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BGH zu der Frage der strafrechtlich relevanten Pflichtwidrigkeit, wenn der Bürgermeister nicht das sparsamste im Sinne des niedrigsten Angebots wählt

BGH zu der Frage der strafrechtlich relevanten Pflichtwidrigkeit, wenn der Bürgermeister nicht das sparsamste im Sinne des niedrigsten Angebots wählt

vorgestellt von Thomas Ax

Ein Entscheidungsträger handelt im Bereich der öffentlichen Verwaltung pflichtwidrig, wenn er nicht das sparsamste im Sinne des niedrigsten Angebots wählt. Beim Unterlassen eines Preisvergleichs oder einer Ausschreibung kommt eine Strafbarkeit bei evidenten und schwerwiegenden Pflichtverstößen in Betracht. Ein Vermögensnachteil kann bei der Haushaltsuntreue auch nach den Grundsätzen des persönlichen Schadenseinschlags eintreten.

BGH, Beschluss vom 08.01.2020 – 5 StR 366/19

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Untreue zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Die Revision des Angeklagten ist mit der Sachrüge – wie aus der Beschlussformel ersichtlich – überwiegend erfolgreich, im Übrigen aber im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO unbegründet (vgl. Antragsschrift des Generalbundesanwalts).

I.

1. Das Landgericht hat Folgendes festgestellt:

a) Der Angeklagte war seit 1. Oktober 2014 verbeamteter Oberbürgermeister der Kreisstadt H. . Diese beschäftigt etwa 450 Mitarbeiter und verwaltet einen Haushalt in Höhe von 90 bis 100 Millionen Euro. Nach der Geschäftsordnung des Stadtrats der Stadt H. war der Angeklagte zur eigenständigen Vergabe von Aufträgen bis zu einer Höhe von 25.000 Euro berechtigt. Höhere Ausgaben hatten der Stadtrat oder ein Ausschuss zu beschließen.

Seit mehreren Jahren gab es Hinweise darauf, dass Mitarbeiter des städtischen Baubetriebshofs während der Arbeitszeit private Tätigkeiten verrichteten, insbesondere im Staatsforst Holz fällten und auf eigene Rechnung verkauften. In seinem Wahlkampf 2014 hatte der Angeklagte versprochen, diese Missstände als Oberbürgermeister zu beseitigen; er wurde gewählt und trat am 1. Oktober 2014 sein Amt an.

Im Jahr 2015 verdichteten sich die Hinweise auf straf- und arbeitsrechtliches Fehlverhalten. Der Angeklagte bat den Leiter des Rechtsamts J. um Prüfung, ob die Überwachung von Mitarbeitern durch eine Detektei rechtmäßig sei, was dieser nach Recherche bejahte. In einer Fachbereichsleiterbesprechung Anfang September 2015 kamen die Beteiligten (Leiter der Kämmerei W. , Hauptamtsleiter M. , Leiter des Rechtsamts J. und der Angeklagte) überein, eine Detektei zu suchen und die Beauftragung geheim zu halten; die Kosten sollten aus dem Haushaltstitel “Personalbudget” bezahlt werden. Aufgrund einer Anzeige in der Neuen Juristischen Wochenschrift (NJW) vereinbarte der Zeuge J. mit der in D. ansässigen Detektei K. C. einen Termin mit deren Geschäftsführer L. und dem Angeklagten am 1. Oktober 2015.

Bei diesem Termin erteilte der Angeklagte der Detektei den Überwachungsauftrag. Als Nettopreise wurden für jeden eingesetzten Detektiv 100 Euro pro Stunde zwischen 8 und 18 Uhr an Werktagen sowie 150 Euro pro Stunde für die sonstige Zeit und an Samstagen und Sonntagen, die Übernahme von Sachkosten und Übernachtungskosten nach Aufwand sowie 15 Euro “Bereitstellungspauschale” für jeden eingesetzten Pkw pro Stunde zuzüglich einer Kilometerpauschale von 1,30 Euro vereinbart. Zusätzlich waren für die Abwicklung des Auftrags 25 % des Rechnungsnettobetrages als “Besondere Verwaltungs- und Bearbeitungskosten” vorgesehen. Der Vertrag konnte ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist jederzeit beendet werden. Eine Überprüfung der Marktüblichkeit dieser Preise erfolgte nicht.

In Umsetzung des Vertrages begann am 1. November 2015 die Überwachung von drei Mitarbeitern des Baubetriebshofs durch zunächst zwei Detektive. Am 4. November 2015 wurde sie durch den Angeklagten auf Anraten des Zeugen L. auf drei Detektive erweitert. Dieser informierte den Angeklagten telefonisch regelmäßig über den Sachstand. Am 3. Dezember 2015 kam es auf Wunsch von L. zu einer Besprechung zwischen ihm, dem Angeklagten und den Zeugen M. und W. . Dabei wurden als Ergebnis der bisherigen Überwachung Videosequenzen gezeigt, auf denen Mitarbeiter der Stadt dabei waren, im Wald Holz zu sammeln und zu verladen. Eine Abschlagszahlung für die bisherigen Leistungen in Höhe von 100.000 Euro wurde vereinbart und am 6. Dezember 2015 nebst Umsatzsteuer gezahlt.

Der Angeklagte ließ die Überwachung bis 18. Dezember 2015 fortführen. Anschließend stellte die Detektei eine Rechnung über 276.762,43 Euro netto (328.157,29 Euro brutto), die der Angeklagte im Januar 2016 als sachlich und rechnerisch richtig abzeichnete und zur Zahlung freigab. Die Stadt H. zahlte in der Folgezeit darauf lediglich weitere 140.004,26 Euro, einschließlich der Abschlagzahlung also insgesamt 259.004,26 Euro brutto. Bezüglich des Restbetrages in Höhe von knapp 70.000 Euro berief sich der Zeuge J. darauf, dass die Vereinbarung des pauschalen Aufschlags in Höhe von 25 % unwirksam, die erbrachte Leistung teilweise mangelhaft und der Einsatz der Detektive nicht wirtschaftlich erfolgt sei. Die Detektei macht den Restbetrag klageweise gegen die Stadt H. geltend.

b) Zum Vorsatz des Angeklagten hat das Landgericht festgestellt, die Überwachung habe nach seiner Vorstellung von vornherein mindestens bis zum 18. Dezember 2015 erfolgen sollen. Er sei sich bei der Beauftragung bewusst gewesen, dass er damit den ihm eingeräumten Verfügungsrahmen von 25.000 Euro überschreite. Zudem habe er bei Abschluss des Vertrages billigend in Kauf genommen, dass die Preise der Detektei über dem üblichen Marktpreis lägen, die Stadt H. deshalb mit unnötig hohen Kosten belastet würde und ihr in Höhe der Differenz zwischen der vereinbarten Vergütung und dem Marktpreis ein Schaden entstehe.

c) Nach Auffassung der Strafkammer ist der Stadt H. ein “Vermögens(gefährdungs)schaden” in Höhe von mindestens 133.633,95 Euro entstanden. In diesem Umfang lägen die von der Detektei verlangten Preise über dem von einem Sachverständigen durch verdeckte Befragung von Marktteilnehmern ermittelten durchschnittlichen Marktpreis. Da die Stadt bislang nur einen Teil der Schlussrechnung bezahlt habe, habe sich der Schaden bislang lediglich in Höhe von 64.480,92 Euro realisiert.

II.

Die Revision des Angeklagten führt mit der Sachrüge zur überwiegenden Aufhebung des Urteils. Das Landgericht ist für die Frage einer Untreuestrafbarkeit teils von einem falschen rechtlichen Maßstab ausgegangen, teils sind die Feststellungen nicht durch eine tragfähige Beweiswürdigung belegt.

1. Dem Angeklagten kam, wie die Strafkammer zutreffend festgestellt hat, als vertretungsberechtigtem Oberbürgermeister (vgl. § 59 des saarländischen Kommunalselbstverwaltungsgesetzes, KSVG) eine Vermögensbetreuungspflicht gegenüber der Stadt H. zu (vgl. zur Treupflicht von Bürgermeistern nur BGH, Urteile vom 8. April 2003 – 5 StR 448/02, NStZ 2003, 541; vom 8. Mai 2003 – 4 StR 550/02, NStZ 2003, 540; vom 9. Dezember 2004 – 4 StR 294/04, NStZ-RR 2005, 83; vom 29. August 2007 – 5 StR 103/07, NStZ 2008, 87, und vom 24. Mai 2016 – 4 StR 440/15, NStZ 2016, 600; Beschlüsse vom 25. April 2006 – 1 StR 539/05, wistra 2006, 306; vom 13. Februar 2007 – 5 StR 400/06, NStZ 2007, 579; vom 13. April 2011 – 1 StR 592/10, NStZ 2011, 520, und vom 19. September 2018 – 1 StR 194/18, NJW 2019, 378; vgl. zu Untreuehandlungen im Rahmen kommunaler Tätigkeit auch BGH, Beschluss vom 25. April 2019 – 1 StR 427/18, ZWH 2019, 282; Saliger/Schweiger, ZG 2018, 16; AnwK-StGB/Esser, 2. Aufl., § 266 Rn. 271 ff.; Meyer, KommJur 2010, 81; Mandsörfer, DVBl 2010, 479; Kiethe, NStZ 2005, 529; Allgaier, DÖD 2003, 121; Fabricius, NStZ 1993, 414; Neye, NStZ 1981, 369, je mwN).

2. Der Inhalt der Treupflicht des Angeklagten wurde durch die rechtlichen Rahmenbedingungen seiner Tätigkeit als Oberbürgermeister bestimmt. Zum einen durfte er nach der Geschäftsordnung des H. er Stadtrats eigenständig nur Aufträge bis zu einer Höhe von 25.000 Euro vergeben. Zum anderen musste er bei der eigenen Auftragsvergabe die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit beachten. Beide Pflichten, die das Landgericht jeweils als verletzt ansieht, galten unabhängig voneinander.

3. Ein nach § 266 StGB strafbarer Pflichtverstoß durch die Beauftragung der Detektei zu überhöhten Preisen wird durch die Feststellungen nicht getragen (a), während andererseits die Feststellung, der Angeklagte habe von vornherein einen Auftrag im Wert von über 25.000 Euro vergeben wollen und deshalb seine Treupflicht verletzt, nicht durch eine tragfähige Beweiswürdigung belegt ist (b).

a) Soweit das Landgericht von einer strafbaren Treupflichtverletzung des Angeklagten durch die ungeprüfte Erteilung des Auftrags zu marktunüblich hohen Preisen ausgegangen ist, hat es jedenfalls teilweise einen unzutreffenden rechtlichen Maßstab angelegt.

aa) Rechtsfehlerfrei ist allerdings der Ausgangspunkt der Strafkammer, dass der Angeklagte bei der Auftragsvergabe an die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit (vgl. § 7 LHO, § 82 2 KSVG) gebunden war. Es ist anerkannt, dass ein Verstoß gegen das haushaltsrechtliche Gebot der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit eine untreuerelevante Pflichtwidrigkeit darstellen kann (vgl. BGH, Beschluss vom 26. November 2015 – 3 StR 17/15, BGHSt 61, 48, 70 mwN). Dieses Gebot soll die bestmögliche Nutzung der öffentlichen Ressourcen sicherstellen und bezweckt, dass die günstigste Relation zwischen dem verfolgten Zweck und den einzusetzenden Mitteln angestrebt wird. Seine Ausprägungen sind das Maximalprinzip, wonach mit einem bestimmten Mitteleinsatz das bestmögliche Ergebnis erzielt werden soll, und das Minimalprinzip (auch Sparsamkeitsprinzip), wonach das Ziel mit möglichst geringem Mitteleinsatz zu erreichen ist. Es stellt dabei nur einen äußeren Begrenzungsrahmen des bestehenden Entfaltungs- und Gestaltungsspielraums dar und verhindert nur solche Maßnahmen, die mit den Grundsätzen vernünftigen Wirtschaftens schlicht unvereinbar sind (vgl. zu alledem BGH, aaO, S. 70 f. mwN).

Der Sparsamkeitsgrundsatz verpflichtet deshalb nicht zur Kostensenkung um jeden Preis (vgl. BGH, Urteile vom 29. August 2007 – 5 StR 103/07, NStZ 2008, 87, und vom 24. Mai 2016 – 4 StR 440/15, NStZ 2016, 600). Der Entscheidungsträger handelt auch im Bereich der öffentlichen Verwaltung nicht etwa stets pflichtwidrig, wenn er nicht das sparsamste im Sinne des niedrigsten Angebots wählt (BGH, Urteil vom 29. August 2007 – 5 StR 103/07 aaO; AnwK-StGB/Esser, 2. Aufl., § 266 Rn. 272). Eine Untreue kommt bei derartigen Ermessensentscheidungen vielmehr nur bei einem evidenten und schwerwiegenden Pflichtverstoß, also dann in Betracht, wenn die Pflichtverletzung gravierend ist (vgl. nur BGH, Urteil vom 12. Oktober 2016 – 5 StR 134/15, NJW 2017, 578; BVerfGE 126, 170, 217 f.; zusammenfassend Wegner, ZStW 2019, 319, je mwN).

Gerade bei der Beauftragung einer Detektei durch die öffentliche Hand wird der Auftraggeber angesichts der Ungeregeltheit des Berufsbildes (es gibt weder einen anerkannten Ausbildungsgang noch eine Berufsordnung noch eine gesetzlich geschützte Berufsbezeichnung) und der vom Landgericht geschilderten großen Unterschiede zwischen den Detekteien ganz wesentlich auf Faktoren wie Seriosität, Auftreten am Markt, Größe, Dauer des Bestehens, Empfehlungen, Bewertungen und den persönlichen Eindruck abstellen dürfen. Gibt der öffentliche Auftraggeber diesen Faktoren gegenüber dem Preis den Vorrang, liegt ein evidenter und schwerwiegender Pflichtverstoß fern.

bb) Dafür, dass es dem Angeklagten und den übrigen Beteiligten vorliegend vor allen Dingen um die Auftragsvergabe an einen seriösen und am Markt anerkannten Anbieter ging, spricht die Feststellung des Landgerichts, der Zeuge J. sei aufgrund einer in der NJW geschalteten Anzeige auf die Detektei aufmerksam geworden und nach Recherche im Internet zu dem Schluss gekommen, dass sie seriös und geeignet sei. Auf dieser Grundlage habe er einen Termin mit dem Zeugen L. und dem Angeklagten für den 1. Oktober 2015 in H. vereinbart. Die vereinbarten Preise waren nach dem eingeholten Sachverständigengutachten angesichts des pauschalen Aufschlags von 25 % zwar höher als die Preise anderer Detekteien (tagsüber anfallende Stundensätze dort zwischen 49 und 98 Euro gegenüber 125 Euro bei K. C. ), aber nicht derart überhöht, dass sie wirtschaftlich völlig aus dem Rahmen fielen.

Dass der Angeklagte vor der Auftragsvergabe gleichwohl nicht mehrere Angebote vergleichbar seriöser Detekteien eingeholt, sondern sich auf die Recherche des Zeugen J. verlassen hat, lässt sein Handeln – wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat – zwar pflichtwidrig erscheinen (vgl. zum Grundsatz der Wirtschaftlichkeit bei der Vergabe öffentlicher Aufträge auch Art. 97 Abs. 1 GWB; vgl. zur möglichen Untreuestrafbarkeit bei Verstößen gegen das Vergaberecht Simonis, CCZ 2016, 70, 74 f.; Kretschmer, ZWH 2013, 355). Ein evidenter und schwerwiegender Pflichtverstoß im Sinne einer gravierenden Pflichtverletzung ist damit aber angesichts der Besonderheiten der beauftragten Dienstleistung (noch) nicht belegt.

b) Dass der Angeklagte seine Vermögensbetreuungspflicht dadurch verletzt hat, dass er schon bei der Vertragsunterzeichnung am 1. Oktober 2015 bewusst die 25.000-Euro-Grenze für eigene Auftragsvergaben überschritt, wird nicht durch eine tragfähige Beweiswürdigung belegt (vgl. zum Maßstab der revisionsgerichtlichen Kontrolle nur BGH, Urteil vom 4. Juli 2018 – 5 StR 46/18 mwN).

Die Beweiswürdigung zu der Feststellung, dass der Angeklagte entgegen seiner Einlassung nicht von einer Überwachungsdauer von etwa zwei Wochen, sondern bereits bei Unterzeichnung des jederzeit mit sofortiger Wirkung kündbaren Vertrages von einem Überwachungszeitraum “mindestens bis 18. Dezember 2015” und deshalb angesichts der ihm bekannten Stundensätze von einem größeren Auftragsvolumen als 25.000 Euro ausgegangen ist, erweist sich als lückenhaft.

Das Landgericht hat seine Überzeugungsbildung damit begründet, dass der Vertrag auf unbestimmte Zeit abgeschlossen worden sei, keine Wiedervorlagefrist habe gefunden werden können, der Vertrag schließlich bis zum 18. Dezember 2015 durchgeführt worden sei, ohne dass der Angeklagte Maßnahmen zur Beendigung der Überwachung getroffen habe, der Termin am 3. Dezember 2015 auf Betreiben des Zeugen L. zustande gekommen sei, der Angeklagte trotz fast täglicher Telefonate mit der Detektei nicht über die Kosten des Einsatzes gesprochen, sondern gesagt habe, man solle weitermachen, und er erst im Laufe des Novembers 2015 dem Zeugen L. mitgeteilt habe, dass die Überwachung wegen der anstehenden Weihnachtsferien am 18. Dezember 2015 enden solle.

Bei dieser Würdigung hat das Landgericht gegenläufige Argumente nicht in seine Überzeugungsbildung eingestellt. So hat es nicht erkennbar bedacht, dass das Erreichen des Ziels des Vertrages – die beweiskräftige Überführung mehrerer Mitarbeiter – auch weit vor dem 18. Dezember 2015 möglich war. Überdies hat die Strafkammer nicht erörtert, dass der Angeklagte bei Vertragsschluss gerade nicht mit dem Zeugen L. vereinbart hatte, dass die Überwachung von vornherein bis 18. Dezember 2015 durchgeführt werden sollte. Zudem ist nicht ohne weiteres nachvollziehbar, weshalb die – angesichts des Auftragsinhalts naheliegende – unbestimmte Dauer des Vertrages mit jederzeitiger Kündigungsmöglichkeit, die tägliche Kontaktaufnahme mit der Detektei und schließlich die Mitteilung an den Zeugen L. erst im Laufe des November 2015, die Überwachung solle am 18. Dezember 2015 enden, dafür sprechen sollen, dass der Angeklagte bereits am 1. Oktober 2015 vorhatte, den Vertrag erst zum 18. Dezember 2015 enden zu lassen.

4. Dem Senat ist es verwehrt, den Schuldspruch auf durch Unterlassen begangene Untreue umzustellen.

a) Zwar sind die Voraussetzungen einer vorsätzlichen Treupflichtverletzung durch Unterlassen nach den Feststellungen jedenfalls ab 3. Dezember 2015 belegt. Aufgrund der internen Begrenzung seiner Vergabemöglichkeit auf Aufträge bis 25.000 Euro hätte der Angeklagte entweder den Vertrag von vornherein bis zum Erreichen dieser Summe begrenzen oder durch fortlaufende Nachfrage bei der Detektei sicherstellen müssen, dass die Summe nicht überschritten würde. Nach den insoweit rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Landgerichts erkannte der Angeklagte spätestens in der Besprechung am 3. Dezember 2015 durch die Forderung einer Abschlagszahlung in Höhe von 100.000 Euro, dass der Rahmen eigenständiger Auftragsvergabe weit überschritten worden war. Die ihm obliegende und durch die Geschäftsordnung des Stadtrats der Stadt H. konkretisierte Treupflicht hätte spätestens in diesem Zeitpunkt gefordert, dass er den Vertrag mit sofortiger Wirkung gekündigt und die Frage einer weitergehenden Beauftragung dem Stadtrat oder dem zuständigen Ausschuss überlassen hätte. Dass der Angeklagte angesichts des seit Jahren bestehenden Verdachts gegen städtische Mitarbeiter insoweit keine Eilkompetenz (vgl. auch § 61 KSVG) in Anspruch nehmen konnte, hat die Strafkammer rechtsfehlerfrei festgestellt. Eine Kündigung mit sofortiger Wirkung war nach dem Vertrag rechtlich möglich und dem Angeklagten auch ohne weiteres zumutbar.

b) Es liegt nicht fern, dass durch diese – auch von der Staatsanwaltschaft in ihrer Anklageschrift angenommene – durch Unterlassen begangene gravierende Treupflichtverletzung ein Schaden in voller Höhe der ab 3. Dezember 2015 angefallenen Kosten entstanden ist. In diesem Fall käme es auf die Frage, ob der Angeklagte eine vergleichbar seriöse Detektei zu günstigeren Bedingungen hätte beauftragen können, nicht an.

aa) Hätte der Angeklagte pflichtgemäß spätestens am 3. Dezember 2015 den Vertrag mit der Detektei mit sofortiger Wirkung gekündigt, wären weitere Kosten vermieden worden (hypothetische Kausalität). Anders wäre es nur, wenn der Stadtrat oder der zuständige Ausschuss mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit den Vertrag zu den vereinbarten Bedingungen bis mindestens 18. Dezember 2015 (oder einen ähnlich langen Zeitraum) fortgeführt hätte, die Kosten also ohnehin angefallen wären. Dazu hat das Landgericht bislang – von seinem rechtlichen Standpunkt aus konsequent – keine Feststellungen getroffen.

bb) Die als Gegenleistung für die Zahlungsverpflichtung ab 4. Dezember 2015 erbrachten Dienstleistungen der Detektei könnten für die Stadt H. unter dem Gesichtspunkt des – auch bei der Haushaltsuntreue relevanten (vgl. BVerfG, NJW 2013, 365, 367 mwN) – persönlichen Schadenseinschlags dann ohne kompensierbaren Wert gewesen sein, wenn sie aus Sicht der Stadt aufgrund der konkreten Situation subjektiv wertlos gewesen wären (vgl. zur Problematik ausführlich auch Schünemann, Leipziger Praxiskommentar Untreue, § 266 Rn. 293 ff. mwN). Dafür könnte etwa sprechen, dass – wie die Ahndung des Geschehens durch den saarländischen Datenschutzbeauftragten mittels Bußgeldbescheides nahelegt – die Grenzen zulässiger Mitarbeiterüberwachung dadurch überschritten worden sein könnten (vgl. zur arbeitsrechtlichen Zulässigkeit von Observationen BAG, NJW 2015, 2749 mwN; vgl. auch BAGE 157, 69 und BAGE 156, 370 sowie zur Rechtsprechung des EGMR Hembach NJW 2020, 128). Rechtswidrige Ermittlungshandlungen sind für eine an Recht und Gesetz gebundene Kommune regelmäßig subjektiv ohne Wert. Dies könnte der Angeklagte womöglich spätestens ab 3. Dezember 2015 auch erkannt haben (vgl. Anklageschrift). Eine anderweitige – hier angesichts der Dienstleistung allerdings nicht naheliegende – Kompensation der Ausgaben durch verwertbare Vermögenszuwächse ist bislang nicht geprüft worden.

5. Die aufgezeigten Rechtsfehler nötigen somit zur Aufhebung der getroffenen Feststellungen, soweit es den Untreueschaden und den Vorsatz des Angeklagten betrifft (§ 353 Abs. 2 StPO). Die sonstigen Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen können bestehen bleiben, weil sie rechtsfehlerfrei getroffen sind. Sie können um solche ergänzt werden, die den bisherigen nicht widersprechen.

III.

Die weitergehende Revision ist unbegründet.

1. Verfahrenshindernisse bestehen nicht.

a) Entgegen der Auffassung der Revision fehlt es nicht an der Identität der abgeurteilten mit der angeklagten Tat.

aa) Gegenstand der Urteilsfindung ist gemäß § 264 1 StPO die in der Anklage bezeichnete Tat, wie sie sich nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung darstellt. Tat im Sinne dieser Vorschrift ist ein einheitlicher geschichtlicher Vorgang, der sich von anderen ähnlichen oder gleichartigen unterscheidet und innerhalb dessen der Angeklagte einen Straftatbestand verwirklicht haben soll. Die Tat als Prozessgegenstand ist dabei nicht nur der in der Anklage umschriebene und dem Angeklagten darin zur Last gelegte Geschehensablauf; vielmehr gehört dazu das gesamte Verhalten des Angeklagten, soweit es mit dem durch die Anklage bezeichneten geschichtlichen Vorgang nach der Auffassung des Lebens ein einheitliches Vorkommnis bildet. Die prozessuale Tat wird in der Regel durch Tatort, Tatzeit und das Tatbild umgrenzt und insbesondere durch das Täterverhalten sowie die ihm innewohnende Angriffsrichtung sowie durch das Tatopfer bestimmt (st. Rspr., vgl. nur BGH, Beschluss vom 13. Februar 2019 – 4 StR 555/18, NStZ 2019, 428 mwN).

bb) Gemessen hieran ist die abgeurteilte Untreue Gegenstand der zugelassenen Anklage. Diese legt dem Angeklagten zwar eine Untreue (durch Unterlassen) erst durch Fortführung des Detektivauftrags ab der Besprechung am 3. Dezember 2015 zur Last. Der in der Anklage ebenfalls geschilderte Vertragsschluss am 1. Oktober 2015 ist damit aber derart eng verknüpft, dass er mit der Fortführung des Vertrages nach der Auffassung des Lebens einen untrennbaren Zusammenhang bildet, dessen getrennte Aburteilung als unnatürliche Abspaltung eines einheitlichen Lebensvorgangs empfunden würde (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 4. Juni 1970 – 4 StR 80/70, BGHSt 23, 270, 273 mwN).

b) Es ist auch kein Strafklageverbrauch dadurch eingetreten, dass der Saarländische Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit am 3. Januar 2017 gegen den Angeklagten wegen des Vorwurfs eines Verstoßes gegen das saarländische Datenschutzgesetz durch Überwachung städtischer Mitarbeiter in der Zeit vom 2. November bis 18. Dezember 2015 einen Bußgeldbescheid erlassen und ein Bußgeld in Höhe von 1.500 Euro verhängt hat.

aa) Zwar handelt es sich bei den Vorwürfen im Bußgeldbescheid und im vorliegenden Verfahren um eine Tat im Sinne von § 264 Denn die Beauftragung der Detektei mit der Überwachung der Bauamtsmitarbeiter ist der einheitliche geschichtliche Vorgang, an den sowohl der Vorwurf der Untreue als auch der Bußgeldbescheid anknüpfen.

bb) Es ist aber durch das Bußgeldverfahren kein Strafklageverbrauch eingetreten. Nach § 84 2 OWiG stehen lediglich ein rechtskräftiges Urteil im Bußgeldverfahren, der Beschluss nach § 72 OWiG oder Beschlüsse des Beschwerdegerichts (§ 79 Abs. 5 Satz 1, Abs. 6 OWiG) der Verfolgung einer durch Bußgeldbescheid geahndeten Tat als Straftat entgegen. Im vorliegenden Fall hat der Angeklagte gegen den Bußgeldbescheid zwar Einspruch eingelegt. Anschließend hat die Staatsanwaltschaft aber das Verfahren zutreffend nach § 40 OWiG an sich gezogen, weil sie die prozessuale Tat auch als Straftat verfolgt hat.

2. Die Verfahrensrügen bleiben ohne Erfolg. Ergänzend zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts bemerkt der Senat:

a) Die Rüge nach § 338 1 und 5 StPO wegen Überschreitung zulässiger Dienstzeiten aufgrund der Durchführung einer Hauptverhandlung von 9:08 Uhr bis 22:18 Uhr ist unbegründet. Der Senat teilt schon nicht den Ausgangspunkt der Revision, ein überobligatorischer zeitlicher Einsatz des ursprünglich zutreffend bestimmten gesetzlichen Richters könne zu einem Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG führen. Es kann dahinstehen, ob der Senat der Auffassung des 2. Strafsenats folgen könnte, wonach dies bei dem absoluten Dienstleistungsverbot des Mutterschutzes anders sein soll (vgl. BGH, Urteil vom 7. November 2016 – 2 StR 9/15, BGHSt 61, 296). Denn die vorliegende Konstellation einer möglichen Überschreitung der zulässigen Tagesarbeitszeit von Richtern, Staatsanwälten und Urkundsbeamten ist damit nicht vergleichbar.

Die Arbeitszeitvorschriften dienen zudem nicht dem Schutz des Beschuldigten, sondern dem der in der Justiz tätigen Personen. Der Angeklagte kann sich demnach auf ihre Verletzung nicht berufen, weil sein Rechtskreis dadurch nicht berührt ist. Dass er aufgrund der Dauer der Verhandlung selbst nicht in der Lage gewesen wäre, ihr zu folgen, trägt er nicht vor.

b) Ein Verstoß gegen § 243 4 Satz 1 StPO liegt nicht vor. Zwar dürften auch Gespräche über eine vollständige Einstellung des Verfahrens nach § 153a Abs. 2 StPO der Mitteilungspflicht unterfallen (vgl. BVerfG, NStZ 2016, 422, 424; BGH, Beschluss vom 10. Mai 2016 – 1 StR 571/15, NStZ 2016, 743, 744). Im vorliegenden Fall handelte es sich aber lediglich um ein Ansinnen des Verteidigers, das ausweislich des Gesprächsinhalts nicht auf Zustimmung stieß. Einseitige Wünsche und Anregungen stellen noch keine verständigungsbezogenen Erörterungen dar, sondern sollen solche lediglich vorbereiten (näher KK-StPO/Schneider, 8. Aufl., § 243 Rn. 42 f. mwN). Der Rüge steht auch entgegen, dass die Verfahrensbeteiligten nach der Mitteilung des Vorsitzenden gemäß § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO, es habe bislang keine Erörterungen mit dem Ziel der Verständigung gegeben, erklärt haben, dass dieser Hinweis zutreffend sei und keiner Ergänzung bedürfe.

c) Die Rüge nach § 74 StPO (Befangenheit des Sachverständigen) ist unbegründet. Das Landgericht hat sich in seinem ablehnenden Beschluss mit den wesentlichen Ablehnungsgründen beschäftigt und diese in rechtlich zutreffender Weise beschieden. Gegen die Methode der Marktpreisermittlung durch eine simulierte Ausschreibung (verdeckte Befragung von Marktteilnehmern unter Vorgabe einer “Legende”) ist aus Rechtsgründen nichts einzuwenden. Etwaige Rechtsverstöße gegenüber den befragten Unternehmen betreffen den Rechtskreis des Angeklagten ohnehin nicht. Dass das Gericht den Sachverständigen bei seiner Tätigkeit anzuleiten und mit ihm deshalb Kontakt aufzunehmen hat, kann die Besorgnis der Befangenheit ohnehin nicht begründen, denn dazu ist das Gericht verpflichtet (§ 78 StPO).

Zwischenruf – Für mehr Augenmaß auch im Hochbaurecht …

Zwischenruf - Für mehr Augenmaß auch im Hochbaurecht …

Es ist Deutschland, April 2025. Ein Laden will seinen Kunden das Einkaufserlebnis verschönern. Vier Tische sollen vor die Tür. Die Verwaltung – konkret: die Baubehörde – verlangt ein „belastbares statisches Gutachten“ von einem Fachbüro. Man fürchtet offenbar, dass die Tiefgarage darunter zusammenbrechen könnte. Die Kommune muss den geprügelten Boten eines Regelwerks abgeben, das ihr vom Gesetzgeber um die Ohren geschmiedet wurde – oft mit besten Absichten, aber mit null Vertrauen in Augenmaß und Menschenverstand. Denn was sollen die Sachbearbeiter im Rathaus tun? Wenn ein Gesetz besagt, dass bei Nutzungsänderung über Tiefgaragen eine statische Prüfung nötig ist, dann bleibt da kein Entscheidungsspielraum. Die Kommune darf nicht entscheiden, ob geprüft wird – sie muss. Und wehe, sie tut es nicht, und wirklich passiert was. Dann steht der Bürgermeister am Pranger, und nicht der Gesetzgeber, der so formuliert hat. Dabei sitzen in den Rathäusern Menschen, die das Anliegen durchaus verstehen – die sich wünschen, dass die Innenstadt belebt wird, dass Handel und Wandel blühen. Aber sie sind gefesselt an ein Korsett aus Vorschriften, das ihnen jeden Spielraum nimmt. Und wenn dann einer fragt: „Warum ist das so?“ – dann müsste die ehrliche Antwort lauten: Weil der Gesetzgeber sich vor Verantwortung drückt und alles bis ins letzte Detail regeln will.

BGH zu der Frage der Eigenhaftung des Maklers für Falschangaben

BGH zu der Frage der Eigenhaftung des Maklers für Falschangaben

vorgestellt von Thomas Ax

Der beklagte Makler hatte in einem Exposé eine unrichtige Objektbeschreibung abgegeben und diese später auch nicht berichtigt. Die Käufer verlangen nun vom Makler Schadensersatz in Höhe des “zuviel gezahlten Kaufpreises”. Ein solcher Anspruch ergibt sich aus einer Nebenpflichtverletzung (pFV) des Maklervertrags bzw. – wenn die Falschauskunft im Vorfeld erfolgte – aus culpa in contrahendo. Ansprüche gegen den Verkäufer aus c.i.c. wegen fahrlässiger Falschangaben vor Vertragsschluß wären in zweifacher Hinsicht ausgeschlossen: Erstens wäre nach ständiger Rechtsprechung wäre solche Haftung durch die vorrangigen §§ 459 ff BGB verdrängt und und würde nur im Falle von Vorsatz eingreifen (s. dazu etwa die Anm. zu BGH NJW 1999, 3192; grundlegend BGHZ 60, 319 im sog. “Seegrundstückfall”; BGH NJW 1990, 1658; BGH NJW 1991, 1673; BGH NJW 1992, 2564), zweitens ist der Makler i.d.R. nicht Erfüllungsgehilfe des Verkäufers, so daß dessen vorvertragliche Pflichtverletzungen dem Verkäufer nicht über § 278 BGB zugerechnet werden können (S. dazu die Anm. zu BGH NJW 1996, 452). In Bezug auf die Eigenhaftung des Maklers bestehen solche Konkurrenzprobleme nicht, weil dieser nicht Partei des Kaufvertrages ist. Bezüglich der Haftungsausfüllung nimmt der BGH auf seine ständige Rechtsprechung zur “Minderung durch c.i.c.” Bezug (vgl. dazu auch Lorenz NJW 1999, 1001 ff). Danach kann der geschädigte Käufer als Schadensersatz den Betrag verlangen, um den er den Kaufgegenstand “zu viel” bezahlt hat (BGH: “objektiv zu teuer erworben” hat), ohne daß es dabei darauf ankäme, “ob es ihm bei Kenntnis der wahren Sachlage gelungen wäre, den Vertrag zu einem günstigeren Preis abzuschließen”. Es wird also unwiderleglich vermutet, daß es dem Käufer ohne die (fahrlässige) Täuschung gelungen wäre, einen Vertrag zu dem geringeren Preis abzuschließen (vgl. hierzu die Anm. zu BGH NJW 1998, 2900).
BGH, Urteil vom 28. September 2000 – III ZR 43/99 – OLG Frankfurt a.M., LG Frankfurt a.M.

Tatbestand
Aufgrund einer Immobilienkurzbeschreibung eines Einfamilienhauses, in der es unter anderem hieß, “die Einliegerwohnung ist ebenso realisierbar wie Wohnen und Arbeiten”, nahmen die Kläger Verbindung mit der beklagten Maklerin auf. Diese übersandte den Klägern mit Telefax vom 2. Februar 1996, das die Provisionserwartung enthielt, ein Exposé, in dem unter anderem eine Wohnfläche im Souterrain/Einliegerwohnung von 67,90 qm ausgewiesen ist. Nach der Besichtigung des Objekts unterzeichneten die Klägerin zu 2) und die Beklagte am 5. Februar 1996 eine Reservierungsvereinbarung. Die Kläger erhielten von der Beklagten noch das Original des Exposés, dem ein Plan beigefügt war, in welchem drei Räume des Untergeschosses als “Zimmer” bezeichnet waren. Nach unmittelbaren Verhandlungen mit den Verkäufern erwarben die Kläger die Immobilie mit notariellem Kaufvertrag vom 21. Februar 1996 zu einem Kaufpreis von 750.000 DM und zahlten an die Beklagte die auf dieser Grundlage berechnete Provision von 43.125 DM.
Im März 1996 erfuhren die Kläger vom Kreisbauamt, die Räume im Untergeschoß seien nicht als Wohnräume genehmigt. In den Originalbauplänen sind die in Rede stehenden Räume mit dem Stempelaufdruck “kein Aufenthaltsraum” versehen. Mit der Behauptung, der Beklagten seien die Originalbaupläne bekannt gewesen und sie hätten bei Kenntnis dieses Umstandes die Immobilie nicht zu einem Preis von 750.000 DM gekauft, verlangen die Kläger als Schadensersatz den Betrag, um den das Haus wegen der mangelnden Realisierbarkeit einer Einliegerwohnung weniger wert sei, und den hierauf bezogenen Anteil der Maklerprovision. Ihre auf Zahlung von 130.019,52 DM nebst Zinsen gerichtete Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg.

