtene Baugenehmigung des Beklagten vom 14. Oktober 2022 gegenüber dem Kläger nicht als rücksichtslos. Der Beklagte ist insbesondere von zutreffenden Immissionsrichtwerten ausgegangen (1.) und hat seine Genehmigung auf geeignete gutachtliche Prognosen gestützt (2.). Die Baugenehmigung leidet auch nicht an mit Blick auf die tatsächliche Vollziehung ihrer Auflagen defizitären Nebenbestimmungen (3.).

1. Der Beklagte ist zutreffend von den in den vorbezeichneten Technischen Regelwerken und Erlassen bestimmten, für Allgemeine Wohngebiete geltenden Immissionsrichtwerten ausgegangen.

Zur Bestimmung der für das klägerische Grundstück und das Vorhaben maßgeblichen Immissionsrichtwerte ist in Anwendung von § 34 Abs. 2 Satz 1 BauGB der Gebietscharakter der in der näheren Umgebung vorzufindenden Bebauung zu bestimmen (sog. faktisches Baugebiet). Denn das klägerische und das Vorhabengrundstück liegen im unbeplanten Innenbereich im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB.

Die Eigenart der näheren Umgebung des klägerischen Grundstücks entspricht im Sinne von § 34 Abs. 2 Satz 1 BauGB einem allgemeinen Wohngebiet. Zur näheren Umgebung im Sinne der Vorschrift gehört die Umgebung, insoweit sich die Ausführung eines Vorhabens auf sie auswirken kann und insoweit, als die Umgebung ihrerseits den bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstücks prägt oder doch beeinflusst. Dabei ist die nähere Umgebung für die in § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB bezeichneten Kriterien jeweils gesondert abzugrenzen.

In der Regel ist der Umkreis der zu beachtenden Bebauung weiter zu fassen, soweit es – wie hier – um den maßgeblichen Gebietscharakter, die Art der baulichen Nutzung, geht als wenn das Einfügen nach dem Maß der baulichen Nutzung oder der überbaubaren Grundstücksfläche maßgeblich ist. Maßgeblich ist aber immer eine Würdigung der tatsächlichen Verhältnisse im Einzelfall.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 13. Mai 2014 – 4 B 38.13 -, BVerwG, Urteil vom 19. September 1969 – IV C 18.67 -.

Die hier maßgebliche nähere Umgebung mit Blick auf die Bestimmung des Gebietscharakters (die Art der baulichen Nutzung) umfasst die Bebauung im Winkel zwischen den trennenden Elementen der südwestlich des klägerischen Grundstücks und des Vorhabengrundstücks verlaufenden Bahntrasse und des Straßenzugs der nordwestlich verlaufenden P. Straße. In östlicher und südöstlicher Richtung reicht der gebietscharakterisierende Bebauungszusammenhang bis an das Ende des faktischen Bebauungszusammenhangs, den Außenbereich, heran. Er schließt das (ehemalige) Schulgebäude, den Kindergarten St. N2. und den daran unmittelbar angrenzenden Friedhof ein.

Die Eigenart der so bestimmten näheren Umgebung entspricht einem Allgemeinen Wohngebiet im Sinne des § 4 BauNVO. Dort finden sich eine Reihe von Wohngebäuden (§ 4 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO), allerdings auch einzelne nicht störende Handwerksbetriebe (B. Bau an der P. Straße sowie – sofern noch vorhanden – die Bäckerei und Konditorei) im Sinne von § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO sowie nicht störende Gewerbetriebe wie die Fahrschule, die im Allgemeinen Wohngebiet ausnahmsweise (§ 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO) zulässig sind, ohne, dass die für Mischgebiete typische Gleichwertigkeit und Gleichgewichtigkeit der Nutzungsmischung,

vgl. Bönker/Bischopink/Wahlhäuser, Baunutzungsverordnung, BauNVO § 6 Rn. 25,

erreicht wird. Darüber hinaus sind mit der Schule eine Anlage für kulturelle Zwecke und dem Kindergarten eine Anlage für soziale bzw. kirchliche Zwecke vorhanden (§ 4 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO)

Vgl. Bönker/Bischopink/Vietmeier, Baunutzungsverordnung, BauNVO § 4 Rn. 36, 42, 50.

