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LG Hildesheim zu der Frage des Arbeitsschutzes im Hochbau und den strafrechtlichen Implikationen der Verletzung von Arbeitsschutzpflichten

LG Hildesheim zu der Frage des Arbeitsschutzes im Hochbau und den strafrechtlichen Implikationen der Verletzung von Arbeitsschutzpflichten

vorgestellt von Thomas Ax

1. Die gesetzlichen Arbeitsschutzpflichten des Arbeitgebers werden durch die BaustellV nicht berührt.
2. Wer entgegen der Arbeitsstättenrichtlinie ASR A2.1 keine Absturzsicherung vorsieht, verletzt seine Verkehrssicherungspflicht.
3. Grundsätzlich entfällt die strafrechtliche Verantwortlichkeit eines Arbeitgebers für die Unfallfolgen bei einem von ihm begangenen Verstoß gegen Unfallverhütungsvorschriften, der zur Verletzung eines in seinem Betrieb beschäftigten Arbeitnehmers führt, nicht deshalb, weil dem Arbeitnehmer die Nichteinhaltung der Unfallverhütungsvorschriften bekannt war und er in Kenntnis der hieraus entspringenden Gefahren für Leib und Leben seine Arbeitsleistung erbrachte. Etwas anderes kann in Fällen eigenverantwortlicher Selbstgefährdung gelten (hier verneint).
4. Sicherungspflichten können grundsätzlich an andere Personen übertragen oder delegiert werden, jedoch geht damit nicht zwingend einher, dass der ursprünglich Verantwortliche gänzlich von seinen Pflichten frei würde. Im Fall einer vertikalen Arbeitsteilung (hier: zwischen Arbeitgeber und Polier) sind durch den ursprünglich Pflichtigen organisatorische Maßnahmen zu treffen.
5. Ein Polier ist auf der Baustelle – zumindest sekundär – sicherungspflichtig. Einer ausdrücklichen Übertragung der Pflichten bedarf es insoweit nicht. Regelmäßig begründet bereits die tatsächliche Übernahme eines entsprechenden Pflichtenkreises diesbezügliche Sorgfaltspflichten.
LG Hildesheim, Beschluss vom 14.05.2024 – 20 Qs 55/23
vorhergehend:

Gründe

I.

Die Staatsanwaltschaft Hildesheim hat am 13.09.2022 Anklage gegen die Angeschuldigten wegen des Vorwurfs einer am 31.08.2020 in A. begangenen fahrlässigen Körperverletzung gem. §§ 223 Abs. 1, 229 StGB erhoben. In der Anklageschrift wurde folgender Sachverhalt zur Last gelegt:

Obwohl den in Folge ihrer Stellung als Bauunternehmer und Polier für die Arbeitssicherheit auf der Baustelle verantwortlichen Angeschuldigten K. und S. bewusst war, dass auf der Baustelle “W.-Durchlass” in der H. Straße in A. weder eine erforderliche Gefährdungsbeurteilung für den Höhenarbeitsplatz zur Montage der anzubringenden Stahlträger vorgenommen, noch eine ausreichende Absturzsicherung angebracht worden war, ließen sie die Arbeiten trotz jeweiliger Kenntnis über die Gefahrensituation fortlaufen und stoppten diese im Hinblick auf den einzuhaltenden Terminplan auf der Baustelle nicht. Auch wies der Angeschuldigte S. den Angeschuldigten K. nicht auf das Erfordernis einer ordnungsgemäßen Absicherung hin.

In der Folge der unterbliebenen gebotenen Absicherungsmaßnahmen, welche durch beide Angeschuldigten in ausreichendem Maße jeweils hätten veranlasst werden können, kam es im Rahmen der Montage eines Stahlträgers zu einem Absturz des Geschädigten E., was die Angeschuldigten im Hinblick auf ihre berufliche Erfahrung und Qualifikation hätten erkennen können und müssen.

Der Geschädigte E. wurde bei dem Sturz von mehreren Moniereisen durchstoßen. Er erlitt eine Perforation des Beckenbodens, eine knöcherne Absprengung am vorderen Schambeinast, eine Abscherverletzung des vorderen Beckenrings, Perforationen des Dünndarms sowie intraperitonealen Rektums, eine Weichteilperforation im Oberschenkel sowie eine akute Belastungsstörung.

Mit der angefochtenen Entscheidung vom 09.08.2023 hat das Amtsgericht Alfeld (Leine) – nach Beteiligung der Angeschuldigten – die Eröffnung des Hauptverfahrens aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen abgelehnt, da die Angeschuldigten der ihnen zur Last gelegten Tat nicht hinreichend verdächtig seien. Auf die weiteren Ausführungen des Beschlusses wird Bezug genommen.

Gegen die ihr am 15.08.2023 zugegangene Ablehnung der Eröffnung des Hauptverfahrens richtet sich die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Hildesheim vom 17.08.2023, eingegangen bei dem Amtsgericht Alfeld (Leine) am selben Tage. Die Staatsanwaltschaft begehrt darin die Zulassung der Anklage und die Eröffnung des Hauptverfahrens. Auf die Ausführungen der Rechtsmittelschrift wird ebenfalls Bezug genommen.

Die Kammer hat den Angeklagten und ihren Verteidigern vor der Entscheidung der Kammer gem. § 308 Abs. 1 StPO Gelegenheit zur Stellungnahme zu der Beschwerdeschrift der Staatsanwaltschaft Hildesheim gegeben.

II.

Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen die Nichteröffnung des Hauptverfahrens ist zulässig und führt in der Sache auch zum Erfolg.

1. Das Amtsgericht Alfeld (Leine) hat den Antrag auf Eröffnung des Hauptverfahrens zu Unrecht aus rechtlichen und tatsächlichen Gründen abgelehnt. Die angefochtene Entscheidung war aufzuheben, weil die Angeschuldigten nach dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens hinreichend verdächtig sind, die ihnen vorgeworfene Tat begangen zu haben (§ 203 StPO). Ein hinreichender Tatverdacht besteht bei vorläufiger Tatbewertung in der Wahrscheinlichkeit der späteren Verurteilung, es genügt also ein schlichtes Überwiegen der Verurteilungswahrscheinlichkeit (vgl. BGHSt 54, 275, 281; BGH StV 2001, 579, 580; BGH NStZ-RR 2004, 227; KK-StPO/Schneider, 9. Aufl. 2023, StPO § 203 Rn. 4 m.w.N.; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 66. Auflage 2023, § 203 Rn. 2 m.w.N.). Diese ist nach dem bisherigen Ermittlungsergebnis gegeben.

Das Amtsgericht vertritt in der angefochtenen Entscheidung die Auffassung, dass eine Überführung der Angeschuldigten anhand der zur Verfügung stehenden Beweismittel nicht gelinge. Die Kammer teilt diese Auffassung bei Bewertung des bisherigen Akteninhalts nicht. Für den Grundsatz in dubio pro reo ist bei dem Wahrscheinlichkeitsurteil im Zwischenverfahren ohnehin noch kein Raum (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 66. Auflage 2023, § 203 Rn. 2 m.w.N.). Zwar kann der hinreichende Verdacht mit der Begründung verneint werden, dass nach Aktenlage bei den gegebenen Beweismöglichkeiten am Ende wahrscheinlich das Gericht nach dem Grundsatz freisprechen wird (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O. m.w.N.), allerdings drängen sich im vorliegenden Fall nach dem aktuellen Ermittlungsergebnis Indizien in einem Maße auf, die der Wahrscheinlichkeit eines Freispruchs jedenfalls zum jetzigen Zeitpunkt entgegenstehen.

2. Nach dem bisherigen Beweisergebnis ist in einer Gesamtschau jedenfalls derzeit eine spätere Verurteilung der Angeschuldigten wegen fahrlässiger Körperverletzung durch Unterlassen gem. §§ 229, 13 Abs. 1 StGB wahrscheinlich.

Eine derartige Strafbarkeit der Angeschuldigten würde insbesondere erfordern, dass sie rechtlich – zumindest auch – dafür einzustehen hatten, dass die infolge des Sturzes hervorgerufene Körperverletzung des Geschädigten E. nicht eintritt. Das ist vorliegend der Fall.

a) Vorauszuschicken sind zunächst die anerkannten Rechtsgrundsätze, die der Bundesgerichtshof unter anderem in seinem Urteil vom 13. November 2008 (4 StR 252/08 -, BGHSt 53, 38-45, Rn. 16) dargestellt hat und denen sich die Kammer anschließt:

“Jeder, der Gefahrenquellen schafft oder unterhält, (hat) die nach Lage der Verhältnisse erforderlichen Vorkehrungen zum Schutz anderer Personen zu treffen (st. Rspr.; BGHZ 103, 338, 340; BGHR BGB § 823 Abs. 1 Verkehrssicherungspflicht 18). Diese Sicherungspflicht wird indes nicht bereits durch jede bloß theoretische Möglichkeit einer Gefährdung ausgelöst; da eine absolute Sicherung gegen Gefahren und Schäden nicht erreichbar ist und auch die berechtigten Verkehrserwartungen nicht auf einen solchen absoluten Schutz ausgerichtet sind, beschränkt sich die Verkehrssicherungspflicht auf das Ergreifen solcher Maßnahmen, die nach den Gesamtumständen zumutbar sind und die ein verständiger und umsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren. Haftungsbegründend wirkt demgemäß die Nichtabwendung einer Gefahr erst dann, wenn sich vorausschauend für ein sachkundiges Urteil die nahe liegende Möglichkeit ergibt, dass Rechtsgüter anderer Personen verletzt werden können (st. Rspr.; vgl. BGHR BGB § 823 Abs. 1 Verkehrssicherungspflicht 31). Diese in der zivilrechtlichen Rechtsprechung entwickelten Grundsätze sind maßgebend auch für die Bestimmung der strafrechtlichen Anforderungen an die im Einzelfall gebotene Sorgfaltspflicht. Ausgangspunkt dafür ist jeweils das Maß der Gefahr mit der Folge, dass die Sorgfaltsanforderungen umso höher sind, je größer bei erkennbarer Gefährlichkeit einer Handlung die Schadenswahrscheinlichkeit und Schadensintensität sind (zur Abhängigkeit zwischen dem Maß der Gefahr und der Sorgfaltspflicht BGHSt 37, 184, 187; 47, 224, 230 f.; Landau, Das strafrechtliche Risiko der am Bau Beteiligten, wistra 1999, 47, 49).”

b) Hiernach besteht zunächst ein hinreichender Tatverdacht gegen den Angeschuldigten K. in seiner Funktion als Arbeitgeber des Zeugen E., weil er mit hinreichender Wahrscheinlichkeit gegen die ihm aus der Baustellenverordnung und dem Arbeitsschutzgesetz obliegende Sorgfaltspflicht zur Sicherung der Arbeitsstätte des Mitarbeiters E. verstoßen und somit seine sich aus § 618 Abs. 1 BGB folgende Garantenstellung, die durch die speziellen Arbeitsschutz- und Unfallverhütungsvorschriften konkretisiert wird (vgl. OLG Rostock, Urteil vom 10. September 2004 – 1 Ss 80/04 I 72/04 -, Rn. 8, juris), verletzt hat.

aa) Aus den oben dargestellten, allgemein anerkannten Rechtsgrundsätzen zu Verkehrssicherungsplichten folgt, dass aus der Zuständigkeit des Unternehmens des Angeschuldigten K. für die konkret beauftragten Arbeiten die Verpflichtung resultiert, Dritte vor den durch die Arbeiten drohenden Gefahren zu schützen und die hierzu erforderlichen Vorkehrungen zu treffen. Diese Pflicht bestand grundsätzlich nicht nur gegenüber Außenstehenden, wie etwa befugten Besuchern der Baustelle, sondern auch gegenüber den an dem Bau tätigen Arbeitnehmern, solange sie nicht selbst sicherungspflichtig sind (vgl. BGH, Urteil vom 13. November 2008 – 4 StR 252/08 -, BGHSt 53, 38-45, Rn. 17 m.w.N.; Palandt-Sprau, BGB, 83. Auflage 2024, § 823 Rn. 201).

