Ax Hochbaurecht

AxProjects. Wir. Vermeiden. Probleme bei Bauprojekten – Die rechtliche Prüfung und Handhabung von Bau-Vergabe- und/ oder Bau-Vertragssachverhalten ist spezialisierten Anwälten zu übertragen

AxProjects. Wir. Vermeiden. Probleme bei Bauprojekten - Die rechtliche Prüfung und Handhabung von Bau-Vergabe- und/ oder Bau-Vertragssachverhalten ist spezialisierten Anwälten zu übertragen

Wir sorgen für eine sachgerechte Bauprojektvorbereitung und -durchführung

I

Andernfalls handelt es sich um die unerlaubte Erbringung von Rechtsdienstleistungen, BGH, Urteil vom 11. Februar 2021, I ZR 227/19.  

Nach § 2 Abs. 1 RDG ist eine Rechtsdienstleistung jede Tätigkeit in konkreten fremden Angelegenheiten, sobald sie eine rechtliche Prüfung des Einzelfalls erfordert. Die Vorschrift erfasst jede konkrete Subsumtion eines Sachverhalts unter die maßgeblichen rechtlichen Bestimmungen, die über eine bloß schematische Anwendung von Rechtsnormen ohne weitere rechtliche Prüfung hinausgeht. Ob es sich um einfache oder schwierige Rechtsfragen handelt, ist unerheblich (vgl. BGH, Urteil vom 14. Januar 2016 – I ZR 107/14, GRUR 2016, 820 Rn. 43 = WRP 2016, 861 – Schadensregulierung durch Versicherungsmakler; BGH, GRUR 2016, 1189 Rn. 23 – Rechtsberatung durch Entwicklungsingenieur). Die Frage, ob eine eigene oder eine fremde Rechtsangelegenheit betroffen ist, richtet sich danach, in wessen wirtschaftlichem Interesse die Besorgung der Angelegenheit liegt (BGH, GRUR 2016, 1189 Rn. 26 – Rechtsberatung durch Entwicklungsingenieur, mwN).

Nach der Konzeption des Rechtsdienstleistungsgesetzes besteht eine Befugnis zur Erbringung von Rechtsdienstleistungen nach anderen Gesetzen als dem Rechtsdienstleistungsgesetz zum einen für die speziell rechtsdienstleistenden Tätigkeiten der Rechtsanwälte, Patentanwälte, Notare, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer, die sachnah im jeweiligen Berufsgesetz geregelt sind (vgl. Begründung zum Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechtsberatungsrechts, BT-Drucks. 16/3655, S. 32). Zum anderen finden sich auch in anderen Gesetzen Vorschriften, die Rechtsberatungsbefugnisse enthalten.

Eine erlaubte Rechtsberatung nach solchen anderen Gesetzen kommt allerdings nur in Betracht, wenn spezielle Rechtsdienstleistungsbefugnisse dort hinreichend konkret geregelt sind, die Befugnis also schon nach dem Wortlaut der Norm für einen bestimmten Bereich oder spezielle Tätigkeiten eingeräumt wird. Dies lässt sich unter anderem daraus ersehen, dass auch die in der Begründung zum Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechtsberatungsrechts (BT-Drucks. 16/3655, S. 32) beispielhaft aufgeführten Vorschriften sämtlich konkret die eingeräumte Befugnis zur Rechtsdienstleistung benennen, etwa die Beratung bei der Errichtung einer Vorsorgevollmacht durch anerkannte Betreuungsvereine (§ 1908f Abs. 4 BGB), die Besorgung von Rechtsangelegenheiten Benachteiligter durch Antidiskriminierungsverbände im Rahmen ihres Satzungszwecks (§ 23 Abs. 3 AGG) und die nach § 192 Abs. 3 VVG erlaubten Dienstleistungen der privaten Krankenversicherer für ihre Versicherungsnehmer.

Insbesondere die Architektengesetze gestatten die derartige Erbringung von Rechtsdienstleistungen nicht.   

Bsp.: § 1 Abs. 5 Satz 1 und 2 Architektengesetz Rheinland-Pfalz:

Nach § 1 Abs. 5 Satz 1 Architektengesetz Rheinland-Pfalz gehören zu den Berufsaufgaben der Architektin und des Architekten die Beratung, Betreuung und Vertretung der Auftraggeberin oder des Auftraggebers in allen mit der Planung und Durchführung eines Vorhabens zusammenhängenden Fragen auch hinsichtlich einer effizienten und nachhaltigen Bauweise sowie die Überwachung der Ausführung. In Satz 2 heißt es: “Hierbei finden zudem funktionale, baukulturelle, rechtliche und ökologische Belange Beachtung.”

Mit der in § 1 Abs. 5 Satz 1 Architektengesetz Rheinland-Pfalz aufgeführten “Vertretung”, die auch in den Architektengesetzen anderer Bundesländer in den für die Berufsaufgaben maßgeblichen Bestimmungen vergleichbar vorgesehen ist (vgl. nur § 1 Abs. 5 Bremisches Architektengesetz, § 1 Abs. 5 Architektengesetz Baden-Württemberg, § 2 Abs. 4 und 5 Sächsisches Architektengesetz, § 3 Abs. 5 und 6 Saarländisches Architekten- und Ingenieurkammergesetz, § 1 Abs. 2 und 4 Architekten- und Ingenieurkammergesetz Schleswig-Holstein), wird keine Vertretung in rechtlichen Angelegenheiten gegenüber Behörden angesprochen. Dies wäre allerdings erforderlich, um eine ausdrückliche Rechtsdienstleistungsbefugnis annehmen zu können. Der Umstand, dass nach Satz 2 der Vorschrift “rechtliche … Belange Beachtung” finden, verdeutlicht lediglich, dass die Aufgaben der Architektinnen und Architekten auch Tätigkeiten zur Überwachung der Einhaltung insbesondere öffentlich-rechtlicher Vorschriften bei der Planung und Ausführung von Bauvorhaben umfassen (vgl. zu § 1 Architektengesetz Baden-Württemberg Begründung des Regierungsentwurfs zur Änderung des Bauberufsrechts und anderer Gesetze, LT-Drucks. 5/7857, S. 38). Dass ein Architekt auch befugt ist, für den Bauherrn dessen subjektivöffentliche Rechte gegenüber Behörden in einem Widerspruchsverfahren durchzusetzen, folgt daraus hingegen nicht.

Auch der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure lässt sich keine Rechtsdienstleistungsbefugnis außerhalb des Rechtsdienstleistungsgesetzes entnehmen, da sie keine hinreichend konkreten Regelungen enthält, die Rechtsdienstleistungen gestatten. Die innerhalb der jeweiligen Leistungsphasen zu erbringenden Leistungen (§ 34 Abs. 4 HOAI in Verbindung mit Anlage 10 Nr. 10.1) können lediglich bei der Frage Bedeutung erlangen, ob die Rechtsdienstleistungen nach § 5 Abs. 1 RDG erlaubt sind, weil sie als Nebenleistung zum Berufs- oder Tätigkeitsbild der Architektin gehören.

Aus den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs folgt ebenfalls keine solche Befugnis. Weder § 631 Abs. 1 BGB, nach dem der Unternehmer die “Herstellung des versprochenen Werks” schuldet, noch der mit Wirkung zum 1. Januar 2018 (BGBl. I S. 969) eingeführte § 650p BGB, der den Architekten verpflichtet, “die Leistungen zu erbringen, die nach dem jeweiligen Stand der Planung und Ausführung des Bauwerks oder der Außenanlage erforderlich sind, um die zwischen den Parteien vereinbarten Planungs- und Überwachungsziele zu erreichen”, enthalten die für ein Gesetz im Sinne von § 1 Abs. 3, § 3 RDG erforderliche hinreichend deutliche Erlaubnis zur Erbringung einer Rechtsdienstleistung.

Die Rechtsprechung, der zufolge ein Architekt eine dauerhaft genehmigungsfähige Planung schuldet (BGH, Urteil vom 26. September 2002 – VII ZR 290/01, NJW 2003, 287 [juris Rn. 27]), stellt schon kein Gesetz dar. Ungeachtet dessen folgt aus der genannten Verpflichtung der Architekten, für eine genehmigungsfähige Planung zu sorgen, nicht zugleich, dass sie auch für die Genehmigung der Planung Sorge zu tragen haben.

Es wird sich regelmäßig auch nicht um erlaubte Nebenleistungen im Sinne von § 3 Fall 1, § 5 Abs. 1 RDG handeln.

Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 RDG sind Rechtsdienstleistungen im Zusammenhang mit einer anderen Tätigkeit gestattet, wenn sie als Nebenleistung zum Berufs- oder Tätigkeitsbild gehören. Ziel der Vorschrift ist es einerseits, diejenigen, die in einem nicht spezifisch rechtsdienstleistenden Beruf tätig sind, in ihrer Berufsausübung nicht zu behindern, und andererseits, den erforderlichen Schutz der Rechtsuchenden vor unqualifiziertem Rechtsrat zu gewährleisten (vgl. BT-Drucks. 16/3655, S. 51). Erlaubt ist die Tätigkeit nach § 5 Abs. 1 Satz 1 RDG nur, wenn sie zum Berufs- oder Tätigkeitsbild desjenigen gehört, der die Rechtsdienstleistung erbringt, und wenn sie eine Nebenleistung zu einer Haupttätigkeit ist (BGH, GRUR 2011, 539 Rn. 34 – Rechtsberatung durch Lebensmittelchemiker). Ob eine Nebenleistung vorliegt, ist nach ihrem Inhalt, Umfang und sachlichen Zusammenhang mit der Haupttätigkeit unter Berücksichtigung der Rechtskenntnisse zu beurteilen, die für die Haupttätigkeit erforderlich sind (§ 5 Abs. 1 Satz 2 RDG). § 5 Abs. 1 RDG kann nur Anwendung finden, wenn die fragliche Rechtsdienstleistung nicht selbst wesentlicher Teil der Haupttätigkeit ist. Dabei kann der Umstand, dass der rechtsdienstleistende Teil der Leistung aufgrund einer gesonderten vertraglichen Vereinbarung zu erbringen ist und besonders vergütet wird, indiziell gegen das Vorliegen einer Nebenleistung sprechen (vgl. BT-Drucks. 16/3655, S. 52). Der Schwerpunkt der Tätigkeit muss – soweit es sich nicht um Dienstleistungen von Angehörigen steuerberatender Berufe oder nach § 10 RDG registrierter Personen handelt – stets auf nichtrechtlichem Gebiet liegen (BGH, GRUR 2012, 405 Rn. 23 – Kreditkontrolle; vgl. auch BT-Drucks. 16/3655, S. 52).

Zwar hat das Aufgabengebiet der Architekten in vielfacher Hinsicht Berührungen zu Rechtsdienstleistungen (vgl. OLG Koblenz, NJW-RR 2020, 1067 [juris Rn. 11]; BeckOK.RDG/Hirtz aaO § 5 Rn. 74).

Die Architektin und der Architekt sind sachkundige Berater und Betreuer des Bauherrn auf dem Gebiet des Bauwesens und müssen über nicht unerhebliche Kenntnisse des Werkvertragsrechts, des Bürgerlichen Gesetzbuchs und der Vorschriften der VOB/B verfügen (vgl. BGH, Urteil vom 26. April 1979 – VII ZR 190/78, BGHZ 74, 235, 238 [juris Rn. 14]).

Die Beratungs- und Betreuungstätigkeit der Architekten dient dazu, dem Bauherrn das planerische, wirtschaftliche und rechtliche Umfeld des Vorhabens zu erläutern. Im Rahmen der Grundlagenermittlung etwa hat ein Architekt deshalb Aufklärungs- und Beratungspflichten gegenüber seinem Auftraggeber, die sich auch auf öffentlichrechtliche Vorschriften zum Bauplanungs- und Bauordnungsrecht beziehen (vgl. Beckscher HOAI- und Architektenrechtskommentar/Sonntag, 2. Aufl., vor §§ 650p ff. BGB Abschnitt G Rn. 28).

So kann eine Beratung darüber geschuldet sein, ob sich ein Gebäude in Ermangelung eines Bebauungsplans gemäß § 34 BauGB in die nähere Umgebung einfügt, und eine Bauvoranfrage zu empfehlen sein (zum Umfang der Beratungspflichten vgl. auch Krenzler, RDG, 2. Aufl., § 5 Rn. 24). Die Betreuungs- und Beratungspflichten der Architekten können dabei auch nach außen tretende rechtsberatende Elemente enthalten. Denkbar ist dies insbesondere dann, wenn im Zuge der Betreuung und Beaufsichtigung von Fertigstellungs- und Mängelbeseitigungsarbeiten für den Bauherrn Ansprüche gegenüber dem Werkunternehmer geltend zu machen sind (vgl. OLG Düsseldorf, NJW-RR 2006, 562 f. [juris Rn. 13 bis 15]; BT-Drucks. 16/3655, S. 54).

Aus all dem folgt jedoch nicht, dass zum Tätigkeitsbild der Architektinnen und Architekten bezogen auf Fragen des öffentlichen Rechts mehr als die fachliche, technische Begleitung und gegebenenfalls damit zusammenhängende Empfehlungen rechtlicher Art gehören. Mit einem Rechtsberater des Bauherrn ist der Architekt nämlich nicht gleichzusetzen (vgl. BGH, Urteil vom 25. Oktober 1984 – III ZR 80/83, NJW 1985, 1692, 1693 [juris Rn. 35]; Urteil vom 29. März 1990 – III ZR 145/88, VersR 1990, 789, 790 [juris Rn. 7] mwN).

Erfordert die Tätigkeit qualifizierte Rechtskenntnisse, wie sie grundsätzlich nur bei Rechtsanwälten und registrierten Personen im Sinne des § 10 RDG vorausgesetzt werden können (vgl. dazu allgemein BT-Drucks. 16/3655, S. 52, 54; zum Steuerberater BSGE 115, 18 Rn. 48), wird man nicht von einer Nebenleistung ausgehen können.

Bedient sich ein Verfahrensbeteiligter eines berufsmäßigen Bevollmächtigten oder Beistands, kann er von diesem eine hierauf ausgerichtete Qualifikation erwarten, die durch das Rechtsdienstleistungsgesetz gesichert werden soll. Der in § 1 Abs. 1 Satz 2 RDG zum Ausdruck gekommene Sinn und Zweck des Rechtsdienstleistungsgesetzes, Rechtssuchende, Rechtsverkehr und Rechtsordnung vor unqualifizierten Rechtsdienstleistungen zu schützen, umfasst auch die ordnungsgemäße Geltendmachung von Ansprüchen im Rahmen des Rechtsgewährungsanspruchs als Teil des Rechtsstaatsprinzips (vgl. BSGE 115, 18 Rn. 46). Dementsprechend dürfen in einem Verwaltungsverfahren Bevollmächtigte oder Beistände Rechtsdienstleistungen nur im Rahmen des § 3 RDG erbringen (vgl. § 1 LVwVfG RP in Verbindung mit § 14 Abs. 4 Satz 1, Abs. 5 VwVfG); vor dem Verwaltungsgericht sind als Bevollmächtigte ausschließlich die in § 67 Abs. 2 VwGO genannten Personen und Personengruppen vertretungsbefugt (vgl. § 67 Abs. 3 VwGO).

Zwar gehören nach Anlage 10 Nr. 10.1 zu § 34 HOAI zu den Grundleistungen der Architektinnen und Architekten im Rahmen der Leistungsphase 4 (Genehmigungsplanung) die “Verhandlung mit Behörden” und zu den Besonderen Leistungen die “fachliche und organisatorische Unterstützung des Bauherrn im Widerspruchsverfahren”. Wie sich bereits aus dem Wortlaut des Leistungsverzeichnisses ergibt, beschränkt sich die von einem Architekten geschuldete Unterstützung auf fachliche und organisatorische Belange und führt nicht dazu, dass dem Architekten darüber hinaus auch umfassende (bau-)rechtliche Beratungs- oder Betreuungspflichten zukommen (vgl. Koeble in Locher/Koeble/Frik, HOAI, 14. Aufl., § 34 Rn. 150).

II

Der Architekt haftet für schuldhaft falschen Rechtsrat.

Wenn der Architekt den Bauherrn berät, fehlerhaft zur Kündigung des Bauvertrags rät, das Kündigungsschreiben vorbereitet, hat er eine gemäß §
3 RDG unzulässige Rechtsdienstleistung erbracht. Erweist sich die Kündigung als unwirksam und wird der Bauherr vom AN auf Schadensersatz in Anspruch genommen, haftet der Architekt dem Bauherrn auf Schadensersatz, OLG Koblenz, Beschluss vom 07.05.2020 – 3 U 2182/19.

Rechtsdienstleistung ist jede Tätigkeit in konkreten fremden Angelegenheiten, sobald sie eine rechtliche Prüfung des Einzelfalls erfordert (§ 2 Abs. 1 RDG). Die Tätigkeit muss sich auf eine wirkliche und sachverhaltsbezogene, nicht lediglich fingierte bzw. abstrakte Rechtssache einer bestimmten anderen – Rat suchenden – Person beziehen (vgl. BGH, GRUR 2011, 539). Dies war bei dem vom Beklagten gegebenen Rat sowie der Vorformulierung des Kündigungsschreibens der Fall. Es kommt für die Annahme einer Rechtsdienstleistung nicht entscheidend darauf an, ob der Beklagte – wie vom Landgericht festgestellt und von der Berufung angegriffen – die Frage, ob ein Vertrag mit der F-GmbH wirksam zustande gekommen ist, tatsächlich näher geprüft hat oder nicht. Eine Rechtsdienstleistung stellt es nämlich bereits dar, wenn in einer unklaren Vertragssituation zur Ausübung eines konkreten Gestaltungsrechts geraten wird. Bereits hierdurch wird jedenfalls beim Empfänger der Eindruck erweckt, der Erklärende sei zu einer rechtlichen Prüfung des Einzelfalls in der Lage und habe diese konkret auch vorgenommen.

Dies gilt erst recht, wenn die entsprechende Gestaltungserklärung sogar noch vorformuliert und deren Rechtswirksamkeit gegenüber dem Erklärungsempfänger bestätigt wird (siehe E-Mail des Beklagten an den Geschäftsführer der F-GmbH vom 31.07.2018, Anlage K 15, Bl. 48 des Anlagenhefts).

Gemäß § 3 RDG ist die selbständige Erbringung außergerichtlicher Rechtsdienstleistungen nur in dem Umfang zulässig, in dem sie gesetzlich zugelassen wird. Vorliegend kommt als Erlaubnistatbestand einzig § 5 Abs. 1 Satz 1 RDG in Betracht. Danach sind Rechtsdienstleistungen im Zusammenhang mit einer anderen Tätigkeit erlaubt, wenn sie als Nebenleistung zum Berufs- oder Tätigkeitsbild gehören.

Ob eine Nebenleistung vorliegt, ist gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 RDG nach ihrem Inhalt, Umfang und sachlichen Zusammenhang mit der Haupttätigkeit unter Berücksichtigung der Rechtskenntnisse zu beurteilen, die für die Haupttätigkeit erforderlich sind. Insoweit nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen zunächst vollumfänglich auf die eingehende und überzeugende Würdigung des Landgerichts (LGU, Seite 4) Bezug, hinsichtlich derer die Berufung keine Rechtsfehler aufzeigt.

Dabei ist anzuerkennen, dass Architektenleistungen in vielfacher Hinsicht Berührungen zu Rechtsdienstleistungen haben (vgl. BeckOK-RDG/ Hirtz, 13. Edition, § 5 Rn. 74) und deshalb zugunsten des Architekten ein großzügiger Maßstab bei der Bestimmung noch zulässiger Rechtsdienstleistungen anzulegen ist. Dies gilt besonders vor dem Hintergrund, dass – jedenfalls in einigen Leistungsphasen nach HOAI – den Architekten nicht nur umfangreiche Rechtsdienstleistungskompetenzen zugebilligt, sondern als Teil ihres vertraglichen Pflichtenprogramms angesehen werden (vgl. Deckenbrock/Henssler, RDG, 4. Aufl. 2015, § 5 Rn. 45 m. w. N.).

Der von § 5 Abs. 1 RDG geforderte sachliche innere Zusammenhang der Rechtsdienstleistung mit der Haupttätigkeit wird aber spätestens dann problematisch, wenn konkrete rechtliche Fragestellungen behandelt werden, die ohne Beeinträchtigung der Gesamterfüllung der Pflichten aus dem Architektenvertrag auch von dritten Rechtsberatern übernommen werden können.

Dem Architekten sind wohl noch gewisse rechtsdienstleistende Tätigkeiten im Bereich des Mängel- und Fristenmanagements zu gestatten (vgl. OLG Düsseldorf, OLGReport 2006, 346 noch zum RBerG; zur Bedeutung des Wandels des Berufsbilds in diesem Zusammenhang Langen, AnwBl 2009, 436, 437).

Die Grenzen der erlaubten Nebenleistung werden jedenfalls dann verlassen, wenn der Architekt in Bezug auf die Geltendmachung konkreter Sekundärrechte im Außenverhältnis tätig wird (BeckOK-Hirtz, a. a. O. Rn. 80; Fuchs/Berger/Seifert/Sonntag, HOAI, 1. Aufl. 2016, 1. Teil G, Rn. 40; Krenzler, RDG, 2. Aufl. 2017, § 5 Rn. 49 m. w. N.).

Hierbei handelt es sich in der Regel um komplexe Rechtsdienstleistungen, die häufig ein erhebliches Risikopotential für den Auftraggeber haben und damit den Angehörigen der rechtsberatenden Berufe vorzubehalten sind (vgl. Langen, AnwBl 2009, 436, 437).

Auch die Annahme einer nach § 5 Abs. 1 RDG zulässigen Rechtsdienstleistung würden den Architekten ebenfalls nicht von einer Haftung befreien würde. Denn in diesem Fall läge eine vertragliche Haftung aus §§ 631, 280 BGB wegen Falschberatung nahe (zu deren Anwendbarkeit auf zulässige Rechtsdienstleistungen von Architekten vgl. Fuchs/Berger/Seifert/Sonntag, a. a. O., Rn. 21).

Bezogen auf die unerlaubte Rechtsdienstleistung des Architekten scheiden vertragliche Schadensersatzansprüche aus. Denn der Verstoß gegen § 3 RDG führt dazu, dass der zu Grunde liegende Vertrag jedenfalls insoweit gemäß § 134 BGB nichtig ist, wie er die unerlaubte Rechtsdienstleistung erfasst (vgl. Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 3. Aufl. 2020, § 3 RDG, Rn. 27). Ob die Nichtigkeit den gesamten Vertrag erfasst (vgl. BGH, NJW 2000, 1560) oder gemäß § 139 Teilnichtigkeit in Betracht kommt (vgl. Fuchs/Berger/Seifert/Sonntag, HOAI, 1. Aufl. 2016, G. Rn. 22 f.) kann dahinstehen, wenn sich der Rechtsstreit ausschließlich auf Schadensersatzansprüche wegen der unerlaubten Rechtsdienstleistung beschränkt. Bei den §§ 2, 3 RDG handelt es sich um Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, deren Verletzung eine Schadensersatzpflicht begründen kann (vgl. BGH, NJW-RR 2018, 1250, 1254, Rn. 40 ff.; BGH, NJW-RR 2019, 1524, 1525, Rn. 19).

Der Architekt hat im Zweifel auch schuldhaft gehandelt. Dabei bezieht sich das Verschulden allein auf die Schutzgesetzverletzung, also die Erbringung einer unzulässigen Rechtsdienstleistung, nicht auf die schädigende Wirkung derselben (vgl. Palandt/Sprau, 79. Auflage 2020, § 823 Rn. 61). Fahrlässigkeit reicht zur Begründung eines Schadensersatzanspruchs aus § 823 Abs. 2 BGB aus.

Ein Vorsatzerfordernis besteht im Rahmen des § 823 Abs. 2 BGB nur, soweit straf- oder bußgeldbewährte Schutzgesetze verletzt werden, die ihrerseits vorsätzliches Handeln verlangen (vgl. Palandt/Sprau, a. a. O., § 823 Rn. 61).

Die Verletzung des § 3 RDG ist indes nur unter den – hier nicht gegebenen – Voraussetzungen des § 20 RDG (insbesondere bei Inkassodienstleistungen) bußgeldbewährt. Mithin ist auf § 276 BGB zurückzugreifen.

III

Der Architekt haftet jedoch nicht für die Verwendung üblicher Bauvertrags-Formulare.

Architekten werden oftmals von den Bauherren mit der Formulierung von Bauverträgen “beauftragt“. Dem gegenüber ist festzuhalten, dass jedenfalls nach wohl herrschender Ansicht die Formulierung von Bauverträgen nicht in den Pflichtenkreis des Architekten gehört; auch die HOAI spricht lediglich von einer Zusammenstellung der Verdingungsunterlagen.

Die Formulierung von Bauverträgen, unter anderem auch von darin enthaltenen Vertragsstrafenregelungen, setzt ganz erheblich und detaillierte Kenntnisse des Bauvertragsrechtes voraus. Solche Kenntnisse haben in der Regel nur auf Baurecht spezialisierte Rechtsanwälte, nicht aber Architekten. Gleichwohl übernehmen es Architekten immer wieder, Bauverträge zu formulieren. Wie in oben besprochenem Urteil festgestellt muss ein Architekt, der eine Aufgabe übernimmt – selbst wenn ihm diese grundsätzlich gar nicht obliegt (und er auch kein zusätzliches Honorar dafür erhält) –, diese Aufgabe ordnungsgemäß und richtig zu erfüllen. Für Fehler wird der Architekt also haften müssen.

Die sachgerechte Vertragsgestaltung der Bauverträge sollte Fachjuristen überlassen werden, OLG Hamm , Urt. v. 28.11.2001 – 12 U 44/01-:

Ein Bauherr hatte dem Architekten unter anderem die sachgerechte Vertragsgestaltung der Handwerkerverträge überlassen. Der Architekt hatte daraufhin im Verhältnis zu den Handwerkern eines der üblichen Bauvertrags-Formulare verwandt. In dem Formular war auch eine Vertragsstrafenformulierung enthalten. Einer der Handwerker stellte seine Leistungen verspätet fertig. Der Bauherr wollte daraufhin die Vertragsstrafe gegen den Handwerker geltend machen. Hierbei stellte sich heraus, dass die Vertragsstrafenformulierung (wegen nicht ausdrücklich formulierter Verschuldensabhängigkeit) unwirksam war. Der Bauherr nahm daraufhin den Architekten in Haftung.

Das Gericht wies einen Anspruch gegen den Architekten zurück. Das Gericht stellt zwar fest, dass der Architekt objektiv gegen seine vertraglichen Pflichten verstoßen habe. Der Architekt habe dem Bauherrn die sachgerechte Vertragsgestaltung der Handwerkerverträge geschuldet. Der Handwerkervertrag weise allerdings objektiv einen Mangel auf, weil die vereinbarte Vertragsstrafe unwirksam sei. Allerdings scheitere der Schadensersatzanspruch des Bauherrn gegen den Architekten daran, dass ein Verschulden des Architekten an der Unwirksamkeit der Vertragsstrafenregelung nicht festgestellt werden könne.

Entgegen der Ansicht der Vorinstanz brauche ein Architekt keine Zweifel an der Wirksamkeit einer Klausel in einem üblichen Bauvertrags-Formular zu haben. Nur wenn er solche Zweifel hätte haben müssen, hätte der Architekt die Hinzuziehung eines Juristen als Sonderfachmann empfehlen müssen. Die vorliegende Vertragsstrafenregelung sei – wie dem Gericht bekannt – in einem gängigen Formular enthalten gewesen, auf dessen wirksamen Inhalt der Architekt habe vertrauen dürfen. Die Anforderungen an die Rechtkenntnisse des Architekten dürften nicht überspannt werden. Rechtliche Spezialkenntnisse, die über ein begrenztes Grundwissen hinausgehen, könnten von einem Architekten nicht verlangt werden. Insbesondere die Beurteilung des zulässigen Inhaltes von Vertragsstrafenklauseln setze eine so weitreichende Kenntnis von Rechtsprechungsgrundsätzen voraus, dass der Architekt hiermit überfordert sei.

Vor diesem Hintergrund ist Architekten folgendes dringend zu empfehlen: Soweit irgendwie möglich, sollten sie ihrem Bauherrn klar machen, dass sie nicht für die Formulierung von Bauverträgen zuständig sind; hierzu bedürfe es detaillierter Rechtskenntnisse, die von Architekten eben nicht verlangt werden können. Der Architekt kann den Bauherrn insoweit auch darauf hinweisen, dass er selbst (der Architekt) drohe sich wegen eines Verstoßes gegen das Rechtsberatungsgesetz ordnungswidrig zu verhalten, wenn er Bauverträge entwirft.

Der Architekt wird also im Zweifel lediglich ein übliches Bauvertrags-Formular vorlegen. Der Architekt wird im Zweifel den Bauherrn darauf aufmerksam machen, dass es sich um ein übliches Bauvertrags-Formular handelt und dass er für dessen Inhalt keine Verantwortung übernehmen kann. Nach dem oben besprochenen Urteil wird der Architekt auf diese Weise seine Haftungsrisiken jedenfalls erheblich mindern können. Ob und inwieweit die obige Rechtsprechung vor dem BGH standhält, bleibt abzuwarten.

AxProjects. Wir. Vermeiden. Probleme bei Bauprojekten – Wir sorgen für eine sachgerechte Bauprojektvorbereitung und -durchführung

AxProjects. Wir. Vermeiden. Probleme bei Bauprojekten - Wir sorgen für eine sachgerechte Bauprojektvorbereitung und -durchführung

Aufbau der Organisationsstruktur

Für jedes Bauvorhaben ist eine eigenständige Projektorganisation zu entwickeln. In der Aufbauorganisation ist die Organisationsstruktur mit personifizierter Verantwortung geregelt. In der Ablauforganisation wird der technisch und wirtschaftlich optimale Projektablauf organisiert. Die Gesamtaufgabe wird in Teilaufgaben zerlegt und deren zeitliche Abfolge sowie die entsprechenden Zuständigkeiten werden definiert. Erforderlich ist eine klare und konstruktive Rollenverteilung zwischen dem öffentlichen und dem privaten Bereich.

Dynamische Architektenverträge ja, …

Architektenverträge liegen im Baualltag in der Regel dynamischen Prozessen zugrunde. Ein funktionierendes Änderungsmanagement dient der Organisation von Anpassungen bereits geplanter und erledigter Aufgaben, wenn Vorgaben durch den Auftraggeber geändert werden. Der Auftraggeber ist berechtigt, Änderungen anzuordnen. Das Änderungsanordnungsrecht umfasst insbesondere den Leistungsumfang und die Leistungsziele. Der Auftraggeber kann ferner Änderungen des Entwurfs anordnen. Der Architekt ist verpflichtet, diese Änderungen nach Maßgabe dieses Vertrages auszuführen, soweit sein Betrieb hierauf eingerichtet ist und dies nicht unzumutbar ist. Ist die Anordnung eine Leistungsänderung, ist das Honorar unter den folgenden Voraussetzungen anzupassen.

… aber mit Änderungsmanagement auch in kostenmäßiger Hinsicht

Verlangt der Auftraggeber zusätzliche, nach diesem Vertrag nicht geschuldete Leistungen oder Wiederholungen von bereits vertragskonform fertiggestellten und freigegebenen Leistungen oder sonstige Änderungen zu den in diesem Vertrag vereinbarten Leistungen (nachfolgend zusammen auch „Leistungsänderungen”) und führt dies zu einem Mehraufwand des Auftragnehmers, ist das Honorar unter Saldierung von Mehr- und Minderaufwand und unter Fortschreibung der in diesem Vertrag vereinbarten Honorare entsprechend angemessen anzupassen. Änderungen werden nur dann vergütet, wenn der Auftragnehmer den Auftraggeber vor Beginn der Ausführung der geänderten Leistungen auf die zusätzliche Vergütungspflicht nach diesem Vertrag, den Umfang der Abweichung vom bislang geschuldeten Planungssoll sowie den voraussichtlichen Umfang des zusätzlichen Arbeits- und Zeitaufwandes schriftlich hinweist. Kommt es nicht zu einer Einigung über die zusätzliche Vergütung, gelten die gesetzlichen Regelungen. Der Auftragnehmer ist aber verpflichtet, auf schriftliche Anforderung des Auftraggebers seine Leistung auch dann sach- und fachgerecht zu erbringen, wenn eine Einigung über die Höhe der geänderten Vergütung noch nicht erfolgt ist. Ein Zurückbehaltungsrecht an der geforderten weiteren Leistung steht dem Auftragnehmer nur zu, wenn der Auftraggeber sich abschließend weigert, berechtigte zusätzliche Vergütungsansprüche dem Grunde nach anzuerkennen. Verlängern sich die vertraglich vorgesehenen Planungszeit und Bauzeit über die Vertragsfristen hinaus wesentlich und unvorhersehbar durch Umstände von ungewisser Dauer, die der Auftragnehmer nicht zu vertreten hat, sind die Parteien verpflichtet, eine Anpassung der Vergütung an die veränderten Umstände zu vereinbaren. Jedenfalls kann der Auftragnehmer dann verlangen, dass ihm der nachgewiesene Mehraufwand ersetzt wird. Wird die Durchführung des Vertrages wegen fehlender Mitwirkungshandlungen des Auftraggebers unterbrochen, und hat der Auftragnehmer den Auftraggeber fruchtlos zur Mitwirkung aufgefordert, so steht dem Auftragnehmer für die Dauer der Unterbrechung eine angemessene Entschädigung zu. Das gilt nicht für den Fall, dass die rechtlichen Voraussetzungen des Verzugs des Auftraggebers erfüllt sind. Es wird klargestellt, dass für Leistungen, die durch einen Mangel oder eine sonstige Vertragsverletzung des Auftragnehmers erforderlich werden (insbesondere Wiederholungen von Leistungen), von dem Auftragnehmer eine Honoraranpassung nicht verlangt werden kann. Es wird klargestellt, dass im Zusammenhang mit Anpassungen der Leistungen oder der Leistungsziele, die sich aus dem dynamischen Planungsprozess ergeben, eine Honoraranpassung von dem Auftragnehmer nicht verlangt werden kann. Eine Anpassung des Honorars wegen etwaiger Verlängerungen der in diesem Vertrag festgelegten Leistungszeiten kann der Auftragnehmer nur verlangen, wenn sich die Gesamtleistungszeit für die Leistungen um mehr als 6 Monate gegenüber der vorgesehenen Gesamtleistungszeit verlängert, ohne dass dies von dem Auftragnehmer zu vertreten ist. Verzögert sich der Leistungsbeginn, begründen die sich daraus ergebenden Terminverschiebungen keine Verlängerung der Gesamtleistungszeit im vorstehenden Sinne. Hat der Auftragnehmer einen Anspruch auf eine Anpassung der Vergütung wegen Verlängerungen der Leistungszeiten, berechnet sich diese nach dem durch die Verlängerung entstandenen nachgewiesenen Mehraufwand.

Kostenschätzung und Kostenberechnung müssen differenziert und angemessen erfolgen

Die Kostenschätzung und die Kostenberechnung sind gemäß DIN 276 und bereits mit Aufstellung von Mengengerüsten zu erstellen. Die Kostenberechnung ist bis in die dritte Ebene aufzugliedern. Bei der Kostenberechnung sind die kostenrelevanten Hauptbestandteile (z.B. Leistungsbereiche / Gewerke) nach Mengen und dazugehörigen Kosten zu untergliedern, um die Auswirkung von Änderungen der Ausstattungs- und Konstruktionsvorgaben nachvollziehen zu können. Die in der Kostenschätzung/Kostenberechnung angesetzten Kosten müssen nachweislich aktuellen Marktpreisen im Zeitpunkt der Erstellung der Kostenschätzung/Kostenberechnung entsprechen. Etwaige Baukostenrisiken – jedoch ohne allgemeine Preissteigerungen – sind in die Kostenschätzungen und Kostenberechnungen mit aufzunehmen. Die Beiträge der Fachplaner und Gutachter sind in die Kostenschätzung und Kostenberechnung zu integrieren. Die der Kostenberechnung nachlaufenden Planungen der Genehmigungsplanung dürfen nicht zu einer Änderung der Kostenberechnung führen. Es wird klargestellt, dass die Kostenobergrenzen Planungsvorgaben für die Leistungen des Architekten definieren und der Architekt hieraus und aus etwaigen Änderungen dieser Planungsvorgaben keinen Anspruch auf Anpassung des Honorars herleiten kann.

Kostenobergrenzen sind durch den Architekten einzuhalten

Der Architekt führt für seinen Bereich eine ständige Kostenkontrolle durch. Der Architekt hat sich mit allen Fachplanern und Gutachtern in jeder Leistungsphase stets eng hinsichtlich der Kosten abzustimmen, die Kostenplanungsbeiträge zu koordinieren und die Ergebnisse in der von ihm zu erstellenden Kostenschätzung und Kostenberechnung eigenverantwortlich zusammenzuführen. Der Architekt hat den Auftraggeber umfassend bezogen auf die Planung der Kosten zu beraten. Der Architekt hat den Auftraggeber über jede absehbare Kostenveränderung unverzüglich und schriftlich unter Angabe der Gründe zu unterrichten und geeignete Varianten vorzuschlagen, durch die absehbare Kostenerhöhungen vermieden werden können.

Dem Projektziel der Einhaltung der Kostenobergrenzen sind alle weiteren Projektziele unterzuordnen …

Ergibt sich im Laufe der Planung eine Überschreitung der Kostenobergrenze-Objektplanung, ist der Architekt ohne gesonderte Vergütung verpflichtet, diejenigen Umplanungen vorzunehmen, die die Einhaltung der Kostenobergrenze-Objektplanung ermöglichen, es sei denn, der Architekt kann darlegen, dass die Kostenüberschreitung auf Anordnungen des Auftraggebers zurückzuführen ist, über deren wirtschaftliche Auswirkungen der Architekt den Auftraggeber schriftlich aufgeklärt hat oder wenn Kostenerhöhungen aus von dem Architekten nicht zu vertretenden Umständen resultieren, die von dem Architekten im Rahmen seiner Planung trotz umfassender, intensiver Kostenplanung/ -kontrolle und ständiger Abstimmung mit allen Fachplanern und Gutachtern nicht berücksichtigt werden konnten.

Entscheidungen des Auftraggebers auf der Basis ausreichender, bewerteter Entscheidungsalternativen mit begründeten Empfehlungen

Müssen Entscheidungen des Auftraggebers eingeholt werden, hat der Auftragnehmer dem Auftraggeber unverzüglich ausreichende, bewertete Entscheidungsalternativen mit begründeten Empfehlungen vorzulegen und ihn bei der Entscheidungsfindung zu beraten. Erhält der Auftragnehmer Unterlagen oder Auskünfte vom Auftraggeber, insbesondere auch Planungsleistungen von im Auftrag des Auftraggebers tätigen Planern, so hat er diese auf ihre Verwertbarkeit zu überprüfen, insbesondere darauf, ob sie vollständig und zutreffend sind. Der Auftragnehmer ist zur Wahrung der Rechte und Interessen des Auftraggebers im Rahmen der ihm übertragenen Leistungen berechtigt und verpflichtet. Als unabhängiger Sachverwalter des Auftraggebers darf der Auftragnehmer keine konkurrierenden Interessen, insbesondere von Unternehmern oder Lieferanten, vertreten. Der Auftragnehmer ist nicht berechtigt, ohne ausdrückliche schriftliche Einwilligung rechtliche oder finanzielle Verpflichtungen für den Auftraggeber einzugehen. Der Auftragnehmer hat dem Auftraggeber auf dessen Verlangen über nach diesem Vertrag geschuldete Leistungen sowie beeinträchtigende Ereignisse regelmäßig und ohne besondere Vergütung Auskunft zu erteilen. Der Auftragnehmer hat den Auftraggeber darüber hinaus unverzüglich über alle wesentlichen Vorgänge, insbesondere wenn damit finanzielle Folgen verbunden sein können, unaufgefordert schriftlich zu informieren. Der Auftragnehmer hat die Anregungen und/ oder Anordnungen des Auftraggebers zu beachten. Hält der Auftragnehmer solche Anregungen oder Anordnungen für falsch oder nicht sachdienlich, so hat er dies dem Auftraggeber unter Darlegung seiner Gründe schriftlich mitzuteilen. Auftraggeber und Auftragnehmer werden sich bemühen, Einvernehmen herzustellen. Der Auftragnehmer ist verpflichtet, regelmäßige Planungs- und Projektbesprechungen zu organisieren, an denen die maßgeblichen Subplaner teilnehmen sollen. Der Auftraggeber ist dazu einzuladen.

Das Projektteam des Architekten ist unveränderlich …

Der Projektleiter und der stellvertretende Projektleiter müssen für die Leistungen aus diesem Vertrag umfassend zu Verfügung stehen, während der Arbeitszeiten ständig erreichbar sein und die Arbeiten tatsächlich selbst leiten. Der Projektleiter und der stellvertretende Projektleiter sind die vorrangigen Ansprechpartner des Auftraggebers, soweit dieser nicht etwas anderes bestimmt. Sie sind für den Auftragnehmer jeweils alleinvertretungsberechtigt. Der Auftragnehmer darf den Projektleiter oder den stellvertretenden Projektleiter nur mit Zustimmung des Auftraggebers ablösen. Der Auftraggeber ist zur Zustimmung nur verpflichtet, wenn für die Ablösung ein wichtiger Grund besteht und eine nachweislich mindestens ebenso qualifizierte Person an dessen Stelle tritt. Anderenfalls ist der Auftraggeber zur außerordentlichen Kündigung dieses Vertrages sowie zur Geltendmachung weitere Ansprüche berechtigt.
Wenn ein wichtiger Grund hierfür vorliegt, kann der Auftraggeber die unverzügliche Ersetzung des Projektleiters oder des Vertreters des Projektleiters verlangen. Der Auftragnehmer hat für dieses Projekt auch über die vorstehenden Leitungsmitglieder hinaus stets qualifiziertes Personal in dem erforderlichen Umfang einzusetzen.

Der Architekt ist zur umfassenden Koordination in seinem Leistungsbereich verpflichtet …

Seine Koordinationspflicht umfasst insbesondere die zeitliche und inhaltliche Koordination der eigenen Leistungen mit den Leistungen der weiteren Planungsbeteiligten, sowie die Koordination der Leistungen der weiteren Planungsbeteiligten untereinander. Der Auftragnehmer hat alle Schnittstellen vorausschauend und pro-aktiv zu organisieren, zu kontrollieren und dafür Sorge zu tragen, dass sich aus Schnittstellen zwischen den Planungsbeteiligten keine terminlichen, kostenmäßigen oder sonstigen negativen Auswirkungen ergeben, die durch eine ordnungsgemäße Koordination vermieden werden können. Der Auftragnehmer hat die Terminplanung in seinem Leistungsbereich so zu erstellen und mit den weiteren Planungsbeteiligten und dem Auftraggeber abzustimmen, dass die in diesem Vertrag vereinbarten Termine eingehalten werden können. Der Auftragnehmer erstellt eine Planung der Planung, stimmt diese mit allen Planungsbeteiligten ab und schreibt diese kontinuierlich fort. Er entwickelt aus dem Planungsterminplan detaillierte Planlieferlisten und legt diese dem Auftraggeber kontinuierlich vor. Bei Abweichungen zu dem Planungsterminplan oder den Planlieferlisten sind von dem Auftragnehmer entsprechende Anpassungsmaßnahmen in Abstimmung mit den Beteiligten zu entwickeln. Im Rahmen seiner Koordinationspflicht hat der Auftragnehmer bei Bedarf stets unverzüglich und im Übrigen mindestens wöchentlich Planungsbesprechungen mit allen von den jeweils als nächstes anstehenden Leistungen betroffenen weiteren Planungsbeteiligten zu organisieren, abzuhalten und zu leiten und zu dokumentieren. Hierzu ist der Auftraggeber jeweils rechtzeitig schriftlich einzuladen. Der Einladung ist eine Tagesordnung beizufügen. Der Auftraggeber kann verlangen, dass einzelne oder alle Planungsbesprechungen in den Räumen des Auftraggebers stattfinden. Der Auftragnehmer schuldet die Teilnahme an sämtlichen, von dem Auftraggeber, den weiteren Planungsbeteiligten oder Dritten einberufenen, seinen Leistungsbereich berührenden Besprechungen. Soweit der Auftragnehmer Besprechungen mit Behörden und in deren Auftrag tätiger Institutionen (z.B. TÜV, Gewerbeaufsicht, DEKRA, vorbeugender Brandschutz u.a.) durchführt, wird er den Auftraggeber hierüber rechtzeitig informieren und ihm die Teilnahme an diesen Besprechungen ermöglichen. Der Auftragnehmer ist im Rahmen seiner Koordinationsverpflichtung berechtigt, die weiteren Planungsbeteiligten nach Maßgabe der von dem Auftraggeber mit diesen getroffenen Vereinbarungen anzuweisen. Weist der Auftragnehmer einen weiteren Planungsbeteiligten an oder wird einer Weisung des Auftragnehmers keine Folge geleistet, hat er den Auftraggeber unverzüglich schriftlich zu informieren und den Auftraggeber umfassend schriftlich über den Sachverhalt aufzuklären. Weisungen des Auftragnehmers an weitere Planungsbeteiligte sind unter dem Vorbehalt auszusprechen, dass die zwischen dem Auftraggeber und dem weiteren Planungsbeteiligten vereinbarten Leistungen hierdurch nicht geändert werden.

Der Architekt muss wirklich mit dem Auftraggeber zusammenarbeiten …

Der Auftragnehmer hat auf Verlangen des Auftraggebers jederzeit projektbezogene Auskünfte schriftlich zu erteilen. Unvorhergesehene Ereignisse sind dem Auftraggeber unverzüglich mitzuteilen. Der Auftragnehmer hat aus seiner Sicht notwendige Entscheidungen des Auftraggebers bei dem Auftraggeber rechtzeitig in Form einer schriftlichen Entscheidungsvorlage einzuholen und den Auftraggeber darüber hinaus bei seiner Entscheidungsfindung zu beraten. Entscheidungsvorlagen müssen alle Informationen zu Kosten, Terminen, Qualitäten sowie die Auswirkungen auf den Betrieb enthalten und dem Auftraggeber mindestens zwei Wochen vor dem Termin für die Entscheidung zugehen. Der Auftragnehmer ist verpflichtet, an allen von dem Auftraggeber einberufenen Planungsbesprechungen mit seinem Projektleiter – oder in begründeten Ausnahmefällen mit dem Vertreter des Projektleiters – teilzunehmen. Der Auftragnehmer hat den Auftraggeber ständig über den Leistungsfortschritt zu unterrichten. Die Ergebnisse der Leistungen jeder Leistungsphase gemäß § 34 HOAI sind nach Abschluss sämtlicher Leistungen der jeweiligen Leistungsphase und bei Bedarf zusätzlich nach Anforderung des Auftraggebers schriftlich vorzustellen. Eine Teilabnahme ist damit nicht verbunden. Die Ergebnisse der Leistungen jeder Leistungsphase gemäß § 34 HOAI müssen von dem Auftragnehmer mit den weiteren Planungsbeteiligten den Behörden, Nachbarn und sonstigen Beteiligten abgestimmt sein. Dasselbe gilt für alle von dem Auftragnehmer dem Auftraggeber mitgeteilten wesentlichen Zwischenstände, soweit der Auftragnehmer nicht ausdrücklich darauf hinweist, dass eine entsprechende Abstimmung noch nicht erfolgt ist; in diesem Fall ist die Abstimmung bis zum Abschluss der jeweiligen Leistungsphase herbeizuführen.
Der Auftragnehmer hat alle Anordnungen des Auftraggebers unverzüglich zu befolgen, es sei denn das Verlangen des Auftraggebers wäre unbillig. Ist die Anordnung eine Leistungsänderung, ist das Honorar nach den Regeln des Vertrags anzupassen. Die Haftung des Auftragnehmers für die Richtigkeit und Vollständigkeit seiner Leistungen wird durch die Anregungen, Anordnungen oder Zustimmungen des Auftraggebers nicht eingeschränkt. § 254 BGB (Mitverschulden) bleibt unberührt. Der Auftragnehmer ist gegenüber dem Auftraggeber verpflichtet, im Hinblick auf sämtliche ihm zugänglichen Kenntnisse und Informationen über das Bauvorhaben Dritten gegenüber Verschwiegenheit zu wahren. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die Mitwirkung des Auftragnehmers bei Vermietung und Verkauf des Objektes sowie an der Vorbereitung der Vergabe und am Vergabeverfahren. Der Auftragnehmer ist dem Auftraggeber gegenüber verpflichtet, den Vertretern der Medien für Interviews zur Verfügung zu stehen. Sofern Medienvertreter sich direkt an den Auftragnehmer wenden, verweist der Auftragnehmer diese an den Auftraggeber. Interviews oder Erklärungen werden erst nach Abstimmung mit dem Auftraggeber gewährt bzw. abgegeben. Der Auftragnehmer hat auch insoweit strikte Vertraulichkeit zu wahren.

Klare Identifikation und Formulierung der Bauaufgabe

Dreh- und Angelpunkt des eigentlichen Bauvorhabens sind vor allem die definierten Bauaufgaben. Die Identifikation und Formulierung der Bauaufgabe obliegt dem Bauherrn und seinen Planern. Umso klarer diese gleich zu Beginn definiert sind, umso genauer kann ein Auftragnehmer die voraussichtlichen Baukosten kalkulieren und in sein Angebot aufnehmen. Erforderlich ist eine fundierte Ausschreibung. Eine fundierte Ausschreibung kann aber erst nach einer sorgfältigen Vorplanung erstellt werden. Eine mangelhafte Vorplanungsphase führt zu Problemen. Je detaillierter eine Vorplanung ausgestaltet ist, umso näher wird man an den Kostenschätzungen liegen. Eine detaillierte Vorplanung ist zwar mit höheren Vorkosten verbunden; was aber nicht geht ist, dass das Bauprojekt zu früh und zu niedrig budgetiert ausgeschrieben wird. Beauftragungen dürfen erst dann stattfinden, wenn die Planung abgeschlossen ist.

Was für eine Ausschreibung benötigt wird …

Anhand der VOB/A:

Welche Eignungsnachweise werden gefordert?