Die vorstehenden Nutzungen wären – abgesehen von dem Kindergarten St. N1. – in einem reinen Wohngebiet (WR), dessen immissionsschutzrechtliches Niveau der Kläger in Anspruch nehmen will, bauplanungsrechtlich unzulässig (§ 3 BauNVO). Dies gilt eingedenk der zwischenzeitlichen Schließung der Gutenbergschule am dortigen Standort.

Vgl. Bönker/Bischopink/Vietmeier, Baunutzungsverordnung, BauNVO § 3 Rn. 73 (Kindergärten und ähnliche Kindertageseinrichtungen).

2. Der Beklagte hat seine Genehmigung auch auf geeignete gutachtliche Prognosen gestützt.

Bei der Überprüfung der Rechtmäßigkeit baurechtlicher Genehmigungen mit Blick auf zu erwartende Immissionen kommen im Zuge des Genehmigungsverfahrens angefertigten Gutachten besondere Bedeutung zu. Solche Gutachten im Vorfeld von Bauvorhaben stellen jedoch lediglich Prognosen dar, die das Gericht nur darauf zu prüfen hat, ob diese mit den im maßgebenden Zeitpunkt verfügbaren Erkenntnismitteln unter Beachtung der für sie erheblichen Umstände sachgerecht erarbeitet worden ist. Das Gericht überprüft insoweit die Wahl einer geeigneten fachspezifischen Methode, die zutreffende Ermittlung des der Prognose zugrundeliegenden Sachverhalts und ob das Ergebnis einleuchtend begründet worden ist. Ferner ist zu fragen, ob die mit jeder Prognose verbundene Ungewissheit künftiger Entwicklungen in einem angemessenen Verhältnis zu den Eingriffen steht, die mit ihr gerechtfertigt werden sollen. Es ist hingegen nicht Aufgabe des Gerichts, das Ergebnis einer auf diese Weise sachgerecht erarbeiteten Prognose als solches darauf zu überprüfen, ob die prognostizierte Entwicklung mit Sicherheit bzw. größerer oder geringerer Wahrscheinlichkeit eintreten wird oder kann.

Vgl. OVG NRW, Urteile vom 22. Februar 2017 – 7 A 2289/15 – und vom 28. März 2018 – 10 B 163/18 -.

Die vom Beklagten im hier streitgegenständlichen Baugenehmigungsverfahren zugrunde gelegten Gutachten leiden in Anwendung der vorstehenden Maßstäbe nicht an durchgreifenden Mängeln, die ihre Plausibilität in Frage stellen. Die der streitgegenständlichen Baugenehmigung zugrunde gelegten immissionsschutzrechtlichen Stellungnahmen sind im Ergebnis durch den eingehenden klägerischen Vortrag nicht durchgreifend in Zweifel gezogen. Sie liegen zur Überzeugung des erkennenden Gerichts (vgl. § 108 Abs. 1 VwGO) letztendlich noch “auf der sicheren Seite”.

a) In den eingeholten Gutachten sind die vorhandenen Kleinspielfelder – anders als dies vor der umfassenden und eingehenden Ergänzung des Beklagtenvortrags zu den tatsächlichen Verhältnissen auf dem Multifunktionsspielfeld für Handball, Fußball und Volleyball vom Einzelrichter angenommen wurde – zutreffend nach der 18. BImSchV (Sportanlagenlärmschutzverordnung) und die Pumptrack-Anlage nach der Freizeitlärmrichtlinie NRW beurteilt worden. Zu dieser Überzeugung kommt das Gericht nach einer umfassenden Prüfung und Gesamtabwägung aller für diese Einordnung relevanten Umstände des konkreten vorliegenden Einzelfalls trotz der eingehenden Ausführungen und gehaltvollen Gesichtspunkte, die der Kläger dagegen ins Feld geführt hat.