Entscheidungsgründe

Die Revision der Kläger führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I. Das Berufungsgericht hat offengelassen, ob die Genehmigung der Nutzung des Untergeschosses als Einliegerwohnung noch möglich ist. Es verneint eine Schadensersatzpflicht der Beklagten, weil nicht nachgewiesen sei, daß der für die Beklagte tätig gewesene frühere Büroleiter W. gewußt, aber den Klägern verschwiegen habe, daß die Räume im Untergeschoß in der Baugenehmigung nicht als Wohnräume genehmigt gewesen seien. Die Beklagte habe auch nicht gegen die dem Makler obliegende Pflicht verstoßen, dem Auftraggeber keine unrichtigen Vorstellungen zu vermitteln. Zwar sei die Aussage im Exposé, das Haus verfüge über eine Einliegerwohnung, objektiv falsch gewesen. Daß diese Aussage bereits insofern unrichtig gewesen sei, als eine Einliegerwohnung schon mangels einer Küche nicht vorhanden gewesen sei, hätten die Kläger selbst erkennen können. Für die Frage der Realisierbarkeit einer Einliegerwohnung gelte dies zwar nicht. Insoweit treffe die Beklagte aber kein Verschulden. Der Beschaffenheit der Fußbodenbeläge habe der Büroleiter der Beklagten entnehmen können, daß die Voreigentümer die Räume als Wohnräume genutzt hätten. Für die Nutzbarkeit als Wohnräume hätten auch ihre Höhe und die großen Fenster zur Gartenseite gesprochen. Da die Kläger nicht behauptet hätten, daß die Möglichkeit der Nutzung einer Einliegerwohnung bei den Kaufverhandlungen eine Rolle gespielt hätte, habe der Büroleiter der Beklagten keinen Anlaß gehabt, diese Frage näher zu prüfen; er habe sich mit dem sich aufdrängenden Augenschein zufrieden geben dürfen.

II. Diese Beurteilung hält den Rügen der Revision in einem maßgebenden Punkt nicht stand.
1. Der Makler steht – wie das Berufungsgericht nicht verkennt – zu seinem Auftraggeber als dessen Interessenvertreter in einem besonderen Treueverhältnis, aus dem sich für ihn bei der Erfüllung seiner Aufgabe bestimmte Nebenpflichten ergeben. Eine sachgemäße Interessenwahrnehmung gebietet regelmäßig, den Auftraggeber nicht nur über das aufzuklären, was unerläßlich ist, damit dieser vor Schaden bewahrt wird, sondern auch über alle dem Makler bekannten Umstände, die für die Entschließung des Auftraggebers von Bedeutung sein können (vgl. BGH, Urteil vom 8. Juli 1981 – IVa ZR 244/80 – NJW 1981, 2685 f). Wieweit die Unterrichtungspflicht im einzelnen zu ziehen ist, hängt von den Umständen des konkreten Falles ab. Ist der Makler hiernach zu einer Unterrichtung seines Auftraggebers verpflichtet, gebietet es die von ihm wahrzunehmende Sorgfalt, keine Informationen zu erteilen, für die es an einer hinreichenden Grundlage fehlt. Steht ihm eine solche nicht zur Verfügung oder kann er sie sich nicht verschaffen, muß er – ebenso wie der Bundesgerichtshof dies für den Anlagevermittler entschieden hat (vgl. Urteil vom 25. November 1981 – IVa ZR 286/80 – NJW 1982, 1095, 1096; Senatsurteile vom 13. Mai 1993 – III ZR 25/92 – NJW-RR 1993, 1114, 1115 und vom 13. Januar 2000 – III ZR 62/99 – NJW-RR 2000, 998) – zumindest diesen Umstand offenlegen. Die Erklärungen des Maklers müssen insgesamt so beschaffen sein, daß sie bei seinem Kunden keine unzutreffenden Vorstellungen vermitteln (vgl. BGH, Urteil vom 17. Oktober 1990 – IV ZR 197/89 – NJW-RR 1991, 627, 628). Hieraus folgt für den Makler, der sich in Verhandlungen mit einem Kunden befindet, ebenso wie für den Anlagevermittler im Rahmen eines stillschweigend geschlossenen Auskunftsvertrags (vgl. Senatsurteil vom 12. Juni 1997 – III ZR 278/95 – NJW 1998, 448), auch die Pflicht, fehlerhafte Angaben richtig zu stellen.
2. Gemessen an diesen Maßstäben kann nach den bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts eine schuldhafte Verletzung von Nebenpflichten der Beklagten nicht verneint werden.
a) Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, daß die Aussage im Exposé, das Haus verfüge über eine Einliegerwohnung, objektiv unrichtig war. Insoweit liegt eine schuldhafte Pflichtverletzung der Beklagten vor; denn für ihre Aussage im Exposé fehlte es ihr an jeder Grundlage. Soweit das Berufungsgericht diesem Umstand haftungsrechtlich keine Bedeutung beimißt, weil die Kläger im Rahmen der Besichtigung das Nichtvorhandensein der Einliegerwohnung wahrgenommen hätten, ist seine Entscheidung nicht zu beanstanden.
b) Demgegenüber konnten die Kläger bei der Besichtigung nicht erkennen, daß die in Frage stehenden Räume im Untergeschoß nicht als Aufenthaltsräume genehmigt waren. Mangels anderweitiger Feststellungen des Berufungsgerichts muß im Revisionsverfahren ferner zugunsten der Kläger davon ausgegangen werden, daß – jedenfalls auch aus diesem Grund – die Angabe der Beklagten, im Untergeschoß des Hauses ließe sich eine Einliegerwohnung realisieren, unrichtig war.
c) Wegen der hierin liegenden Pflichtverletzung hat die Beklagte den ihr obliegenden Entlastungsbeweis nicht geführt. Das Berufungsgericht übersieht bzw. berücksichtigt nicht, daß die Beklagte auch für ihren Hinweis auf die Realisierbarkeit einer Eigentumswohnung im Untergeschoß keine ausreichende Grundlage hatte. Nach ihrem eigenen Vortrag hatten die Voreigentümer ihrem Büroleiter bei der Hereinnahme des Objekts anläßlich einer Besichtigung erklärt, ein Raum sei von ihrem Vater als Gymnastikraum benutzt worden, einen anderen hätten sie als Arbeitsraum bezeichnet, in einem dritten habe einer von ihnen gewohnt. Auch wenn diese Darstellung nicht in jeder Einzelheit mit den Bekundungen der als Zeugen vernommenen Verkäufer übereinstimmt, läßt sich ihr doch nichts für eine Information der Beklagten durch die Verkäufer entnehmen, im Untergeschoß des Hauses befinde sich eine Einliegerwohnung oder eine solche sei realisierbar. Deshalb hätte die Beklagte lediglich die Information der Verkäufer weitergeben dürfen, die fraglichen Räume im Untergeschoß seien von den Vorbesitzern als Wohnräume genutzt worden. Zu einer entsprechenden Richtigstellung ihrer ohne ausreichende Grundlage gemachten Aussagen in der Kurzbeschreibung und im Exposé war die Beklagte spätestens im Zusammenhang mit der Besichtigung des Anwesens oder kurz danach verpflichtet. Denn da sich ihre haltlose Aussage über das Vorhandensein einer Einliegerwohnung jedenfalls bei der Besichtigung herausstellte, bestand für sie Anlaß, auch ihre weitere Aussage über die Realisierbarkeit einer Einliegerwohnung zu überprüfen. Da die Beklagte nach ihrem Prozeßvortrag jedenfalls seinerzeit noch nicht die Erkundigungen beim Kreisbauamt eingeholt hatte, mit denen sie im anhängigen Rechtsstreit die Richtigkeit ihrer Angaben über die Realisierbarkeit der Einliegerwohnung dartun will, hätte eine solche Überprüfung ergeben, daß sie ihre zu weit gehenden Angaben hätte zurücknehmen und sich auf eine Weitergabe der von den Verkäufern erteilten Informationen hätte beschränken müssen.
Gegen eine solche Verpflichtung kann nicht eingewandt werden, die Kläger hätten das Haus selbst nutzen wollen und an eine Vermietung der Räumlichkeiten im Untergeschoß nicht gedacht. Zum einen war der Beklagten dies nicht sicher bekannt, als sie im zeitlichen Zusammenhang mit dem Abschluß des Maklervertrages das von ihr hereingenommene Objekt in der Kurzbeschreibung und im Exposé beschrieb. Vielmehr spricht der Umstand, daß der Kunde des Maklers auf einen solchen Nachweis eingeht und das Objekt sodann besichtigt, grundsätzlich für ein entsprechendes Interesse. Zum anderen ergibt sich aus der Bekundung des Zeugen K., daß bei der Besichtigung die Frage erörtert wurde, ob ein Raum als Küche genutzt werden könne. Dann stand aber ungeachtet der möglicherweise im Vordergrund stehenden Absicht der Kläger, das Haus selbst zu nutzen, auch für die Beklagte erkennbar die Möglichkeit der Einrichtung einer Einliegerwohnung als eine – vielleicht später zu realisierende – Option im Raum, die die Beklagte dazu verpflichtete, ihre wirklichen Kenntnisse zu offenbaren und von dem zu trennen, was zum damaligen Zeitpunkt Gegenstand bloßer Vermutungen war.

III. Die angefochtene Entscheidung stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 563 ZPO).
1. Ist die Genehmigung der Nutzung des Untergeschosses als Einliegerwohnung nicht möglich, ist nach dem derzeitigen Sachstand grundsätzlich von einer Haftung der Beklagten auszugehen. Die Kläger, die am Kaufvertrag mit den Verkäufern festgehalten haben, können als Ersatz ihres Vertrauensschadens den Betrag verlangen, um den sie das Haus objektiv zu teuer erworben haben. Dabei kommt es nicht darauf an, ob es ihnen bei Kenntnis der wahren Sachlage gelungen wäre, den Vertrag zu einem günstigeren Preis abzuschließen (vgl. BGH, Urteil vom 8. Dezember 1988 – VII ZR 83/88 – NJW 1989, 1793, 1794). Daß den Klägern, die einen Wert ihres Hauses von maximal 627.000 DM behauptet haben, überhaupt ein Schaden in dieser Hinsicht entstanden ist, haben sie zulässigerweise in das Wissen eines Sachverständigen gestellt. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die Wertfestsetzung nach § 19 Abs. 1, 2 KostO durch die Geschäftsstelle der Abteilung 6 a des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 21. November 1995 für die Beurteilung des den Klägern möglicherweise entstandenen Schadens ohne Bedeutung.
2. Einem Anspruch der Kläger steht auch nicht nach § 254 BGB entgegen, daß sie auf eine vom Zeugen G. T. bekundete Anregung nicht eingegangen sind, mit Rücksicht auf die bekannt gewordenen Umstände den Kauf rückgängig zu machen. Die Kläger, die nach ihrem Vortrag zu diesem Zeitpunkt schon mit der Renovierung des Hauses begonnen hatten, mußten sich wegen eines möglichen Fehlverhaltens der Beklagten nicht auf eine Rückabwicklung des Kaufvertrages einlassen, zumal die Frage noch völlig offen war, wer für die durch den Vertragsschluß bereits entstandenen und durch seine Rückgängigmachung weiter anfallenden Kosten hätte aufkommen sollen. Den Verkäufern war dies nicht anzusinnen. Daß die Beklagte bereit gewesen wäre, die Kläger hiervon zu entlasten, hat sie nicht dargetan.
3. Der Senat kann im gegenwärtigen Verfahrensstadium davon absehen, auf die Verfahrensrügen der Revision gegen die Würdigung des Berufungsgerichts einzugehen, die Kläger hätten nicht nachgewiesen, daß dem Büroleiter der Beklagten der Originalbauplan bekannt gewesen sei. Das Berufungsgericht hat, sollte es hierauf im weiteren Verfahren ankommen, Gelegenheit, diesen Fragenkreis unter Berücksichtigung der von der Revision erhobenen Rügen erneut tatrichterlich zu würdigen.

Zur Festlegung des Bau-Solls im Zusammenhang mit der Sanierung eines Gebäudes im Sinne einer funktionalen Leistungsbeschreibung

Zur Festlegung des Bau-Solls im Zusammenhang mit der Sanierung eines Gebäudes im Sinne einer funktionalen Leistungsbeschreibung

vorgestellt von Thomas Ax

Ist das Bau-Soll im Zusammenhang mit der Sanierung eines Gebäudes zur künftigen Nutzung als Hochschulgebäude im Sinne einer funktionalen Leistungsbeschreibung festgelegt und hat die Auftragnehmerin nicht nur die Ausführung des Bauvorhabens sondern auch dessen Planung sowie die Herbeiführung aller erforderlichen Genehmigungen vertraglich übernommen, scheidet ein Mehrvergütungsanspruch für durch die Baugenehmigungsbehörde im Hinblick auf die Eröffnung des Anwendungsbereichs der Versammlungsstättenverordnung angeordnete Brandschutzmaßnahmen grundsätzlich aus, wenn anhand der zum Vertragsinhalt gewordenen Leistungsbeschreibung erkennbar war, dass die zu erwartende Anzahl der Besucher in den Versammlungsräumen den Schwellenwert des § 1 VStättVO überschreitet.

Eine vorgesehene Nutzungsbeschränkung auf 200 Besucher in den Versammlungsräumen in einem dem Angebot der Auftragnehmerin beigefügten Brandschutzkonzept wird nicht zum Vertragsgegenstand, wenn sich die verschiedenen Vertragsbestandteile hinsichtlich der zu erwartenden Besucherzahlen widersprechen und sich aus der nach dem Vertrag als vorrangig zu beachtenden Leistungsbeschreibung eine höhere Besucherzahl als 200 ergibt.

Saarländisches OLG, Urteil vom 16.04.2020 – 2 U 116/18

Gründe

I.

Die Klägerin nimmt das beklagte Land (im Folgenden: Beklagter) auf Zahlung einer Vergütung für von ihr im Zusammenhang mit der Sanierung des ehemaligen “Hauses der Gesundheit” zum Zwecke der künftigen Nutzung durch die Hochschule für Technik und Wirtschaft (im Folgenden: HTW) erbrachte Planungs- und Bauleistungen in Anspruch.

Im Jahr 2010 schrieb der Beklagte Leistungen im Rahmen des Projekts “Planung, Errichtung/Sanierung, Finanzierung und Betrieb” des HTW-Hochhauses in einem europaweiten Vergabeverfahren nach der VOB/A mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb als sog. PPP-Projekt aus und erteilte der … pp. GmbH & Co. KG (im Folgenden: F.) nach Durchführung mehrerer Bietergespräche, an denen auch die Klägerin als künftige Nachunternehmerin der F. beteiligt war, den Zuschlag. Der Beklagte und F. schlossen am 23. November 2011 unter Einbeziehung der VOB/B in der zum damaligen Zeitpunkt gültigen Fassung einen sog. Projektvertrag, nachdem zwischen F. und der Klägerin bereits am 17. November 2011 ein sog. Totalunternehmervertrag, auf Grund dessen das vertragliche Verhältnis zwischen F. und Beklagtem für die Leistungsbereiche Planen und Bauen auf das vertragliche Verhältnis zwischen F. und der Klägerin übertragen wurde (sog. back-to-back-Prinzip), zustande gekommen war. Hinsichtlich des Leistungsumfangs wurde in dem Projektvertrag unter § 3 Ziffer 3.2.1 geregelt, dass F. sämtliche Planungsleistungen zu erbringen und alle für die Errichtung und Inbetriebnahme des Objekts erforderlichen Genehmigungen und Zustimmungen herbeizuführen habe. Eine Erhöhung der als Globalpauschalpreis vereinbarten Vergütung von insgesamt 16.322.666,25 € netto für Bau- und Planungsleistungen wurde in diesem Zusammenhang grundsätzlich – von Fällen trotz sorgfältigster Prüfung objektiv nicht vorhersehbarer Auflagen, Nebenbestimmungen und/oder Änderungen abgesehen – ausgeschlossen.

Die Klägerin reichte am 14. Februar 2012 einen Antrag auf Erteilung einer Baugenehmigung bei der Unteren Bauaufsichtsbehörde (im Folgenden: UBA) ein. Die beantragte Baugenehmigung wurde am 5. Juli 2012 erteilt, wobei ein durch den seitens der Klägerin beauftragten Prüfsachverständigen für Brandschutz Dipl.-Ing. D. gemäß Prüfbericht vom 23. Mai 2012 geprüfter Brandschutznachweis, dem das Brandschutzkonzept des ebenfalls durch die Klägerin beauftragten Dipl.-Ing. St.-St. vom 8. Februar 2012 zu Grunde lag, zum Bestandteil der Genehmigung gemacht wurde. In dem Prüfbericht wurde unter Ziff. 5.3 A 19 gefordert, dass im Hinblick darauf, dass die Versammlungsstättenverordnung (VStättVO) nicht Grundlage der Beurteilung sei, ein Nachweis darüber zu führen sei, “dass sich zu keinem Zeitpunkt gleichzeitig mehr als 200 Personen in den Seminarräumen und Hörsälen im Gebäude befinden”. In einer Koordinationsbesprechung am 25. Juli 2012 teilten die Vertreter des Beklagten zu dieser Auflage mit, dass eine solche Nutzungsbeschränkung nicht akzeptabel sei und eine andere Lösung gefunden werden müsse. In der Folgezeit ließ die Klägerin das Brandschutzkonzept fortschreiben und reichte auf der Grundlage eines geänderten Brandschutzkonzepts des Dipl.-Ing. St.-St. vom 3. Dezember 2012 am 28. Februar 2013 einen weiteren Bauantrag ein. Der Prüfsachverständige Dipl.-Ing. D. prüfte das fortgeschriebene Brandschutzkonzept und reichte hierzu den Prüfbericht Nr. 2 vom 8. Mai 2013 bei der UBA ein, der zu dem Ergebnis gelangte, dass das Bauvorhaben hinsichtlich des beauftragten Prüfumfangs den bauordnungsrechtlichen Anforderungen des vorbeugenden Brandschutzes entspreche, soweit die in dem Prüfbericht gestellten Forderungen umgesetzt und die erforderlichen Unterlagen vorgelegt würden. Unter Ziff. 5.3 A 19 des Prüfberichts wurde nunmehr ausgeführt, dass der Planung der Rettungswege die Versammlungsstättenverordnung (VStättVO) zu Grunde liege und der Nachweis zu führen sei, dass sich zu keinem Zeitpunkt mehr als 400 Personen in einem Geschoss (Alarmierungsbereich) befänden, wobei hinsichtlich der Belegung der Versammlungsräume von den festgelegten Personenzahlen ausgegangen werden könne. Mit Schreiben vom 1. August 2013 informierte die UBA die Klägerin über eine Neuregelung der Zuständigkeiten auf Grund der Verordnung zur Änderung der Prüfberechtigten- und Prüfsachverständigenverordnung vom 28. März 2013. Auf Grund dieser Verordnung lag die Zuständigkeit für die Entscheidung über die Zulassung von brandschutzrechtlichen Abweichungen von nun an bei der UBA. Nachdem die UBA Bedenken hinsichtlich der Genehmigungsfähigkeit des Bauvorhabens geäußert hatte, ließ die Klägerin das Brandschutzkonzept erneut überarbeiten und reichte dieses am 24. Oktober 2013 bei der UBA ein. Am 28. Oktober 2013 stellte die Klägerin hilfsweise, für den Fall, dass dem zweiten Baugenehmigungsantrag nicht entsprochen würde, unter Bezugnahme auf dieses dritte Brandschutzkonzept einen weiteren Baugenehmigungsantrag. Mit Schreiben vom 5. Dezember 2013 reichte die Klägerin bei der UBA einen weiteren Prüfbericht des Dipl.-Ing. D. vom 31. Oktober 2013 ein, der die Bemerkung enthielt, dass das geprüfte Brandschutzkonzept vom 23. Oktober 2013 schlüssig, inhaltlich umfassend und in der Gesamtheit genehmigungsfähig sei. Mit Bescheiden vom 29. Oktober 2014 und vom 31. Oktober 2014 wies die UBA die Baugenehmigungsanträge der Klägerin vom 28. Februar 2013 und vom 28. Oktober 2013 mit Blick auf eine Abweichung von den brandschutzrechtlichen Vorgaben der Versammlungsstättenverordnung zurück.

In der Folgezeit ließ die Klägerin ein neues Brandschutzkonzept erarbeiten, das insgesamt vier unabhängige Rettungswege, nämlich einen innenliegenden Sicherheitstreppenraum, zwei außen an das Gebäude angestellte, als Sicherheitstreppenhaus auszubildende und Entfluchtungsmöglichkeiten für jeweils 2.660 Personen bietende Treppentürme sowie einen neu geschaffenen Übergang vom Gebäude zum Deck des benachbarten Parkhauses, vorsieht. Dieses Brandschutzkonzept reichte die Klägerin mit Genehmigungsantrag vom 16. November 2015 bei der UBA ein, woraufhin ihr am 17. Dezember 2015 die Baugenehmigung erteilt wurde. In diesem Zusammenhang wurde gegenüber der Klägerin eine Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans in Bezug auf die beiden außenliegenden Treppenhäuser sowie den Verbindungssteg des Gebäudes zu einem benachbarten Parkhaus ausgesprochen.

Es kam in der Folgezeit zu Meinungsverschiedenheiten darüber, ob der Klägerin gegenüber F. bzw. F. gegenüber dem Beklagten für die Brandschutzertüchtigungsmaßnahmen gemäß der Baugenehmigung vom 17. Dezember 2015 eine zusätzliche Vergütung zustehe. Nachdem Vergleichsgespräche diesbezüglich gescheitert waren, forderte der Beklagte F. mit Schreiben vom 13. Juni 2016 unter Androhung der Kündigung des Projektvertrags auf, mit der baulichen Umsetzung der Baugenehmigung vom 17. Dezember 2015 zu beginnen sowie bis zum 17. Juni 2016 verbindliche Terminzusagen zu treffen. F. gab diese Aufforderung ebenfalls unter Kündigungsandrohung mit Schreiben vom 13. Juni 2016 an die Klägerin weiter. Die Klägerin beanstandete daraufhin gegenüber F. mit Schreiben vom 17. Juni 2016 unangemessen kurze Fristsetzungen und meldete im Hinblick auf die Umsetzung der in der Baugenehmigung vom 17. Dezember 2015 statuierten Anforderungen an den Brandschutz Bedenken dahingehend an, dass diese sachlich und fachlich überzogen und nach Art und Umfang unangemessen seien. Gleichzeitig legte die Klägerin zwei alternative Nachtragsangebote sowie einen überarbeiteten Terminplan für die Umsetzung der Brandschutzertüchtigungsmaßnahmen gemäß der Baugenehmigung vom 17. Dezember 2015 vor, die hinsichtlich der Bauzeiten differierten und auf Angebotssummen von 10.407.884,09 € netto bzw. 9.418.158,69 € lauteten. Abschließend forderte die Klägerin unter Fristsetzung die Erbringung einer Sicherheitsleistung gemäß § 648a BGB und kündigte für den Fall des fruchtlosen Fristablaufs die Leistungsverweigerung sowie die Kündigung des Vertrags an. F. kam dieser Aufforderung nicht nach und erklärte mit Schreiben vom 23. Juni 2013 unter Bezugnahme auf § 8 Abs. 3, § 5 Abs. 4 VOB/B sowie das Vorliegen eines wichtigen Grundes gegenüber der Klägerin die fristlose Kündigung des Totalunternehmervertrags, woraufhin auch diese mit Schreiben vom 24. Juni 2016 ihrerseits die fristlose Kündigung erklärte und diese auf die unberechtigte Kündigung und die Verweigerung der Sicherheitsleistung stützte.

In der Folge fanden zwischen den Parteien Verhandlungen mit dem Ziel der weiteren Durchführung des Bauvorhabens statt, die zum Abschluss einer “Rahmen-Vereinbarung” vom 29. September 2016 führten, an der neben den Parteien auch F. sowie die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) beteiligt waren. Danach verständigten sich die Beteiligten darauf, dass die Klägerin die in der Vereinbarung geregelten Brandschutzertüchtigungsmaßnahmen erbringen und vorfinanzieren solle und die Frage des Bestehens einer Vergütungspflicht für die noch zu erbringenden Brandschutzertüchtigungsmaßnahmen zwischen den Parteien im Nachgang im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens zu klären sei. Die Parteien vereinbarten weiter, dass wegen der Höhe der Vergütung ein Sachverständigengutachten des Ingenieurbüros H. + K. eingeholt werden solle, dessen Feststellungen für alle Beteiligten verbindlich seien. Wegen der Einzelheiten des Inhalts der Rahmen-Vereinbarung wird auf die Anlage K3 zu der Klageschrift der Klägerin vom 5. Juli 2017 Bezug genommen.

Das Gebäude wurde am 4. Dezember 2017 von dem Beklagten abgenommen und an ihn übergeben. Mit Schlussrechnung vom 17. August 2018 stellte die Klägerin dem Beklagten Kosten für zusätzliche Brandschutzertüchtigungsmaßnahmen während des Leistungszeitraums vom 27. September 2013 bis 31. Dezember 2017 in Höhe von 11.214.415,65 € zuzüglich Mehrwertsteuer in Rechnung.

Mit der Klage hat die Klägerin die Feststellung begehrt, dass der Beklagte verpflichtet sei, ihr die erbrachten Planungs- und Bauleistungen zur Umsetzung der in der Baugenehmigung vom 17. Dezember 2015 vorgesehenen Maßnahmen auf der Grundlage der Feststellungen des Sachverständigengutachtens des Ingenieurbüros H. + K. zu vergüten. Sie hat die Auffassung vertreten, dass sich eine Vergütungspflicht bereits daraus ergebe, dass mit dem Abschluss der Rahmen-Vereinbarung eine neue Beauftragung durch den Beklagten erfolgt sei. Ein etwaiger Erfüllungsanspruch aus dem Totalunternehmervertrag sei spätestens durch ihre Kündigungserklärung gegenüber F. vom 24. Juni 2016 entfallen. Da der unwirksame und unberechtigte Kündigungsversuch durch F. eine Vertragsverletzung dargestellt habe, sei sie zur Kündigung aus wichtigem Grund berechtigt gewesen. Ein weiterer Kündigungsgrund ergebe sich daraus, dass F. die geforderte Sicherheitsleistung nach § 648a BGB verweigert habe. Der Beklagte habe sie in Kenntnis der Beendigung des Totalunternehmervertrags sowie ihres Vergütungsverlangens gegenüber F. mit Schreiben vom 17. Juni 2016 ausdrücklich mit der Ausführung von Leistungen zur Umsetzung der Baugenehmigung vom 17. Dezember 2015 beauftragt, so dass sich ein Vergütungsanspruch aus § 632 Abs. 1 BGB ergebe. Jedenfalls stehe ihr ein Mehrvergütungsanspruch aus dem Totalunternehmervertrag zu, da die Leistungen zur Umsetzung der Baugenehmigung vom 17. Dezember 2015 nicht von dem vereinbarten Vertragssoll des Projekt- bzw. Totalunternehmervertrags umfasst gewesen seien. Bestandteil des Projektvertrags sei das genehmigungsfähige und durch die Baugenehmigung vom 5. Juli 2012 auch genehmigte Brandschutzkonzept vom 29. September 2011 geworden. Die mit der Rahmen-Vereinbarung beauftragten Leistungen zur Umsetzung der Baugenehmigung vom 17. Dezember 2015 stellten hierzu ein Aliud dar. Dies ergebe sich auch daraus, dass das Vertragssoll des Projekt- bzw. Totalunternehmervertrags lediglich die Errichtung eines Gebäudes innerhalb vorgegebener Baugrenzen und Kubatur umfasst habe, wobei das der Baugenehmigung vom 17. Dezember 2015 entsprechende Gebäude diese Vorgaben durch die angebauten Treppentürme überschreite. Ein Mehrvergütungsanspruch bezüglich der auf der Grundlage der Rahmen-Vereinbarung zu erbringenden Leistungen ergebe sich schließlich unabhängig von der Frage des Vertragssolls aus der Risikobegrenzungsregelung in § 3 Ziff. 3.2.1 des Projektvertrags bzw. nach den Regelungen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 BGB. Im vorliegenden Fall habe sich nämlich ein nicht vorhersehbares Risiko verwirklicht, indem ein Zuständigkeitswechsel im Baugenehmigungsverfahren stattgefunden habe, der zu einer Änderung der bis dahin geübten und gesicherten Genehmigungspraxis und zu bundesweit beispiellosen unsinnigen und maßlosen Anforderungen an den Brandschutz geführt habe. Schließlich ergebe sich eine Vergütungspflicht des Beklagten nach § 2 Abs. 5 und 6 VOB/B, da die hier relevanten Leistungen durch den Beklagten gegenüber F. sowie durch F. gegenüber der Klägerin jeweils mit Schreiben vom 13. Juni 2016 angeordnet worden seien.

Die Klägerin hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,

festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, ihr gemäß der Regelung in Teil I, Ziff. 4.2 der Rahmenvereinbarung vom 29. September 2016 für alle von dem Sachverständigen H. + K. PartGmbB, Beratende Ingenieure für Brandschutz, festgestellten Bau- und Planungsleistungen eine Vergütung nach den vertraglich vereinbarten bzw. zu den vom Sachverständigen als vertraglich vereinbart festgelegten Preisen zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat die Auffassung vertreten, dass die erhobene Feststellungsklage insbesondere wegen des Vorrangs der Leistungsklage bereits unzulässig sei. Weiter hat er geltend gemacht, dass der Klägerin kein Vergütungsanspruch in Bezug auf die hier streitgegenständlichen Brandschutzmaßnahmen zustehe. Nach der getroffenen Rahmen-Vereinbarung habe ein Vergütungsanspruch der Klägerin für die von ihr nach der Baugenehmigung vom 17. Dezember 2015 zu erbringenden Brandschutzertüchtigungsmaßnahmen allein davon abhängig sein sollen, ob die entsprechenden Planungs- und Bauleistungen vom ursprünglichen Bau-Soll umfasst gewesen seien oder nicht. Bei der Bestimmung des vertraglich geschuldeten Bau-Solls könne eine Auslegung des Vertragswerks nur zu dem Ergebnis führen, dass der für den Anwendungsbereich der Versammlungsstättenverordnung maßgebliche Schwellenwert von 200 Besuchern deutlich überschritten werde und damit bei der Ausführung die erhöhten Anforderungen der Versammlungsstättenverordnung im Hinblick auf den Brandschutz und die Rettungsmöglichkeiten klägerseits zu beachten seien. Die Nutzungseinschränkung im Brandschutzkonzept des Dipl.-Ing. St.-St. vom 29. September 2011, das nicht demjenigen entspreche, das Gegenstand der Vertragsverhandlungen gewesen sei, sowie der hierauf basierende Brandschutznachweis als Teil der Baugenehmigung vom 5. Juli 2012 widersprächen dem sonstigen Vertragswerk und insbesondere der vorrangig zu beachtenden funktionalen Leistungsbeschreibung, weshalb die Errichtung des HTW-Hochhauses auf dieser Grundlage eine Abweichung vom Bau-Soll darstelle und eine Vertragswidrigkeit und/oder Mangelhaftigkeit des hergestellten Werks begründet habe. Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass der Zuständigkeitswechsel gemäß der Verordnung zur Änderung der Prüfberechtigten- und Prüfsachverständigenverordnung vom 28. März 2013 allein in den Risikobereich der Klägerin falle, die das Planungs- und Genehmigungsrisiko übernommen habe. Ein außerordentliches Kündigungsrecht der Klägerin habe nicht bestanden, da die Ausführung der zur Umsetzung der Baugenehmigung vom 17. Dezember 2015 erforderlichen baulichen Maßnahmen keine “Nachtragsleistungen”, sondern von dem Projektvertrag umfasst gewesen seien.

Mit dem angefochtenen – mit Beschluss vom 7. Januar 2019 berichtigten – Urteil vom 23. Oktober 2018, auf dessen tatsächlichen Feststellungen gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, hat das Landgericht die Klage nach Zeugenvernehmung abgewiesen. Das Landgericht hat das für die Zulässigkeit der durch die Klägerin erhobenen Feststellungsklage erforderliche Feststellungsinteresse unter mehreren Gesichtspunkten bejaht. Zunächst sei dieses im Hinblick darauf gegeben, dass der Klägerin die Bezifferung eines etwaigen Zahlungsanspruchs nicht möglich sei, da die Parteien in der Rahmen-Vereinbarung die Höhe eines möglichen Vergütungsanspruchs der Entscheidung durch die Gerichtsbarkeit entzogen hätten, indem sie sich insoweit auf die Einholung eines für beide Parteien verbindlichen Sachverständigengutachtens geeinigt hätten, das derzeit noch nicht vorliege. Auch hätten die Parteien in der Rahmen-Vereinbarung eine Regelung zur Fälligkeit getroffen, die dazu führe, dass ein etwaiger Vergütungsanspruch derzeit nicht fällig sei und eine Zahlungsklage daher mit entsprechender Maßgabe habe abgewiesen werden müssen. Das Feststellungsinteresse sei auch unter dem Aspekt der Prozesswirtschaftlichkeit zu bejahen. Die Feststellung des Gerichts, dass der Klägerin der streitgegenständliche Vergütungsanspruch zustehe, sei die wirtschaftliche Prämisse dafür, überhaupt erst das Sachverständigengutachten zur Höhe der Vergütung einzuholen. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass es im Hinblick darauf, dass es sich bei dem Beklagten um ein Bundesland handele, eines Vollstreckungstitels nicht bedürfe, da davon auszugehen sei, dass der Beklagte sich im Falle einer Verurteilung rechtstreu verhalten und der Klägerin im Falle eines zusprechenden Urteils die danach zustehende Vergütung zahlen werde. Das Landgericht hat allerdings in der Sache einen mit der Klage geltend gemachten Vergütungsanspruch der Klägerin gegen den Beklagten verneint. Ein solcher ergebe sich nicht aus der Rahmen-Vereinbarung vom 29. September 2016 selbst. Diese könne nicht dahingehend ausgelegt werden, dass hierdurch ein neuer Werkvertrag zwischen den Parteien habe geschlossen werden sollen. Selbst wenn dies angenommen würde, sei dem Wortlaut der Rahmen-Vereinbarung zu entnehmen, dass ein etwaiger Anspruch der Klägerin auf eine zusätzliche Vergütung für die hier streitgegenständlichen Brandschutzertüchtigungsmaßnahmen von dem ursprünglich vereinbarten Bau-Soll abhängig gewesen sei. Auch der Wille der an der Rahmen-Vereinbarung beteiligten Personen sei nicht darauf gerichtet gewesen, einen neuen von dem ursprünglich vereinbarten Bau-Soll losgelösten Vergütungsanspruch zu begründen. Auf Grund des Ergebnisses der durchgeführten Beweisaufnahme sei vielmehr davon auszugehen, dass die Vertragsparteien übereinstimmend hätten regeln wollen und geregelt hätten, dass für die Frage eines Anspruchs der Klägerin auf Zahlung einer zusätzlichen Vergütung alleine und ausschließlich das ursprüngliche Bau-Soll habe maßgeblich sein sollen. Ob der mit der Klage geltend gemachte Anspruch der Klägerin bestehe, sei daher davon abhängig, ob es sich bei den nach der Baugenehmigung vom 17. Dezember 2015 erforderlichen Brandschutzertüchtigungsmaßnahmen um Leistungen gehandelt habe, die nach den ursprünglichen Bestimmungen des Totalunternehmervertrags geschuldet gewesen seien. Dies sei zu bejahen. In dem Projektvertrag, auf den der Totalunternehmervertrag verweise, sei grundsätzlich eine funktionale Leistungsbeschreibung enthalten, wobei die Leistungspflicht der Klägerin zur Erstellung eines komplett funktions- und betriebsbereiten Hochhauses auf die Vertragsbestandteile beschränkt gewesen sei. Zu den Vertragsbestandteilen habe auch das letztverbindliche Angebot der Klägerin vom 30. September 2011 gehört, das grundsätzlich auch das Brandschutzkonzept des Dipl.-Ing. St.-St. umfasst habe. Soweit darin allerdings eine Nutzungsbeschränkung dergestalt enthalten gewesen sei, dass die Personenzahl in den Seminarräumen von vornherein auf 200 gleichzeitig anwesende Personen beschränkt sei, sei dieses nicht Vertragsbestandteil geworden. Das Landgericht hat dieses Ergebnis auf die aus den Gesamtumständen gewonnene Überzeugung gestützt, dass keine der Parteien die entsprechende Bestimmung im Brandschutzkonzept bei Abschluss des Vertrags gewollt, beabsichtigt oder auch nur wahrgenommen habe. Das Landgericht hat weiter die Auffassung vertreten, dass selbst wenn die Klägerin die entsprechende Bestimmung erkannt haben sollte, diese nach Treu und Glauben nicht Vertragsbestandteil geworden sei, da die Klägerin es versäumt habe, den Beklagten ausdrücklich auf diese (überraschende) Klausel hinzuweisen. Schließlich stände die Klausel in Widerspruch zu den Bestimmungen der funktionalen Leistungsbeschreibung (Planen und Bauen) vom 17. Juni 2011, was nach § 2 Ziffer 2.4 des Projektvertrags dazu führe, dass die Klausel unwirksam sei. Der geltend gemachte Vergütungsanspruch ergebe sich auch nicht aus § 3 Ziff. 3.2.1 des Projektvertrags. Es sei nicht davon auszugehen, dass die Vertragspartner bei Abschluss des Vertrags mit den mit der Genehmigung verbundenen behördlichen Auflagen trotz sorgfältigster Prüfung nicht hätten rechnen können. Die während des Genehmigungsverfahrens eingetretene Zuständigkeitsverlagerung im Zusammenhang mit der Zulassung von brandschutzrechtlichen Abweichungen auf die Untere Bauaufsichtsbehörde ohne Änderung der materiellen Rechtslage sei in diesem Zusammenhang nicht relevant, da diese in das von der Klägerin übernommene Genehmigungsrisiko falle. Auch könne sich die Klägerin nicht darauf berufen, dass die von der Unteren Bauaufsichtsbehörde gestellten Anforderungen an den Brandschutz maßlos, überzogen, unsinnig und rechtswidrig seien, da sie mit diesem Vorbringen, das ohnehin nicht hinreichend substantiiert sei, als Adressatin des Genehmigungsbescheids vom 17. Dezember 2015 im Hinblick auf den Verzicht auf eine gerichtliche Anfechtung präkludiert sei. Hinzu komme, dass die Parteien mit der Rahmen-Vereinbarung erklärt hätten, dass ein etwaiger zusätzlicher Vergütungsanspruch allein davon habe abhängig sein sollen, ob eine Nutzungsbeschränkung auf 200 Personen vereinbart gewesen sei oder nicht und die erlassenen Auflagen der Unteren Bauaufsichtsbehörde in diesem Zusammenhang keine Rolle mehr hätten spielen sollen. Schließlich greife die Ausnahmeregelung in § 3 Ziff. 3.2.1 des Projektvertrags aber auch der Sache nach nicht ein, da die Klägerin mit den hier streitgegenständlichen Brandschutzertüchtigungsmaßnahmen insbesondere im Hinblick auf den von vornherein durch den Beklagten erteilten Hinweis, sich vor Abgabe eines Angebots mit der Unteren Bauaufsichtsbehörde in Verbindung zu setzen und abzustimmen, habe rechnen müssen. Die Klägerin könne den von ihr geltend gemachten zusätzlichen Vergütungsanspruch auch nicht auf einen Wegfall der Geschäftsgrundlage stützen, da das vorliegend verwirklichte Risiko nach dem Willen der Vertragsparteien gerade von der Klägerin zu tragen gewesen sei und es hier ohnehin lediglich um die Änderung in Bezug auf die Zuständigkeit im Genehmigungsverfahren, nicht jedoch um eine Veränderung der materiellen Rechtslage gehe. Ein Anspruch aus § 2 Abs. 5 und 6 VOB/B komme ebenfalls nicht in Betracht, da es sich bei den streitgegenständlichen Brandschutzertüchtigungsmaßnahmen nicht um bislang im Vertrag nicht vorgesehene Leistungen, sondern um solche handele, die von vornherein von der Klägerin geschuldet gewesen seien. Schließlich ergäbe sich auch auf Grund der von der Klägerin gegenüber F. ausgesprochenen fristlosen Kündigung kein Anspruch auf zusätzliche Vergütung gegen den Beklagten. Zum einen fehle es insoweit an einer Anspruchsgrundlage. Zum anderen sei die Klägerin zu einer fristlosen Kündigung des Totalunternehmervertrages nicht berechtigt gewesen, da sie sich selbst nicht vertragstreu verhalten habe, indem sie eine ihr nicht zustehende zusätzliche Vergütung für die Brandschutzertüchtigungsmaßnahmen verlangt habe.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie ihr Klagebegehren weiterverfolgt. Sie wendet gegen die Entscheidung im Wesentlichen Folgendes ein:

Die Auslegung der Rahmen-Vereinbarung durch das Landgericht widerspreche den Regeln der §§ 133, 157, 242 BGB. Das Landgericht verkenne, dass sich aus Teil II. Nr. 2 und Teil III. Nr. 2 der Rahmen-Vereinbarung ergebe, dass Anspruchsgrundlagen außerhalb dieser Vereinbarung ausdrücklich vorbehalten geblieben seien. Dies führe dazu, dass das Landgericht vorrangig einen Anspruch nach § 632 Abs. 1 BGB i.V.m. § 631 BGB zu prüfen gehabt habe, was versäumt worden sei. Ein entsprechender Anspruch sei im Hinblick darauf zu bejahen gewesen, dass der Totalunternehmervertrag zwischen F. und ihr jedenfalls auf Grund der deklaratorischen Erklärung in der Rahmen-Vereinbarung spätestens am 24. Juni 2016 beendet gewesen sei. Ein Eintritt des Beklagten in den Totalunternehmervertrag scheide damit ebenso wie eine Vertragsübernahme im Sinne von § 5 Abs. 9 des Projektvertrags aus. Soweit in der Rahmen-Vereinbarung von einem Vertragseintritt des Saarlandes die Rede sei, handele es sich lediglich um eine Fiktion, die nach ihrem Regelungsgehalt darauf beschränkt gewesen sei, die eigentlich erforderliche Neuausschreibung zu verhindern. Da die Rahmen-Vereinbarung damit eine (erstmalige) Beauftragung von Bauleistungen entsprechend der Baugenehmigung aus Dezember 2015 in Form von Brandschutzertüchtigungsmaßnahmen durch den Beklagten beinhalte, sei hierdurch ein neues Vertragsverhältnis mit entsprechender Vergütungsfolge nach § 632 Abs. 1 BGB begründet worden. Auf die Frage, ob die streitgegenständlichen Brandschutzertüchtigungsmaßnahmen vom Bau-Soll des Totalunternehmervertrags umfasst gewesen seien, komme es daher nicht an. Ein anderes Ergebnis lasse sich auch nicht aus dem Sinn und Zweck der Rahmen-Vereinbarung herleiten. In diesem Zusammenhang verkenne das Landgericht das eigentliche Interesse des Beklagten bei Abschluss der Rahmen-Vereinbarung, das in der Nutzung des Gebäudes zu Verwaltungszwecken, der Generierung eines Teilerlasses von Raten in Millionenhöhe seitens der LBBW sowie in der Durchsetzung der Baugenehmigung vom 17. Dezember 2015 ohne das Risiko, dass diese nicht in Bestandskraft erwächst, bestanden habe.