Die allgemeinen Regelungen erfahren darüber hinaus durch spezielle Vorschriften noch eine Konkretisierung. Insbesondere hat ein Arbeitgeber zum Schutz seiner Beschäftigten gem. § 5 Abs. 1 BaustellV – unabhängig von den nach der Baustellenverordnung den Bauherren treffenden Pflichten – bei der Ausführung von Arbeiten die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes zu treffen und – soweit vorhanden – den Sicherheits- und Gesundheitsschutzplan bzw. die Hinweise des Koordinators zu berücksichtigen.Die Regelung stellt eine spezielle Ausprägung der allgemeinen Grundsätze der §§ 4, 5 ArbSchG dar und grenzt die Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten der Arbeitgeber gegenüber dem Bauherrn als Verpflichteten aus der BaustellV ab (vgl. BeckOK ArbSchR/Meyer, 17. Ed. 1.1.2024, BaustellV § 5 Rn. 3-5). Der Arbeitgeber bleibt damit verpflichtet, im Rahmen des Arbeitsschutzes die Arbeit so zu gestalten, dass eine Gefährdung für das Leben oder die Gesundheit seiner Arbeitnehmer möglichst vermieden sowie die verbleibende Gefährdung möglichst gering gehalten wird (§ 4 Nr. 1 ArbSchG). Hierfür hat er gem. § 5 ArbSchG durch eine Beurteilung der für die Beschäftigten mit ihrer Arbeit verbundenen Gefährdung zu ermitteln, welche Maßnahmen des Arbeitsschutzes erforderlich sind. Diese erforderlichen Maßnahmen bedürfen dann der Umsetzung.

In diesem Zusammenhang kommt es demnach auch nicht darauf an, ob seitens der Bauherrin ein gem. § 2 Abs. 3 Satz 2 BaustellV erforderlicher Sicherheits- und Gesundheitsschutzplan erstellt wird. Die Verpflichtungen des Arbeitgebers enden dadurch gerade nicht, denn schon nach der BaustellV selbst hat der Arbeitgeber bei der Ausführung der Arbeiten die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes zu treffen (vgl. OLG Oldenburg (Oldenburg), Urteil vom 28. Februar 2017 – 2 U 89/16 -, Rn. 48, juris). Der Sicherheits- und Gesundheitsschutzplan ist bei Wahrnehmung der Arbeitgeberpflichten zwar zu berücksichtigen (§ 5 Abs. 1 letzter Halbsatz BaustellV), jedoch geht die BaustellV in ihrem Wortlaut nicht von einer solchen Verbindlichkeit des Sicherheits- und Gesundheitsschutzplans aus, dass alle Inhalte bzw. auch etwaige fehlenden Inhalte für den Arbeitgeber verbindlich sind (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 9. November 2012 – I-9 U 7/11 -, Rn. 27, juris; Kollmer/Klindt/Schucht/G. Kollmer, 4. Aufl. 2021, BaustellV § 5 Rn. 2). Die gesetzlichen Arbeitsschutzpflichten des Arbeitgebers werden demnach nicht durch einen Sicherheits- und Gesundheitsschutzplan maßgeblich abgeändert. Die auf der Baustelle tätig werdenden Arbeitgeber haben sich nach den Vorgaben der BaustellV nur Kenntnis von den Festlegungen des Sicherheits- und Gesundheitsplans zu verschaffen und diese in die eigene Arbeitsschutzplanung einfließen zu lassen, was mit der in § 5 Abs. 3 BaustellenVO getroffenen Regelung korrespondiert, wonach die Verantwortlichkeit der Arbeitgeber für die Erfüllung ihrer Arbeitsschutzpflichten durch die Maßnahmen nach den §§ 2 und 3 BaustellenVO nicht berührt werden (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 9. November 2012, a.a.O.).

Demnach hat der Umstand, dass es einen Sicherheits- und Gesundheitsplan gab, der am Tag des Vorfalls von dem Zeugen H. fortgeschrieben wurde und das Erfordernis eine Absturzsicherung an der Absturzstelle nicht vorsah, auch keinen durchgreifenden Einfluss auf die für den Angeschuldigten K. bestehenden Arbeitgeberpflichten. Der mit der Erstellung des Sicherheits- und Gesundheitsschutzplans Beauftragte ist ohnehin schon nicht verpflichtet, an jedem Tag sämtliche denkbaren Gefahrenstellen abzugehen, weil Sicherheitskontrollen, die zu allen denkbaren Zeiten an allen denkbaren Gefahrenstellen einer Baustelle gleichzeitig erfolgen, unmöglich sind (vgl. LG Erfurt, Urteil vom 18. August 2011 – 10 O 1961/10 -, Rn. 27, juris). Ansonsten würde jede zu beginnende Einzelbaumaßnahme von einer Freigabe durch den Sicherheits- und Gesundheitsplan abhängig gemacht werden, was gerade nicht gewollt ist. Der Zeuge H. hatte aber darüber hinaus nach seinen Angaben auch gar keine Information dazu erhalten, dass die vorgenommenen Arbeiten wie erfolgt noch durchgeführt werden sollten. Er hat in seiner Vernehmung vom 07.09.2021 bekundet, dass ihm nicht bekannt gewesen sei, dass an der späteren Absturzstelle gearbeitet werde. Demnach kann dem Fehlen eines entsprechenden Eintrags in dem Plan keine durchgreifende Bedeutung zukommen. Vielmehr ist aufgrund der Angaben des Zeugen davon auszugehen, dass er einen entsprechenden Passus zu einer Absturzsicherung aufgenommen hätte, wäre ihm die geplante Durchführung der Arbeiten bekannt gewesen. So hat der Zeuge erklärt, dass ein Arbeiten ohne Absturzsicherung an der Stelle gar nicht zulässig sei. Aus dem Fehlen kann demnach eine vollständige Befreiung des Arbeitgebers nicht abgeleitet werden. Soweit das Amtsgericht ausführt, dass dem Zeugen H. bekannt gewesen sein muss, wo, wie und unter welchen Bedingungen auf der Baustelle gearbeitet werden muss, entspricht diese – den Angaben des Zeugen H. widersprechende – Vermutung aus Sicht der Kammer zwar der Einlassung des Angeschuldigten K., nicht jedoch dem für die Eröffnungsentscheidung wesentlichen Aktenbestand, dessen Hintergründe im Rahmen der Hauptverhandlung einer weiteren Aufklärung bedürfen.

Der ebenfalls in der angefochtenen Entscheidung erwähnte Umstand, dass in der Dokumentation zum Begehungsprotokoll Nr. 13 vom 31.08.2020 zu Nr. 2. das Lichtbild einer in die Baugrube führenden Leiter mit dem Zusatz “Leiterkopf ragt über die Austrittsstelle hinaus” und “keine Maßnahmen notwendig” enthält, steht aus Sicht der Kammer nicht im entscheidungserheblichen Zusammenhang mit dem eingetretenen Sturzgeschehen. Die abgebildete Leiter steht am Rand der Baugrube und dient offensichtlich als Ein- und Ausstiegshilfe für Arbeiten in der Baugrube und nicht – jedenfalls nicht vorrangig – als Arbeitsmittel für konkrete Baumaßnahmen. Sie steht nach dem Ermittlungsergebnis auch nicht an der Stelle, an der die dem Sturzgeschehen vorausgegangenen Arbeiten durchgeführt worden sind. Allein das Vorhandensein einer – für den Einstieg in die Baugrube wohl notwendigen – Leiter lässt für den Zeugen nicht erkennen, dass spätere Arbeiten an anderer Stelle in gewisser Höhe vorgesehen waren.

bb) Der Angeschuldigte K. ist seiner sich aus dem Arbeitsschutzgesetz ergebenden Pflicht zur Erstellung einer (wirksamen) Gefährdungsbeurteilung bzw. jedenfalls seiner Pflicht zur Handlung nach den darin als notwendig angesehen Maßnahmen zum Schutz seiner Beschäftigten nicht nachgekommen.

Nach Angaben des Zeugen Kr. vom Staatlichen Gewerbeaufsichtsamt hat der Angeschuldigte K. ihm gegenüber erklärt, eine Gefährdungsbeurteilung gar nicht durchgeführt zu haben. Soweit der Angeschuldigte selbst – so seine spätere Einlassung – eine von seinem Mitarbeiter H. gefertigte Gefährdungsbeurteilung für die maßgebliche Baustelle in A. mit dem Erstellungsdatum 10.08.2020 vorgelegt hat, trägt diese – anders als andere zugleich vorgelegte Gefährdungsbeurteilungen – nicht die Unterschrift des Angeschuldigten K., mit der die Gefährdungsbeurteilung Gültigkeit erlangen sollte. Inwieweit das Dokument demnach über den Entwurfstatus hinaus überhaupt wirksam zur Kenntnis des Angeschuldigten K. gelangt ist, lässt sich nicht nachprüfen. Aufgrund der Angaben des Zeugen Kr. erscheint eine wirksam fertiggestellte Gefährdungsbeurteilung in dieser Konstellation jedoch zweifelhaft. Mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ist demnach bereits von einer nicht ordnungsgemäß erstellten Gefährdungsbeurteilung auszugehen. Würde man hingegen mit der angefochtenen Entscheidung die Auffassung vertreten, eine Gefährdungsbeurteilung sei erstellt worden, so wird durch das Amtsgericht verkannt, dass der Angeschuldigte K. den aufgestellten Anforderungen an den Arbeitsschutz nicht gerecht geworden ist. Das als Gefährdungsbeurteilung vorgelegte Papier hält nämlich als technische Schutzmaßnahmen Absturzsicherungen an Absturzkanten, Seitenöffnungen und Bodenöffnungen für erforderlich. Der Angeschuldigte K. hätte demnach aufgrund der Gefährdungsbeurteilung Veranlassung gehabt, insoweit tätig zu werden. Entsprechende Absturzsicherungen waren hingegen an der verfahrensgegenständlichen Absturzstelle nicht vorhanden.

cc) Für die vorgenommenen Arbeiten der Verschraubung eines Stahlträgers in mindestens 2,75 m Höhe sind die in der konkreten Konstellation erforderlichen Schutzmaßnahmen durch den Angeschuldigten K. nicht getroffen worden.

(1) Allgemein gilt, dass die nach den Umständen des Einzelfalls aus Sicht eines umsichtig Handelnden notwendigen Vorkehrungen zum Schutze anderer zu treffen sind (vgl. BGH, Urteil vom 13. Oktober 2021 – 2 StR 418/19 -, BGHSt 66, 270-294, Rn. 30). Eine Verkehrssicherungspflicht beschränkt sich demnach auf das Ergreifen solcher Maßnahmen, die nach den Gesamtumständen zumutbar sind und die ein verständiger und umsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um Andere vor Schäden zu bewahren (vgl. BGH, Beschluss vom 5. August 2015 – 1 StR 328/15 -, BGHSt 61, 21-28, Rn. 9). In welchem Umfang die Erfolgsabwendungspflicht besteht, bestimmt sich daher nach dem Grad der Gefahr. Die Anforderungen an den für eine Gefahrenquelle Zuständigen sind umso höher, je größer bei erkennbarer Gefährlichkeit einer Handlung die Schadenswahrscheinlichkeit und Schadensintensität sind (vgl. BGH, Urteil vom 13. November 2008 – 4 StR 252/08, BGHSt 53, 38, 42 Rn. 16 mwN).