Die Kleinspielfelder (das Tartan-Basketballspielfeld und das ebenfalls in Tartan ausgeführte Multifunktionsspielfeld für Handball, Fußball und Volleyball) sind immissionsschutzrechtlich nach der Sportanlagenlärmschutzverordnung zu beurteilen, denn es handelt es sich um Anlagen, die zwar heute faktisch überwiegend für der Freizeit zuzuordnende Aktivitäten von Kindern und Jugendlichen genutzt werden mögen, jedoch ursprünglich auch für den Schulsport gedacht waren und hierfür auch zukünftig wieder genutzt werden können und insbesondere – was für das Gericht in der Abwägung mit allen anderen relevanten Gesichtspunkten letztlich den Ausschlag gibt – nach ihrer objektiven Gestaltung für Schul- und organisierten Freizeitsport geeignet und konzipiert sind.

Vgl. zu diesen Maßstäben der Einordnung schon oben BVerwG, Beschluss vom 11. Februar 2003 – 7 B 88/02 -.

Das vom Beklagten als “Basketball- und Tennisfeld”, vom Kläger als “Streetballfeld” bezeichnete Kleinspielfeld wurde zurecht auf Grundlage der Sportanlagenlärmschutzverordnung begutachtet. Wie der Beklagte in seiner immissionsschutzrechtlichen Stellungnahme ausführlich dargelegt hat, entspricht es den Maßen und Anforderungen des Basketballverbands zur Nutzung für nach Verbandsregeln durchgeführte Basketballspiele.

Insoweit wird auf die ausführliche Stellungnahme der Immissionsschutzbehörde des Beklagten vom 3. März 2023 Bezug genommen. Auf Seite 8 der Stellungnahme (Bl. 66 d.A.) führt die Immissionsschutzbehörde – in der Sache unbestritten – insoweit aus:

“Beim Basketball hingegen spielen i.d.R. 5 gegen 5 Spieler und es gibt ein festes Regelwerk. Die Spielfeldgrößen variieren geringfügig nach den jeweiligen Verbänden; nach FIBA beträgt die Spielfeldgröße 28 m x 15 m, nach NBA beträgt die Spielfeldgröße 28,65 m x 15,24 m. Das Kleinspielfeld an der N.———-straße verfügt (mit Umrandung) über eine bauliche Größe von 30 m x 16 m. Die Spielfeldfläche selbst ist durch die Markierungen entsprechend der v.g. Angaben für eine Nutzung durch die Sportart “Basketball” ausgewiesen.”

Hierin liegt insbesondere ein wesentlicher Unterschied zu der Einordnung eines für Basketball benutzten Spielfelds, die das Verwaltungsgericht Aachen in einer in der Literatur zitierten Fallkonstellation vorgenommen hatte, bei der es an entsprechenden Markierungen fehlte und insbesondere auch keine Basketballkörbe angebracht waren. Dies waren seinerzeit maßgebliche Einzelfallumstände, auf die das Verwaltungsgericht bei seiner Einordnung des dortigen “Basketballspielfelds” als Freizeitanlage und nicht als Sportanlage abgestellt hatte.

Vgl. VG Aachen, Urteil vom 30. Oktober 2015 – 6 K 1111/15 -; Landmann/Rohmer UmweltR/Reidt/Schiller, 102. EL September 2023, 18. BImSchV § 1 Rn. 32, dort insbesondere Ausführungen zu Basketball und Street(basket)ball, m.w.N., hinsichtlich letzterer wird dieselbe Differenzierung vorgenommen.