(1) Zum Nachweis ihrer Eignung ist die Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit der Bewerber oder Bieter zu prüfen. Bei der Beurteilung der Zuverlässigkeit werden Selbstreinigungsmaßnahmen in entsprechender Anwendung des § 6f EU Absatz 1 und 2 berücksichtigt.

(2) Der Nachweis umfasst die folgenden Angaben:

1. den Umsatz des Unternehmens jeweils bezogen auf die letzten drei abgeschlossenen Geschäftsjahre, soweit er Bauleistungen und andere Leistungen betrifft, die mit der zu vergebenden Leistung vergleichbar sind, unter Einschluss des Anteils bei gemeinsam mit anderen Unternehmen ausgeführten Aufträgen,

2. die Ausführung von Leistungen in den letzten bis zu fünf abgeschlossenen Kalenderjahren, die mit der zu vergebenden Leistung vergleichbar sind. Um einen ausreichenden Wettbewerb sicherzustellen, kann der Auftraggeber darauf hinweisen, dass auch einschlägige Bauleistungen
berücksichtigt werden, die mehr als fünf Jahre zurückliegen,

3. die Zahl der in den letzten drei abgeschlossenen Kalenderjahren jahres
durchschnittlich beschäftigten Arbeitskräfte, gegliedert nach Lohngruppen mit gesondert ausgewiesenem technischem Leitungspersonal,

4. die Eintragung in das Berufsregister ihres Sitzes oder Wohnsitzes, sowie Angaben,

5. ob ein Insolvenzverfahren oder ein vergleichbares gesetzlich geregeltes Verfahren eröffnet oder die Eröffnung beantragt worden ist oder der Antrag mangels Masse abgelehnt wurde oder ein Insolvenzplan rechtskräftig bestätigt wurde,

6. ob sich das Unternehmen in Liquidation befindet,

7. dass nachweislich keine schwere Verfehlung begangen wurde, die die Zuverlässigkeit als Bewerber oder Bieter in Frage stellt,

8. dass die Verpflichtung zur Zahlung von Steuern und Abgaben sowie der Beiträge zur Sozialversicherung ordnungsgemäß erfüllt wurde,

9. dass sich das Unternehmen bei der Berufsgenossenschaft angemeldet hat.

(3) Andere, auf den konkreten Auftrag bezogene zusätzliche, insbesondere für die Prüfung der Fachkunde geeignete Angaben können verlangt werden.

(4) Der Auftraggeber wird andere ihm geeignet erscheinende Nachweise der wirtschaftlichen und finanziellen Leistungsfähigkeit zulassen, wenn er feststellt,
dass stichhaltige Gründe dafür bestehen.

Wie erfolgt die Nachweisführung?

(1) Der Nachweis der Eignung kann mit der vom Auftraggeber direkt abrufbaren Eintragung in die allgemein zugängliche Liste des Vereins für die Präqualifikation von Bauunternehmen e. V. (Präqualifikationsverzeichnis) erfolgen.

(2) Die Angaben können die Bewerber oder Bieter auch durch Einzelnachweise erbringen. Der Auftraggeber kann dabei vorsehen, dass für einzelne Angaben Eigenerklärungen ausreichend sind. Eigenerklärungen, die als vorläufiger Nachweis dienen, sind von den Bietern, deren Angebote in die engere Wahl kommen, oder von den in Frage kommenden Bewerbern durch entsprechende Bescheinigungen der zuständigen Stellen zu bestätigen.

(3) Der Auftraggeber verzichtet auf die Vorlage von Nachweisen, wenn die den Zuschlag erteilende Stelle bereits im Besitz dieser Nachweise ist.

(4) Bei Öffentlicher Ausschreibung sind in der Aufforderung zur Angebotsabgabe die Nachweise zu bezeichnen, deren Vorlage mit dem Angebot verlangt oder deren spätere Anforderung vorbehalten wird. Bei Beschränkter Ausschreibung mit Teilnahmewettbewerb ist zu verlangen, dass die Eigenerklärungen oder Nachweise bereits mit dem Teilnahmeantrag vorgelegt werden.

(5) Bei Beschränkter Ausschreibung und Freihändiger Vergabe ist vor der Aufforderung zur Angebotsabgabe die Eignung der Unternehmen zu prüfen. Dabei sind die Unternehmen auszuwählen, deren Eignung die für die Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen notwendige Sicherheit bietet; dies bedeutet, dass sie die erforderliche Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit besitzen und über ausreichende technische und wirtschaftliche Mittel verfügen.

Komplette Vergabeunterlagen …

Die Vergabeunterlagen bestehen aus

1. dem Anschreiben (Aufforderung zur Angebotsabgabegemäß Absatz 2 Nummer 1 bis3), gegebenenfalls Teilnahmebedingungen (Absatz 2 Nummer 6) und

2. den Vertragsunterlagen (§§ 7 bis 7c und 8a).

(2) 1. Das Anschreiben muss alle Angaben nach §12 Absatz 1 Nummer 2 enthalten, die außer den Vertragsunterlagen für den Entschluss zur Abgabe eines Angebots notwendig sind, sofern sie nicht bereits veröffentlicht wurden.

2. In den Vergabeunterlagen kann der Auftraggeber die Bieter auffordern, in ihrem Angebot die Leistungen anzugeben, die sie an Nachunternehmen zu vergeben beabsichtigen.

3. Der Auftraggeber hat anzugeben:

a) ob er Nebenangebote nicht zulässt,

b) ob er Nebenangebote ausnahmsweise nur in Verbindung mit einem Hauptangebot zulässt. Die Zuschlagskriterien sind so festzulegen, dass sie sowohl auf Hauptangebote als auch auf Nebenangebote anwendbar sind. Es ist dabei auch zulässig, dass der Preis das einzige Zuschlagskriterium ist. Von Bietern, die eine Leistung anbieten, deren Ausführung nicht in Allgemeinen Technischen Vertragsbedingungen oder in den Vergabeunterlagen geregelt ist, sind im Angebot entsprechende Angaben über Ausführung und Beschaffenheit dieser Leistung zu verlangen. Der Auftraggeber kann in den Vergabeunterlagen angeben, dass er die Abgabe mehrerer Hauptangebote nicht zulässt.

5. Der Auftraggeber hat an zentraler Stelle in den Vergabeunterlagen abschließend alle Unterlagen im Sinne von §16a Absatz 1 mit Ausnahme von Produktangaben anzugeben.

6. Auftraggeber, die ständig Bauleistungen vergeben, sollen die Erfordernisse, die die Unternehmen bei der Bearbeitung ihrer Angebote beachten müssen, in den Teilnahmebedingungen zusammenfassen und dem Anschreiben beifügen.

Vernünftige Vertragsbedingungen …

In den Vergabeunterlagen ist vorzuschreiben, dass die Allgemeinen Vertragsbedingungen für die Ausführung von Bauleistungen (VOB/B) und die Allgemeinen Technischen Vertragsbedingungen für Bauleistungen (VOB/C) Bestandteile des Vertrags werden. Das gilt auch für etwaige Zusätzliche Vertragsbedingungen und etwaige Zusätzliche Technische Vertragsbedingungen, soweit sie Bestandteile des Vertrags werden sollen.

(2) 1. Die Allgemeinen Vertragsbedingungen bleiben grundsätzlich unverändert. Sie können von Auftraggebern, die ständig Bauleistungen vergeben, für die bei ihnen allgemein gegebenen Verhältnisse durch Zusätzliche Vertragsbedingungen ergänzt werden. Diese dürfen den Allgemeinen Vertragsbedingungen nicht widersprechen.

2. Für die Erfordernisse des Einzelfalles sind die Allgemeinen Vertragsbedingungen und etwaige Zusätzliche Vertragsbedingungen durch Besondere Vertragsbedingungen zu ergänzen. In diesen sollen sich Abweichungen von den Allgemeinen Vertragsbedingungen auf die Fälle beschränken, in denen dort besondere Vereinbarungen ausdrücklich vorgesehen sind und auch nur soweit es die Eigenart der Leistung und ihre Ausführung erfordern.

(3) Die Allgemeinen Technischen Vertragsbedingungen bleiben grundsätzlich unverändert. Sie können von Auftraggebern, die ständig Bauleistungen vergeben, für die bei ihnen allgemein gegebenen Verhältnisse durch Zusätzliche Technische Vertragsbedingungen ergänzt werden. Für die Erfordernisse des Einzelfalles sind Ergänzungen und Änderungen in der Leistungsbeschreibung festzulegen.

(4) 1. In den Zusätzlichen Vertragsbedingungen oder in den Besonderen Vertragsbedingungen sollen, soweit erforderlich, folgende Punkte geregelt werden:

a) Unterlagen (§ 8b Absatz 3; § 3 Absatz 5 und 6 VOB/B),

b) Benutzung von Lager- und Arbeitsplätzen, Zufahrtswegen, Anschlussgleisen, Wasser- und Energieanschlüssen (§ 4 Absatz 4 VOB/B),

c) Weitervergabe an Nachunternehmen (§ 4 Absatz 8 VOB/B),

d) Ausführungsfristen (§ 9; § 5 VOB/B),

e) Haftung (§ 10 Absatz 2 VOB/B),

f) Vertragsstrafen und Beschleunigungsvergütungen (§9a; 11 VOB/B),

g) Abnahme (§ 12 VOB/B),

h) Vertragsart (§§ 4, 4a), Abrechnung (§ 14 VOB/B),

i) Stundenlohnarbeiten (§ 15 VOB/B),

j) Zahlungen, Vorauszahlungen (§ 16 VOB/B),

k) Sicherheitsleistung (§ 9c; § 17 VOB/B),

l) Gerichtsstand (§ 18 Absatz 1 VOB/B),

m) Lohn- und Gehaltsnebenkosten,

n) Änderung der Vertragspreise (§ 9d).

2. Im Einzelfall erforderliche besondere Vereinbarungen über die Mängelansprüche sowie deren Verjährung (§ 9b; § 13 Absatz 1, 4 und 7 VOB/B) und über die Verteilung der Gefahr bei Schäden, die durch Hochwasser, Sturmfluten, Grundwasser, Wind, Schnee, Eis und dergleichen entstehen können (§ 7 VOB/B), sind in den Besonderen Vertragsbedingungen zu treffen. Sind für bestimmte Bauleistungen gleichgelagerte Voraussetzungen im Sinne von §9b gegeben, so dürfen die besonderen Vereinbarungen auch in Zusätzlichen Technischen Vertragsbedingungen vorgesehen werden.

Klare Fristenregelungen …

(1) 1. Die Ausführungsfristen sind ausreichend zu bemessen; Jahreszeit, Arbeitsbedingungen und etwaige besondere Schwierigkeiten sind zu berücksichtigen. Für die Bauvorbereitung ist dem Auftragnehmer genügend Zeit zu gewähren.

2. Außergewöhnlich kurze Fristen sind nur bei besonderer Dringlichkeit vorzusehen.

3. Soll vereinbart werden, dass mit der Ausführung erst nach Aufforderung zu beginnen ist (§ 5 Absatz 2 VOB/B), so muss die Frist, innerhalb derer die Aufforderung ausgesprochen werden kann, unter billiger Berücksichtigung der für die Ausführung maßgebenden Verhältnisse zumutbar sein; sie ist in den Vergabeunterlagen festzulegen.

(2) 1. Wenn es ein erhebliches Interesse des Auftraggebers erfordert, sind Einzelfristen für in sich abgeschlossene Teile der Leistung zu bestimmen.

2. Wird ein Bauzeitenplan aufgestellt, damit die Leistungen aller Unternehmen sicher ineinandergreifen, so sollen nur die für den Fortgang der Gesamtarbeit besonders wichtigen Einzelfristen als vertraglich verbindliche Fristen (Vertragsfristen) bezeichnet werden.

(3) Ist für die Einhaltung von Ausführungsfristen die Übergabe von Zeichnungen oder anderen Unterlagen wichtig, so soll hierfür ebenfalls eine Frist festgelegt werden. 

(4) Der Auftraggeber darf in den Vertragsunterlagen eine Pauschalierung des Verzugsschadens (§ 5 Absatz 4 VOB/B) vorsehen; sie soll fünf Prozent der Auftragssumme nicht überschreiten. Der Nachweis eines geringeren Schadens ist zuzulassen.

Regelungen zu Vertragsstrafen, Beschleunigungsvergütung

Vertragsstrafen für die Überschreitung von Vertragsfristen sind nur zu vereinbaren, wenn die Überschreitung erhebliche Nachteile verursachen kann. Die Strafe ist in angemessenen Grenzen zu halten. Beschleunigungsvergütungen (Prämien) sind nur vorzusehen, wenn die Fertigstellung vor Ablauf der Vertragsfristen erhebliche Vorteile bringt.

Regelungen zur Verjährung der Mängelansprüche

Andere Verjährungsfristen als nach § 13 Absatz 4 VOB/B sollen nur vorgesehen werden, wenn dies wegen der Eigenart der Leistung erforderlich ist. In solchen
Fällen sind alle Umstände gegeneinander abzuwägen, insbesondere, wann etwaige Mängel wahrscheinlich erkennbar werden und wieweit die Mängelursachen noch nachgewiesen werden können, aber auch die Wirkung auf die Preise und die Notwendigkeit einer billigen Bemessung der Verjährungsfristen für Mängelansprüche.

Regelungen zur Sicherheitsleistung

(1) Auf Sicherheitsleistung soll ganz oder teilweise verzichtet werden, wenn Mängel der Leistung voraussichtlich nicht eintreten. Unterschreitet die Auftrags-
summe 250000 Euro ohne Umsatzsteuer, ist auf Sicherheitsleistung für die Vertragserfüllung und in der Regel auf Sicherheitsleistung für die Mängelansprüche zu verzichten. Bei Beschränkter Ausschreibung sowie bei Freihändiger Vergabe sollen Sicherheitsleistungen in der Regel nicht verlangt werden.

(2) Die Sicherheit soll nicht höher bemessen und ihre Rückgabe nicht für einen späteren Zeitpunkt vorgesehen werden, als nötig ist, um den Auftraggeber vor Schaden zu bewahren. Die Sicherheit für die Erfüllung sämtlicher Verpflichtungen aus dem Vertrag soll fünf Prozent der Auftragssumme nicht überschreiten. Die Sicherheit für Mängelansprüche soll drei Prozent der Abrechnungssumme nicht überschreiten.

Möglichst keine Inanspruchnahme des einseitigen Änderungsrechts durch den Auftraggeber

Sind die genauen Anforderungen und Ansprüche an ein Bauvorhaben in der Vorplanung noch nicht definiert worden, so wird dies zwangsweise während der Planungsphase oder spätestens während der Bauausführung geschehen. Dies bedeutet, dass neue Anforderungen in neue Planungen umgesetzt werden müssen. Je nach der Größe der neuen Anforderung, hat die Planungsänderung unter Umständen erheblichen Einfluss auf die Gesamtkosten des Bauprojekts und ebenfalls immensen Einfluss auf vereinbarte Fertigstellungstermine. Die Änderungen haben massive Umplanungsmaßnahmen zur Folge. Das Verfehlen der Projektziele ist vorprogrammiert.

Und führt zu Auslegungsdiskussionen …

Für die Abgrenzung, welche Arbeiten von der vertraglich vereinbarten Leistung erfasst sind und welche Leistungen zusätzlich zu vergüten sind, kommt es auf den Inhalt der Leistungsbeschreibung an (BGH, Urt. v. 27.07.2006 – VII ZR 2002/04). Welche Leistungen von dieser umfasst sind, ist durch Auslegung der vertraglichen Vereinbarung der Parteien zu ermitteln (BGH a.a.O.; KG, Urt. v. 09.05.2017 – 21 U 97/15.). Bei einem Widerspruch zwischen LV und beigefügten Plänen gibt es keine allgemeine Regel, wonach dieser zu Lasten einer bestimmten Vertragspartei zu lösen ist (Kammergericht, Urteil vom 27.08.2019 – 21 U 160/19). Weder kann gesagt werden, dass jede Unklarheit einen Verstoß gegen die Pflicht des AG zu umfassender Leistungsbeschreibung darstellt und deshalb zu seinen Lasten zu lösen ist. Noch ist es richtig, eine allgemeine Pflicht des AN zu fordern, auf jede Unklarheit im LV hinzuweisen, so dass offene Punkte zu seinen Lasten gehen (Kammergericht, Urteil vom 27.08.2019 – 21 U 160/19). Der Plan geht dem LV dann vor, wenn aus Sicht einer objektiven Vertragspartei dem Plan eine besondere Bedeutung für die Bestimmung der vertraglichen Leistung und ihrer Vergütung zukommt (Kammergericht, Urteil vom 27.08.2019 – 21 U 160/19). Es muss davon ausgegangen werden, dass ein Unternehmer der bei der Erstellung seines Angebots das LV durchgeht, sich nicht darauf beschränkt, den Text der Einzelpositionen zu bepreisen, sondern dass er dabei auch die Pläne zu Rate zieht (Kammergericht, Urteil vom 27.08.2019 – 21 U 160/19). Es liegt in der Funktionsverantwortung des AG, eindeutige Unterlagen zu erstellen. Es besteht daher kaum ein Anlass diesen zu begünstigen wenn er es nicht schafft, in sich widerspruchsfreie Unterlagen vorzulegen. Sind die Pläne eindeutig i.S.v. § 7b Abs. 2 VOB/A, muss der Bieter davon ausgehen, dass sie für die Ausführung maßgebend sind. Bei Unstimmigkeiten gelten die Auslegungsregeln. Sind die Pläne nicht eindeutig i. S. d. § 7b Abs. 2 VOB/A, sind sie zwar Bestandteil der Ausschreibungsunterlagen, jedoch kann der Bieter davon ausgehen, dass sie nicht für die Ausführung maßgebend sind. Nur dann gilt in der Tat Text vor Plan.

Auftragnehmer kann das Leistungsverzeichnis in diesem VOB/A-konformen Sinne verstehen …

Kann ein Leistungsverzeichnis, das einer Ausschreibung nach VOB/A zugrunde liegt, auch so ausgelegt werden, dass es den Anforderungen von § 7 VOB/A entspricht, so darf der Auftragnehmer das Leistungsverzeichnis in diesem VOB/A-konformen Sinne verstehen (BGH BauR 1997, 466). Eine Berufung auf § 7 VOB/A ist somit nur möglich bei Auslegungszweifeln. Gelangt man über die Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont zu dem Ergebnis, dass zwei Auslegungsvarianten möglich sind, wobei eine dem Auftragnehmer kein ungewöhnliches Wagnis zumutet, dann ist letztere Auslegung maßgeblich. § 7 VOB/A ist jedenfalls für öffentliche Ausschreibungen zu entnehmen, dass der Auftraggeber dem Auftragnehmer im Zweifel kein ungewöhnliches Wagnis auferlegen will (BGH BauR 1994, 236 („Wasserhaltung II“)). Ein Verstoß gegen § 7 VOB/A hat somit nur mittelbare, nicht aber unmittelbare Auswirkungen. Lediglich im vorstehend genannten Ausnahmefall, wenn auch nach Auslegung zwei Auslegungsvarianten möglich sind, wobei eine dem Auftragnehmer ein ungewöhnliches Wagnis zumutet, so kann der Auftragnehmer dies im Sinne einer VOB/A-konformen Auslegung verstehen. Der Grundsatz der VOB/A-konformen Auslegung führt somit zu einer Einschränkung des Auslegungsgrundsatzes nach dem objektiven Empfängerhorizont. In diesem Fall wird diese mit einem ungewöhnlichen Wagnis verbundene Auslegungsvariante gar nicht Bau-Soll. Tritt dieses ungewöhnliche Wagnis dennoch ein, so liegt eine Bau-Soll-/Bau-Ist-Abweichung vor mit einem entsprechenden nachtragsrelevanten Sachverhalt. Es ist stets zu prüfen, ob in einem derartigen Fall dem Auftragnehmer Vergütungsansprüche zustehen. Nach der Rechtsprechung des BGH kann es Schadenersatzansprüche aus „Verschulden bei Vertragsschluss“ geben, wenn der Bieter deshalb Nachteile erleidet, weil er – im Ergebnis zu Unrecht – auf die Einhaltung der VOB/A vertraut hat (BGH BauR 1992, 759).

Besonderheiten des VOB/B-Vertrags …

Eine der Besonderheiten eines VOB/B-Vertrags besteht darin, dass der Auftragnehmer auch Leistungen ausführen muss, die vom Auftraggeber „nur“ angeordnet wurden. Der Auftraggeber kann also Leistungen einseitig anordnen. Der Auftragnehmer ist verpflichtet die Bauleistungen (nach Maßgabe der § 1 Abs. 3 und 4 VOB/B) auszuführen. Wenn aber eine Partei eine Leistung einseitig anordnen kann, dann muss der anderen Partei gezwungenermaßen das Recht zustehen, dafür eine Vergütung zu verlangen. Dieses Recht ist in § 2 Abs. 5 und 6 VOB/B für den Auftragnehmer verbrieft. Es besteht also ein Automatismus: Ordnet der Auftraggeber eine Änderungsleistung oder eine zusätzliche Leistung an, dann muss er sie auch vergüten. Dagegen hängt ein Vergütungsanspruch des Auftragnehmers bei einem VOB/B-Vertrag nicht davon ab, dass auch ein Vertrag über die Nachtragsleistung zustande kommt. Insbesondere bedarf es keines „Auftrags“ des Auftraggebers. Eine bloße Anordnung genügt.

Und dann geht die Diskussion erst los …

Im Fall von Nachträgen kann der Auftragnehmer beim VOB/B-Vertrag nicht frei kalkulieren. Er muss die Nachtragsvergütung auf Basis der Ursprungskalkulation ermitteln (§ 2 Abs. 5 und 6 Nr. 2 VOB/B). Dazu muss er insbesondere die Kalkulationsbestandteile der Ursprungskalkulation fortschreiben (z.B. die Höhe der Umlage für die allgemeinen Geschäftskosten). Ob der Auftragnehmer diese Grundsätze einhält, kann der Auftraggeber nur bei Vorlage der Ursprungskalkulation prüfen. Der Auftragnehmer muss die Urkalkulation daher spätestens bei einem Streit über die Höhe der Nachtragsvergütung offenlegen. Indes eröffnet der Auftraggeber dem Auftragnehmer erhebliche „Gestaltungsspielräume“, wenn er die Vorlage der Ursprungskalkulation erst dann fordert, wenn tatsächlich Nachträge im Raum stehen. Dann nämlich kann der Auftragnehmer versuchen, die Ursprungskalkulation nachträglich möglichst so anzupassen, dass sich daraus ein möglichst hoher Nachtrag ergibt. Deshalb sollte der Auftraggeber unbedingt schon im Bauvertrag vereinbaren, dass der Auftragnehmer bei Vertragsabschluss (oder kurz danach) seine Ursprungskalkulation zu hinterlegen hat. Dabei mag die Hinterlegung zunächst in einem geschlossenen Umschlag erfolgen, um den Geheimhaltungsinteressen des Auftragnehmers gerecht zu werden. Im Vertrag sollte aber das Recht des Auftraggebers geregelt sein, den Umschlag im Streitfall über die Höhe von Nachträgen zu öffnen.

Kooperationskultur etablieren

Bauprojekte gehen häufig mit Konflikten zu Terminen, entstehenden Kosten und Qualität einher. Gerade Auftragnehmer in GU-Projekten sind oftmals gut auf solche Situationen eingestellt und agieren auf Augenhöhe mit dem Auftraggeber. Wichtig ist zunächst, dass eine Kooperationskultur etabliert wird, etwa durch eine gemeinsam entwickelte und unterschriebene Projektcharta und gemeinsame Kick-off-Termine der beteiligten Personen. Einige Konflikte lassen sich dadurch vermeiden, dass das bauausführende Unternehmen möglichst frühzeitig in die Planung einbezogen wird. Durch vertragliche Anreizmodelle wie Beschleunigungs- und Kostenoptimierungsprämien können die Interessen des Generalunternehmers sowie des Auftraggebers besonders wirkungsvoll in Einklang gebracht werden. Da eine schnelle baubegleitende Konfliktlösung in aller Regel kostengünstiger und besser für den Projekterfolg ist, ist es zielführend, außergerichtliche Konfliktlösungsmöglichkeiten festzulegen. Die Parteien können insbesondere interne Streitbeilegungsmechanismen, Schlichtungsverfahren, Adjudikation durch einen unabhängigen sachverständigen Experten oder letztlich eine Schiedsklausel vereinbaren.

Risiko- und Änderungsmanagement umsetzen

Das Projektmanagement muss gewünschte Änderungen sorgfältig hinsichtlich der Technik, des Budgets und des Zeitplans analysieren. Änderungen dürfen erst freigegeben werden, wenn diese auf alle möglichen Einflussfaktoren untersucht wurden. Zusätzlich muss es dem Projektmanagement möglich sein, die Anordnung von Änderungen zu stoppen, sollten sich noch ungeklärte Fragen ergeben, wie zum Beispiel ungeklärte Kostenübernahmen oder Unklarheiten bei technischen Details.

Koordination der Schnittstelle Planung/ Bau

Ein weiteres Problem bei der Durchführung von Großbauprojekten stellt die mangelnde Koordination der Schnittstelle zwischen der Planung und der Bauausführung dar. In der Baupraxis wird Größtenteils eine baubegleitende Planung angewendet. Dies bedeutet nicht, dass das Gesamtprojekt zuerst komplett zu Ende geplant wird und dann mit der Bauausführung begonnen wird; es wird vielmehr etwas zeitversetzt mit der Ausführung begonnen.

Abstimmung zwischen TGA und Rohbau

TGA und Rohbau sind aufeinander abzustimmen. Schnittstellen sind genau zu bestimmen. Mängel ergeben sie sich aus dem Fehlen vorher definierter Schnittstellen.

VertragsMan Bau ® – Professionelle Prüfung von Nachträgen

VertragsMan Bau ® - Professionelle Prüfung von Nachträgen

Lassen Sie sich durch uns qualifiziert unterstützen: Wir prüfen Bau-Nachträge klar strukturiert, rechtssicher und nachvollziehbar dokumentiert wie folgt:

Unser Nachtragsmanagement

1. Nachträge

1.1 Allgemeines
1.2 Überschreitung des Mengenansatzes (§ 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B)
1.3 Unterschreitung des Mengenansatzes (§ 2 Abs. 3 Nr. 3 VOB/B)
1.4 Übernahme von beauftragten Leistungen durch die Auftraggeberin/ den Auftraggeber (§ 2 Abs. 4 VOB/B)
1.5 Änderung der Leistungen oder andere Anordnungen der AG/ des AG (§ 2 Abs. 5 VOB/B)
1.6 Zusätzliche Leistung (§ 2 Abs. 6 VOB/B)
1.7 Vergütungsanpassung bei vereinbarten Pauschalsummen (§ 2 Abs. 7 VOB/B)
1.8 Leistungen des Auftragnehmers ohne Auftrag (§ 2 Abs. 8 VOB/B)
1.9 Vom AG verlangte Zeichnungen, Berechnungen oder andere Unterlagen (§ 2 Abs. 9 VOB/B)
1.10 Stundenlohnarbeiten (§ 2 Abs. 10 VOB/B)
1.11 Wegfall von Teilleistungen (§ 8 Abs. 1 VOB/B)
1.12 Änderung des Bauvertrages zum Nachteil der AG/ des AG (z. B. § 58 LHO)

1. Nachträge

1.1 Allgemeines

1.1.1 Erforderliche Änderungen oder Ergänzungen des Bauvertrages sind in einer schriftlich zu vereinbarenden Nachtragsvereinbarung vorzunehmen.
Die Leistungsbeschreibung der Nachträge hat eindeutig und erschöpfend im Sinne von § 7 VOB/A zu erfolgen. Dabei sind – soweit möglich – Texte des Standardleistungskataloges (STLK) zu verwenden. Insbesondere sollen hierbei auch die den Preis bestimmenden Faktoren, wie z. B. Transportweiten, Abmessungen, Material im Positionstext ausgewiesen sein.

1.1.2 Die Nachträge sind zeitnah, möglichst vor Ausführung der Leistungen, abschließend zu bearbeiten. Der gesamte Bearbeitungsvorgang von jedem Nachtrag ist in der Regel im Vermerk Nachtragsbearbeitung festzuhalten, der den Vertragsunterlagen beizufügen ist. Verzögert sich – aus welchen Gründen auch immer – eine zeitnahe Nachtragsvereinbarung, ist wegen der erhöhten Kooperationspflicht beider Parteien beim VOB/B-Vertrag das unbestrittene Guthaben analog § 16 Abs. 3 Nr. 1 Satz 3 VOB/B unverzüglich zu zahlen. Kommt eine Vereinbarung nicht vor, während oder nach der Ausführung geänderter oder zusätzlicher Leistung(en) zustande, so ist vom Auftraggeber die Höhe der Vergütung auf den vertraglichen Grundlagen bzw. nach § 632 Abs. 2 BGB einseitig festzulegen und der weiteren Vertragsabwicklung zu Grunde zu legen.

1.1.3 Vor Abschluss eines Nachtrages ist zu prüfen, ob die Voraussetzungen hierfür nach dem Bauvertrag vorliegen. Verlangt der Auftragnehmer einen Nachtrag unter Bezug auf Unklarheiten in den Vergabeunterlagen, so ist zu prüfen, ob er seiner Hinweispflicht nachgekommen ist; ansonsten ist der Nachtrag abzulehnen. Im Vermerk Nachtragsbearbeitung sind sämtliche mit dem betreffenden Sachverhalt zusammenhängende Regelungen festzuhalten. Hierzu gehört insbesondere die OZ-weise Prüfung der Nachtragspositionen hinsichtlich nachfolgender Punkte:
– ist die Nachtragsposition Bestandteil der vertraglichen Leistung (§ 2 Abs. 1 VOB/B),
– ist die Nachtragsposition vollständig und prüffähig,
– welche Anspruchsgrundlage ist einschlägig,
– Prüfung der Elemente der Preisermittlung der Nachtrags-OZ unter Berücksichtigung der Leistungs-
und Mengenansätze.
Vorgenannte Sachverhaltsfeststellungen sind schriftlich zu dokumentieren. Hierzu kann das Formular OZ-weise Prüfung Nachtrag oder eine mit den entsprechenden Angaben ausgefüllte Excel-Tabelle verwendet werden. Die jeweilige Unterlage ist als Anlage dem Vermerk
Nachtragsbearbeitung beizufügen.

1.1.4 Weiterhin ist zu beachten, dass eine Änderung des Bauvertrages zum Nachteil des Auftraggebers nach den haushaltsrechtlichen Bestimmungen nur in besonders begründeten Ausnahmefällen zulässig ist. Vertragsänderungen, die eine höhere Vergütung oder eine
Veränderung von Vertragsbedingungen zugunsten des Auftragnehmers zum Inhalt haben, sind dann nicht als nachteilig für den Auftraggeber anzusehen, wenn der Auftragnehmer einen vertraglichen oder gesetzlichen Anspruch darauf hat.

1.1.5 Werden bei Nachträgen vertragliche Preise geändert oder neue Preise vereinbart, ist von der Preisermittlung des Auftragnehmers für die vertragliche Leistung auszugehen. Ist diese Preisermittlung nicht sachgerecht oder für den Auftraggeber nicht nachvollziehbar, so sind die Ansätze auf der Grundlage der Vertragspreise besonders sorgfältig zu prüfen. Der Auftraggeber darf zur Vereinbarung neuer Preise oder zur Prüfung sonstiger vertraglicher Ansprüche die Preisermittlung (Urkalkulation) öffnen und einsehen. Die Preisermittlung wird danach wieder verschlossen. Sie wird nach vorbehaltloser Annahme der Schlusszahlung zurückgegeben.

1.1.6 Die einzelnen Elemente einer Preisermittlung sind unterschiedlich zu behandeln, wobei zu unterscheiden ist zwischen
− positionsbezogenen,
− auftragsbezogenen und
− firmenbezogenen
Preiselementen.

1.1.7 Als „positionsbezogene“ Preiselemente sind die unmittelbar leistungsabhängigen Kosten anzusehen:
− Lohnkosten einschließlich lohngebundener Kosten,
− Stoffkosten frei Baustelle,
− Betriebskosten der Geräte, d. h. Kosten für Betriebsstoffe, gegebenenfalls Bedienung, laufende Reparaturen, jedoch ohne Ansätze für Abschreibung und Verzinsung,
jeweils ohne Gemeinkostenzuschlag.

1.1.8 Als „auftragsbezogene“ Preiselemente sind die nicht oder nur mittelbar leistungsabhängigen Kosten
anzusehen:
– Gemeinkosten der Baustelle, d. h. Kosten für Baustelleneinrichtung und -räumung sowie für Verkehrssicherung und -regelung (soweit nicht in eigenen Positionen erfasst), für Vorhaltung der Baustelleneinrichtung, für allgemeines Baustellenpersonal, für allgemeine Baustellengeräte und dergleichen,
– etwaige Sonderkosten, z. B. besondere Versicherungen, Entwurfskosten, Lizenzgebühren und dergleichen.

1.1.9 Als „firmenbezogene“ Preiselemente sind anzusehen Ansätze für:
− Geräteabschreibung und -verzinsung,
− Allgemeine Geschäftskosten,
− Wagnis und Gewinn.

1.1.10 Zusammenhängende Leistungen sind im gleichen Nachtrag zu regeln und nicht zu splitten. Erforderliche Bauzeitverlängerungen insbesondere bei Ausgleich von Gemeinkosten oder sonstiger zeitabhängiger Kosten sind eingehend und nachvollziehbar zu begründen. Bauzeitverlängerungen können nur dann gewährt werden, wenn die Leistungen auf dem „kritischen Weg“ der Bauzeit liegen. Eventuell notwendige Baufristenveränderungen und Gemeinkostenregelungen sind nach Möglichkeit in den Nachtrag aufzunehmen. Dabei ist zu beachten, dass dies eine mögliche Vertragsstrafenregelung beeinflusst.

1.1.11 Lässt sich zum Zeitpunkt des Abschlusses eines Nachtrags der Ausgleich der Gemeinkosten, Ansprüche aus Behinderung, Ansprüche aus Bauzeitverlängerung o.ä. noch nicht abschließend regeln, ist dies in der Nachtragsvereinbarung unter Punkt „Sonstiges“ festzuhalten.

1.1.12 Nachtragsforderungen/-angebote und der die Nachträge betreffende Schriftwechsel mit dem Auftragnehmer, der Vermerk Nachtragsbearbeitung einschl. der zugehörigen Anlagen sowie die Begründungen und Ermittlungen für alle Vereinbarungen im Nachtrag, insbesondere die Preisermittlungen, sind ggf. den „Unterlagen für die Abschlussakte“ beizufügen.

1.1.13 Die Umsatzsteuer (Mehrwertsteuer) ist gesondert zu betrachten, da alle Preise als Netto-Preise vereinbart sind.

1.2 Überschreitung des Mengenansatzes (§ 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B)

1.2.1 Bei Überschreitung des Mengenansatzes von Positionen um mehr als 10 % ist, sobald der Umfang der Mengenänderung überschaubar ist, zu prüfen, ob gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B eine Herabsetzung der Preise zu verlangen.
Eine Herabsetzung ist immer dann zu verlangen, wenn erkannt wird, dass der Auftragnehmer
− durch die Überschreitung erhebliche positions- oder auftragsbezogene Kosten einsparen würde,
− positionsbezogene Kosten von vornherein erheblich zu hoch angesetzt hat („Kalkulationsfehler“) und dem Auftraggeber ein Festhalten an den ursprünglichen Ansätzen nicht zumutbar ist, oder
− durch marktbedingte Senkung von Stoffpreisen erhebliche positionsbezogene Kosten einsparen würde, es sei denn, für diese Stoffe ist eine Stoffpreisgleitklausel vereinbart.
Das Ergebnis der Prüfung ist aktenkundig zu machen.

1.2.2 Verlangt dagegen der Auftragnehmer bei Überschreitung des Mengenansatzes von mehr als 10 % eine Erhöhung der Preise, so ist zunächst zu prüfen, ob er seiner Ankündigungspflicht nachgekommen ist. Ist dies nicht der Fall, dann ist der Anspruch nur insoweit abzulehnen, als
− der Auftraggeber sonst Maßnahmen hätte ergreifen können, durch welche die Mehrkosten verringert oder vermieden worden wären oder
− dadurch dem Auftraggeber sonstige Nachteile entstanden sind.
− vom Auftragnehmer ist ein prüfbarer Nachweis seiner durch die Überschreitung des Mengenansatzes bedingten Mehrkosten auf Grund einer objektbezogenen detaillierten Berechnung zu verlangen, bei deren Prüfung folgendermaßen zu verfahren ist:
− Positionsbezogene Mehrkosten sind anzuerkennen. Die durch eine vereinbarte Lohn- oder Stoffpreisgleitklausel abgedeckten Mehrkosten sind unberücksichtigt zu lassen. Eine Änderung nicht angemessener oder falscher Ansätze bei der Preisermittlung („Kalkulationsfehler“) auf angemessene Ansätze ist erst vorzunehmen, wenn dem Auftragnehmer oder dem Auftraggeber bezogen auf die Abrechnungssumme des Gesamtvertrages ein Festhalten an den ursprünglichen Ansätzen nicht zumutbar ist.
− Auftragsbezogene Mehrkosten sind anzuerkennen, wobei die Verringerung einzelner Kosten (siehe Nr. (1.2.1)) gegenzurechnen ist.
− Eine Veränderung der firmenbezogenen Ansätze ist abzulehnen.

1.2.3 Über die zu vereinbarenden neuen Preise für die 110 % des Mengenansatzes überschreitenden Mengen ist ein Nachtrag zum Bauvertrag abzuschließen.

1.3 Unterschreitung des Mengenansatzes (§ 2 Abs. 3 Nr. 3 VOB/B)

1.3.1 Verlangt der Auftragnehmer bei der Unterschreitung des Mengenansatzes von Positionen um mehr als 10 % gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 3 VOB/B eine Erhöhung der Einheitspreise dieser Positionen, dann ist vom Auftragnehmer eine detaillierte Berechnung seiner auszugleichenden Kosten zu fordern und bei deren Prüfung nach den folgenden Regelungen zu verfahren.

1.3.2 Bei den Positionen mit Mengenansatz-Unterschreitungen sind nur die Positionen
– deren Menge sich um mehr als 10 % des Mengenansatzes verringert hat und
– bei diesen jeweils die Differenzmenge von 100 % des Mengenansatzes bis zu der tatsächlichen
Menge zu betrachten.
Für diese Differenzmengen sind je Position die mengenunabhängigen (fixen) auftrags- und firmenbezogenen Kosten und letztlich deren Summe als Betrag für die Ausgleichsberechnung zu ermitteln.

1.3.3 Für den „Ausgleich“ gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 3 Satz 1 Halbsatz 2 VOB/B sind alle Positionen
– deren Menge sich auf über 110 % des Mengenansatzes erhöht hat und
– bei diesen jeweils die Differenzmenge von 110 % des Mengenansatzes bis zur tatsächlichen Menge
zu betrachten.

Für diese Differenzmengen sind ebenfalls je Position die mengenunabhängigen (fixen) auftrags- und firmenbezogenen Kosten und letztlich deren Summe als Betrag für die Ausgleichsberechnung zu ermitteln.

Positionen,
− deren Menge sich um mehr als 10 % des Mengenansatzes erhöht hat und
− für die ein neuer Preis nach den Nrn. 1.2.1 und 1.2.2 unter Ausgleich der auftragsbezogenen Kosten vereinbart worden,
sind in der Ausgleichsberechnung nur hinsichtlich der firmenbezogenen Kosten einzubeziehen.
Ein Ausgleich in anderer Weise (z. B. durch zusätzliche Leistungen) ist gegebenenfalls zu berücksichtigen.

1.3.4 Die nach den Nrn. 1.3.2 und 1.3.3 ermittelten Beträge sind zu saldieren.
Ist der nach Nr. 1.3.2 ermittelte Betrag größer als der nach Nr. 1.3.3 ermittelte, dann ist die Differenz entweder als gesonderter Betrag oder durch Umlegung auf die Positionen der Nr. 1.3.2 zu vergüten.
Hierüber ist ein Nachtrag zum Bauvertrag abzuschließen. Ist der nach Nr. 1.3.2 ermittelte Betrag kleiner als der nach Nr. 1.3.3 ermittelte, dann ist eine Änderung der vertraglichen Vergütung wegen Unterschreitung des Mengenansatzes nicht vorzunehmen.

1.4 Übernahme von beauftragten Leistungen durch die Auftraggeberin/ den Auftraggeber (§ 2 Abs. 4 VOB/B)

1.4.1 Die Übernahme von beauftragten Leistungen durch den Auftraggeber hat die Vergütungsrechtsfolgen wie bei einer Kündigung nach § 8 Abs. 1 VOB/B.
Sie setzt zwingend voraus, dass der Auftraggeber die Leistung (z. B. Lieferung von Bau-, Bauhilfs- und Betriebsstoffen) selbst ohne anderweitige Fremdbeauftragung durchführt. Sonst steht dem Auftragnehmer die vereinbarte Vergütung ungekürzt zu.
Bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 2 Abs. 4 VOB/B steht dem Auftragnehmer zwar die vereinbarte Vergütung zu; er muss sich aber nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 VOB/B anrechnen lassen, was er dadurch an Kosten erspart, oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft und seines Betriebes erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt (§ 649 BGB):

1.5 Änderung der Leistungen oder andere Anordnungen der AG/ des AG (§ 2 Abs. 5 VOB/B)

1.5.1 Bei einer Änderung des Bauvertrages aufgrund von Entwurfsänderungen oder bei über die vertragliche Leistung hinausgehenden Anordnungen des Auftraggebers ist stets ein Nachtrag zum Bauvertrag abzuschließen.
Dabei ist zu prüfen, ob gemäß § 2 Abs. 5 VOB/B ein neuer Preis zu vereinbaren ist, weil sich die Grundlagen der Preise für die betroffenen Positionen geändert haben. Trifft dies zu, ist der Auftragnehmer zur Abgabe eines Nachtragsangebotes mit neuen Preisen (in der Regel keine Zulagepreise) aufzufordern.

1.5.2 Bei der Vereinbarung eines neuen Preises ist wie folgt zu verfahren:
− Bei den positions- und auftragsbezogenen Preiselementen sind nur die durch die Leistungsänderung bedingten Mehr- oder Minderkosten anzuerkennen.
− Bei den von der Änderung betroffenen Preiselementen sind nicht angemessene oder falsche Ansätze bei der Preisermittlung für die ursprüngliche Leistung („Kalkulationsfehler“) nicht zu korrigieren; in diesem Falle sind die Mehr- oder Minderkosten fiktiv zu ermitteln.
− Bei den firmenbezogenen Preiselementen ist eine Änderung des Ansatzes abzulehnen.

1.5.3 Ist kein Nachtrag abgeschlossen worden und beansprucht der Auftragnehmer nach Beginn der Ausführung eine erhöhte Vergütung, so ist der Anspruch nur insoweit zurückzuweisen, als
− die erhöhten Kosten bei rechtzeitiger Ankündigung zu vermeiden gewesen wäre oder
− dadurch dem Auftraggeber sonstige Nachteile entstanden sind.

1.6 Zusätzliche Leistung (§ 2 Abs. 6 VOB/B)

1.6.1 Ist eine im Vertrag nicht vorgesehene Leistung („zusätzliche Leistung“) auszuführen, dann ist zu prüfen, ob
− diese Leistung zur Ausführung der vertraglichen Leistung erforderlich ist und
− der Betrieb des Auftragnehmers oder eines von ihm eingesetzten Nachunternehmers auf eine derartige Leistung eingerichtet ist sowie
− diese Leistung insgesamt nur mit Nachteilen für den Auftraggeber (Behinderung der Ausführung, Erhöhung der Kosten) von einem anderen Unternehmer ausgeführt werden kann.

1.6.2 Treffen alle drei Voraussetzungen zu, dann ist gemäß § 1 Abs. 4 Satz 1 VOB/B die Ausführung der zusätzlichen Leistung vom Auftragnehmer zu verlangen und er zur Abgabe eines entsprechenden Nachtragsangebotes aufzufordern. Dazu ist von ihm gemäß § 2 Abs. 6 VOB/B eine detaillierte, auf der Grundlage der Preisermittlung für die vertragliche Leistung aufbauende Berechnung seiner Preise für die zusätzliche Leistung zu fordern, bei deren Prüfung folgendermaßen zu verfahren ist:
− Bei den positionsbezogenen Preiselementen sind die jeweiligen Ansätze anzuerkennen, wenn sie angemessen sind und den Ansätzen bei vergleichbaren vertraglichen Leistungen entsprechen. Die durch eine vereinbarte Lohn- und Stoffpreisgleitklausel abgedeckten Mehr- oder Minderkosten sind unberücksichtigt zu lassen.
− Für die auftrags- und firmenbezogenen Preiselemente ist eine Änderung der ursprünglichen Ansätze abzulehnen.

1.6.3 Ist die zusätzliche Leistung zur Ausführung der vertraglichen Leistung nicht erforderlich, erscheint ihre gleichzeitige Durchführung jedoch für den Auftraggeber vorteilhaft, dann kann eine Ausführung durch den Auftragnehmer gemäß § 1 Abs. 4 Satz 2 VOB/B angestrebt und er zur Abgabe eines Nachtragsangebotes aufgefordert werden.
Dabei ist nach § 3, gegebenenfalls § 3 EG VOB/A zu prüfen, ob auch die Einholung von Angeboten anderer Unternehmer im Rahmen einer Freihändigen Vergabe oder ob eine Ausschreibung erforderlich ist.
Im Falle der Vergabe einer solchen zusätzlichen Leistung an den Auftragnehmer kann ihm eine, von den Preisermittlungsgrundlagen für die vertragliche Leistung abweichende Preisermittlung nach Kostenlage zugestanden werden. Der Angebotspreis ist dabei auf Wirtschaftlichkeit zu prüfen.

1.6.4 Über die Preise für zusätzliche Leistungen und gegebenenfalls die sonstigen vertraglichen Auswirkungen ist ein Nachtrag zum Bauvertrag abzuschließen.

1.6.5 Hat der Auftragnehmer mit der Ausführung der zusätzlichen Leistung begonnen, ohne dass Einvernehmen mit dem Auftraggeber über die Art der Ausführung bestand und ohne dass der Auftragnehmer seinen Anspruch auf besondere Vergütung angekündigt hat, dann ist eine besondere Vergütung nur insoweit anzuerkennen, als sie ohnedies anzuerkennen gewesen sein würde (§ 2 Abs. 8 Nr. 2 und 3 VOB/B).

1.7 Vergütungsanpassung bei vereinbarten Pauschalsummen (§ 2 Abs. 7 VOB/B)

1.7.1 Die Anwendung des § 2 Abs. 7 VOB/B setzt voraus, dass unter strenger Beachtung der Voraussetzungen des § 5 Abs. 1b) VOB/A Pauschalsummen vereinbart worden sind. Deshalb bestimmt § 2 Abs. 7 Nr. 1 Satz 1 VOB/B, dass die Vergütung unverändert bleibt.

1.7.2 Eine Vergütungsanpassung kann nach § 2 Abs. 7 VOB/B nur in Betracht kommen, wenn die ausgeführte Leistung von der vertraglich vorgesehenen Leistung so erheblich abweicht, dass ein Festhalten an der Pauschalsumme für eine oder beide Vertragsparteien nicht zumutbar ist. Diese Anpassungsregelung ist eine einzelfallbezogene Billigkeitsregelung nach den Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB) und dem dazu entwickelten Rechtsinstituts der Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) für den geschlossenen Vertrag. Folglich kann eine Vergütungsanpassung nur bei einer für das Vertragsverhältnis gewichtigen Änderung der vertraglich vorgesehenen Leistung in Betracht kommen. Dabei kann es sich um eine qualitative Leistungsänderung oder um eine quantitative Änderung des gesamten Leistungsvolumens von 20 % oder mehr handeln. Entscheidend bleiben aber immer die Umstände des Einzelfalls.

1.7.3 Die jeweils betroffene Vertragspartei (Auftraggeber oder Auftragnehmer) kann dann zusätzlich zur vereinbarten Pauschalsumme einen Ausgleich unter Berücksichtigung der Mehr- oder Minderkosten verlangen, bis die Zumutbarkeit für ein Festhalten an der Pauschalsumme wieder erreicht ist (siehe § 2 Abs. 7 Nr. 1 Satz 2 VOB/B). Bei der Bemessung des Ausgleichs ist von den Grundlagen der Preisermittlung des beauftragten Angebotes auszugehen. Beruht die Abweichung von der vertraglich vorgesehenen Leistung aber auf Anordnungen oder Forderungen des Auftraggebers, so ist insoweit wie bei einem Einheitspreisvertrag immer eine Vergütungsanpassung nach § 2 Abs. 4, 5 oder 6 VOB/B vorzunehmen.

1.8 Leistungen des Auftragnehmers ohne Auftrag (§ 2 Abs. 8 VOB/B)

1.8.1 Hat der Auftragnehmer Leistungen ohne Auftrag oder unter eigenmächtiger Abweichung vom Vertrag ausgeführt, ist unverzüglich zu prüfen, ob diese Leistungen anerkannt werden können oder die Voraussetzungen des § 2 Abs. 8 Nr. 2 Satz 2 VOB/B vorliegen. Dem Auftragnehmer ist schriftlich mitzuteilen, ob diese Leistungen
− nachträglich anerkannt oder
− nur ohne Vergütung geduldet werden oder
− abgelehnt und
− deren Beseitigung und die Erbringung der vertragsgerechten Leistung gefordert,
− Ersatzmaßnahmen zur Beseitigung angedroht,
− Schadensersatzforderung im Übrigen (z. B. wegen längerer Beibehaltung einer Anmietung,
verzögerter Inbenutzungnahme) vorbehalten wird.

1.8.2 Soweit dem Auftragnehmer eine Vergütung nach § 2 Abs. 8 Nr. 2 VOB/B zusteht, ist der Preis entsprechend der Regelung nach § 2 Abs. 5 und Abs. 6 VOB/B zu ermitteln.