(2) Diese allgemeinen Anforderungen an den Träger von Sicherungspflichten werden durch konkret formulierte Unfallverhütungsvorschriften für eine Vielzahl gleichgelagerte Fälle konkretisiert. Für den vorliegenden Fall gilt nach Ziffer 8.2 Abs. 7 Nr. 3 der Technischen Regel für Arbeitsstätten ASR A2.1 (Schutz vor Absturz und herabfallenden Gegenständen, Betreten von Gefahrenbereichen), dass an allen Arbeitsplätzen mit mehr als 2,00 m Absturzhöhe entsprechende Schutzvorrichtungen vorhanden sein müssen, die ein Abstürzen von Beschäftigten verhindern (sog. Absturzsicherungen). Dies war bei dem Arbeitsplatz auf dem Stahlträger in mindestens 2,75 m Höhe nicht der Fall. Soweit der Arbeitsort möglicherweise auch mit einer Leiter hätte angegangen werden können und dieses Vorgehen nach der Technischen Regel für Betriebssicherheit TRBS 2121 Teil 2 (Ziffer 4.2.4) mutmaßlich aufgrund einer Standhöhe von unter zwei Metern hätte zulässig sein können, hat die Kammer darüber nicht zu entscheiden, weil diese Vorgehensweise im konkret vorliegenden Fall nach dem bisherigen Beweisergebnis durch die ausführenden Personen nicht gewählt worden ist und es demnach auf hypothetisch zulässige, aber tatsächlich nicht genutzte Arbeitsweisen nicht ankommt.

(3) Ein Verstoß gegen die Arbeitsstättenrichtlinie ASR A2.1 ist grundsätzlich auch geeignet, eine Sorgfaltspflichtverletzung zu begründen. Die von einer zuständigen Behörde kraft öffentlicher Gewalt festgesetzten Weisungen zur Feststellung von Inhalt und Umfang von Verkehrssicherungspflichten sind grundsätzlich bindend, sodass ein Verstoß auch geeignet ist, die Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht zu begründen (vgl. OLG Oldenburg (Oldenburg), Urteil vom 28. Februar 2017 – 2 U 89/16 -, Rn. 25, juris; BGH, Urteil vom 13. März 2001 – VI ZR 142/00 -, Rn. 10, juris). Das ist bei der Arbeitsstättenrichtlinie ASR A2.1 der Fall. Die Arbeitsstättenrichtlinien werden durch den gem. § 7 ArbStättV beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales eingerichteten Ausschuss für Arbeitsstätten erarbeitet und im Gemeinsamen Ministerialblatt bekannt gemacht. In dem jeweiligen Bereich konkretisieren die jeweiligen Arbeitsstättenrichtlinien die Anforderungen an die Arbeitgeber. Es handelt sich demnach um eine Vorgabe an die Arbeitgeber, bei der im Falle eines Verstoßes entweder eine anderweitige Schutzmaßnahme sichergestellt sein muss oder aber von einem Sorgfaltspflichtverstoß ausgegangen werden kann. Eine anderweitige Schutzvorrichtung als die erforderliche Absturzsicherung ist indes nicht vorgehalten worden.

dd) Der Arbeitsbereich auf dem Stahlträger war auch Teil der Baustelle im Sinne von § 1 Abs. 3 BaustellV. Hiernach ist eine Baustelle der Ort, an dem ein Bauvorhaben ausgeführt wird. Demnach galten für diesen als Arbeitsstätte anzusehenden Bereich wie auch die für den gesamten Baustellenbereich die Regelungen der Arbeitsstättenrichtlinie ASR A2.1. Soweit dort in Ziffer 8.2 Abs. 1 beschrieben wird, dass ein Arbeitsplatz auf einer Baustelle der zur Durchführung der Arbeiten erforderliche räumlich begrenzte Bereich sei, der einer bestimmten Anzahl von Beschäftigten von ihrem jeweiligen Arbeitgeber zum Tätigwerden zugewiesen werde, bedarf schon aus Gründen der Praktikabilität denklogisch nicht einer Einzelzuweisung jeden Arbeitsschrittes. Für die Begründung eines hinreichenden Tatverdachts bedarf es demnach auch somit nicht einer ausdrücklich ausgesprochenen oder gar schriftlich fixierten Zuweisung zum Betreten des Stahlträgers, vielmehr genügt – gerade bei langjährig gemeinsam arbeitenden Personen – die konkludente Billigung des jeweiligen Vorgehens. Soweit das Amtsgericht demnach unter Hinweis auf die Aussage des Zeugen E. ausführt, dass E. “von dem Angeschuldigten K. selbst noch einige Tage vor dem Unfall darauf hingewiesen worden” sei, “dass sie niemand an die Spundwandkante zu stellen habe, und insoweit auch Absperrbalken aufgestellt werden sollen, damit dort niemand herunterfällt”, vermischt die angefochtene Entscheidung die Einlassung des Angeschuldigten im Verteidigerschriftsatz vom 27.10.2022 und das dortige Zitat aus der Vernehmung des Zeugen E. (Bl. 41, 42 Bd. II), gibt jedoch die tatsächliche Aussage des Zeugen E. falsch wieder. Eine konkrete Anweisung wird demnach von dem Zeugen E. nicht vorgetragen. Die vom Amtsgericht angenommene aktive Zuwiderhandlung gegen eine Anweisung entspricht demnach nicht dem bisherigen Ermittlungsergebnis. Das Tätigwerden des Zeugen E. auf dem “Arbeitsbereich Stahlträger” ist vielmehr mit hinreichender Wahrscheinlichkeit jedenfalls durch den Angeschuldigten S. als vorgesetztem Polier aktiv gebilligt worden, was aus dem arbeitsteiligen – nachfolgend unter ee) beschriebenen – Tätigwerden der beiden Personen während der Arbeit an dem Stahlträger zum Zeitpunkt des Absturzes deutlich wird.

ee) Es handelt sich zudem mit hinreichender Wahrscheinlichkeit nicht um einen Fall der eigenverantwortlichen Selbstgefährdung des Zeugen E., die eine Verantwortlichkeit entfallen lassen könnte. Grundsätzlich entfällt die strafrechtliche Verantwortlichkeit eines Arbeitgebers für die Unfallfolgen bei einem von ihm begangenen Verstoß gegen Unfallverhütungsvorschriften, der zur Verletzung eines in seinem Betrieb beschäftigten Arbeitnehmers führt, nicht deshalb, weil dem Arbeitnehmer die Nichteinhaltung der Unfallverhütungsvorschriften bekannt war und er in Kenntnis der hieraus entspringenden Gefahren für Leib und Leben seine Arbeitsleistung erbrachte (Heinrich in: Leipziger Kommentar zum StGB, 13. Auflage, § 222 StGB, Rn. 65). Die Kammer hat aber bedacht, dass ein Arbeitgeber nicht für die Verletzung seiner sich in voller Kenntnis der mit dem Verstoß verbundenen Gefahr selbst schädigenden Arbeitnehmer verantwortlich wäre, wenn er ihre Willensbildung insoweit nicht beeinflusst hat (vgl. OLG Rostock, Urteil vom 10. September 2004 – 1 Ss 80/04 I 72/04 -, juris). So liegt der Fall jedoch hier nicht, eine bewusste Selbstschädigung des Zeugen E. liegt – zumindest nach dem derzeitigen Ermittlungsstand – nicht vor. Soweit mit dem Schriftsatz des Verteidigers des Angeschuldigten S. vom 31.03.2022 ausgeführt wird, der Zeuge E. habe selbständig die Spundwand überstiegen und sei auf den Stahlträger geklettert, obwohl der Angeschuldigte S. mit seiner Unterstützung bei der Verschraubung des Stahlträgers gar nicht gerechnet habe, ist vielmehr nach dem bisherigen Ermittlungsergebnis hinreichend wahrscheinlich, dass diese Einlassung nicht den tatsächlichen Abläufen vor Ort entspricht.

(1) Der Zeuge E. hat in seiner Vernehmung vom 10.09.2020 ausgeführt, dass er zum Vorfallszeitpunkt auf dem Stahlträger gestanden habe, um dort einige Stangen anzuschrauben. Der Angeschuldigte S. habe währenddessen unten auf der Bodenplatte gestanden und in einer Materialkiste nach Schraubmuttern geschaut, die er ihm, E., habe anreichen sollen. Diese von dem Zeugen E. geschilderte Zusammenarbeit in Kenntnis der Position und Aufgabe des jeweils anderen entspricht auch den zunächst getätigten Angaben des Angeschuldigten S. selbst. Dieser hat in einer ersten Befragung am Unfallort am 01.09.2020 gegenüber KHK M. angegeben, dass er gerade Schrauben aus der Materialkiste habe holen wollen, als der Absturz passiert sei. Konkretisiert hat der Angeschuldigte dies nach der Belehrung als Zeuge sowie nach der Belehrung gem. § 55 StPO in seiner Zeugenvernehmung vom 22.10.2020. Hier gab der Angeschuldigte S. an, dass er eine Mutter habe holen und seinem Kollegen E. anreichen wollen. Der Kollege E. habe diese entgegennehmen und aufschrauben wollen, um den Querriegel zu sichern. Insoweit ergibt sich bei den zeitnah zum Vorfallstag getätigten Vernehmungen eine Übereinstimmung der – inzwischen unvereinbar gegenüberstehenden – Angaben der beiden Personen. Demnach könnte die erst nach Akteneinsicht, anwaltlicher Beratung und einigem Zeitablauf in der über seinen Verteidiger mit Schriftsatz vom 31.03.2022 getätigten Einlassung des Angeschuldigten S., der Zeuge E. habe lediglich aus einem ungefährlichen Bereich den Träger sichern sollen, während der Zeuge T. mit S. den Träger hätte verschrauben wollen, als Schutzbehauptung zu werten sein.

(2) Einer Verwertung der damaligen Angaben des Angeschuldigten S. steht auch nichts entgegen, weil sich ein gegen ihn gerichteter Tatverdacht zum Zeitpunkt seiner zeugenschaftlichen Vernehmung aufgrund einer etwaigen Verantwortlichkeit vor Ort noch nicht in einem Maß verdichtet hat, dass er ernstlich als Täter oder Beteiligter der untersuchten Straftat in Betracht kam (vgl. BGH, Urteil vom 18. Dezember 2008 – 4 StR 455/08 -, BGHSt 53, 112-118, Rn. 9). Welche konkreten Angaben letztlich getätigt worden und wie sich dadurch das Bild zum Zeitpunkt des Absturzes dargestellt hat, bleibt insoweit der Aufklärung des Sachverhaltes in der Hauptverhandlung vorbehalten.

ff) Die erforderliche, aber fehlende Schutzvorrichtung war schließlich auch ursächlich für die eingetretenen Verletzungen des Zeugen E.. Hätte eine Absturzsicherung bestanden, wäre es mit hinreichender Wahrscheinlichkeit nicht zu dem Sturzgeschehen und dem Verletzungsbild des Zeugen E. gekommen.