Auch das Multifunktionsfeld für Handball, Fußball und Volleyball ist zurecht auf Grundlage der 18. BImSchV (Sportanlagenlärmschutzverordnung) begutachtet worden. Auch bei diesem Kleinspielfeld handelt es sich um eine Anlage, die ihrer objektiven Ausgestaltung nach über die bloße unorganisierte körperlich-spielerische Aktivitäten von Kindern ohne Schiedsrichter oder Sportaufsicht hinaus für organisierte sportliche Aktivität – sei es auch im Freizeitbereich – geeignet ist.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 11. Februar 2003 – 7 B 88/02 -; VG Aachen, Urteil vom 30. Oktober 2015 – 6 K 1111/15 -.

Hierfür spricht, dass die auf dem in Tartan – also einem für Sportanlagen besonders geeigneten, federnden, rutschfesten und widerstandsfähigen Kunststoff – ausgeführten Kleinspielfeld die von der Internationalen Handballvereinigung für regelkonformes Wettkampfhandballspiel vorgesehenen Markierungen in den richtigen Abmessungen (Spielfeld von 40 m x 20 m zzgl. Sicherheitsrand) aufgebracht sind. Für diese Einordnung spricht auch, dass das Kleinspielfeld in Abmessungen und Ausgestaltung der für Kleinspielfelder als Anlagen für den Wettkampfsport geltenden DIN-Normung 18035:2018-09 “Sportplätze – Teil 1: Freianlagen für Spiele und Leichtathletik – Planung und Maße”, Nr. 5.3.1 entspricht, denn hieraus lässt sich ableiten, dass es bei seinem Bau Genehmigung als Sport- nicht als reine Freizeitanlage konzipiert wurde.

Nicht erforderlich ist nach den obenstehenden Maßgaben in der erforderlichen Gesamtabwägung, dass die Kleinspielfelder ausschließlich für geregelten beziehungsweise organisierten Sport praktisch genutzt werden.

Es genügt vielmehr, wenn sie auch zu sportlichen Zwecken dienen. Je nach Erscheinungsform der Sportart kommt den Kriterien der körperlichen Bewegung, dem Wettkampf- und Leistungsstreben, dem Vorhandensein von Regeln und Organisationsformen und der Betätigung als Selbstzweck ohne produktive Absichten ein unterschiedliches Gewicht zu, auch müssen nicht alle gleichzeitig erfüllt sein. Insbesondere im Bereich des Breiten- und Freizeitsports etwa ist der Wettkampf- und Leistungscharakter unterzugewichten.

Vgl. BayVGH, Urteil vom 24. August 2007 – 22 B 05.2870 -; VG Ansbach, Urteil vom 28. Oktober 2021 – AN 17 K 20.00907 -; Reidt/Schiller in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, 95. EL Mai 2021, § 1 18. BImSchV Rn. 27.

Auch unter Beachtung dieser Maßgaben im Zuge der Einzelfallprüfung, mithin hinsichtlich der tatsächlichen Zweckbestimmung der Anlagen, erweist sich die Einordnung als Sportanlage im Sinne der 18. BImSchV (Sportanlagenlärmschutzverordnung) zur Überzeugung des Gerichts als zutreffend. Die Kleinspielfelder wurden ausweislich der Stellungnahme der Beigeladenen vom 2. August 2024 bis zur Restrukturierung des Schulgeländes am Standort N.———-straße 0 für viele Jahre auch zum Zwecke des Schulsports genutzt.