Schließlich weise auch die Auslegung der Rahmen-Vereinbarung nach dem historischen Willen der an ihrem Zustandekommen Beteiligten Fehler auf. Die Frage, ob eine Nutzungsbeschränkung auf 200 gleichzeitig anwesende Studenten in dem ursprünglichen Totalunternehmervertrag wirksam vereinbart gewesen sei oder nicht, sei nicht relevant, da auch im Falle der Vereinbarung einer ursprünglich höheren Personenanzahl durch die Rahmen-Vereinbarung mit der baulichen Umsetzung der Baugenehmigung vom 17. Dezember 2015 eine Änderung des Bau-Solls verursacht worden sei. Nicht berücksichtigt habe das Landgericht in diesem Zusammenhang den Umstand, dass der Gebäudekörper des Hochhauses gemäß der Baugenehmigung vom 17. Dezember 2015 sich in erheblichen Teilen außerhalb derjenigen Baugrenze befinde, die für die Planung und Errichtung des ursprünglich ausgeschriebenen Gebäudes zur Verfügung gestanden habe. Damit sei die Errichtung des durch den Beklagten mit der Rahmen-Vereinbarung geforderten Gebäudes nach den ursprünglichen Vertragsbedingungen nicht möglich gewesen.

Die Berufung macht weiter geltend, dass das Landgericht nicht berücksichtigt habe, dass sämtliche Zeugen bestätigt hätten, dass durch die Rahmen-Vereinbarung mögliche Ansprüche der Klägerin aus den wechselseitig ausgesprochenen Kündigungen hätten unberührt bleiben sollen.

Darüber hinaus vertritt die Klägerin weiterhin die Auffassung, dass entgegen der erstinstanzlichen Entscheidung die Beschränkung der Nutzung auf 200 gleichzeitig anwesende Personen in den Hörsälen und Seminarräumen Vertragsbestandteil geworden sei. Soweit das Landgericht angenommen habe, dass von ihr selbst die Beschränkung nicht gewollt, nicht beabsichtigt gewesen und nicht wahrgenommen worden sei, stelle dies eine Auslegung “ins Blaue hinein” dar, mit der ohne entsprechende Anhaltspunkte unterstellt werde, sie habe den Inhalt ihres eigenen Angebots nicht gekannt oder dessen Inhalt nicht realisiert oder verstanden. Soweit das Landgericht in diesem Zusammenhang ihr nachvertragliches Verhalten herangezogen habe, sei die Annahme, dass sie weder dem Protokoll der 43. Koordinierungsbesprechung vom 4. September 2013 noch demjenigen der 44. Koordinierungsbesprechung vom 18. September 2013 widersprochen habe, verfahrensfehlerhaft, da die entsprechenden Umstände nicht unstreitig seien. Auch komme es entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht darauf an, was der Beklagte bei Vertragsschluss gewollt habe. Entscheidend sei allein die Sicht eines objektiven Empfängers. Danach stehe es außer Zweifel, dass der Beklagte die Leistungen entsprechend dem Angebot der Klägerin und damit mit der Nutzungsbeschränkung erwartet habe. Soweit das Landgericht angenommen habe, dass jedenfalls die “funktionale Leistungsbeschreibung Planen und Bauen” vorrangig sei, sei dies schon deshalb unzutreffend, weil das Erstgericht den Wortlaut von § 2 Ziff. 2.4 des Projektvertrags missachtet habe, der lediglich eine Auslegungsregel und keine Unwirksamkeitsregelung beinhalte. Das Landgericht habe es in diesem Zusammenhang versäumt, sich mit der bestandskräftigen Baugenehmigung vom 5. Juli 2012 auseinanderzusetzen, die als speziellere Regel den allgemeinen Regeln in der Leistungsbeschreibung vorgehe. Soweit in der funktionalen Leistungsbeschreibung eine Nutzeranzahl von 1.000 angegeben werde, ergebe sich jedoch auch hierdurch kein Widerspruch zu dem Brandschutzkonzept, da Nutzer keine Besucher im Sinne der VStättVO seien und das Problem der Nutzungsbeschränkung durch eine Belegungsmatrix habe gelöst werden können. Auch aus dem Verhalten der Parteien vor Abschluss des Totalunternehmervertrags lasse sich eine abweichende Definition des ursprünglichen Bau-Solls nicht herleiten. Soweit sich das Landgericht mit der Beantwortung der Bieterfrage 62 befasse, werde verkannt, dass sich diese Frage nur auf die Anzahl der Studierenden im Fachbereich bezogen habe, nicht jedoch auf die vorliegend allein relevante Anzahl der Besucher in den Versammlungsräumen (Hörsaal und Seminarräume). Im Hinblick auf die gleichzeitig im Hörsaal und den Seminarräumen anwesenden Personen enthalte die Leistungsbeschreibung des Beklagten entgegen § 7 VOB/A keine konkrete Angabe. Selbst bei Vorliegen einer Besucheranzahl von 420 in der Leistungsbeschreibung könne sich nichts anderes ergeben, da es sich vorliegend um ein Verhandlungsverfahren gehandelt habe, so dass ein Bieter mit seiner Leistung von den in den Vergabeunterlagen angegebenen Anforderungen – soweit diese hinsichtlich des hier relevanten Raumprogramms nicht zwingend gewesen seien – habe abweichen dürfen. Dies gelte erst recht, wenn die funktionale Leistungsbeschreibung wie hier keine klaren, eindeutigen, widerspruchsfreien und verlässlichen Vorgaben zu den zu erreichenden Nutzerzahlen enthalten habe. Entscheidend sei dann nicht mehr die funktionale Leistungsbeschreibung als bloße invitatio ad offerendum sondern das letztverbindliche Angebot des Bieters, das durch die Zuschlagserteilung Vertragsbestandteil werde. Hierfür spreche im vorliegenden Fall auch, dass die zwingend einzuhaltenden Kriterien der funktionalen Leistungsbeschreibung, nämlich die Beibehaltung der äußeren Gestalt des Hochhauses sowie die Einhaltung des Baufensters, die Schaffung von Entfluchtungsmöglichkeiten für 5.320 Personen entsprechend den Regelungen der Versammlungsstättenverordnung nicht zugelassen hätten.

Das Landgericht habe unberücksichtigt gelassen, dass ein Auftraggeber, der die von einem Bieter im Rahmen eines Verhandlungsverfahrens erarbeitete Architektur überprüfe, es nicht vermeiden könne, sich gleichzeitig auch mit dem Nutzungs- und Brandschutzkonzept zu befassen. Aus diesem Grund habe auch keine Verpflichtung bestanden, den Beklagten gesondert auf brandschutzrelevante Passagen im Angebot hinzuweisen.

Schließlich verkenne das Landgericht die Beschränkungen der Funktionalklausel unter § 3 Ziff. 3.1 des Projektvertrags. Die Anforderungen der Baugenehmigung vom 17. Dezember 2015 beinhalteten ungewöhnliche und von keiner Seite zu erwartende Änderungs- und Zusatzleistungen. Die Klägerin habe nicht erwarten können, dass die von ihr zu berücksichtigende Personenzahl um ein Vielfaches erhöht würde. Auch habe sie nicht damit rechnen können, dass sie zwei kostenintensive Treppenhäuser habe bauen müssen, die sich zudem in einer Baufläche befänden, deren Nutzung ihr zunächst ausdrücklich untersagt gewesen sei. Ebenso wenig habe sie erwarten können, einen Entfluchtungssteg zu einem Parkhaus bauen zu müssen, das im Jahr 2011 noch nicht existiert habe und noch nicht einmal geplant gewesen sei. Auch habe sie nicht damit rechnen müssen, dass die Landeshauptstadt im Jahr 2015 eine Befreiung nach § 31 BauGB erteilen würde, die sie bis dahin vehement abgelehnt habe. Auch sei in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass die Baugenehmigung vom 17. Dezember 2015 materiell rechtswidrig gewesen sei. Schließlich sei in diesem Zusammenhang auch zu berücksichtigen, dass es ihr ausweislich der Antwort zu der Bieterfrage 29 ausdrücklich untersagt gewesen sei, mit der UBA und der Feuerwehr Kontakt aufzunehmen.

Nicht geprüft habe das Landgericht Ansprüche aus §§ 1 Abs. 3, 2 Abs. 5, 1 Abs. 4, 2 Abs. 6 VOB/B. Danach habe sich ein geänderter Vergütungsanspruch der Klägerin daraus ergeben, dass mit der Rahmen-Vereinbarung eine Änderung des Bauentwurfs angeordnet worden sei, was sich bereits auf Grund der Änderungen der Gebäudeabmessungen und der Erweiterungen des Baukörpers ergebe. Diese seien auf gestiegene Nutzeranforderungen im Verhältnis zu dem Stand im Jahr 2010/2011 zurückzuführen gewesen. Darüber hinaus stehe ihr ein Werklohnanspruch auch deshalb zu, weil sie für den Fall, dass der ursprünglich realisierte Bau mit einem Mangel behaftet gewesen sei, wegen einer Unverhältnismäßigkeit der Mängelbeseitigung zur Leistungsverweigerung gemäß § 13 Abs. 6 VOB/B berechtigt gewesen sei.

Soweit das Landgericht die Auffassung vertreten habe, dass die Nutzungsbeschränkung mangels eines Hinweises hierauf nicht Vertragsinhalt geworden sei, sei dies schon deshalb unzutreffend, weil die Frage der Brandschutzertüchtigungsmaßnahmen unter Berücksichtigung der Versammlungsstättenverordnung als Schwerpunktthema zur Diskussion gestanden habe und der Beklagte mit der Fassung des Brandschutzkonzepts vom 21. Juli 2011, das demjenigen vom 29. September 2011 entspreche, einverstanden gewesen sei. Entgegen der Auffassung des Landgerichts habe es sich bei der Nutzungsbeschränkung nicht um eine fernliegende Vertragsbestimmung gehandelt. Auch ein Erfordernis drucktechnischer Hervorhebung habe allein schon im Hinblick auf die Überschrift “Brandgefahren” nicht bestanden. Der Beklagte habe ein rechtliches sowie wirtschaftliches Interesse an dem Brandschutzkonzept gehabt. Ein Verstoß gegen eine etwaige Hinweispflicht könne ohnehin allenfalls F., nicht jedoch ihr vorgeworfen werden, da sie gegenüber dem Beklagten im Jahr 2011 kein Angebot abgegeben habe.

Das Landgericht habe es versäumt, Feststellungen zu dem ursprünglich vereinbarten Bau-Soll zu treffen. Das erstinstanzliche Urteil befasse sich lediglich mit der Frage, ob eine Beschränkung auf 200 Besucher in den Versammlungsräumen vereinbart gewesen sei, und nehme insoweit eine Gegenüberstellung mit dem der Rahmen-Vereinbarung zu Grunde liegenden neuen Bau-Soll vor. Dies beachte jedoch nicht, dass Letzteres über das ursprünglich vereinbarte Bau-Soll hinausgehe. Soweit das Landgericht ausgeführt habe, dass ein zweites Sicherheitstreppenhaus bereits vor Vertragsschluss thematisiert worden sei, sei dies insoweit unzutreffend, als es sich bei dem im Verhandlungsverfahren erörterten zweiten Sicherheitstreppenhaus um ein innenliegendes Treppenhaus gehandelt habe, während die vorliegend streitgegenständlichen beiden äußeren Sicherheitstreppenhäuser vor Vertragsschluss kein Thema zwischen den Parteien gewesen seien.

Die Ausführungen des Landgerichts zu der Paraphierung der Anlagenordner und die Wertung dahingehend, dass hiermit lediglich ein optischer Abgleich der einzelnen Seiten verbunden gewesen sei, verkenne die gesetzliche Beweiskraftregel von Privaturkunden (§ 416 ZPO). Außerdem lege das Landgericht nicht dar, weshalb der Paraphierung keine rechtliche bzw. vertragliche Relevanz zukommen sollte. Tatsachen, die diese Annahme stützen können, seien nicht festgestellt, so dass es sich diesbezüglich um eine ins Blaue hinein aufgestellte Hypothese handele.

Soweit das Landgericht eine Hinweispflicht bezüglich der Nutzungsbeschränkung daraus herleite, dass das Vertragswerk insgesamt 22 Leitz-Ordner umfasst habe, bleibe außer Betracht, dass sich der in Rede stehende Text zwar von seinem Wortlaut leicht, nach seinem Inhalt jedoch überhaupt nicht von der vorgängigen Fassung unterscheide. Darüber hinaus werde nicht berücksichtigt, dass von den 22 Ordnern allein 16 Ordner auf die eigenen Ausschreibungsunterlagen des Beklagten entfallen seien und fünf der übrigen sechs Aktenordner lediglich Pläne, Zeichnungen oder Ähnliches der Klägerin enthielten, so dass das eigentliche textliche Angebot der Klägerin lediglich in einem einzigen Aktenordner enthalten gewesen sei. Schließlich übersehe das Erstgericht den eigenen Vortrag des Beklagten in dessen Schriftsatz vom 4. Mai 2018, wo der Beklagte selbst ausgeführt habe, dass das Brandschutzkonzept vom 21. Juli 2011 bewusst zur Kenntnis genommen worden sei.

Die Klägerin macht weiter geltend, dass das Landgericht mit seinen Berechnungen zur Nutzerzahl gegen mathematische Regeln und Denkgesetze verstoße, indem es bei seinen Berechnungen den Unterschied zwischen “Nutzern” und “Besuchern” verkenne. Das Landgericht habe weiter verfahrensfehlerhaft ihren Vortrag zu einer Belegungsmatrix unberücksichtigt gelassen. Durch eine solche hätte sich, was der Beklagte nicht bestritten habe, sicherstellen lassen, dass sich zu keinem Zeitpunkt gleichzeitig mehr als 200 Personen in den Versammlungsräumen befunden hätten, was bei der Feststellung des ursprünglich vereinbarten Bau-Solls zu beachten gewesen sei.

Weiter beanstandet die Klägerin die Beweiswürdigung durch das Landgericht. Die Zeugen Dr. K. und Kn. hätten entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht bekundet, dass die Vergütungspflicht nach der Rahmen-Vereinbarung habe davon abhängig sein sollen, ob ursprünglich eine Begrenzung auf 200 Personen vereinbart gewesen sei. Vielmehr ergebe sich aus den Aussagen der Zeugen, dass die Vergütungspflicht nach der Rahmen-Vereinbarung von dem ursprünglichen Bau-Soll habe abhängig sein sollen und damit immer dann bestanden habe, wenn das Bau-Ist von dem ursprünglichen Bau-Soll abgewichen sei. Dies werde auch durch den Wortlaut der Präambel der Rahmen-Vereinbarung (Teil A. letzter Spiegelstrich) bestätigt.

Die Klägerin beanstandet weiter, dass das Landgericht relevante Beweisangebote übergangen habe. So habe das Landgericht Beweis erheben müssen über die Frage, ob die Fristsetzung seitens F. wirksam gewesen sei oder nicht, da im Falle der Unwirksamkeit der Fristsetzung die von F. ausgesprochene Kündigung unwirksam und ihre eigene Kündigung wirksam gewesen sei. Auch habe das Landgericht Beweis über die Frage erheben müssen, ob die in der Baugenehmigung vom 17. Dezember 2015 gestellten Anforderungen an den Brandschutz überzogen und unangemessen gewesen seien, da sich das von ihr übernommene Genehmigungsrisiko nicht auf rechtswidrige Anforderungen und Bestimmungen erstreckt habe. Weiter sei Beweis zu erheben gewesen zu der Frage, ob das Brandschutzkonzept der Klägerin vom 29. September 2011 demjenigen vom 21. Juli 2011 entspreche und damit vertragliches Bau-Soll geworden sei. Verfahrensfehlerhaft sei es auch, dass kein Beweis zu ihrer Behauptung erhoben worden sei, dass der Zeuge Dr. K. gegenüber dem Zeugen Kn. darauf hingewiesen habe, dass eine Lösung zur Fortführung des Bauvorhabens auf jeden Fall berücksichtigen müsse, dass der Totalunternehmervertrag durch Kündigung beendet sei. Außerdem habe das Landgericht ihr Beweisangebot zu der Frage, dass das Gebäude gemäß der Genehmigung vom 17. Dezember 2015 innerhalb der von dem Beklagten vorgegebenen Baugrenze und Kubatur nicht hätte errichtet werden können, übergangen. Für ihre Behauptung, dass sie das Brandschutzkonzept Dipl.-Ing. St.-St. am 14. September 2011 mit der hier relevanten Nutzungsbeschränkung gegenüber dem Beklagten thematisiert habe und der Beklagte dieses Konzept habe uneingeschränkt nachvollziehen und verstehen können, habe sie Beweis durch Sachverständigengutachten angeboten, der verfahrensfehlerhaft nicht erhoben worden sei. Weiterhin sei das Landgericht fehlerhaft dem Beweisangebot für ihre Behauptung, dass das durch den Projektsteuerer des Beklagten erstellte Protokoll vom 25. September 2013, wonach die in der ersten Baugenehmigung formulierte Nutzungsbegrenzung mit maximal 200 Personen in den Seminarräumen und Hörsälen nicht vertragskonform gewesen sei, weder eine übereinstimmend getroffene Feststellung noch ein Anerkenntnis ihrerseits darstelle, nicht nachgegangen. Die Klägerin macht weiter geltend, dass sich aus den Ausschreibungsunterlagen kein Hinweis darauf entnehmen lasse, dass das HTW-Gebäude insgesamt habe als Versammlungsstätte genutzt und unter Zugrundelegung der Versammlungsstättenverordnung habe geplant, gebaut und betrieben werden sollen. Ihr diesbezügliches Beweisangebot in Form eines Sachverständigengutachtens sei verfahrensfehlerhaft übergangen worden. Entsprechendes gelte für ihr Beweisangebot dazu, dass die Beschränkung des nebensächlichen Lehrbetriebs auf 200 Personen gleichzeitig in den Seminarräumen und dem Hörsaal weder widersprüchlich noch absurd sei, sowie dazu, dass sich bereits nach der ersten Baugenehmigung vom 5. Juni 2012 nebst Auflage A 19 ohne Weiteres mehr als 200 Personen im Gebäude hätten aufhalten können. Weiter habe das Landgericht Beweis darüber erheben müssen, dass ein Gleichzeitigkeitsfaktor im Hinblick auf die Nutzerzahl zu keinem Zeitpunkt kommuniziert worden sei, weshalb eine bestimmte Mindest-Personenzahl nicht geschuldet gewesen sei. Auch ihr Beweisangebot zur fehlenden klaren Zielsetzung der funktionalen Ausschreibung – insbesondere fehlender Mindestvorgaben für die Zahl der gleichzeitigen Nutzer in den Seminarräumen und Hörsälen – sei übergangen worden. Die Zeugen G. und T. seien durch das Landgericht nicht gehört worden, obwohl sie diese dazu benannt habe, dass sie stets klargestellt habe, dass die Ansicht des Beklagten zum Vertragssoll nicht geteilt werde, und der Auffassung gewesen sei, zur Abänderung der Baugenehmigung vom 5. Juli 2012 nicht verpflichtet gewesen zu sein.

Die Klägerin rügt weiter eine Verletzung der Hinweispflicht durch das Landgericht im Zusammenhang mit ihrem – durch das Landgericht als unsubstantiiert erachteten – Vortrag zu einer Unverhältnismäßigkeit und Rechtswidrigkeit der Baugenehmigung vom 17. Dezember 2015. Sie macht geltend, dass sie im Falle eines Hinweises vorgetragen hätte, dass nach der Baugenehmigung vom 17. Dezember 2015 Rettungswege für eine überhöhte und daher rechtswidrige Anzahl von Personen – nämlich 2.660 Personen statt vorher 1.000 Personen – vorzusehen gewesen seien. Weiter hätte sie vorgetragen, dass die Baugenehmigung vom 17. Dezember 2015 die Schaffung von Entfluchtungsmöglichkeiten für 5.320 Personen (statt vorher 1.000 Personen) vorgesehen habe. Überzogen und damit rechtswidrig sei auch die Forderung gewesen, vier verschiedene Rettungswege schaffen zu müssen, nämlich einen innenliegenden Sicherheitstreppenraum, zwei außen an das Gebäude angestellte und bis dahin nicht vorgesehene neue Treppentürme sowie schließlich einen zusätzlich zu schaffenden Übergang vom Hochhaus der HTW auf das Deck des benachbarten – im Jahr 2011 bei Abschluss der ursprünglichen Vereinbarung noch gar nicht existenten und noch nicht einmal vorgesehenen – Parkhauses. Im Baugenehmigungsverfahren sei das Projekt wie ein Neubauvorhaben behandelt worden und es sei unberücksichtigt geblieben, dass es sich um ein flächenmäßig determiniertes Bestandsgebäude gehandelt habe. Darüber hinaus sei unbeachtet geblieben, dass mit der ermittelten größtmöglichen Besucherzahl auch die weitest gehende Forderung des Bauherrn (500 oder auch 1.000 Besucher gleichzeitig) mehr als um ein Vielfaches überschritten werde. Gerade in Bestandsgebäuden entspreche es einer geübten Praxis, Befreiungen zuzulassen und mit Nutzungsbeschränkungen zu arbeiten. Werde danach zu Grunde gelegt, dass die Baugenehmigung vom 17. Dezember 2015 unverhältnismäßig und rechtswidrig gewesen sei, habe die Klägerin die darin enthaltenen Anforderungen nicht, jedenfalls nicht ohne gesonderte Vergütung, baulich umsetzen müssen. Mit dem Vortrag eines überzogenen Inhalts der Baugenehmigung sei sie entgegen der Auffassung des Landgerichts auch nicht mangels Einlegung eines Rechtsmittels präkludiert. Die Rücknahme des Widerspruchs gegen die Baugenehmigung sei auf massiven Druck des Beklagten erfolgt, was der durch das Landgericht angenommenen Freiwilligkeit der Rücknahme entgegenstehe.

Unzutreffend sei auch die Auffassung des Landgerichts, dass es in Bezug auf das Vorliegen geänderter oder zusätzlicher Leistungen gemäß §§ 2 Abs. 5, 2 Abs. 6 VOB/B an substantiiertem Vortrag fehle. Insoweit hätte es jedenfalls eines Hinweises bedurft, woraufhin zu den auf Grund der Baugenehmigung vom 17. Dezember 2015 gesteigerten Anforderungen an die Rettungswege und Entfluchtungsmöglichkeiten weiter vorgetragen worden wäre.

Die Klägerin rügt mit ihrer Berufung darüber hinaus, dass das Landgericht im Rahmen der Beweiswürdigung den Grundsatz missachtet habe, dass eine Partei sich die bei einer Beweisaufnahme zu Tage tretenden Umstände jedenfalls hilfsweise zu eigen mache, soweit diese Umstände zur Stützung ihrer Rechtsposition geeignet seien. Unter Berücksichtigung der Aussage des Zeugen Dr. K. böten daher die Feststellungen des Erstgerichts keine hinreichende Grundlage für die Annahmen, die Klägerin sei auf Grund mangelnder eigener Leistungsbereitschaft vertragsuntreu gewesen, lediglich die Klägerin habe ein wirtschaftliches Interesse an dem Abschluss der Rahmen-Vereinbarung gehabt, bezüglich der Rechtswidrigkeit der Baugenehmigung vom 17. Dezember 2015 fehle es an substantiiertem Vortrag und die Klägerin sei mit ihrem Vortrag gegen den Inhalt der Baugenehmigung präkludiert.

Die Feststellungen des Landgerichts seien schließlich insoweit widersprüchlich, als zum einen die Auffassung vertreten werde, dass sich wegen § 242 BGB eine Hinweispflicht ihrerseits auf die Beschränkung der Besucherzahl in den Versammlungsräumen ergeben habe, andererseits jedoch davon ausgegangen werde, dass der Brandschutz von Anfang an ein zentrales Thema gewesen sei. Da ein öffentlicher Auftraggeber durch einen Bieter auch im Verhandlungsverfahren nicht gesondert dazu aufgefordert werden müsse, die ihm nach dem Vergaberecht zugewiesenen Aufgaben der Angebotsprüfung und -wertung zu erfüllen, bestehe eine Hinweispflicht im vorliegenden Fall nicht. Ohnehin habe der Beklagte den ihm obliegenden Beweis dafür, dass er das klägerische Brandschutzkonzept vom 29. September 2011 mit der darin enthaltenen Einschränkung der Besucherzahl in den Versammlungsräumen nicht zur Kenntnis genommen habe, nicht geführt, weshalb dieser Vortrag des Beklagten durch das Landgericht nicht habe zu Grunde gelegt werden dürfen.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des am 23. Oktober 2018 verkündeten Urteils des Landgerichts, Aktenzeichen 15 O 104/17, festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin gemäß der Rahmen-Vereinbarung vom 29. September 2016 (Anlage K3) für alle von dem Sachverständigen H. + K. PartGmbB, Beratende Ingenieure für Brandschutz, festgestellten Bau- und Planungsleistungen eine Vergütung nach den vertraglich vereinbarten bzw. zu den vom Sachverständigen als vertraglich festgelegten Preisen zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte ist der Auffassung, dass die Berufung im Hinblick darauf unzulässig sei, dass die Klägerin an ihrem Feststellungsantrag festhalte, obwohl die von ihr geltend gemachte Forderung zwischenzeitlich bezifferbar sei, nachdem das gemäß der Rahmen-Vereinbarung für beide Parteien zur Frage der Höhe einer etwaigen Vergütung verbindliche Baupreisgutachten des Büros H. + K. zwischenzeitlich vorliege und zum Gegenstand der Schlussrechnung der Klägerin vom 17. August 2018 gemacht worden sei.

Im Übrigen verteidigt er die erstinstanzliche Entscheidung unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens. Er trägt in diesem Zusammenhang vor, dass das Hochhaus von Anfang an als ein Hochschulgebäude geplant gewesen sei, das zu zwei Dritteln einen Lehr- und Studienbetrieb habe ermöglichen sollen. Weder aus dem Vertragswerk noch aus sonstigen Umständen habe sich ergeben, dass die Klägerin die Errichtung eines Hochschulgebäudes geschuldet habe, in dessen Seminarräumen sich lediglich maximal 200 Personen gleichzeitig hätten aufhalten dürfen. Dass die Klägerin ursprünglich nicht vorgehabt habe, das Gebäude mit der streitgegenständlichen Nutzungsbeschränkung zu errichten, ergebe sich bereits aus der Grundrissgestaltung, wobei nach Anzahl und Größe der Seminarräume und Hörsäle unmöglich davon ausgegangen werden könne, dass die Nutzung des Gebäudes durch maximal 200 Studenten auf sieben Stockwerken das Ziel der funktionalen Ausschreibung erreiche. Entsprechendes folge auch aus dem Möblierungsnachweis, wonach für die Bestuhlung der Seminarräume und Hörsäle des Gebäudes insgesamt 851 Stühle bestellt worden seien. Auch die Berechnung der Nutzerwerte der Förderanlagen, in deren Zusammenhang die Abläufe des Studienbetriebs bei ca. 1.000 eingeschriebenen Studierenden thematisiert worden sei, sowie die Kapazitätsberechnung für die Sanitäranlagen, bei der eine Nutzerzahl von 1.183 Personen angenommen und in deren Zusammenhang eine Anwendung der Versammlungsstättenverordnung zu Grunde gelegt worden sei, zeige, dass ein Planungswille mit einer Nutzungsbeschränkung auf 200 Studierende im gesamten Gebäude unweigerlich der Zielsetzung der funktionalen Ausschreibung widersprochen hätte. Eine Belegungsmatrix zur Steuerung der Belegung der Hörsäle und Seminarräume sei weder im Verhandlungsverfahren von der Klägerin thematisiert worden, noch sei eine solche von ihm gewünscht gewesen, so dass ein entsprechender Lösungsansatz den Ausschluss des Angebots der Klägerin zur Folge gehabt hätte. Der Beklagte trägt weiter vor, dass die Fassung des Brandschutzkonzepts vom 29. September 2011 nicht der in der Endverhandlungsrunde vom 14. September 2011 vorgestellten und erläuterten Fassung des Brandschutzkonzepts vom 21. Juli 2011 entsprochen habe. Die Einschränkung auf maximal 200 Studenten habe sich im ersten Brandschutzkonzept lediglich auf drei Geschossebenen bezogen, was bei einem zehngeschossigen Hochhaus keine gravierende Nutzungsbeschränkung darstelle. Unter Berücksichtigung dessen habe keine Veranlassung bestanden, davon auszugehen, dass die Klägerin durch ihr Brandschutzkonzept quasi indirekt hunderte von Studierenden habe aussperren wollen. Die nunmehr auf Grund der Baugenehmigung vom 17. Dezember 2015 erforderlichen Baumaßnahmen seien allein deswegen auszuführen gewesen, weil die Klägerin auf der Grundlage ihres vertragswidrigen Bauantrags vom 14. Februar 2012 gebaut habe. Die Errichtung des HTW-Hochhauses habe in brandschutzrechtlicher Hinsicht bereits bei Abschluss des Vertrags unter Einhaltung der Anforderungen der Versammlungsstättenverordnung zu erfolgen gehabt, so dass die Umsetzung der Baugenehmigung vom 17. Dezember 2015 erforderlich sei, um das Gebäude vertragsgemäß und dem öffentlichen Recht entsprechend fertig zu stellen. Durch die Novellierung der Prüfberechtigten- und Prüfsachverständigenverordnung sei diesbezüglich keine Änderung eingetreten. Das materielle Recht sei vom Ersteller des Brandschutzkonzepts und dem Prüfsachverständigen Dipl.-Ing. D. falsch angewendet worden, weil in Bezug auf die Entfluchtung die Hochhausverordnung und nicht die Versammlungsstättenverordnung angewendet worden sei. Soweit die Klägerin auf Vorgaben zur Einhaltung der Baugrenze und Kubatur in der funktionalen Leistungsbeschreibung hinweist, träfen diese Einwände nicht zu, da die Klägerin jedenfalls gegen die ihr obliegenden Überprüfungs- und Hinweispflichten verstoßen habe. Die Klägerin habe erkennen müssen, dass auf Grund der Vorgaben zur schwerpunktmäßigen Nutzung des HTW-Hochhauses als Lehr- und Studiengebäude unter Berücksichtigung der Vorgaben zu den Nutzerzahlen und der Raumordnung aus der funktionalen Leistungsbeschreibung die Versammlungsstättenverordnung Anwendung finde. Soweit dies dazu geführt habe, dass die weiteren Vorgaben zur Einhaltung der Baugrenze und Kubatur in der funktionalen Leistungsbeschreibung nicht hätten eingehalten werden können, sei sie verpflichtet gewesen, auf diesen Widerspruch hinzuweisen.

Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die zwischen den Parteien zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 5. Februar 2020 Bezug genommen.

II.

Die Berufung der Klägerin ist zulässig. Sie ist nach §§ 511, 513, 517, 519 und 520 ZPO statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

Der Umstand, dass die Klägerin zwischenzeitlich außergerichtlich den von ihr geltend gemachten Vergütungsanspruch beziffert und insoweit eine Schlussrechnung übersandt hat, steht entgegen der Auffassung des Beklagten der Zulässigkeit der Berufung nicht entgegen, sondern betrifft ausschließlich die Frage der Zulässigkeit der Feststellungsklage.

1.

Die Feststellungsklage ist im vorliegenden Fall zulässig. Dass die Klägerin – jedenfalls nach Vorlage des Baupreisgutachtens – zu einem Leistungsbegehren übergehen könnte, vermag hieran nichts zu ändern. Zwar muss das für die Zulässigkeit einer Feststellungsklage erforderliche Feststellungsinteresse grundsätzlich bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung vorliegen (BGH, Urteil vom 25. Oktober 2016 – II ZR 230/15, NJW 2017, 1467, 1469 Rn. 27; BGH, Urteil vom 8. Juli 1955 – I ZR 201/53, NJW 1955, 1513, 1514). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, von der vorliegend abzuweichen für den Senat keine Veranlassung besteht, ist jedoch anerkannt, dass eine ursprünglich zulässige Feststellungsklage nicht dadurch unzulässig wird, dass im Verlaufe des Rechtsstreits die Voraussetzungen für den Übergang zu einer Leistungsklage eingetreten sind (BGH, Urteil vom 29. Juni 2011 – VIII ZR 212/08, NJW 2011, 3361 Rn. 16; BGH, Urteil vom 4. November 1998 – VIII ZR 248/97, NJW 1999, 639, 640, jeweils m.w.N.).

Dem Landgericht ist darin zu folgen, dass die Erhebung einer Feststellungsklage im vorliegenden Fall zulässig war.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein rechtliches Interesse an einer alsbaldigen Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses gegeben, wenn dem Recht oder der Rechtsposition des Klägers eine gegenwärtige Gefahr oder Unsicherheit droht und das erstrebte Urteil geeignet ist, diese Gefahr zu beseitigen (BGH, Urteil vom 22. Januar 2019 – II ZR 59/18, NJW 2019, 1002, 1003 Rn. 12; BGH, Urteil vom 25. Juli 2017 – II ZR 235/15, NJW-RR 2017, 1317, 1318 Rn. 16, jeweils m.w.N.). Eine solche Gefahr besteht in der Regel schon dann, wenn der Beklagte das Recht des Klägers ernstlich bestreitet (BGH, Urteil vom 25. Oktober 2004 – II ZR 413/02, NJW-RR 2005, 637, 638; KG Berlin, Urteil vom 16. April 2018 – 22 U 168/16, NJOZ 2018, 1881, 1882). Nach Maßgabe dessen ist im vorliegenden Fall das rechtliche Interesse der Klägerin an der begehrten Feststellung einer Vergütungspflicht des Beklagten zu bejahen, da dieser – was sich aus der Rahmen-Vereinbarung ohne Weiteres ergibt – seine Vergütungspflicht in Bezug auf die hier streitgegenständlichen sich aus der Baugenehmigung vom 17. Dezember 2015 ergebenden Brandschutzertüchtigungsmaßnahmen ausdrücklich in Abrede stellt.