Das Erfordernis einer Absturzsicherung hätte der noch am Vorfallstag auf der Baustelle anwesende Angeschuldigte K. auch erkennen können und müssen. Als langjährig tätiger Bauunternehmer und Arbeitgeber darf mit hinreichender Wahrscheinlichkeit erwartet werden, dass er über hinreichende Kenntnis der geltenden Sorgfaltsnormen verfügte und sein Verhalten daran ausrichten konnte (vgl. Parigger/Helm/Stevens-Bartol, Arbeits- und Sozialstrafrecht, StGB § 229 Rn. 4, beck-online). Dass es zu einem Absturz kommen kann, lag nicht außerhalb der Lebenserfahrung und war auch nicht auf die Verkettung mehrerer atypischer Umstände zurückzuführen.

Soweit nach dem allgemeinen Vertrauensgrundsatz zur Ausgestaltung von Sorgfaltspflichten gilt, dass grundsätzlich jeder auf sorgfaltsgemäßes Verhalten anderer und die Einhaltung seiner Sorgfaltspflichten vertrauen darf, so ist der Vertrauensgrundsatz jedenfalls dann erschüttert, wenn ein triftiger Anlass besteht, mit dem Fehlverhalten anderer zu rechnen, wenn also dem Vertrauen erkennbar die Grundlage entzogen ist (vgl. OLG Hamm 3. Strafsenat, Beschluss vom 12.01.2016 – II-3 RVs 91/15 und 3 RVs 91/15 m.w.N.). Das ist gerade auch dann der Fall, wenn man – wie oben dargestellt – gegen bestehende Sorgfaltspflichten aus dem Bereich des Arbeitsschutzes verstößt. Wer sich nämlich über für ihn geltende Unfallverhütungsvorschriften hinwegsetzt, die gerade zur Vermeidung des eingetretenen Erfolgs dienen, kann sich, abgesehen von außergewöhnlichen Kausalverläufen in aller Regel nicht darauf berufen, für ihn sei ein durch die Verletzung der Vorschriften verursachter Unfall nicht vorhersehbar gewesen. Das Zuwiderhandeln gegen derartige gesetzliche oder behördliche Vorschriften stellt mithin ein Beweisanzeichen für die Voraussehbarkeit des Erfolges dar, welches diese regelmäßig indiziert (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 16. Dezember 1999 – 3 Ss 43/99 -, juris).

Da dem Angeschuldigten K. als verantwortlichem Unternehmer, der noch am Vorfallstag vor Ort war, die konkrete Durchführung der Arbeiten und somit auch das grundsätzliche Erfordernis einer Absturzsicherung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit bekannt war, kann er sich mithin nicht auf ein Vertrauen darauf berufen, seine Mitarbeiter würden ohne die erforderliche Absturzsicherung die Arbeiten ordnungsgemäß oder gar nicht durchführen.

gg) Schließlich dringt auch die Einlassung des Angeschuldigten K. in seiner Beschuldigtenvernehmung vom 26.10.2020 nicht durch. Soweit er darin vorträgt, seine Mitarbeiter seien grundsätzlich auch selbst für ihre Sicherheit verantwortlich und er erwarte, dass sie selbst erkennen, welche Sicherungen erforderlich seien, befreit ihn diese Einlassung nicht von einer Verantwortung. Eine pauschale Übertragung des Arbeitsschutzes in Eigenverantwortung führt im Fall des Unterlassens von den Arbeitgeber treffenden Sicherungsmaßnahmen nicht zum Wegfall des Fahrlässigkeitsvorwurfs (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 13. Juli 2021 – I-7 U 41/20 -, juris).

hh) Der hinreichende Tatverdacht hinsichtlich des Angeschuldigten K. entfällt schließlich auch nicht aufgrund einer möglichen Übertragung der ihn treffenden Sorgfaltspflichten auf seinen auf der Baustelle tätigen Polier, den Angeschuldigten S..

(1) Sicherungspflichten können grundsätzlich an andere Personen übertragen oder delegiert werden, jedoch geht damit nicht zwingend einher, dass der ursprünglich Verantwortliche gänzlich von seinen Pflichten frei würde (vgl. BGH, Urteil vom 13. Oktober 2021 – 2 StR 418/19 -, BGHSt 66, 270-294, Rn. 31 m.w.N.). Bei der Art der verbleibenden Pflichten kommt es auf die Art der Übertragung an, wobei zwischen einer Aufgabenverteilung auf gleicher Ebene (horizontale Arbeitsteilung) und die Delegation an untergeordnete Personen (vertikale Arbeitsteilung) unterschieden wird. Im hier zwischen den – in einem Über- und Unterordnungsverhältnis tätigen – Angeschuldigten vorliegenden Fall der vertikalen Arbeitsteilung sind durch den ursprünglich Pflichtigen organisatorische Maßnahmen zu treffen. Für ihn besteht vorab die Pflicht zu einer sorgfältigen Auswahl und Instruktion zur Erfüllung der übertragenen Aufgabe und im Nachgang der Übertragung die Pflicht zu einer allgemeinen – jedenfalls stichprobenartigen – Überwachung, die dabei umso strenger ist, desto höher die drohende Gefahr ist (vgl. BGH, Urteil vom 21. April 1964 – 1 StR 72/64, BGHSt 19, 286, 288 f.; LK-StGB/Weigend, 13. Aufl., § 13 Rn. 60; Kindhäuser/Neumann/Paeffgen/Gaede, StGB, 5. Aufl., § 13 Rn. 41; SSW-StGB/Momsen, 5. Aufl., § 13 Rn. 33; Esser/Keuten, NStZ 2011, 314, 320; OLG Karlsruhe, NJW 1977, 1930 f.). Im Rahmen der Überwachung wird man sich jedenfalls nicht bloß auf das ordnungsgemäße Handeln des Delegaten verlassen dürfen. Der Umfang solcher Kontrollpflichten hängt im Einzelfall davon ab, inwieweit dem Delegaten bei der Ausführung seiner Tätigkeit Eigenverantwortlichkeit zukommt. Hiernach verbleiben umso mehr Pflichten – und damit einhergehend Verantwortung für das gefährdete Rechtsgut – bei dem Delegierenden, desto weniger demjenigen, dem eine Aufgabe übertragen worden ist, Handlungsspielraum zukommt (vgl. BGH, Urteil vom 13. Oktober 2021 a.a.O., Rn. 36; OLG Celle, Beschluss vom 7. September 2023 – 2 Ws 244/23 -, juris). Soweit im Einzelfall auch die ursprünglich mit der Überwachungsaufgabe betraute Person eine eigene Sorgfaltspflicht zur Gefahrenbeseitigung treffen kann, ist das insbesondere dann der Fall, wenn die überwachende Person ohnehin am selben Ort ist (vgl. BGH, Urteil vom 31. Januar 2002 – 4 StR 289/01 -, BGHSt 47, 224-233, Rn. 25). In diesen Fällen ist von einer Einschränkung der Eigenverantwortlichkeit des Sicherungspflichtigen auszugehen, sodass erhöhte Pflichten des Überwachenden bestehen (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 7. September 2023, a.a.O.).

(2) Gemessen an diesen Grundsätzen kommt im vorliegenden Fall eine vollständige Übertragung der den Angeschuldigten K. treffenden Pflichten nicht in Betracht. Der nach dem bisherigen Ermittlungsergebnis regelmäßig auf der Baustelle anwesende Angeschuldigte K. hat sich offenbar in hohem Maße im organisatorischen Bereich zur Durchführung der konkreten Baumaßnahme am W.-Durchlass eingebracht, sodass die Eigenverantwortlichkeit auch im Bereich der konkreten Umsetzung der Maßnahme bei dem Angeschuldigten S. als Polier vor Ort eingeschränkt war. Der Angeschuldigte K. durfte sich demnach gerade nicht darauf verlassen, dass der Angeschuldigte S. die notwendigen Absturzsicherungen installieren lässt. Doch selbst dann hätte der regelmäßig anwesende Angeschuldigte K. das Erfordernis der Sicherungsmaßnahmen aus den oben dargestellten Gründen erkennen und aufgrund der Untätigkeit des Angeschuldigten S. im Rahmen seiner Überwachungspflichten handeln müssen. Erkennt eine überwachungspflichtige Person, dass die mit den Verkehrssicherungspflichten betraute Person in bestimmter Weise nachlässig arbeitet, so darf die überwachungspflichtige Person nicht untätig bleiben (vgl. BGH, Urteil vom 21. April 1964, a.a.O., Rn. 4).

c) Es besteht ferner ein hinreichender Tatverdacht gegen den Angeschuldigten S. in seinen Funktionen als Polier auf der Baustelle und Vorarbeiter des Zeugen E., weil er mit hinreichender Wahrscheinlichkeit gegen die ihm mitübertragenen Sorgfaltspflichten verstoßen hat. Der Angeschuldigte S. war in seiner Funktion als Polier auf der Baustelle – zumindest sekundär – sicherungspflichtig und insoweit jedenfalls durch eine faktische Mitübernahme der Sicherungspflichten zusammen mit dem Angeschuldigten K. verantwortlich.

Die Kammer nimmt zunächst zur Vermeidung von Wiederholung auf die unter b) bezüglich des Angeschuldigten K. erfolgten Ausführungen Bezug, soweit sie – insbesondere im Hinblick auf das Bestehen von Verkehrssicherungspflichten und deren Verletzung – auch für den Angeschuldigten S. von Bedeutung sind.

aa) Nach der Stellungnahme der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft (BG BAU) vom 10.08.2022 ist die Aufgabe eines Poliers das Leiten der Arbeitsprozesse auf Baustellen und die Überwachung der fachgerechten Ausführung nach den Vorgaben des Unternehmers. Im Bereich des Arbeitsschutzes hat er demnach die festgelegten Maßnahmen auf der Baustelle umzusetzen. Gem. § 3 Abs. 1 Satz 2 der DGUV Vorschrift 38 (“Bauarbeiten) haben von einem Unternehmen als Vorgesetzte eingesetzte Personen zu gewährleisten, dass bei der Durchführung der Bauarbeiten die Arbeitsschutz- und Unfallverhütungsvorschriften eingehalten und die Gefährdungen für die Sicherheit und Gesundheit der Versicherten minimiert werden. Dass der als Polier für das Unternehmen des Angeschuldigten K. tätige Angeschuldigte S. diese regelmäßigen Aufgaben eines Poliers auch tatsächlich übernommen hat, lässt sich dem bisherigen Ermittlungsergebnis unschwer entnehmen. Der Angeschuldigte S. ist nach seinen eigenen Angaben als gelernter Maurer seit dem Jahr 1994 in dem Unternehmen des Angeschuldigten K. tätig und übt etwa seit dem Jahr 2014 die hervorgehobene Tätigkeit des Poliers aus. Der Angeschuldigte K. hat hierzu in seiner Beschuldigtenvernehmung vom 26.10.2020 ausgeführt, dass der Angeschuldigte S. als Polier nach ihm für die Einhaltung der Sicherheitsvorschriften zuständig sei.

bb) Der Angeschuldigte S. war demnach in seiner Funktion als Polier aufgrund einer insoweit erfolgten Übertragung auf der konkreten Baustelle des Absturzortes neben dem Angeschuldigten K. für die Einhaltung der diesem originär obliegenden Sicherungspflichten zuständig.