Nach Abschluss der aktuell noch laufenden baulichen und organisatorischen Restrukturierung ist die Weiternutzung zum Schulsport im Wege einer Mitnutzung durch die am Standort neu angesiedelte Michael-Ende Schule von Seiten der beigeladenen Gemeinde konkret beabsichtigt. Dass sie darüber hinaus auch von Jugendlichen und jungen Erwachsenen in deren Freizeit genutzt werden, führt insbesondere angesichts ihrer objektiven Ausgestaltung (s.o.) im Zuge der Einzelfallprüfung nicht zwingend zu einer Einordnung als Freizeitlange im Sinne der sogenannten Freizeitlärmrichtlinie NRW. Denn auch von Jugendlichen und jungen Erwachsenen nach Regeln, aber ohne organisatorischen Überbau und Ligabetrieb oder Schiedsrichter betriebenes Handball-, Basketball-, Fußball- oder Volleyballspiel, Spielen, die allesamt olympische Disziplinen sind und organisierten Vereinssport kennen, kann nach den vorstehenden Maßgaben Sport – Freizeitsport – im Sinne der Sportanlagenlärmschutzverordnung sein und grenzt sich nach seiner Ausgestaltung und einer auch in der bewussten körperlichen Ertüchtigung liegenden Zwecksetzung von nur auf kleinräumigen Feldern betriebenem Ballspiel von Kindern erkennbar ab. Dies gilt auch dann, wenn sich bei einer zukünftigen Nutzung überwiegend Jugendliche in ihrer Freizeit auf den Kleinspielfeldern sportlich betätigen werden, weil auch deren reine Freizeitsportnutzung auf den für regelkonformes Handball oder 6 vs. 6 bzw. 8 vs. 8-Fußball, Volleyball-, beziehungsweise Tennis- oder Basketballspiel objektiv geeigneten Kleinspielfeldern zur Überzeugung des Gerichts im hier vorliegenden Einzelfall (§ 108 Abs. 1 VwGO) einer sportlichen Betätigung kraft des Vorhandenseins von Regeln (z.B. Spielfeldaus, Zählen von Toren, Foulspiel mit Straf- und Freistoß etc.), des Zwecks der körperlichen Ertüchtigung Jugendlicher und der Ausgestaltung als Selbstzweck ohne produktive Absichten einer sportlichen Betätigung näher kommt als einer reinen Freizeitbetätigung. Soweit der Kläger anführt, die Anwendung derartiger allgemein anerkannter Regeln insbesondere des Fußballspiels erfolge auch – aber eben unter spielerischer Abwandlung (“drei Ecken – ein Elfer”) auf Bolzplätzen und genüge nicht, um die sportliche Betätigung über den Bereich der Freizeitbetätigung hinauszuheben, folgt das Gericht dem nach umfassender Prüfung und Abwägung aller Umstände des Einzelfalls insbesondere mit Blick auf die objektiv für organisierten Sport geeignete Ausgestaltung der Kleinspielfelder nicht. Insofern wird aufgrund der nachfolgend zum richterlichen Hinweis aus März 2024 zur Gerichtsakte gereichten, eingehenden ergänzenden Informationen zur objektiven Ausgestaltung des Multifunktionsfeldes an der im Hinweis zum Ausdruck gebrachten Auffassung nicht festgehalten.

Zutreffend ist auch die Einordnung der Pumptrack-Anlage als nach der Freizeitlärmrichtlinie NRW zu beurteilende Freizeit-, nicht Sportanlage i.S.d. 18. BImSchV. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen in der Stellungnahme der Immissionsschutzbehörde des Beklagten Bezug genommen. Die auf Pumptrack-Anlagen erfolgenden körperlichen Betätigungen gehören nicht zu einem olympischen oder im weiteren Sinne organisierten Verbandssport und erfolgen auch nicht nach einem in vergleichbarer Weise zu reinem, wettkampffernen Freizeithandball, -volleyball oder -fußball ausgestaltetem Regelwerk. Sie sind daher der reinen, bewegungsorientierten Freizeitgestaltung zuzuordnen.

b) Der Umstand, dass das Gutachten S. 2019 weder anlagenbezogenen PKW-Verkehr noch die Verwendung von Bluetooth-Boxen zur Beschallung der Freizeitaktivität auf der Pumptrack-Anlage als Emissionsquellen in Rechnung gestellt hat, stellt die Plausibilität der Prognose nicht durchgreifend in Frage.