1.9 Vom AG verlangte Zeichnungen, Berechnungen oder andere Unterlagen (§ 2 Abs. 9 VOB/B)

1.9.1 Vom Auftraggeber verlangte besondere Leistungen des Auftragnehmers wie Zeichnungen, Berechnungen oder andere Unterlagen, die er nicht vertraglich, insbesondere nicht nach den Technischen Vertragsbedingungen oder der gewerblichen Verkehrssitte zu erbringen hat, sind gesondert zu vergüten. Da diese Leistungen innerhalb eines Bauvertrages nach VOB/B erbracht werden, gelten insoweit für die Vergütung nicht die Bestimmungen der HOAI.

1.10 Stundenlohnarbeiten (§ 2 Abs. 10 VOB/B)

1.10.1 Vor einer Beauftragung/Abrufung von Stundenlohnarbeiten ist immer zu prüfen, ob diese Arbeiten einer bereits beauftragten Leistungsposition zugeordnet oder als eine Leistungsposition neu festgelegt werden können. Nur wenn beides nicht möglich ist, kann eine Beauftragung von Stundenlohnarbeiten in Betracht gezogen werden. Das Vorliegen der Voraussetzungen und deren Auswirkung auf die Gesamtvergütung ist aktenkundig zu machen.

1.10.2 Die Beauftragung von Stundenlohnarbeiten setzt voraus, dass es sich
− um Bauleistungen geringen Umfangs handelt, die überwiegend Lohnkosten verursachen (siehe § 5 Nr. 2 VOB/A),
− die Ausführung vor ihrem Beginn ausdrücklich vereinbart (§ 2 Abs. 10 VOB/B) wird und
− der Auftraggeberin/ dem Auftraggeber angezeigt worden ist (§ 15 Abs. 3 Satz 1 VOB/B).

Bei der Vereinbarung der Vergütung für Stundenlohnarbeiten ist der Vorrang der ortsüblichen Vergütung (§ 15 Abs. 2 Nr 2 VOB/B) zu beachten.

1.11 Wegfall von Teilleistungen (§ 8 Abs. 1 VOB/B)

1.11.1 Für Teilleistungen (in der Regel handelt es sich dabei um OZ), die ausnahmsweise ersatzlos entfallen, wird die Vergütung nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 VOB/B bestimmt.
In diesen Fällen sind die Auswirkungen auf die Gesamtvergütung in einer Ausgleichsberechnung (siehe Nr. 1.3.2 bis 1.3.4 zur Vergütungsvereinbarung darzustellen. Nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 VOB/B muss sich der Auftragnehmer anrechnen lassen, was er dadurch an Kosten erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft und seines Betriebs erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt (§ 649 BGB). Zum anderweitigen Erwerb können tatsächliche Mengenmehrungen in anderen Leistungspositionen, Leistungsänderungen auf Grund von Anordnungen des Auftraggebers nach § 1 Nr. 3 VOB/B, vom Auftraggeber nach § 1 Abs. 4 Satz 1 VOB/B verlangte erforderliche Zusatzleistungen im Rahmen des erteilten Auftrags oder im Einzelfall auch ein neuer Auftrag als zeitnaher Anschlussauftrag nach § 1 Abs. 4 Satz 2 VOB/B gehören.
Der Auftragnehmer muss zur Begründung seines Vergütungsanspruchs die vergütungsmindernden Umstände nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 VOB/B, um die sein Vergütungsanspruch von vornherein beschränkt ist, offen legen und nachweisen. Andernfalls ist sein Vergütungsanspruch insoweit nicht prüfbar und wird daher nicht fällig.

1.12 Änderung des Bauvertrages zum Nachteil der AG/ des AG

1.12.1 Eine Änderung bestehender Vertragsverhältnisse zum Nachteil der AG/ des AG kommt nur in besonders begründeten Ausnahmefällen in Betracht.
Soweit bei den Baudienststellen Anträge von Auftragnehmern auf Preisänderungen eingehen, z. B. wegen starker Stoffpreissteigerungen in Bauverträgen ohne Stoffpreisgleitklausel, sind diese für Baumaßnahmen nach § 58 LHO zu beurteilen. Ein besonders begründeter Ausnahmefall ist anzunehmen, wenn nach Prüfung der Baudienststelle der Auftragnehmer zwar keinen Rechtsanspruch auf Änderung oder Aufhebung des Vertrages hat, ihn aber ein Festhalten am Vertrag nach Lage des Einzelfalles unbillig benachteiligt, weil seine wirtschaftlichen Verhältnisse bei Vertragserfüllung infolge ihm nicht zuzurechnender Umstände erheblich verschlechtern würden.

1.12.2 Der Auftragnehmer hat die erhebliche Verschlechterung durch Vorlage geeigneter Unterlagen nachzuweisen. Dabei ist auf die Gesamtvermögenslage des Auftragnehmers, bei Arbeitsgemeinschaften der einzelnen Mitglieder, abzustellen; in der Regel ist nachzuweisen, dass der Auftragnehmer bei Erfüllung des Vertrages von der Insolvenz bedroht wäre. Nicht ausreichend ist, dass dem Auftragnehmer bei Erfüllung des Vertrages finanzielle Verluste entstehen, ebenso ist ein Abwälzen von Kalkulationsfehlern auszuschließen.

Mindestens sind folgende Unterlagen zur Einzelfallprüfung gemäß § 58 LHO vom Auftragnehmer vorzulegen:
− Unternehmensbilanz des letzten abgeschlossenen Geschäftsjahres zum Nachweis über die Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage als Auswirkung z. b. der Stoffpreiserhöhung,
− entsprechende Wirtschaftsdaten der letzten drei Monate,
− aktuelle Daten über Auftragsbestand, Verbindlichkeiten, Guthaben und Vermögenswerte als Nachweis der Existenzgefährdung durch die gestiegenen Preise,
− konkrete Belege über die aktuellen Einkaufspreise der Stoffe,
− Nachweis der durch die Preissteigerungen vertragsindividuell (getrennt nach Anteil des der Auftragnehmerin/ Auftragnehmers und dessen eventuellen Nachunternehmen) entstandenen Mehrkosten.

Die o. g. Nachweise sind, ggf. auch nachträglich, durch einen vereidigten Wirtschaftsprüfer zu bestätigen.
1.12.3 Die Anträge von Auftragnehmern sind von der Baudienststelle unverzüglich unter Berücksichtigung vorstehender Punkte zu prüfen und zu entscheiden.

VertragsManagement – VertragsMan Bau ®: Volltext-Entscheidungen: Oberlandesgericht Hamm, 24 U 198/20

VertragsManagement - VertragsMan Bau ®: Volltext-Entscheidungen:
Oberlandesgericht Hamm, 24 U 198/20:

Ein Verbraucherbauvertrag im Sinne des § 650i Abs. 1, 1. Alt. BGB kann auch bei gewerkeweiser Vergabe vorliegen, wenn die Beauftragung zeitgleich oder in engem zeitlichem Zusammenhang mit der Erstellung eines neuen Gebäudes erfolgt, die Erstellung eines neuen Gebäudes für den Unternehmer ersichtlich ist und die Gewerke zum Bau des neuen Gebäudes selbst beitragen

1.

Ein Teilurteil darf nicht erlassen werden, wenn es die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen schafft. Eine Gefahr sich widersprechender Entscheidungen ist gegeben, wenn in einem Teilurteil eine Frage entschieden wird, die sich dem Gericht oder Rechtsmittelgericht im weiteren Verfahren über andere Ansprüche oder Anspruchsteile noch einmal stellt oder stellen kann. Dies gilt auch dann, wenn mit dem Hauptantrag eine Bauhandwerkersicherung im Sinne des § 650f BGB und mit dem Hilfsantrag Zahlung restlichen Werklohns begehrt wird, wenn wegen der Ausnahmeregelung des § 650f Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 BGB im Rahmen des Hilfsantrages über die Verbraucherbauvertragseigenschaft des geschlossenen Werkvertrages zu entscheiden ist und im Rahmen des Hilfsantrages im Hinblick auf die Frage des vertraglich vereinbarten Vertragssolls die Auslegungsregel des § 650k Abs. 2 BGB Anwendung finden kann.

2.

Ein Verbraucherbauvertrag im Sinne des § 650i Abs. 1, 1. Alt. BGB kann auch bei gewerkeweiser Vergabe vorliegen, wenn die Beauftragung zeitgleich oder in engem zeitlichem Zusammenhang mit der Erstellung eines neuen Gebäudes erfolgt, die Erstellung eines neuen Gebäudes für den Unternehmer ersichtlich ist und die Gewerke zum Bau des neuen Gebäudes selbst beitragen.

Gründe:

2

I.

3

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Stellung einer Bauhandwerkersicherheit, hilfsweise restlichen Werklohn. Die Beklagte macht im Wege der Widerklage Ansprüche wegen streitiger Mängel geltend.

4

Die Klägerin betreibt einen Handwerksbetrieb aus dem Bereich Stahl- und Hallenbau. Die Beklagte beauftragte die Klägerin mit Auftragsbestätigung vom 11.04.2019 (Anl. K1, Bl. 7-13 d.A.), unterzeichnet mit der Unterschrift „T. H“, mit der Errichtung einer Mehrzweck-Industriehalle auf dem Grundstück Mstr. 00 in K. Das Fundament der Industriehalle wurde durch Drittunternehmer errichtet.

5

Mit Nachtragsangebot vom 06.02.2019 (Anl. K7, Bl. 79-81 d.A.), adressiert an „C Metallverarbeitung Zu Hd. Herrn Tfg H“ und unterzeichnet mit der Unterschrift des Ehemanns der Beklagten, „T. H“, wurde die Klägerin mit der Erbringung weiterer Leistungen beauftragt.

6

Der Ingenieur für Tragwerksplanung, P (im Folgenden: der Statiker), übermittelte mit Schreiben vom 05.06.2019 (Anlage K 16) dem Streithelfer die statische Berechnung mit den Konstruktionszeichnungen zur Überprüfung.

7

Die Klägerin erbrachte ihre Leistungen. Das Abnahmeprotokoll vom 25.09.2019 (Anlage K 11, Bl. 86-87 d.A.) wurde vom Ehemann der Beklagten unterschrieben.

8

Die seitens der Klägerin errichtete Halle ist vermietet an das Unternehmen C GmbH Metallverarbeitung, deren Geschäftsführer der Ehemann der Beklagten ist.

9

Die Klägerin stellte ihre Schlussrechnung vom 01.10.2019 (Anl. K2, Bl. 14-26 d.A.) über insgesamt 206.311,05 € brutto und errechnete unter Berücksichtigung von Abschlagszahlungen einen ausstehenden Betrag in Höhe von 30.383,79 € brutto und ihre Nachtragsrechnung vom 22.11.2019 über 669,38 € (Anl. K3, Bl. 27 d.A.) über Wind- und Regenwächter. Darüber hinaus stellte sie Rechnungen vom 09.12.2019 (Anlage K9, Bl. 84 d.A.) i.H.v. 1.755,25 € und vom 27.01.2020 (Anlage K 10, Bl. 85 d.A.) in Höhe von weiteren 2.680,48 € (Bl. 4 d.A.). Sämtliche Rechnungen waren an die Privatanschrift der Beklagten adressiert.

10

Mit an die „C Metallverarbeitung Zu Hd. Herrn Tfg H“ adressiertem Schreiben vom 12.11.2019 (Anl. K5, Bl. 70-71 d.A.) wandte sich die Klägerin an den Ehemann der Beklagten, den sie als „Bauherrn“ bezeichnete und übermittelte ihm Zeichnungen (Anl. K5, Bl. 72-73 d.A.). Mit E-Mail vom 13.11.2019 (Anl. K5, Bl. 74 d.A.), adressiert an die E-Mail-Anschrift H@C-metallverarbeitung.de, übermittelte die Klägerin ein weiteres Schreiben. Mit Schreiben vom 06.01.2020 (Anl. K5, Bl. 75 d.A.), wiederum adressiert an die „C Metallverarbeitung Zu Hd. Herrn Tfg H“, wandte sich die Klägerin erneut an den Ehemann der Beklagten. Mit E-Mail vom 07.01.2020 (Anl. K5, Bl. 77 d.A.), wiederum adressiert an die E-Mail-Anschrift H@C-metallverarbeitung.de, übermittelte die Klägerin ein weiteres Schreiben.

11

Die Klägerin mahnte mit anwaltlichem Schreiben vom 04.02.2020 (Anl. K4, Bl. 28. 35 d.A.) die offenen Rechnungsbeträge unter Fristsetzung bis zum 14.02.2020, verlängert bis zum 18.02.2020, an.

12

Die Klägerin hat die Meinung vertreten, die Beklagte sei nicht Verbraucherin und es obliege der Beklagten, darzulegen und zu beweisen, dass sie Verbraucherin sei. Zur Bejahung der Verbrauchereigenschaft komme es auch nicht auf den subjektiven Willen der Parteien, einen Vertrag als Verbraucher abzuschließen, sondern darauf an, wie sich das Geschäft für einen objektiven Dritten darstelle. Die Auftragsbestätigung vom 11.04.2019 (Anl. K1, Bl. 7-13 d.A.) sei vom Ehemann der Beklagten unterzeichnet, was darauf deute, dass nicht die Beklagte, sondern ihr Ehemann das Werk in Auftrag gegeben habe. Ursprünglich hat die Klägerin gemeint, dass der Ehemann der Beklagten Vertragspartner geworden sei. Sodann hat die Klägerin unstreitig gestellt, dass Vertragspartnerin die Beklagte sei.

13

Überdies liege auch kein Verbraucherbauvertrag vor. Ein Verbraucherbauvertrag liege nur vor, wenn sich die Herstellungspflicht auf „das Gebäude“ beziehe, mithin wenn sämtliche Leistungen aus einer Hand angeboten würden, was also Generalunternehmerverträge und Generalübernehmerverträge betreffe. Sofern mithin mehrere Unternehmer an dem Vorhaben beteiligt seien, griffen nicht die Schutzvorschriften des Verbraucherbauvertragsrechts. Sie, die Klägerin, sei ausschließlich mit der Kernleistung beauftragt gewesen, also mit der Errichtung der Halle oberhalb des Fundamentes; Erdarbeiten, die Errichtung des Fundamentes, die Herstellung der Prüfstatik und auch das Gewerk der Elektrik gehörten nicht zu ihrem Leistungsumfang, sondern seien durch die Beklagte anderweitig vergeben worden. Zudem habe sich die Beklagte selbst um die Anschaffung zweier Kräne gekümmert und sie, die Klägerin, sei nur noch beauftragt gewesen, die passenden Laufschienen herzustellen und zu installieren. Dies habe zur Folge, dass durch das einseitige Herauslösen von Einzelleistungen aus dem geplanten Gesamtwerk die eigenverantwortliche Werkerstellung im Gesamtumfang verhindert worden sei, was unweigerlich zum Verlust der Schutzvorschriften des Verbraucherbauvertragsrechts führe. In diesen Fällen stehe der Verbraucher nicht einem – finanziell und wesensmäßig – überlegenen Unternehmer gegenüber. Vielmehr stehe der Verbraucher einer Mehrzahl von kleineren Unternehmen auf Augenhöhe gegenüber, so dass es des Schutzes der Verbraucherbauvertragsvorschriften nicht bedürfe. Hätte der Gesetzgeber auch eine entsprechende Einbeziehung gewollt, so hätte er diese auch ausdrücklich angeordnet.

14

Die mit Rechnung vom 22.11.2019 (Anl. K3, Bl. 27 d.A.) abgerechneten Leistungen seien beauftragt worden. Die Rechnung vom 09.12.2019 (Anl. K9, Bl. 84 d.A.) sei deswegen gestellt worden, weil sie im Auftrag der Beklagten die zu errichtende Kranbahn nachträglich habe ändern müssen, weil der Kranlieferant, das Unternehmen J, den Kran nicht entsprechend der vom Streithelfer freigegebene Zeichnungen beschafft habe. Die Rechnung vom 27.01.2020 (Anlage K 10, Bl. 85 d.A.) sei deswegen gestellt worden, weil sie im Rahmen vermeintlicher Nachbesserungsarbeiten vor Ort und Stelle erschienen sei und die Beklagte die Nachbesserung ausdrücklich verweigert und sie unter Androhung von Polizei vom Gelände verwiesen habe.

15

Sie, die Klägern, habe ihre Leistungen vollständig und mangelfrei erbracht und ausweislich des Abnahmeprotokolls sei eine Abnahme erfolgt. Etwaige gerügte bzw. vorbehaltene Mängel seien sämtlich abgearbeitet oder aber die Beklagte habe Nachbesserungsarbeiten verweigert.

16

Die Klägerin hat beantragt,

17

1. die Beklagte zu verurteilen, ihr zu dem zwischen den Parteien geschlossenen Bauvertrag vom 11.04.2019, bezogen auf das Bauvorhaben Industriehalle, Mstr. 00, 00000 K, eine Sicherheit gemäß § 650f BGB i.V.m. §§ 232 ff. BGB i.H.v. 31.053,17 € zu stellen.

18

2. die Beklagte weiterhin zu verurteilen, ihr vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten zu erstatten i.H.v. 1.336,90 € netto nebst einem Verzugszins i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.02.2020.

19

Hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem 1. Klageantrag,

20

die Beklagte zu verurteilen, an sie 35.488,90 € zu zahlen nebst Zinsen i.H.v. 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus einem Teilbetrag i.H.v. 30.383,79 € seit dem 31.10.2019, einem weiteren Teilbetrag i.H.v. 669,38 € seit dem 22.10.2090, einen weiteren Teilbetrag i.H.v. 1.755,25 € seit dem 08.01.2020 sowie einem letzten Teilbetrag i.H.v. 2.680,48 € seit dem 26.02.2020.

21

Die Beklagte hat beantragt,

22

die Klage abzuweisen.

23

Die Beklagte hat behauptet, sie sei Hausfrau und lediglich geringfügig beschäftigt in dem Unternehmen ihres Ehemannes. Soweit ihr Ehemann tätig geworden sei, sei dieser nicht im Namen seines Unternehmens, sondern ausschließlich für sie tätig geworden und er habe in Abstimmung und mit ihrer Vollmacht die entsprechenden Angebote unterzeichnet. Überdies sei es auch nicht ungewöhnlich, den Mieter einzuschalten, wenn es darum gehe, das Interieur einer Gewerbehalle zu beschaffen. Demgemäß sei sie Verbraucherin, so dass die Klägerin von ihr die Stellung einer Bauhandwerkersicherheit nicht verlangen könne. Die Errichtung und anschließende Vermietung der Halle habe allein der privaten Vermögens- und Altersvorsorge gedient. Die Verwaltung dieser Vermögensanlage habe – wenn überhaupt – lediglich einen minimalen bürotechnischen Aufwand bedingt, da ein langfristiger Mietvertrag mit nur einem Mieter vorliege.

24

Die Klägerin habe Kranlaufschienen falsch geliefert und montiert, so dass sie das Unternehmen J im Wege der Ersatzvornahme nach Setzung einer Mängelbeseitigungsfrist beauftragt habe, diese Schienen zu verbreitern, wofür sie 7.977,96 € aufgewendet habe, so dass der Vergütungsanspruch der Klägerin in dieser Höhe erloschen sei. Ungeachtet dessen habe auch die Klägerin zugesagt, diese Kosten zu übernehmen. Trotz mehrfacher Aufforderung sei auch der Schweißnachweis nicht erbracht worden und überdies sei die Verschweißung krumm. Eine Abnahme sei überdies nicht erfolgt. Abnahmevoraussetzung sei, dass die Kranbahnen in der Ausführungsklasse EXC3 (Schweißzeugnis) einzugruppieren seien; diese Voraussetzungen lägen nicht vor. Ein Anspruch auf Zahlung der Rechnung vom 09.12.2019 (Anl. K9, Bl. 84 d.A.) bestehe nicht, da die durch die Klägerin beauftragte Statik falsch sei, da ein falsches Maß der Spurbreite der Kranlaufbahnschienen errechnet worden sei. Ein Anspruch auf Zahlung der Rechnung vom 22.11.2019 (Anl. K3, Bl. 27 d.A.) bestehe ebenfalls nicht, da eine entsprechende Bestellung insoweit nicht erfolgt sei.

25

Das Landgericht hat mit am 03.12.2020 verkündetem Teilurteil die Klage hinsichtlich der Hauptanträge abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Klägerin kein Anspruch auf Stellung der Bauhandwerkersicherheit zustehe. Die Beklagte sei Verbraucherin. Die Klägerin sei dem Vortrag der Beklagten, sie sei Hausfrau und lediglich geringfügig in dem Unternehmen ihres Ehemannes beschäftigt, nicht erheblich entgegengetreten. Dass der Ehemann der Beklagten den Vertrag unterzeichnet und abgewickelt habe, sei nicht maßgeblich, da es nicht darauf ankomme, wer für die Beklagte aufgetreten sei. Dass die Beklagte das Objekt an das Unternehmen ihres Ehemannes für den Betrieb eines Gewerbebetriebes vermietet habe, führe nur zu der Annahme der Verwaltung eigenen Vermögens durch Immobilienverwaltung, so dass die Verbrauchereigenschaft deswegen nicht entfalle. Anhaltspunkte dafür, dass die Umstände für die Klägerin eindeutig und zweifelsfrei auf einen unternehmerischen Zweck hingedeutet hätten, fehlten. Für die Klägerin sei offensichtlich gewesen, dass die Beklagte als Vertragspartnerin von ihrem handelnden Ehemann und dessen Unternehmen personenverschieden gewesen sei und keinerlei Ähnlichkeit zwischen der Firma und dem Namen der Beklagten bestanden habe. Dass eine E-Mail-Adresse des Unternehmens verwendet worden sei, führe angesichts der genauen Bezeichnung der Beklagten als Vertragspartnerin zu keiner anderen Wertung. Überdies sei die Rechnung an die Privatanschrift der Beklagten erfolgt, so dass der Klägerin die Personenverschiedenheit der Beteiligten bewusst gewesen sei.

26

Es handele sich überdies um einen Verbraucherbauvertrag; ob bei einer Vergabe von Neubauarbeiten in Einzelgewerken ein Verbraucherbauvertrag anzunehmen sei, sei zwar umstritten. Der Wortlaut der Vorschrift spreche aber dafür, auch bei der Vergabe von Einzelgewerken von einem Verbrauchervertrag auszugehen. Eine Beschränkung auf Generalunternehmer- oder Generalübernehmerverträge sei nicht erfolgt. Dies entspreche auch dem Willen des Gesetzgebers, der lediglich kleinere Umbaumaßnahmen als ausgenommen angesehen habe. Die Übernahme der Formulierung des § 312 Abs. 2 Nr. 3 BGB a.F. stehe dem nicht entgegen, da diese Vorschrift restriktiv ausgelegt worden sei, während § 650i BGB gerade dem Verbraucherschutz diene, so dass eine restriktive Auslegung diesen konterkarierte. Auch Sinn und Zweck der Vorschrift zeigten, dass Verbraucher bei der Vergabe von Neubauarbeiten an Einzelgewerken vor mindestens genauso komplexe Fragestellungen gestellt würden wie bei dem Abschluss eines Generalunternehmer- oder Generalübernehmervertrages. Gleiches gelte sinngemäß für die wirtschaftliche Tragweite. Gerade der streitgegenständliche Vertrag mit einer 200.000,00 € übersteigenden Rechnungssumme zeige, dass auch bei der Vergabe von Einzelverträgen wirtschaftliche Dimensionen erreicht würden, die einen nicht unerheblichen Teil der Generalübernehmer- und Generalunternehmerverträge bei der Errichtung von Wohnimmobilien überstiegen. Beachtlich sei auch, dass § 650f Abs. 6 Nr. 2 BGB an die Stelle des § 648a Abs. 6 Nr. 2 BGB a.F., der unstreitig auch Einzelgewerke umfasst habe, getreten sei und die Gesetzesänderung gerade dem Ausbau des Verbraucherschutzes gedient habe, so dass eine wesentliche Einschränkung des Anwendungsbereichs gerade nicht beabsichtigt gewesen sei. Mithin könne auch dahinstehen, ob das Verbraucherbauvertragsrecht bei der Neuerrichtung von Gebäuden auf sämtliche Gewerke oder nur auf Gewerke anzuwenden sei, die zu einer wesentlichen Umgestaltung des Grundstücks führten. Soweit teilweise eine Beschränkung auf Wohngebäude angenommen werde, könne dem angesichts des klaren Wortlauts nicht gefolgt werden. Der geltend gemachte Anspruch auf Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten sei nicht schlüssig dargetan.

27

Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung. Sie rügt, das Landgericht habe verkannt, dass die Beklagte gerade nicht Verbraucherin sei. Maßgeblich sei darauf abzustellen, wie sich das Geschäft für einen objektiven Dritten darstelle. Die Auftragsbestätigung vom 11.04.2019 sei zwar an die Beklagte adressiert, indes mit „T. H“ unterschrieben worden. Die Anschreiben vom 12.11.2019 (Anl. K5, Bl. 70-71 d.A.) und 06.01.2020 (Anl. K5, S. 75 d.A.) seien direkt an die „C Metallverarbeitung Zu Hd. Herrn Tfg H“ adressiert gewesen und der Ehemann der Beklagten sei auch ausdrücklich als „Bauherr“ bezeichnet worden. Das Nachtragsangebot sei direkt an den Ehemann der Beklagten gerichtet gewesen und die Auftragsbestätigung sei von diesem unterschrieben worden. Die Zeichnungen seien dem Ehemann der Beklagten übermittelt worden; gleiches gelte auch für das Schreiben des Streithelfers. Auch sämtliche Kommunikation habe mit dem Ehemann der Beklagten stattgefunden. Daher scheine es, dass die Beklagte mit dem Gewerk nichts tun gehabt habe, und die Beklagte sei ihr, der Klägerin, ausschließlich namentlich bekannt gewesen. Die dargelegten Hintergründe zeigten rein geschäftliche Verhältnisse.

28

Unzutreffend habe das Landgericht auch einen Verbraucherbauvertrag angenommen und verkannt, dass sie, die Klägerin, ausschließlich mit der Kernleistung beauftragt gewesen sei, was die Errichtung der Halle oberhalb des Fundamentes umfasst habe. Sämtliche Erdarbeiten sowie die Errichtung des Fundamentes seien von anderen Werkunternehmern ausgeführt worden; auch die Prüfstatik und das Gewerk der Elektrik sei durch die Beklagte anderweitig vergeben worden. Die Beklagte habe sich überdies selbst um die Anschaffung zweier Kräne gekümmert und das Unternehmen J am 10.07.2019 beauftragt; sie, die Klägerin, habe lediglich die passenden Laufschienen hergestellt und installiert. Demgemäß sei sie, die Klägerin, nicht nur auf eine Kommunikation mit der J angewiesen gewesen; vielmehr habe die Beklagte Einzelleistungen aus dem geplanten Gesamtgewerk einseitig herausgelöst und die eigenverantwortliche Werkerstellung im Gesamtumfang, wie sie für einen Generalunternehmervertrag üblich sei, behindert, was unweigerlich zum Verlust der Schutzvorschriften des Verbraucherbauvertragsrechts führe, da die Beklagte das Vorhaben durch mehrere Unternehmer in einzelnen Gewerken habe ausführen lassen. Denn in diesem Falle sehe sich der Verbraucher nicht einem finanziell oder auch hinsichtlich des Know-Hows überlegenen Unternehmer gegenüber, sondern einer Mehrzahl von kleineren Unternehmen, mit denen grundsätzlich eine Kommunikation auf Augenhöhe möglich sei. Die Rechnungssumme als solche sei bei dieser Fallgestaltung nicht maßgebend, zumal die Komplexität vorliegend dadurch verursacht worden sei, dass die Beklagte eine unübersichtliche Aufspaltung in Einzelgewerken vorgenommen habe. Überdies sei anzunehmen, dass der Gesetzgeber eine ausdrückliche Erweiterung der Rechte des Verbrauchers vorgenommen hätte, sofern diese Erweiterung beabsichtigt gewesen sei.

29

Die Klägerin beantragt,

30

das Teilurteil des Landgerichts Münster vom 03.12.2020 abzuändern und:

31

1. die Beklagte zu verurteilen, ihr zu dem zwischen den Parteien geschlossenen Bauvertrag vom 11.04.2019, bezogen auf das Bauvorhaben Industriehalle, Mstr. 00, 00000 K, eine Sicherheit gemäß § 650f BGB i.V.m. §§ 232 ff. BGB i.H.v. 31.053,17 € zu stellen.

32

2. Der Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten zu erstatten i.H.v. 1.336,90 € netto nebst einem Verzugszins i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.02.2020.

33

und

34

die Revision zuzulassen.

35

Die Beklagte beantragt,

36

die Berufung zurückzuweisen.

37

Widerklagend beantragt die Beklagte,

38

die Klägerin zu verurteilen, an sie 22.099,97 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

39

Die Beklagte meint, von dem Restwerklohns der Klägerin in Höhe von 30.838,79 € sei ein Betrag von 7.204,00 €, die sie an die J GmbH & Co. KG gezahlt habe, abzusetzen. Im Übrigen steht ihr ein Anspruch auf Zahlung 44.506,00 € für die Instandsetzung der Anlage zu, so dass ihr der die verbleibende Restwerklohnforderung überschießende Betrag in Höhe von 22.099,97 € zustehe.

40

II.

41

Die zulässige Berufung der Klägerin hat mit der Maßgabe Erfolg, dass das angefochtene Teilurteil gemäß § 301 ZPO unzulässig, daher aufzuheben und die Sache gemäß § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 ZPO zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Münster zurückzuverweisen ist.

42

1.

43

Das angefochtene Teilurteil ist gemäß § 301 ZPO unzulässig, weil die Entscheidung über das Sicherheitsverlangen der Klägerin (Hauptantrag) nicht unabhängig davon ist, wie das Landgericht Münster durch Schlussurteil über den Rest des noch anhängigen Streitgegenstandes (Hilfsantrag und Widerklage) entscheiden wird. Es besteht die Gefahr, dass es im Teil- und Schlussurteil zu widersprüchlichen Entscheidungen kommt, da die Entscheidung über den dem Teilurteil zugrundeliegenden Teil des Streitgegenstandes präjudizielle Vorfragen umfasst, die auch Gegenstand des beim Landgericht verbliebenen Teils des Rechtsstreits sind.

44

a)

45

Der Verfahrensmangel des Erlasses eines unzulässigen Teilurteils ist in der Berufungsinstanz von Amts wegen zu berücksichtigen (vgl. BGH, Urteil vom 11.05.2011 – VIII ZR 42/10 – NJW 2011, 2736) und es bedarf nach § 529 Abs. 2 Satz 2 ZPO keiner entsprechenden Berufungsrüge (vgl. Senat, Urteil vom 03. Dezember 2020 – I-24 U 14/20 – NJW-RR 2021, 268; OLG Nürnberg, Urteil vom 17. September 2020 – 8 U 1311/20 – zitiert nach juris).

46

b)

47

Ein Teilurteil kann nach § 301 ZPO nur ergehen, wenn über den hiervon betroffenen Prozessstoff unabhängig vom Rest des Streitgegenstandes entschieden werden kann; demgemäß darf ein Teilurteil nicht erlassen werden, wenn es die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen schafft (vgl. Senat, Urteil vom 03. Dezember 2020 – I-24 U 14/20 – NJW-RR 2021, 268; OLG Nürnberg, Urteil vom 17. September 2020 – 8 U 1311/20 – zitiert nach juris; Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, Urteil vom 13. August 2020 – 4 U 100/19 – zitiert nach juris; OLG Düsseldorf, Teilurteil vom 17. Juli 2019 – 14 U 107/15 – zitiert nach juris). Dabei ist auch die Möglichkeit einer abweichenden Entscheidung durch ein Rechtsmittelgericht zu berücksichtigen (vgl. BGH, Urteil vom 24. Februar 2015 – VI ZR 279/14 – zitiert nach juris; BGH, Urteil vom 29. März 2011 – VI ZR 117/10 – NJW 2011, 1815; Senat, Urteil vom 03. Dezember 2020 – I-24 U 14/20 – NJW-RR 2021, 268; Senat, Urteil vom 24. Mai 2016 – I-24 U 10/14 – zitiert nach juris; OLG Karlsruhe, Urteil vom 26. September 2018 – 6 U 84/17 – WRP 2019, 117). Eine Gefahr sich widersprechender Entscheidungen ist namentlich dann gegeben, wenn in einem Teilurteil eine Frage entschieden wird, die sich dem Gericht im weiteren Verfahren über andere Ansprüche oder Anspruchsteile noch einmal stellt oder stellen kann (vgl. BGH, Urteil vom 29. März 2011 – VI ZR 117/10 – NJW 2011, 1815; Senat, Urteil vom 03. Dezember 2020 – I-24 U 14/20 – NJW-RR 2021, 268; OLG Nürnberg, Urteil vom 12. November 2015 – 13 U 577/12 – zitiert nach juris).

48

Dies gilt in gleicher Weise, wenn ein Anspruch auf Leistung einer Sicherheit nach § 650f BGB und auf Werklohn, wie hier, geltend gemacht werden (vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 19. Juni 2012 – 14 U 1/12 – NZBau 2013, 48). Auch hier ist ein Teilurteil unzulässig, wenn die Entscheidung über den dem Teilurteil zu Grunde liegenden Teil des Streitgegenstandes präjudizielle Vorfragen erfasst, die Gegenstand des beim LG verbliebenen Teils des Rechtsstreites sind (vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 19. Juni 2012 – 14 U 1/12 – NZBau 2013, 48; OLG Düsseldorf, Urteil vom 25. Februar 2011 – I-23 U 150/10 – zitiert nach juris). Vorliegend begehrt die Klägerin mit ihrem Hauptantrag eine Bauhandwerkersicherung und mit ihrem Hilfsantrag Zahlung restlichen Werklohns. Bei der eventuellen Klagehäufung, also der Verbindung des Hauptantrags mit einem echten Hilfsantrag, kann zwar dem Grunde nach über den Hauptantrag durch Teilurteil entschieden werden (vgl. Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 09. Dezember 2020 – 4 U 76/20 – zitiert nach juris; Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 24. Juni 2020 – 4 U 215/19 – zitiert nach juris). Indes gilt dies nur dann, wenn keine Gefahr sich widersprechender Entscheidungen besteht.

49

Vorliegend besteht die Gefahr sich widersprechender Entscheidungen. Würde das landgerichtliche Urteil bestätigt, wäre beachtlich, dass das Landgericht die Verbrauchereigenschaft der Beklagten und das Vorliegen eines Verbraucherbauvertrages im Sinne des § 650i BGB bejaht hat. Dann aber wäre eine Entscheidung über den Hilfsantrag zu treffen. Da die Parteien nachhaltig über Mängel der Leistung der Klägerin streiten – die Beklagte behauptet, die Klägerin habe Kranlaufschienen falsch geliefert und montiert, die Verschweißung sei krumm, trotz mehrfacher Aufforderung sei der Schweißnachweis nicht erbracht worden und obgleich die Kranbahnen der Ausführungsklasse EXC3 (Schweißzeugnis) zuzuordnen seien, verfüge die Klägerin nicht über die notwendige Zertifizierung und die eingereichte Konformitätserklärung sei eine reine Gefälligkeitserklärung – wäre bei Erfolglosigkeit des Hauptantrages im Rahmen des Hilfsantrages über den Restwerklohnanspruch und die Widerklage zu entscheiden. Im Hinblick auf die Frage des vertraglich vereinbarten Vertragssolls kann die Anwendung der Auslegungsregel des § 650k Abs. 2 BGB, wonach Auslegungszweifel nach § 650k Abs. 2 Satz 2 BGB zu Lasten des Unternehmers gehen, nicht ausgeschlossen werden. Im Rahmen des § 650k Abs. 2 BGB stellt sich aber ebenfalls die Frage, ob die Beklagte Verbraucherin ist und ein Verbraucherbauvertrag vorliegt, die vom Landgericht abweichend vom Senat beantwortet werde könnte. Denn eine etwaige Entscheidung des Senats zur Verbrauchereigenschaft der Beklagten und des Vorliegens eines Verbraucherbauvertrages erwüchse nicht in Rechtskraft und bände das Landgericht nicht. Präjudizielle Rechtsverhältnisse werden nicht rechtskräftig festgestellt, wenn sie lediglich als Vorfragen beurteilt werden (vgl. BGH, Urteil vom 13. Juli 2017 – I ZR 64/16 – NJW 2018, 235), sondern nur wenn sie (wie etwa bei einer Zwischenfeststellungsklage) selbst Streitgegenstand sind (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2003 – I ZR 269/00 – MDR 2003, 1247). Nach § 322 Abs. 1 ZPO ist ein Urteil insoweit der Rechtskraft fähig, als darin über den durch die Klage oder durch die Widerklage erhobenen Anspruch entschieden ist. Identität der Streitgegenstände ist dabei zwar nicht nur dann anzunehmen, wenn im zweiten Prozess der nämliche Streitgegenstand zwischen denselben Parteien nochmals rechtshängig gemacht wird, sondern auch dann, wenn dort das mit dem Rechtsausspruch im ersten Prozess unvereinbare „kontradiktorische Gegenteil” begehrt wird (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2003 – I ZR 269/00 – MDR 2003, 1247; Vollkommer, in: Zöller, Zivilprozessordnung, 33. Aufl. 2020, Vorbemerkungen zu § 322 ZPO Rn. 20). Zudem besteht, wenn die im ersten Prozess rechtskräftig entschiedene Rechtsfolge im zweiten Prozess nicht die Hauptfrage, sondern eine Vorfrage darstellt, die Wirkung der Rechtskraft in der Bindung des nunmehr entscheidenden Gerichts an die Vorentscheidung (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2003 – I ZR 269/00 – MDR 2003, 1247). Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Bestimmung des § 322 Abs. 1 ZPO der Rechtskraft eines Urteils bewusst enge Grenzen gesetzt hat dergestalt, dass diese sich auf den unmittelbaren Gegenstand des Urteils, d.h. die Rechtsfolge beschränkt, die den Entscheidungssatz bildet, nicht aber auf einzelne Urteilselemente, tatsächliche Feststellungen und rechtliche Folgerungen erstreckt, auf denen die getroffene Entscheidung aufbaut (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2003 – I ZR 269/00 – MDR 2003, 1247; BGH, Urteil vom 11. November 1994 – V ZR 46/93 – zitiert nach juris). Dementsprechend beschränkt sich die Bindungswirkung auf den Streitgegenstand des früheren Rechtsstreits, wobei dieser Streitgegenstand durch den dortigen prozessualen Anspruch und den ihm zugrundeliegenden Lebenssachverhalt bestimmt wird (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2003 – I ZR 269/00 – MDR 2003, 1247). Eine Bindungswirkung ergäbe sich damit nicht hinsichtlich der Verbrauchereigenschaft der Beklagten und des Vorliegens eines Verbraucherbauvertrages.

50

Bejahte der Senat die Verbrauchereigenschaft der Beklagten und das Vorliegen eines Verbraucherbauvertrages im Sinne des § 650i BGB könnte nicht ausgeschlossen werden, dass das Landgericht im Rahmen der Entscheidung über den Hilfsantrag und den Widerklageantrag gleichwohl bei abweichender Würdigung zur Anwendung der Auslegungsregel des § 650k Abs. 2 BGB gelangte. Lediglich dann, wenn der Senat die Verbrauchereigenschaft der Beklagten und das Vorliegen eines Verbraucherbauvertrages im Sinne des § 650i BGB verneinte, wäre dem Hauptantrag in Abänderung der landgerichtlichen Entscheidung mit der Folge stattzugeben, dass die innerprozessuale Bedingung, um den Hilfsantrag einer Entscheidung zuzuführen, nicht einträte, so dass keine Entscheidung über den Hilfsantrag erfolgte. Die – bereits mit Klagezustellung eingetretene – Rechtshängigkeit des Hilfsantrages entfiele rückwirkend und eine etwaig zwischenzeitlich getroffene Entscheidung über den Hilfsantrag würde gegenstandslos (vgl. Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 09. Dezember 2020 – 4 U 76/20 – zitiert nach juris; Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 24. Juni 2020 – 4 U 215/19 – zitiert nach juris). Soweit der Widerklageantrag betroffen ist, ist beachtlich, dass die Erhebung einer Widerklage im isolierten Sicherungsverfahren nicht möglich ist. Gemäß § 650f Abs. 1 Satz 4 BGB bleiben streitige Gegenansprüche, mit denen der Besteller gegen den Anspruch des Unternehmers auf Vergütung aufrechnen kann, im Sicherungsverfahren unberücksichtigt (vgl. Seewald, in: Motzke/Bauer/Seewald, Prozesse in Bausachen, 3. Auflage 2018, A. Vergütungsklage des Unternehmers Rn. 658; Cramer, in: Messerschmidt/Voit, Privates Baurecht, 3. Auflage 2018, § 650f BGB Rn. 83). Die Widerklage wird auf behauptete Mängel der Leistung der Klägerin gestützt; die Beklagte macht widerklagend einen Betrag von 22.099,97 € nebst Zinsen geltend. Sie errechnet auf der Grundlage des Restwerklohns der Klägerin in Höhe von 30.838,79 € einen Abzugsbetrag von 7.204,00 €, die sie an die J GmbH & Co. KG für die Änderung der Kranbrücken ausweislich deren Rechnung vom 23.09.2019 (Anl. B1, Bl. 98-99 d.A.) gezahlt habe, und macht im Übrigen einen Betrag in Höhe von 44.506,00 € für die Instandsetzung der Anlage geltend und verlangt den überschießenden Betrag von 22.099,97 € (rechnerisch richtig wohl 20.871,21 € (30.838,79 € abzgl. 7.204,00 € abzgl. 44.506,00 €)) im Wege der Widerklage.

51

Wegen § 650f Abs. 1 Satz 4 BGB scheidet aber im Sicherungsverfahren die auf streitige Gegenansprüche gestützte Widerklage aus (vgl. OLG Köln, Urteil vom 17. Juni 2020 – I-11 U 186/19 – MDR 2020, 1243; Hildebrandt, in: Nicklisch/Weick/Jansen/Seibel, VOB/B, 5. Auflage 2019, § 650f BGB Rn. 48). Zwar stünden etwaige Gegenansprüche nach § 33 ZPO in einem Sachzusammenhang mit der erhobenen Klage auf Sicherheit zu der offenen Restvergütung. Jedoch ist deren Zulassung ausgeschlossen, weil es jeweils nur um einen vom Gesetz erlaubten Zusammenhang gehen kann; aus diesem Grund muss das damit verfolgte Verteidigungsmittel auch sachlich zulässig sein, was es gerade wegen der eindeutigen Regelung in § 650f Abs. 1 Satz 4 BGB nicht ist (vgl. OLG Köln, Urteil vom 17. Juni 2020 – I-11 U 186/19 – MDR 2020, 1243). Zudem widerspricht die Widerklage auch dem Charakter des Sicherungsverfahrens, welches ähnlich dem einstweiligen Verfügungsverfahren auf eine möglichst schnelle Abwicklung gerichtet ist (vgl. OLG Köln, Urteil vom 17. Juni 2020 – I-11 U 186/19 – MDR 2020, 1243). Dem einstweiligen Verfügungsverfahren ist jedoch eine Widerklage fremd (vgl. Schultzky, in: Zöller, Zivilprozessordnung, 33. Aufl. 2020, § 33 ZPO Rn. 23).

52

Da aber bei Erlass des Teilurteils auch mit einer abweichenden Entscheidung des Senats als Rechtsmittelgericht zu rechnen war, bestand die Gefahr widersprechender Entscheidungen.

53

c)

54

Anerkannt ist zwar, dass ein unzulässiges Teilurteil nicht aufgehoben werden muss, wenn sich die prozessuale Situation so entwickelt hat, dass es nicht mehr zu widersprüchlichen Entscheidungen kommen kann (vgl. BGH, Urteil vom 08. Mai 2014 – VII ZR 199/13 – VersR 2014, 1264; OLG Karlsruhe, Urteil vom 26. September 2018 – 6 U 84/17 – WRP 2019, 117). Indes hat sich die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen durch die eventuelle Klagehäufung und die Erhebung der Widerklage ergeben. Die Sache ist indes hinsichtlich des Hilfsantrages und der Widerklage nicht entscheidungsreif, so dass eine Widersprüchlichkeiten vermeidende Gesamtentscheidung nicht getroffen werden kann.

55

d)

56

Ein Teilurteil ist zwar auch dann zulässig, wenn die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen besteht, aber diese Gefahr weder dadurch geschaffen noch verstärkt wird, das über den Hauptantrag eine Entscheidung im Wege des Teilurteils getroffen wird (vgl. Senat, Urteil vom 03. Dezember 2020 – I-24 U 14/20 – NJW-RR 2021, 268; OLG Karlsruhe, Urteil vom 26. September 2018 – 6 U 84/17 – WRP 2019, 117; Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, Teilurteil vom 11. Dezember 2006 – 8 U 274/01 – 62 – zitiert nach juris). So liegen die Dinge hier indes nicht. Etwaige Widersprüche der vom Landgericht zu treffenden Entscheidung zur Begründung des Schlussurteils wären jedenfalls im Hinblick auf die mögliche Entscheidung zum Hilfsantrag und zur Widerklage und die in diesem Zusammenhang nicht auszuschließende Anwendung der Auslegungsregel des § 650k Abs. 2 BGB nur durch eine Aufhebung des Teilurteils zu vermeiden.

57

e)

58

Auch vor dem Sinn des § 650f BGB kann die Zulässigkeit des Teilurteils trotz der beschriebenen Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen nicht bejaht werden. Zwar will der Gesetzgeber dem Werkunternehmer eine rasche Entscheidung zur Bauhandwerkersicherung ermöglichen. Gleichwohl führt dies nicht zur Annahme, dass der Gesetzgeber deswegen die Gefahr sich widersprechender Entscheidungen jedenfalls dann in Kauf zu nehmen gewillt ist, wenn mit dem Teilurteil über die Bauhandwerkersicherung zu entscheiden ist.

59

aa)

60

Nach dem Willen des Gesetzgebers soll dem Werkunternehmer die Möglichkeit der Erlangung einer effektiven und zügigen Sicherung eröffnet werden.

61

Der Anspruch des Unternehmers auf Stellung einer Bauhandwerkersicherung ist durch das Gesetz zur Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuchs (Bauhandwerkersicherung) und anderer Gesetze vom 27.04.1993 (BGBl. 1993 I 509), sog. Bauhandwerkersicherungsgesetz, mit Wirkung vom 01.05.1993 als § 648a BGB a.F. in das Werkvertragsrecht des BGB inkorporiert worden. Mit dem Gesetz zur Beschleunigung fälliger Zahlungen vom 30.03.2000 (BGBl. 2000 I 330) wurden § 648a Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB geändert und § 648a Abs. 5 Satz 3 und 4 neu in die Vorschrift eingefügt. Das am 01.01.2009 in Kraft getretene Gesetz zur Sicherung von Werkunternehmeransprüchen und zur verbesserten Durchsetzung von Forderungen (Forderungssicherungsgesetz – FoSiG) vom 23.10.2008, BGBl. 2008 I 2022) brachte weitere Änderungen durch die Neufassung. Mit dem Gesetz zur Reform des Bauvertragsrechts hat die Vorschrift des § 648a BGB a.F. mit Wirkung zum 01.01.2018 ihren Standort gewechselt und ist nunmehr als § 650f BGB systematisch im Kapitel zum Bauvertragsrecht angesiedelt (vgl. Wittler/Zander, NJW 2021, 32 (34)).

62

Der Gesetzgeber erstrebte bereits mit dem Bauhandwerkersicherungsgesetz, dass der Unternehmer Sicherheit für die von ihm zu erbringenden Vorleistungen verlangen kann und er zu Vorleistungen nur gegen entsprechende Sicherheit für seinen voraussichtlichen Vergütungsanspruch verpflichtet sein soll (vgl. BT-Drs. 12/1836, 8). Der Gesetzgeber hat mit dem Gesetz zur Beschleunigung fälliger Zahlungen ausdrücklich klargestellt, dass die Möglichkeiten des Werkunternehmers, fällige Ansprüche zügig gerichtlich geltend zu machen, verbessert werden sollen (vgl. BT-Drs. 14/1246, 1). Mit dem Forderungssicherungsgesetz sollte die Geltendmachung des Anspruchs auf Gewährung einer Bauhandwerkersicherung vereinfacht werden (vgl. BT-Drs. 16/511, 17). Dem Verlangen auf Sicherheitsleistung soll daher zügig entsprochen werden, weil sonst der gesetzliche Anspruch entwertet würde (vgl. BGH, Urteil vom 06. März 2014 – VII ZR 349/12 – NZBau 2014, 343), so dass entsprechende Einwendungen des Bestellers unberücksichtigt zu lassen sind, da eine Beweisaufnahme gerade nicht in Betracht kommt (vgl. BGH, Urteil vom 06. März 2014 – VII ZR 349/12 – NZBau 2014, 343; KG Berlin, Urteil vom 15. Juni 2018 – 21 U 140/17 – zitiert nach juris). Die Folge ist, dass über den Sicherungsanspruch auf erkannt unsicherer und nicht abschließend geklärter Tatsachengrundlage zu entscheiden ist (vgl. KG Berlin, Urteil vom 26. Juli 2019 – 21 U 3/19 – zitiert nach juris).

63

bb)

64

Gleichwohl führt dies nicht zur Annahme, dass der Gesetzgeber die – hier gegebene – Gefahr sich widersprechender Entscheidungen jedenfalls hinsichtlich der Entscheidung über die Bauhandwerkersicherung zumindest hinnehmen wollte.

65

Der Gesetzgeber hat zwar im Entwurf des Forderungssicherungsgesetzes als misslich empfunden, dass die Rechtsprechung von der Möglichkeit des Erlasses eines Teilurteils nur zurückhaltend Gebrauch mache, was dazu führe, dass dem Werkunternehmer ein möglicher frühzeitiger Vollstreckungstitel vorenthalten werde (vgl. BT-Drs. 16/511, 11), was den gesetzgeberischen Willen, dem Verlangen auf Sicherheitsleistung zügig zu entsprechen, konterkariere. Dementsprechend sah der Entwurf des Forderungssicherungsgesetzes vor, der Entscheidung durch Teilurteil größere Bedeutung zu verschaffen und zu diesem Zweck § 301 Abs. 2 ZPO zu streichen, so dass vom Erlass eines Teilurteils nur noch in zwei, im Gesetzentwurf ausdrücklich genannten Ausnahmefällen habe abgesehen werden können (vgl. BT-Drs. 16/511, 11). Indes ist diese Änderung des § 301 ZPO letztlich gesetzgeberisch gerade nicht umgesetzt worden.