Im Allgemeinen fehlt es zwar an einem Feststellungsinteresse, wenn eine Leistungsklage, die das Rechtsschutzinteresse des Klägers wahrt, möglich ist (BGH, Urteil vom 8. Februar 2019 – V ZR 176/17, NJW 2019, 2016 Rn. 5; BGH, Urteil vom 21. Februar 2017 – XI ZR 467/15, NJW 2017, 1823, 1824 Rn. 14). Ein solcher Fall ist jedoch vorliegend bereits deshalb nicht gegeben, da – worauf das Landgericht zutreffend abgestellt hat – eine Zahlungsklage mangels Fälligkeit eines etwaigen Anspruchs von vornherein ausscheidet. Wie sich aus Teil I. Ziff. 10 der Rahmen-Vereinbarung ergibt, ist der Beklagte zum Ausgleich eines etwaigen Vergütungsanspruchs der Klägerin erst nach rechtskräftigem Abschluss des gerichtlichen Verfahrens verpflichtet ist, so dass es bislang an der Fälligkeit eines entsprechenden Anspruchs fehlt. Ob es der Klägerin möglich und zumutbar wäre, eine Klage auf künftige Leistung gemäß § 259 ZPO zu erheben, kann dahinstehen, da die Möglichkeit einer solchen Klage der Zulässigkeit der Feststellungsklage und dem dafür nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderlichen Feststellungsinteresse anerkanntermaßen nicht entgegensteht (BGH, Urteil vom 19. November 2014 – VIII ZR 79/14, NJW 2015, 873, 876 Rn. 34; BGH, Urteil vom 6. November 2013 – VIII ZR 194/12, NVwZ 2014, 962, 963 Rn. 13; BGH, Urteil vom 21. Januar 2004 – VIII ZR 99/03, NJW-RR 2004, 586 m.w.N.).

Hinzu kommt, dass die Erhebung einer Feststellungsklage trotz der Möglichkeit, eine Leistungsklage zu erheben, zulässig ist, wenn sie unter dem Gesichtspunkt der Prozesswirtschaftlichkeit zu einer sinnvollen und sachgemäßen Erledigung der aufgetretenen Streitpunkte führt, was in dem Fall, in dem die beklagte Partei wie hier eine öffentliche Körperschaft ist, in der Regel deshalb anzunehmen ist, da zu erwarten ist, dass diese sich auch einem eventuellen Feststellungsurteil beugen wird (BGH, Urteil vom 8. Februar 2019 – V ZR 176/17, NJW 2019, 2016 Rn. 5; BGH, Urteil vom 26. Juni 2003 – III ZR 245/98, NJW 2003, 3488, jeweils m.w.N.).

2.

Das Landgericht hat im Ergebnis zu Recht einen Zahlungsanspruch der Klägerin gegen den Beklagten im Zusammenhang mit der Umsetzung der nach der Baugenehmigung vom 17. Dezember 2015 erforderlichen Brandschutzmaßnahmen verneint.

a)

Entgegen der Auffassung der Klägerin ergibt sich ein entsprechender Anspruch nicht unmittelbar aus der Rahmen-Vereinbarung in Verbindung mit §§ 631, 632 Abs. 1 BGB.

aa)

Zwar ist der Berufung darin zuzustimmen, dass die Parteien mit Abschluss der Rahmen-Vereinbarung vom 29. September 2016 einen neuen Vertrag über die Erbringung von Bauleistungen zur Umsetzung der Baugenehmigung vom 17. Dezember 2015 gemäß § 631 BGB geschlossen haben.

Der – wie im vorliegenden Fall beabsichtigte – Wechsel einer Vertragspartei kann in rechtlich unterschiedlicher Weise vollzogen werden. Zum einen kann eine Vertragsübernahme ohne Neuabschluss eines Vertrags durch Rechtsnachfolge in den alten Vertrag herbeigeführt werden, indem ein Vertragspartner unter Aufrechterhaltung der Identität des Vertrags ausgewechselt wird. Zum anderen kann der Wechsel des Vertragspartners auch dadurch erfolgen, dass der alte Vertrag beendet und ein neuer Vertrag zu den Bedingungen des aufgehobenen abgeschlossen wird (BGH, Urteil vom 3. Dezember 1997 – XII ZR 6/96, NJW 1998, 531, 532; BGH, Urteil vom 20. Juni 1985 – IX ZR 173/84, NJW 1985, 2528, 2530; BeckOGK/Heinig, Stand: 1. März 2020, BGB § 414 Rn. 29). Ob eine Vertragsübernahme oder der Neuabschluss eines Vertrags gewollt ist, muss dabei durch Auslegung ermittelt werden (BGH, Urteil vom 3. Dezember 1997, a.a.O.; Staudinger/Rieble, BGB, Neubearbeitung 2017, § 414, Rn. 129).

Diese Auslegung führt im vorliegenden Fall dazu, dass von der Neubegründung eines Vertragsverhältnisses auszugehen ist. Zwar spricht die Rahmen-Vereinbarung – worauf das Landgericht im Ausgangspunkt zutreffend abstellt – in Teil I. Ziff. 2 von einem Vertragseintritt des Beklagten, was zunächst auf eine Vertragsübernahme hindeutet. Allerdings ergibt sich aus dem Gesamtzusammenhang der zwischen den Vertragsparteien getroffenen Regelungen, dass vorliegend die Neubegründung eines Vertragsverhältnisses gewollt war.

Hierfür spricht zunächst der Umstand, dass die Vertragsparteien bei Abschluss der Rahmen-Vereinbarung übereinstimmend davon ausgegangen sind, dass der Totalunternehmervertrag zwischen F. und der Klägerin – ungeachtet der Frage, auf Grund welcher Kündigung die entsprechende Rechtsfolge eingetreten ist – beendet war. Dies ergibt sich daraus, dass die Rahmen-Vereinbarung das Fortbestehen des Totalunternehmervertrags lediglich fingiert, was unter Teil I. Ziff. 3 der Rahmen-Vereinbarung dadurch zum Ausdruck gebracht wird, dass die Vertragsparteien des Totalunternehmervertrags erklärt haben, dass sie “jeweils Bezug nehmend auf die wechselseitigen Kündigungen darüber einig” sind, dass F. für die Erbringung der künftigen Arbeiten nicht mehr Partei des Totalunternehmervertrags ist. Darüber hinaus hat die Zeugin Br., die an den Verhandlungen zur Rahmen-Vereinbarung als Justiziarin auf Seiten des Beklagten mitgewirkt hat, im Rahmen ihrer Vernehmung bekundet, dass die beteiligten Juristen davon ausgegangen seien, dass der Totalunternehmervertrag durch eine der beiden ausgesprochenen Kündigungen wirksam beendet worden ist.

Dass sich im vorliegenden Fall der Vertragsparteiwechsel nach dem Willen der Parteien nicht im Rahmen einer Vertragsübernahme, sondern durch Abschluss eines neuen Vertrags vollziehen sollte, ergibt sich weiter daraus, dass der Eintritt des Beklagten in den Totalunternehmervertrag lediglich ex nunc und nur für die künftig zu erbringenden Planungs- und Bauleistungen gemäß dem Angebot der Klägerin vom 14. April 2016 gelten sollte, so dass es an einer vollständigen oder auch nur weitgehenden Identität der vertraglichen Pflichten sowie insbesondere der Erklärung, auch für die bereits begründeten Verbindlichkeiten der ausscheidenden Partei haften zu wollen, was Indizien für eine Vertragsübernahme wären (vgl. dazu BeckOGK/Heinig, a.a.O., § 414 Rn. 29), fehlt. Darüber hinaus wurde in der Rahmen-Vereinbarung die Geltung der VOB/B in der damals aktuellen Fassung des Jahres 2016 vereinbart, so dass sich auch insoweit eine Abweichung von den Regelungen des Totalunternehmervertrags ergibt.

Auch das Ergebnis der Beweisaufnahme stützt die Auslegung dahingehend, dass die Parteien mit der Rahmen-Vereinbarung ein neues Vertragsverhältnis begründet haben. So hat nicht nur der durch die Klägerin benannte Zeuge Dr. K. erklärt, dass mit der Rahmenvereinbarung ein neuer Vertrag habe geschlossen werden sollen. Vielmehr hat auch die durch den Beklagten benannte Zeugin Br. bekundet, dass einvernehmlich geplant gewesen sei, einen inhaltlich eigenständigen Vertrag zwischen den Parteien zu schließen. Dem steht auch nicht die Aussage des Zeugen Dr. Sp. entgegen, der davon gesprochen hat, dass es für den Beklagten entscheidend gewesen sei, dass der Totalunternehmervertrag “jedenfalls inhaltlich” fortgesetzt werde. Dieses Ergebnis konnte auch durch den Neuabschluss eines Vertrags unter Bezugnahme auf die inhaltlichen Regelungen des Totalunternehmervertrags erreicht werden. Zwar haben die Zeugen W., Ke. und Ka. davon gesprochen, dass durch die Rahmen-Vereinbarung kein neuer Auftrag habe erteilt werden sollen. Insoweit handelt es sich allerdings offensichtlich um eine bloße eigene rechtliche Wertung, die das Augenmerk allein auf die von den Zeugen verneinte Frage einer beabsichtigten zusätzlichen Vergütungspflicht richtet.

Dem vorliegend gewonnenen Auslegungsergebnis steht schließlich auch die Behauptung der Klägerin, dass die gewählte vertragliche Konstruktion das Erfordernis einer Neuausschreibung habe verhindern sollen, nicht entgegen. Dies könnte im Hinblick auf die bei der Auslegung zu berücksichtigende Interessenlage der Parteien allenfalls dann in Betracht gezogen werden, wenn ein Verstoß gegen Ausschreibungsgrundsätze die zivilrechtliche Unwirksamkeit des Vertrags zur Folge hätte. Dies ist jedoch mit Blick auf § 135 Abs. 1 Nr. 2 GWB nicht der Fall. Danach kann die Unwirksamkeit eines ohne vorherige Ausschreibung geschlossenen Vertrags nur von einer Vergabekammer oder einem Vergabesenat festgestellt werden. Solange dies – wie hier – nicht geschehen ist, ist der Vertrag im Verhältnis zwischen dem Auftraggeber und dem Vertragspartner wirksam (Summa in: Heiermann/Zeiss/Summa, jurisPK-Vergaberecht, 5. Aufl., § 160 GWB Rn. 182).

bb)

Der Abschluss eines neuen Vertrags zwischen den Parteien führt im vorliegenden Fall entgegen der mit der Berufung vertretenen Auffassung allerdings nicht dazu, dass sich ein Vergütungsanspruch für die auf der Grundlage dieses Vertrags erbrachten Bauleistungen nach § 632 Abs. 1 BGB ergeben würde.

Nach § 632 Abs. 1 BGB gilt die Zahlung einer Vergütung für die Werkleistung als stillschweigend vereinbart, wenn die Herstellung des Werks den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist. Die Vorschrift soll zur Vermeidung von Dissensfolgen Lücken im Vertrag schließen und setzt daher voraus, dass die Vertragsparteien die Frage der Vergütung und damit der Entgeltlichkeit der Leistung weder positiv noch negativ geregelt haben (BGH, Urteil vom 14. Juli 1994 – VII ZR 53/92, BeckRS 1994, 31061173; OLG Naumburg, Urteil vom 30. November 2000 – 2 U 104/00, juris Rn. 27; Messerschmidt/Voit/Boldt, 3. Aufl., BGB § 632 Rn. 25; MüKoBGB/Busche, 8. Aufl., BGB § 632 Rn. 5; Palandt/Sprau, BGB, 79. Aufl., § 632 Rn. 1).

Nach Maßgabe dessen kommt § 632 Abs. 1 BGB im vorliegenden Fall von vornherein nicht zur Anwendung. Die Parteien haben in der Rahmen-Vereinbarung die Frage der Entgeltlichkeit in Bezug auf die danach zu erbringenden Brandschutzmaßnahmen gerade nicht offengelassen, sondern haben diese ausdrücklich von gerichtlich zu treffenden Feststellungen zum ursprünglichen Bau-Soll abhängig gemacht.

Dass die Vergütungsfrage nicht im Sinne einer Vertragslücke offen geblieben, sondern in der zuvor genannten Weise geregelt worden ist, ergibt sich auf Grund verschiedener Formulierungen in der Rahmen-Vereinbarung, die die Frage der Vergütungspflicht ausdrücklich mit einer gerichtlichen Klärung des ursprünglich vereinbarten Bau-Solls verknüpfen.

So heißt es bereits in der Präambel der Rahmenvereinbarung unter Buchstabe C, letzter Spiegelstrich:

“Die Klärung der Fragestellungen zum ursprünglich vereinbarten Bau-Soll und der damit verbundenen Vergütungspflicht im Hinblick auf die noch zu erbringenden Brandschutzertüchtigungsmaßnahmen erfolgt im Nachgang zwischen dem Land und der ARGE, die Landesbank und F. werden an etwaigen Bauprozessen nicht beteiligt.”

Weiter heißt es in Teil I Ziff. 10 der Rahmen-Vereinbarung wie folgt:

“ARGE und Land stimmen darin überein, dass die Berechtigung vorgenannter Vergütungsansprüche für die zu erbringenden Brandschutzertüchtigungsmaßnahmen im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens geklärt werden und das Land zur Zahlung weiterer Vergütung wie vorstehend oder Teilen hiervon sowie umgekehrt die ARGE zum Ausgleich etwaiger Schadensersatzansprüche erst nach rechtskräftigem Abschluss des gerichtlichen Verfahrens verpflichtet sind.”

Dass die Vergütungspflicht in Bezug auf die mit der Rahmen-Vereinbarung beauftragten Leistungen von dem ursprünglichen Bau-Soll abhängig sein sollte, wird auch durch das Ergebnis der Beweisaufnahme bestätigt. Insoweit wird auf die ausführliche Wiedergabe der Zeugenaussagen im erstinstanzlichen Urteil verwiesen. Danach haben mit Ausnahme des Zeugen Dr. K. alle Zeugen übereinstimmend ausgesagt, dass nach der Vorstellung der Parteien die Vergütungspflicht von dem ursprünglichen Bau-Soll abhängig gewesen sei. So hat selbst der durch die Klägerin benannte Zeuge Re. erklärt, dass für die Vergütungsansprüche der Klägerin gegen den Beklagten das ursprüngliche Bau-Soll habe maßgeblich sein sollen. Ein hiervon abweichendes Ergebnis lässt sich auch den Aussagen des Zeugen Dr. K. nicht entnehmen. Soweit der Zeuge erklärt hat, dass sich auf Seiten des Beklagten niemand gefunden habe, der bereit gewesen sei, den Satz “Es wird dem Grunde nach anerkannt, dass der Arge ein zusätzlicher Vergütungsanspruch für die weiteren Baumaßnahmen zusteht.” zu unterzeichnen, steht dies einer dem Wortlaut der Rahmen-Vereinbarung zu entnehmenden Vergütungsvereinbarung dahingehend, dass das ursprünglich geschuldete Bau-Soll habe entscheidend sein sollen, nicht entgegen, sondern bestätigt lediglich, dass sich der Beklagte mit einer von dem Totalunternehmervertrag losgelösten Vergütung der Brandschutzmaßnahmen nicht einverstanden erklärt hat.

Unter Zugrundelegung des Umstands, dass die Parteien wegen einer etwaigen Vergütungspflicht auf das ursprüngliche Bau-Soll abgestellt haben, ist es daher bei dem in der Rechtsprechung allgemein anerkannten Grundsatz verblieben, dass in Fällen, in denen eine Leistung bereits nach dem Ursprungsvertrag geschuldet und bezahlt worden ist, der Auftragnehmer dieselbe Leistung nur dann auf Grund einer Nachtragsvereinbarung bezahlt verlangen kann, wenn sich der Auftraggeber in vertragsändernder Weise eindeutig damit einverstanden erklärt, eine zusätzliche Vergütung ohne Rücksicht auf die schon bestehenden Leistungspflichten des Auftragnehmers zu zahlen (BGH, Urteil vom 26. April 2005 – X ZR 166/04, NJW-RR 2005, 1179, 1180; OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 14. Februar 2017 – 14 U 88/16, BeckRS 2017, 117589 Rn. 60; BeckOGK/Mundt, 1.10.2019, BGB § 632 Rn. 248).

An einer entsprechenden eindeutigen vertragsändernden Erklärung des Beklagten, eine Vergütung unabhängig von dem ursprünglich geschuldeten Bau-Soll zu leisten, fehlt es im vorliegenden Fall.

Eine solche Erklärung kann auch nicht dem Umstand entnommen werden, dass sich die Klägerin in Teil II Ziff. 2 der Rahmen-Vereinbarung Rechte aus der von ihr gegenüber F. ausgesprochenen Kündigung des Totalunternehmervertrags gegenüber dem Beklagten vorbehalten hat. Ungeachtet der Frage, ob die von der Klägerin ausgesprochene Kündigung des Totalunternehmervertrags wirksam war oder nicht, folgt aus der Vertragskündigung bereits kein von dem ursprünglichen Vertragsinhalt losgelöster Anspruch auf Vergütung für zum Zeitpunkt der Kündigung noch nicht erbrachte Leistungen.

cc)

Die zwischen den Parteien vereinbarte Verknüpfung der Frage einer Vergütungspflicht für die nach der Rahmen-Vereinbarung zu erbringenden Leistungen mit dem Leistungsumfang des Projektvertrags bzw. des diesen im Wege des “back-to-back-Prinzips” übernehmenden Totalunternehmervertrags ist in der Weise erfolgt, dass eine Vergütung nicht geschuldet sein sollte, wenn zum einen die in der Baugenehmigung vom 17. Dezember 2015 angeordneten Brandschutzertüchtigungsmaßnahmen vom Leistungsumfang des Projektvertrags umfasst waren und zum anderen die in der Baugenehmigung vom 5. Juli 2012 vorgesehene Beschränkung auf 200 gleichzeitig anwesende Besucher in den Hörsälen und Seminarräumen nicht ausreichend war, um dem Bau-Soll des Projektvertrags gerecht zu werden.

Gemäß §§ 133, 157 BGB ist bei der Auslegung von Willenserklärungen und Verträgen der wirkliche Wille der Erklärenden zu erforschen. Ausgangspunkt der Auslegung und in erster Linie zu berücksichtigen ist dabei der Wortlaut der Erklärung (BGH, Urteil vom 31. März 2016 – III ZR 70/15, NJW 2016, 2656 Rn. 26; BGH, Urteil vom 16. Oktober 2012 – X ZR 37/12, BGHZ 195, 126 Rn. 18; BGH, Urteil vom 19. Januar 2000 – VIII ZR 275/98, NJW-RR 2000, 1002, 1003; Senat, Urteil vom 28. November 2018 – 2 U 39/17, BeckRS 2018, 40365 Rn. 25). Gleichzeitig gilt aber auch, dass ein übereinstimmender Parteiwille dem Wortlaut und jeder anderen Interpretation vorgeht, selbst wenn er im Inhalt der Erklärung keinen oder nur einen unvollkommenen Ausdruck gefunden hat (BGH, Urteil vom 6. Dezember 2017 – VIII ZR 219/16, NJW-RR 2018, 822, 824 Rn. 29; BGH, Beschluss vom 11. November 2014 – VIII ZR 302/13, NJW 2015, 409 Rn. 11 m.w.N.). Bei der Willenserforschung sind daher auch der mit der Absprache verfolgte Zweck, die Interessenlage der Parteien und die sonstigen Begleitumstände zu berücksichtigen, die den Sinngehalt der gewechselten Erklärungen erhellen können (BGH, Urteil vom 31. März 2016 – III ZR 70/15, NJW 2016, 2656, 2659 Rn. 26; BGH, Urteil vom 25. März 2015 – VIII ZR 125/14, NJW 2015, 2584, 2587 Rn. 36, jeweils m.w.N.; BGH, Urteil vom 13. November 2014 − IX ZR 277/13, NZI 2015, 277 Rn. 8).

Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist zunächst zu berücksichtigen, dass die Rahmen-Vereinbarung in der Präambel unter Buchstabe C. ausdrücklich festlegt, dass die Vergütungspflicht mit der Fragestellung zum ursprünglich vereinbarten Bau-Soll verbunden sein sollte. Für einen von dem entsprechenden Wortlaut der Rahmen-Vereinbarung abweichenden Parteiwillen, der auf eine vom Bau-Soll losgelöste Vergütungspflicht gerichtet war, gibt es – insbesondere auch unter Berücksichtigung des zuvor dargelegten Ergebnisses der Beweisaufnahme – keine Anhaltspunkte.

Damit allein sind allerdings die Einzelheiten der Verknüpfung der Vergütungsfrage mit dem ursprünglichen Bau-Soll noch nicht geklärt.

Dass die Umsetzung der Baugenehmigung vom 17. Dezember 2015 einschließlich der dort angeordneten Brandschutzmaßnahmen dem Bau-Soll entsprach, kann nicht bezweifelt werden. Das Bau-Soll ist in dem Projektvertrag – wie durch das Landgericht zutreffend zu Grunde gelegt und mit der Berufung nicht in Abrede gestellt – umfassend im Sinne einer funktionalen Leistungsbeschreibung festgelegt. Nach § 3 des Projektvertrags hat die Auftragnehmerin sämtliche Planungs-, Liefer-, Abbruch- und Bauleistungen, die erforderlich sind, um das Objekt mangelfrei, vollständig, schlüsselfertig und zur vertraglich vorgesehenen Nutzung betriebsbereit und funktionsfähig herzustellen, übernommen. Der Leistungsumfang der Auftragnehmerin umfasst dabei gemäß § 3 Ziff. 3.2.1 des Projektvertrags auch die Herbeiführung aller für die Errichtung und Inbetriebnahme des Objekts erforderlichen Genehmigungen und Zustimmungen sowie die in diesem Zusammenhang auf Grund von behördlichen Auflagen und Nebenbestimmungen erforderlichen Änderungen an der Planung und Realisierung des Bauvorhabens. Um solche behördlichen Auflagen handelt es sich bei den streitgegenständlichen Brandschutzertüchtigungsmaßnahmen, die darauf zurückzuführen sind, dass im vorliegenden Fall – allein schon im Hinblick auf die zur Nutzung als Vortrags- und Hörsäle vorgesehenen Flächen gemäß §§ 1, 2 Abs. 3 VStättVO – der Anwendungsbereich der Versammlungsstättenverordnung eröffnet ist. Dass Vertragsgegenstand ursprünglich ein Gebäude gewesen sei, das nicht dem Anwendungsbereich der Versammlungsstättenverordnung unterfällt, hat die Klägerin nicht belastbar aufgezeigt. Soweit sie in diesem Zusammenhang die Auffassung vertreten hat, dass sich der Anwendungsbereich der Versammlungsstättenverordnung durch eine Belegungsmatrix steuern lasse, ist ihre diesbezügliche Auffassung sowohl durch den Wortlaut des § 1 Abs. 1 Nr. 1 VStättVO sowie die hierzu ergangene verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung widerlegt. Danach kommt es für die Frage der Anwendbarkeit der Versammlungsstättenverordnung nämlich nicht auf die Anzahl der sich tatsächlich in den Räumen aufhaltenden Personen oder die subjektiven Angaben des Betreibers hierzu an. Allein entscheidend ist vielmehr, wie viele Personen die Räumlichkeiten “fassen”, so dass ausschlaggebend die Fläche und das sich daraus ergebende Fassungsvolumen ist, so dass auch die Erstellung einer Belegungsmatrix durch den Betreiber an der grundsätzlichen Anwendbarkeit der Versammlungsstättenverordnung nichts zu ändern vermag (OVG Saarlouis, Beschluss vom 27. September 2018 – 2 A 729/17, juris Rn. 10; VG Düsseldorf, Urteil vom 28. Januar 2010 – 4 K 8548/08, juris Rn. 46). Hiervon zu unterscheiden ist die in dem Schriftsatz der Klägerin vom 25. Februar 2020 aufgeworfene Frage, ob durch eine Begrenzung der Besucherzahl im Rahmen einer Nebenbestimmung zu der Baugenehmigung eine Reduzierung der Anforderungen an den Brandschutz erreichbar gewesen wäre. Auf diese theoretische Frage kommt es im vorliegenden Kontext jedoch schon deshalb nicht an, weil sich der Leistungsumfang der Klägerin auf die Herbeiführung der Baugenehmigung und die Realisierung des Bauvorhabens entsprechend den dortigen Vorgaben erstreckte.

Der Umstand, dass die Umsetzung der Baugenehmigung vom 17. Dezember 2015 danach dem Bau-Soll des Projektvertrags entsprach, führt allerdings für sich genommen noch nicht dazu, dass ein Anspruch der Klägerin auf eine zusätzliche Vergütung ausgeschlossen wäre.

Die Parteien haben die Fragestellung zum Bau-Soll, von der die Vergütungsfrage abhängen sollte, in der Präambel unter Buchstabe A. wiedergegeben. Dort wird der Meinungsstreit der Parteien dahin beschrieben, dass die Klägerin die Auffassung vertritt, dass die bestehende Beschränkung auf 200 gleichzeitig anwesende Besucher der Hörsäle und Seminarräume dem nach dem Projekt- bzw. Totalunternehmervertrag geschuldeten Bau-Soll entspreche (erster Spiegelstrich), während die Beklagte auf dem Standpunkt steht, dass die Brandschutzertüchtigungsmaßnahmen bereits von dem ursprünglichen Bau-Soll umfasst gewesen seien (zweiter Spiegelstrich). Damit nimmt die Präambel inzident auf die am 5. Juli 2012 erteilte erste Baugenehmigung Bezug und konkretisiert die Frage nach dem geschuldeten Bau-Soll dahingehend, ob bereits die auf der Grundlage der Baugenehmigung vom 5. Juli 2012 erbrachten bzw. zu erbringenden Leistungen zur Vertragserfüllung ausreichend waren und damit die in diesem Zusammenhang vorgenommene Nutzungsbeschränkung vertragsgemäß war oder nicht.

Soweit die Klägerin in ihrem nach Schluss der mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren eingereichten Schriftsatz vom 25. Februar 2020 darüber hinaus die Bauanträge zwei und drei in Bezug nimmt und aus dem Wortlaut von Ziff. 4.2 Buchstabe b und d der Rahmen-Vereinbarung Anhaltspunkte dafür herleiten will, dass die Vergütungspflicht davon habe abhängig sein sollen, ob durch die entsprechenden Leistungen das Bau-Soll des Projektvertrags erfüllt werde, ist die entsprechende Argumentation nicht nachvollziehbar. Zunächst ist zu berücksichtigen, dass eine Baugenehmigung auf der Grundlage dieser Bauanträge unstreitig nicht erteilt wurde, so dass mit den in Bezug auf diese Bauanträge erbrachten Leistungen das Bau-Soll des Projektvertrags, das auf ein genehmigtes Objekt gerichtet war, von vornherein nicht erfüllt werden konnte. Damit oblag es grundsätzlich – für den Fall, dass nicht bereits die erteilte Baugenehmigung vom 5. Juli 2012 zur Leistungserfüllung ausreichend war, worauf im Folgenden einzugehen sein wird – weiterhin der Klägerin, eine Baugenehmigung für das zu errichtende Gebäude herbeizuführen und die in diesem Zusammenhang gestellten Anforderungen zu erfüllen. Hinzu kommt, dass die in Bezug genommenen Regelungen in der Rahmen-Vereinbarung ersichtlich nicht die Frage betreffen, ob dem Grunde nach eine Vergütung geschuldet ist, sondern allein dazu dienen, den Untersuchungsauftrag an das in der Rahmen-Vereinbarung einvernehmlich ausgewählte Sachverständigenbüro festzulegen, das für den Fall, dass ein Vergütungsanspruch dem Grunde nach besteht, die Höhe eines etwaigen Anspruchs ermitteln soll.

dd)

Entsprechend dem zuvor dargelegten Auslegungsergebnis ist das Landgericht zutreffend davon ausgegangen, dass die streitgegenständlichen Planungs- und Bauleistungen zur Umsetzung der Baugenehmigung vom 17. Dezember 2015 von den Leistungspflichten und damit korrespondierend der Vergütungsabrede des Projektvertrags umfasst waren und eine in Bezug auf die Seminarräume und den Hörsaal vorgesehene Nutzungsbeschränkung auf 200 Personen, wie sie in der Baugenehmigung vom 5. Juli 2012 vorgesehen war, nicht den vertraglichen Vereinbarungen entsprach.

Welche Leistungen von einer Vergütungsabrede in einem Bauvertrag erfasst sind, ist durch Auslegung des Vertrags nach den allgemeinen Auslegungsgrundsätzen der §§ 133, 157 BGB zu ermitteln. Dabei ist das gesamte Vertragswerk zu Grunde zu legen, wozu im vorliegenden Fall auch die VOB/B (2009) gehört. Danach werden durch die vereinbarten Preise alle Leistungen abgegolten, die nach der Leistungsbeschreibung, den verschiedenen Vertragsbedingungen und der gewerblichen Verkehrssitte zu den vertraglichen Leistungen gehören (§ 2 Abs. 1 VOB/B). In die Auslegung sind zudem alle Umstände des Vertrags und seines Zustandekommens einzubeziehen, wobei nur solche Umstände zu berücksichtigen sind, die dem Empfänger bei Zugang der Willenserklärung erkennbar waren (OLG Karlsruhe, Urteil vom 1. Juni 2016 – 13 U 176/11, juris Rn. 58). Beruht der Vertragsschluss – wie hier – auf einem Vergabeverfahren nach der VOB/A, kommt dem Wortlaut der Leistungsbeschreibung eine vergleichsweise große Bedeutung zu (BGH, Urteil vom 22. Dezember 2011 – VII ZR 67/11, NJW 2012, 518, 519 Rn. 14; BGH, Urteil vom 9. Januar 1997 – VII ZR 259/95, NJW 1997, 1577; OLG Frankfurt, Beschluss vom 3. Juli 2019 – 13 U 249/17, juris Rn. 4). Wie diese zu verstehen ist, hängt von dem objektiven Empfängerhorizont eines potenziellen fachkundigen Bieters ab. Die Auslegung hat zu berücksichtigen, dass der Bieter grundsätzlich eine mit den Ausschreibungsgrundsätzen der öffentlichen Hand konforme Ausschreibung erwarten darf. Deshalb darf der Bieter die Leistungsbeschreibung einer öffentlichen Ausschreibung nach der VOB/A im Zweifelsfall so verstehen, dass der Auftraggeber den Anforderungen der VOB/A an die Ausschreibung entsprechen will. Unter Berücksichtigung dessen ist die Leistung eindeutig und so erschöpfend zu beschreiben, dass alle Bewerber die Beschreibung in gleichem Sinne verstehen müssen und ihre Preise sicher und ohne umfangreiche Vorarbeiten berechnen können. Dem Auftragnehmer darf kein ungewöhnliches Wagnis aufgebürdet werden für Umstände und Ereignisse, auf die er keinen Einfluss hat und deren Einwirkung auf die Preise und Fristen er nicht im Voraus schätzen kann (BGH, Urteil vom 22. Dezember 2011 – VII ZR 67/11, NJW 2012, 518, 519 Rn. 15 m.w.N.; OLG Celle, Urteil vom 20. November 2019 – 14 U 191/13, BeckRS 2019, 29588 Rn. 37; OLG Celle, Urteil vom 2. Oktober 2019 – 14 U 171/18, BeckRS 2019, 24900 Rn. 24 ff.; OLG Naumburg, Urteil vom 27. Juni 2019 – 2 U 11/18, BeckRS 2019, 32031 Rn. 26; OLG Frankfurt, Beschluss vom 3. Juli 2019, a.a.O. Rn. 4; OLG Karlsruhe, Urteil vom 1. Juni 2016 – 13 U 176/11, a.a.O Rn. 58; KG Berlin, Urteil vom 5. April 2019 – 21 U 72/16, BeckRS 2019, 15984 Rn. 18; Ganten/Jansen/Voit, VOB/B, 3. Aufl., VOB/B § 1 Rn. 32).

Nach Maßgabe dieser Grundsätze sind der zwischen F. und dem Beklagten geschlossene Projektvertrag und damit auch der zwischen F. und der Klägerin geschlossene Totalunternehmervertrag dahingehend auszulegen, dass die Planung und Errichtung des HTW-Hochhauses unter Beachtung der brandschutzrechtlichen Vorgaben der Versammlungsstättenverordnung Leistungsgegenstand und die im Rahmen der erteilten Baugenehmigung vom 5. Juli 2012 vorgenommene Beschränkung der Nutzerzahl in den Seminarräumen und dem Hörsaal auf 200 Personen nicht vertragsgemäß war.

Zutreffend und im Berufungsverfahren unbeanstandet ist das Landgericht zunächst davon ausgegangen, dass im vorliegenden Fall die zu erbringende Leistung in dem Projektvertrag funktional beschrieben war und die Klägerin das Genehmigungsrisiko übernommen hat. Eine Leistungsbeschreibung mit Leistungsprogramm (funktionale Leistungsbeschreibung) zeichnet sich dadurch aus, dass der Auftraggeber einzig die Bauaufgabe als solche und die an diese aus seiner Sicht zu stellenden technischen, wirtschaftlichen, gestalterischen und funktionsbedingten Anforderungen benennt und die hieraus zu entwickelnde Planung sowie die entsprechende Realisierung dem Auftragnehmer überträgt (NWJS/Kues, 5. Aufl., VOB/B, § 2 Rn. 9; Kapellmann/Messerschmidt, 7. Aufl., VOB/B § 2 Rn. 467). Eine entsprechende Leistungsbeschreibung enthält § 3 Ziff. 3.1 des Projektvertrags, wonach der Auftragnehmer sich verpflichtet, das HTW-Hochhaus schlüsselfertig, komplett, funktions- und betriebsbereit so zu erstellen, wie es sich aus den Vertragsbestandteilen ergibt, und in diesem Zusammenhang alle Planungsleistungen zu erbringen. Dabei oblag es der Klägerin gemäß § 3 Ziff. 3.2.1 auf ihre Kosten die für die Errichtung und Inbetriebnahme des Objekts erforderlichen Genehmigungen einzuholen, wobei eine Erhöhung der Vergütung für Änderungen an der Planung und Realisierung des Bauvorhabens auf Grund von behördlichen Auflagen oder Nebenbestimmungen grundsätzlich – von nicht vorhersehbaren Auflagen, Nebenbestimmungen und/oder Änderungen abgesehen – ausgeschlossen war.

Die Frage, ob die infolge der brandschutzrechtlichen Vorgaben der Baugenehmigung vom 17. Dezember 2015 zu erbringenden Leistungen von der jeweiligen Vergütungsabrede des Projektvertrags bzw. des Totalunternehmervertrags umfasst waren, hängt mithin davon ab, ob sich aus den in Bezug genommenen Vertragsbestandteilen nach dem objektiven Empfängerhorizont eines fachkundigen Bieters ein beabsichtigter höherer Nutzungsumfang des Gebäudes als auf Grund der am 5. Juli 2012 erteilten Baugenehmigung vorgesehen und zulässig ergibt.

Diese Frage hat das Landgericht zu Recht bejaht und hat in diesem Zusammenhang in erster Linie auf den gemäß § 2 Ziff. 2.1.1 des Projektvertrags zum Vertragsbestandteil gewordenen Inhalt der funktionalen Leistungsbeschreibung (Planen und Bauen) vom 17. Juni 2011 (im Folgenden: funktionale Leistungsbeschreibung) abgestellt. Hieraus lässt sich entnehmen, dass das Gebäude als Hochschuleinheit der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) genutzt werden soll, wobei hier der Studienbereich Architektur mit einer Ausbildungskapazität von ca. 300 Studierenden und die Fakultät für Sozialwissenschaften mit einer Ausbildungskapazität von 600 bis 650 Studienplätzen angesiedelt werden sollen, wofür u. a. Seminarräume unterschiedlicher Größe sowie mindestens ein großer Hörsaal mit einer Kapazität von 120 Personen benötigt werden. In Anlage A 17 zu der funktionalen Leistungsbeschreibung werden dabei die Nutzerzahlen konkretisiert, wobei während der Vorlesungszeit für die Kernzeit von montags bis freitags von 8.00 Uhr bis 18.00 Uhr eine Studierendenzahl von 1.000 angegeben wird. Gleichzeitig wird in dieser Zeit für “Seminar/Hörsaal” eine Auslastung von 100 % prognostiziert.

Zwar trifft die Studierendenzahl von 1.000 innerhalb einer Woche für sich genommen noch keine Aussage darüber, wie viele Studierenden sich gleichzeitig in den Seminarräumen und Hörsälen aufhalten werden, so dass die mit der Baugenehmigung vom 5. Juli 2012 vorgegebene tatsächliche Belegungssituation jedenfalls theoretisch – ungeachtet der Frage, ob dies auch praktikabel wäre – mit einer Belegungsmatrix geregelt werden könnte. Dieses von der Berufung herangezogene Argument greift jedoch dann nicht ein, wenn die weitere Vorgabe in der Anlage A 17 zu der funktionalen Leistungsbeschreibung berücksichtigt wird, wonach in der Zeit von Mitte September bis in die 1. Oktoberhälfte hinein ganztags Brückenkurse für ca. 500 Studienanfänger vorgesehen sind. Bei lebensnaher Betrachtung kann dabei nach dem objektiven Empfängerhorizont nur davon ausgegangen werden, dass diese in den Seminarräumen bzw. Hörsälen stattfinden, so dass von einem entsprechenden Gleichzeitigkeitsfaktor hinsichtlich der Nutzung der etwaigen Versammlungsräume auszugehen ist.