Soweit es die Nutzung von “Ghettoblastern” oder Bluetooth-Boxen zum lauten Musik hören auf dem Vorhabengrundstück betrifft, war diese bei Erstellung der Prognose nicht zugrunde zu legen. Maßgeblich für die Erstellung einer Schallimmissionsprognose im Baugenehmigungsverfahren kann nur die rechtmäßige bzw. bestimmungsgemäße Nutzung der beantragten Anlage sein (vgl. Nr. 1.1 Sportanlagenlärmschutzverordnung: “Den Sportanlagen sind folgende bei bestimmungsgemäßer Nutzung auftretende Geräusche zuzurechnen (…)”, Hervorhebung des Gerichts). Einer missbräuchlichen Nutzung der streitgegenständlichen Anlagen etwa durch permanente laute Musikbegleitung der Freizeitbewegung oder des Sports ist bei Vorliegen der Voraussetzungen von klägerischer Seite analog § 1004 BGB mit den Mitteln des baurechtlichen Unterlassungsanspruchs bzw. durch den Beklagten mit den Mitteln des Ordnungsrechts zu begegnen.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 13. September 2023 – 10 B 812/23 -.

Sie wirkt sich nicht auf die Rechtmäßigkeit der erteilten Baugenehmigung aus.

Auch mit Blick auf die Einbeziehung etwaigen Verkehrslärms erweist sich die gutachtliche Prognose, dass die für ein Allgemeines Wohngebiet einzuhaltenden Immissionsrichtwerte eingehalten werden können, nicht als unplausibel im Sinne der vorstehenden Maßstäbe.

Soweit es sich bei den streitbefangenen Anlagen um Sportanlagen i. S. d. Sportanlagenlärmschutzverordnung (18. BImSchV) handelt, also hinsichtlich der Kleinspielfelder, regelt diese die Berücksichtigung von Verkehrsimmissionen in ihrem Anhang 1 Nr. 1.1 d) und Nr. 1.1 Abs. 2. Demnach sind den Sportanlagen bei bestimmungsgemäßer Nutzung auftretende Geräusche, die von Parkplätzen auf dem Anlagengelände ausgehen, zuzurechnen. Verkehrsgeräusche einschließlich der durch den zu- und Abgang der Zuschauer verursachten Geräusche auf öffentlichen Verkehrsflächen außerhalb der Sportanlage durch das der Anlage zuzuordnende Verkehrsaufkommen sind bei der Beurteilung gesondert von den anderen Anlagengeräuschen zu betrachten und nur zu berücksichtigen, sofern sie nicht im Zusammenhang mit seltenen Ereignissen auftreten und im Zusammenhang mit der Nutzung der Sportanlage den vorhandenen Pegel der Verkehrsgeräusche rechnerisch um mindestens 3 dB(A) erhöhen.

Mit Blick auf die geringe Größe der Anlagen und deren praktische Nutzung für Freizeitsport sowie ggf. im Zuge des Schulsports erscheint es plausibel, dass im Gutachten (L. 1996, S. 11, 16 f., vgl. Bl. 42, 44 VV) die von den Anlagen zuzuordnenden Parkplätzen ausgehenden Lärmimmissionen mit betrachtet worden sind, nicht aber darüberhinausgehende Lärmimmissionen im Sinne der Nr. 1.1 Absatz 2 des Anhangs 1 der Sportanlagenlärmschutzverordnung (18. BImSchV). Dies gilt insbesondere, weil nach § 5 Abs. 3 Satz 2 Sportanlagenlärmschutzverordnung (18. BImSchV) die einer – damals noch regelmäßig vorhandenen – schulischen Nutzung zuzurechnenden Teilzeiten im Sinne von Nr. 1.3.2.3 des Anhangs 1 außer Betracht zu lassen sind. Dies schließt nach der systematischen Stellung der Nr. 1.3.2.3 des Anhangs 1 die mit der schulischen Nutzung verbundenen, insoweit mit zu betrachtenden Parkplatz- und Verkehrsimmissionen ein.