66

dd)

67

Ungeachtet dessen bedarf es des Erlasses eines Teilurteils über den Hauptantrag trotz der Gefahr widersprechender Entscheidungen schon deswegen nicht, weil der Klägerin zwar nicht wie im Falle der Bauhandwerkersicherungshypothek die Möglichkeit offenstand, nach §§ 650e BGB, 883, 885 ZPO im Wege der einstweiligen Verfügung die Eintragung einer Vormerkung zu erwirken, ohne dass ein Verfügungsgrund glaubhaft gemacht werden muss (vgl. Scheuch, in: Schulze, Bürgerliches Gesetzbuch, 10. Auflage 2019 Rn. 8). Indes stand ihr die Möglichkeit offen, nur den Hauptantrag ohne Verknüpfung mit dem Hilfsantrag zu stellen. In diesem Falle wäre eine Anwendung der Auslegungsregel des § 650k Abs. 2 BGB im Rahmen eines Hilfsantrages nicht zu befürchten und zudem – wie bereits ausgeführt – die Erhebung der auf streitigen Gegenansprüchen gründenden Widerklage nicht möglich gewesen. Verknüpft die Klägerin indes ihr mit dem Hauptantrag verfolgtes Sicherungsverlangen innerprozessual mit dem mittels Hilfsantrag verfolgten Restwerklohnanspruchsbegehren, so bedingt sie erst hierdurch die Gefahr einer abweichenden Entscheidung zu § 650k Abs. 2 BGB und eröffnet die Möglichkeit, dass die Beklagte jedenfalls im Rahmen des Hilfsantrages ihre auf Mängel der Leistung gestützte Widerklage in zulässiger Weise erheben kann.

68

2.

69

Der Senat weist im Hinblick auf den Einwand der Klägerin, die Beklagte sei nicht Verbraucherin, vorsorglich darauf hin, dass das Landgericht wohl zutreffend angenommen hat, dass die Beklagte Verbraucherin ist.

70

Verbraucher ist gem. § 13 BGB jede natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu Zwecken abschließt, die überwiegend weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbstständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können (vgl. Merkle, in: beck-online.GK, Gsell/Krüger/Lorenz/Reymann, Stand: 01.01.2021, § 650i BGB Rn. 21). Auf Bauverträge, die ausschließlich den gewerblichen oder den selbstständigen beruflichen Zwecken des Bauherrn dienen, ist damit die Anwendung der verbraucherschützenden Vorschriften der §§ 650i ff. BGB von vornherein ausgeschlossen (vgl. Merkle, in: beck-online.GK, Gsell/Krüger/Lorenz/Reymann, Stand: 01.01.2021, § 650i BGB Rn. 27).

71

Vorliegend ist Gegenstand des Bauvertrages die Errichtung einer Halle, mit der die Beklagte Mieteinnahmen erzielt. Die Verwaltung eigenen Vermögens ist, unabhängig von dessen Höhe, grundsätzlich keine gewerbliche Tätigkeit (vgl. BGH, Urteil vom 03. März 2020 – XI ZR 461/18 – VersR 2020, 916; BGH, Urteil vom 20. Februar 2018 – XI ZR 445/17 – NJW 2018, 1812; BGH, Urteil vom 23. Oktober 2001 – XI ZR 63/01 – NJW 2002, 368). Die Vermögensverwaltung wird erst dann berufs- oder gewerbsmäßig, wenn der Umfang der mit ihr verbundenen Geschäfte einen planmäßigen Geschäftsbetrieb erfordert. Wann dies der Fall ist, ist aufgrund der Umstände des Einzelfalls zu beurteilen (vgl. BGH, Urteil vom 03. März 2020 – XI ZR 461/18 – VersR 2020, 916). Vorliegend hat das Landgericht zutreffend festgestellt, dass die Klägerin den Vortrag der Beklagten, sie sei Hausfrau und geringfügig im Unternehmen ihres Ehemannes beschäftigt, nicht hinreichend substantiiert bestritten hat.

72

Da die Vermietung lediglich an die C GmbH Metallverarbeitung erfolgte, ist weder dargetan noch anderweit erkennbar, dass ein erheblicher bürotechnischer Aufwand hiermit verbunden ist, zumal der Geschäftsführer der Mieterin der Ehemann der Beklagten ist und nach unwidersprochen gebliebenem Vortrag der Beklagten ein langfristiger Mietvertrag abgeschlossen wurde. Die Vermietung eines Objekts an eine geringe Anzahl von Personen oder wie hier an eine juristische Person, hält sich aber grundsätzlich im Rahmen der privaten Vermögensverwaltung (vgl. BGH, Urteil vom 03. März 2020 – XI ZR 461/18 – VersR 2020, 916). Das Landgericht hat damit zutreffend entscheidend auf den Umfang der mit der Immobilienverwaltung verbundenen Tätigkeiten abgestellt und dabei den Umstand des Vorliegens nur eines Mitvertrages und die Langfristigkeit des Mietverhältnisses sowie den geringen Aufwand bei deren Verwaltung berücksichtigt. Seine Würdigung, dass diese Tätigkeiten insgesamt nicht das Bild eines planmäßigen Geschäftsbetriebs vermittelten, ist nicht zu beanstanden.

73

Soweit die Klägerin auf objektive Umstände verweist, vermengt sie die unstreitig gewerbliche Ausrichtung der Mieterin und die eigene vermietende Tätigkeit der Beklagten. Überdies weist sie zwar zutreffend darauf hin, dass die Auftragsbestätigung vom 11.04.2019 mit „T. H“ unterschrieben worden und die Anschreiben vom 12.11.2019 (Anl. K5, Bl. 70-71 d.A.) und 06.01.2020 (Anl. K5, S. 75 d.A.) an die „C Metallverarbeitung Zu Hd. Herrn Tfg H“ adressiert waren und auch die Zeichnungen dem Ehemann der Beklagten übermittelt wurden. Gleichwohl ist unstreitig, dass nicht der Ehemann der Beklagten oder die C GmbH Metallverarbeitung der Vertragspartner der Klägerin geworden ist, so dass es nicht darauf ankommt, ob diese Verbraucher sind, was sie zweifellos nicht sind, sondern die Beklagte. Zwar hat die Klägerin ursprünglich gemeint, dass der Ehemann der Beklagten Vertragspartner geworden sei; indes hat die Klägerin im Nachgang unstreitig gestellt, dass Vertragspartnerin die Beklagte ist.

74

Dass nach dem objektiven Empfängerhorizont die Klägerin davon ausgehen konnte, dass die Beklagte gewerblich tätig geworden sein könnte, ist nicht erkennbar. Zwar hat die Klägerin behauptet, ihr sei die Beklagte nur namentlich bekannt gewesen. Indes war der Klägerin bekannt, dass die Beklagte und ihr für sie handelnder Ehemann personenverschieden waren und lediglich ihr Ehemann für die C GmbH Metallverarbeitung als Mieterin auftrat.

75

3.

76

Auch die Annahme des Landgerichts, dass ein Verbraucherbauvertrag im Sinne des § 650i BGB vorliegt und damit die Ausnahmeregelung des § 650f Abs. 6 Satz 1 Nr. 2, 1. Alt. BGB greift, ist wohl nicht zu beanstanden.

77

a)

78

Zutreffend hat das Landgericht entgegen einer teilweise vertretenen Ansicht (vgl. Merkle, in: beck-online.GK, Gsell/Krüger/Lorenz/Reymann, Stand: 01.01.2021, § 650i BGB Rn. 34) angenommen, dass sich § 650i Abs. 1 BGB nicht auf den Bau von Wohngebäuden beschränkt (vgl. Retzlaff, in: Palandt, BGB, 80. Aufl. 2021, § 650i BGB Rn. 3; Werner/Pastor, Der Bauprozess, 17. Aufl. 2020, Kapitel 5 Rn. 1167; Omlor, NJW 2018, 817(819); Pause, BauR 2017, 430 (431)). § 650i Abs. 1 BGB spricht von Gebäuden (vgl. Werner/Pastor, Der Bauprozess, 17. Aufl. 2020, Kapitel 5 Rn. 1167). Eine Einschränkung auf Wohngebäude ergibt sich weder aus dem Wortlaut, den Gesetzesmaterialien noch aus dem sekundärrechtlichen Vorbild in der Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25.10.2011 (ABl. L 304 vom 22.11.2011, S. 64, im Folgenden: RL 2011/83/EU; vgl. Omlor, NJW 2018, 817(819)). Die Gesetzesmaterialien (vgl. BT-Drs. 18/8486, 24 (61)) verweisen lediglich auf § 312b Abs. 3 Nr. 4 BGB, in welchem das Merkmal „Errichtung von Bauwerken“ enthalten war. Der Nutzungszweck kann lediglich Auswirkungen auf die notwendige Verbrauchereigenschaft des Bestellers haben. Allerdings ist es keinesfalls ausgeschlossen, dass ein Verbraucher ein Gebäude errichten lässt, das nicht Wohnzwecken dient. Verfolgt der Besteller einen Anlagezweck mit dem Bau eines Gebäudes, begründet allein dieser Umstand – wie bereits ausgeführt – nicht automatisch seine Unternehmereigenschaft nach § 14 BGB. Umgekehrt führt die geplante Errichtung eines Wohngebäudes aber auch nicht notwendigerweise zur Verbrauchereigenschaft des Bestellers.

79

Weiter zutreffend hat das Landgericht darauf verwiesen, dass uneinheitlich bewertet wird, ob bei einer gewerkeweisen Vergabe ein Verbraucherbauvertrag anzunehmen ist.

80

Nach einer Ansicht ist ein Verbraucherbauvertrag nur dann zu bejahen, wenn sich der Unternehmer zum Bau des gesamten Gebäudes in einem Vertrag verpflichtet (vgl. Werner/Pastor, Der Bauprozess, 17. Aufl. 2020, Kapitel 5 Rn. 1167; Retzlaff, in: Palandt, BGB, 80. Aufl. 2021, § 650i BGB Rn. 3; Busche, in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Auflage 2020, § 650i BGB Rn. 6; Hildebrandt, in: Nicklisch/Weick/Jansen/Seibel, VOB/B; 5. Auflage 2019; § 650f BGB Rn. 22; Ehrl, DStR 2017, 2395 (2399); Wessel/Schwenker, MDR 2017, 1218 (1219); Omlor, NJW 2018, 817 (818)). Nach der Gegenansicht ist ein Verbraucherbauvertrag auch dann anzunehmen, wenn der Verbraucher das Bauvorhaben in mehrere Bauverträge aufspaltet, die er mit mehreren Unternehmern isoliert abschließt (vgl. Koeble, in: Kniffka/Koeble/Jurgeleit/Sacher, Kompendium des Baurechts, 5. Auflage 2020, Teil 9 Rn. 121; Merkle, in: beck-online.GK, Gsell/Krüger/Lorenz/Reymann, Stand: 01.01.2021, § 650i BGB Rn. 37; Segger-Piening in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger zitiert nach jurisPK-BGB, 9. Aufl., Stand: 01.02.2020, § 650i BGB Rn. 20; Vogel, BauR 2020, 388 (394 f.); Motzke, NZBau 2017, 515 (518)).

81

b)

82

Der Wortlaut des § 650i Abs. 1 BGB kann zwar so interpretiert werden, dass er gegen eine Einbeziehung der Einzelvergabe spricht (vgl. Merkle, in: beck-online.GK, Gsell/Krüger/Lorenz/Reymann, Stand: 01.01.2021, § 650i BGB Rn. 36; Omlor, NJW 2018, 817 (818); Segger-Piening in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger zitiert nach jurisPK-BGB, 9. Aufl., Stand: 01.02.2020, § 650i BGB Rn. 19; Werner/Pastor, Der Bauprozess, 17. Aufl. 2020, Kapitel 5 Rn. 1166). Nach dem Gesetzeswortlaut muss sich der Unternehmer zum Bau des gesamten Gebäudes in einem Vertrag verpflichten. Hierunter sind in jedem Fall Verträge des Generalübernehmers, des Generalunternehmers und des Fertighausherstellers zu subsumieren, die jeweils das gesamte Gebäude aus einer Hand errichten (vgl. Merkle, in: beck-online.GK, Gsell/Krüger/Lorenz/Reymann, Stand: 01.01.2021, § 650i BGB Rn. 36). Bei gewerkeweiser Vergabe, umfasst ein jeder dieser Verträge für sich gesehen nicht den Bau eines neuen Gebäudes (vgl. Segger-Piening in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger zitiert nach jurisPK-BGB, 9. Aufl., Stand: 01.02.2020, § 650i BGB Rn. 19; Ehrl, DStR 2017, 2395 (2399)).

83

c)

84

Die Tatbestandsvoraussetzung „zum Bau eines neuen Gebäudes“ weicht wohl zudem vom Inhalt der Regelung in § 650a Abs. 1 BGB ab.

85

§ 650a Abs. 1 BGB qualifiziert einen Vertrag als Bauvertrag auch dann, wenn der Unternehmer zur Herstellung eines Teils eines Bauwerks verpflichtet wird. Das Tatbestandsmerkmal „Teil eines Bauwerks“ und damit die Beschreibung zum Bau eines neuen Gebäudes „oder eines Teils davon“ findet sich also gerade nicht in § 650i Abs. 1 BGB. Auch unter die Bereichsausnahme des § 312 Abs. 2 Nr. 3 BGB fallen nur Verträge über den Bau von Gebäuden oder erhebliche Umbaumaßnahmen an bestehenden Gebäuden. Die gleichlautende Formulierung in § 312 Abs. 2 Nr. 3 BGB „Verträge über den Bau von Gebäuden“ ist möglicherweise nicht mit der Formulierung „bei einem Bauwerk” im Sinne des § 634a Abs. 1 Nr. 2 BGB gleichzusetzen; von der Privilegierung des § 312 Abs. 2 Nr. 3 BGB könnte nur das „Bauen aus einer Hand“ umfasst sein (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 23. März 2017 – 16 U 153/16 – BauR 2018, 142), da die Vorschrift des § 312 Abs. 2 Nr. 3 BGB wohl eng auszulegen ist (vgl. auch EuGH, Urteil vom 10. März 2005 – C-336/03 – NJW 2005, 3055). Sie beruht ebenso wie § 650i Abs. 1 BGB auf Art. 3 Abs. 3 f der RL 2011/83/EU (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 23. März 2017 – 16 U 153/16 – BauR 2018, 142).

86

d)

87

Eine Definition dessen, was unter dem „Bau eines neuen Gebäudes“ zu verstehen ist, findet sich im Gesetz nicht. Der Gesetzgeber hat aber ausdrücklich ausgeführt, dass der Anwendungsbereich für die Regelungen zum Verbraucherbauvertrag an die Vorgaben der RL 2011/83/EU anschließe (vgl. BT-Drs. 18/8486, 24 (61)).

88

Gemäß Art. 3 Abs. 3 lit. f RL 2011/83/EU gilt die Richtlinie nicht für Verträge über den Bau von neuen Gebäuden, erhebliche Umbaumaßnahmen an bestehenden Gebäuden oder die Vermietung von Wohnraum, da nach dem Erwägungsgrund 26 RL 2011/83/EU die in der Richtlinie enthaltenen Bestimmungen sich nicht für umfangreichere Bauleistungen eigneten. Hieraus folgt, dass die Richtlinie nur für „kleinere“ Bauleistungen eine Regelung trifft (vgl. Motzke, NZBau 2017, 515 (518)). Im Ergebnis führte dies vor Inkrafttreten des Bauvertragsreformgesetzes dazu, dass auf der Grundlage der RL 2011/83/EU Verbraucher bei Verträgen über „kleinere“ Bauleistungen umfassender geschützt waren als bei solchen über „größere“ Bauleistungen (vgl. Busche, ZfPW 2018, 285 (295); Vogel, BauR 2020, 388 (391)).

89

Seit dem Inkrafttreten der Vorschriften zum Verbraucherbauvertrag bestehen nunmehr auch für Verträge über „größere“ Bauleistungen, die in § 650i Abs. 1 BGB in Anlehnung an die Bereichsausnahme in Art. 3 Abs. 3 lit. f RL 2011/83/EU beschrieben werden, weitreichende vorvertragliche Informationspflichten (§ 650j BGB iVm. Art. 249 EGBGB); zudem steht dem Verbraucher grundsätzlich auch ein Widerrufsrecht zu (§ 650l BGB iVm. § 355 BGB).

90

In Umsetzung der RL 2011/83/EU haben die Termini auch in § 312 Abs. 3 Nr. 3 BGB (zuvor § 312b Abs. 3 Nr. 4 BGB in der bis zum 12.06.2014 geltenden Fassung) Verwendung gefunden. Zum Begriff „Bau von neuen Gebäuden“ bietet daher § 312b Abs. 3 Nr. 4 BGB a. F. eine Orientierung (vgl. BT-Drs. 18/8486, 24 (61); Busche, in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Auflage 2020, § 650i BGB Rn. 4; Wessel/Schwenker, MDR 2017, 1218 (1218)). Danach fanden die Vorschriften über Fernabsatzverträge keine Anwendung auf Verträge über die „Errichtung von Bauwerken“. Diese Vorschrift wurde von der Rechtsprechung im Sinne des Verbraucherschutzes eng ausgelegt und umfasste nur Verträge über Maßnahmen, die das Grundstück wesentlich umgestalteten und daher den klassischen Immobiliengeschäften gleichgestellt werden konnten (vgl. BT-Drs. 18/8486, 24 (61); Wendehorst, in: Münchener Kommentar zum BGB, 6. Auflage 2012, § 312b BGB Rn. 77; Ring, in: Dauner-Lieb/Langen, BGB Schuldrecht, 2. Auflage 2012, § 312b BGB Rn. 124; Wessel/Schwenker, MDR 2017, 1218 (1218)). Dagegen fanden die Vorschriften des Fernabsatzrechtes Anwendung, wenn der Vertrag lediglich Erneuerungs-, Umbau- und Erweiterungsmaßnahmen an den bestehenden Gebäuden betraf oder wenn es sich um ein Bauwerk untergeordneter Funktion, wie beispielsweise einen Carport oder einen Gartenschuppen handelte (vgl. BT-Drs. 18/8486, 24 (61); Wendehorst, in: Münchener Kommentar zum BGB, 6. Auflage 2012, § 312b BGB Rn. 77; Schmidt-Räntsch, in: Beck’scher Online-Kommentar BGB, Bamberger/Roth, Stand: 01.11.2011, § 312b BGB Rn. 47).

91

In Erwägungsgrund 26 RL 2011/83/EU wird zum Begriff der erheblichen Umbaumaßnahmen in Art. 3 Abs. 3 lit. f RL 2011/83/EU ausgeführt, dass darunter solche Umbaumaßnahmen fallen, die dem Bau eines neuen Gebäudes vergleichbar sind, beispielsweise Baumaßnahmen, bei denen nur die Fassade eines alten Gebäudes erhalten bleibt. Maßgeblich sind mithin Umfang und Komplexität des Eingriffs sowie das Ausmaß des Eingriffs in die bauliche Substanz des Gebäudes. Verträge zur Errichtung von Anbauten – z. B. einer Garage oder eines Wintergartens – sowie zur Instandsetzung bzw. Renovierung von Gebäuden, ohne dass es sich dabei um erhebliche Umbauarbeiten handelt, sind von der Ausnahme nicht erfasst (vgl. BT-Drs. 18/8486, 24 (61)).

92

Diese Differenzierung greift der Begriff des Verbraucherbauvertrags in § 650i Abs. 1 BGB auf (vgl. Segger-Piening in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger zitiert nach jurisPK-BGB, 9. Aufl., Stand: 01.02.2020, § 650i BGB Rn. 7). Die dortigen Verbraucherbauverträge sind also solche, die nicht unter den Anwendungsbereich der Richtlinie fallen. Insofern soll eine ansonsten bestehende Schutzlücke für größere Verbraucherbauverträge (i.S.d. § 650i BGB) geschlossen werden, weil dies ansonsten „zu einem nicht akzeptablen Ungleichgewicht“ führte (vgl. BT-Drs. 18/8486, 24 (61); Segger-Piening in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger zitiert nach jurisPK-BGB, 9. Aufl., Stand: 01.02.2020, § 650i BGB Rn. 7). Es erfolgt eine Art negative Umsetzung des Anwendungsbereichs der RL 2011/83/EU (vgl. Segger-Piening in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger zitiert nach jurisPK-BGB, 9. Aufl., Stand: 01.02.2020, § 650i BGB Rn. 7).

93

e)

94

Im Regelungszusammenhang der RL 2011/83/EU stellt Art. 3 Abs. 3 lit. f RL 2011/83/EU einen Ausnahmetatbestand dar, so dass es naheliegt, die Merkmale im Interesse des Verbraucherschutzes eng auszulegen, um möglichst viele Verträge den für Verbraucher günstigen Informationspflichten zu unterstellen (vgl. Busche, in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Auflage 2020, § 650i BGB Rn. 4). Das Merkmal „Bau eines neuen Gebäudes“ wäre hingegen in einem weiteren Sinne zu verstehen, um dem Regelungsanspruch der Vorschrift, nämlich dem Verbraucherschutz, gerecht zu werden (vgl. Busche, in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Auflage 2020, § 650i BGB Rn. 4).

95

Wie bereits ausgeführt, verwendet § 650i Abs. 1 BGB einen engeren Begriff als § 650a BGB. Vor dem Hintergrund der Gewährleistung eines umfassenden Verbraucherschutzes könnte die fehlende Erwähnung des Vertrages über die Herstellung eines Bauwerks „oder eines Teils“ davon als unbeabsichtigte gesetzgeberische Lücke zu werten sein (vgl. Motzke, NZBau 2017, 515 (518)). Hierfür könnte streiten, dass Verbraucherbauverträge vom Rechtsschutzinteresse her betrachtet auch dann vorliegen müssten, wenn sich der Vertrag zum Beispiel auf den Dachstuhl, den Putz, den Estrich oder eine Technische Anlage eines Neubaus beschränkt (vgl. Motzke, NZBau 2017, 515 (518)). Ansonsten wären Verbraucherbauträge lediglich Verträge, nach deren Inhalt ein Gebäude schlüsselfertig zu erstellen ist (vgl. Motzke, NZBau 2017, 515 (518)). Hiergegen spricht aber, dass der Gesetzgeber, wie bereits ausgeführt, in § 650i Abs. 1 BGB die in der RL 2011/83/EU nicht erfassten Bauverträge ergänzend regeln wollte, um eine ansonsten bestehende Schutzlücke für größere Verbraucherbauverträge zu schließen (vgl. BT-Drs. 18/8486, 24 (61); Segger-Piening in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger zitiert nach jurisPK-BGB, 9. Aufl., Stand: 01.02.2020, § 650i BGB Rn. 7; Orlowski, ZfBR 2016, 419 (430)).

96

f)

97

Hintergrund der gesetzlichen Regelung ist, dass beim Verbraucherbauvertrag eine Risikokumulation für Verbraucher in einem Vertrag besteht (vgl. Mansel, in: Jauernig, Bürgerliches Gesetzbuch, 18. Auflage 2021, § 650i BGB Rn. 5).

98

Indes könnte ein sachlicher Grund, warum der Bauherr bei gewerkeweise Vergabe weniger schutzwürdig ist, als der Bauherr, der sein Haus aus einer Hand errichten lässt, schwerlich auszumachen sein (vgl. Merkle, in: beck-online.GK, Gsell/Krüger/Lorenz/Reymann, Stand: 01.01.2021, § 650i BGB Rn. 37; Lenkeit, in: Messerschmidt/Voit, Privates Baurecht, 3. Auflage 2018, § 650i BGB Rn. 23), obwohl es erklärtes gesetzgeberisches Ziel war, den Verbraucherschutz bei der Errichtung derartiger Gebäude deutlich zu verbessern (vgl. Lenkeit, in: Messerschmidt/Voit, Privates Baurecht, 3. Auflage 2018, § 650i BGB Rn. 23) und bei enger Auslegung sich – im Vergleich zum alten Recht – eine Verschlechterung für Verbraucher bei Einzelvergabe ergäbe (vgl. Vogel, BauR 2020, 388 (395)).

99

Bei gewerkeweiser Vergabe ist der Bauherr gegenüber den Behörden für die Einhaltung der öffentlich-rechtlichen Vorschriften in der Verantwortung und sein finanzielles Risiko ist bei einer Gesamtbetrachtung wohl ebenfalls schutzwürdig, gerade wenn er im Einzelfall aus finanziellen Gründen gezwungen ist, einzelne Gewerke zeitlich gestaffelt und auch an verschiedene Unternehmer zu vergeben (vgl. Merkle, in: beck-online.GK, Gsell/Krüger/Lorenz/Reymann, Stand: 01.01.2021, § 650i BGB Rn. 37; Koeble, in: Kniffka/Koeble/Jurgeleit/Sacher, Kompendium des Baurechts, 5. Auflage 2020, Teil 9 Rn. 121; Pause, BauR 2017, 430 (432)).

100

Zudem mag die Prüfung der finanziellen Rahmenbedingungen durch ein kreditgebendes Institut bei Einzelvergabe strenger erfolgen als im Rahmen der Finanzierung eines Bauvertrages mit einem Generalunternehmer (vgl. Lenkeit, in: Messerschmidt/Voit, Privates Baurecht, 3. Auflage 2018, § 650i BGB Rn. 23).

101

Auch im Hinblick auf die strukturelle informationelle Unterlegenheit ist der Bauherr bei Einzelvergabe wohl ebenso schutzwürdig wie ein Verbraucher, der die Bauerrichtung einem Generalunternehmer oder Generalübernehmer überlasst (vgl. Lenkeit, in: Messerschmidt/Voit, Privates Baurecht, 3. Auflage 2018, § 650i BGB Rn. 23).

102

Damit aber könnte es wertungswidersprüchlich scheinen, die Einzelvergabe als nicht erfasst anzusehen, wohl aber die Beauftragung eines Generalunternehmers (vgl. Segger-Piening in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger zitiert nach jurisPK-BGB, 9. Aufl., Stand: 01.02.2020, § 650i BGB Rn. 20).

103

Umgekehrt böte sich bei einschränkender Auslegung dem Werkunternehmer die Möglichkeit, durch Aufspaltung eines an sich einheitlichen Werkvertrages in mehrere Einzelgewerksverträge sämtliche Verbraucherschutzvorschriften, insbesondere das Widerrufsrecht, die Baubeschreibungspflicht und den Anspruch auf die Übergabe von Unterlagen, zu umgehen (vgl. Lenkeit, in: Messerschmidt/Voit, Privates Baurecht, 3. Auflage 2018, § 650i BGB Rn. 25). Der Gefahr, dass Werkunternehmer durch Aufspaltung eines an sich einheitlichen Werkvertrages in mehrere Einzelgewerksverträge sämtliche Verbraucherschutzvorschriften umgehen könnten, könnte zwar mit dem Umgehungsverbot des § 650o Satz 2 BGB begegnet werden (vgl. Merkle, in: beck-online.GK, Gsell/Krüger/Lorenz/Reymann, Stand: 01.01.2021, § 650i BGB Rn. 37; Lenkeit, in: Messerschmidt/Voit, Privates Baurecht, 3. Auflage 2018, § 650i BGB Rn. 25). Indes trägt die Beweislast für das Vorliegen eines Umgehungsgeschäfts der Verbraucher (vgl. Merkle, in: beck-online.GK, Gsell/Krüger/Lorenz/Reymann, Stand: 01.04.2021, § 650o BGB Rn. 24).

104

Ferner erfolgte auch bei einer Einzelvergabe nach Fertigstellung des Bauwerks eine wesentliche Umgestaltung des Grundstücks (vgl. Segger-Piening in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger zitiert nach jurisPK-BGB, 9. Aufl., Stand: 01.02.2020, § 650i BGB Rn. 20).

105

Soweit das finanzielle Risiko betroffen ist, mag das finanzielle Gesamtrisiko auch bei Einzelvergabe dem Risiko bei einer Errichtung „aus einer Hand“ gleichkommen, auch wenn das Insolvenzrisiko bei Einzelvergabe aufgeteilt sein dürfte (vgl. Segger-Piening in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger zitiert nach jurisPK-BGB, 9. Aufl., Stand: 01.02.2020, § 650i BGB Rn. 20) und der Verbraucher bei Einzelvergabe gegenüber einer Gesamtvergabe in finanzieller Sicht im Vorteil sein könnte, da er unter mehreren Angeboten hinsichtlich jedes einzelnen Gewerks auswählen kann, während der Verbraucher bei Gesamtvergabe auf die Preise der Einzelgewerke keinen oder kaum Einfluss haben kann.

106

g)

107

Auch die Umsetzungsverpflichtung, die aus der RL 2011/83/EU resultiert und insoweit Vorrang genießt, gebietet eine einschränkende Auslegung des § 650i Abs. 1 BGB BGB nicht (vgl. Polkowski, in: Dauner-Lieb/Langen, BGB Schuldrecht, 4. Auflage 2021, § 650i BGB Rn. 12; Segger-Piening in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger zitiert nach jurisPK-BGB, 9. Aufl., Stand: 01.02.2020, § 650i BGB Rn. 7). Zwar versteht sich § 650i Abs. 1 BGB – wie ausgeführt – als Komplementärnorm zu Art. 3 Abs. 3 lit. f RL 2011/83/EU (vgl. Omlor, NJW 2018, 817 (818), Vogel, BauR 2020, 388 (392)) und die RL 2011/83/EU nach Art. 4 RL 2011/83/EU verfolgt im Grundsatz eine Vollharmonisierung, so dass es Mitgliedstaaten verwehrt sein kann, mildere oder strengere Vorschriften in den von der Richtlinie geregelten Bereichen zu erlassen (vgl. Omlor, NJW 2018, 817 (818), Vogel, BauR 2020, 388 (392); Pause, BauR 2017, 430 (433)). Insofern enthalten Art. 5 Abs. 4, Art. 6 Abs. 8 RL 2011/83/EU ausdrücklich allein die Befugnis für die Mitgliedstaaten, strengere Vorschriften zu den Informationspflichten vorzusehen.

108

Wie aber bereits ausgeführt, spezifiziert der Erwägungsgrund 26 der RL 2011/83/EU den Zweck des Ausschlusses dahingehend, dass die Richtlinie für solche Verträge keine geeigneten Bestimmungen enthält und die Mitgliedstaaten besondere Schutzbestimmungen für derartige Verträge haben (vgl. Segger-Piening in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger zitiert nach jurisPK-BGB, 9. Aufl., Stand: 01.02.2020, § 650i BGB Rn. 21). Diese Schutzbestimmungen können aber – wie gerade der Bauwerksvertrag zeigt – auch die Errichtung in Einzelgewerken betreffen (vgl. Voit, in: BeckOK BGB, Hau/Poseck, Stand: 01.05.2020, § 650i BGB Rn. 4). Wie zudem bereits ausgeführt, stellen sich bei einer Einzelvergabe – mit Ausnahme des Insolvenzrisikos – dieselben sachlichen Probleme wie bei einer Gesamtvergabe (vgl. Segger-Piening in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger zitiert nach jurisPK-BGB, 9. Aufl., Stand: 01.02.2020, § 650i BGB Rn. 21). Beachtlich ist auch, dass nach § 650i Abs. 1 BGB auch Werkverträge über erhebliche Umbaumaßnahmen an einem bestehenden Gebäude Verbraucherbauverträge sein können. Dann aber wäre sachlich nicht zu rechtfertigen, dass bei einer gewerkeweisen Vergabe, wenn damit jeweils eine Umgestaltung des Grundstücks erfolgt, kein Verbraucherbauvertrag anzunehmen wäre. Voraussetzung ist allerdings, dass – wie hier – die Beauftragung zeitgleich oder in engem zeitlichem Zusammenhang erfolgt und die Erstellung eines neuen Gebäudes für den Unternehmer ersichtlich ist; auch müssen die Gewerke zum Bau des neuen Gebäudes selbst beitragen (vgl. Segger-Piening in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger zitiert nach jurisPK-BGB, 9. Aufl., Stand: 01.02.2020, § 650i BGB Rn. 22).

109

III.

110

Das zurückverweisende Urteil enthält keine Kostenentscheidung; diese ist dem erstinstanzlichen Schlussurteil vorbehalten (vgl. OLG Celle, Urteil vom 08. Juli 2020 – 14 U 25/18 – zitiert nach juris).

111

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10 Satz 1 ZPO. Aufhebende und zurückverweisende Urteile sind für vorläufig vollstreckbar zu erklären (vgl. OLG Celle, Urteil vom 08. Juli 2020 – 14 U 25/18 – zitiert nach juris; Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Urteil vom 04. Januar 2018 – 7 U 146/15 – zitiert nach juris; OLG München, Urteil vom 18. September 2002 – 27 U 1011/01 – zitiert nach juris). Obgleich ein Fall des § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO vorliegt, ist mangels vollstreckbaren Leistungsanspruchs eine Anordnung nach § 711 ZPO gegenstandslos (vgl. OLG Braunschweig, Urteil vom 22. Mai 2019 – 11 U 18/19 – zitiert nach juris).

112

Die Zulassung der Revision war nicht veranlasst, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht vorliegen. Das Urteil hat keine über den Einzelfall hinausgehende, grundsätzliche Bedeutung. Auch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des Revisionsgerichts. Denn eine Entscheidung über die von den Parteien aufgeworfene Frage, ob ein Verbraucherbauvertrag auch bei gewerkeweiser Vergabe vorliegt, ist seitens des Senats, der dem Landgericht insoweit lediglich Hinweise zu seiner derzeitigen rechtlichen Bewertung erteilt hat, nicht veranlasst.

 

VertragsManagement – VertragsMan Bau ®: Volltext-Entscheidungen: BGH, VII ZR 10/17

VertragsManagement - VertragsMan Bau ®: Volltext-Entscheidungen:
BGH, VII ZR 10/17

Dem Auftragnehmer kann nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein Mehrvergütungsanspruch in Anlehnung an die Grundsätze des § 2 Nr. 5 VOB/B (2006) zustehen, soweit es infolge der verzögerten Vergabe zu einer Verschiebung der Ausführungsfristen gekommen ist. Maßgeblich für die Ermittlung der Höhe der an den Auftragnehmer zu zahlenden Mehrvergütung sind diejenigen Mehrkosten, die ursächlich auf die Verschiebung der Bauzeit zurückzuführen sind. Sie ergeben sich im rechtlichen Ausgangspunkt aus der Differenz zwischen den Kosten, die beim Auftragnehmer für die Ausführung der Bauleistung tatsächlich angefallen sind, und den Kosten, die er bei Erbringung der Bauleistung in dem nach der Ausschreibung vorgesehenen Zeitraum hätte aufwenden müssen (vgl. BGH, Urteil vom 8. März 2012 – VII ZR 202/09 Rn. 13 f., BauR 2012, 939 = NZBau 2012, 287; Urteil vom 10. September 2009 – VII ZR 152/08 Rn. 42, BauR 2009, 1901 = NZBau 2009, 771; Urteil vom 11. Mai 2009 – VII ZR 11/08 Rn. 49, BGHZ 181, 47). In Ermangelung gegenteiliger tatsächlicher Anhaltspunkte können die für die Berechnung der Mehrkosten heranzuziehenden, vom Auftragnehmer bei Einhaltung der geplanten Bauzeit zu tragenden Kosten den Marktpreisen im Zeitpunkt des geplanten Baubeginns entsprechen. Soweit der Auftragnehmer schlüssig darzulegen vermag, dass er bei geplantem Bauablauf – der Üblichkeit entsprechend oder aufgrund besonderer Umstände im konkreten Einzelfall – Baustoffe, Material und/oder Nachunternehmerleistungen zu einem früheren Zeitpunkt oder zu anderen Preisen eingekauft hätte, ist dies maßgeblich (vgl. BGH, Urteil vom 10. September 2009 – VII ZR 152/08 Rn. 44, BauR 2009, 1901 = NZBau 2009, 771).

Tatbestand

Die Klägerin macht eine restliche Vergütungsforderung aus dem Bauvorhaben “T. Süd, Neubau der Straßenüberführung S. ” in L. , eine Straßenüberführung über die Gleisanlagen der D. AG im Bereich des Bayerischen Bahnhofs, geltend.

Auf die Ausschreibung der Beklagten gab die Klägerin am 15. Februar 2007 ein Angebot über 1.443.523 € ab. Die Zuschlagsfrist war auf den 2. April 2007 bestimmt. Die Geltung der VOB/B (2006) war vereinbart. In den Besonderen Vertragsbedingungen, die Teil der Ausschreibungsunterlagen waren, war vorgesehen, dass die Ausführung frühestens 36 Werktage nach Zuschlagserteilung beginnen und spätestens am 31. Juli 2008 beendet sein sollte. Nachdem die Beklagte die Bindefrist mit Zustimmung der Klägerin mehrmals verlängert hatte, erteilte sie der Klägerin am 22. Juni 2007 den Zuschlag auf ihr Angebot. Mit Schreiben vom 5. Juli 2007 übergab die Klägerin entsprechend der in den Besonderen Vertragsbedingungen niedergelegten Vertragspflicht einen an den verspäteten Zuschlag angepassten Bauablaufplan, wonach die Baustelleneinrichtung am 27. August 2007 beginnen solle und bis zur Winterpause am 19. November 2007 die Fundamente der Widerlager hergestellt würden; nach der Winterpause sollten die Arbeiten am 4. Februar 2008 wiederaufgenommen und am 17. Oktober 2008 fertiggestellt sein.

Da Schacht- und Erlaubnisscheine für die Arbeiten auf dem Gelände der D. AG nicht rechtzeitig vorlagen, war ein Baubeginn zum 27. August 2007 nicht möglich. Die Bauerlaubnis wurde seitens der Eigentümerin schließlich am 5. November 2007 erteilt; die Arbeiten begannen am 19. November 2007. Die Klägerin führte die Arbeiten bis zum 2. September 2009 aus, an dem auch die Abnahme durch die Beklagte erfolgte. Die Klägerin meldete Mehrkostenansprüche wegen des verzögerten Zuschlags und der durch den Baustopp eingetretenen Bauverzögerung an, über die die Parteien im Rahmen der vorgerichtlichen Korrespondenz keine Einigung erzielten.

Mit Schlussrechnung vom 5. März 2010 ermittelte die Klägerin unter Berücksichtigung von Abschlagszahlungen der Beklagten eine Restforderung in Höhe von 692.803,55 €. Die Beklagte leistete darauf eine Zahlung von 55.660,84 €. Zu Titel 1.9 erfolgte eine Rechnungskürzung in Höhe von 3.032,32 € wegen eines von der Beklagten geltend gemachten Schadensersatzanspruchs für Mängel an der Spundwand. Die Klägerin macht mit der Klage Mehrvergütungsansprüche geltend, die aus der verzögerten Vergabe und aus dem von der Beklagten verhängten Baustopp resultieren, daneben den Ersatz von Gutachterkosten sowie restliche Vergütungsansprüche.

Sie hat in erster Instanz die Zahlung eines Betrags von 600.921,74 € sowie die Feststellung gefordert, dass die Beklagte die von der Klägerin einge- zahlten Gerichtskosten ab dem Zeitpunkt ihres Eingangs zu verzinsen habe. Das Landgericht hat die Beklagte unter Vorbehalt der Entscheidung über die von der Beklagten erklärte Aufrechnung mit einer Schadensersatzforderung in Höhe von 3.032,32 € für die Kosten der Planung der Spundwandsicherung zur Zahlung von 325.196,07 € zuzüglich Zinsen verurteilt und die beantragte Feststellung ge- troffen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.

Hiergegen haben die Klägerin und die Beklagte Berufung eingelegt, die Beklagte mit dem Ziel, den unter Vorbehalt ausgeurteilten Betrag um einen Betrag von 213.305,58 € zu ermäßigen und die Abweisung der Klage hinsichtlich des Feststellungsantrags zu erreichen. Die Klägerin hat eine Abänderung des landgerichtlichen Urteils dahin erstrebt, dass die Beklagte über den zuerkannten Betrag hinaus zur Zahlung weiterer 134.173,12 € zuzüglich anteiliger Zinsen sowie hilfsweise zur Zahlung eines Betrags von 10.460,01 € verurteilt wird. Das Berufungsgericht hat unter Zurückweisung der Rechtsmittel im Übrigen die Beklagte unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils zur Zahlung von 210.896,43 € unter Vorbehalt der Entscheidung über die zur Aufrechnung gestellte Forderung in Höhe von 3.032,32 € zuzüglich anteiliger Zinsen verurteilt und den Feststellungsantrag abgewiesen.

Hiergegen wendet sich die Beklagte mit der vom Senat zugelassenen Revision, mit der sie die Aufhebung des Berufungsurteils in Höhe eines Betrags von 80.505,74 € nebst anteiliger Zinsen begehrt. Die Klägerin hat nach erfolgloser Einlegung einer Nichtzulassungsbeschwerde Anschlussrevision erhoben, mit der sie beantragt, die Beklagte über die erfolgte Verurteilung hinaus zur Zahlung eines Betrags in Höhe von weiteren 86.456,13 € brutto zuzüglich anteiliger Zinsen zu verurteilen.

Gründe

Die Revision der Beklagten hat Erfolg. Die zulässige Anschlussrevision der Klägerin ist dagegen unbegründet.

Auf das Schuldverhältnis ist das Bürgerliche Gesetzbuch in der bis zum 31. Dezember 2017 geltenden Fassung anzuwenden, Art. 229 § 39 EGBGB. A. Revision der Beklagten Die Revision der Beklagten führt in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und insoweit zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

Die Beklagte wendet sich mit der Revision ausschließlich gegen die Zuerkennung von Kosten für ein Privatgutachten im Umfang von 80.505,74 € brutto, welches die Klägerin in Vorbereitung auf die Schlussrechnung und zur Ermittlung der verzögerungsbedingt entstandenen Mehrkosten eingeholt hat.

I.

Das Berufungsgericht ist der Auffassung, der Klägerin stehe dem Grunde nach sowohl wegen der Vergabeverzögerung als auch wegen des Baustopps ein Anspruch auf Mehrvergütung zu. Dieser Anspruch ergebe sich für die Vergabeverzögerung aus § 2 Nr. 5 VOB/B (2006) analog und für den Baustopp unmittelbar aus § 2 Nr. 5 VOB/B (2006), weil mit diesem eine Bauzeitänderung angeordnet werde, die eine Änderung im Sinne von § 2 Nr. 5 VOB/B (2006) darstelle. Die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen der Auftragnehmer nach § 2 Nr. 5 VOB/B (2006) einen Anspruch auf Erstattung der Kosten eines von ihm zur Begründung seines Nachtrags und der Schlussrechnung eingeholten Gutachtens habe, sei allerdings umstritten. Jedenfalls für den vorliegenden Fall, dass der Auftragnehmer die Nachtragsbearbeitung nicht selbst durchführen könne und sie an einen baubetrieblichen Sachverständigen vergebe, bestehe nach der überwiegenden Ansicht ein Anspruch auf Mehrkostenvergütung nach § 2 Nr. 5 VOB/B (2006) in Höhe der erforderlichen Kosten des Privatgutachtens. Dieser Auffassung sei zu folgen. Die Kosten der Einschaltung von Prof. Dr. B. durch die Klägerin seien erforderlich. Die Feststellungen des Landgerichts zur Angemessenheit und zur Höhe der streitgegenständlichen Kosten des Sachverständigen seien nach § 529 Abs. 1 ZPO bindend. Es bestünden keine Anhaltspunkte für Zweifel an der Vollständigkeit oder Richtigkeit dieser Feststellungen.

II.

Dies hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch auf Erstattung der Kosten des von ihr eingeholten Privatgutachtens nicht zuerkannt werden.

1. Die Kosten eines Privatgutachtens, die der Auftragnehmer zur Ermittlung der Vergütung nach § 2 Abs. 5 VOB/B (insoweit wortgleich mit der Altfassung von 2006) aufwendet, sind vom Auftraggeber nicht nach dieser Bestimmung als Teil der Mehrkosten zu erstatten. Es kann daher dahinstehen, ob die Annahme des Berufungsgerichts zutrifft, ein Baustopp in einem VOB/B-Bauvertrag habe einen Mehrvergütungsanspruch nach § 2 Abs. 5 VOB/B zur Folge, weil mit diesem eine Bauzeitänderung angeordnet werde, die als Änderung im Sinne von § 2 Abs. 5 VOB/B anzusehen sei.

a) Der Meinungsstand zu der Frage, ob die Kosten zur Ermittlung der Mehrvergütung nach § 2 5 VOB/B erstattungsfähig sind, ist uneinheitlich (vgl. hierzu im Überblick Merkens, NZBau 2012, 529). Zum Teil wird eine Erstattungsfähigkeit dieser Kosten nach § 2 Abs. 5 VOB/B abgelehnt (vgl. Brandenburgisches OLG, Urteil vom 2. Dezember 2015 – 11 U 102/12, BauR 2016, 1173, juris Rn. 18; OLG Düsseldorf, Urteil vom 23. November 2011 – VI-U (Kart) 12/11, BauR 2012, 651, juris Rn. 102; Merkens, NZBau 2012, 529, 533; Krebs/Schuller, BauR 2007, 636, 640; Weise, NJW-Spezial 2007, 444, 445; Althaus/Bartsch in Althaus/Heindl, Der öffentliche Bauauftrag, 3. Aufl., Teil 4, Rn. 234; BeckOK VOB/B/Kandel, Stand: 31. Januar 2020, § 2 Abs. 5 VOB/B Rn. 89). Dagegen wird eine Erstattung dieser Kosten als Teil der Mehrvergütung nach § 2 Abs. 5 VOB/B bejaht (vgl. Kues in Nicklisch/Weick/Jansen/Seibel, VOB/B, 5. Aufl., § 2 Rn. 272, 276; Marbach, BauR 2003, 1794, 1797; Duve/Richter, BauR 2007, 1490; Jahn/Klein, NZBau 2013, 473; Duve, NJW 2014, 2992; Bahner, NZBau 2017, 738; Roquette/Viering/Leupertz, Handbuch Bauzeit, 3. Aufl., Rn. 983-986; Leinemann in Leinemann, VOB/B, 7. Aufl., § 2 Rn. 340; Genschow/Stelter, Störungen im Bauablauf, 2. Aufl., S. 100; LG Schwerin, Urteil vom 28. Juni 2017 – 3 O 162/16, NZBau 2017, 736). Teilweise wird bei den Befürwortern einer Erstattungsfähigkeit dieser Kosten danach differenziert, ob es sich um externe Kosten handelt, die grundsätzlich erstattungsfähig seien, wenn sie erforderlich seien, oder um interne Kosten, die nicht vom Auftraggeber zu vergüten seien (vgl. OLG Dresden, Urteil vom 9. Januar 2013 – 1 U 1554/09, BauR 2015, 1488, juris Rn. 686; OLG Celle, Urteil vom 22. Juli 2009, BauR 2009, 1591, juris Rn. 49; Ingenstau/Korbion/Keldungs, VOB Teile A und B, 21. Aufl., § 2 Abs. 5 VOB/B Rn. 60 ff.; Kapellmann/Schiffers/Markus, Vergütung, Nachträge und Behinderungsfolgen beim Bauvertrag, Band 1, 7. Aufl., Rn. 1106; Beck’scher VOB/B-Kommentar/Jansen, 3. Aufl., § 2 Abs. 5 Rn. 68a).

b) Der Senat entscheidet die Frage hinsichtlich der Kosten eines Privatgutachtens zur Ermittlung der Mehrvergütung nach § 2 5 VOB/B dahin, dass diese nicht als Teil der Mehrkosten vom Auftraggeber zu erstatten sind. Die Kosten, die zur Ermittlung der Vergütung nach § 2 Abs. 5 VOB/B aufgewendet werden, können nicht selbst Gegenstand dieser Vergütung sein (so auch OLG Düsseldorf, Urteil vom 23. November 2011 – VI-U (Kart) 12/11, BauR 2012, 651, juris Rn. 102; ähnlich Weise, NJW-Spezial 2007, 444). Insbesondere handelt es sich nicht allein deswegen um “Mehrkosten” im Sinne des § 2 Abs. 5 VOB/B, weil sie vom Auftragnehmer zunächst nicht einkalkuliert worden sind und auch nicht werden konnten (a.A. Jahn/Klein, NZBau 2013, 473, 476 f.; Duve/Richter, BauR 2007, 1490, 1493; Leinemann in Leinemann, VOB/B, 7. Aufl., § 2 Rn. 340; Ingenstau/Korbion/Keldungs, VOB Teile A und B, 21. Aufl., § 2 Abs. 5 VOB/B Rn. 60 ff.). § 2 Abs. 5 VOB/B regelt die Verpflichtung der Vertragsparteien zur Vereinbarung eines neuen Preises unter Berücksichtigung von Mehr- und Minderkosten, wenn durch eine Änderung des Bauentwurfs oder andere Anordnungen des Auftraggebers die Grundlagen des Preises für eine im Vertrag vorgesehene Leistung geändert werden. Dies ist bei der gebotenen objektiven Auslegung dahin zu verstehen, dass die Parteien bei der Vereinbarung des neuen Preises die Mehr- und Minderkosten berücksichtigen sollen, die im Zusammenhang mit der Ausführung der betroffenen vertraglich vereinbarten Leistung anfallen. Hierzu gehören nicht die Kosten, die erforderlich sind, um im Falle einer fehlenden Vereinbarung der Parteien die geschuldete Vergütung erst zu ermitteln oder darzulegen.

c) Der Auftragnehmer kann die Kosten eines Privatgutachtens zur Ermittlung und Darlegung der nach § 2 5 VOB/B vom Auftraggeber geschuldeten Vergütung auch nicht auf der Grundlage der Bestimmung in § 2 Abs. 9 Nr. 1 VOB/B erstattet verlangen (a.A. Kues in Nicklisch/Weick/Jansen/Seibel, VOB/B, 5. Aufl., § 2 Rn. 277; Marbach, BauR 2003, 1794, 1800 f.). Danach hat der Auftraggeber Zeichnungen, Berechnungen oder andere Unterlagen, die der Auftragnehmer nach dem Vertrag, besonders den Technischen Vertragsbedingungen oder der gewerblichen Verkehrssitte, nicht zu beschaffen hat, zu vergüten, wenn er sie vom Auftragnehmer verlangt. Ein Verlangen des Auftraggebers gegenüber dem Auftragnehmer, ein Gutachten über die Höhe der nach § 2 Abs. 5 VOB/B zu beanspruchenden Vergütung vorzulegen, liegt nicht schon in der Änderung des Bauentwurfs, einer anderen Anordnung des Auftraggebers oder der verspäteten Zuschlagserteilung, die sich auf die Grundlagen des Preises für eine im Vertrag vorgesehene Leistung auswirkt.