Dass eine Nutzungsbeschränkung auf 200 Personen in dem Hörsaal und den Seminarräumen nicht den Vorgaben der funktionalen Leistungsbeschreibung entsprach, ergibt sich weiter anschaulich auch anhand des – ebenfalls zum Vertragsbestandteil des Rahmenvertrags gemachten – Katalogs von Fragen und Antworten vom 9. Dezember 2010, wo ausdrücklich nach der vollen gleichzeitigen Belegung der Seminarräume im Fachbereich Sozialwissenschaften gefragt wird. Diese Frage wird dort dahingehend beantwortet, dass von einem Gleichzeitigkeitsfaktor von 420 Studierenden auszugehen sei. Soweit die Klägerin einwendet, dass sich diese Frage lediglich auf die Anzahl der Studierenden im Fachbereich und nicht auf die Anzahl der Besucher in den Versammlungsräumen bezogen habe, ist dieser Vortrag bereits durch den Wortlaut der Frage, die sich ausdrücklich auf die Belegung der Seminarräume bezieht, widerlegt.

Schließlich liegen auch keine Hinweise darauf vor, dass die Klägerin die funktionale Leistungsbeschreibung in anderer Weise aufgefasst hätte und davon ausgegangen sei, dass diese die Möglichkeit einer Nutzungsbeschränkung auf 200 Personen hinsichtlich des Hörsaals sowie der Seminarräume eröffne. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass die durch die Klägerin geplante Bestuhlung des Hörsaals und der Seminarräume mit 851 Stühlen, die den gleichzeitigen Aufenthalt von 927 Personen berücksichtigende Förderlastberechnung der Klägerin sowie die Berechnung der Kapazitäten der sanitären Anlagen, die von einer gleichzeitigen Anwesenheit von 1.183 Personen im Gebäude ausgeht und in Bezug auf 586 Nutzer in Seminar- und Atelierräumen sogar die Versammlungsstättenverordnung zu Grunde legt, darauf hindeuten, dass der Klägerin bewusst war, dass eine Nutzungsbeschränkung auf lediglich 200 gleichzeitig anwesende Personen in dem Hörsaal und den Seminarräumen nicht der mit der Leistungsbeschreibung vorgegebenen Nutzung des Gebäudes entsprechen würde.

Ein zusätzlicher Vergütungsanspruch würde jedoch auch dann ausscheiden, wenn die der Ausschreibung zu Grunde liegende Leistungsbeschreibung – wie von der Klägerin geltend gemacht – hinsichtlich der zu erwartenden gleichzeitigen Besucherzahl in den Seminarräumen und in dem Hörsaal unklar gewesen wäre. In diesem Fall hätte F. bzw. die Klägerin nämlich gegen die sie treffende Prüf- und Hinweispflicht verstoßen und wäre aus diesem Grund an einem Mehrvergütungsverlangen gehindert gewesen. Zwar besteht keine Pflicht des Bieters im Ausschreibungs- und Angebotsstadium dahingehend, auf im Leistungsverzeichnis enthaltene Fehler hinzuweisen. Allerdings darf der Auftragnehmer trotz der Pflicht des Auftraggebers aus § 7 Abs. 1 Nr. 1 VOB/A, die Leistung eindeutig und erschöpfend zu beschreiben, ein erkennbar lückenhaftes Leistungsverzeichnis nicht einfach hinnehmen, sondern muss sich daraus ergebende Zweifelsfragen vor Abgabe des Angebots klären. Ähnlich verhält es sich, wenn sich für ihn aus dem Leistungsverzeichnis und den ihm überlassenen Unterlagen die Bauausführung in bestimmter Weise nicht mit hinreichender Klarheit ergibt, er darauf aber bei der Kalkulation maßgebend abstellen will. Auch dann muss er versuchen, insoweit aufkommende Zweifel vor Abgabe des Angebots auszuräumen, wenn sich dies mit zumutbarem Aufwand erreichen lässt (BGH, Urteil vom 13. März 2008 – VII ZR 194/06, NJW 2008, 2106, 2109 Rn. 37 m.w.N.). Unterlässt der Auftragnehmer in einem solchen Fall die gebotene Aufklärung, ist er nach dem Grundsatz von Treu und Glauben gehindert, Zusatzforderungen zu stellen (OLG Celle, Urteil vom 20. November 2019 – 14 U 191/13, BeckRS 2019, 29588 Rn. 46). Nach Maßgabe dessen hätte die Klägerin auf keinen Fall ein Einverständnis des Beklagten mit einer Beschränkung der gleichzeitigen Besucherzahl in den Seminarräumen und dem Hörsaal unterstellen dürfen, sondern hätte eine etwaige diesbezügliche Unklarheit bereits im Ausschreibungs- bzw. Angebotsstadium aufklären müssen.

Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die in der Baugenehmigung vom 5. Juli 2012 vorgesehene Nutzungsbeschränkung auch nicht im Hinblick darauf vertragsgemäß, dass eine entsprechende Nutzungsbeschränkung in dem Brandschutzkonzept des Dipl.-Ing. St.-St. vom 29. September 2011 enthalten war.

Zunächst fällt bereits auf, dass sich die in dem Brandschutzkonzept enthaltene Nutzungsbeschränkung ausdrücklich lediglich auf die Seminarräume bezieht, während die in der Baugenehmigung vorgesehene Beschränkung auch den Hörsaal, der nach der funktionalen Leistungsbeschreibung vom 17. Juni 2011 alleine schon eine Kapazität von 120 Personen haben sollte, einschließt.

Aber auch für den Fall, dass die in dem Brandschutzkonzept vom 29. September 2011 erwähnte Nutzungsbeschränkung mit derjenigen, die die Baugenehmigung vom 5. Juli 2012 schließlich vorsah, inhaltlich identisch wäre, würde dies nicht dazu führen, dass eine Nutzungsbeschränkung Vertragsinhalt geworden wäre.

Dass gegenüber dem Beklagten die in dem Brandschutzkonzept vom 29. September 2011 enthaltene Nutzungsbeschränkung vor Vertragsschluss thematisiert worden wäre und auf Grund dessen dem Beklagten bekannt gewesen sowie von diesem gebilligt worden sei, hat die Klägerin erstinstanzlich nicht behauptet. Soweit sie mit der Berufung nunmehr geltend macht, dass sie das Brandschutzkonzept am 14. September 2011 mit der hier relevanten Nutzungsbeschränkung gegenüber dem Beklagten thematisiert habe, bezieht sich dieser Vortrag, was der diesbezüglich angebotene Sachverständigenbeweis verdeutlicht und was auch auf Grund der zeitlichen Abläufe erkennbar wird, offensichtlich auf das Brandschutzkonzept vom 21. Juli 2011, hinsichtlich dessen die Klägerin bereits erstinstanzlich eine die hier relevante Nutzungsbeschränkung betreffende inhaltliche Identität mit dem Brandschutzkonzept vom 29. September 2011 behauptet hatte. Dem Brandschutzkonzept vom 21. Juli 2011, das dem Beklagten vor Abschluss des Projektvertrags unstreitig vorgestellt worden war, ergibt sich allerdings eine vorgesehene Nutzungsbeschränkung hinsichtlich der Seminarräume gerade nicht. Es heißt dort lediglich wie folgt:

“In einigen Ebenen sind neben Büroräumen Seminarräume vorgesehen. Die geplante Personenanzahl der zu flüchtigen Personen beträgt für die gemeinsamen genutzten Rettungswege weniger als 200 Personen. Somit wird der Schwellenwert der VStättVO nicht überschritten und bei den Seminarräumen handelt es sich nicht um eine Versammlungsstätte.”

Diese Ausführungen enthalten lediglich Feststellungen zu den die Rettungswege gemeinsam nutzenden Personen. Worauf die jeweiligen Berechnungen beruhen und ob diese möglicherweise – im Hinblick auf eine im Brandfall geschossweise zu erfolgende Evakuierung – nur einzelne Geschosse umfassen, was jedenfalls unter Berücksichtigung der Ausführungen unter Ziff. 3.2.1 des Brandschutzkonzepts vom 3. Dezember 2012 nicht ausgeschlossen erscheint, lässt sich diesen Feststellungen nicht entnehmen. Daher lassen diese Erklärungen aus Sicht eines objektiven Empfängers einen Schluss auf eine etwaige Nutzungsbeschränkung nicht zu.

Die streitgegenständliche Nutzungsbeschränkung ist auch nicht dadurch Vertragsgegenstand geworden, dass das Brandschutzkonzept vom 29. September 2011 Bestandteil des wiederum zum Vertragsbestandteil des Projektvertrags gemachten letztverbindlichen Angebots der Klägerin vom 30. September 2011 / 14. Oktober 2011 war.

Das Bau-Soll wird durch die Gesamtheit aller zum Vertragsinhalt gewordenen Unterlagen bestimmt, weshalb es zunächst keine Wertigkeit einzelner Regelungen gegenüber anderen gibt, solange sich die jeweiligen Vertragsbestandteile nicht widersprechen (NWJS/Kues, VOB/B, 5. Aufl., § 2 Rn. 15). Kommt es allerdings – wie hier – zu Widersprüchlichkeiten einzelner Bestandteile, bedarf es der Klärung, ob ein Vertragsbestandteil gegenüber dem anderen vorrangig ist, wobei diesbezügliche Regelungen im Vertrag zu beachten sind (Kapellmann/Messerschmidt, VOB/B, 7. Aufl., § 2 Rn. 96). Eine entsprechende Regelung zu dem Rangverhältnis der jeweiligen Vertragsbestandteile enthält der Projektvertrag in § 2 Ziff. 2.4. Danach gelten in dem Fall, in dem die Vertragsbestandteile einander widersprechende Angaben enthalten, zumindest die funktionale Leistungsbeschreibung, die – hier nicht relevante – funktionale Leistungsbeschreibung Betrieb des Auftraggebers sowie die in der Baugenehmigung genehmigte oder genehmigungsfähige Angabe. Diese Regelung führt im vorliegenden Fall dazu, dass hinsichtlich einer etwaigen Nutzungsbeschränkung die funktionale Leistungsbeschreibung vorrangig gegenüber dem Brandschutzkonzept vom 29. September 2011 ist, was zur Folge hat, dass eine Nutzungsbeschränkung der Seminarräume sowie des Hörsaals auf 200 Personen nicht Vertragsgegenstand geworden ist.

Soweit die Klägerin insoweit einwendet, dass die Baugenehmigung vom 5. Juli 2012 als speziellere Regel den allgemeinen Regeln in der Leistungsbeschreibung vorgehe, vermag dies nicht zu überzeugen. Zwar wird eine in der Baugenehmigung genehmigte Angabe grundsätzlich den Angaben in der funktionalen Leistungsbeschreibung nach der zuvor genannten Auslegungsregelung gleichgestellt. Aus dem Gesamtzusammenhang – insbesondere dem nachfolgenden Satz, wonach unter mehreren genehmigungsfähigen Angaben dem Auftraggeber das Recht zur Bestimmung der Leistung nach billigem Ermessen im Rahmen der vertraglich geschuldeten Leistung zusteht – ergibt sich jedoch, dass die Gleichstellung unter der Voraussetzung steht, dass die mit der Baugenehmigung genehmigte Angabe auch der funktionalen Leistungsbeschreibung entspricht.

Die nach der Rahmenvereinbarung zu erbringenden Planungs- und Bauleistungen zur Umsetzung der Baugenehmigung vom 17. Dezember 2015 sind entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht deshalb von der ursprünglichen Vergütungsabrede ausgenommen, weil sich der durch die Treppenhaustürme und den Übergang zu einem benachbarten Parkhaus erweiterte Gebäudekörper des Hochhauses nunmehr auf Bereiche erstreckt, hinsichtlich derer eine Bebauung ursprünglich nicht vorgesehen war. Zunächst ist diesbezüglich zu berücksichtigen, dass – wie zuvor dargelegt – die zwischen den Parteien getroffene Vergütungsabrede lediglich in dem Fall zu einem der Klägerin günstigen Ergebnis führen konnte, dass bereits die Leistungen zur Erfüllung der Baugenehmigung vom 5. Juli 2012 das Vertragssoll erfüllten. Mithin war der grundsätzlich im – durch die Baugenehmigung begrenzten – Planungsermessen der Klägerin liegende Umfang der Maßnahmen von der Vergütungsabrede nicht tangiert. Hinzu kommt, dass entgegen der Auffassung der Klägerin die funktionale Leistungsbeschreibung des Beklagten keine zwingenden vertraglichen Kriterien in Form der Einhaltung eines bestimmten Baufensters und der Unveränderbarkeit der Gebäudehülle vorsah. Ziff. 1.5 der funktionalen Leistungsbeschreibung gibt – was bereits aus der entsprechenden Abschnittsüberschrift folgt – lediglich den Stand des öffentlich-rechtlichen Planungsverfahrens sowie die städtebaulichen Vorgaben wieder. Dass in diesem Zusammenhang im Verhältnis der damaligen Vertragsparteien von vornherein die Möglichkeit ausgeschlossen werden sollte, Ausnahmen oder Befreiungen zu beantragen und eine solche Beschränkung Einfluss auf das Bau-Soll gehabt hätte, lässt sich der funktionalen Leistungsbeschreibung an keiner Stelle entnehmen.

b)

Das Landgericht hat in jeder Hinsicht beanstandungsfrei einen Vergütungsanspruch der Klägerin auch mit Blick auf die Regelung in § 3 Ziff. 3.2.1 des Projektvertrags verneint.

Der Projektvertrag bestimmt in § 3 Ziff. 3.2.1 Sätze 1 und 2, dass der Auftragnehmer die Herbeiführung aller für die Errichtung und Inbetriebnahme des Objekts erforderlichen Genehmigungen und Zustimmungen übernimmt und Mehrkosten, die durch behördliche Auflagen oder Nebenbestimmungen verursachte Änderungen an der Planung und der Realisierung des Bauvorhabens entstehen, trägt. Damit hat die Klägerin grundsätzlich das Genehmigungsrisiko in Bezug auf das streitgegenständliche Bauvorhaben übernommen. § 3 Ziff. 3.2.1 sieht diesbezüglich eine Ausnahme unter der Voraussetzung vor, dass der Auftragnehmer mit den auf Grund behördlicher Auflagen oder Nebenbestimmungen erforderlich gewordenen kostensteigernden Änderungen an der Planung und Realisierung des Bauvorhabens trotz sorgfältigster Prüfung nicht rechnen musste.

Diese Ausnahme ist vorliegend nicht einschlägig. Dass im vorliegenden Fall die Versammlungsstättenverordnung Anwendung finden würde, ist kein Umstand, der für den Auftragnehmer trotz sorgfältigster Prüfung nicht erkennbar war. Wie zuvor unter Buchstabe a) dd) im Einzelnen dargelegt, ergab sich aus der funktionalen Leistungsbeschreibung, dass mit einer höheren gleichzeitigen Besucherzahl als 200 in den hier relevanten Seminarräumen und dem Hörsaal zu rechnen war. Auf Grund dessen – wenn nicht sogar bereits allein auf Grund des Fassungsvolumens der geplanten Seminarräume und des Hörsaals (s.o. unter a) cc) – musste die Klägerin bei sorgfältiger Prüfung davon ausgehen, dass im Rahmen des Genehmigungsverfahrens brandschutzrechtliche Auflagen gemäß der Versammlungsstättenverordnung wie mit der Baugenehmigung vom 17. Dezember 2015 angeordnet zum Tragen kommen könnten.

Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang geltend macht, dass die Baugenehmigung überzogene Anforderungen gestellt und materiell rechtswidrig gewesen sei, weshalb mit den hierdurch erforderlich werdenden Maßnahmen nicht habe gerechnet werden können, fehlt es auch nach dem insoweit im Berufungsverfahren ergänzten Sachvortrag der Klägerin an einer Darlegung der Gründe, aus denen sich die behauptete Rechtswidrigkeit ergeben soll. Die Klägerin trägt hierzu im Wesentlichen nur vor, dass es gerade in Bestandsgebäuden einer geübten Praxis entspreche, Befreiungen zuzulassen und mit Nutzungsbeschränkungen zu arbeiten, ohne darzulegen, wie eine entsprechende Befreiung bzw. Nutzungsbeschränkung im Einzelnen ausgestaltet sein sollte. Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang immer wieder die Verwendung einer Belegungsmatrix ins Feld führt, ergibt sich bereits aus der zuvor zitierten verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung, dass eine solche nicht geeignet ist, um ein Bauvorhaben dem Anwendungsbereich der Versammlungsstättenverordnung zu entziehen. Hinzu kommt, dass eine Einschränkung der Nutzerzahl in Bezug auf Hörsaal und Seminarräume jedenfalls auf eine Zahl von unter 200 Personen wie dargelegt gerade nicht den vertraglichen Vereinbarungen entsprochen hat.

Letztlich kommt es hierauf jedoch nicht an, da sich im vorliegenden Fall – anders als im Amtshaftungsprozess, der darauf gestützt wird, dass die Amtspflichtverletzung im Erlass eines rechtswidrigen Verwaltungsakts bestehe, und in dem der Verwaltungsakt auf seine Rechtmäßigkeit auch dann zu überprüfen ist, wenn er bestandskräftig geworden ist (vgl. BGH, Urteil vom 15. November 1990 – III ZR 302/89, NJW 1991, 1168, 1169 m.w.N.) – die Tatbestandswirkung der bestandskräftig gewordenen Baugenehmigung vom 17. Dezember 2015 dahingehend auswirkt, dass mit Blick auf die darin getroffene Regelung von deren inhaltlicher Rechtmäßigkeit auszugehen ist (MüKoZPO/Gottwald, 5. Aufl. 2016, ZPO § 322 Rn. 77; NK-VwVfG/Leisner-Egensperger, 2. Aufl., VwVfG § 43 Rn. 40; BeckOK VwVfG/Schemmer, 45. Ed. 1. Oktober 2019, VwVfG, § 43 Rn. 27; vgl. auch BGH, Urteil vom 4. Februar 2004 – XII ZR 301/01, BeckRS 2004, 03141).

Aus diesem Grund kann auch dahinstehen, ob die Klägerin den zunächst eingelegten Widerspruch gegen die Baugenehmigung vom 17. Dezember 2015 entsprechend der Abrede der Parteien in der Rahmen-Vereinbarung unter Ziff. 6 wie von ihr behauptet auf Druck des Beklagten oder freiwillig zurückgenommen hat.

Weiterhin unerheblich ist, dass die Klägerin Widerspruch gegen die Ablehnung ihres zweiten sowie dritten Bauantrags durch die UBA eingelegt hat und über diesen bis heute nicht entschieden worden ist. Auf die Frage, ob die mit dem zweiten und dritten Bauantrag vorgelegten Brandschutzkonzepte genehmigungsfähig und zur Erfüllung des Bau-Solls ausreichend gewesen seien, kommt es ebenfalls nicht an. Diese Umstände könnten nämlich nur dann eine Rolle spielen, wenn die fehlende Realisierung des Bauvorhabens auf der Grundlage des zweiten bzw. dritten Bauantrags dem Beklagten als Auftraggeber zuzurechnen wäre. Dies ist zu verneinen. Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass der Beklagte sich im Falle der Erteilung einer entsprechenden Baugenehmigung einer entsprechenden Lösung verweigert hätte. Vielmehr ist nach dem Vortrag der Parteien die Umsetzung des Bauvorhabens in der dort vorgesehenen Weise an der Versagung der Baugenehmigung durch die UBA gescheitert.

Soweit die Klägerin mit dem nach Schluss der mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren eingereichten Schriftsatz vom 25. Februar 2020 vorgetragen hat, dass der Beklagte im Rahmen der Verhandlung zu der Rahmenvereinbarung zwingend darauf bestanden habe, den zweiten und den dritten Bauantrag nicht weiter zu verfolgen, handelt es sich zunächst um neuen – von dem Vorbringen aus dem Schriftsatz vom 4. Mai 2018, wonach dieser Widerspruch im Hinblick auf die Erledigung durch die Erteilung der Baugenehmigung vom 17. Dezember 2015 nicht weiter betrieben worden sei, abweichenden – Sachvortrag, dessen Berücksichtigung ungeachtet des Umstands der fehlenden ausreichenden Substantiierung nach §§ 525, 296a ZPO ausgeschlossen ist. Hieran vermag auch der Hinweis der Klägerin auf die Leistungsaufforderung des Beklagten gegenüber F., womit sie offensichtlich auf das Schreiben des Beklagten an F. vom 13. Juni 2016 Bezug nimmt, nichts zu ändern. Diesem Schreiben kann lediglich die Aufforderung zur Umsetzung der Baugenehmigung vom 17. Dezember 2015 entnommen werden. Zu den vorangegangenen Bauanträgen verhält sich das Schreiben demgegenüber nicht. Hinzu kommt, dass dieser Vortrag auch nicht relevant ist, da weder vorgetragen noch ersichtlich ist, dass zum Zeitpunkt der Verhandlungen zur Vorbereitung der Rahmen-Vereinbarung die Klägerin überhaupt noch darum bemüht war, eine Baugenehmigung auf dieser Grundlage zu erhalten.

Auch der Vortrag der Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 25. Februar 2020, dass sich der Beklagte “in Gestalt der OBA” in das Baugenehmigungsverfahren eingebracht habe, vermag nicht zu einem abweichenden Ergebnis zu führen. Diese Argumentation verkennt die Unterscheidung zwischen öffentlich-rechtlichem (hoheitlichem) Handeln und einem privatrechtlichen (fiskalischen) Tätigwerden einer Behörde bzw. Körperschaft des öffentlichen Rechts. Das Handeln der zuständigen Vertreter des Ministeriums für Inneres, Bauen und Sport als Oberster Bauaufsichtsbehörde kann dem Beklagten schon deshalb nicht nach §§ 89, 31 BGB zugerechnet werden, da diese Zurechnungsnormen nur bei privatrechtlichem Handeln eingreifen (vgl. BeckOGK/Kainer, Stand: 1. Mai 2019, BGB § 89 Rn. 1; MüKoBGB/Leuschner, 8. Aufl. 2018, BGB § 89 Rn. 1; Jauernig/Mansel, 17. Aufl., BGB § 89 Rn. 2) und die Erteilung einer Baugenehmigung dem Bereich der Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben unterfällt.

Schließlich kann in diesem Zusammenhang auch dahinstehen, ob der zweite sowie der dritte Bauantrag durch die UBA zu Recht oder – wie durch die Klägerin behauptet – in rechtswidriger Weise abgelehnt worden sind. Die Klägerin hat mit dem Totalunternehmervertrag im Wege des “back-to-back-Prinzips” die Verpflichtung aus § 3 Ziff. 3.2.1 des Projektvertrags übernommen, alle für die Errichtung und Inbetriebnahme des Objekts erforderlichen Genehmigungen herbeizuführen. Dies schließt die Einlegung gegebenenfalls gebotener Rechtsbehelfe und Rechtsmittel gegen Versagungsbescheide ein, die der Klägerin als Adressatin der den zweiten und dritten Bauantrag ablehnenden Bescheide der UBA grundsätzlich auch möglich gewesen wären.

Auch dass der Prüfsachverständige Dipl.-Ing. D. zu der Frage der Zulassung brandschutzrechtlicher Abweichungen eine andere Auffassung als die UBA vertreten hat, vermag den Anwendungsbereich der Ausnahmeregelung in § 3 Ziff. 3.2.1 des Projektvertrags nicht zu eröffnen. Dass durch die Verordnung zur Änderung der Prüfberechtigten- und Prüfsachverständigenverordnung vom 28. März 2013 eine Zuständigkeitsverlagerung dergestalt stattgefunden hat, dass die Entscheidung über die Zulassung von brandschutzrechtlichen Abweichungen nunmehr nicht mehr bei den bestellten Prüfsachverständigen sondern alleine bei der UBA lag, fällt ebenso wie beispielsweise ein Wechsel des Sachbearbeiters innerhalb der zuständigen Behörde unzweifelhaft in den Bereich des von der Klägerin übernommenen Genehmigungsrisikos.

Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang weiter vorträgt, dass es ihr gemäß der Bieterfrage 29 ausdrücklich untersagt gewesen sei, mit der UBA und der Feuerwehr Kontakt aufzunehmen, erscheint dieser Sachvortrag nicht nachvollziehbar. Die entsprechende Bieterfrage bezog sich auf den Schallschutz und die Raumakustik. Soweit der Brandschutz betroffen ist, finden sich vorrangige Regelungen über eine Kontaktaufnahme mit der UBA in der insoweit von dem Beklagten in seinem Schriftsatz vom 4. September 2017 auszugsweise wiedergegebenen funktionalen Leistungsbeschreibung. Insoweit ist unstreitig, dass dort ausdrücklich darauf hingewiesen wurde, dass zur Abstimmung der jeweiligen spezifischen Brandschutzkonzepte von der UBA sowie der Feuerwehr bestimmte Ansprechpartner zur Verfügung stehen.

Schließlich führt auch der von der Klägerin angeführte Umstand, dass sich aus der Baugenehmigung vom 17. Dezember 2015 eine aus der Baubeschreibung des Beklagten nicht ersichtliche Entfluchtungsmöglichkeit für 5.320 Personen ergibt, nicht dazu, dass sie mit den hieraus folgenden kostensteigernden Änderungen an der Planung und Realisierung des Bauvorhabens auch bei sorgfältigster Prüfung nicht rechnen musste. Eine entsprechende Annahme scheidet schon deshalb aus, da unter Berücksichtigung des Vortrags der Parteien nicht ausgeschlossen werden kann, dass alternative Planungsmöglichkeiten existiert haben, die die Realisierung des Bauvorhabens unter Einhaltung der Vorgaben der Versammlungsstättenverordnung mit einem geringeren Aufwand hinsichtlich der Anzahl der zu entfluchtenden Personen bei Einhaltung der Vorgaben der funktionalen Leistungsbeschreibung zugelassen hätten. Dies gilt erst recht unter Berücksichtigung des Vortrags des Beklagten, dass die auf Grund der Baugenehmigung vom 17. Dezember 2015 erforderlichen umfangreichen Baumaßnahmen allein deswegen auszuführen gewesen seien, weil die Klägerin auf der Grundlage ihres vertragswidrigen Bauantrags vom 14. Februar 2012 gebaut habe. Diesem Vortrag ist die Klägerin nicht in ausreichend substantiierter Weise entgegengetreten. Soweit sie diesbezüglich im Zusammenhang mit den Entwürfen konkurrierender Bieter Vermutungen dahingehend geäußert hat, dass auch diese nicht geeignet gewesen seien, die brandschutzrechtlichen Anforderungen zu erfüllen, ist dieses Vorbringen schon deshalb nicht ausreichend, da die Klägerin nicht nur die Ausführung des Bauvorhabens auf der Grundlage einer funktionalen Leistungsbeschreibung sondern insbesondere auch dessen Planung sowie die Herbeiführung aller erforderlichen Genehmigungen vertraglich übernommen hat, weshalb sie darlegungs- und beweisbelastet hinsichtlich ihrer Behauptungen zur Realisierbarkeit ist.

Aus diesem Grund vermag auch schließlich der Einwand der Klägerin, dass sie mit einer Überschreitung des ursprünglich vorgesehenen Baufensters sowie der ursprünglichen Kubatur und der Errichtung eines Stegs auf ein zum Zeitpunkt des Abschlusses des Projektvertrags noch nicht bestehendes Parkdeck nicht habe rechnen müssen, nicht zu einem abweichenden Ergebnis zu führen. Auch insoweit kann nicht ausgeschlossen werden, dass im Rahmen einer alternativen Planung andere Lösungen im Rahmen der vertragsgemäßen Umsetzung des Objekts zur Verfügung gestanden hätten.

c)

Zutreffend hat das Landgericht schließlich auch Ansprüche der Klägerin nach § 313 BGB sowie nach § 2 Abs. 5 und Abs. 6 VOB/B verneint.

Eine Anpassung der Vergütung nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 BGB scheidet im vorliegenden Fall von vornherein aus. Für eine Berücksichtigung von Störungen der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB ist nämlich kein Raum, soweit es um Erwartungen und Umstände geht, die nach den vertraglichen Vereinbarungen in den Risikobereich einer der Parteien fallen sollen. Eine solche vertragliche Risikoverteilung schließt für den Betroffenen regelmäßig die Möglichkeit aus, sich bei Verwirklichung des Risikos auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage zu berufen (BGH, Urteil vom 9. März 2010 – VI ZR 52/09, NJW 2010, 1874, 1877 Rn. 24 m.w.N.; Kniffka/Koeble/Jurgeleit/Sacher, Kompendium des Baurechts, 5. Aufl., 4. Teil Rn. 421). Die Auftragnehmerin des Projektvertrags hatte im vorliegenden Fall vertraglich das Genehmigungsrisiko und in diesem Zusammenhang auch das Risiko, ohne Anspruch auf eine Mehrvergütung behördliche Auflagen umsetzen zu müssen, übernommen. Dieses Risiko hat sich durch die hier relevanten Brandschutzertüchtigungsmaßnahmen realisiert, so dass es der Auftragnehmerin des Projektvertrags verwehrt gewesen wäre, diesbezüglich Ansprüche gegenüber dem Beklagten geltend zu machen. Entsprechendes gilt unter Berücksichtigung des Umstands, dass sich ein etwaiger Vergütungsanspruch aus der Rahmen-Vereinbarung an der Vergütungsabrede aus dem Projektvertrag orientiert, auch für die Klägerin.

Auch ein Anspruch nach § 2 Abs. 5 und 6 VOB/B wurde durch das Landgericht im Ergebnis zu Recht verneint. Ein entsprechender Anspruch scheidet bereits im Hinblick darauf aus, dass die durch die Parteien mit der Rahmen-Vereinbarung getroffene Vergütungsregelung eine Nachtragsforderung für den Fall, in dem die danach zu erbringende Leistung bereits von der Vergütungsabrede des Projektvertrags umfasst war, von vornherein ausschließen sollte. Im Hinblick darauf unterscheidet sich der vorliegende Fall grundlegend von dem der durch die Klägerin angeführten Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 13. März 2008 – VII ZR 194/06 – (NJW 2008, 2106 ff.) zu Grunde liegenden Sachverhalt.

d)

Soweit die Klägerin erstmals mit dem nach Schluss der mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren eingereichten Schriftsatz vom 25. Februar 2020 einen auf eine nach ihrem Dafürhalten unklare und gegen § 7 Abs. 1 VOB/A verstoßende Ausschreibung gestützten Schadensersatzanspruch aus §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB geltend macht, ist ihr diesbezügliches Vorbringen – ungeachtet der Frage, ob dieses überhaupt geeignet wäre, einen entsprechenden Anspruch zu begründen – gemäß §§ 525, 296a ZPO verspätet.

Bei dem Schadensersatzanspruch wegen Verstoßes gegen Ausschreibungsgrundsätze handelt es sich um einen eigenen Streitgegenstand, der geltend zu machen ist und hinsichtlich dessen weder eine Prüfung von Amts wegen stattfindet noch eine Hinweispflicht des Gerichts besteht (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Dezember 2010 – VII ZR 77/10, NZBau 2011, 160, 161 Rn. 3; Kniffka/Koeble/Jurgeleit/Sacher, Kompendium des Baurechts, 5. Aufl., 4. Teil Rn. 134a). Die Klägerin hat sich auf einen Schadensersatzanspruch weder erstinstanzlich noch im Berufungsverfahren bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestützt. Die Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs ist auch weder von der ihr eröffneten Möglichkeit zur Stellungnahme zu den in der mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren erörterten Rechtsfragen umfasst, noch liegen die Voraussetzungen für eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung vor.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision wird mangels Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen (§ 543 Abs. 2 ZPO) nicht zugelassen. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

AG München: Bedenkenhinweispflicht auch bei Lieferung mit Aufbauverpflichtung

AG München: Bedenkenhinweispflicht auch bei Lieferung mit Aufbauverpflichtung

vorgestellt von Thomas Ax

1. Übernimmt der Unternehmer neben der Lieferung auch eine Aufbauverpflichtung (hier: für eine Duschkabine), hat er bei erkennbaren Ausführungshindernissen rechtzeitig Bedenken mitzuteilen.
2. Eine Bedenkenhinweispflichtverletzung kann nur angenommen werden, wenn der Unternehmer augenfällige Ausführungshindernisse nicht erkennt.
3. Ohne besonderen Anlass muss der Unternehmer vor Beginn der Arbeiten keine umfassende, über die Sichtkontrolle hinausgehende Prüfung des Materials auf Mängel durchführen.
AG München, Urteil vom 26.10.2023 – 191 C 10665/23

Tatbestand:

Der Kläger verlangt Schadensersatz wegen der Montage einer “spiegelverkehrten” Duschwand.

Der Kläger hat über das Internet bei der Beklagten eine aus Glas gefertigte Eck-Dusche bestellt (Preis: 1.726,00 Euro). Dabei hat der Kläger bei der Bestellung die festen und beweglichen Teile falsch bestellt, so dass die Dusche nicht so wie geplant eingebaut werden kann, vielmehr hat er die Bauteile “spiegelverkehrt” bestellt. Weiter hat der Kläger die Beklagte mit der Montage der bestellten Duschkabine beauftragt, was diese als Option angeboten hatte.

Der von der Beklagten entsandte Monteur hat mit dem Aufbau begonnen, bis festgestellt wurde, dass der geplante Aufbau mit der gelieferten Ware (weil falsch bestellt) nicht möglich ist. Der Kläger leitet daraus einen Schadensersatzanspruch ab, weil der Monteur nicht schon früher (unmittelbar nach Beginn seiner Arbeit) darauf hingewiesen habe, dass die gelieferte Duschwand sich so, wie vom Kläger gewünscht, gar nicht einbauen lässt (weil “spiegelverkehrt”).

Der Kläger meint, dass er nach §§ 280 Abs. 1 i.V.m. § 241 Abs. 2 BGB so zu stellen ist, wie er stünde, wenn der Bedenkenhinweis in dem Zeitpunkt erteilt worden wäre, in dem die Ungeeignetheit für den Monteur erkennbar wurde. Dies sei bereits vor Montage der Fall gewesen. Der Kläger trägt weiter vor, dass er bei einem rechtzeitigen Hinweis auf die Spiegelverkehrheit der Seitenwand nicht zu den nunmehr vorhandenen Bohrlöchern in den Wandpaneelen gekommen wäre. Deren Setzen macht er als Schaden geltend (773,05 Euro; Ankauf am 29.01.2022 zu einem Gesamtpreis von 796,96 EUR; Anlage K 8). Die Duschelemente seien gar nicht erst montiert worden, weshalb auch noch ein Abbauschaden von 100,00 Euro hinzukomme.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 873,05 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 14.07.2022 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte bestreitet eine Pflichtverletzung und einen Schaden des Klägers.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet. Das Gericht vermag sich insbesondere nicht davon zu überzeugen, dass dem Kläger ein Vermögensschaden entstanden ist (§ 287 ZPO).

I.

1. Das Gericht vermag dem Vortrag des Klägers schon nicht zu entnehmen, dass der Monteur der Beklagten schon vor dem Setzen der ersten Bohrlöcher auf die “Seitenverkehrtheit” der vom Kläger bestellten und ihm gelieferten Dusche hätte hinweisen müssen (§§ 276 Abs. 1, 278 BGB).

Allerdings ist dem Kläger im Ansatz zu folgen, dass die Beklagte in Ausführung ihrer Aufbauverpflichtung den Besteller auf Ausführungshindernisse hätte hinweisen müssen und insoweit den Kläger auch auf Bedenken beim gewünschten Aufbau der Dusche hätte hinweisen müssen.

Vorliegend war aber die Duschkabine nur “seitenverkehrt” und ihr Aufbau nur insoweit nicht fachgerecht möglich, als sich die transparente, unsichtbare oder kaum sichtbare Versiegelung wegen der falschen Bestellung dann nicht auf der Innenseite, sondern auf der Außenseite der Dusche befinden würde. Eine Prüfung der Dusche vor deren Aufbau, welche die Maße erfasst, hat also kein Ausführungshindernis ergeben, vielmehr war die Dusche montierbar. Eine Pflichtverletzung kann also nur daraus abgeleitet werden, dass auch die Beschichtung und damit die Spiegelverkehrtheit der angelieferten Teile schon vor dem Setzen des ersten, zweiten etc Bohrlochs vom Monteur hätte feststellt werden müssen.

Dieser “Fehler” der angelieferten Duschwand war aber nicht augenfällig. Auch vermag das Gericht nicht zu erkennen, dass die Beklagte auf die Beschichtung vor Beginn der Arbeiten besonders hätte achten müssen, nachdem die erste Sichtprüfung zu den Maßen keine Bedenken wecken musste. Die Bohrlöcher wurden daher gesetzt, ohne dass die Beklagten vorher auf ein Ausführungshindernis hätte hinweisen müssen.

2. Zudem fehlt es an der erforderlichen Kausalität des eingeklagten Schadens, selbst wenn man einen früheren Hinweis der Beklagten auf das Aufbauhindernis annehmen wollte.

Der Kläger trägt dazu vor, dass es bei einem rechtzeitigen Hinweis auf die Spiegelverkehrheit nicht zu den nunmehr vorhandenen Bohrlöchern in den Wandpaneelen gekommen wäre (773,05 Euro Ankauf am 29.01.2022 zu einem Gesamtpreis von 796,96 EUR; Anlage K 8). Dieser Vortrag zur hypothetischen Entscheidung des Klägers wird von der Beklagten bestritten. Die Beklagte führt dazu aus, dass die Montage, so wie vom Monteur vorgenommen wurde, in der gegebenen Situation letztlich die einzig vernünftige Option war. Dem ist zu folgen.

Nach der mündlichen Verhandlung vermag sich das Gericht nicht davon zu überzeugen, dass der Kläger die Montage aufgegeben hätte. Eine neu bestellte Dusche im Wert von über 1.700 Euro wegzuwerfen, erscheint dem Gericht als wirtschaftlich unsinnig. Ein Rückgaberecht stand dem Kläger nicht zu, die Möglichkeit eines Weiterverkaufs (der Maßanfertigung) war unrealistisch und wurde nicht einmal versucht. Ohne eine Montage der Dusche war wiederum das Bad nicht sinnvoll zu nutzen.