Auch mit Blick auf die Schallimmissionsprognose zur nach der Freizeitlärmrichtlinie NRW zu beurteilenden Pumptrack-Anlage (S. 2019) ergibt sich mit Blick auf etwaige Verkehrsgeräusche nichts Anderes. Zwar stellt die Freizeitlärmrichtlinie auch insoweit strengere Voraussetzungen auf als die Sportanlagenlärmschutzverordnung, indem sie unter Nr. 3 Freizeitlärmrichtlinie NRW mit gewissen Einschränkungen auf die TA Lärm (6. BImSchV), dort insbesondere Nr. 7.4 verweist.

Nach Nr. 7.4 TA Lärm sind insbesondere Fahrzeuggeräusche auf dem Betriebsgrundstück sowie bei der Ein- und Ausfahrt, die in Zusammenhang mit dem Betrieb der Anlage entstehen, der zu beurteilenden Anlage zuzurechnen und zusammen mit den übrigen zu berücksichtigenden Anlagengeräuschen bei der Ermittlung der Zusatzbelastung zu erfassen und zu beurteilen. Vor dem Hintergrund, dass auf dem “Betriebsgrundstück” selbst – hier dem Vorhabengrundstück – bei bestimmungsgemäßer Nutzung, also insbesondere nicht etwa bei missbräuchlicher Nutzung des Pumptracks unter Verwendung von Mopeds oder Motorrollern, keine Fahrzeuggeräusche zu erwarten sind (vgl. S. 2019, Abschnitt 2, Einleitung und Abschnitt 6, Berechnungsgrundlagen, Bl. 61R und Bl. 64, 64R VV), erscheint es plausibel, dass der Gutachter diese nicht in seine Prognose einbezogen hat. Selbst wenn man die beim Einparken auf den unmittelbar an die öffentliche Straße angrenzenden Parkplätze auf dem Vorhabengrundstück als Fahrzeuggeräusche auf dem Betriebsgrundstück wertete, stellt deren Nichtberücksichtigung nicht ernstlich in Frage, dass das Gutachten sich “auf der sicheren Seite” befindet, mithin plausibel ist. Denn die errechneten Beurteilungspegel liegen auch am Immissionsort auf dem Grundstück des Klägers ca. 10 dB(A) unter den hierfür maßgeblichen Immissionsrichtwerten.

Geräusche des An- und Abfahrtsverkehrs hat der Gutachter plausibler Weise nicht in seine Prognose einbezogen, weil darauf gestützte Maßnahmen organisatorischer Art schon deshalb nicht greifen konnten, weil unmittelbar mit dem Abfahren von den auf dem Vorhabengrundstück unmittelbar an der Grundstücksgrenze liegenden Parkplätzen eine Vermischung mit dem übrigen Verkehr erfolgt.

c) Der Umstand, dass das Gutachten S. 2019 bei der Erstellung der Schallimmissionsprognose keine Vorbelastung durch die vorhandenen Kleinspielfelder berücksichtigt hat, zieht die Tauglichkeit der Prognose zur Überzeugung des Gerichts ebenfalls nicht durchgreifend in Zweifel.