2. Die vorstehenden Ausführungen zur Erstattungsfähigkeit der Kosten eines Privatgutachtens gelten entsprechend, soweit eine Mehrvergütung in Anlehnung an die Grundsätze des § 2 Abs. 5 VOB/B aufgrund einer verzögerten Vergabe in Betracht kommt (vgl. BGH, Urteil vom 8. März 2012 – VII ZR 202/09 Rn. 13 f., BauR 2012, 939 = NZBau 2012, 287; Urteil vom 10. September 2009 – VII ZR 152/08 Rn. 42, BauR 2009, 1901 = NZBau 2009, 771; Urteil vom 11. Mai 2009 – VII ZR 11/08 Rn. 49, BGHZ 181, 47).

3. Das angefochtene Urteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar. Das Berufungsgericht hat – von seinem Standpunkt aus betrachtet folgerichtig – keine Feststellungen dazu getroffen, ob der Klägerin ein Anspruch auf Erstattung der aufgewandten Gutachterkosten aus einem anderen Rechtsgrund zustehen könnte.

4. Danach kann das Urteil des Berufungsgerichts im angefochtenen Umfang keinen Bestand haben. Der Senat kann in der Sache nicht selbst entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO). Das Berufungsurteil ist im Umfang der Revisionsanfechtung vielmehr aufzuheben und die Sache ist insoweit an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit dieses die erforderlichen Feststellungen nachholen kann.

III.

Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:

Die Klägerin macht den Ersatz der von ihr aufgewendeten Kosten eines Privatgutachtens zur Ermittlung und Darlegung der nach § 2 Nr. 5 VOB/B (2006) oder in Anlehnung an die Grundsätze des § 2 Nr. 5 VOB/B (2006) von der Beklagten geschuldeten Vergütung im Rahmen eines materiellrechtlichen Kostenerstattungsanspruchs geltend. Die Durchsetzung eines solchen Anspruchs kann eingeschränkt sein, soweit die geltend gemachten Kosten mit denjenigen Kosten identisch sind, die im Kostenfestsetzungsverfahren geltend gemacht werden können (vgl. BGH, Urteil vom 10. Oktober 2017 – VI ZR 520/16 Rn. 18, BauR 2018, 551 = NZBau 2018, 98; Urteil vom 11. Februar 2010 – VII ZR 153/08 Rn. 13, BauR 2010, 778 = NZBau 2010, 312). Diese Einschränkung dient dazu, Unterschiede zwischen einer auf gleichem Sachverhalt beruhenden Entscheidung über den materiellrechtlichen Anspruch einerseits und den prozessualen Kostenerstattungsanspruch andererseits zu vermeiden und räumt insoweit dem prozessualen Kostenerstattungsanspruch im Grundsatz den Vorrang ein, sofern der Prozess geführt wird oder geführt worden ist (vgl. BGH, Urteil vom 10. Oktober 2017 – VI ZR 520/16 Rn. 18, BauR 2018, 551 = NZBau 2018, 98; Beschluss vom 9. Februar 2012 – VII ZB 95/09 Rn. 8, BauR 2012, 834 = NZBau 2012, 290; Urteil vom 11. Februar 2010 – VII ZR 153/08 Rn. 13, BauR 2010, 778 = NZBau 2010, 312).

Für einen materiellrechtlichen Kostenerstattungsanspruch ist grundsätzlich kein Raum, soweit es um Kosten geht, die durch die Einleitung und Führung eines Prozesses ausgelöst werden; ihre Erstattung richtet sich nach prozessrechtlichen Grundsätzen. Anders verhält es sich mit Aufwendungen, die vor Beginn eines Prozesses gemacht werden. Sie können zwar nach Erlass einer Kostenentscheidung aus Gründen der Prozesswirtschaftlichkeit in das Fest- setzungsverfahren nach §§ 103 ff. ZPO einbezogen werden, soweit sie der Vorbereitung eines konkreten bevorstehenden Rechtsstreits gedient haben (sogenannte Vorbereitungskosten). Das schließt aber nicht aus, dass diese Kosten, deren Entstehungsgrund nicht der Rechtsstreit selbst ist, auch Gegenstand eines materiellrechtlichen Kostenerstattungsanspruchs sein können. In solchen Fällen, in denen neben dem materiellrechtlichen Kostenerstattungsanspruch ein sich mit ihm deckender, im Kostenfestsetzungsverfahren verfolgbarer prozessualer Erstattungsanspruch besteht, ist stets zu prüfen, ob für die selbständige Geltendmachung des (materiellrechtlichen) Anspruchs ein Rechtsschutzbedürfnis vorhanden ist. Dieses wird in der Regel zu bejahen sein, wenn die vorprozessual entstandenen Aufwendungen, mögen sie auch aus nachträglicher Sicht im Ergebnis der Vorbereitung eines Rechtsstreits gedient haben, primär zu dessen Abwendung bestimmt waren (vgl. BGH, Urteil vom 11. Dezember 1986 – III ZR 268/85, WM 1987, 247, juris Rn. 30 ff.).

Das Berufungsgericht wird ausgehend von diesen Grundsätzen unter Gewährung rechtlichen Gehörs gegenüber den Parteien zunächst zu prüfen haben, ob im Streitfall ein Rechtsschutzbedürfnis für die selbständige Geltendmachung eines (materiellrechtlichen) Kostenerstattungsanspruchs besteht. Ferner wird es – sofern es dieses bejaht -, zu den rechtlichen Voraussetzungen eines solchen Anspruchs, zu denen die Parteien ebenfalls noch Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten müssen, die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen zu treffen haben.

Sollte es das Bestehen eines Rechtsschutzbedürfnisses verneinen, wird ergänzend zu erwägen sein, ob und gegebenenfalls wie sich die Höhe der von der Klägerin vorprozessual aufgewendeten Privatgutachterkosten im Rahmen der zu treffenden Kostenentscheidung auf eine verhältnismäßige Teilung der Kosten zwischen den Parteien entsprechend den sich aus § 92 Abs. 1 Satz 1, § 96 ZPO ergebenden Grundgedanken auswirkt (vgl. BGH, Urteil vom 28. April 1988 – IX ZR 127/87, NJW 1988, 2173, juris Rn. 30; Urteil vom 28. November 1955 – II ZR 19/55, BGHZ 19, 172, juris Rn. 14; Stein/Jonas/Muthorst, ZPO, 23. Aufl., § 92 Rn. 8; MünchKommZPO/Schulz, 6. Aufl., § 92 Rn.12).

B. Anschlussrevision der Klägerin

I.

Die Anschlussrevision der Klägerin ist zulässig. Sie ist gemäß § 554 Abs. 2, 3 ZPO form- und fristgerecht eingelegt worden und betrifft hinsichtlich der geltend gemachten Mehrkosten wegen einer Zuschlagsverzögerung auch einen Lebenssachverhalt, der mit dem von der Revision erfassten Streitgegenstand in einem rechtlichen und wirtschaftlichen Zusammenhang steht (vgl. BGH, Urteil vom 9. Mai 2019 – VII ZR 154/18 Rn. 38, BauR 2019, 1648 = NZBau 2019, 572; Urteil vom 6. Dezember 2018 – VII ZR 71/15 Rn. 29, BauR 2019, 668 = NZBau 2019, 170; Urteil vom 18. September 2009 – V ZR 75/08 Rn. 27, NJW 2009, 3787; Urteil vom 22. November 2007 – I ZR 74/05 Rn. 38 ff., BGHZ 174, 244).

II.

Die Anschlussrevision ist in der Sache jedoch nicht begründet. Die Klägerin greift mit der Anschlussrevision zwei Positionen an, zum einen die Abweisung des Anspruchs auf Ersatz von Mehrkosten für die technische Bearbeitung in Höhe von netto 15.386 € (dazu unter 1.) und zum anderen die Abweisung des Anspruchs auf Ersatz der Kosten des Baugrubenverbaus in Höhe von netto 57.266,20 € (dazu unter 2.), zusammengerechnet brutto einen Betrag in Höhe von 86.456,13 €.

1. a) Das Berufungsgericht hat hinsichtlich der Abweisung des Anspruchs auf Mehrkosten für die technische Bearbeitung in Höhe von netto 15.386 €, brutto 18.309,34 €, – soweit für das Revisionsverfahren von Interesse – ausgeführt, der Klägerin stehe kein Anspruch in Anlehnung an die Grundsätze des § 2 Nr. 5 VOB/B (2006) zu. Sie mache geltend, dass sie bei Angebotserstellung ausgehend von einem Angebot der O. GmbH (im Folgenden: O. GmbH) vom 12. Februar 2007 über pauschal 19.500 € für die statische Beratung, Ausführungsplanungen und Zeichnungen kalkuliert habe. Der Preis sei wegen vorübergehender, zuletzt nicht mehr bestehender Vakanzen bei der O. GmbH so günstig gewesen. Infolge der Verlängerung der Zuschlagsfrist habe die O. GmbH nach Zuschlagserteilung die Ausführung der Arbeiten zu dem Preis abgelehnt.

Ein Anspruch in Anlehnung an die Grundsätze des § 2 Nr. 5 VOB/B (2006) sei bereits dem Grunde nach nicht gegeben. Die von der Klägerin geltend gemachten Mehrkosten seien nicht ursächlich auf die durch den späteren Zuschlag bewirkte Verschiebung der Bauzeit zurückzuführen. Die Kostensteigerung habe ihren Grund vielmehr darin, dass die Klägerin ausgehend von dem Angebot der O. GmbH mit einem den Mindestsatz der HOAI unterschreitenden Betrag kalkuliert habe. Der Klägerin habe bereits bei ihrer Angebotsabgabe kein bis zum Zeitpunkt des zunächst bestimmten Zuschlagstermins bindendes Angebot der O. GmbH vorgelegen. An der erforderlichen Kausalität fehle es aber auch deshalb, weil der Klägerin, als sie den Verlängerungen der Bindefrist zugestimmt habe, ein bindendes Angebot nicht mehr vorgelegen habe. Dies ergebe sich aus dem Schreiben der O. GmbH vom 29. Juni 2007, für dessen Richtigkeit und Vollständigkeit eine tatsächliche Vermutung spreche.

Die Position sei auch entscheidungsreif. Es bedürfe nicht der allein auf unzulässige Ausforschung gerichteten Vernehmung der von der Klägerin benannten Zeugen. Die pauschale Behauptung der Klägerin zu dem Grund der Absage der O. GmbH sei nicht erheblich. Der neue tatsächliche Vortrag der Klägerin im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 11. November 2016 bleibe nach § 296a ZPO unberücksichtigt, er biete keinen Anlass, die mündliche Verhandlung nach § 156 ZPO wiederzueröffnen.

b) Dies hält der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand.

Dem Auftragnehmer kann nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein Mehrvergütungsanspruch in Anlehnung an die Grundsätze des § 2 Nr. 5 VOB/B (2006) zustehen, soweit es infolge der verzögerten Vergabe zu einer Verschiebung der Ausführungsfristen gekommen ist. Maßgeblich für die Ermittlung der Höhe der an den Auftragnehmer zu zahlenden Mehrvergütung sind diejenigen Mehrkosten, die ursächlich auf die Verschiebung der Bauzeit zurückzuführen sind. Sie ergeben sich im rechtlichen Ausgangspunkt aus der Differenz zwischen den Kosten, die beim Auftragnehmer für die Ausführung der Bauleistung tatsächlich angefallen sind, und den Kosten, die er bei Erbringung der Bauleistung in dem nach der Ausschreibung vorgesehenen Zeitraum hätte aufwenden müssen (vgl. BGH, Urteil vom 8. März 2012 – VII ZR 202/09 Rn. 13 f., BauR 2012, 939 = NZBau 2012, 287; Urteil vom 10. September 2009 – VII ZR 152/08 Rn. 42, BauR 2009, 1901 = NZBau 2009, 771; Urteil vom 11. Mai 2009 – VII ZR 11/08 Rn. 49, BGHZ 181, 47). In Ermangelung gegenteiliger tatsächlicher Anhaltspunkte können die für die Berechnung der Mehrkosten heranzuziehenden, vom Auftragnehmer bei Einhaltung der geplanten Bauzeit zu tragenden Kosten den Marktpreisen im Zeitpunkt des geplanten Baubeginns entsprechen. Soweit der Auftragnehmer schlüssig darzulegen vermag, dass er bei geplantem Bauablauf – der Üblichkeit entsprechend oder aufgrund besonderer Umstände im konkreten Einzelfall – Baustoffe, Material und/oder Nachunternehmerleistungen zu einem früheren Zeitpunkt oder zu anderen Preisen eingekauft hätte, ist dies maßgeblich (vgl. BGH, Urteil vom 10. September 2009 – VII ZR 152/08 Rn. 44, BauR 2009, 1901 = NZBau 2009, 771).

Im Ergebnis zu Recht hat das Berufungsgericht angenommen, dass die Klägerin im vorliegenden Fall nicht hinreichend dargelegt hat, dass die von ihr verlangten Mehrkosten für die technische Bearbeitung auf eine Verschiebung der Ausführungszeit zurückzuführen waren. Es hat – insoweit von der Anschlussrevision nicht angegriffen – festgestellt, dass hinsichtlich der Vergütung für die technische Bearbeitung infolge der Verschiebung der Ausführungszeit keine Preissteigerung eingetreten ist. Die Mehrkosten ergeben sich nach dem Vortrag der Klägerin vielmehr daraus, dass sie infolge der Verschiebung der Ausführungszeit für die technische Bearbeitung von Mitte April 2007 auf Anfang Juli 2007 das Angebot der O. GmbH vom 12. Februar 2007 zu einem Pauschalpreis von 19.500 € nicht mehr habe annehmen können, weil sich die O. GmbH hieran zu diesem Zeitpunkt nicht mehr gebunden sah. Eine Kausalität der Verschiebung der Ausführungsfrist für die geltend gemachten Mehrkosten ist bei dieser Sachlage nur dann gegeben, wenn die O. GmbH für den angedachten Ausführungszeitraum Mitte April 2007 ein bindendes Angebot zu dem genannten Pauschalpreis von 19.500 € abgegeben hat. Denn nur dann hat die Verschiebung der Ausführungsfrist im konkreten Fall Einfluss auf die von der Klägerin aufzuwendenden Kosten haben können. Dies hat die Klägerin jedoch nicht behauptet. Aus dem vorgelegten Angebot der O. GmbH vom 12. Februar 2007 ergibt sich eine solche zeitliche Angebotsbindung nicht (vgl. § 147 Abs. 2, § 148 BGB). Die Klägerin hat eine Bindungsfrist darüber hinaus auch nicht anderweit behauptet, sondern mit der Anschlussrevision vielmehr die Auffassung vertreten, auf die Frage, ob die O. GmbH ein für den ursprünglich geplanten Ausführungsbeginn bindendes Angebot vorgelegt hatte, komme es nicht an. Sie ist darüber hinaus der Feststellung des Berufungsgerichts nicht entgegengetreten, wonach der Klägerin bereits bei Angebotsabgabe kein auch nur bis zum Zeitpunkt des zunächst bestimmten Zuschlagstermins bindendes Angebot der O. GmbH vorgelegen hat. Ein Mehrvergütungsanspruch in Anlehnung an die Grundsätze des § 2 Nr. 5 VOB/B (2006) scheidet daher bereits dem Grunde nach aus.

Auf die weiteren von der Anschlussrevision erhobenen Rügen, insbesondere zu dem als übergangen gerügten Vortrag und dem angebotenen Zeugenbeweis, kommt es danach nicht entscheidend an, weil der diesbezügliche Vortrag zugunsten der Klägerin als richtig unterstellt werden kann, ohne dass sich an dem rechtlichen Ergebnis etwas ändert.

2. a) Soweit es um die Erstattung der Kosten des Baugrubenverbaus – Spundbohlen in Höhe von 57.266,20 € netto, 68.146,79 € brutto, wegen verspäteten Zuschlags in Anlehnung an die Grundsätze des § 2 Nr. 5 VOB/B (2006) -geht, hält das Berufungsgericht einen Anspruch der Klägerin nicht für begründet. Diese verfolge diesen Anspruch mit der Begründung, sie sei bei der Kalkulation des Angebots von dem kostenneutralen Einsatz gebrauchter Spundbohlen bei der Herstellung des Baugrubenverbaus durch ihren Nachunternehmer P. (im Folgenden: P. ) ausgegangen. Die gebrauchten Spundbohlen seien dann aber wegen der eingetretenen Verzögerung zum Zeitpunkt der Ausführung des Baugrundverbaus wegen anderweitiger Disposition nicht mehr verfügbar gewesen, so dass sie neue Spundbohlen habe erwerben müssen.

Das Berufungsgericht ist der Auffassung, das Erfordernis, neue Spundbohlen zu erwerben, beruhe nicht auf der Verschiebung der Bauzeit infolge der Zuschlagsverzögerung. Der Inhalt des Schreibens der P. vom 26. April 2007 schließe diese Feststellung aus. Denn dort sei angegeben, dass die kalkulierten Spundbohlen auf Grund der zeitlichen Verschiebung (Verlängerung der Zuschlagsfrist) nicht mehr verfügbar seien. Weitergehende Angaben seien der P. nicht möglich gewesen. Wenn die gebrauchten Spundbohlen aber schon nach Verlängerung der Zuschlagsfrist in Unkenntnis der Auswirkungen auf die Bauzeit für ein anderes Bauvorhaben disponiert worden seien, beruhe der Erwerb weiterer Spundbohlen nicht auf der Bauzeitverschiebung, sondern auf einer abweichenden Planung anlässlich der Verschiebung des Zuschlagstermins. Das Risiko von Mehraufwendungen, die nicht durch eine Bauzeitverschiebung verursacht würden, trage der Bieter. Die insoweit darlegungsbelastete Klägerin habe darüber hinaus keinen erheblichen Vortrag gehalten. Da der Vortrag der Klägerin nicht schlüssig sei, bestehe kein Anlass die insoweit von ihr benannten Zeugen zu vernehmen. Ihre Vernehmung wäre auf eine unzulässige Ausforschung gerichtet.

b) Dies hält der rechtlichen Nachprüfung ebenfalls stand.

Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass die Voraussetzungen eines Mehrvergütungsanspruchs in Anlehnung an die Grundsätze des § 2 Nr. 5 VOB/B (2006) nicht vorliegen. Die von der Klägerin insoweit geltend gemachten Mehrkosten sind nicht kausal auf die Verschiebung der Ausführungsfristen zurückzuführen und damit nicht erstattungsfähig.

Nach der oben unter II. 1. b) dargelegten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs besteht ein Mehrvergütungsanspruch des Auftragnehmers in Anlehnung an die Grundsätze des § 2 Nr. 5 VOB/B (2006) nicht, wenn sich die behauptete Preissteigerung nicht durch eine Verschiebung der Ausführungsfristen, sondern lediglich durch eine Verschiebung des Zuschlags ergeben hat. Ändern sich die Kalkulationsgrundlagen eines Bieters infolge einer Verschiebung des Zuschlags, ohne dass dies zu einer Änderung der Ausführungsfristen führt, kommt eine Preisanpassung nach den Grundsätzen der ergänzenden Vertragsauslegung nicht in Betracht (vgl. BGH, Urteil vom 10. September 2009 – VII ZR 82/08 Rn. 20, BGHZ 182, 218; Urteil vom 10. September 2009 – VII ZR 152/08 Rn. 30 ff., BauR 2009, 1901 = NZBau 2009, 771). So liegt der Fall hier. Die Klägerin trägt lediglich vor, dass die P. ein bis zur ursprünglichen Zuschlagsfrist am 2. April 2007 befristetes Angebot für die Verwendung gebrauchter Spundbohlen abgegeben hatte. Die Frist für die Ausführung der Arbeiten begann jedoch nicht am 2. April 2007, sondern erst sechs Wochen später. Da die P. sich bereits vor Beginn der Ausführungsfrist nicht mehr an ihr Angebot gebunden sah, spielt eine etwaige Verschiebung der Ausführungsfrist für die der Klägerin durch die anderweitige Beschaffung der Spundbohlen entstandenen Kosten keine Rolle.

Die Rügen der Anschlussrevision greifen nicht durch. Es kommt nicht darauf an, dass die Klägerin am 2. April 2007 in der Lage gewesen wäre, das Angebot der P. vom 7. Februar 2007 noch anzunehmen. Eine Kausalität zwischen der Verschiebung der Ausführungsfristen und den angefallenen Mehrkosten kann die Klägerin hiermit gerade nicht belegen. Mangels Erheblichkeit ihrer Behauptung musste das Berufungsgericht dem angebotenen Zeugenbeweis nicht nachgehen.

Pamp Kartzke Jurgeleit Graßnack Sacher Vorinstanzen:

LG Leipzig, Entscheidung vom 10.03.2015 – 4 O 3918/10

OLG Dresden, Entscheidung vom 30.12.2016 – 12 U 547/15

VertragsManagement – VertragsMan Bau ®: Volltext-Entscheidungen: Oberlandesgericht Hamm, 7 U 89/20

VertragsManagement - VertragsMan Bau ®: Volltext-Entscheidungen:
Oberlandesgericht Hamm, 7 U 89/20:

Das Verlegen eines Erdkabels über einen Fahrradweg begründet eine abhilfebedürftige Gefahrenquelle, deren fehlende Absicherung eine schuldhafte Verletzung der Verkehrssicherungspflicht des Verlegenden bedeutet

1.

Das Verlegen eines Erdkabels über einen Fahrradweg begründet eine abhilfebedürftige Gefahrenquelle, deren fehlende Absicherung eine schuldhafte Verletzung der Verkehrssicherungspflicht des Verlegenden bedeutet.

  • 2.

Für die Verletzung der Verkehrssicherungspflicht durch seinen Verrichtungsgehilfen muss der Geschäftsherr nach § 831 BGB verschuldensunabhängig (und gesamtschuldnerisch neben seinem Verrichtungsgehilfen) einstehen, wenn er – wie hier – den Entlastungsbeweis nach § 831 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht führen kann.

  • 3.

Ist ein über einen Fahrradweg verlegtes Erdkabel im Einzelfall weder schwer erkennbar noch überraschend, kann dem Fahrradfahrer ein Verstoß gegen das Sichtfahrgebot nach § 3 Abs. 1 Satz 4 StVO und damit ein haftungsbegründendes Mitverschulden nach § 254 Abs. 1 BGB – hier in Höhe von 50 % – vorgeworfen werden (anders – im Einzelfall – bei einem über einen Feldweg gespannten Stacheldraht BGH Urt. v. 23.4.2020 – III ZR 251/17, VersR 2020, 1062 Rn. 37 f. m. w. N.; BGH Urt. v. 23.4.2020 – III ZR 250/17, RdL 2020, 427 Rn. 38 f. m. w. N.).

1

G r ü n d e

2

(abgekürzt gemäß §§ 313a Abs. 1 Satz 1, 540 Abs. 2, 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO)

3

I.

4

Die Berufung ist (nur) teilweise begründet.

5

Sie hat Erfolg, soweit mit ihr die Feststellung der Verpflichtung des Beklagten verfolgt wird, der Klägerin bereits entstandene und künftige materielle Schäden aus dem Unfall vom 13.04.2018 auf dem Radweg der A-Straße in B zu 50 % und ihren zukünftigen unfallbedingten, derzeit nicht vorhersehbaren immateriellen Schaden unter Berücksichtigung eines klägerischen Eigenverschuldens von 50 % zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind bzw. übergehen werden.

6

Sie ist hingegen unbegründet, soweit die Klägerin die Zuerkennung eines höheren Schmerzensgeldbetrages sowie den Ausgleich weiterer vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten begehrt.

7

Im Einzelnen:

8

1.

9

Der Beklagte haftet der Klägerin aus § 831 Abs. 1 BGB; denn er hat die Zeugen C und D als seine Beschäftigten zu einer Verrichtung, hier der Bergung des Erdkabels unter Einsatz eines Baggers, bestellt und diese haben in Ausführung dieser Verrichtung der Klägerin widerrechtlich Schaden zugefügt, ohne dass der Beklagte sich entlastet hat.

10

a.

11

Die erstinstanzlich als Zeugen vernommenen Mitarbeiter C und D wurden unzweifelhaft als Verrichtungsgehilfen in Ausübung der ihnen durch den Beklagten als Arbeitgeber übertragenen Aufgabe der Bergung des Erdkabels weisungsgebunden tätig. Hierbei haben sie eine abhilfebedürftige Gefahrenstelle dadurch geschaffen, dass der mit der Ausführung der Kabelbergung durch den Beklagten betraute Baggerführer und Zeuge C – wohl bedingt durch den Straßenverlauf – im Bereich der späteren Unfallstelle das Erdkabel statt wie zuvor praktiziert am Rand verlaufend nunmehr quer über den Rad- und Gehweg zog und der ihn unterstützende und zur Absicherung eingesetzte Kollege D gleichwohl untätig blieb und keine Sicherungsmaßnahmen, insbesondere keine Warnung für die auf dem Radweg gemäß dessen Bestimmung herannahenden Radfahrer(innen), einleitete. Da die Klägerin unstreitig im Bereich der Gefahrenstelle stürzte, spricht bereits der Anschein für eine Kausalität zwischen Gefahrenstelle und Sturz, durch den die Klägerin unstreitig verletzt wurde.

12

aa.

13

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist derjenige, der eine Gefahrenlage – gleich welcher Art – schafft, grundsätzlich verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern. Die rechtlich gebotene Verkehrssicherung umfasst diejenigen Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren. Verkehrssicherungspflichtig ist auch derjenige, der in seinem Verantwortungsbereich eine eingetretene Gefahrenlage andauern lässt (BGH, Urt. v. 19.01.2021 – VI ZR 194/18, VersR 2021, 460 Rn. 8; BGH, Urt. v. 02.10.2012 – VI ZR 311/11, BGHZ 195, 30 = r+s 2013, 97 Rn. 6 m. w. N.).

14

Zu berücksichtigen ist jedoch, dass nicht jeder abstrakten Gefahr vorbeugend begegnet werden kann. Ein allgemeines Verbot, andere nicht zu gefährden, wäre utopisch. Eine Verkehrssicherung, die jede Schädigung ausschließt, ist im praktischen Leben nicht erreichbar. Haftungsbegründend wird eine Gefahr erst dann, wenn sich für ein sachkundiges Urteil die nahe liegende Möglichkeit ergibt, dass Rechtsgüter anderer verletzt werden. Deshalb muss nicht für alle denkbaren Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge getroffen werden. Es sind vielmehr nur die Vorkehrungen zu treffen, die geeignet sind, die Schädigung anderer tunlichst abzuwenden. Der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt ist genügt, wenn im Ergebnis derjenige Sicherheitsgrad erreicht ist, den die in dem entsprechenden Bereich herrschende Verkehrsauffassung für erforderlich hält. Daher reicht es anerkanntermaßen aus, diejenigen Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, die ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger der betroffenen Verkehrskreise für ausreichend halten darf, um andere Personen vor Schäden zu bewahren, und die den Umständen nach zuzumuten sind (BGH, Urt. v. 19.01.2021 – VI ZR 194/18, VersR 2021, 460 Rn. 8; BGH Urt. v. 02.10.2012 – VI ZR 311/11, BGHZ 195, 30 = r+s 2013, 97 Rn. 7 m. w. N.).

15

Kommt es in Fällen, in denen hiernach keine Schutzmaßnahmen getroffen werden mussten, weil eine Gefährdung anderer zwar nicht völlig ausgeschlossen, aber nur unter besonders eigenartigen und entfernter liegenden Umständen zu befürchten war, ausnahmsweise doch einmal zu einem Schaden, so muss der Geschädigte – so hart dies im Einzelfall sein mag – den Schaden selbst tragen (BGH, Urt. v. 19.01.2021 – VI ZR 194/18, VersR 2021, 460 Rn. 9; BGH Urt. v. 02.10.2012 – VI ZR 311/11, BGHZ 195, 30 = r+s 2013, 97 Rn. 8).

16

bb.

17

Hier war es der Zeuge C, der vor Ort die Baustelle verantwortlich geleitet hat. Er war es, der durch das eigentliche Bergen des Kabels unmittelbar die abhilfebedürftige Gefahrenstelle zum Entstehen gebracht hat, ohne allerdings pflichtgemäß entweder durch eigenes enges Überwachen der genauen Lage des gezogenen Kabels oder des herannahenden Radverkehrs oder unter Rückgriff auf seinen Kollegen D für eine Sicherstellung des seitlichen Kabelverlaufs oder für eine Warnung herannahenden Radverkehrs Sorge getragen zu haben. Ebenso unzureichend auf die erkennbare Gefahrenstelle reagiert hat der Zeuge D, der weder in den Kabelverlauf korrigierend eingegriffen noch die herannahende Klägerin gewarnt hat. Beiden Zeugen fällt damit zur Last, eine abhilfebedürftige Gefahrenstelle geschaffen bzw. aufrechterhalten zu haben. Angesichts der abschüssigen und weitgehend gerade verlaufenden Strecke konnten und durften sie nicht – wie der streitgegenständliche Unfall belegt – schlicht darauf vertrauen, dass Radfahrer(innen) jeglichen vom dem losen und daher potentiell rollenden Kabel ausgehenden Gefahren selbst rechtzeitig begegnen konnten.

18

b.

19

Der Beklagte als Geschäftsherr handelte auch schuldhaft, da er den Entlastungsbeweis nach § 831 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht geführt hat.

20

Nach § 831 Abs. 1 Satz 2 BGB werden sowohl das Verschulden des Geschäftsherrn als auch die Kausalität seines Sorgfaltsverstoßes für den Schadenseintritt widerleglich vermutet. Der Geschäftsherr muss sich mithin mit Blick auf sein Verschulden exkulpieren. Zu diesem Zweck hat er nachzuweisen, dass er die erforderliche Sorgfalt bei der Auswahl und – obgleich im Wortlaut nicht genannt – auch bei der Instruktion und Überwachung des Verrichtungsgehilfen eingehalten hat. Der Sorgfaltsmaßstab richtet sich nach der Verkehrsanschauung sowie den konkreten Einzelfallumständen (vgl. z.B. HK-BGB/Ansgar Staudinger, 10. Aufl. 2019, BGB § 831 Rn. 10, 11, beck-online).

21

Die Einzelumstände waren streitgegenständlich dadurch gekennzeichnet, dass das zu bergende Erdkabel parallel zum Rad- und Gehweg verlegt war, der Weg aber, da er zur Bergung genutzt werden musste, aus Sicht der Zeugen nicht vollständig gesperrt werden konnte. Insoweit drängte es sich auf, dass geeignete Maßnahmen zu ergreifen waren, um insbesondere Gefahrenstellen für Radfahrer(innen) abzusichern. Das wurde offenbar auch seitens des Beklagten im Vorfeld erkannt; denn er hat schriftsätzlich vortragen lassen, was der erstinstanzlich vernommene Zeuge D auch bestätigt hat, dass die Zeugen D und C darauf hingewiesen wurden, bei der Durchführung der Arbeiten darauf zu achten, Personen im öffentlichen Verkehrsraum nicht zu gefährden. Der Zeuge D bekundete konkret, es habe Anweisungen gegeben, die Baustelle abzusperren und keine Steine auf der Straße liegen zu lassen. Über den Fahrradweg sei allerdings nicht explizit gesprochen worden.

22

Gerade dieser aber war es, der im besonderen Maße bei dem „Ziehen“ des Kabels in Anspruch genommen wurde, weil der Weg als Fahrstrecke für den das Kabel aus dem Erdreich ziehenden Bagger genutzt wurde und – wie die unstreitig geschaffene Gefahrenstelle belegt – ein stabiler Verlauf des gezogenen und damit losen Kabels unmittelbar neben dem und nicht quer über den Radweg gerade nicht gesichert war. Da weder vom Beklagten dargetan noch sonst ersichtlich ist, inwieweit es zielführende Instruktionen zur Wegsicherung im Vorfeld gegeben hat, lässt sich schon eine den Beklagten entlastende sorgfältige Anleitung seiner Verrichtungsgehilfen nicht feststellen – abgesehen davon, dass auch eine zumindest stichprobenartige Überwachung der Tätigkeit der Zeugen C und D offenbar nicht stattgefunden hat. Die Kausalität dieser Sorgfaltspflichtverstöße des Beklagten für die eingetretene Schädigung wird im Rahmen des § 831 BGB wiederum vermutet, so dass die Haftung des Beklagten dem Grunde nach gegeben ist.

23

2.

24

Allerdings muss sich die Klägerin ein Mitverschulden bei der Schadensentstehung (§ 254 Abs. 1 BGB) entgegenhalten lassen, das auch der Senat unter den Umständen des Falles mit 50 % bemisst.

25

a.

26

Im Rahmen der nach § 254 BGB vorzunehmenden Abwägung der wechselseitigen Verursachungsbeiträge können nur solche Umstände zu Lasten eines Beteiligten berücksichtigt werden, die unstreitig oder bewiesen sind und die sich ursächlich auf die Entstehung des Schadens ausgewirkt haben. Nur vermutete Tatbeiträge oder die bloße Möglichkeit einer Schadensverursachung auf Grund geschaffener Gefährdungslage haben deswegen außer Betracht zu bleiben (OLG Hamm, Beschl. v. 02.01.2018 – 7 U 44/17, juris Rn. 37; OLG Hamm, Beschl. v. 10.04.2018 – 7 U 5/18, juris Rn. 28).

27

b.

28

Gestützt durch ihre eigenen Angaben im Rahmen ihrer Anhörung gem. § 141 ZPO im Senatstermin fällt der Klägerin ein Verstoß gegen das sog. Sichtfahrgebot des § 3 Abs. 1 Satz 4 StVO zur Last.

29

aa.

30

Das Sichtfahrgebot, das auch für Fahrradfahrer gilt, verlangt, dass der Fahrer vor einem Hindernis, das sich innerhalb der übersehbaren Strecke auf der Straße befindet, anhalten kann. Er muss beim Fahren auf Sicht dementsprechend prüfen, wie weit er sehen und ob er mit der gefahrenen Geschwindigkeit noch rechtzeitig anhalten kann, wenn im sich beim Fahren regelmäßig in Fahrtrichtung verschiebenden Sichtbereich – genauer am Ende der sich verschiebenden übersehbaren Strecke – ein Hindernis auf der Fahrbahn erscheint. Maßgeblich ist damit, dass der Fahrer innerhalb der übersehbaren Strecke anhalten kann. Nur auf gegebenenfalls erst aus wenigen Metern erkennbare Objekte muss der Fahrer seine Geschwindigkeit – bei allerdings Anwendung eines strengen Maßstabs hinsichtlich der Erkennbarkeit – nicht einrichten. Insoweit wird das Sichtfahrgebot durch den Vertrauensgrundsatz für solche Hindernisse begrenzt, mit denen der Fahrer unter keinem vertretbaren Gesichtspunkt rechnen muss. Dies betrifft etwa Hindernisse, die wegen ihrer besonderen Beschaffenheit ungewöhnlich schwer erkennbar sind oder deren Erkennbarkeit in atypischer Weise besonders erschwert ist und auf die nichts hindeutet. Ein Radfahrer ist demnach nicht verpflichtet, lückenlos den unmittelbar vor seinem Rad liegenden Bereich noch gezielt im Auge zu behalten und auf Hindernisse zu überprüfen, die – bei an sich übersichtlicher Lage – aus größerer Entfernung noch nicht zu erkennen waren (so BGH, Urt. v. 23.04.2020 – III ZR 251/17, VersR 2020, 1062 Rn. 37 m. w. N.).

31

bb.

32

Das ca. 20m quer über den Radweg verlaufende 4 cm dicke Erdkabel war für die Klägerin weder schwer erkennbar noch überraschend. Vielmehr haben die von der Klägerin erkannten tatsächlichen Umstände deutlich Anlass geboten, den unmittelbar vor ihrem Rad liegenden Bereich gezielt im Auge zu behalten und auf Hindernisse zu überprüfen. So hatte die Klägerin ihren eigenen Angaben zufolge sowohl erkannt, dass sie einen Baustellenbereich durchfuhr, als auch konkret das lose Erdkabel am Rand des Radweges wahrgenommen. Sie ist eine Strecke von jedenfalls mehr als 10 Metern neben ihm hergefahren. Dabei hat sie offenbar schlicht darauf vertraut, das Kabel werde auch weiter neben dem Radweg verbleiben. Nur so lässt sich erklären, dass sie es gerade nicht im Blick behalten hat, mit unverminderter Geschwindigkeit weitergefahren ist und daher den Querverlauf zu spät erkannt hat, obwohl dieser mangels Sichtbehinderung und – wie die nach dem Unfall angefertigten und in Augenschein genommenen Lichtbilder (Bl. 8 f. BeiA) belegen – durch den Farbunterschied zwischen hellem Asphaltbelag und dunklem Kabel unproblematisch von weitem erkennbar war. Infolgedessen hat sie durch ihr nicht situationsangepasstes Verhalten maßgeblich zum Sturzgeschehen beigetragen.

33

c.

34

Bei wertender Abwägung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge stehen sich diese gleichwertig gegenüber. Es handelt sich jeweils um deutliche Verstöße, da sich sowohl der Beklagte als auch die Klägerin den zwanglos erkennbaren Gefahrensituationen verschlossen und naheliegende Vorkehrungen unterlassen haben.

35

Folglich haftet der Beklagte der Klägerin nach einer Quote von 50 % bzw. ist bei der Schadensbemessung der Höhe nach ein Eigenverschulden der Klägerin im Umfang von 50 % zu berücksichtigen.

36

3.

37

Nach dieser Maßgabe hat die Klägerin hat keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung eines weiteren über die erstinstanzlich ausgeurteilten 1.000,00 EUR hinausgehenden Schmerzensgeldes aus §§ 831 Abs. 1 Satz 1, 253 Abs. 2 BGB nebst Zinsen.

38

a.

39

Unter Zugrundelegung der erlittenen Verletzungen und ihrer Folgen sowie des Eigenverschuldens der Klägerin ist ein Schmerzensgeld von insgesamt 3.000,00 EUR angemessen, aber auch ausreichend.

40

aa.

41

Mit der gefestigten Rechtsprechung hängt die Höhe des zuzubilligenden Schmerzensgeldes entscheidend von dem Maß der Lebensbeeinträchtigung ab, soweit diese bei Schluss der mündlichen Verhandlung bereits eingetreten war oder für die Zukunft erkennbar und objektiv vorhersehbar ist (vgl. aktuell OLG Hamm, Urt. v. 05.03.2021 – 9 U 221/19, juris Rn. 7; OLG Hamm, Urt. v. 19.01.2016 – 7 U 52/15, juris Rn. 23; OLG Hamm, Urt. v. 21.12.2012 – 9 U 38/12, juris Rn. 34). Die Schwere dieser Belastungen wird vor allem durch die Stärke, Heftigkeit und Dauer der erlittenen Schmerzen und Funktionsbeeinträchtigungen bestimmt, wobei etwaigen Dauerfolgen der Verletzungen besonderes Gewicht zukommt (vgl. BGH, Beschl. v. 06.07.1955 – GSZ 1/55, wolterskluwer.online Rn. 16; OLG Hamm, Urt. v. 21.12.2012 – 9 U 38/12, juris Rn. 34). Im Sinne einer Objektivierung der Leiden wirken sich insbesondere die Art der Verletzungen, die Zahl der Operationen, die Dauer der stationären und ambulanten Behandlung, die Dauer der Arbeitsunfähigkeit und das Ausmaß eines eingetretenen Dauerschadens bei der Bemessung eines angemessenen Schmerzensgeldes aus (vgl. OLG Hamm, Urt. v. 05.03.2021 – 9 U 221/19 unter Hinweis auf OLG Hamm, Urt. v. 11.09.2020 – 9 U 96/20, NJW-Spezial 2020, 715, juris Rn. 3; OLG Celle, Urt. v. 04.11.2020 – 14 U 81/20, juris Rn. 12 und OLG Celle, Urt. v.19.02.2020 – 14 U 69/19, juris Rn. 53 f. m. w. N.).

42

Der Maßstab für eine billige Entschädigung im Sinne des § 253 Abs. 2 BGB muss unter Berücksichtigung ihrer Ausgleichs- und Genugtuungsfunktion für jeden einzelnen Fall durch Würdigung und Wägung aller ihn prägenden Umstände neu gewonnen werden. Bei der Bemessung des angemessenen Schmerzensgeldes unterliegt der Tatrichter von Gesetzes wegen keinen betragsmäßigen Beschränkungen. Hierbei muss er aber im Hinblick auf den Gleichheitssatz das gewonnene Ergebnis anhand von in sog. Schmerzensgeldtabellen erfassten Vergleichsfällen überprüfen, wobei die dort ausgewiesenen Beträge schon wegen der meist nur begrenzt vergleichbaren Verletzungsbilder nicht schematisch übernommen werden dürfen (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 22.01.2021 – 7 U 18/20, juris Rn. 26). Insoweit sind bei der Bemessung des Schmerzensgeldes sämtliche Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Schmerzensgeldentscheidungen anderer Gerichte zu benennen genügt allein nicht. Ausgangspunkt sind Art der Behandlung (Krankenhaus/Reha) und Dauer der Beeinträchtigung (vgl. OLG Frankfurt, Urt. v. 18.10.2018 – 22 U 97/16, juris Rn. 62). Bei der Heranziehung von Vergleichsfällen ist zudem zu berücksichtigen, dass die Rechtsprechung bei der Bemessung von Schmerzensgeld nach gravierenden Verletzungen deutlich großzügiger verfährt als früher und zu Gunsten eines Geschädigten die zwischenzeitliche Geldentwertung zu berücksichtigen ist (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 22.01.2021 – 7 U 18/20, juris Rn. 26; OLG München, Urt. v. 09.09.2020 – 10 U 1722/18, juris Rn. 24).

43

Das Berufungsgericht hat die erstinstanzliche Schmerzensgeldbemessung auf der Grundlage der nach § 529 ZPO maßgeblichen Tatsachen gemäß § 513 Abs. 1 ZPO in vollem Umfang darauf zu überprüfen, ob sie überzeugt. Hält das Berufungsgericht sie zwar für vertretbar, letztlich aber bei Berücksichtigung aller Gesichtspunkte nicht für sachlich überzeugend, so darf und muss es nach eigenem Ermessen einen eigenen, dem Einzelfall angemessenen Schmerzensgeldbetrag finden. Das Berufungsgericht darf es demnach nicht dabei belassen, zu prüfen, ob die Bemessung Rechtsfehler enthält, insbesondere ob das Gericht sich mit allen maßgeblichen Umständen ausreichend auseinander gesetzt und eine angemessene Beziehung der Entschädigung zu Art und Dauer der Verletzungen bemüht hat (vgl. BGH, Urt. v. 28.03.2006 – VI ZR 46/05, juris Rn. 30; OLG Hamm, Beschl. v. 22.01.2021 – 7 U 18/20, juris Rn. 12).

44

bb.

45

Nach Maßgabe dieser Grundsätze steht der Klägerin bereits auf der Grundlage ihres – hier unterstellten – eigenen Vortrags kein höheres, also 3.000,00 EUR übersteigendes Schmerzensgeld zu.

46

Der Schmerzensgeldbemessung zu Grunde liegen zunächst sämtliche von der Klägerin behaupteten Primärverletzungen mit insbesondere dem handgelenksnahen Speichenbruch links, den Prellungen im Bereich beider Knie, der traumatischen Einblutung in den Hoffa’schen Fettkörper am rechten Knie, der Verletzung am rechten Sprunggelenk, den trotz getragenen Helms erlittenen Prellungen am Kopf, dem HWS und der blutenden Nase.

47

Die Einschränkungen in der Lebensführung machen sich auch für den Senat an der insbesondere im unmittelbaren Nachgang des schädigenden Ereignisses gegebenen Beeinträchtigung an immerhin drei Gliedmaßen (linkes Handgelenk und beide untere Extremitäten) fest, wobei allerdings die konservativ behandelte Bruchverletzung am linken Handgelenk die schwerwiegendste Primärverletzung darstellt. Weiter hat der Senat berücksichtigt, dass die Klägerin zwar noch bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung Physiotherapie erhält, allerdings vorrangig wegen unfallunabhängiger Beschwerden; unfallabhängige Beschwerden stehen insoweit nicht im Vordergrund, sondern werden – soweit vorhanden, was zu Gunsten der Klägerin unterstellt werden kann – lediglich mitbehandelt.

48

Darüber hinaus hat der Senat auch die weitergehenden Verletzungsfolgen (sog. Sekundärschäden, vgl. etwa BGH, Urt. v. 29.01.2019 – VI ZR 113/17, juris Rn. 12 ff.) bei der Bemessung des Schmerzensgeldes zu Grunde gelegt. Danach ist durch den Unfall, wie in dem Arztbrief des Dr. med. E vom 07.06.2021 (Bl. 139 GA) beschrieben, eine Fehlstellung des distalen Radius zurückgeblieben, die zu einer Fehlbelastung des linken Handgelenks und in deren Folge zu einer posttraumatischen Arthrose geführt hat. Als praktische Auswirkung ist zu Grunde gelegt worden, dass das Handgelenk bei Benutzung wie etwa dem Radfahren zu schmerzen beginnt, worauf die Klägerin mit einem Ausschütteln der Hand reagiert. Berücksichtigt wurde zudem, dass die von der Klägerin beschriebenen Beschwerden am rechten Knie auch auf die unfallbedingte traumatische Einblutung in den Hoffa’schen Fettkörper zurückzuführen sind, und ihre Probleme, längere Strecken zu Fuß zu bewältigen, nicht allein oder überwiegend auf die bei der Klägerin am rechten Knie unfallunabhängig gegebene Varusgonarthrose zurückzuführen sind.

49

Einer weiteren Sachverhaltsaufklärung durch Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens auf Antrag der Klägerin bedurfte es daher nicht, da der Senat die von der Klägerin beschriebenen Auswirkungen des Fahrradunfalls vollumfänglich zu Grunde legt und sie weder schriftsätzlich noch im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung weitere greifbare Anknüpfungstatsachen vorgetragen hat. Soweit gegenbeweislich angeboten bedarf es der Einholung des medizinischen Sachverständigengutachtens nicht, da mit dem vorliegenden Urteil kein weiteres, über den erstinstanzlich rechtskräftig zuerkannten Betrag hinausgehendes Schmerzensgeld zugesprochen wird.

50

Das so ohne den Eigenverschuldensanteil im Ausgangspunkt auf einen Betrag von 6.000,00 EUR bemessene Schmerzensgeld steht im Einklang mit anderweitiger fallähnlicher obergerichtlicher Rechtsprechung und fügt sich in den Rahmen, der bei vergleichbaren Verletzungen zugesprochen wird.

51

So hat das LG Leipzig (Urt. v. 16.09.2010 – 08 S 573/09, Hacks/Wellner/ Häcker/Offenloch, Schmerzensgeldbeträge 2021, 39. Aufl. 2021, lfd. Nr. 848) in einem Fall mit einer dreiwöchigen Behandlung mit Gipsverband nur für eine Handgelenksverletzung 4.000,00 EUR zugesprochen.

52

Auf dieser Linie liegt auch die Entscheidung des OLG Karlsruhe (Urt. v. 28.03.2012 –7 U 104/11, Hacks/Wellner/Häcker/Offenloch, a. a. O. lfd. Nr. 888). Das Gericht hat in dem genannten Urteil ein Schmerzensgeld i. H. v. 5.000,00 EUR für eine Radiusfraktur aufgrund eines Sturzereignisses mit einem achttägigen Krankenhausaufenthalt sowie einer Ellenhakenfraktur zugesprochen. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass im vorliegenden Fall ein stationärer Krankenhausaufenthalt nicht erforderlich war, neben der Radiusfraktur aber die vorbenannten weiteren Verletzungen sowie die zwischenzeitliche Geldentwertung in die Schmerzensgeldberechnung einzufließen haben.

53

Die von der Klägerin begehrten 8.000,00 EUR sind demgegenüber deutlich übersetzt. Soweit in der Rechtsprechung Schmerzensgeld in einer solchen Höhe zugesprochen wurde, sind diese Fälle mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbar. Deutlich wird dies bei Betrachtung der Entscheidung des LG Landau in der Pfalz (Urt. v. 28.7.2014 – 4 O 381/12). Im dortigen Fall wurden für eine unfallbedingte Jochbeinfraktur, eine Nasenbeinfraktur, ein Lidhämatom, eine LWS-Prellung, eine Ellenbogenprellung, tiefe Schürfwunden am linken Unterschenkel, eine Handgelenksdistorsion rechts, eine kausale Augenentzündung – also für in Quantität und Qualität deutlich intensivere Verletzungen als im vorliegenden Fall und unter zugleich schmerzensgelderhöhender Berücksichtigung eines zögerlichen Regulierungsverhalten der Haftpflichtversicherung 8.000,00 EUR zugesprochen (Hacks/Wellner/Häcker, a. a. O. lfd. Nr. 699). Dem ist der vorliegende Fall auch unter Berücksichtigung unfallursächlichen andauernder Beeinträchtigungen der Klägerin am linken Handgelenk und rechtem Knie nicht vergleichbar.

54

In Bezug auf Dauerschäden war zu berücksichtigen, dass eine unfallbedingt erforderliche Schmerzmitteleinnahme von der Klägerin im Termin vor dem Senat selbst verneint wurde.

55

b.

56

Steht der Klägerin danach unter Berücksichtigung ihres Eigenverschuldens von 50 % ein Schmerzensgeld in Höhe von 3.000,00 EUR zu, ist dieses entweder bereits durch Zahlung erfüllt oder rechtskräftig zugesprochen.

57

aa.