Der Kläger hätte im Falle eines früheren Hinweises also entweder eine andere Duschwand bestellen und einbauen müssen oder doch die gelieferte Dusche verwenden müssen. Der Vermögensaufwand einer Ersatzbeschaffung übersteigt den Schaden an der Wand bei weitem, zumal die von der Beklagten gesetzten Bohrlöcher möglicherweise dann sogar wieder benötigt werden könnten. Vor allem kann die gelieferte Dusche durchaus in das Bad des Klägers eingebaut werden, nur muss das eine Seitenteil so eingebaut sein, dass die wasserabweisende Beschichtung (sinnwidrig) an der Außenseite sich befindet (als Folge der spiegelbildlichen Falschbestellung). Ergänzend hätte auf der Innenseite eine Versiegelung angebracht werden können. Der Blick auf die Alternative einer Neubestellung, die der Kläger nach eigener Aussage bis heute nicht veranlasst hat, zeigt, dass letztlich die durchgeführte Montage die einig vernünftige Lösung war, die ausschließlich dem Kläger zufallende Falschbestellung noch sinnvoll zu verwerten. Dann sind aber auch die Bohrlöcher notwendig und stellen keinen Schaden dar.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708, 711 ZPO. Die Streitwertfestsetzung fußt auf § 3 ZPO.

BGH: Sachvortrag darf nicht übergangen werden

BGH: Sachvortrag darf nicht übergangen werden

vorgestellt von Thomas Ax

1. Der Anspruch auf rechtliches Gehör verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und bei seiner Entscheidung in Erwägung zu ziehen.
2. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass das Gericht das von ihm entgegengenommene Vorbringen eines Beteiligten auch zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat, zumal es nicht verpflichtet ist, sich mit jedem Vorbringen in der Begründung seiner Entscheidung ausdrücklich zu befassen.
3. Ein Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör setzt eine gewisse Evidenz der Gehörsverletzung voraus. Im Einzelfall müssen besondere Umstände vorliegen, die deutlich ergeben, dass das Vorbringen entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei der Entscheidung ersichtlich nicht erwogen worden ist (hier bejaht).
BGH, Beschluss vom 20.02.2025 – V ZR 77/23
vorhergehend:
OLG Dresden, 20.02.2023 – 22 U 1253/22
LG Leipzig, 12.05.2022 – 7 O 3082/21

Gründe:

I.
Mit notariellem Vertrag vom 9. Oktober 2018 erwarben die Kläger von den Beklagten ein mit einem Einfamilienhaus bebautes Grundstück zu einem Preis von 315.000 EUR unter Ausschluss der Haftung für Sachmängel. Das Haus wurde 1973 errichtet und im Jahr 2000 in Teilen modernisiert. Gestützt auf die Behauptung, sie seien von den Beklagten über das Vorliegen von Mängeln an dem Haus arglistig getäuscht worden, verlangen die Kläger mit dem Klageantrag zu 1 Zahlung von 10.224,70 EUR nebst Zinsen. Im Einzelnen werden für den Einbau einer neuen Gastherme 7.440,96 EUR, für die Erneuerung der Elektroinstallation 1.620,48 EUR, für die Erneuerung des Kamins (defekte Schamottsteine) 1.163,26 EUR und für die Beseitigung von Müll 1.716,62 EUR in Ansatz gebracht (rechnerisch korrekt insgesamt: 11.941,32 EUR). Mit dem Klageantrag zu 2 machen die Kläger einen Mietschaden i.H.v. 2.614,80 EUR nebst Zinsen geltend. Mit dem Antrag zu 3 möchten sie festgestellt wissen, dass die Beklagten verpflichtet sind, ihnen sämtliche Schäden zu ersetzen, die darauf beruhen, dass das Haus nicht über eine erforderliche Schornsteinlaufanlage verfügt. Der Klageantrag zu 4 ist auf die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten gerichtet. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Kläger hat das Oberlandesgericht durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen. Gegen die hiermit verbundene Nichtzulassung der Revision wenden sich die Kläger mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde.

II.
Nach Ansicht des Berufungsgerichts stehen den Klägern keine Schadensersatzansprüche zu. Bei der Beurteilung des Gebäudes sei maßgeblich auf den geringen Kaufpreis und den Umstand abzustellen, dass es zu DDR-Zeiten (1973) errichtet worden sei. Dass es im Jahr 2000 modernisiert worden sei, mache es nicht zu einem “neuen Gebäude”. Auch hätten die Beklagten persönlich nicht erklärt, dass die Modernisierung in einem umfassenden Umfang stattgefunden habe. Die von den Klägern vorgebrachten Mängel in den Bereichen Elektroinstallation und Kamin beliefen sich auf rund 2.800 EUR und damit auf 0,8% des Kaufpreises, so dass es sich allein schon vom Umfang her um geringfügige Mängel handele. Einen Anspruch auf Beseitigung von in dem Haus verbliebenem Müll hätten die Kläger mangels besonderer Regelungen in dem Kaufvertrag nicht. Soweit sie eine neue Gastherme hätten einbauen lassen, handele es sich um eine Modernisierungsmaßnahme, ohne dass insoweit eine relevante Pflichtverletzung der Beklagten als Verkäufer erkennbar sei. Auch die weiteren Positionen (Schadensersatz wegen Mietaufwendungen und vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten) könnten die Kläger nicht verlangen. Für eine Feststellung (gerichtet auf die Haftung für weitere Schäden in der Zukunft) sei kein Raum.

III.
Die Nichtzulassungsbeschwerde hat teilweise Erfolg. Der angefochtene Beschluss ist im Hinblick auf die Bestätigung der Abweisung des Feststellungsantrags (Klageantrag zu 3) gemäß § 544 Abs. 9 ZPO aufzuheben, weil das Berufungsgericht insoweit den Anspruch der Kläger auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat. Im Übrigen ist sie zurückzuweisen.
1. Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und bei seiner Entscheidung in Erwägung zu ziehen. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass das Gericht das von ihm entgegengenommene Vorbringen eines Beteiligten auch zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat, zumal es nach Art. 103 Abs. 1 GG nicht verpflichtet ist, sich mit jedem Vorbringen in der Begründung seiner Entscheidung ausdrücklich zu befassen. Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG setzt eine gewisse Evidenz der Gehörsverletzung voraus. Im Einzelfall müssen besondere Umstände vorliegen, die deutlich ergeben, dass das Vorbringen entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei der Entscheidung ersichtlich nicht erwogen worden ist (vgl. BGH, Beschluss vom 17. September 2024 – XI ZR 130/23, juris Rn. 9 mwN).
2. Nach diesen Maßgaben ist Art. 103 Abs. 1 GG hier verletzt.
a) Nach dem von der Nichtzulassungsbeschwerde in Bezug genommenen Vortrag der Kläger in der Klageschrift und in der Berufungsbegründung stützen sie den Feststellungsantrag darauf, dass nach den Mängelberichten des Schornsteinfegers aus den Jahren 2009 und 2017 (Anlagen K 5 und K 6) die Schornsteinlaufanlage auf dem Dach des Hauses nicht ordnungsgemäß sei. Um den Schornstein zu reinigen, müsse das Dach betreten werden. Insoweit fehle es an der erforderlichen Arbeitsschutzeinrichtung auf dem Dach. Die dort befindlichen Tritte hätten einen zu großen Abstand; im Übrigen fehlten Tritte vollständig. Der Schornsteinfeger habe den Beklagten eine Frist zur Beseitigung dieses Zustands bis zum 15. August 2018 gesetzt. Nach dem weiteren Vorbringen der Kläger verursacht eine ordnungsgemäße Herstellung der Schornsteinlaufanlage Kosten von über 30.000 EUR. Da bei einem nachträglichen Einbau die vorhandenen Dachplatten zerstört würden, müsse das gesamte Dach neu eingedeckt werden.
b) Auf diesen Vortrag geht das Berufungsgericht nicht ein. In der Hinweisverfügung wird zwar in der Sachverhaltsschilderung der Vortrag der Kläger dahingehend wiedergegeben, diese beanstandeten, dass auf dem Dach die erforderliche Arbeitsschutzvorrichtung gefehlt habe. In der Begründung fehlt jedoch eine Auseinandersetzung mit diesem Vortrag. Erörtert werden nur die übrigen von den Klägern geltend gemachten Mängel, während hinsichtlich des Feststellungsantrags lediglich darauf verwiesen wird, dass für eine Feststellung kein Raum sei. Nachdem die Kläger in ihrer Stellungnahme zu dem Hinweis ausdrücklich beanstandet haben, es fehle eine Auseinandersetzung mit der Schornsteinlaufanlage, hat das Berufungsgericht diesen – unter I. a) des Zurückweisungsbeschlusses wiedergegebenen – Einwand unter II. 2.a) mit der Begründung für unbeachtlich erklärt, dass sich der Senat mit den Schadenspositionen “Elektrik/Kamin” befasst und die geltend gemachten Kosten der Beseitigung von 1.620,48 EUR und 1.163,26 EUR als geringfügig erachtet habe. Dies belegt, dass dem Berufungsgericht aus dem Blick geraten ist, dass die von den Klägern behaupteten Mängel am Kamin (Defekt an den Schamottsteinen), die in dem Klageantrag zu 1 mit einem Betrag von 1.163,26 EUR in Ansatz gebracht werden, von den Mängeln an der Schornsteinlaufanlage, die Gegenstand des Feststellungsantrages zu 3 sind und hinsichtlich derer die Kläger von einem – keineswegs geringfügigen – Beseitigungsaufwand von 30.000 EUR ausgehen, zu unterscheiden sind.
3. Der Verstoß gegen den Anspruch auf das rechtliche Gehör ist entscheidungserheblich. Hätte das Berufungsgericht den Vortrag der Kläger bei der Prüfung der Erfolgsaussichten des Feststellungsantrags, an dessen Zulässigkeit (§ 256 Abs. 1 ZPO) angesichts der derzeit nicht möglichen Schadensbezifferung entgegen der Auffassung des Landgerichts keine Bedenken bestehen, in seine Überlegungen mit einbezogen, ließe sich ein Schadensersatzanspruch der Kläger gemäß § 437 Nr. 3, § 280 Abs. 1 und 3, § 281 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht ausschließen. Dem steht nicht entgegen, dass das von den Klägern erworbene Haus 1973 errichtet worden ist und die Kläger auch unter Berücksichtigung der 2000 erfolgten Modernisierung nicht den Zustand eines “neuen Gebäudes” erwarten konnten. Trifft der Vortrag der Kläger zu, entspricht das Haus deshalb nicht der üblichen und zu erwartenden Beschaffenheit gemäß § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 BGB in der hier gemäß Art. 229 § 58 EGBGB noch anwendbaren, bis zum 31. Dezember 2021 geltenden Fassung, weil im Hinblick auf die Anordnung des Bezirksschornsteinfegers eine – aktuelle – Pflicht besteht, auf dem Dach eine ordnungsgemäße Schornsteinlaufanlage einzurichten, was nach dem weiteren von den Klägern unter Beweis gestellten Vorbringen mit nicht unerheblichen Kosten verbunden ist. Die Kläger haben im Hinblick auf die von ihnen vorgelegten Schreiben des Schornsteinfegers auch schlüssig vorgetragen, dass die Beklagten insoweit arglistig gehandelt haben und deshalb der in dem Kaufvertrag vereinbarte Haftungsausschluss nicht eingreift (§ 444 BGB).
4. Keinen Erfolg hat die Nichtzulassungsbeschwerde dagegen, soweit sich die Kläger gegen die Abweisung der übrigen Klageanträge wenden. Insoweit liegt die von ihnen allein geltend gemachte Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG nicht vor, so dass eine Entscheidung nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 6 Satz 2 Halbs. 2 ZPO abgesehen.

IV.
1. Der Verstoß gegen den Anspruch der Kläger auf rechtliches Gehör führt gemäß § 544 Abs. 9 ZPO im Umfang des Tenors zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.
2. Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass den Klägern bei der der Berechnung des bezifferten Klageantrags zu 1 mit einem Betrag von 10.224,70 EUR ein offensichtlicher Additionsfehler unterlaufen ist. Addiert man die von den Klägern insoweit in Ansatz gebrachten und von dem Berufungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegten Einzelbeträge, die auch mit der Nichtzulassungsbeschwerde weiterverfolgt werden, ergibt sich eine Gesamtsumme von 11.941,32 EUR (Therme: 7.440,96 EUR + Elektrik: 1.620,48 EUR + Kamin: 1.163,26 EUR + Müllbeseitigung: 1.716,62 EUR). Dies ist bei der Festsetzung des Berufungsstreitwerts unberücksichtigt geblieben.
3. Da gemäß Nr. 1242 KV GKG Gerichtskosten nur für den zurückgewiesenen Teil der Nichtzulassungsbeschwerde anfallen, bestimmt sich der Wert des Beschwerdegegenstands für die Gerichtskosten nach dem erfolglosen Teil der Beschwerde (vgl. nur Senat, Beschluss vom 9. Februar 2023 – V ZR 93/22, juris Rn. 20 mwN). Hier ist ein Betrag von 14.556,12 EUR zugrunde zu legen. Zu dem mit 11.941,32 EUR zu bewertenden Antrag zu 1 ist der Wert des Antrags zu 2 (2.614,80 EUR) hinzuzuaddieren. Der Antrag zu 4 (vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten) bleibt gemäß § 43 Abs. 1 GKG (Nebenforderung) außer Ansatz.

OLG Zweibrücken: Auf Eingriffe in die Statik muss der Verkäufer hinweisen

OLG Zweibrücken: Auf Eingriffe in die Statik muss der Verkäufer hinweisen

vorgestellt von Thomas Ax

1. Käufer dürfen auch ungefragt erwarten, dass ein Gebäude (dauerhaft) standsicher ist; fehlende Aufklärung berechtigt zur Anfechtung.
2. Verkäufer müssen statisch relevante Veränderungen auch ungefragt offenbaren und auf einen fehlenden Standsicherheitsnachweis hinweisen.
OLG Zweibrücken, Urteil vom 27.09.2024 – 7 U 45/23
vorhergehend:
LG Zweibrücken, 27.03.2023 – 2 O 368/20

Gründe:

I.

Die Kläger nahmen die Beklagten erstinstanzlich auf Zahlung von Mängelbeseitigungskosten, der Kläger zu 1) hilfsweise auf Rückabwicklung eines Kaufvertrages über ein Hausgrundstück, auf Schadensersatz und auf Feststellung des Annahmeverzuges nach erklärter Anfechtung der auf Abschluss des Kaufvertrages gerichteten Willenserklärungen der Kläger in Anspruch. Gegenstand des Berufungsverfahrens ist nur noch der vom Kläger zu 1) geltend gemachte Hilfsanspruch.

Mit notariell beurkundetem Kaufvertrag vom 31.07.2015 (Urk.-R.-Nr. … des Notars … Anlage K1) erwarben die Kläger von den Beklagten, die dieses Hausgrundstück selbst 2005 von Dritten erworben hatten, im Juli 2015 das Hausgrundstück in Hanglage … zu einem Kaufpreis von 440.000,00 Euro, wovon 38.700,00 Euro auf mitverkaufte Gegenstände entfielen (§ 4 des Vertrages).

Während ihrer Eigentumszeit hatten die Beklagten verschiedene bauliche Veränderungen an dem Haus vorgenommen, deren Umfang im Einzelnen streitig ist. U. a. ließen die Beklagten – nach ihrem Vorbringen im Berufungsverfahren durch eine “polnische Firma”, deren Name und Sitz ihnen nicht mehr bekannt ist und von der sie auch keine Unterlagen mehr besitzen – tragende Trennwände im 1. Obergeschoss entfernen und die Decke stattdessen durch Einbringung zweier Eisenträger abstützen. Diese Deckenkonstruktion ist unstreitig statisch nicht (dauerhaft) tragfähig, da der als Ersatz für die Entfernung tragender Zwischenwände eingebrachte Stahlträger auf Mauerwerk aufliegt, das dieses zusätzliche Gewicht seinerseits nicht tragen kann; um dies aufzufangen, wurden grundsätzlich nur zur vorübergehenden Stützung geeignete Baustützen in Form von Stahlsprießen zur dauerhaften Stützung des Stahlträgers verwendet und diese durch Verblendungen verdeckt (wegen der Einzelheiten wird auf die Feststellungen des Sachverständigen … im selbständigen Beweisverfahren 1 OH 13/16 LG Zweibrücken, dort Seite 42 ff. des Hauptgutachtens vom 26.07.2017, Bezug genommen). Einen Nachweis der statischen Tragfähigkeit der neu eingebauten Stahlträgerkonstruktion erhielten die Beklagten nicht und holten einen solchen auch nicht ein.

Vor Abschluss des Kaufvertrages besichtigten die Kläger das Anwesen mehrfach. Dabei fanden sowohl Besichtigungen durch die Kläger selbst – die Klägerin zu 2) ist Immobilienmaklerin und Sachverständige für Immobilienbewertung – als auch Besichtigungen durch die von den Klägern beauftragte Zeugin …, Architektin und Sachverständige für Bauschäden, und die ebenfalls von den Klägern beauftragte Firma … als Fachfirma für Feuchtigkeitsmessungen statt. Das Gebäude war im Zuge der Besichtigungen vollständig zugänglich. Die Zeugin … erstellte auf Basis der Besichtigungen Umbaupläne und nahm hierzu auch Begutachtungen der im Haus vorhandenen Leitungen vor. Sie hatte bei den Besichtigungen auch ein Feuchtigkeitsmessgerät dabei.

Die Kläger begannen nach der Schlüsselübergabe im November 2015, verschiedene Umbaumaßnahmen im Hausanwesen durchzuführen, deren Umfang zwischen den Parteien streitig ist. Auf die Feststellung eines nach Beginn der Umbauarbeiten von den Klägern beauftragten Statikers, dass die vorhandene Trägerkonstruktion im Bereich des Daches des Hauses sowie im Bereich des 1. Obergeschosses unzulässig und nicht dauerhaft tragfähig sei, leiteten die Kläger bei dem Landgericht Zweibrücken ein selbständiges Beweisverfahren zur Beurteilung dieser und weiterer von ihnen angenommener Mängel ein (LG Zweibrücken 1 OH 13/16). Der in diesem Verfahren beauftragte Sachverständige … kam in seinem Gutachten vom 26.07.2017 zu dem Ergebnis, dass verschiedene Mängel am Haus vorliegen und zur Beseitigung sämtlicher – bei Besichtigung am 13.12.2016 – von ihm festgestellter Mängel Kosten in Höhe von 161.547,00 Euro netto erforderlich seien.

Die Kläger erklärten in der Folge mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 15.08.2017 die Anfechtung des Kaufvertrages, hilfsweise den Rücktritt vom Vertrag.

Die Kläger sind inzwischen geschieden. Im Zuge der Scheidung wurde das erworbene Hausgrundstück auf den Kläger zu 1) übertragen, wobei sich die Kläger auch darauf einigten, dass Ansprüche hinsichtlich des Hausgrundstücks (nur) dem Kläger zustehen sollen.

Die Kläger haben vorgetragen,

nach Kauf hätten sich an der Immobilie massive Mängel offenbart, die bei von den Beklagten in Eigenregie durchgeführten Arbeiten und auch beim Bewohnen durch die Beklagten diesen zwingend hätten auffallen müssen. Die Beklagten hätten diese Mängel somit arglistig verschwiegen.

Insbesondere sei die von den Beklagten hergestellte Konstruktion zur Abstützung des 1. Obergeschosses nach Entfernung der Trennwände unzulässig, wie vom Sachverständigen festgestellt statisch nicht dauerhaft tragfähig und das Haus deswegen teilweise einsturzgefährdet. Diese Umstände seien den Beklagten bekannt gewesen und den Klägern gegenüber vorsätzlich verschwiegen worden. Den Klägern sei die Stützkonstruktion erst aufgefallen und für sie überhaupt erkennbar gewesen, als sie nach Kauf die abgehängte Decke und die Blende vor einer der Stahlsprießen entfernt hätten. Außerdem hätten die Beklagten durch Änderungen an der Dachkonstruktion die Standsicherheit des Gebälks gefährdet. Trotz nicht vorhandener Außen- und Bodenisolierung seien die Kellerräume unzulässigerweise zu Wohnräumen umgewandelt worden. Es sei an mehreren Stellen zu Feuchtigkeitseintritten in das Gebäude gekommen, was durch Wandverkleidungen kaschiert worden sei. Das Garagendach sei undicht und an der Außenfassade sei es zu Rissbildungen gekommen. Ferner seien die Dachziegel nicht neuwertig und es blättere Farbe von ihnen ab. Schließlich sei auch die Verrohrung nur teilweise erneuert worden und teilweise alt. All diese Umstände seien den Beklagten bekannt gewesen und sie seien verpflichtet gewesen, die Kläger über diese Umstände zu informieren.

Die Kläger selbst hätten nur geringfügige Veränderungen an der Immobilie vorgenommen, die wertmäßig keine Rolle spielten. Im Dachgeschoss seien weiterhin eine nicht tragende Z-förmige Wand und die darüber liegende, ebenfalls nicht tragende, aus Rigips bestehende Decke, zwei kleine Gipskartonwände und der Laminatboden entfernt und dort befindliche Heizrohre begradigt sowie ein weiteres Dachfenster eingebaut worden. Im 1. Obergeschoss sei von ihnen nur die Einbauküche entfernt und im Badezimmer die vorhandenen Sanitäreinrichtungen sowie die Wand- und Bodenfliesen entfernt worden. Außerdem sei – ohne Wandöffnung – eine Abwasserleitung vom Keller zum Dachgeschoss verlegt, da beabsichtigt gewesen sei, im Dachgeschoss ein Badezimmer einzurichten. Wegen der Details zu den baulichen Veränderungen wird auf die Ausführungen der Kläger im Schriftsatz vom 06.03.2022 ab Seite 3 (Bl. 69 ff. d. eA I) nebst Lageplänen (Anlagen zum Schriftsatz vom 06.03.2022, Bl. 71 ff. Anlagenordner zu eA I) Bezug genommen.

Die weiteren Bauteilöffnungen seien allein deswegen erforderlich geworden, weil im 1. Obergeschoss in einer Wand eine der Stahlsprießen entdeckt worden sei, die zur dauerhaften Nutzung ungeeignet sei. Daraufhin seien auch Bauteilöffnungen im Dachboden zur Überprüfung der Statik erforderlich geworden. Nach Entdeckung von Feuchtigkeitsschäden bei der Entfernung einer Badewanne im Kellergeschoss seien auch die Wandverkleidungen im Keller abgenommen worden und hinter diesen ebenfalls Feuchtigkeit festgestellt worden. Zu 90 % seien die Bauteilöffnungen oder Entfernungen von Wandverkleidung und Bodenbelag auf die Mängel und die Feuchtigkeitsschäden zurückzuführen.

Neben dem Kaufpreis i. H. v. 440.000,00 Euro hätten sie, die Kläger, an Notar- und Grundbuchkosten sowie Maklergebühren 48.400,00 Euro verauslagt. Anlässlich der Finanzierung des Hauskaufs seien Zinsen i. H. v. 10.200,00 Euro angefallen. Infolge der wirksamen Anfechtung ihrer auf Abschluss des Kaufvertrages gerichteten Willenserklärungen hätten die Beklagten den Klägern daher einen Gesamtbetrag von 498.600,00 Euro zu erstatten.

Die Kläger haben, nachdem sie mit Schriftsatz vom 23.01.2022, eingegangen am 24.01.2022, die Klage um Hilfsanträge erweitert haben, in erster Instanz zuletzt beantragt:

1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Kläger 169.051,68 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 %-punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

2. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, außergerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 3.537,87 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 %-punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Hilfsweise:

1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger EUR 498.600 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen Zug um Zug gegen die Rückübertragung des Hausanwesens … eingetragen im Grundbuch des Amtsgerichtes … Blatt … mit den Flurstücken …,Verkehrsfläche, …, groß 15 qm (laufende Nummer 1); Flurstück …, Erholungsfläche, Gebäude- und Freifläche, …, groß 1.324 qm (laufende Nummer 3); Flurstück …, Erholungsfläche, … groß 39 qm (laufende Nummer 4),

2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagten in Annahmeverzug befinden.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie haben vorgebracht,

von einer unzulässigen, mit einer Verkleidung kaschierten Deckenstützkonstruktion im 1. Obergeschoss mit zwei aufeinanderliegenden Eisenträgern, welche mit einfachen Stahlsprießen abgestützt würden, keine Kenntnis gehabt zu haben. Die Arbeiten seien durch eine Firma durchgeführt worden. Die Beklagten hätten auch nicht in Kenntnis einer statisch unzulässigen Konstruktion das Anwesen über 10 Jahre selbst dauerhaft bewohnt, was die fehlende Kenntnis belege. Auch sämtliche weitere klägerseits behaupteten vermeintlichen Mängel seien den Beklagten nicht bekannt gewesen. Die Umwandlung der Kellerräume zu Wohnräumen habe bereits vor dem Erwerb des Hausgrundstücks durch die Beklagten stattgefunden. Feuchtigkeitsprobleme habe es in ihrer Eigentumszeit nicht gegeben. Die nunmehr vorgetragenen Wasserschäden seien darauf zurückzuführen, dass die Kläger die Lichtschächte nicht von Laub befreit hätten.

Im Wege einer etwaigen Rückabwicklung sei zu berücksichtigen, dass die Immobilie durch die unfertigen Umbaumaßnahmen der Kläger eine erhebliche Verschlechterung erfahren habe, für deren Beseitigung mindestens 100.000,00 Euro erforderlich seien. Das Dachgeschoss befinde sich in einem Rohbauzustand. Im Erdgeschoss sei auch eine Granittheke und eine darunter befindliche technische Wand mit eingebauten Strom- und Wasserleitungen entfernt worden. Es fehlten nun Teile des Parkettbodens. Der Parkettboden im Erdgeschoss sei an mehreren Stellen beschädigt. Auch das frühere Badezimmer im Erdgeschoss sei in einen Rohbauzustand versetzt worden. Die Feuchtigkeitsschäden, die die Kläger zu verantworten hätten, indem sie Laub nicht aus den Lichtschächten entfernt hätten, hätten ebenfalls zu einem Wertverlust geführt. Der Außenbereich sei verwahrlost. Mitverkauftes Inventar sei teilweise nicht mehr vorhanden (Einbauküche Gartenhaus, Einbaukleiderschrank), die ausgebaute und im unbeheizten Gartenhaus gelagerte Einbauküche aus dem Erdgeschoss befinde sich nicht mehr in dem Zustand wie bei der Übergabe.

Das Landgericht hat – nach informatorischer Anhörung der Parteien, Vernehmung der Zeugen …, …, …, … und … und Verwertung des Sachverständigengutachtens aus dem selbständigen Beweisverfahren 1 OH 13/16 Landgericht Zweibrücken – der Klage im Hilfsantrag teilweise stattgegeben und die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger zu 1) 498.600,00 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 29.01.2022 zu zahlen Zug um Zug gegen die Rückübertragung des verkauften Hausanwesens sowie Zug um Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung der im notariellen Kaufvertrag des Notars … vom 31.07.2015 in § 4 benannten mitverkauften Gegenstände. Im Übrigen hat es die Klage – auch mit dem geltend gemachten Hauptantrag – abgewiesen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen (Bl. 213 ff. d. eA I). Im Wesentlichen hat das Landgericht ausgeführt:

Die Klage sei mit dem Hauptantrag unbegründet. Der von den Klägern geltend gemachte Zahlungsanspruch bestehe nicht. Entweder greife die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung durch; dann sei der Kaufvertrag nichtig und die wechselseitigen Leistungen herauszugeben. Falls eine Arglist nicht vorliege, scheiterten Gewährleistungsansprüche schon am wirksamen Gewährleistungsausschluss. Anspruch auf die mit dem geltend gemachten Hauptantrag verlangte Zahlung hätten die Kläger in keiner der beiden Varianten.

Die Kläger hätten den Kaufvertrag allerdings wirksam wegen arglistiger Täuschung angefochten und daher der Kläger zu 1) einen Anspruch auf Rückabwicklung des Vertrags nach §§ 142, 812 Abs. 1 Satz 1 BGB. Die Beklagten hätten jedenfalls hinsichtlich der Deckenkonstruktion im 1. Obergeschoss (die tragenden Zwischenwände ersetzender Stahlträger) arglistig gehandelt. Grundsätzlich sei zwar jeder Verhandlungspartner für sein rechtsgeschäftliches Handeln selbst verantwortlich und müsse sich deshalb die für die eigene Willensentscheidung notwendigen Informationen auf eigene Kosten und eigenes Risiko selbst beschaffen. Allerdings bestehe nach der Rechtsprechung eine Rechtspflicht zur Aufklärung bei Vertragsverhandlungen auch ohne Nachfrage dann, wenn der andere Teil nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung redlicherweise die Mitteilung von Tatsachen erwarten dürfe, die für die Willensbildung des anderen Teils offensichtlich von ausschlaggebender Bedeutung seien. Dies sei insbesondere bei solchen Tatsachen, welche den Vertragszweck vereiteln oder erheblich gefährden könnten, anzunehmen. So liege es bezüglich der geänderten Deckenabstützung auch hier.

Indem die Beklagten den Klägern den Zustand der erheblich veränderten Deckenkonstruktion im Wohnbereich im 1. Obergeschoss nicht mitgeteilt hätten, hätten sie die Kläger arglistig getäuscht. Nach der durchgeführten Beweisaufnahme, insbesondere aufgrund der Aussage des Zeugen … wonach seine Frage an die Beklagten, ob die Konstruktion “statisch funktioniere”, bejaht worden sei, stehe für das Gericht fest, dass der von dem gerichtlichen Sachverständigen als statisch nicht dauerhaft tragfähig und damit mangelhaft bewertete Zustand der Deckenkonstruktion infolge der Entfernung einer tragenden Wand den Beklagten bekannt gewesen und gegenüber den Klägern verschwiegen worden sei, obwohl den Beklagten bewusst gewesen sein müsse, dass die Kläger den Kaufvertrag in Kenntnis des tatsächlichen Zustands jedenfalls nicht mit dem erfolgten Inhalt abgeschlossen hätten. Den Klägern hingegen habe die Problematik in Bezug auf die Statik nicht bekannt sein müssen. Allein aus dem Umstand, dass der Wohnbereich sich über eine große Fläche erstrecke, hätten die Kläger nicht schließen müssen, dass die Abstützung der Decke den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Statik nicht erfülle. Auch wenn sich die Kosten der Beseitigung des mangelhaften Zustandes nur auf 16.160,00 Euro und damit lediglich 4 % des Gesamtkaufpreises von 440.000,00 Euro beliefen, handele es sich bei der Statik um einen so wesentlichen Punkt, dass das Gericht davon überzeugt sei, dass die Kläger den Vertrag in Kenntnis der Umstände nicht, zumindest nur zu anderen Bedingungen abgeschlossen hätten.

Die weiteren vorgetragenen Mängel berechtigten hingegen nicht zur Anfechtung wegen arglistiger Täuschung, da teils nicht feststellbar sei, dass diese den Beklagten bekannt gewesen seien, und sie teilweise den Klägern nach Besichtigung der Immobilie ersichtlich gleichermaßen hätten bekannt sein müssen. Hinsichtlich der Dachkonstruktion sei weder bewiesen, dass diese durch die Beklagten verändert worden sei, noch dass diesen die Veränderungen und deren Folge für die Standsicherheit bekannt gewesen seien. Demgegenüber seien Ausblühungen auf der Wandfläche infolge von Feuchtigkeitseintritten entsprechend den Feststellungen des Sachverständigen (Seite 51 des Hauptgutachtens) bei Besichtigung für alle Beteiligten gleichermaßen erkennbar gewesen, ebenso wie der Umstand, dass Rohre nur teilweise erneuert worden seien, das Garagendach undicht sei, in der Hausfassade Risse vorhanden gewesen seien und die Dachziegel nicht erneuert, sondern nur angemalt worden seien.

Soweit die Beklagten einwendeten, das Hausgrundstück habe durch Maßnahmen der Kläger eine erhebliche Verschlechterung erfahren, seien Gegenansprüche weder geltend gemacht noch hinreichend dargelegt.

Ein Ersatzanspruch im Hinblick auf die aufgewendeten Kosten im Zusammenhang mit dem Erwerb der Immobilie (bspw. Finanzierungszinsen) sei nicht nachgewiesen, da die Kosten nicht belegt seien; insoweit sei die Klage daher abzuweisen.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Berufung der Beklagten, mit der diese ihr Ziel der (vollständigen) Klageabweisung weiterverfolgen. Sie bringen vor,

die Entscheidung werde teilweise bereits nicht von den Urteilsgründen getragen. Obwohl das Gericht in den Entscheidungsgründen darauf hingewiesen habe, mangels entsprechender Nachweise könne ein Ersatzanspruch für Kosten im Zusammenhang mit dem Erwerb des Hausgrundstücks nicht zugesprochen werden, seien die Beklagten zur Zahlung auch dieser Kosten (damit insgesamt 498.600,00 Euro) und nicht nur zur Rückzahlung des Kaufpreises (440.000,00 Euro) verurteilt worden.

Im Hinblick auf die von den Beklagten dargelegte Wertverschlechterung sei entgegen der Ansicht des Landgerichts umfassend vorgetragen worden dazu, in welchen Stockwerken welche Schäden bzw. Rückbauten von den Klägern veranlasst bzw. vorgenommen worden seien und dass die Wiederherstellungssumme auf 200.000,00 Euro beziffert werde. Wenn dem Landgericht dieser Vortrag nicht genüge, habe es darauf hinweisen müssen, was nicht geschehen sei.

Weiter habe das Gericht den Anspruch der Beklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt (Art. 103 Abs. 1 GG i. V. m. § 139 ZPO), indem es die Beklagten nicht darauf hingewiesen habe, dass es seine Entscheidung auf eine positive Kenntnis der Beklagten von der gefahrträchtigen und mangelhaften Deckenkonstruktion im 1. Obergeschoss und ein vorsätzliches Verschweigen dieses für die Kläger und deren Kaufentscheidung offensichtlich bedeutsamen Umstands stützen wolle. Die Beklagten hätten auf einen entsprechenden Hinweis vorgetragen, von der Fehlerhaftigkeit der Konstruktion keine Kenntnis gehabt zu haben, und dass die Arbeiten von einer Firma ausgeführt worden seien. Auch der im Rahmen des selbständigen Beweisverfahrens gerichtlich beauftragte Sachverständige habe festgestellt, dass durch die Verkleidung der tragenden Bauteile weder für einen Laien noch für einen Fachmann die Problematik bezüglich der statischen Standsicherheit erkennbar gewesen sei. Soweit das Gericht darauf abstelle, es habe auch einem Laien ersichtlich sein müssen, dass die vorgenommenen “massiven Eingriffe” in die Deckenkonstruktion unzulässig seien, so sei diese Einschätzung nicht richtig. Den Beklagten sei nicht bekannt gewesen, wie die von ihnen beauftragte Firma die Arbeiten ausgeführt und die Stützkonstruktion hergestellt habe. Der gerichtliche Hinweis im Beweisbeschluss vom 05.12.2022 darauf, dass es eine Arglist bezüglich der Deckenkonstruktion für möglich erachte, genüge nicht. Bei einem ordnungsgemäßen Hinweis hätten die Beklagten weiter vorgetragen, dass eine polnische Fachfirma eines … die Arbeiten durchgeführt habe, die Beklagten nur manchmal abends vor Ort gewesen seien, um den Baufortschritt zu betrachten, ihnen dabei keine fachlichen Mängel aufgefallen seien, die Fachfirma dann die Eisenträger mit Rigips verkleidet und verspachtelt habe, welcher dann im Anschluss durch die Beklagten tapeziert worden sei. Die Konstruktion der Abstützung der Eisenträger hätten die Beklagten erstmals nach Verkauf der Immobilie an die Kläger bei der Begehung mit dem Gutachter, nachdem die Bauteile geöffnet worden waren, gesehen. Den Beklagten sei von der polnischen Fachfirma zugesichert worden, dass die Statik der Deckenkonstruktion gewährleistet sei. Zum Beweis dieser Umstände hätten sie die Vernehmung des Beklagten als Partei angeboten. Herr … selbst sei nicht mehr kontaktierbar, auch den Sitz der Firma in Polen hätten die Beklagten nicht mehr ausfindig machen können. Unterlagen über die Firma und den damaligen Umbauvorgang seien nicht mehr vorhanden. Die ehemaligen Nachbarn, die die Bauvorgänge hätten bezeugen können, seien inzwischen verstorben.

Die Beweiswürdigung des Landgerichts sei zudem unzureichend. Das Landgericht habe aus der Aussage des Zeugen …, er habe die Beklagten nach der Statik im Hinblick auf die entfernten Trennwände gefragt, worauf diese geantwortet hätten, diese funktioniere, den Schluss gezogen, die Entfernung der Wände sei durch die Beklagten erfolgt bzw. veranlasst worden. Für die Annahme einer arglistigen Täuschung müsse Vorsatz vorliegen, ein bewusstes Sichverschließen genüge nicht. Ein Vorsatz der Beklagten sei aus der Beweisaufnahme, insbesondere der genannten Angabe des Zeugen …, nicht herleitbar. Gegen eine Kenntnis der Beklagten spreche schon der Umstand, dass diese selbst 10 Jahre in der Immobilie gelebt hätten, obwohl die Herstellung einer statisch sicheren Deckenabstützung nach den Feststellungen des Sachverständigen nur 16.160,00 Euro gekostet hätte. Dies wäre insbesondere im Hinblick darauf, dass die Beklagten Investitionen i. H. v. etwa 305.000,00 Euro auf das Anwesen getätigt hätten, nicht nachvollziehbar.

Die Beklagten beantragen:

Das Urteil des Landgericht Zweibrücken vom 27.03.2023, Az. 2 O 368/20, wird aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Der Kläger zu 1) beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil und bringt vor,

selbst wenn den Beklagten die mit Verblendungen kaschierte Deckenkonstruktion bestehend aus T-Trägern und Stahlsprießen zunächst nicht bekannt gewesen wäre, hätten die Beklagten bei Benutzung ihrer Kaffeemaschine, genauer dem Nachfüllen von Wasser o. ä., zu dem man die Maschine etwas nach vorn schieben müsse, die Konstruktion erkennen müssen. Denn hinter der Kaffeemaschine habe sich eine Verblendung mit einer Öffnung befunden, durch die man die Strebe habe sehen können. Auch ansonsten sei das Landgericht zu Recht und mit zutreffenden Erwägungen von einem arglistigen Verschweigen ausgegangen.