Einer ausdrücklichen Übertragung der Pflichten bedarf es insoweit nicht. Regelmäßig begründet bereits die tatsächliche Übernahme eines entsprechenden Pflichtenkreises diesbezügliche Sorgfaltspflichten (vgl. BGH, Urteile vom 13. November 2008 – 4 StR 252/08 – und vom 31. Januar 2002 – 4 StR 289/01 -, juris; OLG Celle, Beschluss vom 7. September 2023 – 2 Ws 244/23 -, Rn. 22, juris). Die Übernahme von Verantwortung und Ausübung der Sicherungspflichten vor Ort anstelle des nicht ständig vor Ort auftretenden Angeschuldigten K. folgt bereits aus der hervorgehobenen Tätigkeit als Polier. Der Angeschuldigte S. war nach dem Ermittlungsergebnis auf der Baustelle in A. als Vorarbeiter eingesetzt und durchgehend anwesend, während der Angeschuldigte K. lediglich zeitweise aber dennoch regelmäßig die Arbeiten vor Ort überwacht und die Ausführung und Überwachung ansonsten seinem Polier übertragen hat.

Die beiden Angeschuldigten waren demnach gemeinschaftlich in unterschiedlicher Ausprägung verpflichtet, die Einhaltung der oben dargestellten Pflichten sicherzustellen. Eine solche gemeinschaftliche Wahrnehmung von Verkehrssicherungspflichten ist auch möglich. Ein Arbeitnehmer eines Unternehmers, der einen Bau zumindest weitgehend in eigener Verantwortung leitet, ist neben dem primär Sicherungspflichtigen ebenfalls verkehrssicherungspflichtig, da die Trägerschaft einer Verkehrssicherungspflicht nicht auf eine Person beschränkt ist (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 12. März 1999 – 2 U 74/98 -, juris; BGH, Urteil vom 31. Januar 2002 – 4 StR 289/01 -, BGHSt 47, 224-233, Rn. 22 – 23 m.w.N.). Im Rahmen des Arbeitsschutzes können daher auf der Baustelle neben dem Arbeitgeber auch dessen Bauleiter, Polier oder Vorarbeiter verpflichtet sein, Arbeitsschutzmaßnahmen zu treffen (vgl. Kollmer/Klindt/Schucht/G. Kollmer, 4. Aufl. 2021, BaustellV § 5 Rn. 1).

Der Angeschuldigte K. hat die ihn originär treffenden Pflichten insoweit zumindest faktisch auf den Angeschuldigten S. übertragen, ohne dass er – aus den oben dargestellten Gründen – gänzlich frei von einer eigenen Verantwortung wurde. Der Angeschuldigte S. selbst hatte als Polier auf der Baustelle durch seine zumindest faktische Übernahme der Verkehrssicherungspflichten dafür Sorge zu tragen, dass die vorzunehmenden Arbeiten ordnungsgemäß nach den geltenden Arbeitsschutzvorschriften durchgeführt werden.

cc) Dieser Pflicht ist der Angeschuldigte S. ebenso wie der Angeschuldigte K. mit hinreichender Wahrscheinlichkeit nicht nachgekommen. Dem Angeschuldigten S. oblag insoweit auch eine eigene Prüfungspflicht, bei der er sich nicht auf eine anderslautende Einschätzung des Angeschuldigten K. verlassen durfte. Sind erkennbar Sicherungsmaßnahmen erforderlich, die vor Beginn der eigentlichen gefahrträchtigen Handlung durchgeführt werden müssen, muss sich der für die Gefahrenquelle Verantwortliche im Rahmen des ihm Zumutbaren vergewissern, dass der für die notwendige Sicherung Verantwortliche seine Aufgabe erfüllt hat, und darf nicht blindlings darauf vertrauen, dass dies auch zutrifft (vgl. BGH, Urteil vom 13. November 2008 – 4 StR 252/08 -, BGHSt 53, 38-45, Rn. 18).

Hinsichtlich der an der konkreten Baumaßnahme erforderlichen Schutzmaßnahmen kann die Kammer zur Vermeidung von Wiederholung zunächst auf die bezüglich des Angeschuldigten K. erfolgten Ausführungen Bezug nehmen. Der Angeschuldigte S. hätte demnach selbst die notwendigen Maßnahmen ergreifen oder zumindest den Angeschuldigten auf das Erfordernis hinweisen müssen.

dd) Die erforderliche, aber fehlende Schutzvorrichtung war – wie bereits ausgeführt – auch ursächlich für die eingetretenen Verletzungen des Zeugen E.. Das Erfordernis eines Gerüsts als Absturzsicherung hat der Angeschuldigte S. nach seinen Angaben in der Vernehmung vom 22.10.2020 auch erkannt. Darin hat er ausgeführt, dass man die Baugrube theoretisch komplett mit einem Gerüst hätte einrüsten müssen und dass dies auch passiert wäre, wenn das erforderliche Gerüstmaterial vorhanden gewesen wäre. Das sei aber nicht der Fall gewesen, weil man speziellere Gerüstteile benötigt hätte. Gleichwohl war der Angeschuldigte S. – als langjährig tätiger Bauarbeiter und Polier – grundsätzlich in der Lage, sein Handeln an die bestehende Gefahrenlage anzupassen und dementsprechend die Arbeiten entweder nicht durchzuführen oder aber die Organisation entsprechender Schutzmaßnahmen zu veranlassen. Dass es zu einem Absturz kommen kann, lag auch für den Angeschuldigten S. nicht außerhalb der Lebenserfahrung und war auch nicht auf die Verkettung mehrerer atypischer Umstände zurückzuführen.

3. Angesichts der vorstehenden Ausführungen unterliegt die angefochtene Nichteröffnungsentscheidung des Amtsgerichts Alfeld (Leine) vom 09.08.2023 insgesamt der Aufhebung.

Soweit die Staatsanwaltschaft mit ihrer sofortigen Beschwerde grundsätzlich zutreffend die Doppelbegründung der Nichteröffnung aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen rügt, ist dieser eher dogmatische Streitpunkt aufgrund der fehlenden Folgen nicht von Bedeutung (vgl. Stuckenberg in: Löwe-Rosenberg, StPO, 27. Auflage, § 204 StPO, Rn. 14).

Im Übrigen aber greifen die Ausführungen der Beschwerdeschrift im Hinblick auf die unter Ziffer 2. dargestellten Umstände durch. Die angefochtene Entscheidung verkennt insbesondere, dass zwischen den allein den Arbeitgeber treffenden und nach § 5 BaustellV bei ihm verbleibenden Pflichten sowie den Pflichten der Bauherrin aus der Baustellenverordnung zu unterscheiden ist (siehe oben unter 2. b) aa)). Eine tatsächliche Übernahme der Arbeitgeberpflichten aus dem Arbeitsschutzgesetz durch den mit der Erstellung des Sicherheits- und Gesundheitsplans beauftragten Ingenieurbüros liegt demnach bereits nach dem gesetzgeberischen Willen fern, da die Baustellenverordnung ausdrücklich in § 5 Abs. 3 BaustellV bestimmt, dass die Verantwortlichkeit der Arbeitgeber für die Erfüllung ihrer Arbeitsschutzpflichten durch die Maßnahmen nach den §§ 2 und 3 der Baustellverordnung nicht berührt wird (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 9. November 2012, a.a.O.). Auch in tatsächlicher Hinsicht wird schon aus den Angaben des Zeugen H. deutlich, dass er gar nicht vollständig über die Baumaßnahmen des einzelnen Unternehmens des Angeschuldigten K. unterrichtet war und insoweit seinen Fokus gar nicht auf die konkret für dessen Baumaßnahmen erforderlichen Schutzmaßnahmen, sondern vielmehr auf die Erstellung des Sicherheits- und Gesundheitsplans insgesamt gerichtet hat.

Schließlich ist auch der vom Amtsgericht vorgetragene Aspekt, es seien am Tag des Vorfalls insgesamt sieben Personen, die mit Sicherheitsfragen befasst gewesen seien, auf der Baustelle anwesend gewesen, ohne dass es zu Beanstandungen gekommen sei, nicht geeignet, eine andere Entscheidung zu begründen. Ein Arbeitgeber und ein Polier, die keine Schutzmaßnahmen für eine bestimmte – auf diese Art und Weise unzulässige – Art der Ausführung treffen, werden nicht davon befreit, dass dritte Personen, denen die konkrete Art der Ausführung der von einem anderen Unternehmen durchzuführende Arbeiten nicht bekannt ist, insoweit keine Beanstandungen äußern. Selbst wenn das Amtsgericht – entgegen dem bisherigen Aktenbestand – in der Hauptverhandlung feststellen sollte, dass der Zeuge H. und andere mit Sicherheitsfragen betraute Personen in Kenntnis der konkret gewählten Ausführungsform und somit eines Verstoßes gegen Ziffer 8.2 Abs. 7 Nr. 3 der Technischen Regel für Arbeitsstätten ASR A2.1 keine Bedenken geäußert hätten, lässt das einen Verstoß nicht entfallen. Allein der Umstand, dass Dritte keine Bedenken gegen einen Regelverstoß haben, setzt die bestehende Regel nicht außer Kraft.

Nachgefragt bei … Sind diese Kostenvorschussansprüche deswegen ausgeschlossen, wenn der Besteller wegen der Mängel, die zu diesen Ansprüchen führen, zunächst die Minderung der Vergütung erklärte, § 634 Nr. 3 Fall 2, § 638 Abs. 1 Satz 1 BGB?

Nachgefragt bei …

Dr. jur. Thomas Ax

Sind diese Kostenvorschussansprüche deswegen ausgeschlossen, wenn der Besteller wegen der Mängel, die zu diesen Ansprüchen führen, zunächst die Minderung der Vergütung erklärte, § 634 Nr. 3 Fall 2, § 638 Abs. 1 Satz 1 BGB?

ANTWORT: BGH, Urteil vom 22.08.2024 – VII ZR 68/22:

Diese Kostenvorschussansprüche sind nicht deswegen ausgeschlossen, wenn der Besteller wegen der Mängel, die zu diesen Ansprüchen führen, zunächst die Minderung der Vergütung erklärte, § 634 Nr. 3 Fall 2, § 638 Abs. 1 Satz 1 BGB.

Die Gestaltungswirkung der Minderung beschränkt sich auf die Mängelrechte der Nacherfüllung, des Rücktritts und des großen Schadensersatzes in Form der Rückgängigmachung des Vertrags, nimmt dem Besteller, der das mangelhafte Werk behält, jedoch nicht das Recht, sein Leistungsinteresse durch Selbstvornahme mit Kostenerstattung im Wege des Schadensersatzes statt der Leistung (kleiner Schadensersatz), § 634 Nr. 4, § 281 BGB, oder gemäß § 634 Nr. 2, § 637 Abs. 1 BGB in vollem Umfang durchzusetzen.

Eine gesetzliche Regelung, wonach die Geltendmachung eines Kostenvorschussanspruchs ausgeschlossen ist, wenn der Besteller die Minderung des Werklohns erklärt hat, existiert nicht. Weder § 634 BGB noch §§ 637, 638 BGB regeln, in welchem Verhältnis das Recht des Bestellers auf Minderung der Vergütung (§ 634 Nr. 3 Fall 2, § 638 BGB) und die ihm zustehende Befugnis zur Selbstvornahme sowie sein Anspruch auf Zahlung eines Kostenvorschusses (§ 634 Nr. 2, § 637 BGB) stehen. Nach dem Gesetzeswortlaut ist vielmehr davon auszugehen, dass diese Rechte nebeneinander bestehen können.

Aus der Begründung des Gesetzentwurfs zur Modernisierung des Schuldrechts (BT-Drucks. 14/6040) ergibt sich nichts Anderes. Es war dem Gesetzgeber in Abgrenzung zum alten Schuldrecht vielmehr ein Anliegen, die Wahrnehmung von Mängelrechten sowohl im Kauf- als auch im Werkvertragsrecht flexibler zu gestalten und Käufer sowie Besteller mehr Möglichkeiten zur Wahrnehmung ihrer berechtigten Interessen einzuräumen (vgl. BT-Drucks. 14/6040, S. 226, 263).