58

Die Beklagte hat über ihren Haftpflichtversicherer vorgerichtlich bereits 1.500,00 EUR gezahlt (§ 362 Abs. 1 BGB).

59

bb.

60

Der Zeuge C hat ebenfalls vorgerichtlich zur Schadenswiedergutmachung, anzurechnen auf den Gesamtschmerzensgeldbetrag, einen weiteren Betrag von 500,00 EUR gezahlt. Der Zahlung kommt ebenfalls Erfüllungswirkung gem. §§ 840; 422 Abs. 1 S. 1; 362 Abs. 1 BGB zu.

61

Der Beklagte und der Zeuge C haften nämlich als Gesamtschuldner, weil beide für den aus einer unerlaubten Handlung entstehenden Schaden nebeneinander verantwortlich sind, § 840 Abs. 1 BGB. Die Haftung des Beklagten beruht wie ausgeführt auf § 831 Abs. 1, § 253 Abs. 2 BGB, die des Zeuge C auf § 823 Abs. 1, § 253 Abs. 2 BGB; denn die von der Klägerin erlittenen Einbußen an der Gesundheit resultieren auch aus der rechtswidrigen und unzweifelhaft (fahrlässig) schuldhaften Verkehrssicherungspflichtverletzung des Zeugen.

62

cc.

63

Weitere 1.000,00 EUR hat das Landgericht rechtskräftig zu erkannt. Damit sind sämtlich derzeitigen Schmerzensgeldansprüche der Klägerin erfüllt. Ihre Berufung bleibt folglich insoweit ohne Erfolg.

64

4.

65

Die Berufung hat hingegen Erfolg, soweit mit ihr die Feststellung der Verpflichtung des Beklagten verfolgt wird, der Klägerin bereits entstandene und künftige materielle Schäden aus dem Unfall vom 13.04.2018 auf dem Radweg der A-Straße in B zu 50 % und ihren zukünftigen unfallbedingten, derzeit nicht vorhersehbaren immateriellen Schaden unter Berücksichtigung eines klägerischen Eigenverschuldens von 50 % zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind bzw. übergehen werden.

66

Auf Basis der v.g. Haftungsverteilung war dem Feststellungsantrag der Klägerin stattzugeben.

67

Das erforderliche Feststellungsinteresse, d. h. die Möglichkeit des zukünftigen Eintritts weiterer materieller und derzeit noch nicht konkret absehbarer immaterieller Schäden aufgrund des streitgegenständlichen Verkehrsunfalls, ist angesichts der unstreitig erlittenen Bruchverletzung im Bereich des linken Handgelenks der Klägerin zu bejahen. Infolgedessen besteht jedenfalls das gerichtsbekannte Risiko einer Arthrose, wie sie auch in dem Arztbrief des Dr. med. E vom 07.06.2021 (Bl. 139 d. A.) bereits beschrieben, ihr (weiterer) Verlauf aber im Einzelnen unklar und nicht vorhersehbar ist. Daraus wiederum resultiert die Möglichkeit weiterer unfallbedingter materieller und immaterieller Schäden, was für Zulässigkeit und Begründetheit des Feststellungsantrages ausreicht (vgl. hierzu aktuell BGH, Beschl. vom 08.06.2021 – VI ZR 1272/20, juris).

68

5.

69

Soweit die Klägerin schließlich Ausgleich weiterer vorgerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren i. H. v. 685,32 EUR verlangt, bleibt die Berufung ebenfalls erfolglos.

70

Die Klägerin ist insoweit nämlich jedenfalls schon nicht mehr aktivlegitimiert, weil infolge vorgerichtlichen Ausgleichs durch den Rechtsschutzversicherer – wie im Senatstermin eingeräumt wurde – der Anspruch gemäß § 86 Abs. 1 Satz 1 VVG auf diesen übergegangen ist.

71

Eine Modifikation des entsprechenden Klageantrags oder eine Erklärung zu einer etwaigen Vorgehensweise der Klägerin im Wege einer gewillkürten Prozessstandschaft sind auf Nachfrage im Termin nicht erfolgt.

72

II.

73

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

74

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

75

III.

76

Die Revision wird nicht zugelassen (§ 543 Abs. 2 ZPO).

BGH, Urteil vom 28.05.2021 – V ZR 24/20: Ein Grundstück ist nicht allein deshalb mangelhaft, weil bei der Errichtung eines auf ihm stehenden Gebäudes gegen das Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz verstoßen wurde

BGH, Urteil vom 28.05.2021 - V ZR 24/20: Ein Grundstück ist nicht allein deshalb mangelhaft, weil bei der Errichtung eines auf ihm stehenden Gebäudes gegen das Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz verstoßen wurde

1. Bezugspunkt der Arglist in § 444 BGB ist ein konkreter Mangel. Arglist liegt deshalb nur vor, wenn der Verkäufer diesen konkreten Mangel kennt oder zumindest im Sinne eines bedingten Vorsatzes für möglich hält und billigend in Kauf nimmt. Das schließt es aus, ein arglistiges Verschweigen von Mängeln gemäß § 444 BGB durch den Verkäufer allein daraus abzuleiten, dass das Gebäude auf dem verkauften Grundstück teilweise unter Verstoß gegen das Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz errichtet worden ist.

2. Für die Annahme von Arglist genügt es nicht, dass sich dem Verkäufer das Vorliegen aufklärungspflichtiger Tatsachen hätte aufdrängen müssen (Bestätigung von Senat, Urteil vom 12. April 2013 – V ZR 266/11, NJW 2013, 2182).

3. Ein Grundstück ist nicht allein deshalb mangelhaft, weil bei der Errichtung eines auf ihm stehenden Gebäudes gegen das Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz verstoßen wurde.

Tatbestand

Die Klägerin kaufte mit notariellem Vertrag vom 27. März 2012 von den Beklagten zu 1 und 2 ein Grundstück für 253.000 €. In dem Vertrag wurden die Rechte des Käufers wegen eines Sachmangels des Grundstücks, des Gebäudes und der mitverkauften beweglichen Sachen ausgeschlossen. Auf dem Grundstück befindet sich ein Gebäude, das der Beklagte zu 1 aufgrund eines Werkvertrags mit einer inzwischen verstorbenen Bauunternehmerin hatte errichten lassen. Im Zuge von Umbauarbeiten stellte die Klägerin Mängel der Abdichtung des Kellers und des Haussockels gegen Feuchtigkeit fest. Im Dezember 2012 trat der Beklagte zu 1 an die Klägerin sämtliche ihm gegenüber der Bauunternehmerin zustehenden Gewährleistungsansprüche ab.

Die Klägerin hat wegen der Feuchtigkeitsmängel von den Verkäufern und den Erben der Bauunternehmerin zuletzt insgesamt 48.457,51 € als Wertminderungsschaden verlangt. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Kammergericht hat die Berufung der Klägerin hinsichtlich des Beklagten zu 2 und der Erben der Bauunternehmerin durch Teilurteil vom 30. April 2019 zurückgewiesen. Dieses Teilurteil ist rechtskräftig. Mit Schlussurteil vom 23. Dezember 2019 hat es den Beklagten zu 1 unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen zur Zahlung von 34.679,72 € nebst Zinsen verurteilt. Dagegen wendet sich der Beklagte zu 1 mit der von dem Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt.

Gründe

I.

Nach Ansicht des Berufungsgerichts kann die Klägerin von dem Beklagten zu 1 gemäß § 437 Nr. 3, § 440 i.V.m. § 280 Abs. 1 und 3, § 281 Abs. 1 BGB Ersatz der geltend gemachten Schäden im zuerkannten Umfang als Schadensersatz statt des ausgefallenen Leistungsteils verlangen. Das seinerzeit errichtete Gebäude sei mangelhaft, weil es nach den Feststellungen des Sachverständigen keine Vertikalabdichtung und eine unzureichende Horizontalabdichtung aufweise. Auf den Haftungsausschluss könne sich der Beklagte zu 1 nicht berufen, da er arglistig gehandelt habe. Der Beklagte zu 1 habe die Klägerin darüber aufklären müssen, dass das Haus nicht mit einer Vertikalabdichtung versehen worden sei. In dem Bauvertrag sei eine entsprechende Abdichtung nicht vorgesehen gewesen. Es habe bereits zum Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses Tatsachen gegeben, aus denen sich dem Beklagten zu 1 habe erschließen müssen, dass der Auftrag eine solche Abdichtung nicht erfasst habe. Sein Vortrag, ein Sperrputz mache eine Vertikalabdichtung entbehrlich, sei eine Schutzbehauptung. Aus ihr erschließe sich zwar nicht zwingend der Zeitpunkt, zu dem ihm bewusst geworden sei, dass es eine Vertikalabdichtung nicht gegeben habe. Er habe diese Tatsache aber zumindest verschleiern wollen. Letztlich könne unentschieden bleiben, ob der Beklagte zu 1 gewusst oder mindestens billigend in Kauf genommen habe, dass eine Vertikalsperre nicht und die Horizontalsperre unzureichend ausgeführt worden seien. Denn er habe die Klägerin darüber unterrichten müssen, dass das Gebäude teilweise in Schwarzarbeit errichtet worden sei. Von letzterem sei sowohl auf Grund der Aussage des Beklagten zu 3 als auch der übrigen Indizien auszugehen.

II.

Diese Erwägungen halten rechtlicher Prüfung nicht stand.

1. Im Wesentlichen zutreffend ist der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts. Nach den von ihm mit sachverständiger Hilfe getroffenen Feststellungen war das Gebäude auf dem verkauften Grundstück bei Gefahrübergang mangelhaft, weil es, obwohl neueren Baujahrs, nicht mit einer Vertikalabdichtung versehen und die Horizontalabdichtung unzureichend war. Aufgrund dieser Mängel kann der Beklagte zu 1 nach § 437 Nr. 3, § 440, § 280 Abs. 1 u. 3, § 281 BGB zu Schadensersatz statt des ausgefallenen Leistungsteils verpflichtet sein. In diesem Rahmen könnte die Klägerin nicht nur, wie zuletzt beantragt, Ersatz des Minderwertes, sondern, anders als das Berufungsgericht gemeint hat, auch Ersatz fiktiver Mängelbeseitigungskosten verlangen (vgl. Senat, Urteil vom 12. März 2021 – V ZR 33/19, ZIP 2021, 960 Rn. 7). Beides setzt nach § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB voraus, dass der Beklagte zu 1 das Fehlen der Vertikalsperre und den Einbau einer unzureichenden Horizontalsperre zu vertreten hat und weiter, dass er sich auf den vereinbarten Haftungsausschluss für Sachmängel nicht berufen darf. Sollte der Beklagte zu 1 einen der beiden oder beide Mängel arglistig verschwiegen haben, wäre ihm – und dann – entgegen der von dem Berufungsgericht in dem Teilurteil vertretenen Ansicht – auch dem Beklagten zu 2 (vgl. dazu Senat, Urteil vom 8. April 2016 – V ZR 150/15, VersR 2017, 766 Rn. 8) – nach § 444 BGB die Berufung auf den Haftungsausschluss verwehrt.

2. Unzutreffend ist aber die Annahme des Berufungsgerichts, dass der Beklagte zu 1 die festgestellten Mängel arglistig verschwiegen habe, ergebe sich schon daraus, dass der gesonderte Vertrag über die Herstellung der Bodenplatte und der Abdichtung gegen das Gesetz zur Bekämpfung der Schwarzarbeit und illegalen Beschäftigung (vom 23. Juli 2004, BGB I S. 1842, zuletzt geändert durch Art. 10 des Gesetzes vom 30. März 2021, BGBl. I S. 448 – Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz oder SchwarzArbG) verstoßen habe. Damit verkennt das Berufungsgericht den Anknüpfungspunkt der Arglist in § 444 BGB und die ihr nach dieser Vorschrift zugedachte Wirkung.

a) Nach § 444 BGB darf sich der Verkäufer auf einen in dem Kaufvertrag vereinbarten Haftungsausschluss nicht berufen, soweit er den Mangel arglistig verschwiegen hat.

aa) Mit den Worten “den Mangel” spricht das Gesetz jeden einzelnen Mangel an, auf den sich der Käufer beruft. Das ergibt sich aus dem systematischen Zusammenhang von § 444 BGB mit § 437 Die in § 437 BGB bezeichneten Mängelrechte stehen dem Käufer nämlich immer dann zu, wenn die Sache mangelhaft ist, damit also im Grundsatz bei jedem einzelnen Sach- oder Rechtsmangel im Sinne der §§ 434 und 435 BGB. Dieser Umstand führt etwa dazu, dass der Käufer, der wegen eines bestimmten Mangels der Kaufsache gemindert hat, zwar nicht wegen desselben Mangels großen Schadensersatz und unter diesem Gesichtspunkt die Rückgängigmachung des Kaufvertrages verlangen kann (BGH, Urteil vom 9. Mai 2018 – VIII ZR 26/17, BGHZ 218, 320 Rn. 19), wohl aber wegen eines anderen (rechtzeitig geltend gemachten) Mangels, dessentwegen er den Kaufpreis nicht gemindert hat, doch noch vom Kaufvertrag zurücktreten oder im Wege des großen Schadensersatzes dessen Rückabwicklung verlangen könnte (BGH, Urteil vom 9. Mai 2018 – VIII ZR 26/17, BGHZ 218, 320 Rn. 17: “wegen desselben Mangels”; ausdrücklich: Erman/Grunewald, BGB, 16. Aufl., § 437 Rn. 48; Palandt/Weidenkaff, BGB, 80. Aufl., § 437 Rn. 31; MüKoBGB/Westermann, 8. Aufl., § 441 Rn. 10).

bb) Das arglistige Verschweigen eines Mangels führt nach § 444 BGB auch nicht dazu, dass sich der Verkäufer überhaupt nicht mehr auf den vereinbarten Haftungsausschluss berufen könnte. Vielmehr ist ihm die Berufung auf einen solchen Haftungsausschluss nur “insoweit” verwehrt, als er den Mangel arglistig verschwiegen hat. Die Berufung auf den Haftungsausschluss ist also nur ausgeschlossen gegenüber den Rechten und Ansprüchen des Käufers aus § 437 BGB, die sich aus dem verschwiegenen Mangel ergeben. Gegenüber Ansprüchen und Rechten des Käufers aus § 437 BGB, die sich aus anderen Mängeln ergeben, die er dem Käufer nicht arglistig verschwiegen hat, darf sich der Verkäufer weiterhin auf den Haftungsausschluss berufen.

cc) Bezugspunkt der Arglist ist in § 444 BGB damit stets ein konkreter Mangel. Arglist liegt deshalb nur vor, wenn der Verkäufer diesen konkreten Mangel kennt oder zumindest im Sinne eines bedingten Vorsatzes für möglich hält und billigend in Kauf nimmt (Senat, Urteile vom 7. März 2003 – V ZR 437/01, ZfIR 2003, 769, 771, vom 16. März 2012 – V ZR 18/11, NJW-RR 2012, 1078 24 und vom 14. Juni 2019 – V ZR 73/18, ZfIR 2019, 846 Rn. 29).

b) Das schließt es aus, ein arglistiges Verschweigen von Mängeln gemäß § 444 BGB durch den Verkäufer allein daraus abzuleiten, dass das Gebäude auf dem verkauften Grundstück teilweise unter Verstoß gegen das Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz errichtet worden ist.

aa) Schwarzarbeit im Sinne des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes leistet nach § 1 2 SchwarzArbG, wer Dienst- oder Werkleistungen erbringt oder ausführen lässt und dabei als Arbeitgeber, Unternehmer oder versicherungspflichtiger Selbstständiger seine sich auf Grund der Dienst- oder Werkleistungen ergebenden sozialversicherungsrechtlichen Melde-, Beitrags- oder Aufzeichnungspflichten nicht erfüllt (Nr. 1), als Steuerpflichtiger seine sich auf Grund der Dienst- oder Werkleistungen ergebenden steuerlichen Pflichten nicht erfüllt (Nr. 2), als Empfänger von Sozialleistungen seine sich auf Grund der Dienst- oder Werkleistungen ergebenden Mitteilungspflichten gegenüber dem Sozialleistungsträger nicht erfüllt (Nr. 3), als Erbringer von Dienst- oder Werkleistungen seiner sich daraus ergebenden Verpflichtung zur Anzeige vom Beginn des selbstständigen Betriebes eines stehenden Gewerbes (§ 14 GewO) nicht nachgekommen ist oder die erforderliche Reisegewerbekarte (§ 55 GewO) nicht erworben hat (Nr. 4) oder als Erbringer von Dienst- oder Werkleistungen ein zulassungspflichtiges Handwerk als stehendes Gewerbe selbstständig betreibt, ohne gemäß § 1 HwO in der Handwerksrolle eingetragen zu sein (Nr. 5). Diese Tatbestände betreffen sämtlich die sozialversicherungs-, steuer- und gewerberechtlichen Rahmenbedingungen von Dienst- oder Werkverträgen. Sie befassen sich dagegen nicht mit dem Inhalt der versprochenen Leistungen und besagen erst recht nichts darüber, ob die vereinbarte Leistung wie vorgesehen erbracht worden ist oder nicht. Sie geben deshalb auch keine Auskunft darüber, ob der Auftraggeber, worauf es im Zusammenhang von § 444 BGB allein ankommt, von Fehlern bei der Ausführung der Werkleistungen Kenntnis hatte oder das Vorhandensein solcher Fehler billigend in Kauf genommen hat. Sie begründen für sich genommen auch nicht den Verdacht, die Arbeiten seien nicht ordnungsgemäß ausgeführt worden und das Grundstück dadurch mangelhaft. Deshalb könnte in der unterbliebenen Kontrolle der ausgeführten Arbeiten kein billiges Inkaufnehmen etwaiger Mängel gesehen werden (vgl. Senat, Urteil vom 19. Februar 2016 – V ZR 216/14, WM 2016, 1755 Rn. 19 f., für die Beseitigung eines Mangels durch ein Fachunternehmen).

bb) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass ein Verstoß gegen das Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz zur Nichtigkeit des Werkvertrags führt.

(1) Das Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz sieht keine ausdrücklichen Verbotstatbestände vor. Aus dem Sinn und Zweck des Gesetzes sowie der darin vorgesehenen Androhung von Geldbußen ergibt sich jedoch, dass Verträge, die einen der Tatbestände für Schwarzarbeit erfüllen, bei bestimmter Beteiligung beider Vertragsparteien nichtig sind. Das ist jedenfalls bei dem von dem Berufungsgericht hier angenommenen Verstoß gegen § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG der Fall (vgl. BGH, Urteil vom 1. August 2013 – VII ZR 6/13, BGHZ 198, 141 Rn. 17, 20). Wäre gegen § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG verstoßen worden, wäre der Vertrag über die Herstellung unter anderem der Abdichtung des Gebäudes gemäß § 134 BGB nichtig. Das wiederum hätte zur Folge, dass dem Beklagten zu 1 als Besteller aus einem solchen Vertrag keine Ansprüche und Rechte nach § 634 BGB zustünden (vgl. BGH, Urteil vom 1. August 2013 – VII ZR 6/13, BGHZ 198, 141 Rn. 27) und überdies schon keine wechselseitigen Leistungspflichten begründet worden wären.

(2) Das Fehlen der wechselseitigen Leistungspflichten und der Ansprüche und Rechte des Bestellers aus § 634 BGB rechtfertigt aber nicht den Schluss, dass die zwar nicht wirksam vereinbarten, aber doch abgesprochenen Leistungen nicht so erbracht wurden, wie sie bei Wirksamkeit des Vertrages zu erbringen gewesen wären. Es bietet insbesondere keine Grundlage für die Annahme, der Auftraggeber habe allein schon wegen des Verstoßes gegen das Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz Kenntnis von einem bestimmten, nach Fertigstellung festgestellten Ausführungsfehler oder habe diesen billigend in Kauf genommen.

3. Die Entscheidung des Berufungsgerichts erweist sich auch nicht aus einem anderen Grund als richtig (vgl. § 561 ZPO). Auch die zusätzlich angestellten Erwägungen des Berufungsgerichts tragen seine Annahme, der Beklagte zu 1 habe arglistig gehandelt, nicht.

a) Das Berufungsgericht hat offengelassen, ob sich seine Annahme, der Beklagte zu 1 habe die beiden festgestellten Mängel – fehlende Vertikalabdichtung und unzureichende Horizontalabdichtung – arglistig verschwiegen, hinsichtlich der Vertikalabdichtung auch auf andere Gründen stützen lasse. Seine in diesem Zusammenhang angestellten Überlegungen vermögen aber auch deshalb nicht zu begründen, dass der Beklagte zu 1 das Fehlen der Vertikalabdichtung arglistig verschwiegen hat, weil das Berufungsgericht für die Feststellung der Arglist falsche Maßstäbe angelegt hat.

aa) Es geht zwar zutreffend davon aus, dass Arglist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Kenntnis des arglistig Handelnden – hier des Beklagten zu 1 – von dem Mangel oder voraussetzt, dass dieser den maßgeblichen Mangel billigend in Kauf nimmt und nicht offenbart (Nachweise oben in Rn. 10). Es hat die Anforderungen, die der Senat an die Annahme von Eventualvorsatz stellt, aber missverstanden und gelangt deshalb im Ergebnis durchweg nicht zur Feststellung von Eventualvorsatz.

bb) Das Berufungsgericht führt unter Bezugnahme auf das Urteil des Senats vom 12. April 2013 (V ZR 266/11, NJW 2013, 2182) aus, “hinsichtlich der Gesamtbewertung dieser Umstände reicht es für den subjektiven Tatbestand der Arglist aus, dass sich dem Beklagten zu 1 der Mangel aufdrängen musste”. Das entspricht nicht der Rechtsprechung des Senats und auch nicht dem dazu zitierten Senatsurteil. In diesem Urteil hat der Senat das genaue Gegenteil entschieden, dass es nämlich für die Annahme von Arglist gerade nicht genügt, wenn sich dem Verkäufer das Vorliegen aufklärungspflichtiger Tatsachen hätte aufdrängen müssen. Zur Begründung hat er angeführt, dass andernfalls die Arglist vom Vorsatz abgekoppelt und der Sache nach durch leichtfertige oder grob fahrlässige Unkenntnis ersetzt würde (Senat, Urteil vom 12. April 2013 – V ZR 266/11, NJW 2013, 2182 Leitsatz und Rn. 13). Diese Anforderungen hat das Berufungsgericht nicht erkannt und sich bei seinen Ausführungen zum Vorsatz oder Eventualvorsatz des Beklagten zu 1 durchweg mit (grober) Fahrlässigkeit begnügt, die aber für arglistiges Handeln nicht ausreicht.

b) Das Berufungsgericht hat ferner offengelassen, ob der Verstoß gegen das Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz bei dem Vertrag über die Anbringung der Vertikal- und der Horizontalabdichtung einen Sachmangel des später verkauften Grundstücks darstellt. Das ist nicht der Fall.

aa) Einem verkauften Grundstück fehlt nicht deshalb die gesetzlich geschuldete Beschaffenheit, weil dem Verkäufer infolge der mit dem Verstoß gegen das Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz eingetretenen Nichtigkeit des Vertrags über die Errichtung des Gebäudes gemäß § 134 BGB bei Mängeln des Gebäudes keine Ansprüche und Rechte nach § 634 BGB zustehen. Er schuldet dem Käufer die Verschaffung eines Grundstücks, das die geschuldete Beschaffenheit hat. Ohne besondere Vereinbarungen ist der Verkäufer nicht verpflichtet, dem Käufer seine eigenen Gewährleistungsrechte gegen Dritte abzutreten. Auch wenn eine Abtretung von Mängelansprüchen vereinbart wäre und daran scheiterte, dass diese Ansprüche wegen des Verstoßes gegen das Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz nicht bestehen, würden dadurch weder das Gebäude noch das Grundstück, auf dem es errichtet wurde, mangelhaft. Das Nichtbestehen der Ansprüche könnte nur Ansprüche aus einer Verletzung von Leistungs- oder Aufklärungspflichten auslösen. Hier war die Abtretung von Mängelansprüchen nicht vereinbart. Die nach dem Auftreten der Mängel erklärte Abtretung der Ansprüche gegen die verstorbene Bauunternehmerin und ihre Erben sollte nur der Beseitigung der Abdichtungsmängel dienen.

bb) Ein Grundstück ist nicht allein deshalb mangelhaft, weil bei der Errichtung eines auf ihm stehenden Gebäudes gegen das Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz verstoßen wurde. Als Beschaffenheit einer Kaufsache im Sinne von § 434 1 BGB sind sowohl alle Faktoren anzusehen, die der Sache selbst anhaften, als auch alle Beziehungen der Sache zur Umwelt, die nach der Verkehrsauffassung Einfluss auf die Wertschätzung der Sache haben (BGH, Urteil vom 15. Juni 2016 – VIII ZR 134/15, NJW 2016, 2874 Rn. 10). Zu diesen Faktoren gehört der Verstoß gegen das Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz bei der Errichtung eines auf dem später verkauften Grundstück stehenden Gebäudes regelmäßig nicht. Er begründet einen persönlichen Vorwurf gegen den Verkäufer und den von ihm beauftragten Unternehmer. Er betrifft deren Geschäftsgebaren und nicht das errichtete Gebäude. Deshalb wirkt sich ein solcher Verstoß regelmäßig nicht auf die Wertschätzung des später verkauften Grundstücks aus. Das Fehlen solcher Verstöße gehört deshalb nicht zu den § 434 Abs. 1 Satz 2 BGB kraft Gesetzes geschuldeten Eigenschaften eines Kaufgrundstücks. Ob das Fehlen als Beschaffenheit nach § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB – etwa auf besonderen Wunsch eines Käufers – vereinbart werden könnte, bedarf hier keiner Entscheidung, weil in dem Vertrag eine solche Vereinbarung nicht getroffen worden ist.

c) Aus den vorstehenden Gründen ergibt sich zugleich, dass der Beklagte zu 1 die Klägerin auch nicht von sich aus und losgelöst von der Beschaffenheit des Grundstücks auf den Verstoß gegen das Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz hätte hinweisen müssen. Deshalb lässt sich der von der Klägerin verlangte Ersatz der sich aus den Abdichtungsmängeln ergebenden Wertminderung des Grundstücks auch nicht auf eine Verletzung vorvertraglicher Pflichten gemäß § 280 1, § 241 Abs. 2 BGB stützen.

III.

Die Verurteilung des Beklagten zu 1 kann deshalb keinen Bestand haben. Das Berufungsurteil ist insoweit aufzuheben und die Sache im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Hierbei macht der Senat von der in § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch, die Sache an einen anderen Senat des Berufungsgerichts zurückzuverweisen. Die neue Berufungsverhandlung gibt dem Berufungsgericht Gelegenheit, sich mit den weiteren von dem Beklagten zu 1 in der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde vorgetragenen Einwänden gegen die Annahme der Arglist und seinen Einwänden zur Höhe des Anspruchs zu befassen.

Stresemann

Schmidt-Räntsch

Kazele

Haberkamp

Hamdorf

VergMan Bau ® – Professionelle Prüfung und Wertung von Angeboten

VergMan Bau ® - Professionelle Prüfung und Wertung von Angeboten

Lassen Sie sich durch uns als Vergabestelle qualifiziert unterstützen: Wir prüfen und werten für öffentliche Auftraggeber Angebote im Rahmen von Bauvergabeverfahren klar strukturiert, rechtssicher und nachvollziehbar dokumentiert wie folgt:

1. Allgemeines
2. Aufklärung des Angebotsinhalts gemäß § 15 VOB/A bzw. 15 EU VOB/A
3. Formale, rechnerische und technische Prüfung der Angebote, Prüfung auf Mischkalkulation (§ 16 und
§ 16c VOB/A bzw. EU- VOB/A)
4. Prüfung und Wertung der Eignung der Bieter (§ 16b VOB/A bzw. EU VOB/A)
5. Festlegung der Angebote für die weitere Wertung
6. Besonderheiten der Prüfung und Wertung von Nebenangeboten
7. Prüfung und Wertung der Angemessenheit der Preise (§ 16d Abs. 2 VOB/A bzw. EU VOB/A)
8. Unangemessen hoher oder niedriger Preis
9. Prüfung und Wertung der Angebote hinsichtlich Spekulation
10. Unerwartet hohe Angebotsendsumme
11. Ermittlung der Wertungssummen für die Angebote der Bieter der engeren Wahl
12. Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots (§ 16d Abs. 1 Nr. 3 VOB/A bzw. § 16d EU Abs. 2 VOB/A)
13. Festlegung des anzunehmenden Angebots

1. Allgemeines

1.1 Prüfung und Wertung der Angebote (Haupt- und Nebenangebote) werden nach §§ 16, 16c und 16d VOB/A bzw. EU VOB/A unter Beachtung von § 127 GWB und den haushaltsrechtlichen Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zügig innerhalb der festgelegten Bindefrist durchgeführt. Dabei werden insbesondere auch die §§ 2, 6, 13 bis 15 VOB/A bzw. EU VOB/A beachtet.

1.2 Angebote von Unternehmen, die von der Vergabestelle keine Aufforderung zur Angebotsabgabe erhalten haben, werden bei Verfahren mit vorgeschaltetem öffentlichem Teilnahmewettbewerb und beschränkter Ausschreibung ausgeschlossen.

1.3 Ist eine Angabe oder Erklärung im Angebot eines Bieters offenbar unrichtig, lässt sich aber aus der Sicht des Auftraggebers das wirklich Gewollte zweifelsfrei erkennen, so ist die Angabe oder Erklärung wie erkannt zu behandeln (vergleiche § 133 BGB).

1.4 Beruft sich ein Bieter

– auf einen Irrtum bei der Aufstellung und Abgabe seines Angebots, so kann eine derartige Erklärung als Anfechtung der Angebotserklärung betrachtet werden; die Wirksamkeit der Anfechtung und deren Rechtsfolgen richten sich nach den §§ 119 ff. BGB.

– auf einen Irrtum bei der Kalkulation seines Angebots, so wird diese Erklärung grundsätzlich nicht als Anfechtungsgrund anerkannt.

1.5 Bei der Prüfung und Wertung erforderliche Eintragungen in Angeboten werden als solche deutlich gekennzeichnet.

1.6 Die Maßstäbe, nach denen Prüfung und Wertung durchgeführt werden, sind für alle Angebote gleich.

2. Aufklärung des Angebotsinhalts gemäß § 15 VOB/A bzw. 15 EU VOB/A

2.1 Die Notwendigkeit einer Aufklärung des Angebotsinhalts kann sich im Rahmen der Prüfung von Angeboten ergeben. Aufklärungen werden nur für die in § 15 Abs. 1 Nr. 1 VOB/A bzw. EU VOB/A vorgesehenen Zwecke und nur soweit notwendig vorgenommen. Sie erfolgen grundsätzlich in Textform und werden Bestandteil des Vergabevermerks.

2.2 Bei der Aufklärung wird beachtet, dass mit Ablauf der Angebotsfrist der Wettbewerb abgeschlossen ist. Eine nachträgliche Veränderung der Angebote und damit des Wettbewerbsergebnisses, z. B. durch:

– Preiszugeständnisse durch Bieter,
– sachlich nicht begründete Auslegung von Erklärungen, Nebenangeboten usw. durch Bieter oder
– Änderung der Person des Bieters dadurch, dass mehrere getrennt aufgetretene Bieter eine Arbeitsgemeinschaft bilden wollen oder
– Änderung der Zusammensetzung einer Bietergemeinschaft durch Ergänzung oder Austausch ist unzulässig.

2.3 Wenn zu einem in die engere Wahl kommenden Angebot eine für dessen Wertung maßgebende Feststellung getroffen wurde, z. B.

– Korrektur offenbar unrichtiger Angaben oder Erklärungen eines Bieters (siehe Nr. 1.3),
– Beurteilung des von einem Bieter geltend gemachten Irrtums (siehe Nr. 1.4),

wird der betreffende Bieter vor Zuschlagserteilung auf diesen Sachverhalt in Textform hingewiesen.

2.4 Soweit die Ergebnisse der Aufklärung über

– den Angebotsinhalt nach § 15 Abs. 1 VOB/A bzw. EU- VOB/A,
– Änderungen von Nebenangeboten nach § 15 Abs. 3 VOB/A bzw. EU- VOB/A,

für die Zuschlagserteilung rechtserheblich sein können, wird vom jeweiligen Bieter eine Erklärung in Textform eingeholt, dass das Ergebnis Gegenstand seines Angebots ist.

3. Formale, rechnerische und technische Prüfung der Angebote, Prüfung auf Mischkalkulation (§ 16 und § 16c VOB/A bzw. EU- VOB/A)

Die formale und rechnerische Prüfung sowie die Prüfung auf Mischkalkulation der Angebote erfolgt nach den Vorgaben für die Angebotsprüfung HA und Angebotsprüfung NA.

3.1 Formale Prüfung (einschl. Ausschlussprüfung)
Bei der formalen Prüfung der Angebote werden nur Tatsachen dokumentiert. Wenn die Ausschlussgründe des § 16 Abs. 1 VOB/A bzw. § 16 EU- VOB/A erfüllt sind, führt dies direkt ohne weitere Prüfungsschritte zum zwingenden Ausschluss des Angebotes. Die Entscheidung bezüglich eines Ausschlusses wird im Vergabevermerk begründet.

3.2 Nachfordern von Unterlagen (Erklärungen oder Nachweise)
Ein Abschluss der formalen Prüfung kann bei Angeboten mit fehlenden und mit Angebotsabgabe geforderten Unterlagen (Erklärungen oder Nachweise), bei denen die Angebote nicht entsprechend § 16 Abs. 1 VOB/A bzw. § 16 EU- VOB/A zwingend auszuschließen sind, erst dann erfolgen, wenn die fehlenden Unterlagen nachgefordert und geprüft sind.
Dazu fordert die Vergabestelle den Bieter in Textform auf, spätestens innerhalb von 6 Kalendertagen nach Aufforderung die fehlenden Unterlagen zu übergeben. Dies gilt nicht für Unterlagen, welche auf gesondertes Verlangen angefordert werden. Hier ist eine Nachforderung nach Verstreichen der gesetzten Frist nicht zulässig.
Die Frist der Aufforderung beginnt am Tag nach der Absendung. Das Absendedatum wird von der Vergabestelle dokumentiert.
Dieser Prüfschritt kann für Angebote, welche nach der rechnerischen Prüfung für eine Auftragserteilung vorerst nicht in Betracht kommen, zurückgestellt werden.

3.3 Rechnerische Prüfung
Alle nicht ausgeschlossenen Angebote werden rechnerisch geprüft (nachgerechnet).

3.3.1 Bei Grund- oder Wahlpositionen wird bei der Nachrechnung und Ermittlung der Wertungssummen nur die preisgünstigere Variante (Grund- oder Wahlposition) berücksichtigt.

3.3.2 Der am Schluss des Angebots eingetragene Steuersatz für die Umsatzsteuer (Mehrwertsteuer) wird gegebenenfalls auf den bei Ablauf der Angebotsfrist geltenden Steuersatz geändert und der sich daraus ergebende Umsatzsteuerbetrag entsprechend umgerechnet.

3.3.3 Ein gemäß § 13 Abs. 4 VOB/A bzw. EU VOB/A im „Angebotsschreiben“ angebotener Preisnachlass ohne Bedingungen wird von der Angebotssumme (netto) abgesetzt. Alle anderen Preisnachlässe werden von der Angebotssumme des Angebotes nicht abgesetzt, denn es dürfen nur Preisnachlässe gewertet werden, die als %-Wert ohne Bedingungen auf die Abrechnungssumme des Haupt- und aller Nebenangebote angeboten wurden (§ 16 Abs. 9 VOB/A bzw. EU VOB/A).

3.3.4 Fehlen in einem Angebot in OZ (Positionen) die Preise, wird geprüft, ob es sich hierbei um unwesentliche Positionen in Bezug auf die ausgeschriebene Leistung handelt (sowohl nach Art der Leistung als auch nach dem Gesamtbetrag der OZ). Handelt es sich um unwesentliche Positionen, werden zunächst in der rechnerischen Prüfung die fehlenden Preise mit 0,00 Euro eingesetzt, um den preislichen Rang des Angebotes festzustellen (Angebotssumme). Anschließend wird die Angebotsendsumme mit den höchsten für diese Positionen angebotenen Wettbewerbspreisen (ohne Berücksichtigung der formal ausgeschlossenen Hauptangebote) ermittelt.
In der Niederschrift über die Angebots(er-)öffnung, der Mitteilung des Ausschreibungsergebnisses und ggf. der Bieterinformation nach § 134 GWB wird jedoch die mit 0,00 Euro nachgerechnete Angebotssumme eingetragen.

3.3.5 Nach der Nachrechnung werden die Hauptangebote in aufsteigender Rangfolge, die sich aus der Höhe der nachgerechneten Angebotsendsummen ergibt, in einer „Bieterliste“ zusammengestellt.

3.3.6 Die Einzelpreise der Hauptangebote werden in einem „Preisspiegel“ zusammengestellt; dabei werden die Angebote in der Reihenfolge der Bieterliste aufgenommen. In der Regel wird nur für die fünf niedrigsten Hauptangebote ein Preisspiegel aufgestellt.

3.4 Prüfung hinsichtlich Mischkalkulation
Wegen möglicher Mischkalkulationspreise werden bei Hauptangeboten mit Hilfe des Preisspiegels, bei Nebenangeboten aufgrund von Erfahrungen, wesentliche OZ (Positionen) der Angebote auf überhöhte und untersetzte Einheitspreise geprüft. Werden dabei OZ mit überhöhten und untersetzten Einheitspreisen festgestellt, werden diese Einheitspreise und alle wesentlichen Pauschalpositionen des
Angebots nach § 15 VOB/A bzw. EU-VOB/A aufgeklärt.

Dabei wird wie folgt zu verfahren:

1. Für die betroffenen OZ (Positionen) ist von den Bietern die Übersendung der Preisermittlungsunterlagen (Urkalkulation) mit Fristsetzung zu fordern. Ggf. kann dies zusammen mit der Nachforderung nach Nr. 3.2 erfolgen.

2. Die Angaben der Bieter sind auf Verlagerung von Preisbestandteilen zu prüfen. Eine Mischkalkulation liegt dann vor, wenn durch Abpreisen bestimmter Leistungspositionen und so genanntes Aufpreisen anderer Leistungspositionen (OZ) Preise benannt werden, welche die für die jeweiligen Leistungen geforderten Preise weder vollständig noch zutreffend wiedergeben. Der Bieter bildet in diesem Fall keine „echten“ Preise, sondern versteckt Preisanteile einzelner OZ in andere OZ.

3. Bei Unklarheiten werden die betroffenen Bieter mit Terminsetzung zur Aufklärung in Textform aufgefordert. Den Bietern ist dabei mitzuteilen, dass

– bei den aufgeführten OZ ein Verdacht auf Mischkalkulation besteht,
– der Bieter verpflichtet ist, die Einheitspreise der genannten OZ nachprüfbar aufzuklären,
– unplausible und damit ungenügende Erklärungen, z. B. pauschale Behauptungen oder Floskeln, für eine nachprüfbare Aufklärung nicht ausreichen,
– eine nicht prüfbare Aufklärung oder verweigerte Aufklärung zum Ausschluss des Angebots führt.

Die Feststellungen aus den Preisermittlungsunterlagen (Urkalkulation) und die Erklärungen des Bieters werden festgehalten.

3.4.1 Die Bewertung der Aufklärung zur Mischkalkulation darf nur anhand von Tatsachen erfolgen. Eine Prüfung und Wertung der Erklärungen der Bieteraufklärung auf „Wahrhaftigkeit“ hat nach derzeitiger Rechtslage zu unterbleiben, auch wenn die Erklärungen sämtlichen Lebenserfahrungen widersprechen. Kann ein Bieter nicht alle Unklarheiten der Vergabestelle ausräumen, hat die Vergabestelle im Vergabevermerk schlüssig und anhand von Tatsachen (keine Mutmaßungen und subjektive Einschätzungen) den Nachweis für eine Mischkalkulation zu erbringen. Gelingt dies, ist das Angebot wegen unvollständiger Preisangaben gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A in Verbindung mit § 13 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A bzw. § 16 EU Nr. 3 VOB/A i. V. m. § 13 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A bzw. EU VOB/A von der Wertung auszuschließen. Kann ein Bieter in der Aufklärung alle Unklarheiten ausräumen oder kann die Vergabestelle eine Mischkalkulation objektiv nicht nachweisen, ist das betreffende Angebot weiter zu prüfen und zu werten, insbesondere hinsichtlich Spekulation (siehe Nr. 9).

3.5 Abschluss der formalen und rechnerischen Prüfung und Wertung
Aufgrund der Feststellungen der formalen und rechnerischen Prüfung sowie der Prüfung auf Mischkalkulation wird entschieden, ob ein Angebot auszuschließen ist oder weiter geprüft und gewertet wird. Aufgrund der Festlegungen ist der Preisspiegel zu berichtigen bzw. neu aufzustellen.

3.5.1 Fällt ein Bieter wiederholt durch nicht zweifelsfreie Preiseintragungen oder erhebliche Rechenfehler in seinen Angeboten auf oder legt ein Bieter mit einem preislich günstigen Angebot in Kenntnis des Wettbewerbsergebnisses die nach Angebotsabgabe angeforderten Erklärungen oder Nachweise nicht fristgemäß vor, so dass das Angebot aus dem Wettbewerb ausgeschlossen werden muss, ist dieser Bieter abzumahnen und darüber zu informieren, dass er im Wiederholungsfalle wegen fehlender Eignung nach § 16b Abs. 1 VOB/A bzw. § 6e EU Abs. 6 Nr. 8 VOB/A von der Wertung ausgeschlossen werden kann.
Hierzu ist in der Verständigung der Bieter folgender Textbaustein aufzunehmen:

„Wegen nicht vollständiger oder fristgerechter Vorlage nachgeforderter Erklärungen oder Nachweise ausgesprochenen Ausschlusses, welcher in Kenntnis des Submissionsergebnisses einen Selbstausschluss darstellt, spreche ich eine Abmahnung aus. Ich weise ausdrücklich darauf hin, dass nach einem Wiederholungsfall, auch bei einer anderen Vergabestelle, ein Ausschluss vom Wettbewerb für künftige Vergaben wegen fehlender Eignung (Zuverlässigkeit) nach § 16 Abs. 2 Nr. 3 VOB/A bzw. § 6e EU Abs. 6 Nr. 8 VOB/A erfolgen kann.“

3.5.2 Die geprüften Angebotsendsummen der Hauptangebote werden in die Niederschrift über die (Er)Öffnung der Angebote – Zusammenstellung der Angebote bzw. Zusammenstellung der Lose eingetragen. Wurde die Anzahl der abgegeben Nebenangebote im „Angebotsschreiben” falsch angegeben, ist die richtige Anzahl im Formblatt Niederschrift über die (Er)Öffnung der Angebote – Zusammenstellung der Angebote bzw. Zusammenstellung der Lose nachzutragen. Preise und Sonstiges aus dem Inhalt von Nebenangeboten sind nicht einzutragen.

3.5.3 Im Rahmen der technischen Prüfung wird das Angebot auf Übereinstimmung mit den Ausschreibungsunterlagen geprüft. Dabei ist auch festzustellen, ob es sich bei dem Hauptangebot um ein Angebot mit geänderten technischen Spezifikationen handelt oder um ein Nebenangebot. Handelt es sich um ein Nebenangebot ist die Anzahl der Nebenangebote in der Niederschrift zur Angebots(er-)öffnung zu korrigieren.

4. Prüfung und Wertung der Eignung der Bieter (§ 16b VOB/A bzw. EU VOB/A)

4.1 Im Rahmen der Prüfung und Wertung der Eignung werden diejenigen Bieter ausgewählt, deren Eignung die für die Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen notwendigen Sicherheiten bietet. Dies bedeutet, dass diese– die erforderliche Fachkunde und die

– erforderliche Leistungsfähigkeit besitzen müssen

– über ausreichende technische und wirtschaftliche Mittel verfügen und

– keine Ausschlussgründe gemäß § 6e EU VOB/A bzw. § 16 VOB/A bzw. EU VOB/A vorliegen.

Die erforderliche Fachkunde und Leistungsfähigkeit ist gemäß § 6a Abs. 2 VOB/A bzw. § 6 EU Abs. 2 VOB/A dann gegeben, wenn der Bieter über die in den Vergabeunterlagen geforderte Befähigung und Erlaubnis zur Berufsausübung, wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit sowie die technische und berufliche Leistungsfähigkeit verfügt.

Ausgeschlossen werden:

– Bieter, wenn bei EU-Vergabeverfahren die Ausschlussgründe von § 6e EU Abs. 1 und 4 VOB/A gegeben sind,

– Angebote, wenn bei EU-Vergabeverfahren die Eignungsnachweise gemäß § 6a EU VOB/A nicht fristgerecht erbracht werden können,

– Angebote, wenn bei nationalen Vergabeverfahren die Ausschlussgründe gemäß § 16 Abs. 1 VOB/A vorliegen.

Fakultativ ausgeschlossen werden:

– Bieter gemäß § 6e EU Abs. 6 VOB/A bei EU-Verfahren bzw.

– Angebote gemäß § 16 Abs. 2 VOB/A bei nationalen Vergabeverfahren.

Bei fakultativen Ausschlüssen wird durch die Vergabestelle nach pflichtgemäßem Ermessen unter Abwägung aller einen eventuellen Ausschluss beeinflussenden Sachverhalte darüber entschieden, ob die betreffenden Bieter bzw. die betreffenden Angebote ausgeschlossen werden sollen. Dabei sind die Interessen des Auftraggebers nach einer wirtschaftlichen Vergabe mit den allgemein öffentlichen
Belangen abzuwägen und das Ergebnis im Vergabevermerk zu dokumentieren. Vor einem Ausschluss des Bieters ist zu prüfen, inwieweit der Bieter ausreichende Selbstreinigungsmaßnahmen (§ 6f EU-VOB/A) nachgewiesen hat. Bezüglich des Ausschlusses von Angeboten bei nationalen Vergabeverfahren ist analog zu verfahren

4.2 Die Prüfung und Wertung der Eignung derjenigen Bieter, die nicht auszuschließen sind (Nr. 3.1) und (Nr. 4.1) und deren Angebote nach der formalen und rechnerischen Prüfung sowie der Prüfung auf Mischkalkulation für eine Beauftragung in Betracht kommen, wird nach § 16b VOB/A bzw. EU VOB/A i. V. m. § 6a und 6b VOB/A bzw. EU VOB/A unter Beachtung der nachfolgenden Hinweise vorgenommen. Dieser Vordruck wird dem jeweiligen Angebot zugeordnet. Die Eignung wird anhand der in der Bekanntmachung geforderten Nachweise und Angaben für die geforderten Eignungskriterien geprüft.

4.3 Die Eignung der Bieter wird bei öffentlicher Ausschreibung oder offenen Verfahren im Rahmen der Wertung der Angebote, in allen anderen Verfahren vor Aufforderung bzw. EU-Aufforderung zur Angebotsabgabe geprüft. Die Eignung der Bieter ist bezogen auf die jeweils geforderte Leistung bzw. bei Nebenangeboten zusätzlich auf die angebotene Leistung zu beurteilen. Die Vergabestelle hat bei der Eignungsprüfung Umstände, welche die Eignung des Bieters betreffen, bis zum Abschluss des Vergabeverfahrens (rechtswirksame Zuschlagserteilung) zu berücksichtigen.

4.4 Eignungsleihe (§ 6d VOB/A)

4.4.1 Die Eignungsleihe ist von der Unterauftragsvergabe zu unterscheiden. Während im Rahmen der Vergabe von Unteraufträgen ein Teil des Auftrags durch den Bieter auf einen Dritten übertragen wird, der dann diesen Teil ausführt, beruft sich bei der Eignungsleihe der Bieter für die Eignungsprüfung auf die Kapazitäten eines Dritten, ohne dass er zwingend zugleich diesen mit der Ausführung eines Teils des Auftrags beauftragen muss (gleichwohl kann dieses Unternehmen auch Unterauftragnehmer sein). Stützt sich der Bieter zum Nachweis seiner Eignung auf andere Unternehmen im Rahmen einer Eignungsleihe ist zwingend die Eignung der vorgesehenen anderen Unternehmen zu prüfen und vor Zuschlagserteilung zwingend vom Bieter ein Nachweis zu verlangen (z. B. in Form einer Verpflichtungserklärung), dass ihm die erforderlichen Kapazitäten zur Verfügung stehen.

4.4.2 Eine Eignungsleihe hinsichtlich der beruflichen Befähigung oder beruflichen Erfahrung ist gemäß § 6d EU Abs. 1 Unterabsatz 3 VOB/A nur dann möglich, wenn die hierfür benannten Unternehmen die Arbeiten auch ausführen, für die die Eignungsleihe geltend gemacht wird.

4.4.3 Bei einer Eignungsleihe in wirtschaftlicher und finanzieller Hinsicht kann der Auftraggeber vorschreiben, dass der Bieter und das Unternehmen, dessen Kapazitäten er sich im Rahmen der Eignungsleihe bedient, gemeinsam für die Auftragsdurchführung haften (§ 6d EU Abs. 2 VOB/A). Für den Bereich des Bundesfernstraßenbaus soll diese Regelung grundsätzlich angewandt werden.

4.5 Nachweis der Eignung

4.5.1 Der Nachweis der Eignung kann wie folgt geführt werden:

1. Eintragung in das ULV/Präqualifikationsverzeichnis
Der Nachweis der Eignung kann nach § 6b VOB/A bzw. EU VOB/A durch Eintrag im Unternehmer- und Lieferantenverzeichnis (ULV) oder in die Liste des „Vereins für die Präqualifikation von Bauunternehmen e.V.“ (Präqualifikationsverzeichnis) erfolgen. Für die Feststellung der auftragsspezifischen Eignung sind die konkreten Nachweise einzusehen und zu prüfen, ob durch die angegebene(n) PQ- bzw. ULV-Nummern alle Leistungsbereiche abgedeckt sind, die vom Bieter im eigenen Betrieb erbracht werden sollen und

2. die in PQ hinterlegten Referenzen nach Art und Umfang mit der ausgeschriebenen Bauleistung vergleichbar sind. Werden wesentliche Leistungen an Unterauftrag-/ Nachunternehmer übertragen, wird geprüft, ob diese geeignet sind und ob der Bieter wirtschaftlich, technisch und organisatorisch die Gewähr für die ordnungsgemäße Vertragserfüllung, insbesondere für die einwandfreie Koordinierung und Aufsicht, bietet. Da präqualifizierte Bieter nur präqualifizierte Unterauftrag-/Nachunternehmer bzw. solche Unternehmen, die die Voraussetzungen für eine Präqualifizierung erfüllen, einsetzen dürfen, darf grundsätzlich von deren Eignung ausgegangen werden.