Die Makler-, Notar- und Grundbuchgebühren seien beklagtenseits nicht bestritten worden, sodass diese im Urteil zurecht zugesprochen worden seien. Abgewiesen worden sei die Klage nur hinsichtlich der streitigen und vom Gericht als nicht bewiesen angesehenen Kosten der Finanzierung und Kosten für Heizung, Strom und Wasser hinsichtlich der angemieteten Wohnung. Ergänzend lege der Kläger zu 1) die Rechnungen und Zahlungsbelege für die geltend gemachten Kosten vor (im Einzelnen Bl. 66 – 107 eA II).

Wegen des weiteren Parteivorbringens wird ergänzend auf die von den Parteien zur Verfahrensakte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten führt in der Sache nur zu einem geringen Erfolg im Hinblick auf die geltend gemachten Kaufnebenkosten. Im Übrigen ist sie unbegründet. Das Landgericht hat im Ergebnis zurecht eine wirksame Anfechtung der auf Abschluss des Kaufvertrages gerichteten Willenserklärungen der Kläger wegen arglistiger Täuschung angenommen und somit zutreffend einen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen die Rückübertragung des Hausanwesens … nebst miterworbenem Inventar bejaht. Dem Kläger zu 1) steht gegen die Beklagten ein entsprechender Anspruch aus § 812 Abs. 1 S. 1 BGB i. V. m. §§ 123 Abs. 1, 142 Abs. 1 BGB zu. Entsprechend der – unstreitigen – Vereinbarung zwischen den geschiedenen Eheleuten stehen Ansprüche hinsichtlich des Hausgrundstücks unstreitig (nur) dem Kläger zu 1) zu; dementsprechend hat auch das Landgericht diese zu Recht nur zu Gunsten des Klägers zu 1) ausgeurteilt.

1. Dem Kläger zu 1) steht gegen die Beklagten ein Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückübereignung und Herausgabe des Hausanwesens … nebst miterworbenem Inventar aus §§ 812 Abs. 1 Satz 1 Var. 1, 142 BGB zu. Die Kläger haben ihre auf Abschluss des notariell beurkundeten Kaufvertrages vom 31.07.2015 gerichteten Willenserklärungen wirksam wegen arglistiger Täuschung angefochten (§§ 142, 143 Abs. 1, 123 Abs. 1 BGB). Infolge der wirksamen Anfechtung ist der Kaufvertrag gemäß § 142 Abs. 1 BGB von Anfang an nichtig. Den somit ohne Rechtsgrund i. S. v. § 812 BGB erlangten Kaufpreis haben die Beklagten Zug um Zug gegen Rückübertragung der erworbenen Immobilie und des mitverkauften Inventars an den Kläger zu 1) zurückzuzahlen.

1.1. Die Kläger haben ihre auf Abschluss des Kaufvertrages gerichteten Willenserklärungen wirksam wegen arglistiger Täuschung angefochten (§§ 123 Abs. 1, 142 Abs. 1 BGB). Wie das Landgericht im Ergebnis zutreffend festgestellt hat, sind im Hinblick auf die unstreitig von den Beklagten bzw. in deren Auftrag hergestellte Deckenkonstruktion im 1. Obergeschoss die Voraussetzungen einer arglistigen Täuschung durch die Beklagten gegeben.

Die Trägerkonstruktion ist – wie der Sachverständige im selbständigen Beweisverfahren (Ziff. 1.12, Seite 42 ff. des Hauptgutachtens) festgestellt hat und zwischen den Parteien auch nicht mehr streitig ist – statisch nicht (dauerhaft) tragfähig, da der als Ersatz für die Entfernung tragender Zwischenwände eingebrachte Stahlträger auf Mauerwerk aufliegt, das dieses zusätzliche Gewicht seinerseits nicht tragen kann; die zur Stützung verwendeten Stahlsprießen sind nicht zum dauerhaften Einsatz geeignet. Einen Statiknachweis gab und gibt es für diese von den Beklagten veranlasste Trägerkonstruktion nicht. Hierüber – die Durchführung dieser Änderung sowie den fehlenden Statiknachweis – hatten die Beklagten die Kläger ungefragt zu informieren, was sie vorsätzlich unterlassen haben. Damit sind die Voraussetzungen einer arglistigen Täuschung gegeben.

(1) Für eine Anfechtbarkeit wegen arglistiger Täuschung bedarf es der vorsätzlichen Erregung oder Aufrechterhaltung eines Irrtums des Erklärungsgegners. Dies erfordert keine Schädigungsabsicht auf Seiten des Täuschenden, sondern setzt lediglich voraus, dass der Täuschende die Unrichtigkeit der falschen Angaben kennt und zugleich das Bewusstsein und den Willen hat, durch die irreführenden Angaben oder die Unterlassung der gebotenen Aufklärung über die wahre Sachlage einen Irrtum zu erregen oder aufrecht zu erhalten und den Getäuschten damit zu einer Willenserklärung zu motivieren, die jener sonst nicht oder mit anderem Inhalt abgegeben hätte (BGH NJW-RR 2017, 869 Rn. 16 m.w.N.). Bedingter Vorsatz (dolus eventualis) genügt. Eine Täuschung in diesem Sinne kann auch durch bloßes Verschweigen begangen werden, wenn hinsichtlich der verschwiegenen Tatsache eine Aufklärungspflicht besteht, mithin der andere Teil eine entsprechende Aufklärung nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung redlicherweise erwarten durfte (BGH NJW-RR 1998, 1406; NJW 2006, 2618, 2619; NJW 2010, 3362, 3363; je m.w.N.). Bei einer Täuschung durch Verschweigen handelt vorsätzlich, wer eine offenlegungspflichtige Tatsache zumindest für möglich hält, gleichzeitig weiß oder damit rechnet und billigend in Kauf nimmt, dass der Vertragsgegner diesen Umstand nicht kennt und bei Offenlegung den Vertrag nicht oder nicht mit dem vereinbarten Inhalt geschlossen hätte (BGH NJW 2002, 2776; NJW 2007, 2041; NJW-RR 2008, 258, 259). Es genügt mithin, wenn der Täuschende wusste, dass der andere ohne die Täuschung die Willenserklärung möglicherweise nicht oder nicht mit dem vereinbarten Inhalt abgegeben hätte. Der Täuschende muss die “billigende Erkenntnis” haben, der Vertragspartner könne durch die falschen Angaben getäuscht und dadurch in seiner Entscheidung beeinflusst werden (BGH NJW-RR 1991, 411; zum Ganzen auch MünchKommBGB/Armbrüster, 9. Aufl. 2021, § 123 Rn. 14 ff. m.z.N.).

(2) Hier sind diese Voraussetzungen erfüllt.

a.) Zwar trifft es zu, dass der vom Landgericht aus der Beweiserhebung gezogene Schluss auf die Kenntnis der Beklagten von der genauen Art der Ausführung der Deckenstütze – nämlich unter Verwendung von Bausprießen, die offensichtlich nur zum vorübergehenden und nicht zum dauerhaften Einsatz geeignet sind – in dieser Form nicht tragfähig ist. Allein aus der Aussage des Zeugen …, die Beklagten hätten seine Frage, ob die Konstruktion statisch in Ordnung sei, bejaht, lässt sich nicht der Schluss ziehen, die Beklagten hätten gewusst, wie die Stützkonstruktion im Einzelnen ausgeführt wurde, und dass diese nicht dauerhaft tragfähig ist. Nach dem Vortrag der Beklagten haben diese die Konstruktion nicht selbst hergestellt, sondern eine (polnische) Firma beauftragt, deren Arbeiten sie nicht dauerhaft überwacht haben wollen. Dies ist durch die Aussage des Zeugen … nicht ausgeräumt. Gegen eine Kenntnis von der konkreten Ausführung und deren Folgen für die Statik spricht jedenfalls in diesem Zusammenhang auch der von den Beklagten angeführte Umstand, dass die Beklagten das Haus in diesem Zustand selbst 10 Jahre lang bewohnten.

b.) Auf eine Kenntnis der Beklagten von der genauen Konstruktion kommt es letztlich jedoch nicht an. Denn die Beklagten traf nach eigenem Vorbringen auch dann, wenn sie von einer statischen Tragfähigkeit der Trägerkonstruktion ausgegangen sein sollten, die Pflicht, von sich aus und ungefragt die Kläger darüber zu informieren, dass sie den in Rede stehenden Eingriff in die Statik des Hausanwesens durch Entfernung tragender Zwischenwände und Ersetzung dieser durch die Stahlträgerkonstruktion haben vornehmen lassen und hierzu über einen Nachweis der statischen Tragfähigkeit der Stahlträgerkonstruktion weder verfügten noch verfügen; ebenso hatten die Beklagten die Kläger darüber aufzuklären, dass sie nicht beurteilen konnten und können, ob es sich bei der ausführenden Firma um eine Fachfirma handelte oder nicht. Denn gerade nach dem eigenen Vortrag der Beklagten im Berufungsverfahren ist offensichtlich, dass die Beklagten auch ohne eine Kenntnis von der genauen Ausführung der Stützkonstruktion die Pflicht traf, die Kläger ungefragt darüber aufzuklären, dass die Beklagten die tragenden Zwischenwände im Erdgeschoss haben entfernen und durch die Stahlträgerkonstruktion haben ersetzen lassen.

Schon die Entfernung der ursprünglichen Zwischenwände, bei denen es sich um tragende Wände handelte, und deren Ersetzung durch eine Stahlträgerkonstruktion ist als solches ein offenbarungspflichtiger Umstand. Denn solche Eingriffe in die ursprüngliche, ordnungsgemäße Statik eines Gebäudes sind angesichts der möglichen Folgen schon aus sich heraus ein für einen potentiellen Erwerber des Hausanwesens ganz wesentlicher Vorgang, der ungefragt zu offenbaren ist. Dies gilt auch dann, wenn der Verkäufer – hier: die Beklagten – selbst davon ausgeht, die eingebrachte Neukonstruktion sei statisch tragfähig und nicht zu beanstanden. Gerade dann, wenn – wie hier – für den potentiellen Erwerber nicht ersichtlich ist, ob diese Neukonstruktion von Anfang an so vorhanden und damit Gegenstand der ursprünglichen Statikberechnung war oder nachträglich eingebracht worden ist, handelt es sich schon aufgrund der Gefahren nicht nur für die Substanz des Hauses, sondern letztlich auch für Leib und Leben der Bewohner um einen wesentlichen Umstand, den der Veräußerer ungefragt zu offenbaren hat. Dies gilt hier um so mehr deshalb, weil die eigentliche Konstruktion unstreitig durch angebrachte Verblendungen sowie die Deckenverkleidung gar nicht ohne Weiteres zu erkennen war.

Hier tritt noch hinzu, dass die Beklagten die Entfernung der tragenden Wände und die Einbringung des Stahlträgers nach ihrem eigenen Vortrag im Berufungsverfahren durch eine “polnische Firma” ausführen ließen, die der Beklagte zu 1) offensichtlich selbst kaum kannte, da sie sich – so das Vorbringen der Beklagten – erst kurz vorher an ihn gewandt hatte mit der Frage um Weitervermittlung wegen Altbausanierungen. Weiteres wussten und wissen die Beklagten über diese Firma nicht, sie besaßen und besitzen – wiederum nach eigenem Vorbringen – auch keinerlei Unterlagen über diese und die durchgeführten Arbeiten und wussten und wissen nicht einmal, wo genau in Polen diese ansässig ist. Damit war den Beklagten allerdings auch klar, dass sie nicht einmal ansatzweise beurteilen können, ob es sich um eine Fachfirma handelte oder nicht. Auch einem bautechnischen Laien, zu denen der Beklagte zu 1) als Malermeister ohnehin nur bedingt zu rechnen ist, ist klar, dass die Entfernung tragender Wände eine statisch belastbare und einwandfreie Ersatzstützkonstruktion und deren Ausführung durch eine Fachfirma erfordert.

Letztlich kommt erschwerend hinzu, dass die Beklagten von der “polnischen Fachfirma” nicht einmal einen Statiknachweis für die Trägerkonstruktion erhalten haben und einen solchen auch bei Abschluss des Kaufvertrages nicht besaßen. Eine nachträgliche Überprüfung durch einen Statiker ist nicht erfolgt und hätte angesichts der offensichtlich untauglichen Stützkonstruktion unter dauerhafter Verwendung von Bausprießen auch ersichtlich zu eben dem Ergebnis geführt, zu dem auch der Sachverständige im selbständigen Beweisverfahren gekommen ist. Diese Umstände – nämlich die Vornahme des Eingriffes in die ursprüngliche Statik des Hauses, die Ausführung durch eine den Beklagten nicht näher bekannte polnische Firma, von der sie keinerlei Unterlagen besitzen, sowie das Fehlen eines Statiknachweises für diese Änderungen – waren von offensichtlichem Interesse für den potentiellen Erwerber der Immobilie und hätten ohne Nachfrage offenbart werden müssen. Dies haben die Beklagten unstreitig nicht getan.

c.) Der Senat ist davon überzeugt, dass die Beklagten bezüglich der unterbliebenen Offenlegung der genannten Umstände mit dem erforderlichen Eventualvorsatz handelten (§ 286 Abs. 1 ZPO). Wie bereits dargelegt, handelt bei einer Täuschung durch Verschweigen bedingt vorsätzlich, wer eine offenlegungspflichtige Tatsache zumindest für möglich hält, sie aber dennoch nicht offenlegt und gleichzeitig weiß oder damit rechnet und billigend in Kauf nimmt, dass der Vertragsgegner die Tatsache nicht kennt und bei Offenlegung den Vertrag nicht oder nicht mit dem vereinbarten Inhalt geschlossen hätte. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben.

Den Beklagten waren die offenlegungspflichtigen Tatsachen in Form des Eingriffes in die Statik des Gebäudes, der Ausführung durch eine polnische Firma, bei der sie nicht beurteilen konnten, ob es sich um eine Fachfirma handelte, sowie des fehlenden Statiknachweises für die geänderte Konstruktion bekannt. Ebenso war ihnen bewusst, dass sie diese Umstände nicht offenlegten. Der Senat ist davon überzeugt, dass die Beklagten dabei angesichts der offensichtlichen Relevanz dieses Eingriffes in die Statik des Hauses für den Kaufentschluss des potentiellen Erwerbers damit rechneten und billigend in Kauf nahmen, dass die Kläger diesen Punkt nicht erkannten und bei Offenlegung den Kaufvertrag zumindest nicht mit dem vereinbarten Inhalt geschlossen hätten. In diesem Zusammenhang ist entgegen der von den Beklagtenvertretern im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Senat geäußerten Einwände nicht erheblich, ob die Beklagten die konkrete Ausführung der Stützkonstruktion kannten oder nicht, ebenso wenig, ob sie – nach den Umständen im Mindesten grob fahrlässig – von einer statischen Tragfähigkeit ausgingen. Denn die Offenlegungspflicht betrifft den Eingriff in die Statik, die ausführende Firma und den fehlenden Statiknachweis für diesen Eingriff als solche und nicht erst die tatsächlich fehlende statische Tragfähigkeit. Diese Umstände haben die Beklagten nicht angegeben, was angesichts der offensichtlichen Relevanz des Vorganges nach Lage der Dinge letztlich nur den Grund gehabt haben kann, den Kaufvertragsschluss mit den Klägern nicht durch dadurch möglicherweise auftretende Zweifel auf Seiten der Kläger zu gefährden.

d.) Damit kommt es auf die weiteren von den Klägern geltend gemachten Mängel an der Immobilie nicht mehr an. Insoweit hat das Landgericht allerdings ohnehin mit nicht zu beanstandender Beweiswürdigung eine Kenntnis und damit eine Arglist der Beklagten verneint bzw. ist von einer offenkundigen Erkennbarkeit auch für die Kläger ausgegangen. Diese Feststellungen, die vom Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme ersichtlich getragen sind und wegen derer der Senat zur Meidung von Wiederholungen Bezug auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil nimmt, sind für den Senat gemäß § 529 ZPO bindend.

(3) Der Verweis der Beklagten darauf, die Beseitigungskosten für den Mangel der unzulässigen statischen Abstützung betrügen weniger als 5 % des Kaufpreises, weshalb die Rückabwicklung gestützt auf diesen Mangel nicht verlangt werden könne, geht fehl. Zum einen findet sich diese Einschränkung allein in § 323 Abs. 5 S. 2 BGB für das Rücktrittsrecht; im hier nach der Anfechtung maßgeblichen Bereicherungsrecht (§§ 812, 818 BGB) findet sich keine Entsprechung. Unabhängig davon gilt die Rechtsprechung, wonach ein behebbarer Mangel, dessen Beseitigungskosten weniger als 5 % des Kaufpreises betragen, eine im Zweifel nicht zum Rücktritt berechtigende unerhebliche Pflichtverletzung darstellt (vgl. dazu BGH NJW 2022, 463, 467 m.w.N.), selbst im Anwendungsbereich des § 323 Abs. 5 S. 2 BGB nicht bei – wie hier – arglistigem Verschweigen des Verkäufers (BGH NJW 2006, 1960, 1961; OLG München, Urt. v. 15.10.2020, 23 U 2640/19 = BeckRS 2020, 27213 Rdnr. 25).

1.2. Der von den Beklagten erhobene Wertersatzeinwand für die behaupteten Verschlechterungen der Kaufsache war in erster Instanz unschlüssig und ist im Berufungsverfahren nicht mehr zuzulassen (§ 533 ZPO).

(1) Ein etwaiger Wertersatzanspruch der Beklagten kann sich nach Anfechtung des Kaufvertrags nur aus § 818 Abs. 2 BGB ergeben als Differenz zwischen dem objektiven Wert im Zustand bei Verkauf und dem objektiven Wert im jetzigen Zustand, den der Kläger zu 1) zusätzlich zur Herausgabe des Grundstücks zu leisten hätte (vgl. MünchKommBGB/Schwab, a.a.O., § 818 Rdnr. 54 m.w.N.). Die “Saldotheorie”, die zur automatischen Verrechnung gleichartiger wechselseitiger Ansprüche auch ohne Aufrechnungserklärung führt (BGHZ 146, 298, 307; 147, 152, 157; BGH NJW 1999, 1181/1182), findet gegenüber einem arglistig Getäuschten keine Anwendung (BGHZ 72, 252, 254). In der Folge hätte es für die prozessual wirksame Einführung der von den Beklagten geltend gemachten Wertersatzansprüche einer Aufrechnungserklärung (§§ 387, 389 BGB) der Beklagten bedurft. Eine solche ist in erster Instanz, wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat, nicht erfolgt.

(2) Die nun im Berufungsverfahren vorgenommene Aufrechnungserklärung ist nicht mehr zuzulassen, da sie entgegen § 533 ZPO nicht auf Tatsachen gestützt werden kann, die der Senat der Entscheidung in der Sache ohnehin nach §§ 529 Abs. 1, 531 ZPO zu Grunde zu legen hätte.

Zwar haben die Beklagten ihren Sachvortrag zur erst im Berufungsverfahren erfolgten Hilfsaufrechnung, nach dem sich die Kosten der Wiederherstellung des Zustandes des Hauses bei Verkauf auf knapp 200.000,00 Euro belaufen, bereits in 1. Instanz gehalten. Auf diesen Vortrag kann die Aufrechnung aber schon deshalb nicht gestützt werden, weil er unschlüssig war und ist. Denn maßgebend für den Wertersatzanspruch ist nicht der Kostenaufwand zur Wiederherstellung des vorherigen Zustands, sondern der objektive Verkehrswert des Erlangten, das nicht mehr herausgegeben werden kann (BGH NJW 2013, 2021, 2023). Sachvortrag der Beklagten zum Zubehör (bspw. im Hinblick auf die aus dem Gartenhaus ausgebaute Einbauküche) fehlt diesbezüglich vollständig. Auch beim Hausgrundstück richtet sich der Wertersatz, den der Kläger zu 1) zusätzlich zur Herausgabe und Rückübereignung des Hausgrundstücks zu leisten hätte, nach der Differenz zwischen dem objektiven Wert, den das Hausgrundstück im Zustand des Verkaufes an die Beklagten hatte, und dem nunmehrigen objektiven Wert. Auch hierzu fehlt es an jedem schlüssigem Vortrag der Beklagten. Denn diese Differenz entspricht schon als solche nicht den von den Beklagten allein angeführten Kosten für die Wiederherstellung des Ausgangszustandes. Dies gilt erst recht im Hinblick auf die hier gegebene Situation mit den nach den Feststellungen des Sachverständigen im selbständigen Beweisverfahren bei Verkauf bereits vorhandenen und ohnehin zwingend zu beseitigenden gravierenden Mängeln an der Geschossdeckenstützung und auch im Dachstuhl, die bei der Bestimmung des objektiven Wertes des Hauses im Verkaufszeitpunkt zu berücksichtigen wären. Weiteren Vortrag haben die Beklagten hierzu nicht gehalten.

(3) Das Landgericht musste auf diesen Punkt auch nicht gemäß § 139 ZPO hinweisen. Das war schon deshalb nicht erforderlich, weil die Beklagten in erster Instanz keine (Hilfs-) Aufrechnung erklärt hatten und es daher auf die Gegenpositionen mangels Eingreifens der Saldotheorie von vornherein nicht ankam. Die Hinweispflicht aus § 139 ZPO geht nicht soweit, eine anwaltlich vertretene Partei auf das Erfordernis einer Aufrechnung hinweisen zu müssen. Neuer Sachvortrag der Beklagten im Berufungsverfahren ist dazu nicht erfolgt und wäre nach Vorgesagtem vor dem Hintergrund, dass er absehbar streitig sein würde, auch nicht mehr zuzulassen gewesen (§§ 529 Abs. 1 Nr. 2, 531 Abs. 2 ZPO).

Über die geltend gemachten Wertersatzansprüche ergeht somit mangels Zulässigkeit der erst in der Berufungsinstanz erklärten Hilfsaufrechnung in diesem Verfahren keine Entscheidung.

2. Der Kläger zu 1) hat darüber hinaus aus §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2, 241 Abs. 2, 249 Abs. 1 BGB auch einen Anspruch auf Ersatz seines Vertrauensschadens in Höhe von insgesamt 27.347,14 Euro, von denen die Beklagten 10.472,- Euro (Maklerkosten) lediglich Zug um Zug gegen Abtretung etwaiger Erstattungsansprüche gegen den Makler durch den Kläger zu 1) zu erstatten haben. Der darüber hinaus geltend gemachte Betrag unterliegt unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils der Abweisung.

2.1. Der Kläger zu 1) ist nach der Pflichtverletzung der Beklagten bei den Vertragsverhandlungen so zu stellen, wie er bei Offenbarung der für seinen Vertragsentschluss maßgeblichen Umstände stünde. Er kann daher auch Ersatz seiner im Vertrauen auf den Vertragsabschluss getätigten Aufwendungen verlangen, wenn er – wie hier – an dem Vertrag nicht festhält (vgl. BGH NZM 2022, 110, 111 f.). Danach kann er auch die (nach § 22 des notariell beurkundeten Kaufvertrags von den Klägern als Erwerber zu tragenden) Kaufnebenkosten (Notar, Grundbuchamt, Makler) ersetzt verlangen. Im Hinblick auf Maklergebühren stehen den Klägern zwar in Gestalt von Erstattungsansprüchen auch vermögenswerte Vorteile gegenüber. So entfällt der Anspruch auf Zahlung der Maklerprovision, wenn der Käufer – wie hier – den vom Makler nachgewiesenen oder vermittelten Kaufvertrag erfolgreich wegen arglistiger Täuschung nach § 123 BGB angefochten hat, da die Zahlung der Maklerprovision in diesen Fällen eine Leistung ohne Rechtsgrund darstellt und von dem Käufer nach Bereicherungsrecht zurückgefordert werden kann (vgl. BGH NJW 2009, 2810). Ebenso kann nach § 16 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG auf Antrag die Festsetzung der Grunderwerbsteuer mit der Folge des Entstehens eines Erstattungsanspruchs gegen den Fiskus aufgehoben werden; die vorvertragliche Pflichtverletzung der Beklagten in Gestalt der arglistigen Täuschung stellt eine Nichterfüllung von Vertragsbedingungen i. S. d. § 16 I Nr. 2 GrEStG dar (vgl. Boruttau/Loose, GrEStG, 19. Aufl., § 16 Rn. 40), die zur Rückgängigmachung des Erwerbsvorgangs führt. Dem Geschädigten steht jedoch frei, wen er in dieser Situation in Anspruch nimmt. Der Schädiger ist im Fall seiner Inanspruchnahme in entsprechender Anwendung von § 255 BGB nur Zug um Zug gegen Abtretung der Ansprüche gegen den Dritten zum Schadensersatz verpflichtet (zum Ganzen BGH, NZM 2022, 110, 111 f.).

2.2. Die geltend gemachten Schadens- und Aufwendungspositionen sind jedoch in teilweiser Abänderung des erstinstanzlichen Urteils nur i. H. v. insgesamt 27.347,14 Euro und teilweise nur Zug um Zug gegen Abtretung von Erstattungsansprüchen der Kläger gegen den Makler zuzusprechen. Die weitergehende Klage ist unbegründet.

(1) Die von den Beklagten mit Nichtwissen bestrittenen Kaufnebenkosten wurden in erster Instanz als Gesamtbetrag i. H. v. 48.400,00 Euro (11 % des Kaufpreises) geltend gemacht und nicht in die einzelnen Positionen aufgegliedert. Entgegen dem Vortrag des Klägers zu 1) in der Berufungserwiderung haben die Beklagten die geltend gemachten Nebenkosten mit Nichtwissen bestritten (Schriftsatz vom 25.04.2022, Seite 37, Bl. 128 eA I). Ein Erklären mit Nichtwissen i. S. v. § 138 Abs. 4 ZPO war hier zwar zumindest teilweise nicht zulässig, weil die Kostenpositionen Gegenstand der eigenen Wahrnehmung der Beklagten waren (vgl. MünchKommZPO/Fritsche, 6. Aufl. 2020, § 138 Rn. 30, 32 m.w.N.). Für die Kosten und Steuern aus der notariellen Kaufvertragsurkunde hafteten die Vertragsparteien – ohne Rücksicht auf die Vereinbarung im Innenverhältnis (§ 22 des Kaufvertrags) – als Gesamtschuldner (s. auch § 28 lit. c) des Kaufvertrags = Bl. 17 Anlagenordner zu eA I). Die Höhe der Notarkosten folgt aus dem Gesetz. Die Maklerkosten waren im Kaufvertrag unter § 27 vereinbart und auf 10.472,00 Euro (2 % des Kaufpreises zzgl. 19 % MwSt. aus der Provision) vereinbart worden. Folglich war eine Erklärung durch die Beklagten mit Nichtwissen insoweit nicht zulässig und der behauptete Schaden der Kläger in Gestalt dieser Kaufnebenkosten als unstreitig anzusehen. Mangels Aufgliederung der einzelnen Kosten waren diese für den Senat jedoch nicht auf deren Schlüssigkeit hin überprüfbar. Diese Aufgliederung ist inzwischen mit Schriftsatz vom 09.09.2024 und Verweis auf die angefügten Anlagen (teilweise) vorgenommen worden. Bestritten haben die Beklagten diese Belege und ihren Inhalt nicht, sodass die in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erfolgte Rüge der Verspätung des diesbezüglichen Vorbringens – die nach dem vom Senat insoweit erteilten Hinweis an den Kläger ohnehin nicht greift – ins Leere geht.

(2) Danach sind an zu ersetzenden Kaufnebenkosten jedenfalls angefallen und nachgewiesen 10.472,00 Euro Maklercourtage (Rechnung vom 19.08.2015, Anlage K 2, und Kontoauszug Anlage K 3, Bl. 69 f. eA II), 2.809,95 Euro Notarkosten (Rechnung vom 20.11.2015, Anlage K 5, Bl. 72 eA II) und 810,00 Euro Grundbuchgebühren (entsprechend Kontoauszug in Anlage K 6, Bl. 74 eA II, der sich unbestritten auf Grundbuchkosten bezieht). Aus den dargelegten Gründen ist der Anspruch des Klägers zu 1) in Höhe der Maklerkosten nur Zug um Zug gegen Abtretung von etwaigen Erstattungsansprüchen der Kläger gegen den Makler zuzusprechen. Über (insgesamt) 14.091,95 Euro hinausgehende Kosten für Notar, Grundbuch und Makler sind hingegen nicht dargelegt worden.

(3) Weiterhin hat der Kläger zu 1) Anspruch auf Ersatz der geltend gemachten Kosten für die Wohngebäudeversicherung von insgesamt 13.255,19 Euro. Auch diese Kosten sind von der sog. Rentabilitätsvermutung umfasst und daher im Fall der Rückabwicklung des Kaufvertrages zu ersetzen (BGH NJW 2000, 506, 508). Den tatsächlichen Anfall dieser Kosten hat der Kläger zu 1) durch Vorlage der Kontoauszüge (Anlagen K8 – K13 = Bl. 76 ff. eA II) belegt, da dem jeweils zugewiesenen Verwendungszweck “Wohngebäudeversicherung … ” die Zuordnung dieser Kosten zum Kaufobjekt hinreichend sicher zu entnehmen ist.

(4) Demgegenüber besteht kein Anspruch des Klägers zu 1) auf Zahlung der Grunderwerbssteuer. Zwar ist diese – wie dargestellt – grundsätzlich erstattungsfähig, soweit sie nicht bereits gegenüber den Finanzbehörden verlangt wird. Der Kläger zu 1) hat aber trotz des vom Senat vorterminlich erteilten Hinweises und der eingeräumten Gelegenheit, die geltend gemachten Kosten zu belegen, weder die konkrete Höhe der Grunderwerbssteuer mitgeteilt noch diese – durch Vorlage des Steuerbescheides – belegt. Aus dem allein vorgelegten Kontoauszug (Anlage K4 = Bl. 71 eA II) lässt sich eine Zuordnung zum Kaufobjekt nicht vornehmen.

(5) Auch die nunmehr aufgeführten Grundbuchkosten betreffend die Eintragung dinglicher Sicherheiten sind nicht belegt und damit nicht ersatzfähig. Die Vorlage einer Berechnung anhand des “Handelsblatt-Rechners” genügt ersichtlich nicht. Soweit als Anlage K14 zum Schriftsatz vom 09.09.2024 ein weiterer Zahlungsbeleg betreffend tiefbauliche Gebühren vorgelegt wird, beziffert der Kläger zu 1) wiederum weder den Schaden, der ihm insoweit insgesamt entstanden sei, noch belegt er diese Kosten. Es ist insoweit nicht Aufgabe des Senats, sich aus den Anlagen die erforderlichen Angaben selbst herauszusuchen und die Schadenshöhe zu ermitteln.

3. Da die Verurteilung Zug um Zug gegen Rückübertragung des Hausgrundstücks nur den Kaufpreis betrifft, der infolge des angefochtenen und daher von Anfang an unwirksamen Kaufvertrags ohne Rechtsgrund erlangt wurde, war der Tenor insoweit abzuändern, dass die Zug-um-Zug-Verurteilung nur den Kaufpreis i.H. v. 440.000,00 Euro betrifft. Darüber hinaus war aus den dargelegten Gründen auch im Hinblick auf die Maklerkosten nur eine Zug um Zug Verurteilung auszusprechen.

4. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Zulassung der Revision ist nicht veranlasst, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 498.600,00 Euro festgesetzt; die im Berufungsverfahren erklärte Hilfsaufrechnung wirkt sich nicht streitwerterhöhend aus, da über sie keine der Rechtskraft fähige Entscheidung ergeht (§ 45 Abs. 1 S. 2 GKG).

Verkündet am 27.09.2024

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Oberlandesgericht Celle zu der Frage der Wirksamkeit und zu den Folgen eines Widerrufs bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen über den Einbau einer neuen Wärmepumpe nebst Pufferspeicher in einem Wohnhaus

Oberlandesgericht Celle zu der Frage der Wirksamkeit und zu den Folgen eines Widerrufs bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen über den Einbau einer neuen Wärmepumpe nebst Pufferspeicher in einem Wohnhaus