Diese gesetzgeberische Absicht spricht grundsätzlich dafür, dass die Geltendmachung eines Mängelrechts andere Mängelrechte nicht ausschließt. So hat der Gesetzgeber nur für den Fall des Schadensersatzes statt der Leistung (§ 634 Nr. 4, § 281 Abs. 1 BGB) ausdrücklich geregelt, dass der Anspruch auf Nacherfüllung (§ 634 Nr. 1 BGB) erlischt, sobald der Besteller Schadensersatz statt der Leistung verlangt (§ 634 Nr. 4, § 281 Abs. 4 BGB). Diese Regelung dient nach der Absicht des Gesetzgebers dem Schutz des Unternehmers, der sich darauf einstellen können soll, nicht mehr einem Anspruch auf Nacherfüllung ausgesetzt zu sein, nachdem der Besteller Schadensersatz statt der Leistung verlangt hat (vgl. BT-Drucks. 14/6040, S. 140). Damit wird dem Unternehmer beispielsweise eine sicherere Einsatzplanung der von ihm vorgehaltenen und auf seinen Baustellen einzusetzenden Produktionsmittel gewährleistet, da er nicht parallel auf Schadensersatz und Nacherfüllung in Anspruch genommen werden kann.

Es ist abzulehnen, diese ausschließlich § 634 Nr. 1 BGB betreffende Rechtsfolge auf die Befugnis zur Selbstvornahme und damit den Anspruch auf Kostenvorschuss nach § 634 Nr. 2, § 637 BGB zu erstrecken (BGH, Urteil vom 22. Februar 2018 – VII ZR 46/17 Rn. 48 ff., BGHZ 218, 1). Diese Rechtsprechung beruht auf dem Wortlaut von § 281 Abs. 4 BGB, der gesetzgeberischen Absicht und dem Sinn und Zweck des Kostenvorschussanspruchs. Dieser dient dazu, dem Besteller die Nachteile und Risiken abzunehmen, die mit einer Vorfinanzierung der Mängelbeseitigung einhergehen. Wählt der Besteller Schadensersatz statt der Leistung in Form des kleinen Schadensersatzes, kann er den Mangel beseitigen und die damit verbundenen Aufwendungen als Schaden von dem Unternehmer erstattet verlangen. Durch die Wahl des Schadensersatzes statt der Leistung anstelle der Selbstvornahme soll der Besteller aber nicht schlechter gestellt werden. Ein umfassender Ausgleich des verletzten Leistungsinteresses ist deshalb nur gewährleistet, wenn der Besteller – auch nach Wahl des Schadensersatzes statt der Leistung in Form des kleinen Schadensersatzes – weiterhin Vorschuss verlangen kann (BGH, Urteil vom 22. Februar 2018 – VII ZR 46/17 Rn. 51, BGHZ 218, 1).

Der Besteller kann daher nach seiner Erklärung, Schadensersatz statt der Leistung in Form des kleinen Schadensersatzes zu verlangen, den Mangel zunächst nicht beseitigen und den Schaden beispielsweise in Anlehnung an die in § 634 Nr. 3 Fall 2, § 638 BGB geregelte Minderung bemessen (BGH, Urteil vom 22. Februar 2018 – VII ZR 46/17 Rn. 38, 41, 44, BGHZ 218, 1). Das hindert ihn aber nicht, sich noch für eine Beseitigung des Mangels zu entscheiden und deshalb einen Kostenvorschussanspruch hierfür geltend zu machen (BGH, Urteil vom 22. Februar 2018 – VII ZR 46/17 Rn. 48-51, BGHZ 218, 1).

Diese Erwägungen zum Verhältnis des Schadensersatzes statt der Leistung in Form des kleinen Schadensersatzes, § 634 Nr. 4, § 281 BGB, zum Kostenvorschussanspruch, § 634 Nr. 2, § 637 BGB, gelten entsprechend für das Verhältnis der Minderung, § 634 Nr. 3 Fall 2, § 638 BGB, zum Kostenvorschussanspruch. Wählt also der Besteller zunächst das Mängelrecht der Minderung, steht es ihm ebenfalls grundsätzlich frei, zu einem späteren Zeitpunkt den Mangel zu beseitigen und zur Finanzierung der Aufwendungen einen Kostenvorschussanspruch geltend zu machen. Die Rechtsnatur der Minderung steht dem nicht entgegen.

Mit der Erklärung, die Vergütung zu mindern, bringt der Besteller zum Ausdruck, keine Beseitigung des Mangels durch den Unternehmer zu wollen. Es entspricht deshalb der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass mit der Erklärung der Minderung der Nacherfüllungsanspruch (§ 634 Nr. 1 BGB) ausgeschlossen ist (BGH, Urteil vom 19. Januar 2017 – VII ZR 235/15 Rn. 45, BGHZ 213, 319). Zudem bringt der Besteller zum Ausdruck, das Werk trotz des Mangels behalten zu wollen, so dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein Rücktritt vom Vertrag (§ 634 Nr. 3 Fall 1 BGB) wegen des Mangels, auf den die Minderung gestützt wird, grundsätzlich ausgeschlossen ist (BGH, Urteil vom 19. Januar 2017 – VII ZR 235/15 Rn. 55, BGHZ 213, 319). Das Gleiche gilt für den Schadensersatzanspruch statt der Leistung (§ 634 Nr. 4, § 281 BGB) in Form des großen Schadensersatzes, mit dem die Rückgängigmachung des Vertrags verlangt wird (vgl. BGH, Urteil vom 9. Mai 2018 – VIII ZR 26/17, BGHZ 218, 320 zum Kaufrecht). Dagegen ist der Besteller nach erklärter Minderung der Vergütung nicht gehindert, Schadensersatz statt der Leistung in Form des kleinen Schadensersatzes (§ 634 Nr. 4, § 281 BGB) geltend zu machen (BGH, Urteil vom 19. Januar 2017 – VII ZR 235/15 Rn. 49 ff., BGHZ 213, 319; vgl. zudem BGH, Urteil vom 9. Mai 2018 – VIII ZR 26/17 Rn. 43, 62, BGHZ 218, 320).

Ausgehend von dieser Rechtsprechung kann der Besteller auch nach erklärter Minderung den Mangel beseitigen und die dafür getätigten Aufwendungen als Schadensersatz statt der Leistung (§ 634 Nr. 4, § 281 BGB) von dem Unternehmer erstattet verlangen. Dies ist dem Besteller weder nach der Gesetzessystematik noch aufgrund der Gestaltungswirkung der Minderung verwehrt.

Denn sowohl Minderung als auch Schadensersatz statt der Leistung in Form des kleinen Schadensersatzes sind ihrem Inhalt nach darauf gerichtet, das verletzte Leistungsinteresse des Bestellers, der das mangelhafte Werk behält, auszugleichen. Diese Mängelrechte schließen sich nicht aus, sondern ergänzen sich (vgl. BGH, Urteil vom 9. Mai 2018 – VIII ZR 26/17 Rn. 62, BGHZ 218, 320). Um einen möglichst umfassenden Ausgleich des Leistungsinteresses zu gewährleisten, ist es gerechtfertigt, dem Besteller ergänzend einen Schadensersatzanspruch statt der Leistung (kleinen Schadensersatz) zuzubilligen, wenn ein über den Minderungsbetrag hinausgehender Schaden entsteht. Dieser kann auch nach erklärter Minderung in – über den Betrag der durch die Minderung ersparten Vergütung hinausgehenden – aufgewandten Mängelbeseitigungskosten, die der Besteller bei verständiger Würdigung für erforderlich halten durfte (vgl. BGH, Urteil vom 22. Februar 2018 – VII ZR 46/17 Rn. 46, BGHZ 218, 1), bestehen. Er durfte sich zu diesen Aufwendungen aufgrund des Verhaltens des Unternehmers, der die ihm vom Gesetz eingeräumte Möglichkeit, sein mangelhaft abgeliefertes Werk nachzubessern (Nacherfüllung), nicht wahrgenommen hat, nach wie vor herausgefordert fühlen (vgl. BGH, Urteil vom 22. Februar 2018 – VII ZR 46/17 Rn. 46, BGHZ 218, 1).

Dem Unternehmer ist kein schützenswertes Interesse zuzubilligen, nach einer einmal erfolgten Minderung der Vergütung nicht mehr auf die Kosten einer Mängelbeseitigung in Anspruch genommen werden zu können. Es besteht nach der Konzeption der Mängelrechte durch die Schuldrechtsreform kein Grund, über das Erlöschen des Nacherfüllungsanspruchs hinaus die Dispositionsfreiheit des Bestellers zugunsten des Unternehmers einzuschränken. Es ist vielmehr der Unternehmer, der in doppelter Weise vertragswidrig gehandelt hat, indem er weder ein mangelfreies Werk herstellte noch seiner Pflicht zur Nacherfüllung nachkam.

Die Gestaltungswirkung der Minderung beschränkt sich – wie dargestellt – auf die Mängelrechte der Nacherfüllung, des Rücktritts und des großen Schadensersatzes in Form der Rückgängigmachung des Vertrags, nimmt dem Besteller, der das mangelhafte Werk behält, jedoch nicht das Recht, sein Leistungsinteresse durch Selbstvornahme mit Kostenerstattung im Wege des Schadensersatzes statt der Leistung (kleiner Schadensersatz), § 634 Nr. 4, § 281 BGB, oder gemäß § 634 Nr. 2, § 637 Abs. 1 BGB in vollem Umfang durchzusetzen.

Steht dem Besteller danach die Befugnis zur Selbstvornahme auch nach erklärter Minderung weiterhin zu, kann er vom Unternehmer gemäß § 634 Nr. 2, § 637 Abs. 3 BGB einen Kostenvorschuss für die für die Selbstvornahme benötigten Mittel verlangen, die über die durch die Minderung ersparte Vergütung hinausgehen.

Nachgefragt bei … Wann sind die Befugnis des Bestellers auf Selbstvornahme und der Anspruch auf Kostenvorschuss ausgeschlossen?

Nachgefragt bei …

Dr. jur. Thomas Ax

Wann sind die Befugnis des Bestellers auf Selbstvornahme und der Anspruch auf Kostenvorschuss ausgeschlossen?

ANTWORT: BGH, Urteil vom 22.08.2024 – VII ZR 68/22:

Die Befugnis des Bestellers auf Selbstvornahme und der Anspruch auf Kostenvorschuss sind nach § 637 Abs. 1 BGB ausgeschlossen, wenn der Unternehmer zu Recht die Nacherfüllung verweigert. Nach § 635 Abs. 3 BGB kann der Unternehmer die Nacherfüllung verweigern, wenn sie nur mit unverhältnismäßigen Kosten möglich ist. Unverhältnismäßig im Sinne des § 635 Abs. 3 BGB sind die Kosten für die Beseitigung eines Mangels dann, wenn der damit in Richtung auf die Beseitigung des Mangels erzielte Erfolg bei Abwägung aller Umstände des Einzelfalls in keinem vernünftigen Verhältnis zur Höhe des dafür geltend gemachten Geldaufwandes steht. Unverhältnismäßigkeit wird in aller Regel anzunehmen sein, wenn einem objektiv geringen Interesse des Bestellers an einer mangelfreien Vertragsleistung unter Abwägung aller Umstände ein ganz erheblicher und deshalb vergleichsweise unangemessener Aufwand gegenübersteht (vgl. BGH, Urteil vom 24. April 1997 – VII ZR 110/96, BauR 1997, 638).