2. Einzelnachweise

Bieter können den geforderten Nachweis der Eignung auch durch Einzelnachweise erbringen. Von Angeboten, die in die engere Wahl gelangen, sind die Bestätigungen mit Terminvorgabe anzufordern und zu prüfen. Auf den konkreten Auftrag bezogene zusätzlich angeforderte Nachweise, die nicht über die Präqualifikation bzw. Eigenerklärung erfasst werden, sind gesondert zu prüfen.

3. Einheitliche Europäische Eigenerklärung (EEE)

Als vorläufigen Eignungsnachweis müssen die Vergabestellen auch die Einheitliche Europäische Eigenerklärung (EEE) akzeptieren. Maßgebend für die Anwendung ist die zugehörige Durchführungsverordnung EU 2016/7 vom 05.01.2016 zur Einführung des zugehörigen Standardformulars. Die Umsetzung der EEE in deutsches Recht ergibt sich aus § 6b EU Abs. 1 VOB/A. Dieser regelt, dass der öffentliche Auftraggeber die EEE akzeptieren muss, wenn der Bewerber/Bieter sich entscheidet, diese vorzulegen. In diesem Falle ist der öffentliche Auftraggeber nach der Vorgabe in § 6b EU Abs. 2 Nr. 1 VOB/A auch verpflichtet, die eigentlichen Nachweise von dem Unternehmen einzufordern, das den Zuschlag erhalten soll (z.B. Gewerbeanmeldung, Bankbürgschaft, Zeugnisse von Führungskräften etc.).

Aufbau:

Die EEE besteht aus folgenden Teilen:

– Teil I: Angaben zum Vergabeverfahren und zum öffentlichen Auftraggeber oder Sektorenauftraggeber,

– Teil II: Angaben zum Wirtschaftsteilnehmer,

– Teil III: Ausschlussgründe,

– Teil IV: Eignungskriterien,

– Teil V: Verringerung der Zahl geeigneter Bewerber,

– Teil VI: Abschlusserklärungen; Ort, Unterschriften.

Verwendung:

Einem Angebot in offenen Verfahren oder einem Teilnahmeantrag in nicht offenen Verfahren, Verhandlungsverfahren, wettbewerblichen Dialogen oder Innovationspartnerschaften können die Wirtschaftsteilnehmer eine ausgefüllte EEE beifügen, um die einschlägigen Informationen vorzulegen. Außer bei bestimmten Aufträgen auf der Grundlage von Rahmenvereinbarungen, muss dann nur noch der Bieter, der den Zuschlag erhalten soll, aktuelle Bescheinigungen und zusätzliche Unterlagen beibringen. Erfolgt die Vergabe in mehreren Losen und werden für die einzelnen Lose unterschiedliche Eignungskriterien festgelegt, ist für jedes Los (bzw. für jede Gruppe von Losen, für die dieselben Eignungskriterien gelten) eine eigene EEE auszufüllen.

Elektronischer EEE-Dienst:

Gemäß Artikel 59 der Richtlinie 2014/24/EU darf seit dem 18. April 2018 die EEE ausschließlich in elektronischer Form ausgestellt werden. In der VgV hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie in Abstimmung mit den beteiligen Ressorts bezüglich der Einführung der EEE festgelegt, dass die EEE ein Instrument ist, das der Bieter freiwillig nutzen kann. Der Auftraggeber hat nicht die Pflicht, es einzufordern. Er muss die EEE aber akzeptieren, sofern sie denn vorgelegt wird. Die EEE kann auch bei nationalen Vergabeverfahren als vorläufiger Eignungsnachweis verwendet werden.

4.6 Ablauf der Eignungsprüfung:

1. Von den Bietern, die für einen Auftrag in Betracht kommen, werden umgehend unter angemessener Fristsetzung gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 4 VOB/A bzw. EU-VOB/A (i. d. R. 6 Kalendertage) für die im „Verzeichnis der Unterauftrag/Nachunternehmerleistungen angeführten Teilleistungen die Namen der Unternehmen angefordert. Gemäß § 8 EU Abs. 2 Nr. 2 VOB/A ist hierzu in den Vergabeunterlagen eine diesbezügliche Aufforderung aufzunehmen; im Unterschwellenbereich ist mangels Regelung in der VOB/A analog zu verfahren.

2. Von dem für die Zuschlagserteilung vorgesehenen Bieter, den ggf. benannten Unternehmen im Rahmen einer Eignungsleihe sowie ggf. Nachunternehmen bzw. Unterauftragnehmer, die wesentliche Teilleistungen ausführen, werden die bezeichneten Nachweise und Bestätigungen unter Fristsetzung zu verlangen und anschließend zu prüfen. Dies entfällt soweit jeweils eine Präqualifikation vorliegt und nicht darüber hinausgehende Eignungsnachweise gefordert werden.

3. Prüfung der Eignung des für die Zuschlagserteilung vorgesehenen Bieters anhand der vorgelegten Angaben und Nachweise. Der Nachweis der Eignung der Nachunternehmen bzw. anderen Unternehmen für wesentliche Teilleistungen erfolgt gesondert.

Angebote von Bietern, für die nach obiger Prüfung die Eignung nicht bestätigt werden kann, sind nicht zu berücksichtigen. Dies gilt nicht, wenn

– bei Vergaben oberhalb der EU-Schwellenwerte für einen benanntes anderes Unternehmen, das wesentliche Teilleistungen erbringt, die Eignung nicht gegeben ist und der Bieter dieses ungeeignete Unternehmen nach Aufforderung durch die Vergabestelle gemäß § 6d EU Abs. 1 4. UA VOB/A gegen einen geeignetes austauscht,
– für ein anderes Unternehmen, auf welches sich der Bieter im Rahmen der Eignungsleihe beruft, die Eignung nicht gegeben ist und der Bieter dieses nach Aufforderung durch die Vergabestelle gegen ein geeignetes austauscht.
Von dem Bieter, auf dessen Angebot der Zuschlag erteilt werden soll, ist von der Vergabestelle ein Auszug aus dem Gewerbezentralregister beim Bundesamt für Justiz anzufordern und zu prüfen.

5. Festlegung der Angebote für die weitere Wertung

5.1 Nach der Prüfung und Wertung der Eignung der Bieter wird entschieden, welche Angebote für die weitere Wertung berücksichtigt werden müssen. Dabei ist zu beachten, dass bei Vergaben bei denen die Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes über gewichtete Zuschlagskriterien erfolgt, auch Angebote, die nur unter Berücksichtigung des Kriteriums Preis nicht in die engere Wahl kommen würden, durch die Berücksichtigung weiterer nichtmonetärer Zuschlagskriterien ihre Wettbewerbsposition eventuell verbessern können. Die Festlegungen werden im Vergabevermerk angegeben.

5.2 Ausgeschlossene Bieter sowie Bieter, deren Angebote ausgeschlossen wurden, und solche, deren Angebote nicht für die weitere Wertung berücksichtigt werden, sind so bald wie möglich zu informieren. Verlangen die nicht berücksichtigten Bieter weitere Auskünfte, sind diese unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb von 15 Kalendertagen gemäß § 19 Abs. 2 VOB/A bzw. § 19 EU Abs. 1 VOB/A zu geben.

6. Besonderheiten der Prüfung und Wertung von Nebenangeboten

6.1 Nebenangebote sind, soweit zutreffend, entsprechend den Nrn. 3. und 4. zu prüfen und zu werten.

6.2 Nebenangebote dürfen nur gewertet werden, wenn die Abgabe von Nebenangeboten in der Auftragsbekanntmachung oder der Aufforderung bzw. EU-Aufforderung zur Angebotsabgabe zugelassen war. Weiterhin dürfen bei EU-Vergaben Nebenangebote nur gewertet werden, wenn hierzu in der Aufforderung zur Angebotsabgabe bzw. in der Baubeschreibung Mindestanforderungen genannt worden sind. Wird die Erfüllung von Mindestanforderungen mit Angebotsabgabe nachgewiesen, ist das Nebenangebot als wertbar anzusehen.

6.3 Da bei Vergaben unterhalb der EU-Schwellenwerte Nebenangebote die qualitative und quantitative Gleichwertigkeit mit der ausgeschriebenen Leistung erfüllen müssen, ist zu prüfen, ob das Nebenangebot in technischer, wirtschaftlicher, terminlicher, gegebenenfalls gestalterischer usw. Hinsicht der geforderten Leistung gleichwertig ist.

6.4 Die Gleichwertigkeit muss sich aus dem Nebenangebot, so wie es vorliegt, ergeben. Defizite hinsichtlich der vorgelegten Unterlagen braucht der Auftraggeber nicht durch eigene Nachforschungen auszugleichen, es sei denn, dass die relevanten Informationen der Vergabestelle ohnehin bekannt sind. Ein Nebenangebot darf nicht durch Nachreichen von Unterlagen nachgebessert und damit gleichwertig gemacht werden. Ein Nachfordern von Unterlagen zu Nebenangeboten (Nachweise, Erklärungen etc.) ist gemäß der einschlägigen Rechtsprechung nur in dem Umfang zulässig, wie er keine den Angebotspreis und damit die Wertung beeinflussenden Sachverhalte beinhaltet.

6.5 Die Feststellungen aus der Prüfung und Wertung der Nebenangebote werden festgehalten.

7. Prüfung und Wertung der Angemessenheit der Preise (§ 16d Abs. 2 VOB/A bzw. EU VOB/A)

Bauleistungen dürfen nur zu angemessenen Preisen vergeben werden (§ 2 Abs. 1 Nr. 1, § 16d Abs. 1 Nr. 1 VOB/A bzw. § 16d EU Abs. 1 Nr. 1 VOB/A). Die Angemessenheit der Preise für Teilleistungen ist in der Regel nicht für sich, sondern im Rahmen der Angebotsendsumme zu beurteilen. Bei der Prüfung ist zu untersuchen, ob der Preis eine einwandfreie Ausführung gemäß § 16 Abs. 6 Nr. 3 VOB/A bzw. § 16d Abs. 1 Nr. 4 VOB/A erwarten lässt.

8. Unangemessen hoher oder niedriger Preis

8.1 Zweifel an der Angemessenheit können sich insbesondere ergeben, wenn die Angebotsendsumme eines oder einiger weniger Bieter erheblich geringer ist als die der Übrigen. Ob derartige Abweichungen als erheblich anzusehen sind, ist nach den Gegebenheiten des Einzelfalls zu beurteilen. Weicht die Angebotsendsumme des Mindestbietenden um mehr als 10 % von den nächsthöheren ab, ist eine Aufklärung der Ursachen im Rahmen des § 15 VOB/A bzw. EU VOB/A unerlässlich. Dazu ist vom Bieter eine Aufklärung in Textform über die Ermittlung der Preise für die Gesamtleistung zu verlangen (§ 16 Abs. 1 Nr. 2 VOB/A bzw. EU VOB/A). Kommt der Bieter innerhalb der von der Vergabestelle festgelegten Frist dieser Vorlagepflicht nicht nach, so ist er von dem weiteren Verfahren ausgeschlossen. Es gilt § 3 Berl AVG.

8.2 Bei solchen Angeboten sind die Einzelansätze unter folgenden Gesichtspunkten objekt- und betriebsbezogen zu untersuchen:

„Lohnkosten“ für eigene und fremde Arbeitskräfte darauf, ob

– der Zeitansatz pro Leistungseinheit bzw. Gesamtstundenzahl den bautechnisch erforderlichen Ansätzen entspricht,

– der Mittellohn und die Lohn abhängigen einschließlich Lohn gebundenen Kosten sich im Rahmen der tarifvertraglichen Vereinbarungen und der gesetzlichen Verpflichtungen halten.

„Einzelstoffkosten“ darauf, ob sie den üblichen Ansätzen entsprechen,

„Baustellengemeinkosten“ darauf, ob ausreichende Ansätze für alle gesetzlich (z. B. Umwelt-, Arbeits- und Unfallschutz), technisch und betriebswirtschaftlich notwendigen Aufwendungen enthalten sind. Trifft dies nicht zu, ist zu prüfen, ob der Bieter aus sachlich gerechtfertigten Gründen die Ansätze knapper als die übrigen Bieter kalkulieren konnte, beispielsweise deswegen, weil er rationellere Fertigungsverfahren anwendet oder über günstigere Baustoffbezugsquellen oder über Produktionsvorrichtungen verfügt, die andere Bieter nicht haben oder erst beschaffen müssen, oder weil sich sein Gerät bereits auf oder in der Nähe der Baustelle befindet.

Die Prüfung hat sich ferner darauf zu erstrecken, inwieweit sich die Ansätze für die Gerätevorhaltekosten, für allgemeine Geschäfts- und Sonderkosten einschließlich Einzelwagnissen in wirtschaftlich vertretbarem Rahmen halten. Niedrige Ansätze begründen nicht ohne weiteres die Vermutung eines unangemessen niedrigen Preises, weil der Bieter Anlass haben kann, auf einzelne dieser Ansätze teilweise zu verzichten. In diesen Fällen ist daher lediglich zu prüfen, ob dem sachgerechte Erwägungen zugrunde liegen.

Das Fehlen eines Ansatzes für Wagnis und Gewinn ist unbeachtlich.

9. Prüfung und Wertung der Angebote hinsichtlich Spekulation

9.1 Ein Spekulationsangebot liegt vor, wenn der Bieter den Preis nicht – allein – an den voraussichtlichen Kosten einer unveränderten Leistungsbeschreibung kalkuliert, sondern auch an der Erwartung, dass sich für ihn aus angenommenen künftigen Änderungen der Leistungsbeschreibung ein finanzieller Vorteil ergibt. Im Gegensatz zur Mischkalkulation sind bei Spekulationspreisen Verschiebungen von Kostenbestandteilen nicht vorhanden bzw. objektiv nicht nachweisbar.

9.2 Solche Angebote dürfen bei der Prüfung und Wertung auf grundsätzlich nicht ausgeschlossen werden.

9.3 Bei den verbliebenen Angeboten der engeren Wahl mit überhöhten oder untersetzten Einheitspreisen, sind die Vergabeunterlagen, insbesondere die Leistungsbeschreibung (Mengenermittlung), auf Mängel zu untersuchen. Werden Mängel festgestellt, sind die Ursachen zu erforschen. Das Ergebnis der Prüfung ist zu dokumentieren.

9.4 Können Mängel in den Vergabeunterlagen (z. B. Fehler in der Mengenermittlung) nicht ausgeschlossen werden und liegt nach der bisherigen Prüfung und Wertung ein Angebot mit spekulativen Einheitspreisen preislich an erster Stelle, sind die aus dem Mangel in der Leistungsbeschreibung resultierenden wirtschaftlichen Auswirkungen für den Auftraggeber abzuschätzen. Dazu werden die Angebote der engeren Wahl mit den korrigierten Mengen und den Angebotspreisen neu berechnet. Ergibt sich dabei ein Wechsel des Mindestbietenden, ist zu prüfen, ob die Ausschreibung gemäß § 17 Abs. 1 Nr. 2 oder 3 VOB/A bzw. EU VOB/A aufgehoben werden kann.

10. Unerwartet hohe Angebotsendsumme

Liegen im Vergleich zur Kostenermittlung der Vergabestelle nur Angebote mit unerwartet hohen Preisen vor, ist die Kostenermittlung hinsichtlich Richtigkeit und Aktualität zu überprüfen. Wird sie im Wesentlichen bestätigt, kann die Ausschreibung nach § 17 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A bzw. EU VOB/A aufgehoben werden.

11. Ermittlung der Wertungssummen für die Angebote der Bieter der engeren Wahl

11.1 Für die abschließende Wertung werden für die jeweiligen Haupt- oder Nebenangebote „Wertungssummen“ ermittelt. Diese ergeben sich aus den bei der Prüfung festgestellten Angebotsendsummen und kostenmäßigen Auswirkungen, z. B. Wertungsboni, Wahlpositionen sowie gegebenenfalls aus sonstigen kostenmäßigen Auswirkungen bei Nebenangeboten.

11.2 Fehlen in einem Angebot in unwesentlichen Positionen die Preise ist die Wertungssumme zusätzlich mit den höchsten für diese Positionen angebotenen Wettbewerbspreisen zu ermitteln. Ändert sich hierdurch die Wertungsreihenfolge (unter Einbeziehung der wertbaren Nebenangebote) ist es auszuschließen. Ändert sich die Reihenfolge nicht, bleibt das Angebot in der Wertung.

11.3 Die Angebote werden mit ihrer jeweiligen „Wertungssumme“ in aufsteigender Folge in einer Übersicht „Wertungssummen der Angebote der engeren Wahl“ im Vergabevermerk aufgelistet.

12. Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots (§ 16d Abs. 1 Nr. 3 VOB/A bzw. § 16d EU Abs. 2 VOB/A)

12.1 Der Zuschlag ist gemäß § 16d Abs. 1 Nr. 3 VOB/A bzw. § 16d EU Abs. 2 Nr. 1 VOB/A auf das wirtschaftlichste Angebot zu erteilen. Dabei können nur die in der Aufforderung bzw. EU-Aufforderung zur Angebotsabgabe in Nr. 6 und der zugehörigen Anlage neben dem Preis genannten weiteren Zuschlagskriterien z. B. technischer Wert angewendet werden.

12.2 Bei der Auswahl des wirtschaftlichsten Angebots wird anhand der Übersicht „Wertungssummen der Angebote der engeren Wahl“ (siehe Nr. 11.3) in der Reihenfolge der ermittelten Wertungssummen vorgegangen.

VergabeManagement – VergMan ® Bau: Entscheidungen im Volltext

VergabeManagement - VergMan ® Bau: Entscheidungen im Volltext

Sofern für einzelne Leistungsbestandteile ein eigener funktionierender Markt existiert und die Leistungserbringung nicht aus einer Hand erfolgen muss, erfolgt die Beschaffung losweise.
Die Beantwortung der Frage, ob technische oder wirtschaftliche Gründe es im Sinne des Gesetzes “erfordern”, von einer Losbildung abzusehen, setzt eine Bewertung voraus. Dabei steht dem Auftraggeber wegen der dabei anzustellenden prognostischen Überlegungen eine Einschätzungsprärogative zu.
Die Frage, ob gemäß § 97 Abs. 4 GWB Fachlose zu bilden sind, ist für jede in Betracht kommende Leistung getrennt zu beantworten. Das bedeutet zum einen, dass die “wirtschaftlichen oder technischen Gründe”, die die Norm verlangt, sich auf die jeweilige Leistung beziehen müssen, die für eine getrennte Losvergabe in Betracht kommt. Globale, also das gesamte Vorhaben betreffende Überlegungen können nur dann berücksichtigt werden, wenn sie auch und gerade die jeweilige Leistung erfassen. Andererseits ist damit auch klar, dass die Entscheidung über die Bildung eines Fachloses für eine bestimmte Leistung keine Aussage darüber trifft, ob auch für andere Leistungen Fachlose zu bilden sind, oder ob der “Rest” des geplanten Projekts einheitlich vergeben werden kann.
Gründe, die im Verantwortungsbereich des Auftraggebers liegen, können grundsätzlich keine Gesamtvergabe rechtfertigen. Die Sicherstellung ausreichender Personalkapazitäten liegt im Verantwortungsbereich des Antragsgegners. Steigende Personalkosten auf Grund von notwendigen Neueinstellungen können daher grundsätzlich keine Gesamtlosvergabe begründen.
Das Vergaberecht sieht grundsätzlich keine “Flucht ins vergabefreie Privatrecht” vor, indem viele Leistungen “gesamt” an einen Auftragnehmer vergeben werden, damit dieser dann, ohne dem Vergaberecht unterworfen zu sein, die einzelnen Leistungsbestandteile an Nachunternehmer vergibt.
VK Westfalen, Beschluss vom 13.08.2021 – VK 3-26/21 (nicht bestandskräftig)

Gründe

I.

Der Antragsgegner schrieb im offenen Verfahren durch Bekanntmachung vom 23.04.2021 im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union unter der Nummer 2021/… Betreuungsdienstleistungen in den Zentralen Unterbringungseinrichtungen (nachfolgend “ZUE”) und Erstaufnahmeeinrichtungen (nachfolgend “EAE”) des Landes Nordrhein-Westfalen aus. Insgesamt umfasst die Ausschreibung zehn Lose, wobei streitgegenständlich nur drei Lose Nr. 7 “ZUE N…”, Nr. 8 “ZUE W…” und Nr. 10 “S…” sind.

Ausweislich der Auftragsbekanntmachung sollen Dienstleistungen für die Organisation und Betreuung vergeben werden. Die Leistungen, die als Gesamtlos vergeben werden sollen, umfassen insbesondere folgende Bereiche:

– Organisation der ZUE/EAE,

– Soziale Betreuung,

– Sanitätsstation,

– Freizeitgestaltung,

– Kinderbetreuung,

– Mobiliar und Ausstattung,

– Körperpflegeartikel,

– Wascheinrichtungen,

– Kleiderkammer,

– Verpflegung,

– Reinigung,

– Hausmeister,

– Winterdienst und Grünpflege, – Auszahlung des Taschengeldes.

Die Antragstellerin ist ein Catering-Unternehmen. Sie ist derzeit – u.a. auch als Nachunternehmerin – für die Verpflegung in einigen Flüchtlingsunterkünften im Land Nordrhein-Westfalen tätig.

Aktuell wird der Betrieb der Betrieb der ZUE und EAE des Landes Nordrhein-Westfalens von jeweils einem Betreuungsdienstleister pro Einrichtung organisiert und koordiniert. Die Betreuungsdienstleister erbringen darüber hinaus teilweise auch Leistungen des vorstehend genannten Leistungskatalogs selbst. Für andere Bereiche setzen sie Nachunternehmer ein. Die Betreuungsdienstleister fungieren dabei auch als zentrale Ansprechpartner für den Antragsgegner und die Flüchtlinge. Außerdem sind in den ZUE und EAE dezentrale Beschwerdestellen für die Flüchtlinge installiert, die nicht in den Verantwortungsbereich der Betreuungsdienstleister fallen und von Dritten geführt werden. Die Beschwerdestellen sind für die Entgegennahme, Zusammenstellung und ggf. Aufbereitung von Beschwerden der Geflüchteten verantwortlich, nicht aber für die Lösung der Beschwerde selbst.

Mit Schreiben vom 26.04.2021 rügte die Antragstellerin ein aus ihrer Sicht bestehenden Verstoß gegen das vergaberechtliche Gebot der Bildung von Fachlosen gemäß § 97 Absatz 4 GWB durch den Antragsgegner.

Mit Schreiben vom 12.05.2021 wies der Antragsgegner die Rüge als unbegründet zurück und begründete dies mit umfangreichem Vortrag:

Der Auftraggeber genieße ein Leistungsbestimmungsrecht, wonach er grundsätzlich die auszuschreibende Leistung frei bestimmen könne. Zwar müsse er gemäß § 97 Absatz 4 GWB mittelständische Interessen vornehmlich durch Losvergabe berücksichtigen. Allerdings gelte dies nicht, wenn wirtschaftliche oder technische Gründe eine Gesamtvergabe erforderten. Insbesondere müsse der Auftraggeber nicht solche eigenen Interessen opfern, die er nur in der Gestalt einer Gesamtvergabe zu erreichen vermöge – insoweit greife sein Leistungsbestimmungsrecht.

Vorliegend sei auf Grund von technischen und wirtschaftlichen Gründen für die gegenständliche Ausschreibung die Gesamtvergabe gewählt worden.

So führe die Gesamtlosvergabe zum Entfall eines zusätzlichen erheblichen Koordinierungsaufwandes für den Antragsgegner, der bei einer Fachlosvergabe auf Grund der Komplexität und Vielzahl der zu erbringenden Leistungen entstünde. Die Abstimmungsaufgaben könnten am ehesten erfolgreich erbracht werden, wenn hierfür nur ein Auftragnehmer verantwortlich sei. Dieser habe wegen seiner generellen und leistungsübergreifenden Verantwortung nicht nur ein erhöhtes Interesse an einem reibungslosen Ablauf, sondern könne auf den Betrieb der Einrichtung effektiv einwirken. Dass der Entfall von zusätzlichen Koordinierungsaufwänden bereits ausreiche, um von der Fachlosvergabe abzusehen, sei – unter Hinweis auf den Beschluss des OLG München vom 09.04.2015 (Verg 1/15) – auch anerkannt.

Zudem stünde dem Ziel der Integration von Flüchtlingen in die Arbeitsabläufe der Einrichtung die Beauftragung einer Vielzahl von Auftragnehmern entgegen. Nur der Betreuungsdienstleister könne auf Grund seiner leistungsübergreifenden Zuständigkeit sinnvoll bewerten, in welchen Arbeitsbereichen Flüchtlinge sinnvoll integriert werden könnten.

Weiterhin würde eine Vielzahl von Auftragnehmern – und selbst schon eine formale Trennung zwischen Betreuungsdienstleister und Verpflegungsdienstleister – zu einer erheblichen Erschwerung bei der flexiblen Leistungserbringung führen, die insbesondere vor dem Hintergrund stark schwankender Flüchtlingszahlen notwendig sei. So sei es im Bereich Kantine in der Vergangenheit zu diversen unerwartet und nicht planbaren Ausfällen gekommen, denen mit kurzfristigen alternativen Lösungswegen begegnet werden musste.

Außerdem könnten Schwierigkeiten bei der Auftragsabwicklung besser begegnet werden, wenn der Betreuungsdienstleister dies unmittelbar mit seinen Nachunternehmen regele, als wenn der Antragsgegner versuchen würde, eine für alle Konstellationen passende Vorgabe zu treffen.

Auch seien Verpflegung und Sozialbetreuung untrennbar miteinander verbunden. Insbesondere hätten die Verpflegungsleistungen eine besondere Bedeutung für die soziale Betreuung. Wichtige Kontaktmöglichkeiten zu den Flüchtlingen entstünden im Rahmen der Verpflegung. Dem Betreuungsdienstleister sei die Atmosphäre und Zufriedenheit ein großes Anliegen, so dass er grundsätzlich für Anregungen, die von den Flüchtlingen über die Sozialbetreuung an ihn herangetragen würden, offen stünde und versuchen würde, diese umzusetzen, da er den Mehrwert auch für andere Bereiche wahrnehmen und schätzen würde.

Im Übrigen müssten im Bereich der Verpflegung eine Vielzahl von Leistungen erbracht werden (Ausstattung der Küche, Verwendung und Erneuerung von Betriebsmitteln, Schädlingsbekämpfung Hygienemaßnahmen, Reinigung). Eine weitere Schnittstelle, die durch die Fachlosvergabe entstehen würde, sei die Regelung zur einheitlichen Müllentsorgung. Eine Abtrennung des Bereichs Verpflegung sei auf Grund von Platz und der Berücksichtigung verschiedener Verantwortungsbereiche bei der Mülltrennung nicht möglich. Konsequenz dessen sei, dass der Auseinanderfall dieses Bereichs zu erheblichen vertraglichen Ausgestaltungsproblemen führen würde. Alle diese Gründe stritten für eine Gesamtlosvergabe.

Darüber hinaus sprächen wirtschaftliche Gründe für eine Gesamtlosvergabe. So führe eine Fachlosvergabe auf Grund des erhöhten Abstimmungsaufwands etwa zu kostenintensiven Besprechungsterminen. Darüber hinaus müsste der Auftraggeber weiteres Personal einstellen, um die Vertragsabwicklung sicherstellen zu können. Die Vertragsgemäßheit könnte nur mit einem unverhältnismäßigen Aufwand sichergestellt werden. Dies belaste den Steuerzahler und sei daher auch als wirtschaftlicher Grund zu werten.

Nachdem der Rüge der Antragstellerin nicht abgeholfen wurde, stellte sie mit Schreiben vom 27.05.2021 einen Nachprüfungsantrag. Daraufhin leitete die Kammer am selben Tag das Nachprüfungsverfahren ein.

Die Antragstellerin ist der Ansicht, dass es sich bei den abgefragten Leistungen, jedenfalls aber bei dem Leistungsteil Verpflegung um ein Fachlos handele, dass auf Grund der Vorgabe des § 97 Absatz 4 GWB separat ausgeschrieben werden müsste.

Da der Antragsgegner wiederholt Ausschreibungen wie die gegenständliche durchführe, bestreitet die Antragstellerin, dass vor der Einleitung der Ausschreibung eine im Einzelfall und die Umstände für und gegen die eine Los- oder Gesamtvergabe würdigende Abwägung stattgefunden habe.

Darüber hinaus trägt die Antragstellerin vor, dass ein Verzicht auf die Bildung von Fachlosen unter Berufung auf das Leistungsbestimmungsrecht nur dann in Betracht käme, wenn die benötigte Leistung in Form einer Losvergabe objektiv nicht erbracht werden könne.

Auch sei der Anwendungsbereich des § 97 Absatz 4 GWB nicht eröffnet. Gemäß § 97 Absatz 4 GWB müssten technische oder wirtschaftliche Gründe es ausnahmsweise erfordern, dass die Verpflegung von Flüchtlingen mit den weiteren Betreiberleistungen zusammen vergeben werden müssten. Derlei Gründe lägen aber nicht vor.

So sei die Vermeidung von Schnittstellen, zusätzlichem Koordinierungsaufwand und das Risiko von Informationsverlusten, die bei der Vergabe mehrere Leistungen im Rahmen eines Projekts entstünden, kein ausreichender Grund für das Absehen einer Fachlosvergabe. Das KG Berlin habe mit Beschluss vom 26.03.2019 (Verg 16/16) für eine ähnliche Ausschreibung zutreffend entschieden, dass die vermeintliche Vermeidung von Schnittstellen eine Gesamtlosvergabe nicht rechtfertige. Darüber hinaus ließe sich das Schnittstellenmanagement durch eine entsprechende Vertragsgestaltung ohne Weiteres auf den Betreuungsdienstleister übertragen.

Ferne könnten auch bei einer Gesamtlosvergabe nur die einzelnen Dienstleister für ihre Leistungsbereiche beurteilen, inwieweit Flüchtlinge mitarbeiten könnten. Das von dem Antragsgegner angestrebte Einbindungskonzept könne sich auch bei einer Fachlosvergabe erreichen lassen, indem die Dienstleister vertraglich verpflichtet würden, bestehende Einsatzmöglichkeiten in ihren Leistungsbereichen dem Betreuungsdienstleister zu melden.

Auch bei einer Gesamtlosvergabe bestünde die Gefahr von Rollenunklarheiten, da auch hier eine Vielzahl von Unternehmen für den Betreuungsdienstleister tätig würden. Diesen Gefahren könne durch eine entsprechende Vertragsgestaltung und namentlich einem Schnittstellenkatalog begegnet werden, eine Gesamtlosvergabe sei nicht zwingend erforderlich.

Es sei im Übrigen nicht ersichtlich, warum nur bei einer Gesamtlosvergabe die untrennbare Verbundenheit zwischen Verpflegung und sozialer Betreuung gewahrt würde. Auch bei einer Fachlosvergabe könnten soziale Betreuer bei Themen der Verpflegung eingebunden werden. Insbesondere lasse sich der Zugriff auf Essenvorräte durch das Betreuungspersonal vertraglich regeln.

Auch lasse sich vertraglich regeln, dass jeder Dienstleister für die Beschaffung, Verwendung und Erneuerung der Betriebsmittel verantwortlich sei. Ein zusätzliches Abstimmungserfordernis erschließe sich nicht. Speisereste müssten – unabhängig von Gesamt- oder Fachlosvergabe – getrennt entsorgt werden. Das Problem der ordnungsgemäßen Mülltrennung bestünde unabhängig von der Los- oder Gesamtvergabe.

Auch sprächen keine wirtschaftlichen Gründe für eine Gesamtvergabe. Der Koordinierungsaufwand liege bei einer Fachlosvergabe in der Natur der Sache und sei vom Auftraggeber – und hier nimmt die Antragstellerin Bezug auf den Beschluss des OLG Düsseldorf vom 08.09.2004 (Verg 38/04) – hinzunehmen. An der Dauer der Besprechungstermine – und den damit verbundenen Kosten – ändere sich auch bei einer Gesamtlosvergabe nichts, da auch in diesem Fall unterschiedliche Unternehmen tätig würden. Außerdem müsse der Antragsgegner den notwendigen Koordinierungsaufwand nicht zwingend selbst übernehmen und hierfür Personal stellen – auch diese Aufgabe ließe sich vertraglich auf den Betreiber übertragen.

Im Übrigen würden bei einer “Generalunternehmerausschreibung” regelmäßig entsprechende Generalunternehmeraufschläge kalkuliert, so dass die Gesamtvergabe im Regelfall für den Auftraggeber nachteilig sei.

Die Antragstellerin beantragt:

1. Der Antragsgegner wird verpflichtet, die in den aufgeführten Aufträgen Los Nr. 7 “ZUE N…”, Los Nr. 8 “ZUE W…” und Los 10 “ZUE S…” erhaltene Teilleistung Verpflegung als Fachlos in einem gesonderten Auftrag auszuschreiben.

2. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragstellerin wird für notwendig erklärt.

Der Antragsgegner beantragt,

1. den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen,

2. festzustellen, dass die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten auf Seiten des Antragsgegners notwendig gewesen ist,

3. der Antragstellerin die Kosten des Nachprüfungsverfahrens sowie die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen des Antragsgegners aufzuerlegen.

Der Antragsgegner hält den Nachprüfungsantrag für unbegründet. Ergänzend zu den Ausführungen in dem Antwortschreiben auf die Rüge vom 12.05.2021 trägt er Folgendes vor:

Der Antragsgegner sei seiner Pflicht zur Interessensabwägung nachgekommen und habe diese ausreichend dokumentiert. Anlässlich der Rüge habe er seine Interessenabwägung noch einmal kritisch hinterfragt, letztlich sein bisheriges Ergebnis aber bestätigt.

Für die Gesamtlosvergabe spreche ein Bündel von Gründen. Für eine optimale Qualität der Leistungserbringung müssten sämtliche Leistungen aus “einer Hand” erbracht werden. Nur der Betreuungsdienstleister könne optimal auf die an der Leistungserbringung beteiligten Unternehmen einwirken. Darüber hinaus habe es sich der Antragsgegner zum Ziel gesetzt, nur einen Ansprechpartner in den jeweiligen Einrichtungen zu haben. Dies sei sowohl für den Antragsgegner als auch für die Flüchtlinge von Vorteil. Bei dieser Vorgabe handele es sich im weitesten Sinne auch um einen “technischen Grund” im Sinne von § 97 Absatz 4 GWB.

Die Organisation von Arbeitsgelegenheiten für Flüchtlinge sei komplexer, als die Antragstellerin darstelle. Insbesondere müsste die Einarbeitung, Überwachung und Abrechnung der Tätigkeiten organisiert werden. Hierfür müssten unzählige Schnittstellen geregelt werden. Konsequenz einer Fachlosvergabe sei zudem, dass etwa im Bereich Verpflegungsleistungen unzählige Fachlose wie etwa die Belieferung mit Backwaren gebildet werden müssten.

Außerdem gewährleiste nur die Gesamtvergabe ein ausreichendes Maß an Flexibilität. Dies gelte insbesondere vor dem Hintergrund der Bedeutung der Verpflegungsleistungen für die soziale Betreuung. Gerade im Bereich der Verpflegung komme es immer wieder zu unvorhergesehen und nicht planbaren Ereignissen, die Auswirkungen auf das Zusammenleben der Flüchtlinge hätten.

Darüber hinaus seien die Verpflegungsleistungen von erheblicher Bedeutung für die soziale Betreuung, so dass diese in der Hand des Betreuungsdienstleisters liegen müssten.

Ferner ergäben sich auch für den Fall einer nicht konfliktfreien Zusammenarbeit zwischen Betreuungsdienstleister und den weiteren Unternehmen erhebliche Vorteile. Denn dem Betreuungsdienstleister stünde – im Gegensatz zum öffentlichen Auftraggeber – ein breiteres Instrumentarium an Werkzeugen zur Konfliktlösung zur Verfügung. Insbesondere könne vertraglich nicht jeder Schwierigkeit vorgebeugt werden. Im Übrigen sei es bis zu einer außerordentlichen Kündigung durch einen öffentlichen Auftraggeber “ein weiter Weg”, der eine Neuausschreibung als Konsequenz nach sich ziehen würde. Infolge dessen könnte sich das gekündigte Unternehmen neuerlich um den Auftrag bemühen. Ein etwaiger Ausschluss – etwa gemäß § 124 Absatz 1 Nummer 7 GWB – führe dann gegebenenfalls zu einer neuen Nachprüfung. Auf Grund der aktuellen Auslastung des zuständigen Vergabesenats sei eine schnelle Klärung – jedenfalls in der zweiten Instanz – ausgeschlossen.

Im Übrigen irre die Antragstellerin mit der Behauptung, dass eine Gesamtvergabe stets zu Generalunternehmeraufschlägen führe. So habe das OLG Düsseldorf mit Beschluss vom 29.09.2018 (Verg 14/17) festgehalten, dass “kein genereller Erfahrungsschatz” bestehe, “dass sich Baukosten durch den Einsatz eines GU erhöhen”.

Der Antragsgegner trägt zudem vor, dass er nach Abwägung aller Interessen zu dem Ergebnis gekommen sei, dass die Gründe für die Gesamtvergabe vorlägen. Insbesondere müsse er kein zusätzliches Wagnis und keine unnötigen Risiken eingehen, sondern sei nach der Rechtsprechung des OLG Düsseldorf (Beschluss vom 13.03.2020 – Verg 10/20) berechtigt, einen sicheren Weg zu wählen. Es handele sich bei den Nachteilen nicht um solche, die typische Konsequenz einer Fachlosvergabe seien. Auch könne nicht jede Frage – anders als die Antragstellerin meint – im Vorfeld vertraglich geregelt werden. Auch stehe der getroffenen Entscheidung nicht entgegen, dass die Sicherheitsdienstleistungen als weiteres Fachlos ausgeschrieben würden. In diesem speziellen Bereich sei es in der Vergangenheit auf Grund von Gesamtvergaben zu Problemen gekommen, so dass hierfür nur branchenspezifische Unternehmen in Frage kämen.

Weiterhin stelle die Gesamtvergabe keinen gravierenden Nachteil für die Antragstellerin dar, da sie zwar zur Kooperation mit einem Betreuungsdienstleister gezwungen sei, aber auf Grund ihrer Marktstellung sicherlich eine gute Chance auf eine Nachunternehmerstellung habe. Im Übrigen könne das von der Antragstellerin verfolgte Geschäftsmodell nicht in allen Einrichtungen dieser Vergabestaffel vollständig umgesetzt werden.

Die Vorsitzende hat die Frist für die Entscheidung der Vergabekammer gemäß § 167 Abs. 1 GWB bis zum 30.09.2021 verlängert. Am 06.08.2021 hat eine mündliche Verhandlung im Einvernehmen mit den Verfahrensbeteiligten in der Form einer Videokonferenz stattgefunden. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Vergabeunterlagen und die Niederschrift aus der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

II.

1. Der Nachprüfungsantrag ist zulässig.

Die Zuständigkeit der Vergabekammer Westfalen ergibt sich aus § 156 Absatz 1 GWB und § 159 Absatz 3 GWB i.V.m. § 1 Absatz 2 und § 2 Absatz 2 VK ZuStV NRW. Der Auftragswert übersteigt den Schwellenwert nach § 106 GWB und die Antragsgegnerin als öffentliche Auftraggeberin hat ihren Sitz im Zuständigkeitsbereich der Vergabekammer Westfalen.

Die Antragstellerin ist antragsbefugt. Die Antragsbefugnis erfüllt lediglich die Funktion eines groben Filters, um von vorneherein eindeutige Fälle auszusondern (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17.2.2016, Verg 37/14). Deshalb sind an das Vorliegen der Antragsbefugnis auch keine allzu großen Anforderungen zu stellen.

Das Interesse an der Teilnahme an der gegenständlichen Ausschreibung hat die Antragstellerin mit Rüge vom 12.05.2021 dokumentiert und mit ihrem Nachprüfungsantrag vom 27.05.2021 bestätigt (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 8. September 2004 – Verg 38/04). Die Antragstellerin musste sich für die Antragsbefugnis nicht am Vergabeverfahren durch die Abgabe eines – für sie nutzlosen – Angebots beteiligen. Sie macht geltend, durch den gerügten Vergaberechtsverstoß in Form der unterbliebenen Losaufteilung – an der Abgabe eines Angebots gehindert gewesen zu sein. In einer solchen Situation wäre es nutz- und sinnlos, ein Angebot einzureichen und damit der Antragstellerin auch nicht zuzumuten (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 25.11.2009 – Verg 27/09).

2. Der Nachprüfungsantrag ist begründet.

Der Antragsgegner hat gegen das Gebot der Fachlosvergabe gemäß § 97 Absatz 4 GWB verstoßen. Gründe, die diesen Verstoß rechtfertigen, liegen nicht vor. Mehrere Teil- oder Fachlose dürfen gemäß § 97 Absatz 4 Satz 3 GWB nur zusammen vergeben werden, wenn wirtschaftliche oder technische Gründe dies erfordern. Auch die dazu ergangene Rechtsprechung fordert regelmäßig die Losbildung (vgl. statt vieler OLG Düsseldorf, Beschlüsse vom 13.03.2020 – Verg 9/20 und Verg 10/20 (nicht veröffentlicht).

Gemäß § 97 Absatz 4 Satz 2 GWB sind Leistungen in der Menge aufgeteilt (Teillose) und getrennt nach Art und Fachgebiet (Fachlose) zu vergeben. Dieser Grundsatz dient der Mittelstandsförderung (vgl. BT-Drs. 18/6281, S. 68; OLG München, Beschluss vom 25.03.2019, Verg 10/18). Deshalb darf vom Gebot der Losvergabe nur in begründeten Ausnahmefällen abgewichen werden (vgl. BT-Drs. 16/10117, S. 15; OLG Frankfurt, Beschluss vom 14.05.2018, 11 Verg 4/18; OLG München, Beschluss vom 25.03.2019, Verg 10/18).

Insoweit schränkt dieses Gebot das Leistungsbestimmungsrecht des Auftraggebers ein (vgl. KG Berlin, Beschluss vom 26.03.2019; Verg 16/16; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 06.04.2011, 15 Verg 3/11). Zwar bestimmt der Auftraggeber weithin selbst, welche konkrete Leistung seinem Beschaffungsbedarf am ehesten entspricht (vgl. BTDrs. 18/6281, S. 68; OLG Celle, Beschluss vom 02.02.2021, 13 Verg 8/20). Die vergaberechtlichen Grundsätze sind grundsätzlich gewahrt, wenn die Bestimmung durch den Auftragsgegenstand sachlich gerechtfertigt ist und dafür nachvollziehbare, objektive und auftragsbezogene Gründe vorliegen, wobei die Festlegung willkür- und diskriminierungsfrei sein muss (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 14.05.2018, 11 Verg 4/18 m.w.N.). Allerdings ist eine Fachlosbildung grundsätzlich geboten, wenn sich für eine Einzelleistung ein eigener abgegrenzter Markt etabliert hat (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 31.05.2012, 1 Verg 2/11; grundlegend hierzu: OLG Düsseldorf, Beschluss vom 11.01.2012 – Verg 52/11; Vergabekammer Niedersachsen, Beschluss vom 25.05.2018, VgK-07/2018). Freilich kann das Erfordernis der Losvergabe nur greifen, wo eine getrennte Beschaffung der ausgeschriebenen Leistung aufgeteilt nach Art oder Fachgebiet überhaupt sinnvoll ist, woran es fehlen kann, wenn die nachgefragte Leistung nach ihrem Gegenstand voraussetzt, dass sie nur aus einer Hand erbracht werden kann (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 26.04.2010, 13 Verg 4/10).

Sofern für einzelne Leistungsbestandteile ein eigener funktionierender Markt existiert und die Leistungserbringung nicht aus einer Hand erfolgen muss, erfolgt die Beschaffung losweise. Das Losaufteilungsgebot stellt – wie sich unzweifelhaft aus der gesetzlichen Systematik und Teleologie des § 97 Absatz 4 Sätze 2, 3 GWB i.V.m. dem dieser Vorschrift zugrunde liegenden Art. 46 Absatz 1 der Richtlinie 2014/24/EU vom 26. Februar 2014 über die öffentliche Auftragsvergabe ergibt – den gesetzlichen Regelfall dar (vgl. OLG Düsseldorf, Beschlüsse vom 13.03.2020 – Verg 9/20 und Verg 10/20 (nicht veröffentlicht)). Es steht somit nicht per se zur Disposition eines öffentlichen Auftraggebers (VK Bund, Beschluss vom 08.06.2020, VK 2-41/20).

Nach § 97 Absatz 4 Satz 3 GWB dürfen mehrere Teil- oder Fachlose ausnahmsweise dann zu einer Gesamtvergabe zusammengefasst werden, wenn (i.) wirtschaftliche oder technische Gründe vorliegen und (ii.) diese Gründe eine Gesamtvergabe erforderlich machen. Die Norm statuiert insoweit ein Regel-Ausnahmeverhältnis (vgl. statt vieler: OLG München, Beschluss vom 25.03.2019, Verg 10/18). Nicht notwendig ist allerdings, dass eine Losvergabe objektiv unmöglich ist. Technische oder wirtschaftliche Gründe, die eine Gesamtlosvergabe erfordern, reichen aus.

Dabei sind technische Gründe, die den Verzicht auf eine Losaufteilung gestatten, dann gegeben, wenn bei einer losweisen Ausschreibung das – nicht durch die inhaltliche Gestaltung der Vergabeunterlagen vermeidbare – Risiko besteht, dass der Auftraggeber Teilleistungen erhält, die zwar jeweils ausschreibungskonform sind, aber letztlich nicht zusammenpassen und deshalb in ihrer Gesamtheit nicht geeignet sind, den Beschaffungsbedarf in der angestrebten Qualität zu befriedigen (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 04.04.2012, 1 Verg 2/11; VK Bund, Beschluss vom 06.12.2016, VK 1-118/16). Auch das besondere Interesse an der Einheitlichkeit der Leistungserbringung, die beispielsweise in einem Erfordernis nach der Kompatibilität verschiedener Systeme und baulicher Anlagen zurückzuführen ist, mag als technischer Grund im Sinne des § 97 Absatz 4 Satz 3 GWB verstanden werden (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 30.11.2009 – Verg 43/09).

Auf der anderen Seite liegen wirtschaftliche Gründe etwa dann vor, wenn die alternative Fachlosvergabe zu einer unverhältnismäßigen Verteuerung der Gesamtleistung führt (vgl. schon OLG Düsseldorf, Beschluss vom 08.09.2004 – Verg 38/04). So kann etwa die Verteuerung einer Ausschreibung um 50 % bereits einen wirtschaftlichen Grund im Sinne des § 97 Absatz 4 Satz 3 GWB darstellen (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 08.09.2011, VII Verg 48/11). Zwar besitzt der Auftraggeber bei der Prüfung, ob eine bestimmte Losaufteilung unwirtschaftlich ist einen Einschätzungsspielraum mit prognostischen Elementen. Seine Entscheidung muss aber insgesamt tatsachengestützt und plausibel sein (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 04.04.2012, 1 Verg 2/11). Auf Grund des restriktiven Charakters des § 97 Absatz 4 Satz 3 GWB darf der Auftraggeber nur solche Mehrkosten berücksichtigen, die unmittelbar die Auftragsdurchführung verteuern. Die Mehrkosten, die durch die Losvergabe entstehen und im Verantwortungs- und Aufgabebereich des Antragstellers liegen, sind grundsätzlich nicht berücksichtigungsfähig. Andernfalls hätte es der öffentliche Auftraggeber in der Hand, die Voraussetzungen für eine Gesamtvergabe zu schaffen.

Nach dem Wortlaut des § 97 Absatz 4 Satz 3 GWB müssen die technischen oder wirtschaftlichen Gründe zudem eine Gesamtvergabe “erfordern”. Die Beantwortung der Frage, ob technische oder wirtschaftliche Gründe es im Sinne des Gesetzes “erfordern”, von einer Losbildung abzusehen, setzt eine Bewertung voraus. Dabei steht dem Auftraggeber wegen der dabei anzustellenden prognostischen Überlegungen eine Einschätzungsprärogative zu. Der Maßstab der rechtlichen Kontrolle ist dabei beschränkt. Die Entscheidung des Auftraggebers, eine Gesamtlosvergabe beim Vorliegen von technischen oder wirtschaftlichen Gründen für erforderlich zu halten, ist von den Vergabenachprüfungsinstanzen darauf zu prüfen, ob sie beurteilungsfrei ergangen ist. Ist der entsprechende Sachverhalt vollständig ermittelt und beruht die Entscheidung nicht auf einer Fehlbeurteilung, namentlich auf Willkür, ist der dem Auftraggeber zustehende Beurteilungsspielraum gewahrt (vgl. OLG Düsseldorf, Beschlüsse vom 13.03.2020 – Verg 9/20 und Verg 10/20 (nicht veröffentlicht); OLG München, Beschluss vom 25.03.2019, Verg 10/19 m.w.N., OLG Frankfurt, Beschluss vom 15.05.2018, 11 Verg 4/18; a. A. KG Berlin, Beschluss vom 23.06.2019, Verg 16/16, das mit guten Gründen eine vollständige Überprüfbarkeit der Entscheidung nach Satz 3 des § 97 Absatz 4 GWB durch die Vergabenachprüfungsinstanzen annimmt sowie Antweiler in: Burgi/Dreher (Hrsg.), Beck´scher Vergaberechtskommentar, § 97 Abs. 4 Rn. 38).