vorgestellt von Thomas Ax

Für die Annahme eines außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrages gem. § 312b Abs. 1 Nr. 1 BGB kommt es nur auf den Ort des Vertragsschlusses an; ob eine Drucksituation bestand, eine Überrumpelung des Verbrauchers erfolgte oder ob der Verbraucher nicht in der Lage war, eine hinreichend fundierte Entscheidung zu treffen, ist unerheblich.
Im Falle des wirksamen Widerrufs sind die jeweils empfangenen Leistungen zurückzugewähren, §§ 355 Abs. 3 S. 1, 357 Abs. 1 BGB. Der Verbraucher, in dessen Haus nach dem Vertrag eine Heizungsanlage eingebaut wurde, erfüllt seine Rückgewährverpflichtung dadurch, dass er dem Unternehmer den Ausbau der Vertragsgegenstände ermöglicht und diese rückübereignet:
Aus §§ 355 Abs. 3 S. 1, 357 Abs. 1 BGB ergibt sich, dass die empfangenen Leistungen unverzüglich bzw. spätestens nach 14 Tagen zurückzugewähren sind. Dementsprechend sind die Wärmepumpe und der Speicher nebst der verbauten Materialien zurückzugewähren.
§ 357 Abs. 6 S. 3 BGB bestimmt, dass bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen, bei denen die Waren zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses zur Wohnung des Verbrauchers geliefert worden sind, der Unternehmer verpflichtet ist, die Waren auf eigene Kosten abzuholen, wenn die Waren so beschaffen sind, dass sie nicht per Post zurückgesandt werden können.
Sind die empfangenen Leistungen nicht versandfähig, ist der Unternehmer zur Abholung verpflichtet, d.h. aus der ansonsten bestehenden Schickschuld wird eine Holschuld (vgl. Palandt/Grüneberg, aaO, § 357, Rn. 7; Hönninger in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 9. Aufl., § 357 BGB (Stand: 01.02.2020), Rn. 13 mwN). An der beiderseitigen Verpflichtung zur Rückgewähr der empfangenen Leistungen ändert die Vorschrift im Übrigen nichts; insbesondere ist der Vorschrift keinerlei Ausschluss der Rückgewährpflicht zu entnehmen, weil etwa ein Einbau im Haus des Verbrauchers erfolgt ist.
Hat der Unternehmer das vor dem Einbau der neuen Heizungsanlage ausgebaute Altgerät nicht als Vertragsleistung im Sinne der §§ 355 Abs. 3 S. 1, 357 Abs. 1 BGB von dem Verbraucher empfangen, muss er dem Verbraucher nach wirksamem Vertragswiderruf das Altgerät nicht nach diesen Vorschriften zurückgewähren.
Oberlandesgericht Celle Urt. v. 12.01.2022, Az.: 14 U 111/21
Gründe
I.
Die Parteien sind durch einen Vertrag über den Einbau einer neuen Wärmepumpe nebst Pufferspeicher im Wohnhaus der Beklagten miteinander verbunden. Mit seiner Klage begehrt der Kläger restlichen Werklohn, mit ihrer Widerklage erstreben die Beklagten die unbedingte Rückzahlung der bislang an den Kläger geleisteten Beträge. Die Parteien streiten im Wesentlichen um die Frage, ob der von den Beklagten erklärte Widerruf wirksam und der Vertrag deshalb rückabzuwickeln ist; zudem besteht Streit, ob die Beklagten die verbaute Anlage herausgeben bzw. den Ausbau gestatten müssen.
Das Landgericht hat mit am 14. Juni 2021 verkündeten Urteil, auf das gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen und der erst-instanzlichen Anträge Bezug genommen wird, die Klage abgewiesen und den Kläger auf die Widerklage hin zur Rückzahlung verurteilt, allerdings nur Zug um Zug gegen den von den Beklagten zu ermöglichenden Ausbau der Wärmepumpe und des Speichers sowie Rückübereignung derselben. Zur Begründung führt das Landgericht im Wesentlichen Folgendes aus:
Die Beklagten hätten den Werkvertrag wirksam widerrufen. Ihnen habe ein Widerrufsrecht gemäß §§ 312b Abs. 1 Nr. 1, 312g Abs. 1, 355 BGB zugestanden. Nach dem Wortlaut der VerbrRRL komme es ausschließlich darauf an, dass ein außerhalb von Geschäftsräumen geschlossener Vertrag vorliege. Dies sei hier der Fall. Ob tatsächlich eine Überrumpelungssituation vorliege, sei nicht von Bedeutung; eine möglicherweise bestehende psychische Drucksituation sei hier indes nicht auszuschließen. Die Ausübung des Widerrufsrechts unterliege keiner Motivationskontrolle. Ein Fall unzulässiger Rechtsausübung oder Verwirkung liege hier nicht vor.
Der Kläger sei allerdings nur Zug um Zug gegen die Ermöglichung des Ausbaus des Speichers und der Wärmepumpe zur Rückzahlung der vereinnahmten Beträge verpflichtet. Die Beklagten würden zwar gemäß § 357 Abs. 8 BGB keinen Wertersatz schulden. Der Kläger sei allerdings gemäß § 357 Abs. 6 S. 3 BGB berechtigt und verpflichtet, die eingebauten Geräte und Materialien auszubauen und mitzunehmen. Die Beklagten seien aus § 357 Abs. 1 BGB verpflichtet, dies zu ermöglichen und die ausgebauten Teile rückzuübereignen; ihrer Ansicht, wegen § 357 Abs. 8 BGB seien die verbauten Geräte nicht zurückzugewähren, könne nicht gefolgt werden, und auch § 94 BGB stehe dem nicht entgegen. Zur Rückgewähr der ausgebauten Alt-Geräte bzw. Wertersatz sei der Kläger dagegen nicht verpflichtet, weil es sich bei den Alt-Geräten nicht um zurückzugewährende empfangene Leistungen im Sinne der §§ 355 Abs. 3, 357 Abs. 1 BGB handele.
Gegen dieses Urteil wenden sich beide Parteien mit ihren Berufungen, mit denen sie ihr erstinstanzliches Begehren jeweils weiterverfolgen, soweit sie unterlegen gewesen sind: Der Kläger begehrt weiterhin restlichen Werklohn einschließlich Nebenforderungen und die Abweisung der Widerklage; die Beklagten wenden sich gegen die Beschränkung ihres zuerkannten Rückzahlungsanspruchs auf eine Zug-um-Zug-Verurteilung.
Der Kläger wiederholt im Wesentlichen sein erstinstanzliches Vorbringen und meint, das Landgericht habe zu Unrecht ein Widerrufsrecht der Beklagten angenommen. Entgegen der Ansicht des Landgerichts sei es von entscheidender Bedeutung, ob bei Vertragsschluss tatsächlich eine Überrumpelung des Verbrauchers erfolge. § 312b BGB solle Verbraucher nur vor Fehlentscheidungen aufgrund der Gefahr von psychischem Druck sowie dem typischerweise bestehenden Informationsdefizit schützen. Ein solcher Fall liege hier nicht vor. Den Erwägungsgründen zur Verbraucherrechtsrichtlinie sei zu entnehmen, dass es darauf ankommen solle, ob der Verbraucher genug Zeit hatte, vor dem Vertragsschluss über das Angebot des Unternehmers nachzudenken. So liege der Fall hier. Zudem sei das Landgericht seinem Vortrag im Hinblick auf den ein Widerrufsrecht ausschließenden § 312g Nr. 11 BGB nicht hinreichend nachgegangen. Hinzu komme, dass der Kläger über keinerlei Geschäftsräume, in denen der Vertrag hätte geschlossen werden können, verfüge.
Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des am 14.06.2021 verkündeten Urteils des LG Hannover – 12 O 186/18 die Beklagten unter Abweisung der Widerklage gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an den Kläger 5.694,01 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 28.03.2018 zu zahlen sowie den Kläger von der Zahlung der außergerichtlichen Kosten in Höhe von 1.171,67 € freizustellen.
Die Beklagten beantragen insofern,
die Berufung des Klägers und Widerbeklagten zurückzuweisen.
Sie verteidigen das landgerichtliche Urteil gegen die Berufungsangriffe des Klägers und treten dazu dem Klägervorbringen in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht entgegen.
Darüber hinaus machen die Beklagten mit ihrer eigenen Berufung geltend, das Landgericht habe zu Unrecht die Rückzahlung von einer Zug-um-Zug-Leistung ihrerseits abhängig gemacht. Sie meinen insbesondere, das Landgericht habe rechtsirrig § 357 Abs. 6 BGB angewandt; es gelte hier vielmehr § 357 Abs. 8 BGB als speziellere Norm, und diese sehe die Demontage von Werkleistungen bzw. den Rückbau nicht vor. Zudem habe das Landgericht übersehen, dass sich die ‘Verrohrung’ der Anlage nicht ohne Zerstörung der Rohre ausbauen lasse und Chemikalien durch Vermischung mit Wasser nicht mehr trennbar seien. Dem Rückgewähranspruch stehe darüber hinaus entgegen, dass die Wärmepumpe und der Speicher durch den Einbau wesentliche Bestandteile des Gebäudes geworden seien. Jedenfalls – d.h. bei Annahme einer Rückgewährpflicht – müsste der Kläger dann aber die von ihm ausgebauten Altgeräte herausgeben oder wieder einbauen bzw. hierfür Wertersatz leisten. Schließlich machen die Beklagten geltend, das Landgericht habe übersehen, dass teilweise streitig sei, welche Teile verbaut wurden; außerdem habe der Kläger zwei Versionen der Rechnung erstellt, so dass unklar sei, welche Rechnung die Grundlage für eine mögliche Rückgewähr sein soll.
Die Beklagten beantragen,
unter Abänderung des am 14.06.2021 verkündeten Urteils des Landgerichts Hannover, Geschäftsnummer: 12 O 186/18, den Kläger auf die Widerklage zu verurteilen, an die Beklagten € 14.652,28 zzgl. Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 19.05.2018 zu zahlen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung der Beklagten und Widerkläger zurückzuweisen.
Er verteidigt die landgerichtliche Entscheidung gegen die Angriffe der Berufung der Beklagten. Insbesondere ist er der Ansicht, es gelte nicht § 357 Abs. 8 BGB, sondern § 357 Abs. 6 BGB. Chemikalien seien nicht berechnet worden. Wärmepumpe und Speicher seien durch den Einbau nicht wesentliche Bestandteile des Gebäudes geworden. Der Ausbau der Anlage sei im Übrigen ohne Weiteres möglich.
Wegen des Vorbringens der Parteien im Einzelnen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
II.
Die zulässigen Berufungen der Parteien sind unbegründet.
A.
Die Berufung des Klägers ist zulässig, bleibt in der Sache aber ohne Erfolg.
1. Zu Recht und mit zutreffender Begründung, auf die zunächst Bezug genommen wird (LGU S. 4 bis 6), hat das Landgericht angenommen, dass die Beklagten den Vertrag mit dem Kläger wirksam widerrufen haben. Ergänzend und vertiefend ist Folgendes festzuhalten:
a) Widerrufsrecht, §§ 312b Abs. 1 Nr. 1, 312g Abs. 1, 355 BGB
Die Voraussetzungen der §§ 312b Abs. 1 Nr. 1, 312g Abs. 1 BGB liegen vor.
aa) Gemäß § 312g Abs. 1 BGB steht dem Verbraucher bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und bei Fernabsatzverträgen ein Widerrufsrecht gemäß § 355 BGB zu. Nach § 312b Abs. 1 Nr. 1 BGB sind außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge solche, die bei gleichzeitiger körperlicher Anwesenheit des Verbrauchers und des Unternehmers an einem Ort geschlossen werden, der kein Geschäftsraum des Unternehmers ist.
bb) Unstreitig wurde der Vertrag zwischen den Parteien im Wohnhaus der Beklagten geschlossen, mithin nicht in einem Geschäftsraum des Klägers. Ob der Kläger überhaupt über Geschäftsräume verfügt, ist nach dem eindeutigen Wortlaut des § 312b Abs. 1 Nr. 1 BGB irrelevant.
cc) Der Anwendungsbereich von § 312g Abs. 1 BGB ist eröffnet und nicht gemäß § 312 Abs. 2 Nr. 3 BGB in der seinerzeit geltenden Fassung vom 20.09.2013 ausgeschlossen, denn der Einbau einer Wärmepumpe und eines Pufferspeichers stellt keine erhebliche Umbaumaßnahme im Sinne dieser Vorschrift dar, die mit dem Bau eines neuen Gebäudes vergleichbar wäre (vgl. dazu auch BGH, Urteil vom 30. August 2018 – VII ZR 243/17 -, Rn. 16, juris [Senkrechtlift]; LG Flensburg, Urteil vom 10. Mai 2019 – 2 O 96/18 -, Rn. 29, juris [Kaltwintergarten]).
dd) Die Geltung des § 312b Abs. 1 Nr. 1 BGB für den vorliegenden Vertrag scheidet nicht deshalb aus, weil dem Vertragsschluss verschiedene Gespräche vorausgegangen sind, der Termin des Vertragsschlusses wohl auf Veranlassung der Beklagten erfolgt ist, den Beklagten das Angebot des Klägers vorab vorlag usw. Auf all diese Umstände kommt es nicht an.
(1) In Erwägungsgrund 21 der Richtlinie 2011/83/EU (im Folgenden: VerbrRRL), die dem aktuellen Recht unter anderem zu außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen zugrunde liegt, heißt es zunächst wie folgt:
“Ein außerhalb von Geschäftsräumen geschlossener Vertrag sollte definiert werden als ein Vertrag, der bei gleichzeitiger körperlicher Anwesenheit des Unternehmers und des Verbrauchers an einem Ort, der nicht zu den Geschäftsräumen des Unternehmers gehört, geschlossen wird, also beispielsweise in der Wohnung oder am Arbeitsplatz des Verbrauchers. Außerhalb von Geschäftsräumen steht der Verbraucher möglicherweise psychisch unter Druck oder ist einem Überraschungsmoment ausgesetzt, wobei es keine Rolle spielt, ob der Verbraucher den Besuch des Unternehmers herbeigeführt hat oder nicht. Die Begriffsbestimmung für außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge sollte auch Situationen einschließen, in denen der Verbraucher außerhalb von Geschäftsräumen persönlich und individuell angesprochen wird, der Vertrag aber unmittelbar danach in den Geschäftsräumen des Unternehmers oder über Fernkommunikationsmittel geschlossen wird. Die Begriffsbestimmung für außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge sollte nicht Situationen umfassen, in denen der Unternehmer zunächst in die Wohnung des Verbrauchers kommt, um ohne jede Verpflichtung des Verbrauchers lediglich Maße aufzunehmen oder eine Schätzung vorzunehmen, und der Vertrag danach erst zu einem späteren Zeitpunkt in den Geschäftsräumen des Unternehmers oder mittels Fernkommunikationsmittel auf der Grundlage der Schätzung des Unternehmers abgeschlossen wird. In diesen Fällen ist nicht davon auszugehen, dass der Vertrag unmittelbar, nachdem der Unternehmer den Verbraucher angesprochen hat, geschlossen worden ist, wenn der Verbraucher Zeit gehabt hatte, vor Vertragsabschluss über die Schätzung des Unternehmers nachzudenken. (…)”
Wortlaut und Systematik sind eindeutig: Satz 1 beschreibt, wie der Rechtsbegriff des außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrages definiert werden soll. Danach soll es maßgeblich nur auf den Ort des Vertragsschlusses ankommen. Satz 2 erläutert lediglich das Schutzbedürfnis des Verbrauchers bei Verträgen, die außerhalb von Geschäftsräumen des Unternehmers geschlossenen werden. Es handelt sich dabei in Zusammenschau mit Satz 1 nicht um Einschränkungen dergestalt, dass außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge eine Drucksituation oder ein Überraschungsmoment erfordern. Dies wird auch dadurch bestätigt, dass ausdrücklich angemerkt wird, dass es keine Rolle spiele, ob der Verbraucher den Besuch des Unternehmers herbeigeführt hat oder nicht. Zudem wird im Folgenden als Ausnahme angeführt, dass Verträge dann nicht als außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge anzusehen sein sollen, wenn der Unternehmer den Verbraucher nur zwecks Aufmaßnahme oder Schätzung aufsucht und ein Vertrag erst später in den Geschäftsräumen des Unternehmers oder mittels Fernkommunikationsmitteln abgeschlossen wird. Auch diese eng gefasste Ausnahme bestätigt, dass es für die Annahme eines außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrages nur auf den Ort des Vertragsschlusses ankommt.
(2) Hiermit korrespondiert auch Erwägungsgrund 37 der VerbrRRL, wonach bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen dem Verbraucher “aufgrund des möglichen Überraschungsmoments und/oder psychologischen Drucks” ein Widerrufsrecht zustehen soll. Darauf, ob tatsächlich ein Überraschungsmoment oder eine Drucksituation vorliegt, kommt es also nicht an.
(3) Auch Art. 2 Nr. 8 a) der VerbrRRL, in dem der Ausdruck “außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossener Vertrag” im Sinne der Richtlinie bezeichnet wird, benennt hierfür jeden Vertrag zwischen dem Unternehmer und dem Verbraucher, der bei gleichzeitiger körperlicher Anwesenheit des Unternehmers und des Verbrauchers an einem Ort geschlossen wird, der kein Geschäftsraum des Unternehmers ist. Dies korrespondiert ebenfalls mit Erwägungsgrund 21, wie dargelegt.
(4) Dementsprechend enthält auch der Wortlaut des § 312b Abs. 1 Nr. 1 BGB, mit dem Art. 2 Nr. 8 a) der VerbrRRL umgesetzt wurde und der an die Stelle des vormaligen § 312 BGB a.F. über Haustürgeschäfte getreten ist, keinerlei Einschränkung dahin, dass etwa ein Überraschungsmoment oder eine Drucksituation tatsächlich vorliegen muss. War mit § 312 Abs. 3 Nr. 1 BGB a.F. (bis 12.6.2014) noch eine Ausnahmeregelung für die Fälle einer fehlenden Überrumpelung vorhanden, gibt es einen solchen Ausnahmetatbestand nunmehr, im hier anzuwendenden Recht nicht mehr: Außerhalb von Geschäftsräumen können für den Verbraucher typischerweise Überraschungsmomente und Drucksituationen entstehen; nach diesem generalisierenden Prinzip kommt es auf die konkrete Überrumpelung nicht an (Staudinger/Thüsing (2019) BGB § 312b, Rn. 5). Die Verbraucherrichtlinie – insoweit greifen die Grundsätze der Vollharmonisierung – hat im Vergleich zur früher geltenden Rechtslage den Verbraucherschutz erweitert und hierbei gerade darauf verzichtet, als Voraussetzung aufzunehmen, dass der Verbraucher zum Vertragsschluss bestimmt (§ 1 HTWG) wurde (OLG München, Verfügung vom 22. Februar 2021 – 28 U 7186/20 Bau -, Rn. 18, juris). Für die Geltung des Widerrufsrechts des § 312g Abs. 1 BGB kommt es nunmehr ausschließlich darauf an, dass ein außerhalb von Geschäftsräumen geschlossener Vertrag i.S.v. § 312b Abs. 1 S. 1 BGB oder ein Fernabsatzvertrag i.S.v. § 312c Abs. 2 BGB vorliegt. Entscheidend ist nicht, dass der Verbraucher im konkreten Fall überrumpelt worden war oder nicht in der Lage war, eine hinreichend fundierte Entscheidung zu treffen; das Widerrufsrecht stellt vielmehr ein Schutzinstrument dar, das auf eine typisierte Schutzbedürftigkeit des Verbrauchers abstellt, sodass es darüber hinaus auch keiner Begründung für dessen Ausübung bedarf (Staudinger/Thüsing (2019) BGB § 312g, Rn. 3 mwN). Mit der Anknüpfung an einen außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrag ist ein Paradigmenwechsel eingetreten: Maßgeblich ist im Grundsatz nicht mehr eine besondere, für das Direktvertriebsgeschäft typische Situation, wie noch bei der Anknüpfung an ein Haustürgeschäft (Verhandlungen am Arbeitsplatz oder in der Privatwohnung), sondern allein die Vertragsverhandlung oder der Vertragsschluss außerhalb der Geschäftsräume des Unternehmers (Koch in: Erman, BGB, 16. Aufl. 2020, § 312b BGB, Rn. 1 mwN).
(5) Die vom Kläger angeführte Rechtsprechung steht dem nicht entgegen. Aus der in Bezug genommenen Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 30. August 2018 – VII ZR 243/17 – ergibt sich gerade nicht, dass § 312b Abs. 1 Nr. 1 BGB mehr voraussetzt als den Vertragsschluss außerhalb von Geschäftsräumen des Unternehmers (vgl. BGH, aaO, Rn. 16-18, juris). Im Urteil des Bundesgerichtshofs vom 10. April 2019 – VIII ZR 244/16 – ging es lediglich um die Frage, ob der Messestand eines Unternehmens als Geschäftsräume des Unternehmers im Sinne von § 312b Abs. 2 BGB anzusehen ist oder nicht und deshalb ein Widerrufsrecht ggf. zu verneinen wäre (vgl. BGH, aaO, Rn. 22ff., juris). Die weiteren angeführten Entscheidungen betreffen eine frühere Rechtslage und Fernabsatzverträge und geben auch sonst nichts für den Kläger Günstiges her.
(6) Die zum Teil im Streit stehenden Geschehnisse vor Vertragsschluss sind danach entgegen der Ansicht des Klägers ohne Bedeutung für die Frage, ob ein außerhalb von Geschäftsräumen geschlossener Vertrag im Sinne von § 312b Abs. 1 Nr. 1 BGB vorliegt.
(7) Soweit das Landgericht ausführt, die Ausübung des Widerrufsrechts unterliege keiner Motivationskontrolle, und ein Fall unzulässiger Rechtsausübung oder Verwirkung liege hier nicht vor, wird dies vom Kläger nicht weiter angegriffen. Es ist auch sonst nicht ersichtlich, dass diese Ausführungen fehlerhaft wären.
ee) Das Widerrufsrecht ist nicht im Hinblick auf § 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB ausgeschlossen, weil jener Ausschluss des Widerrufsrechts Werkverträge – um einen Werkvertrag handelt es sich hier, wovon im Übrigen auch die Parteien ausgehen – nicht erfasst (vgl. BGH, Urteil vom 30. August 2018 – VII ZR 243/17 -, juris; BGH, Urteil vom 20. Oktober 2021 – I ZR 96/20 -, juris).
ff) Das Widerrufsrecht der Beklagten ist auch nicht nach § 312g Abs. 2 Nr. 11 BGB ausgeschlossen, wie der Kläger wohl meint. Vertragsgegenstand sind nicht dringende Reparatur- oder Instandhaltungsmaßnahmen, sondern der Einbau einer neuen Wärmepumpe und eines Speichers. Ob sich die Beklagten ursprünglich wegen der Frage einer Reparatur der vormaligen Wärmepumpe an den Kläger gewandt hatten, ist nicht relevant, zumal dem Vortrag beider Parteien nicht entnommen werden kann, dass eine Reparatur “dringend” war. Denn dringend sind Instandhaltungsarbeiten dann, wenn sie zur sofortigen Wiederherstellung der Funktionstauglichkeit erforderlich waren und der Verbraucher darauf angewiesen war (OLG Hamm, Urteil vom 05. Dezember 2017 – I-24 U 47/17 -, Rn. 36 mwN, juris; Palandt/Grüneberg, BGB, 80. Auflage, § 312g, Rn. 14), ebenso zur Erhaltung einer aktuell konkret bedrohten Funktionsfähigkeit oder Sachsubstanz (OLG Hamm, aaO). Ein solcher Fall ist hier nicht ersichtlich.
b) Widerrufserklärung, § 355 Abs. 1 BGB
Mit Schreiben ihres jetzigen Prozessbevollmächtigten vom 09. Mai 2018 (Anlagenband Beklagte) haben die Beklagten unstreitig den Widerruf erklärt.
c) Widerrufsfrist, § 355 Abs. 2, 356 Abs. 3 BGB
Zu Recht und vom Kläger nicht weiter angegriffen hat das Landgericht angenommen, dass mangels Widerrufsbelehrung die Widerrufsfrist bei Ausübung des Widerrufsrechts nicht abgelaufen bzw. erloschen gewesen war.
d) Rechtsfolge, §§ 355 Abs. 1, Abs. 3, 357 BGB
Gemäß § 355 Abs. 1 S. 1 BGB sind im Falle des Widerrufs die Vertragsparteien an ihre auf den Abschluss des Vertrags gerichteten Willenserklärungen nicht mehr gebunden und sind die empfangenen Leistungen zurückzugewähren; § 357 BGB enthält weitergehende besondere Bestimmungen unter anderem für außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge. Danach kann der Kläger keine weitere Zahlung der Beklagten verlangen und muss seinerseits die von den Beklagten erlangten Beträge zurückzahlen.
Wertersatz hat der Kläger im Übrigen nicht geltend gemacht, und die Verpflichtung der Beklagten zur Rückgewähr der erlangten Werkleistung hat das Landgericht ausgesprochen. Insofern macht der Kläger mithin keine Beschwer geltend bzw. ist er nicht beschwert.
2. Nach alledem erfolgte die Klagabweisung – soweit es die Nebenforderungen anbelangt, wird auf die Ausführungen hierzu im LGU verwiesen – und die Verurteilung des Klägers zur Rückzahlung der erhaltenen Zahlungen zu Recht. Die Berufung des Klägers bleibt ohne Erfolg.
B.
Auch die Berufung der Beklagten ist zulässig. In der Sache hat auch diese Berufung keinen Erfolg.
1. Wegen des Widerrufsrechts, der Wirksamkeit des Widerrufs sowie die Rechtsfolgen wird zunächst auf die Ausführungen unter lit. A. verwiesen.
2. Mit ihrer Berufung wollen die Beklagten die Zug-um-Zug-Einschränkung der Verurteilung des Klägers beseitigen. Das Landgericht hat allerdings richtig entschieden.
a) Wie dargelegt, ergeben sich die Rechtsfolgen hier aus §§ 355, 357 BGB. Die Rückgewährverpflichtung der Beklagten dürfte sich zwar nicht aus § 357 Abs. 6 S. 3 BGB ergeben, wie das Landgericht womöglich meint (LGU S. 6f.). Die Vorschrift ändert jedenfalls aber nichts an der sich aus §§ 355 Abs. 3 S. 1, 357 Abs. 1 BGB ergebenden Rückgewährverpflichtung.
aa) Aus §§ 355 Abs. 3 S. 1, 357 Abs. 1 BGB ergibt sich, dass die empfangenen Leistungen unverzüglich bzw. spätestens nach 14 Tagen zurückzugewähren sind. Dementsprechend sind die Beklagten verpflichtet, die Wärmepumpe und den Speicher nebst der verbauten Materialien an den Kläger zurückzugewähren.
bb) § 357 Abs. 6 S. 3 BGB bestimmt, dass bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen, bei denen die Waren zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses zur Wohnung des Verbrauchers geliefert worden sind, der Unternehmer verpflichtet ist, die Waren auf eigene Kosten abzuholen, wenn die Waren so beschaffen sind, dass sie nicht per Post zurückgesandt werden können. Abgesehen davon, dass hier “die Waren” nicht zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses an die Beklagten geliefert worden sind, regelt diese Vorschrift nur die Frage des Erfüllungsortes: Sind die empfangenen Leistungen nicht versandfähig, ist der Unternehmer zur Abholung verpflichtet, d.h. aus der ansonsten bestehenden Schickschuld wird eine Holschuld (vgl. Palandt/Grüneberg, aaO, § 357, Rn. 7; Hönninger in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 9. Aufl., § 357 BGB (Stand: 01.02.2020), Rn. 13 mwN). An der beiderseitigen Verpflichtung zur Rückgewähr der empfangenen Leistungen ändert die Vorschrift im Übrigen nichts; insbesondere ist der Vorschrift keinerlei Ausschluss der Rückgewährpflicht zu entnehmen, weil etwa – wie hier – ein Einbau im Haus des Verbrauchers – der Beklagten – erfolgt ist.
Die vom Landgericht ausgesprochene Ausbaupflicht des Klägers belastet schließlich nur diesen, nicht die Beklagten.
b) Die von den Beklagten erhobenen Einwände gegen ihre Rückgewährverpflichtung greifen nicht durch.
aa) Wie bereits ausgeführt, ist § 357 Abs. 6 S. 3 BGB keine Ausnahme von der Rückgewährverpflichtung für den Fall eines Einbaus der Vertragsgegenstände etwa im Haus des Verbrauchers zu entnehmen. Die Ansicht der Beklagten, im Falle des Einbaus sei die Rückgewähr ausgeschlossen, findet im Gesetz keine Stütze.
bb) Auch § 357 Abs. 8 BGB steht der Rückgewährpflicht der Beklagten nicht entgegen.
Diese Vorschrift regelt die Wertersatzpflicht bei Verträgen über die Erbringung von Dienstleistungen sowie über die Lieferung von Wasser, Gas, Strom in unbestimmten Mengen oder Volumen oder die Lieferung von Fernwärme; § 357 Abs. 8 S. 1 BGB stellt hierbei eine Anspruchsgrundlage dar, der Verbraucher schuldet Wertersatz für alle bis zum Zeitpunkt des Widerrufs empfangenen Leistungen (vgl. u.a. Koch in: Erman, BGB, 16. Aufl. 2020, § 357 BGB, Rn. 17). Der Begriff der “Dienstleistung” ist entsprechend dem europäischen Hintergrund der Norm weit auszulegen und erfasst damit auch Werkleistungen (BGH, Urteil vom 30. August 2018 – VII ZR 243/17 -, Rn. 23, juris; Koch in: Erman, BGB, 16. Aufl. 2020, § 357 BGB, Rn. 17). Der sachliche Anwendungsbereich des Abs. 8 S. 1 erfasst sämtliche Leistungen nicht gegenständlicher Art (MüKoBGB/Fritsche, 8. Aufl. 2019, BGB § 357 Rn. 41). Die Vorschrift trägt damit der Tatsache Rechnung, dass Dienstleistungen bereits auf der Primärebene nicht in Natur zurückgeben werden können (BeckOGK/Mörsdorf, 1.9.2021, BGB § 357 Rn. 79).
Vorliegend hat das Landgericht dem Kläger jedoch keinen Wertersatz zugesprochen, wogegen sich die Beklagten wehren könnten. Hier geht es lediglich um die Rückgewähr derjenigen Gegenstände, die der Kläger geliefert bzw. verbaut hat. Diese können zurückgewährt werden. Sie fallen daher nicht in den Anwendungsbereich des § 357 Abs. 8 BGB. Insofern verbleibt es bei der Rückgewährverpflichtung des Verbrauchers, mithin hier der Beklagten.
cc) Dass Rohre und andere Teile beim Ausbau unter Umständen beschädigt oder gar zerstört werden, steht der Rückgewährverpflichtung ebenfalls nicht entgegen. Soweit gelieferte und verbaute Gegenstände physisch zurückgewährt werden können, verbleibt es bei der Rückgewährpflicht. Zudem belastet eine etwaige Beschädigung oder Zerstörung von zurückzugewährenden Gegenständen die Beklagten überhaupt nicht, sondern schmälert allenfalls den verbleibenden Wert der ausgebauten Anlage für den Kläger.
dd) Soweit eine physische Rückgewähr unmöglich ist, z.B. hinsichtlich verbrauchter Chemikalien, kommt eine Rückgewähr zwar nicht in Betracht. Dies wird vom Kläger allerdings auch gar nicht geltend gemacht; außerdem belastet dies die Beklagten ebenfalls nicht.
ee) Ob die Wärmepumpe und der Speicher und/oder etwaige andere Teile gemäß § 94 Abs. 2 BGB wesentliche Bestandteile des Gebäudes der Beklagten geworden sind, ist ebenfalls ohne Belang und steht der Rückgewährverpflichtung nicht entgegen. Zum einen ist zu bedenken, dass jedenfalls die Wärmepumpe und der Speicher sowie auch diverses Zubehörmaterial physisch vom Gebäude wieder getrennt werden können und, wie bereits ausgeführt, der Umstand, dass es zu Beschädigungen oder gar Zerstörungen von auszubauenden Teilen kommen kann, der Rückgewährpflicht nicht entgegenstehen. Zum anderen dient § 94 der Schaffung klarer Rechtsverhältnisse (vgl. Palandt/Ellenberger, aaO, § 94 Rn. 1 mit Rechtsprechungsnachweisen) und regelt daher das Eigentum an bestimmten Gegenständen. Der Widerruf wirkt jedoch ohnehin nur schuldrechtlich, nicht dinglich, er hebt weder den Vertrag noch etwaige Verfügungen auf, sondern beendet lediglich die beiderseitigen Leistungspflichten und gewährt einen obligatorischen Anspruch auf Rückgewähr des Geleisteten (Staudinger/Kaiser (2012) BGB § 357, Rn. 5). Unabhängig davon, ob der Verbraucher Eigentümer der erlangten Gegenstände durch Verfügung (§ 929 BGB) geworden ist oder wie hier womöglich durch Einbau in das Gebäude gemäß § 94 BGB, ändert dies daher nichts an der Rückgewährverpflichtung, die dementsprechend allerdings auch die Verpflichtung zur Rückübereignung mitumfasst.
ee) Zu Recht hat das Landgericht auch angenommen, dass die Beklagten dem Kläger nicht entgegenhalten können, dass dieser seinerseits die Altgeräte herausgeben bzw. ggf. Wertersatz dafür leisten muss, weil der Kläger insofern keine Leistungen der Beklagten im Sinne der §§ 355 Abs. 3, 357 Abs. 1 BGB empfangen hat. Jedenfalls ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass die Beklagten dem Kläger die Altgeräte als Teil des Vertrags überlassen haben, etwa zur weiteren Verwertung oder dergleichen. Insbesondere ist dem Auftrag (vgl. jeweils Anlagenband Kläger und Beklagte) insofern nichts zu entnehmen.
ff) Soweit die Beklagten schließlich geltend machen, es sei nicht ganz klar, welche Teile tatsächlich verbaut wurden und worauf sich die Rückgewährverpflichtung beziehe, so betrifft dies allenfalls eine Frage der Vollstreckung. Da aber nicht die Beklagten die Anlage ausbauen und zurückgeben müssen, bleibt dies unproblematisch: die Anlage einschließlich der Zubehörteile kann nur in dem Umfang ausgebaut werden, in dem sie eingebaut worden war; sind z.B. weniger Reduzierstücke eingebaut worden, als in der Rechnung des Klägers aufgeführt, können eben nur weniger ausgebaut werden. Auch dass die Beklagten zwei Versionen der Rechnung Nr. 2053 vorgelegt haben, ändert vor diesem Hintergrund nichts.
3. Danach steht im Ergebnis fest, dass das Landgericht auch hinsichtlich der Widerklage richtig entschieden hat und die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten, soweit diese erstinstanzlich unterlegen gewesen sind, ohne Erfolg bleibt.
4. Hieran ändern auch nichts die Ausführungen im Schriftsatz vom 15. Dezember 2021. Die in diesem Schriftsatz genannten Gesichtspunkte, die für die Beklagten sprechen sollen, hat der Senat bedacht und bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt. Der Schriftsatz hat dem Senat daher auch keinen Anlass gegeben, die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung anzuordnen (§ 156 ZPO).
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1 S. 1, 97, 100 Abs. 4 ZPO. Für das Verhältnis des jeweiligen Obsiegens bzw. Unterliegens war dabei von einem Wert der Berufung des Klägers von 20.346,29 Euro und einem Wert der Berufung der Beklagten von 14.652,28 Euro sowie mithin einem fiktiven Gesamtstreitwert von 34.998,58 Euro auszugehen (im Einzelnen zum Wert der Berufungen und zum Berufungsstreitwert s.u. Ziff. VI.).
IV.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt für den Kläger aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO, für die Beklagten aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO i. V. m. § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
V.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und der Senat nicht von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes oder eines anderen Oberlandesgerichts abweicht, so dass auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern, § 543 ZPO.
VI.
Die Festsetzung des Streitwertes für das Berufungsverfahren beruht auf § 3 ZPO, §§ 45 Abs. 1 S. 1 und 3, Abs. 2, 47 Abs. 1 GKG.
Der Wert der Berufung des Klägers ergibt sich ohne Weiteres aus seinem Berufungsantrag unter Berücksichtigung des Umfangs seiner Verurteilung durch das Landgericht auf die Widerklage hin.
Für die Beseitigung der Zug-um-Zug-Verurteilung ist wegen der Beschwer auf den Wert der noch zu erbringenden Gegenleistung abzustellen (Herget in: Zöller, ZPO, 33. Auflage, § 3, Rn. 16.217 mwN). Da hier die Leistungen rückabgewickelt werden sollen, also die Beklagten dasjenige zurückgeben sollen, wofür sie vorprozessual 14.652,28 Euro bezahlt haben, ist der wirtschaftliche Wert der zurückzugebenden Anlage mit dem gezahlten Betrag zu bemessen. Der Wert der Berufung der Beklagten beläuft sich mithin auf 14.652,28 Euro
Wegen § 45 Abs. 1 S. 1 und 3, Abs. 2 GKG erfolgt allerdings keine Zusammenrechnung der Werte, weil die Ansprüche denselben Gegenstand betreffen. Der Berufungsstreitwert beläuft sich daher lediglich auf 20.346,29 Euro.

Rechtsprechungsreport Mein Hausbau

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von Thomas Ax

Allgemeine Geschäftsbedingungen des Verkäufers einer Einbauküche: Kein Anspruch auf Vorauszahlung des gesamten Kaufpreises

Eine Klausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Verkäufers einer Einbauküche, wonach der Kaufpreis „zahlbar sofort ohne Abzug“ ist, benachteiligt den Käufer unangemessen und ist unwirksam (Anschluss an BGH, IBR 2013, 379). Die Verwendung einer (erkennbar) unwirksamen Allgemeinen Geschäftsbedingung ist eine Vertragspflichtverletzung. Der Käufer hat daher einen Anspruch so gestellt zu werden, als hätte der Verkäufer die unwirksame Klausel nicht verwendet.
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Lieferung und Montage von Treppenlift mit individueller Laufschiene ist Werkvertrag

Ein Vertrag über die Lieferung und Montage eines Kurventreppenlifts mit einer individuell erstellten, an die Wohnverhältnisse des Kunden angepassten Laufschiene ist ein Werkvertrag. Wird ein solcher Vertrag außerhalb von Geschäftsräumen mit einem Verbraucher geschlossen, steht diesem ein Widerrufsrecht nach § 312g Abs. 1 BGB zu, weil der in § 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB vorgesehene Ausschluss dieses Rechts Werkverträge nicht erfasst. Die werbliche Angabe eines Anbieters von Treppenliften, im Falle eines Kurventreppenlifts mit individuell geformten und an die Gegebenheiten vor Ort angepassten Laufschienen bestehe kein Widerrufsrecht des Verbrauchers, begründet Erstbegehungsgefahr für einen Verstoß gegen die Pflicht zur Information über das Widerrufsrecht nach § 312g Abs. 1 BGB gem. § 312d Abs. 1 und Art. 246a Abs. 2 Nr. 1 EGBGB.
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Haben die Parteien einen Vertrag über Gartenbauarbeiten durch schriftliches Angebot des Unternehmers und telefonische Annahme des Kunden geschlossen, ist dem Vertrag zur Vorbereitung des Angebots aber ein gemeinsamer Ortstermin vorangegangen, ist er nicht ausschließlich unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln zustande gekommen. Gibt der Unternehmer Angebote regelmäßig erst nach vorhergehendem Ortstermin ab, so ist sein Geschäftsbetrieb auch nicht auf den Fernabsatz ausgerichtet. In diesen Fällen liegt kein Fernabsatzvertrag nach § 312c BGB vor.
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Eine Fristsetzung mit Kündigungsandrohung ist dann nicht erforderlich, wenn sich das Verhalten des Auftragnehmers als schwere Vertragsverletzung darstellt. Das Setzen von Einzelfristen ist dann zulässig, wenn die rechtzeitige Erfüllung des Bauvertrags ernsthaft in Frage steht und dem Auftraggeber ein weiteres Zuwarten nicht mehr zuzumuten ist.
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Behauptet der Auftraggeber, der Auftragnehmer habe bei den Arbeiten zur Anbringung einer abgehängten Decke die Dampfsperre vielfach durchbohrt, so dass es zu Feuchtigkeitserscheinungen gekommen sei, muss er das darlegen und gegebenenfalls beweisen. Stehen nur zwei Durchbohrungen fest und reichen diese zur Verursachung des aufgetretenen Schadens nicht aus, ist der Beweis, dass die Feuchtigkeitserscheinungen auf mangelhafte Leistung des Auftragnehmers zurückzuführen sind, nicht geführt.
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Ein Vertrag über die Lieferung und Montage von Standardtüren und -zargen ist ein Werklieferungsvertrag mit der Folge, dass Kaufrecht anzuwenden ist. Etwas anderes gilt nicht aufgrund des Einbezugs der VOB/B. Die Parteien haben kein Wahlrecht zwischen Werkvertragsrecht und Kaufrecht. Die Folge ist, dass § 377 HGB gilt.
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Hat der Auftragnehmer nach dem Leistungsverzeichnis als Material Boden und Fels abzutragen und zu verwerten, stellt das Separieren und Entsorgen des im Erdreich enthaltenen Mülls keine zusätzliche Leistung i.S.v. § 2 Abs. 6 VOB/B, sondern eine geänderte Leistung i.S.v. § 2 Abs. 5 VOB/B dar. Der Auftragnehmer muss seinen Mehrvergütungsanspruch deshalb nicht vor der Ausführung ankündigen.

Die Ankündigung eines Anspruchs auf zusätzliche Vergütung (§ 2 Abs. 6 VOB/B) bedarf es nicht, wenn sie für den Schutz des Auftraggebers entbehrlich ist. Ein Verlust des Vergütungsanspruchs des Auftragnehmers nach unterbliebener Mehrkostenankündigung ist nicht angezeigt, wenn der Auftraggeber bei der Forderung der Leistung von ihrer Entgeltlichkeit ausging oder ausgehen musste oder wenn ihm nach Lage der Dinge keine Alternative zur sofortigen Ausführung der Leistung durch den Auftragnehmer blieb.
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Defekte Kabeltrommel verwendet: Auftragnehmer haftet für Brandschaden

Auf einem Baustellenbetrieb ist eine Beschädigung der Isolation des Kabels einer Kabeltrommel regelmäßig zu erwarten. Die Beschädigung der Isolation des Kabels einer angesteckten Kabeltrommel kann zum Aufbau eines Fehlerstroms und als Folge zu einem Brandausbruch führen. Kommt als Ursache eines Brandausbruchs nur eine Schadensursache aus dem Obhuts- und Gefahrenbereichs des Auftragnehmers in Betracht, muss er – wenn er sich gegen die Inanspruchnahme auf Schadensersatz zur Wehr setzt – den Beweis führen, dass die Brandauslösung nicht auf sein pflichtwidriges Verhalten oder ein solches seines Personal zurückzuführen ist.
OLG München, Beschluss vom 10.12.2019 – 28 U 4069/19 Bau

Abnahme der Leistung durch den Rechtsanwalt des Auftraggebers

Wird in dem Schreiben eines vom Auftraggeber beauftragten Rechtsanwalts auf eine Mahnung des Auftragnehmers zur Zahlung des Werklohns die Bereitschaft zur Begleichung der Forderung zum Ausdruck gebracht, ohne dass dies von vorausgehenden Mängelbeseitigungsmaßnahmen abhängig gemacht wird, ist darin die Billigung der Leistung als vertragsgemäß und somit die Abnahme der Leistung des Auftragnehmers zu sehen.
OLG München, Urteil vom 14.12.2020 – 3 U 3130/20