OLG Brandenburg zu der Frage, dass der Auftraggeber bei der Ersatzvornahme darauf vertrauen darf, dass der Drittunternehmer die Mängelbeseitigung zu angemessenen Preisen durchführen wird und dass bei der Würdigung, welche Maßnahme zu welchen Preisen möglich und zumutbar war, zu berücksichtigen ist, dass der Auftraggeber nicht gehalten ist, im Interesse des säumigen und nachbesserungsunwilligen Unternehmers besondere Anstrengungen zu unternehmen, um den preisgünstigsten Drittunternehmer zu finden

OLG Brandenburg zu der Frage, dass der Auftraggeber bei der Ersatzvornahme darauf vertrauen darf, dass der Drittunternehmer die Mängelbeseitigung zu angemessenen Preisen durchführen wird und dass bei der Würdigung, welche Maßnahme zu welchen Preisen möglich und zumutbar war, zu berücksichtigen ist, dass der Auftraggeber nicht gehalten ist, im Interesse des säumigen und nachbesserungsunwilligen Unternehmers besondere Anstrengungen zu unternehmen, um den preisgünstigsten Drittunternehmer zu finden

vorgestellt von Thomas Ax

1. Wird eine bestimmte Leistung bereits nach dem Ursprungsvertrag geschuldet und bezahlt, kann der Auftragnehmer dieselbe Leistung in der Regel nicht ein zweites Mal aufgrund einer Nachtragsvereinbarung bezahlt verlangen. Dafür wäre erforderlich, dass sich der Auftraggeber in vertragsändernder Weise oder durch Anerkenntnis oder Vergleich eindeutig damit einverstanden erklärt, eine zusätzliche Vergütung ohne Rücksicht auf die schon bestehenden Leistungspflichten des Auftragnehmers zu zahlen.
2. Erklärt der Auftraggeber in einem Abnahmeprotokoll die Abnahme “beschränkt […] auf folgende Teilleistungen”, liegt darin keine Teilabnahme, sondern eine Gesamtabnahme unter Vorbehalt der Rechte bezüglich der benannten Mängel.
3. Gewährleistungsansprüche sind ausgeschlossen, wenn der Auftraggeber sich die Ansprüche bezüglich des konkreten Mangels nicht bei der Abnahme vorbehält.
4. Der Umstand, dass der Auftraggeber dem Auftragnehmer nach Ablauf der Nachbesserungsfrist die Nachbesserung untersagt hat, berührt die Gewährleistungsansprüche nicht. Nach Fristablauf ist der Auftragnehmer gehindert, ohne Zustimmung des Auftraggebers nachzubessern.
5. Der Auftragnehmer kann sich gegenüber einem nicht fachkundigen Auftraggeber später nicht darauf berufen, die ihm gesetzte Frist sei zu kurz gewesen, wenn er dies nicht unverzüglich gegenüber dem Auftraggeber gerügt hat und eine solche Rüge zu erwarten war, weil der Auftraggeber der vertretbaren Auffassung sein durfte, die Frist sei angemessen.
6. Der Auftraggeber darf bei der Ersatzvornahme darauf vertrauen, dass der Drittunternehmer die Mängelbeseitigung zu angemessenen Preisen durchführen wird. Bei der Würdigung, welche Maßnahme zu welchen Preisen möglich und zumutbar war, ist zu berücksichtigen, dass der Auftraggeber nicht gehalten ist, im Interesse des säumigen und nachbesserungsunwilligen Unternehmers besondere Anstrengungen zu unternehmen, um den preisgünstigsten Drittunternehmer zu finden.
OLG Brandenburg, Urteil vom 05.09.2024 – 12 U 3/22

Gründe

I.

Die Klägerin macht Zahlung von restlichem Werklohn geltend, die Beklagten erheben Einwendungen die mangelnde Fälligkeit, die fehlerhafte Abrechnung und Mängel betreffend.

Die Parteien schlossen am 07.06.2018 einen Bauvertrag über die schlüsselfertige Errichtung eines Einfamilienhauses in der … (= Straße, Nr.) in … (= Ort) zu einem Festpreis von 260.220,35 Euro. Vertragsgrundlage waren die VOB/B sowie unter anderem die Bauleistungsbeschreibung von Juni 2018. Nach § 8 des Vertrages war eine förmliche Abnahme der Bauleistungen vereinbart, rechtliche Teilabnahmen waren ausgeschlossen. Wegen der Einzelheiten wird auf den Bauvertrag (Blatt 8ff GA) und die Leistungsbeschreibung (Blatt 15ff GA) Bezug genommen. Die Parteien erweiterten am 13.06.2018 das Bauvorhaben um eine Einliegerwohnung und am 18.06.2018 um weitere Leistungen.

Am 21.09.2018 unterzeichneten die Beklagten einen Nachtrag im Gesamtvolumen von 20.950 Euro brutto. Erfasst werden hiervon die Koordinierung Medien, bauvorbereitende Maßnahmen, die Einrüstung, die Koordinierung Mehrspartenhauseinführung und die Errichtung eines Kranstellplatzes. Einen weiteren Nachtrag unterzeichneten sie am 24.07.2019 über 10.200,68 Euro brutto für den Bodenaustausch gemäß Bodengutachten.

Am 18.12.2019 fand eine Baubesichtigung zur Abnahme statt. Anlage des Abnahmeprotokolls wurde gemäß Ziffer 1.3 eine Mängelliste. Unter 2.3 heißt es: “Die Abnahme wird erklärt, beschränkt sich jedoch auf folgende Teilleistungen:”. Die nachfolgenden Zeilen sind gestrichen. Ferner heißt es unter Ziffer 3: “Der Auftragnehmer wird aufgefordert die unter 2. aufgeführten Restarbeiten bis zum 20.01.2020 zu beseitigen. Hierzu erklärt sich der Auftragnehmer bereit. Im Gegenzug erklärt der Auftraggeber, die fälligen Restzahlungen bis spätestens 20.01.2020 zu leisten.” Auf das Abnahmeprotokoll (Blatt 22 ff GA) wird im Übrigen Bezug genommen.

Mit Datum vom 19.12.2019 legte die Klägerin Schlussrechnung über noch offene 30.104,80 Euro brutto, die Klageforderung. Mit Schreiben vom 20.05.2020 forderte die Klägerin die Beklagten erfolglos zur Zahlung der offenen Forderung bis zum 28.05.2020 auf.

Im Rahmen der dem Klägervertreter am 15.10.2020 zugegangenen Klageerwiderung meldeten die Beklagten weitere Mängel an und setzten eine Frist zur Mangelbeseitigung bis zum 06.11.2020. Mit Schreiben vom 25.11.2020 erteilten die Beklagten der Klägerin und den Nachauftragnehmern Hausverbot.

Die Klägerin hat vorgetragen, die in den Nachträgen vereinbarten Leistungen seien im ursprünglichen Auftrag nicht enthalten gewesen. Vielmehr handele es sich um Arbeiten, die nach dem Hauptvertrag von den Beklagten zu erbringen gewesen seien. Die Arbeiten seien am 18.12.2019 abgenommen worden und die Schlussrechnung fällig und prüfbar. Es handele sich um eine Gesamtabnahme und nicht lediglich um eine Teilabnahme für den Innenbereich. Soweit die Arbeiten an der Fassade noch nicht fertiggestellt gewesen seien, fehle es an einer Fristsetzung. Die in Ziffer 3 des Abnahmeprotokolls enthaltene Frist beziehe sich nicht auf die dem Protokoll anliegende Mängelauflistung, sondern allein auf die nicht bezeichneten Restleistungen. Die Fristsetzung ginge deshalb ins Leere. Jedenfalls hätten sich die Beklagten zur Zahlung “Zug um Zug” verpflichtet und es lägen keine die Abnahme hindernden wesentlichen Mängel der Werkleistung vor, wie auch der Einzug der Beklagten in das Haus zeige. Die in der Mängelliste aufgeführten Arbeiten seien zudem abgearbeitet. Soweit vereinzelte Mängel vorlägen, hätten die Beklagten die Mangelbeseitigung nicht zugelassen. Tatsächlich müsse noch der Oberputz nachgearbeitet werden, allerdings nicht der Grundputz. Der Nachauftragnehmer der Klägerin sei bereit, seine Arbeiten fertig zu stellen. Zur Mangelbeseitigung der Mängel am Oberputz und der Küchentür falle lediglich ein Aufwand von 2.000 Euro an. Mängel der Dachraumbelüftung bestünden nicht, da es sich um eine hinterlüftete Dachkonstruktion handele, die entsprechend den technischen Regeln errichtet worden sei. Die Mängel an der Hauseingangstür und den Terrassentüren seien neu und bislang nicht angezeigt worden; der Mangel an der Küchentür sei unstreitig und die Klägerin zum Einbau bereit.

Soweit eine andere Heizungsanlage als die im Vertrag genannte der Firma … (=X) eingebaut worden sei, handele es sich um eine mindestens vergleichbare Anlage, die kompakter sei und eine längere Garantiezeit aufweise. Eine Heizung mit einem Warmwasserspeicher von nur 180 l sei in einem Haus mit einer Einliegerwohnung nicht zulässig. Ein Vorbehalt in der Abnahmeerklärung fehle. Die Mängel Klebereste und Fliesenfugen werden bestritten. Der Einbau bodenebener Duschen entspreche den Absprachen und stelle eine höherwertige und modernere Ausführung dar. Dies gelte auch für das Fenster in der Küche.

Die Beklagten haben vorgetragen, der Werklohn sei nicht fällig. Sie hätten lediglich auf erheblichen Druck der Klägerin mit der Drohung der Einstellung der Arbeiten und eines verweigerten Einzugs eine Teilabnahme betreffend den Innenbereich des Hauses erklärt. Neben dem fehlenden Außenputz des Gebäudes hätten weitere Mängel gemäß Mangelliste bestanden, die die Klägerin bislang nicht abgearbeitet habe. Die im Abnahmeprotokoll enthaltene Frist bis zum 20.01.2020 betreffe die genannten Mängel. Sie hätten daher nach Fristablauf den Sachverständigen Dipl. Ing. D… S… mit der Mangelbegutachtung beauftragt. Danach bestünden folgende Mängel:

– Der Außenputz entspreche nicht den allgemein anerkannten Regeln der Technik, der Grundputz müsste nachgearbeitet und der Außenputz fertig gestellt werden.

– Die Perimeterdämmung im Sockelbereich sei nicht fachgerecht ausgeführt, die Befestigung der Dämmplatten entspreche nicht den Regeln der Technik.

– Die Dachraumbelüftung sei nicht fachgerecht ausgeführt, die Entlüftung fehle gänzlich, die unbeheizten Dachflächen seien nicht entlüftet.

– Die Hauseingangstür zur Mietwohnung und die bodengleichen Terrassentüren seien nicht fachgerecht an die Bauwerksabdichtung angeschlossen.

– Die Küchentür sei zur falschen Seite eingebaut, die Türzarge müsse ausgebaut und eine neue mit den Bändern zum Flur eingebaut werden.

– Die eingebaute Heizungsanlage … (= Gerät X) sei nicht gleichwertig mit dem angebotenen Kompaktgerät … (= Gerät Y). Das … (= Gerät Y) habe einen Warmwasserspeicher von 180 l, das eingebaute Billiggerät einen von 400 l bei breiteren Abmaßen. Es fehle daher im Hauswirtschaftsraum Platz für die ebenfalls unter anderem geplante Waschmaschine.

Die Beseitigung der vorgenannten Mängel sei mit einem Kostenaufwand von 23.000 Euro verbunden.