Nicht ausreichend ist insoweit, dass der Auftraggeber nur anerkennenswerte Gründe für seine Beurteilung vorbringen kann. Aus der klaren Wertung des Gesetzgebers folgt, dass sich der Auftraggeber im Einzelnen mit dem grundsätzlichen Gebot der Fachlosvergabe einerseits und den im konkreten Fall dagegen sprechenden Gründen auseinandersetzt (vgl. OLG München, Beschluss vom 25.03.2019, Verg 10/19). Kommt der Auftraggeber nach umfassender Abwägung der widerstreitenden Belange zu dem Ergebnis, dass die technischen und wirtschaftlichen Gründe überwiegen, ist die Gesamtvergabe zulässig (vgl. OLG München, Beschluss vom 25.03.2019, Verg 10/19; OLG Frankfurt, 14.05.2018, 11 Verg 4/18.).

Allerdings vermag ein erhöhter Koordinierungsaufwand durch die Vermeidung von “Gewährleistungsschnittstellen” für sich allein ein Absehen von einer Losaufgabe ebenso wenig zu rechtfertigen, wie Probleme bei der Mängelbeseitigung, die typischerweise mit einer Losvergabe verbundenen Mehraufgaben oder der etwa mit der Aufsicht verbundene Mehraufwand (vgl. OLG München, Beschluss vom 25.03.2019, Verg 10/19; OLG Frankfurt, 14.05.2018, 11 Verg 4/18; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 01.06.2016, VII-Verg 6/16 – zur Vorschrift des § 97 Abs. 3 S.2 und 3 GWB a.F., die denen des § 97 Absatz 4 Satz 2 und 3 gleich lautend waren). Auch der Vorzug, nur einen Vertragspartner zu haben oder Gewährleistungsansprüche einfacher durchzusetzen, sind nicht geeignet, eine Rechtfertigung für die Gesamtvergabe zu begründen (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 11.07.2007 – Verg 10/07). Dieser Abwägungsprozess ist freilich ausführlich zu dokumentieren.

Dabei ist die Frage, ob gemäß § 97 Absatz 4 GWB Fachlose zu bilden sind, für jede in Betracht kommende Leistung getrennt zu beantworten. Das bedeutet zum einen, dass die “wirtschaftlichen oder technischen Gründe”, welche die Norm verlangt, sich auf die jeweilige Leistung beziehen müssen, welche für eine getrennte Losvergabe in Betracht kommt. Globale, also das gesamte Vorhaben betreffende Überlegungen können nur dann berücksichtigt werden, wenn sie auch und gerade die jeweilige Leistung erfassen. Andererseits ist damit auch klar, dass die Entscheidung über die Bildung eines Fachloses für eine bestimmte Leistung keine Aussage darüber trifft, ob auch für andere Leistungen Fachlose zu bilden sind, oder ob der “Rest” des geplanten Projekts einheitlich vergeben werden kann. (vgl. zur Fachlosbildung bei Fachgewerken: OLG München, Beschluss vom 09.04.2015, Verg 1/15, VK Südbayern, Beschluss vom 12.08.2016, Z3-3/3194/1/27/07/16). Ausgehend von diesen Grundsätzen rückt daher die Frage in den Mittelpunkt, ob die Verpflegungsdienstleistungen als einzelnes Fachlos ausgeschrieben werden müssen.

Die Ausführungen des Antraggegners bleiben inhaltlich hinter den dargestellten Anforderungen an das Vorliegen technischer oder wirtschaftlicher Gründe zurück. Dem Antragsgegner gelingt es nicht, nachvollziehbar und plausibel einen technischen oder wirtschaftlichen Grund für sein Vorgehen – Absehen von einer Fachlosbildung – darzustellen. Denn die vom Antragsgegner angeführten Gründe sind weder technischer noch wirtschaftlicher Natur.

Zunächst ist festzuhalten, dass sich der Antragsgegner formal vorbildlich mit den Anforderungen der Fachlosvergabe auseinandergesetzt hat. Die im Vergabevermerk enthaltenen Angaben und Ausführungen sowie die in ihm mitgeteilten Gründe für die getroffene Entscheidung sind sehr detailliert und können von einem mit der Sachlage vertrauten Bieter ohne Weiteres nachvollzogen werden. Der Antragsgegner hat die Gründe, die für eine Gesamtvergabe streiten, dargelegt und gegen die aus seiner Sicht dagegensprechenden Argumente abgewogen. Der Antragsgegner hat sich somit mit der Thematik entsprechend den Anforderungen des Gesetzes ausführlich und gut nachvollziehbar auseinandergesetzt. Allerdings ist die erfolgte Abwägung teilweise unzutreffend, weil die gesetzlichen Anforderungen nicht hinreichend berücksichtigt wurden.

Denn die vom Antragsgegner angeführten Gründe sind weder technischer noch wirtschaftlicher Natur.

a) Der Antragsgegner beruft sich darauf, nur einen Vertragspartner, nämlich den Betreuungsdienstleister, haben zu wollen, um auf diese Weise eine qualitativ hochwertige Versorgung der Flüchtlinge zu gewährleisten. Auch habe es sich das Land Nordrhein-Westfalen zum Ziel gesetzt, nur einen Ansprechpartner in den Einrichtungen zu haben. Außerdem sollten sämtliche Leistungen “aus einer Hand” erbracht werden. Der Antragsgegner führt aus, dass der Betreuungsdienstleister durch die Übernahme der leistungsübergreifenden Gesamtverantwortung ein “erhöhtes Interesse am reibungslosen Betrieb” der jeweiligen Einrichtung habe. Durch die Übernahme würden Schnittstellen entfallen, die mit einer Fachlosvergabe zwangsläufig entstünden. Dadurch entfalle der Koordinierungsaufwand auf Seiten des Antragsgegners. Im Übrigen verfüge der Betreuungsdienstleister über die notwendigen Informationen wie etwa Neu- und Abgänge sowie Krankheitsfälle und geplante Abschiebungen, um die Essenspläne anzupassen. Bei einem separaten Verpflegungsdienstleister müssten diese Informationen weitergegeben werden. Dies erfolgte meist nur “mit zeitlicher Verzögerung und dem Risiko von Informationsverlusten”.

Der Vortrag der Antragsteller vermag keinen technischen Grund im Sinne des § 97 Absatz 4 Satz 3 GWB zu belegen, die eine Gesamtlosvergabe erfordern. Vielmehr handelt es sich bei der Abstimmung der verschiedenen Leistungsbereiche um Koordinierungsaufwände, die sich bei einer losweisen Vergabe typischerweise ergeben und deswegen gerade keine anerkennenswerten Gründe sind. Insbesondere reduziert sich durch die Einrichtung eines Betreuungsdienstleisters, wie sie die gegenständliche Ausschreibung vorsieht, nicht die Zahl der Schnittstellen in einem erheblichen Umfang. Zwar kann – allerdings nur in wenigen Ausnahmefällen – auch die Reduzierung des Koordinierungsaufwands ausreichen, um eine Gesamtvergabe zu rechtfertigen (vgl. OLG München, Beschluss vom 09.04.2015, Verg 1/15). Allerdings führt das OLG München insoweit aus, dass es “aber nicht [heißt], dass immer schon bei Wegfall einer Koordinierungsebene relevante wirtschaftliche Gründe gegeben sind, weil sonst das gesetzgeberische Gebot – welches den Schutz mittelständischer Unternehmen bezweckt – ausgehöhlt werden würde. Es müssen also Gründe vorliegen, welche über solche Schwierigkeiten hinausgehen, die typischerweise mit jeder losweisen Ausschreibung verbunden sind.”

Derlei Gründe sind nicht gegeben. Inwieweit es sich hierbei um technische oder wirtschaftliche Gründe handelt, muss nicht entschieden werden. Ausweislich der Ausschreibungsunterlagen soll der Betreuungsdienstleister den Betrieb in den Unterkünften organisieren und betreuen. Nach dem Verständnis der Kammer und unter Berücksichtigung der Vergabeunterlagen sowie dem Vortrag der Parteien werden wesentliche Leistungen – so auch die Verpflegung – vom Betreuungsdienstleister an Nachunternehmer “vergeben”. Der Betreuungsdienstleister muss dann die Arbeit “seiner” Nachunternehmer koordinieren und entsprechende Informationen weiterleiten. Insoweit verringert sich nicht der Koordinationsaufwand im Vergleich zur Fachlosvergabe, bei der der Auftraggeber den Koordinationsaufwand trägt. Vielmehr ändert sich die Schnittstelle, an der die Koordination stattfindet. Das Risiko einer zeitlichen Verzögerung sowie von Informationsverlusten bleibt damit unverändert bestehen. Der Antragsgegner stellt sein Licht unter den Scheffel, wenn er vorträgt, dass derlei Risiken nur dann bestünden, wenn er die Koordinierungsaufgaben wahrnehme. Die Kammer hegt keine Zweifel daran, dass der Antragsgegner in der Lage ist, die Leistungserbringung einer Vielzahl von Unternehmen zu koordinieren und zu überwachen.

Auch stellt der Vorzug, nur einen Vertragspartner zu haben, gerade keinen Grund für eine Gesamtlosvergabe dar (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 11.07.2007 – Verg 10/07). Andererseits besteht das Risiko eines “unzuverlässigen” und “unkooperativen” Auftragnehmers in der Form eines Nachunternehmers auch bei einer Gesamtlosvergabe, wenn der Zuschnitt einer Vergabe – wie hier – darauf ausgelegt ist, dass der Auftragnehmer für diverse Leistungen Nachunternehmer einsetzt und sie nicht “aus einer Hand” erbringt. Insoweit gereicht der Vortrag des Antragsgegners, die abgefragten Leistungen und besonders die Verpflegungsleistungen müssten aus einer Hand kommen, nicht zu seinem Vorteil. Bereits der Zuschnitt der Ausschreibung sowie die Möglichkeit, umfassend Nachunternehmer einzusetzen, widerspricht diesem angestrebtem Grundsatz. Letztlich geht es dem Auftraggeber darum, durch die Gesamtlosvergabe seine Verantwortungsbereiche erheblich zu konzentrieren und die Gesamtverantwortung auf einen Betreuungsdienstleister zu übertragen. Derlei Erwägungen, die als solche nachvollziehbar sind, reichen jedoch angesichts des klaren Gesetzeswortlauts nicht aus, eine Gesamtlosvergabe zu rechtfertigen.

Vor diesem Hintergrund vermag auch der Vortrag, die Zielsetzung des Landes Nordrhein-Westfalens, nur einen Ansprechpartner haben zu wollen, rechtfertige eine Gesamtvergabe, ebenfalls nicht zu seinem Vorteil gereichen. Etwas Anderes ergibt sich auch nicht aus dem Beschluss der Vergabekammer des Bundes vom 01.02.2001 (VK 1-1/01). Zwar hat die Vergabekammer des Bundes zur Begründung einer Gesamtvergabe ausgeführt, dass “ein einheitlicher Ansprechpartner (…) zweckmäßig sei”. Allerdings hat die Vergabekammer des Bundes vorab wirtschaftliche und technische Vorteile, die eine Gesamtvergabe begründen, anerkannt. Darüber hinaus betraf die Entscheidung “komplexe Einrichtungen” im “sicherheitsrelevanten Bereich eines Flughafens” und ist deswegen auch aus diesem Grund für dieses Nachprüfungsverfahren ohne weitere Bedeutung. Zudem erging die Entscheidung zu § 97 Absatz 3 GWB a. F. der lediglich eine Interessenabwägung vorsah, aber kein Regel-Ausnahmeverhältnis statuierte, wie es der § 97 Absatz 4 GWB in seiner aktuellen Fassung enthält (vgl. Knauff, in Säcker, Münchener Kommentar zum Europäischen und Deutschen Wettbewerbsrechts, § 97 Rn. 251 ff).

Sofern der Antragsgegner vorträgt, für einen reibungslosen Betrieb der Einrichtungen sei es erforderlich, dass die Flüchtlinge nur einen Ansprechpartner hätten, verfängt dieses Argument nicht. So ist bereits jetzt schon neben den derzeit eingesetzten Betreuungsdienstleistern eine weitere Beschwerdestelle in den jeweiligen Einrichtungen installiert, die (i.) nicht im Verantwortungsbereich der eingesetzten Betreuungsdienstleister liegt und (ii.) von unabhängigen Dritten geführt wird. Im Ergebnis stehen für Flüchtlinge bereits jetzt schon zwei Ansprechpartner zur Verfügung. Auch ist für die Kammer nicht nachvollziehbar, warum mehrere Ansprechpartner die Flüchtlinge “überlasten” würden.

Auch kann der Ansicht des Antragsgegners, die Schnittstelle im Bereich Entsorgung erfordere eine Gesamtlosvergabe, nicht gefolgt werden. Zunächst ist erneut festzustellen, dass die Reduzierung von Schnittstellen, wie sie bei einer Losvergabe regelmäßig gegeben sind, eine Gesamtlosvergabe nicht zu rechtfertigen vermag. Sofern der Antragsgegner vorträgt, es sei bei einer Losvergabe etwa unklar, wer für den Geschirreinsatz verantwortlich sei, begründet dies gerade keine Gesamtvergabe. Diese ist vielmehr in technischer Hinsicht nur dann zulässig, wenn sämtliche Auftragnehmer ihre Leistung ordnungsgemäß erbringen, das “Gesamtwerk” aber dennoch nicht dem Beschaffungsbedarf entspricht. Antizipierte Unklarheiten und das damit verbundene Risiko von Schlechtleistungen muss der Auftraggeber im Vorfeld durch eine entsprechende Anpassung der Vergabeunterlagen in den Griff bekommen (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 04.04.2012, 1 Verg 2/11). Die Gesamtvergabe als Ausnahmemöglichkeit soll es dem Auftraggeber nicht ermöglichen, sich von – vielleicht auch komplexen – Regelungen im Hinblick auf die Auftragsdurchführung freizustellen.

Ebenso wenig vermag die Beschaffung, Verwendung und Erneuerung der Küchenbetriebsmittel eine Gesamtvergabe zu rechtfertigen. Es liegt gerade in der Natur der Sache, das bei einer Fachlosvergabe – speziell bei der gleichzeitigen Beschaffung mehrerer Dienstleistungen – derlei Gesichtspunkte vertragsrechtlich zu regeln und deren Einhaltung grundsätzlich durch den Auftraggeber als Vertragspartner zu überwachen sind. Die Kammer hegt keine Zweifel daran, dass der Antragsgegner in der Lage ist, die Leistungserbringung einer Vielzahl von Unternehmen zu koordinieren und zu überwachen.

Im Übrigen gilt: Gründe, die im Verantwortungsbereich des Auftraggebers liegen, können grundsätzlich keine Gesamtvergabe rechtfertigen. Denn es wäre systemwidrig und würde den Schutzzweck des § 97 Absatz 4 GWB aushöhlen, da es der Auftraggeber selbst in der Hand hätte, sich etwa durch die Verringerung seiner Personalmittel in die Lage zu versetzen, den Ausnahmefall einer Gesamtlosvergabe regelmäßig begründen zu können.

Ebenfalls nicht zu überzeugen vermag der Vortrag des Antragsgegners, die Vermeidung von rechtlichen Schwierigkeiten bei der Auftragsabwicklung würde vorliegend eine Gesamtvergabe rechtfertigen. Zwar kann es zutreffen, dass eine außerordentliche Kündigung eines Auftragnehmers durch den Auftraggeber zeitintensiv ist und mit einer gerichtlichen Kontrolle einhergeht. Dieses Risiko besteht insoweit aber auch für den Betreuungsdienstleister. Insoweit vermag die Kammer nicht zu erkennen, inwieweit die Gesamtvergabe Vorteile bietet. Auch ist nicht ausgeschlossen, dass ein gekündigtes Unternehmen sich neuerlich an der entsprechenden Ausschreibung beteiligt, die notwendig ist, weil der öffentliche Auftraggeber der Ausschreibungspflicht unterliegt. In einem solchen Fall mag dann ein getroffener Ausschluss gemäß § 124 Absatz 7 GWB – sofern möglich – durch die Vergabenachprüfungsinstanzen überprüft werden, wobei die Dauer der Prüfung nicht abschließend einschätzbar ist. Allerdings rechtfertigt weder die Vermeidung von vergaberechtlichen Vorgaben – wie etwa die Ausschreibungspflicht – noch eine mögliche und länger dauernde Nachprüfung das Absehen von der Fachlosvergabe. Andernfalls würde die gesetzlich vorgesehene regelmäßige Anwendung der Fachlosvergabe gerade dazu führen, dass dadurch (i.) die Gesamtlosvergabe gerechtfertigt wäre und (ii.) die betreffende Gesamtvergabe dem Vergaberecht jedenfalls zum Teil entzögen würde. Dies widerspricht dem Sinn und Zweck der Fachlosvergabe. So ist § 97 Absatz 4 GWB auch im Kontext der Ziele des Vergaberechts auszulegen und die Grundsätze des Vergaberechts im Blick zu behalten (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 14.05.2018, 11 Verg 4/18). Das Vergaberecht sieht grundsätzlich keine “Flucht ins vergabefreie Privatrecht” vor, indem viele Leistungen “gesamt” an einen Auftraggeber vergeben werden, damit dieser dann, ohne dem Vergaberecht unterworfen zu sein, die einzelnen Leistungsbestandteile an Nachunternehmer vergibt (vgl. hierzu etwa auch OLG Düsseldorf, Beschluss vom 15.07.2015 – Verg 11/15). Erst Recht vermögen derlei Überlegungen keine Gesamtvergabe zu rechtfertigen.

b) Soweit der Auftraggeber argumentiert, die Integration von Flüchtlingen in die Arbeitsabläufe der Einrichtungen könne nur bei einer Gesamtvergabe erfolgen, führen auch diese Erwägungen nicht weiter. Insbesondere begründen derlei Überlegungen keinen technischen Grund im Sinne des § 97 Absatz 4 Satz 3 GWB. Inwieweit die in § 5 Absatz 1 Satz 1 Asylbewerberleistungsgesetz festgelegte Zielsetzung nicht eine originäre – und damit nicht zu delegierende – Aufgabe des Antragstellers ist, vermag die Kammer nicht abschließend einzuschätzen und ist auch nicht entscheidungserheblich. Maßgeblich ist, ob bei einer losweisen Vergabe das angestrebte Ziel, Flüchtlinge in die Arbeitsabläufe zu integrieren, nicht erreicht werden kann. Die Kammer zweifelt nicht daran, dass bei einer losweisen Vergabe die einzelnen Leistungserbringer in der Lage sind, etwaige Arbeitsgelegenheiten zu identifizieren und dem Auftraggeber zu melden, der dann die entsprechende Zuteilung durchführt. Die angestrebte Einbindung ist somit gewährleistet. Insbesondere besteht gerade auch in diesem Fall keine “Konkurrenz” oder “Wettbewerb” zwischen den Auftragnehmern. Selbst wenn der Auftraggeber sich für die Organisation und Koordination der Unterkünfte eines Dienstleisters bedienen sollte – dies ist ihm im vergaberechtlichen Rahmen freilich unbenommen -, der dann die Einbindung der Flüchtlinge in die Arbeitsabläufe organisiert, ist nicht ersichtlich, aus welchen Gründe dies nicht funktionieren sollte. Insbesondere ist nicht nachvollziehbar, warum nur bei einer Gesamtlosvergabe Betreuungs- und Verpflegungsdienstleister “an einem Strang” ziehen.

Ebenfalls nicht zu überzeugen vermag der Vortrag des Antragsgegners, dass nur eine Gesamtlosvergabe die notwendige Flexibilität der Leistungserbringung ermögliche. So trägt der Antragsgegner vor, dass eine Vielzahl von Auftragnehmern und selbst schon eine formale Trennung von Betreuungsdienstleister zu Verpflegungsdienstleister die erforderlichen Anpassungen im täglichen Kantinenbetrieb erschwere. Im Bereich Kantine könne es immer zu unerwarteten Ereignissen kommen, die eine schnelle Reaktion erforderten. Der Betreuungsdienstleister könne auf Grund seiner Gesamtverantwortung “nicht mit dem Finger auf den anderen Dienstleister” zeigen. Vielmehr bedürfe es weniger Beteiligter in verantwortlicher Position, die sich ihrer Verantwortung bewusst seien, in der Gesamtverantwortung stünden und dieser gerecht würden. Diese – in der Sache sicherlich vertretbaren Argumente – stellen jedoch keinen technischen Grund dar, der eine Gesamtlosvergabe rechtfertigt. Ein solcher liegt – wie vorstehend bereits dargestellt – vor, wenn die Gefahr besteht, dass der Auftragnehmer zwar eine Vielzahl von ausschreibungskonformen Einzelleistungen erhält, die aber in ihrer Gesamtheit nicht dem Beschaffungsbedarf entsprechen. Vorliegend zeichnet der Antragsgegner ein Bild, wonach bei einer Fachlosvergabe die einzelnen Auftragnehmer zwar “vertragstreu”, nicht aber ordnungsgemäß miteinander arbeiten und der Auftraggeber keine Möglichkeiten hat, einzugreifen. Einerseits vermag die Kammer dem Bild des “unzuverlässigen” und “unkooperativen” einzelnen Auftragnehmers nicht zu folgen. Insbesondere besteht kein genereller Erfahrungssatz, dass bei Fachlosvergaben der Auftraggeber regelmäßig regulierend und sanktionierend auf die einzelnen Auftragnehmer einwirken muss. Vielmehr zeichnet sich die Beauftragung einzelner Auftragnehmer dadurch aus, dass diese sich intensiver für ihre eigenen Leistungen verantwortlich fühlen, als dies im Falle eines Nachunternehmers in der Regel der Fall ist.

c) Auch die vom Antragsgegner vorgetragene untrennbare Verbundenheit zwischen Verpflegungsleistungen und Sozialbetreuung vermag eine Gesamtlosvergabe nicht zu rechtfertigen. Zwar hat die Kammer keine Zweifel daran, dass die Flüchtlinge in bestimmten Fällen ihre Verpflegungswünsche über die Sozialbetreuer adressieren. Allerdings ist für die Kammer nicht ersichtlich, warum diese Informationen nur im Rahmen einer Gesamtlosvergabe und nicht bei einer Fachlosvergabe berücksichtigt werden sollen. In beiden Fällen müssen die entsprechenden Informationen über eine weitere Stelle – sei es über den Betreuungsdienstleister oder den Antragsgegner selbst – weitergespielt werden. Die Kammer vermag auch dem Vortrag nicht zu folgen, nur der Betreuungsdienstleister hätte ein Interesse an einer guten Atmosphäre und Zufriedenheit der Flüchtlinge. Auch der Vortrag, es bestünde die Notwendigkeit, dass Ablauf und Organisation der Verpflegung in einer Hand mit der Betreuungsdienstleistung liegen müssten, überzeugt nicht. Wenn der Antragsgegner diesem Prinzip eine solche Bedeutung beimisst, erschließt sich für die Kammer nicht, warum der Zuschnitt der Ausschreibung darauf ausgelegt ist, dass – jedenfalls einige – der Betreuungsdienstleister für die Verpflegung Nachunternehmer einsetzen werden. So führt der Antragsgegner selbst in seinem Schreiben vom 18.06.2021 aus, dass die Antragstellerin “zwar (…) zur Kooperation mit einem Betreuungsdienstleister gezwungen [sei].” Jedoch habe sie bei diesen “sicherlich eine gute Chance auf eine Nachunternehmerstellung.” Wollte der Antragsgegner tatsächlich die Verpflegung und Betreuung zusammen erbracht wissen, müsste er stattdessen einen Nachunternehmereinsatz bei der Sozialbetreuung und Verpflegung ausschließen, damit beide Leistungen – wie gewünscht – “aus einer Hand” erfolgen.

d) Weiterhin stellen die von dem Antragsgegner vorgebrachten wirtschaftlichen Gesichtspunkte keine wirtschaftlichen Gründe im Sinne des § 97 Absatz 4 Satz 3 GWB dar, die eine Gesamtvergabe rechtfertigen. Selbst bei einem unterstellt erhöhten Abstimmungsaufwand auf Grund mehrerer Auftragnehmer ist es für die Kammer nicht ersichtlich, inwieweit sich die Kosten für die eingekauften Dienstleistungen jedenfalls so erheblich erhöhen, dass die von der Literatur und Rechtsprechung entwickelten Schwellen erreicht werden. Maßgeblich sind insoweit nur unmittelbar mit der Beschaffung verbundene Kosten. Ebenso wenig kann der Aufwand, mit dem die Vertragsgemäßheit sichergestellt werden, vorliegend einen wirtschaftlichen Grund darstellen. Dies mag dann gegeben sein, wenn statt einer Gesamtlosvergabe die Vergabe einer Vielzahl von “Kleinstlosen” (sog. Splitterlose) im Raum steht (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 11.01.2012 – Verg 51/11). Bei der Vergabe der Verpflegungsdienstleistungen handelt es sich aber schon dem Umfang nach nicht um ein Splitterlos. Im Übrigen ist der Antragsgegner auch nicht gezwungen, den Bereich Verpflegungsdienstleistungen in weitere kleinere Fachlose “aufzusplitten”. Auch ist die Sicherstellung der Vertragsgemäßheit der Fachlosvergabe immanent und stellt einen damit typischerweise verbundenen Mehraufwand dar (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 11.01.2012 – Verg 51/11). Im Übrigen kann auch der Vortrag des Antragsgegners, er müsse zur Vertragsüberwachung weiteres Personal einstellen, nicht zu seinem Vorteil gereichen. Die Sicherstellung ausreichender Personalkapazitäten liegt im Verantwortungsbereich des Antragsgegners. Steigende Personalkosten auf Grund von notwendigen Neueinstellungen können daher grundsätzlich keine Gesamtlosvergabe begründen.

Inwieweit eine Gesamtvergabe auf Grund eines “Generalunternehmeraufschlags” teurer ist als eine Fachlosvergabe, ist vorliegend nicht entscheidungserheblich.

Im Ergebnis kann sich der Antragsgegner folglich nicht auf die Gesamtvergabe diverser Leistungen, insbesondere nicht auf die Einbeziehung von Verpflegungsdienstleistungen in die Gesamtvergabe, berufen, weil dies vorliegend nach § 97 Absatz 4 GWB nicht gerechtfertigt ist.

3. Die Antragstellerin ist gemäß § 168 Absatz 1 GWB in ihren Rechten verletzt, weil sie ein am Markt “Verpflegungsdienstleistungen” tätiges Unternehmen ist und sie unmittelbar durch die Vorgehensweise des Antragsgegners betroffen ist. Dies lässt sich auch aus den vorhandenen Teilnehmeranträgen herleiten, weil es sich überwiegend um Bieter handelt, die schwerpunktmäßig im Bereich der sozialen Betreuung tätig sind. Bieter, die andere besondere Dienstleistungen erbringen, wie Reinigungsdienstleistungen oder Verpflegungsdienstleistungen, haben sich bislang überhaupt nicht beworben. Die Antragstellerin trägt zu Recht vor, dass ihr durch die Art der Ausschreibung der Zugang zur Vergabe verwehrt wird.

Unbeachtlich und in der Sache unzutreffend ist insoweit der Vortrag des Antragsgegners, dass die Gesamtvergabe keine gravierenden Nachteile für die Antragstellerin darstelle und sie ihr verfolgtes Geschäftsmodell nicht in allen Einrichtungen vollständig umsetzen könne. Vielmehr ist es für ein Unternehmen in der Regel immer von Nachteil, wenn es in die Position eines Nachunternehmers gedrängt wird. Im Übrigen kann der Antragsgegner aufgrund seines Leistungsbestimmungsrecht entsprechende Vorgaben in seiner Ausschreibung machen, die dann von den Bietern zu akzeptieren sind. Er muss somit nicht das Geschäftsmodell der Antragstellerin wählen, sondern kann je nach Einrichtung – beispielsweise vor Ort kochen oder liefern lassen- seine Vorstellungen umsetzen.

Da der Nachprüfungsantrag sich lediglich auf 3 Lose bezieht, bezieht sich auch die Entscheidung der Vergabekammer nur auf die im Tenor genannten Lose Nr. 7, Nr. 8 und Nr. 10.

Der Antragsgegner wird somit verpflichtet – soweit weiterhin Beschaffungsbedarf bestehen sollte – in Bezug auf die vorstehend genannten Lose die Ausschreibung mit der Bekanntmachung neu zu beginnen und dabei die Rechtsauffassung der Vergabekammer zu § 97 Absatz 4 GWB zu beachten.

III.

Gemäß § 182 Abs. 1 GWB werden für Amtshandlungen der Vergabekammer Kosten (Gebühren und Auslagen) zur Deckung des Verwaltungsaufwandes erhoben. Das Verwaltungskostengesetz vom 23. Juni 1970 (BGBl. I. S. 821) in der am 14. August 2013 geltenden Fassung ist anzuwenden.

Die Gebühr beträgt gemäß § 182 Absatz 2 GWB mindestens 2.500 Euro; dieser Betrag kann aus Gründen der Billigkeit bis auf ein Zehntel ermäßigt werden. Die Gebühr soll den Betrag von 50.000 Euro nicht überschreiten; sie kann im Einzelfall, wenn der Aufwand oder die wirtschaftliche Bedeutung außergewöhnlich hoch ist, bis zu einem Betrag von 100.000 Euro erhöht werden. Soweit ein Beteiligter im Verfahren unterliegt, hat er gemäß § 182 Absatz 3 GWB die Kosten zu tragen.

Die Kammer setzt vorliegend eine Gebühr in Höhe von … Euro fest. Für die Berechnung der Verfahrensgebühr zieht die Kammer die Gebührentabelle der Vergabekammern des Bundes und der Länder heran (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 06.01.2005 – Verg 30/05). Maßgeblich für die Berechnung der Gebühr ist grundsätzliche die streitbefangene Auftragssumme (vgl. BGH, Beschluss vom 25.10.2011, X ZB 5/10).

Vorliegend war die Antragstellerin gehindert, ein eigenes Angebot abzugeben. Die Kammer schätzt daher – nach Anhörung der Verfahrensbeteiligten – den Wert der Verpflegungsleistungen für die drei streitgegenständlichen Lose jährlich auf … Euro brutto. Maßgeblich sind insoweit die von den Verfahrensparteien übermittelten Einschätzungen, wobei die Kammer bei ihrer Ermittlung einerseits eine Preissteigerung im Vergleich zur 4. Staffel berücksichtigt hat, andererseits aber auch die laut den Referenzangaben der Antragstellerin bisher erzielten Umsätze. Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte hat die Kammer einen Mittelwert gebildet.

Diese Gebühr ist dem Antragsgegner aufzuerlegen, der aber als juristische Person des öffentlichen Rechts gemäß § 182 Absatz 1 GWB in Verbindung mit § 8 Absatz 1 Nummer 2 Verwaltungskostengesetz des Bundes von den Gebühren befreit ist.

Soweit ein Beteiligter im Verfahren unterliegt, hat er gemäß § 182 Absatz 4 GWB die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen des Antragsgegners zu tragen. Die Hinzuziehung von Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragstellerin zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung war notwendig, da die Verfahrensführung in einem Nachprüfungsverfahren für rechtliche Laien häufig unübersichtlich ist und schnell zu Fehlentscheidungen führt. Insbesondere waren vorliegend schwierige und komplexe vergaberechtliche Fragen streitentscheidend. Insbesondere die Zulässigkeit einer Gesamtlosvergabe ist auch vor dem Hintergrund einer nicht immer ganz einheitlichen Rechtsprechung nur schwer zu bewerten und erfordert vergaberechtliche Expertise. Daneben ist das Nachprüfungsverfahren gerichtsähnlich konzipiert, so dass auch prozessuale Kenntnisse erforderlich sind, um eigene Rechte wirksam wahren zu können. Die notwendigen Aufwendungen zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung der Antragstellerin werden dem Antragsgegner auferlegt.

Rechtsmittelbelehrung

(…)

Lieferengpässe und Preissteigerungen wichtiger Baumaterialien als Folge des Ukraine-Kriegs

Lieferengpässe und Preissteigerungen wichtiger Baumaterialien als Folge des Ukraine-Kriegs

BWI7-70437/9#4
Berlin, 25. März 2022

Aufgrund der Kriegsereignisse in der Ukraine und der in der Folge verhängten weltweiten Sanktionen gegen Russland sind die Preise vieler Baustoffe zum Teil extrem gestiegen. Rund 30 Prozent des Baustahls kommen aus Russland, der Ukraine und Weißrussland. Hinzu kommt der hohe Anteil von Roheisen (40 Prozent aus diesen Ländern) und diverser weiterer Rohstoffe, die für die Stahllegierung notwendig sind (Nickel 25 Prozent und Titan 75 Prozent). Auch rund 30 Prozent der hiesigen Bitumenversorgung erfolgt in Abhängigkeit von Russland, mit entsprechenden Auswirkungen auf den deutschen Straßenbau. Auch die Kosten für Energie und Kraftstoffe sind erheblich gestiegen.

Um den Auswirkungen für kommende und laufende Bundesbaumaßnahmen entgegenzuwirken, wird für die Produktgruppen

  • Stahl und Stahllegierungen
  • Aluminium
  • Kupfer
  • Erdölprodukte (Bitumen, Kunststoffrohre, Folien und Dichtbahnen, Asphaltmischgut)
  • Epoxidharze
  • Zementprodukte
  • Holz
  • Gusseiserne Rohre

    folgende Sonderregelung getroffen:


I. Stoffpreisgleitklausel für Betriebsstoffe
Von der Regelung in Nummer 2.3 der Richtlinie zum Formblatt 225 des VHB (ausnahmsweise Vereinbarung einer Stoffpreisgleitklausel für Betriebsstoffe) darf bei maschinenintensiven Gewerken Gebrauch gemacht werden, vorausgesetzt, beide der nachfolgend genannten Voraussetzungen treffen zu:

1. Die Vertragsunterlagen sind so aufgestellt, dass sie sich für die indexbasierte Preisgleitung eignen
(eigene Ordnungsziffer).
2. Der Wert der Betriebsstoffe übersteigt ein Prozent der geschätzten Auftragssumme.

II. Neue Vergabeverfahren
Trotz der mit den Preissteigerungen einhergehenden Unwägbarkeiten sind ausschreibungsreife Gewerke zu vergeben, Planungen fortzusetzen und zur Ausschreibung zu führen. Die Voraussetzung Nummer 2.1 a) der Richtlinie zum Formblatt 225 VHB (nicht kalkulierbares Preisrisiko) für die o.g. Produkte ist erfüllt. Nummer 1d) der „Grundsätze zur Anwendung von Preisvorbehalten bei öffentlichen Aufträgen“ vom 4. Mai 1972 wird vorübergehend dahin ausgelegt, dass die Vereinbarung einer Preisgleitklausel auch dann zulässig ist, wenn der Zeitraum zwischen Angebotsabgabe und Lieferung bzw. Fertigstellung einen Monat beträgt. Damit gilt die Voraussetzung der Nummer 2.1 b) der Richtlinie zum Formblatt 225 VHB (Zeitraum zwischen Angebotsabgabe und Lieferung/Fertigstellung) als erfüllt, wenn der Zeitraum zwischen Angebotsabgabe und Lieferung/Fertigstellung einen Monat überschreitet.
Liegen die Voraussetzungen der Nummer 2.1 c) der Richtlinie zum Formblatt 225 (Stoffkostenanteil beträgt mindestens ein Prozent der geschätzten Auftragssumme) vor, sind im Formblatt 225 alle Stoffe, die der Preisgleitung unterworfen werden sollen, mit ihren Ordnungsziffern (LV-Positionen),
der entsprechenden GP-Nummer, einem Basiswert 1 inkl. Zeitpunkt seiner Ermittlung und der jeweilige Abrechnungszeitpunkt (Einbau, Lieferung oder Verwendung) einzutragen. Sind für die Festlegung des Basiswertes 1 von einschlägigen Händlern keine Angebote zu erhalten, ist der Basiswert aus Angeboten vorausgegangener Ausschreibungen oder aus Erfahrungswerten, ggf. mit einem Zuschlag versehen, festzulegen und bei Erfordernis während des Vergabeverfahrens anzupassen.
Das Formblatt ist den Vergabeunterlagen beizufügen. Neben dem Formblatt 225 ist den Vergabeunterlagen auch das diesem Erlass (nochmals) beigefügte Hinweisblatt beizufügen und im Anlagenverzeichnis der Aufforderung zur Angebotsabgabe unter Buchstabe A aufzunehmen. Zur Sicherstellung des Wettbewerbs sind Vertragsfristen der aktuellen Situation angepasst zu vereinbaren. Vertragsstrafen sind nur in begründeten Ausnahmefällen zu vereinbaren.

III. Laufende Vergabeverfahren
Soweit Vergabeverfahren bereits eingeleitet sind, aber die Angebote noch nicht geöffnet wurden, sind die Stoffpreisgleitklauseln nachträglich einzubeziehen. Ausführungsfristen sind an die aktuelle Situation anzupassen. Die Angebotsfrist ist ggf. zu verlängern.
Bieteranfragen zur Vereinbarung einer Stoffpreisgleitklausel zu o.g. Produktgruppen ist zu folgen, es sei denn, der Zeitraum zwischen Angebotsabgabe und Lieferung/Fertigstellung unter-schreitet einen Monat oder der Stoffkostenanteil des betroffenen Stoffes unterschreitet wertmäßig ein Prozent der von der Vergabestelle geschätzten Auftragssumme. Ist die Angebots(er)öffnung bereits erfolgt, ist das Verfahren zur Vermeidung von Streitigkeiten bei der Bauausführung in den Stand vor Angebotsabgabe zurück zu versetzen, um Stoffpreisgleitklauseln einbeziehen und ggf. Ausführungsfristen verlängern zu können.

IV. Anpassungen in bestehenden Verträgen
Bestehende Verträge sind grundsätzlich einzuhalten und die Leistungen von den Unternehmen wie beauftragt auszuführen. Ungeachtet dessen können die Kriegsereignisse in der Ukraine und die dadurch unmittelbar oder mittelbar hervorgerufenen Materialengpässe und Materialpreissteigerungen auch insoweit rechtliche Folgen haben.

IV.1 Verlängerung von Vertragslaufzeiten, § 6 VOB/B
Sind Materialien aus den eingangs genannten Produktgruppen nachweislich nicht oder vorüber-gehend nicht, auch nicht gegen höhere Einkaufspreise als kalkuliert, durch das Unternehmen beschaffbar, ist von einem Fall der höheren Gewalt bzw. einem anderen nicht abwendbaren Ereignis im Sinne von § 6 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe c) VOB/B auszugehen. Als Rechtsfolge wird die Ausführungsfrist verlängert um die Dauer der Nichtlieferbarkeit der Stoffe zuzüglich eines angemessenen Aufschlags für die Wiederaufnahme der Arbeiten, § 6 Absatz 4 VOB/B. Schadens-ersatz- oder Entschädigungsansprüche gegen das Unternehmen entstehen dadurch nicht. Umgekehrt gerät auch der Auftraggeber ggü. Folgegewerken nicht in Annahmeverzug, wenn sich deren Leistung in der Folge verschieben muss (vgl. BGH, Urteil vom 20.4.2017 – VII ZR 194/13).

IV.2 Störung der Geschäftsgrundlage, § 313 BGB
Sind die Materialien aus den eingangs genannten Produktgruppen zwar zu beschaffen, muss das Unternehmen jedoch höhere Einkaufspreise zahlen als kalkuliert, gilt folgendes:
Auftraggeber und Auftragnehmer haben den Vertrag in der Annahme geschlossen, dass sich die erforderlichen Materialien grundsätzlich beschaffen lassen und deren Preise nur den allgemeinen Unwägbarkeiten des Wirtschaftslebens unterliegen. Sie hätten den Vertrag nicht mit diesem Inhalt geschlossen, hätten sie gewusst, dass die kommenden Kriegsereignisse in der Ukraine derart unvorhersehbaren Einfluss auf die Preisentwicklung nehmen würden.
Zwar weist der Bauvertrag das Materialbeschaffungsrisiko grundsätzlich der Sphäre des Unternehmens zu. Das gilt jedoch nicht in Fällen höherer Gewalt.
Insoweit sind die Ereignisse grundsätzlich geeignet, die Geschäftsgrundlage des Vertrages im Sinne von § 313 BGB zu stören.
Die daran anschließende weitere Frage, ob dem Unternehmen gleichwohl das Festhalten an den unveränderten Vertragspreisen zumutbar ist, kann nicht allgemein, sondern nur im Einzelfall beantwortet werden. Es gibt keine feste Grenze, ab deren Überschreiten von einer Unzumutbarkeit auszugehen ist. Die Rechtsprechung hat zum ebenfalls auf eine gestörte Geschäftsgrundlage abstellenden und daher vergleichbaren § 2 Absatz 7 VOB/B (Änderungen im Pauschalvertrag) in einzelnen Entscheidungen Werte zwischen 10 und 29 Prozent Mengen- bzw. Preissteigerung an-genommen, bei denen von einer Unzumutbarkeit auszugehen war. Ähnlich uneinheitlich ist das Meinungsbild in der baurechtlichen Literatur, die Angaben bewegen sich zwischen 20 und 25 Prozent, teilweise aber auch bereits bei 15 Prozent Kostensteigerung (vgl. Beck’scher VOB-Kommentar, Teil B, Rn. 66 f.; BeckOK VOB/B, Rn. 34).
Dabei ist nicht auf die einzelne Position, sondern auf eine Gesamtbetrachtung des Vertrages ab-zustellen. Je geringer der Anteil einer betroffenen Position am Gesamtauftragsvolumen ist, desto höher wird die anzusetzende Schwelle sein. In die Betrachtung sind bereits geschlossene Nachtragsvereinbarungen und bereits vorliegende oder angekündigte Nachtragsangebote einzubeziehen. Eine ohne Vertragsanpassung drohende Insolvenz des Unternehmens ist einerseits zwar nicht Voraussetzung, andererseits genügt es nicht, wenn die höheren Materialpreise den kalkulierten Gewinn aufzehren (die insoweit stellenweise angeführte Entscheidung des BGH aus 2011 (Urteil vom 30.06.2011, AZ VII ZR 13/10) betraf einen Einzelfall, bei dem irreführende Angaben des Auftraggebers in der Leistungsbeschreibung zu einer Fehlkalkulation des Unternehmens bei-getragen haben; sie ist nicht verallgemeinerungsfähig).
Wenn nach dieser Prüfung von einer gestörten Geschäftsgrundlage auszugehen ist, hat das Unternehmen einen Anspruch auf Anpassung der Preise für die betroffenen Positionen. Das bedeutet nicht, dass der Auftraggeber sämtliche die Kalkulation übersteigenden Kosten trägt. Die Höhe der Vertragsanpassung ist im Einzelfall festzusetzen, wobei die o.g. Gesichtspunkte der Zumutbarkeit erneut zu berücksichtigen sind. Eine Übernahme von mehr als der Hälfte der Mehrkosten wird jedenfalls regelmäßig unangemessen sein. Grundlage der Anpassung sind die reinen Materialpreise. Die Zuschläge für BGK, AGK, Wagnis und Gewinn bleiben unberücksichtigt.
Ich weise vorsorglich darauf hin, dass, sollte die Zumutbarkeit durch die Preisanpassung nicht wiederhergestellt werden können, dem Unternehmen nach § 313 Absatz 3 BGB ein Rücktrittsrecht vom Vertrag bzw. ein Sonderkündigungsrecht zusteht. Das bedeutet nicht, dass den Forderungen der Unternehmen in vollem Umfang Rechnung getragen werden muss. Das Risiko einer insoweit unberechtigten Kündigung trägt das Unternehmen.

IV.3 Veränderung von Verträgen, § 58 BHO
Der Vollständigkeit halber weise ich darauf hin, dass Verträge zum Nachteil des Bundes und zu Gunsten der Unternehmen auch unterhalb der Schwelle der gestörten Geschäftsgrundlage geändert werden können, vgl. Nummer 1.1 VV zu § 58 BHO.
Der Begriff des „Nachteils“ erlaubt es, nicht allein auf die wirtschaftliche Situation des Unternehmens abstellen zu müssen, sondern in eine Gesamtabwägung der Vor- und Nachteile für die Baumaßnahme eintreten zu können. Ergibt diese Gesamtabwägung beispielsweise, dass eine Anpassung von Preisen den termingerechten Fortgang der Baumaßnahmen fördert, Auseinandersetzungen an anderer Stelle vermeidet, Verwaltungsaufwand und Folgekosten (etwa durch längere Nutzung eines Ersatzmietobjekts) erspart, mag bereits kein Nachteil im wirtschaftlichen Sinne vorliegen.
Nur wenn nach dieser Abwägung dem Bund ein wirtschaftlicher Nachteil erwachsen würde, kommt es auf die Frage an, ob ein besonders begründeter Ausnahmefall vorliegt, weil das Unter-nehmen unbillig benachteiligt ist, da sich seine wirtschaftlichen Verhältnisse bei Vertragserfüllung infolge ihm nicht zuzurechnender Umstände erheblich verschlechtern würden (siehe VV Nummer 1.4 zu § 58 BHO). Insoweit übertrage ich meine Entscheidungsbefugnisse auf die Fachaufsicht führende Ebene. Sollte ein besonders begründeter Ausnahmefall festgestellt werden und Verträge angepasst werden, bedarf es ab einem Betrag von 125.000 Euro (Höhe des Nachteils des Bundes) der Zustimmung des BMF, die über mich einzuholen wäre. Ergibt die Gesamtabwägung der Umstände bereits keinen Nachteil (s.o.), bedarf es einer solchen Zustimmung nicht.

IV.4 Nachweis durch die Unternehmen
Eine Preisanpassung muss das Unternehmen beantragen. Begehrt das Unternehmen eine Preisanpassung, sei es nach § 313 BGB, sei es nach § 58 BHO, ist es für die Darlegung der Voraussetzungen vollständig in der Pflicht. Insoweit ist beispielsweise zu verlangen:

  • Urkalkulation/Preisblätter
  • Nachweis der tatsächlichen Einkaufskosten und Versicherung des Unternehmens, dass etwaige Rückvergütungen oder Nachlässe des Baustofflieferanten o.ä. abgezogen sind
  • Nachweis der Marküblichkeit der tatsächlichen Einkaufspreise durch Vorlage von Vergleichsangeboten


    IV.5 Nachträgliche Vereinbarung einer Stoffpreisgleitklausel
    Nach Prüfung der Unterlagen und in der Gesamtabwägung des Einzelfalls nach Ziffer IV.2 bzw. IV.3 kann auch die nachträgliche Einbeziehung einer Stoffpreisgleitklausel in einen bestehenden Vertrag in Frage kommen. Dabei ist folgendes zu beachten: Eine nachträgliche Vereinbarung kommt nur in Betracht für solche Verträge, bei denen bisher höchstens die Hälfte der Leistungen aus den o.g. Produktgruppen ausgeführt wurde. Preisgleitung kommt dabei nur für noch nicht erbrachte Leistungsteile in Betracht. Für die betroffenen Positionen ist eine GP-Nummer festzulegen, der Abrechnungszeitpunkt (s. Formblatt 225) zu bestimmen und der Basiswert 2 in Höhe des Materialanteils der jeweiligen Position aus dem Angebot des Auftragnehmers festzulegen. Die Fortschreibung auf den Basiswert 3 erfolgt über die Indizes des statistischen Bundesamtes auf die gewohnte Weise. Für die Ermittlung der Mehr-/Minderaufwendungen ist die Differenz aus Basiswert 3 und Basiswert 2 mit der ausgeführten Menge zu multiplizieren. Anstelle der im Formblatt 225 festgelegten Selbstbeteiligung von 10 Prozent ist mit dem Auftragnehmer eine Selbstbeteiligung in Höhe von 20 Prozent zu vereinbaren.

Die nachträgliche Vereinbarung erstreckt sich auf alle noch nicht erbrachten Teilleistungen, deren Ausführung in die Laufzeit des Erlasses fällt.

IV.6 Auftragsänderung, § 132 GWB bzw. § 22 EU VOB/A
Eine etwaige Preisanpassung im bestehenden Vertrag berührt den Anwendungsbereich des § 132 GWB. Hier gilt folgendes.
Nach § 132 Absatz 1 Nummer 2 GWB liegt eine wesentliche Auftragsänderung u.a. insbesondere dann vor, wenn mit der Änderung das wirtschaftliche Gleichgewicht des öffentlichen Auftrags zugunsten des Auftragnehmers in einer Weise verschoben wird, die im ursprünglichen Auftrag nicht vorgesehen war. Nach dem Vorgesagten dient § 313 BGB gerade dazu, das ursprüngliche wirtschaftliche Gleichgewicht des Vertrages wiederherzustellen. Es wird nicht zugunsten des Auftragsnehmers verschoben. Insoweit ist im Umkehrschluss regelmäßig bereits nicht von einer wesentlichen Auftragsänderung auszugehen.
Sollte – hilfsweise – gleichwohl eine wesentliche Vertragsänderung anzunehmen sein, so ist eine solche ohne Durchführung eines neuen Vergabeverfahrens zulässig, soweit die Änderung aufgrund von Umständen erforderlich geworden ist, die der öffentliche Auftraggeber im Rahmen seiner Sorgfaltspflicht nicht vorhersehen konnte, und sich aufgrund der Änderung der Gesamtcharakter des Auftrags nicht verändert (§ 132 Absatz 2 Nummer 3 GWB).
Davon ist auszugehen, da die Kriegsereignisse in der Ukraine und ihre Folgen für den Auftraggeber in gleicher Weise unvorhersehbar waren wie für den Auftragnehmer.
Der Preis darf in diesem Fall nicht um mehr als 50 Prozent des Wertes des ursprünglichen Auftrags erhöht werden. Eine solche Vertragsänderung wäre im Amtsblatt der Europäischen Union bekannt zu machen.

Schließlich ist – ebenfalls hilfsweise – die Änderung eines öffentlichen Auftrags zulässig, wenn sich der Gesamtcharakter des Auftrags nicht ändert und der Wert der Änderung (Summe aller Auftragsänderungen) den europäischen Schwellenwert nicht übersteigt und nicht mehr als 15 Prozent des ursprünglichen Auftragswertes beträgt. In diesem Fall bedarf es auch keiner Bekanntmachung der Änderung.

Ich bitte um Bericht, sollte eine etwaige Preisanpassung vergaberechtlich angegriffen werden.

V. Inkrafttreten
Die Regelungen treten mit sofortiger Wirkung in Kraft und sind befristet bis 30. Juni 2022.

Im Auftrag
gez.
i.V. Lothar Fehn Krestas