Nach der zur Prognose von Immissionen durch die Pumptrack-Anlage maßgeblichen Freizeitlärmrichtlinie sind die Bestimmungen der TA Lärm (6. BImSchV) unter Berücksichtigung der besonderen Maßgaben der Freizeitlärmrichtlinie anzuwenden. Diese enthält in Nr. 3.2.1 Sätze 2 und 3 und am Ende der Nummer das im Gutachten – zutreffend – angewandte sog. Irrelevanzkriterium. Nach den vorstehenden Ausführungen zu den einbezogenen Emissionsquellen ist die gutachtliche Annahme auch im Sinne des obenstehenden Maßstabs plausibel, dass die Voraussetzungen des Irrelevanzkriteriums im vorliegenden Fall vorliegen, da die nach der vorstehenden Prüfung plausibel prognostizierten Beurteilungspegel die Immissionsrichtwerte der Freizeitlärmrichtlinie NRW für Allgemeine Wohngebiete an den betrachteten Immissionsorten auf dem klägerischen Grundstück um mehr als 6 dB(A) unterschreiten, nämlich um mindestens 8,4 dB(A) und höchstens 10,7 dB(A).

d) Auch die geltend gemachten “Ungenauigkeiten und Unklarheiten” führen nach den vorstehenden Maßstäben nicht dazu, dass das Gutachten S. 2019 für die Prognose der zu erwartenden Lärmimmissionen ungeeignet wäre. Das Gutachten befindet sich gerade auch mit Blick auf die nach Vorstehendem errechneten erheblichen Unterschreitungen der Immissionsrichtwerte vielmehr so deutlich “auf der sicheren Seite”, dass eine Überschreitung mit der nach § 108 Abs. 1 VwGO maßgeblichen für das praktische Leben genügenden, Zweifeln ohne sie ganz auszuschließen Schweigen gebietenden Gewissheit ausgeschlossen werden kann.

3. Die der Beigeladenen vom Beklagten erteilte Baugenehmigung vom 14. Oktober 2022 ist auch nicht deshalb gegenüber dem Kläger rücksichtslos, weil sie mit Blick auf die tatsächliche Vollziehung ihrer Auflagen defizitäre Nebenbestimmungen enthielte.

Die Frage der Vollziehung der Auflagen zu Nutzungszeiten wirkt sich nicht unmittelbar auf die Rechtmäßigkeit der erteilten Baugenehmigung aus. Inhalt der Baugenehmigung muss grundsätzlich nur die immissionsschutzrechtlich zutreffende und nach plausiblen Gutachten praktisch realisierbare Beschränkung zulässiger Immissionen einschließlich etwaiger Nutzungszeiten sein, soweit dies erforderlich ist, um schädliche Umwelteinwirkungen auf die Nachbarschaft auszuschließen. Die streitgegenständliche Baugenehmigung enthält entsprechende Auflagen.

Maßnahmen zur Einhaltung dieser (vollstreckbaren, vgl. § 36 VwVfG NRW) Auflagen sind nicht Gegenstand des Baugenehmigungsverfahrens, sondern etwaiger (allgemeiner oder baurechtlicher) Ordnungsverfahren.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 13. September 2023 – 10 B 812/23 -.

Es obliegt auch grundsätzlich der Beigeladenen, nach eigenem Ermessen sicherzustellen, dass die entsprechenden Maßgaben der Baugenehmigung eingehalten werden. Dabei ist es unschädlich, wobei es nicht zwingend rechtlich erforderlich sein dürfte, wenn die Baugenehmigung insoweit – wie hier mit der Aufstellung von Hinweisschildern für die zulässigen Nutzungszeiten – bereits Vorgaben enthält. Wie bereits ausgeführt, können bei wiederholter missbräuchlicher Nutzung der genehmigten Anlagen von der Beigeladenen in entsprechender Anwendung von § 1004 BGB bei Vorliegen der Voraussetzungen des Anspruchs weitere Vollziehungsmaßnahmen wie etwa die Beauftragung eines Sicherheitsdienstes – soweit nicht schon erfolgt – etc. verlangt werden.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 13. September 2023 – 10 B 812/23 -.

Auf die hier allein streitgegenständliche Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung wirkt sich eine mögliche missbräuchliche und von der Genehmigung nicht erfasste Nutzung hingegen nicht aus.