Darüber hinaus bestünden weitere Mängel:

– An allen Fensterscheiben und Terrassentürscheiben des Hauses befänden sich Klebereste aus der Bautätigkeit der Klägerin.

– Die Fliesenfugen im Bereich der Badewanne des Bades der Hauptwohnung seien rissig und fehlerhaft.

– In den beiden Bädern des Hauses seien Duschtassen vereinbart, während bodenebene Duschen eingebaut worden seien.

– Das Fenster in der Küche sei nicht wie vereinbart als festes Fensterteil ausgeführt, sondern mit Flügeln.

Die Beseitigung dieser Mängel mache einen Kostenaufwand von 750 Euro aus.

Das Hausverbot sei ausgesprochen worden, weil ein Nachunternehmer unangekündigt Mängel besichtigt habe. Nach Fristablauf lehnen die Beklagten eine Mangelbeseitigung durch die Klägerin ab. Weiter haben sie vorgetragen, die im Nachtrag vom 21.09.2018 enthaltenen Arbeiten seien bereits vom Pauschalpreisvertrag erfasst, insbesondere das Einrüsten des Rohbaus, sowie die als Koordinierungsarbeiten bezeichneten Leistungen zu Ziffern 1, 2 und 4 des Nachtrages. Die Ziffer 5 des Nachtrages (Kranstellplatz) sei unklar und die Durchführung werde bestritten.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Klage sei unbegründet, weil kein Anspruch auf Zahlung des noch offenen Werklohnes bestünde. Die Klägerin habe den Restwerklohnanspruch unschlüssig dargestellt, da in der Schlussrechnung der nicht fertiggestellte Oberputz nicht berücksichtigt worden sei. Insoweit fehle die Fälligkeit der Restwerklohnvergütung, weil in der Abrechnung eine Trennung der Vergütungsansprüche zwischen erbrachten und nicht erbrachten Leistungen nicht erfolgt sei. In Auslegung der Erklärungen im Abnahmeprotokoll sei auch keine Gesamtabnahme festzustellen, nachdem weder die Leistungen fertig gestellt gewesen seien, noch die in Ziffer 8 der Mangelauflistung vereinbarte gesonderte Abnahme für den Oberputz sonst Sinn gemacht hätte. Auch die vereinbarte Zahlungsfrist zum 20.01.2020 mache keinen Sinn, wenn die Leistung Oberputz von einer separaten Abnahme abhängig gemacht worden wäre. Hingegen seien die Voraussetzungen einer Teilabnahme gegeben. Ein entsprechender Wille ginge aus dem Protokoll hervor. Weiter würden Nachtragsleistungen bereits vom Hauptauftrag erfasst und dürften deshalb nicht nochmals abgerechnet werden. Dies gelte für die “Koordinierung Medien”, die nach Ziffern 03 und 04 der Leistungsbeschreibung ohne zusätzliche Vergütung erfolgen müsse. Gleiches gelte für die bauvorbereitenden Maßnahmen, die nur dann, wenn ein Keller vorhanden sei, zulasten der Bauherren gehen sollten. Der Bodenaustausch sei zudem bereits nach dem Zusatzauftrag für bauvorbereitende Maßnahmen erfasst, also in den abgerechneten 13.825 Euro, und könne nicht zusätzlich mit 8.572 Euro abgerechnet werden. Auch der Feststellungsantrag auf Feststellung des Annahmeverzuges mit den Mangelbeseitigungsleistungen sei unbegründet. Wegen der tatsächlichen Feststellungen und rechtlichen Ausführungen wird ergänzend auf das Urteil Bezug genommen.

Die Klägerin hat gegen das ihren Prozessbevollmächtigten am 20.12.2021 zugestellte Urteil mit einem am 11.01.2022 beim Brandenburgischen Oberlandesgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese innerhalb der bis zum 18.03.2022 verlängerten Berufungsbegründungsfrist am 17.03.2022 begründet. Zur Begründung führt sie aus, die Abweisung des Feststellungsantrages nehme sie hin. Diese werde nicht mit der Berufung angefochten. Fehlerhaft erwarte aber das Landgericht eine Abgrenzung der erbrachten und der nicht erbrachten Leistungen in der Schlussrechnung. Es bestehe weder eine Kündigung noch eine Teilabnahme. Vielmehr liege eine Gesamtabnahme mit Mangelvorbehalt vor, da, wie das Landgericht auf Seite 7 im 5. Absatz des Urteils selbst ausführe, das errichtete Einfamilienhaus auch ohne Oberputz gebrauchsfähig sei. Zudem handele es sich nicht um in sich abgeschlossene Teile von Leistungen innerhalb eines Gewerks, so dass eine Teilabnahme schon aus Rechtsgründen nicht in Betracht käme. Auch Ziffer 8 des Abnahmeprotokolls stelle lediglich eine Abnahme der Mangelbeseitigungsarbeiten dar. Der Mangel “Oberputz” könne allein zu einem Leistungsverweigerungsrecht gemäß § 320 BGB führen. Die Mangelbeseitigungsarbeiten erforderten zudem allenfalls einen Betrag von 2.000 Euro, die Streithelferin habe die Leistungen für 1.970 Euro angeboten. Zusammen mit dem Mangel “Küchentür” lasse sich die Klägerin Mangelbeseitigungskosten von 3.000 Euro entgegengehalten, mithin ein Leistungsverweigerungsrecht in doppelter Höhe von insgesamt 6.000 Euro.

Soweit das Landgericht davon ausgehe, dass die Nachträge bereits im Hauptauftrag enthalten seien, habe es vorab keine konkreten Hinweise gegeben. Vielmehr seien diese ebenso wie das Sitzungsprotokoll nebulös geblieben. Die Nachtragsleistungen erfassten jedoch die Koordinierung selbst und nicht die allein im Hauptvertrag enthaltene Unterstützung bei der Koordinierung. So habe sie über den ursprünglichen von ihr übernommenen Umfang hinaus die eigentliche Kontaktaufnahme oder die Abfrage von Angeboten durchgeführt und die Absprachen vor Ort übernommen. Dem stünde auch nicht entgegen, dass hier ein schlüsselfertiges Haus geschuldet sei. Denn der tatsächliche Leistungsumfang ergebe sich aus dem jeweiligen Vertrag. Dies betreffe auch den Bodenaustausch. Nach Ziffer 6 der Leistungsbeschreibung sei im Vertrag lediglich ein Abtrag von 30 cm Mutterboden vorgesehen. Alle anderen Leistungen wie auch die Herstellung eines tragfähigen Bodenbereichs für den Kran hätten den Beklagten oblegen. Es gebe auch keine Doppelabrechnung hinsichtlich des Bodenaustausches und der bauvorbereitenden Maßnahmen. Denn Letztere enthielten lediglich die Koordinierung und der Nachtrag vom 24.07.2019 den Austausch selbst.

Soweit die Beklagten die Durchführung einer Ersatzvornahme bzgl. der geltend gemachten Mängel behaupten, bestreite sie die Erforderlichkeit, Durchführung, Angemessenheit und Bezahlung der Maßnahmen, als auch die Angemessenheit der Frist zur Mangelbeseitigung, soweit die Mängel nicht bereits im Abnahmeprotokoll vorbehalten worden seien. Ferner wird das Vorliegen der weiteren Mängel bestritten.

Die Klägerin beantragt zuletzt,

das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 16.12.2021 abzuändern und die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 30.104,80 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.05.2020 zu zahlen;

hilfsweise, das Urteil des Landgerichts aufzuheben und das Verfahren zur erneuten Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen,

sowie in Erweiterung der Klage festzustellen, dass sich die Beklagten mit der Annahme der Mangelbeseitigung in Bezug auf die Herstellung einer Hinterlüftung bei dem Kaltdach der Beklagten in Annahmeverzug befinden.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen die angefochtene Entscheidung. Beim Oberputz handele es sich um eine wesentliche Minderleistung, so dass hier weder eine Gesamtabnahme vorliege noch eine Gesamtabnahmefähigkeit. Hinsichtlich der Mehrvergütungsansprüche habe das Landgericht ausreichend Hinweise erteilt. Es sei vielmehr die Klägerin, die nicht darlege, warum sie neben dem vereinbarten Pauschalpreis weitere Forderungen erheben könne. Die Leistungen seien bereits im Hauptauftrag enthalten gewesen. Die Koordinierung und Beauftragung der Medien sei ebenso wie die Beauftragung des Baugrundgutachters / Vermessers durch die Beklagten erfolgt. Die Erstellung des Kranstellplatzes wäre weder notwendig gewesen, noch habe es sie gegeben, ebenso wenig wie Baumfällungen und Straßensperrungen.

Hilfsweise haben sie zunächst erstrangig – soweit kein Leistungsverweigerungsrecht in Höhe von 24.000 Euro bestehe – aufgerechnet mit einem Kostenvorschuss von 12.970,82 Euro wegen des Mangels Heizung/Warmwasserspeicher. Mit letztem Schriftsatz sowie klarstellend im Senatstermin vom 18.07.2024 wird insoweit ein Zurückbehaltungsrecht i.H.v. 3.000 Euro geltend gemacht, weil wegen der Größe des Warmwasserspeichers die Tür nicht vollständig zu öffnen sei. Von der zweitrangig erfolgten Aufrechnung mit den Kosten des Auswechselns der Küchentür von 235,04 Euro haben sie zuletzt Abstand genommen. Weiter haben sie vorgetragen, es sei eine Ersatzvornahme durchgeführt worden. Wegen der durchgeführten Arbeiten und den entstandenen Kosten von 27.350,28 Euro wird auf die Rechnung vom 24.04.2022 verwiesen und mit einem Anspruch in dieser Höhe aufgerechnet. Schließlich werde mit einem Vorschussanspruch für die Beseitigung des Mangels Dachentlüftung von 5.537,10 Euro und einem Schadensersatzanspruch für die Beseitigung der Schäden zur Trocknung des Wasserschadens und der Wiederherstellung des Bades und einer ordentlichen Duschabdichtung mit 12.636 Euro aufgerechnet.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung von Sachverständigengutachten. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten des Dipl.-Ing./Arch. L… K… vom 26.07.2023 und des Prof. Dr.-Ing. B… vom 30.01.2023, seinen ergänzenden Ausführungen vom 07.05.2024, sowie deren Anhörung im Senatstermin vom 18.07.2024 Bezug genommen. Weiter hat der Senat den Zeugen S… G… vernommen. Auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 22.02.2024 wird verwiesen.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung der Klägerin hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.

1. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Werklohn i.H.v. 30.104,80 Euro aus dem am 07.06.2018 zwischen den Parteien geschlossenen Bauvertrag über die schlüsselfertige Errichtung eines Einfamilienhauses in … (= Ort) in Verbindung mit § 631 Abs. 1 BGB, § 2 Abs. 1 VOB/B. Nach § 2 Abs. 1 des Vertrages haben die Parteien die Geltung der VOB/B vereinbart. Da die VOB/B dem Vertrag im Wortlaut als Anlage 4 beilag, bestehen hinsichtlich der wirksamen Einbeziehung keine Bedenken.

a) Der Umfang des Werklohnanspruchs folgt zunächst aus dem ursprünglich im Bauvertrag vereinbarten Werklohn von 260.220,35 Euro brutto. Das Auftragsvolumen wurde am 13.06.2018 auf 265.220,35 Euro sowie am 18.06.2018 auf 265.720,35 Euro erweitert. Ebenfalls unstreitig haben die Parteien am 21.09.2018 über 20.950 Euro und am 24.07.2019 über 10.200,68 Euro Nachtragsvereinbarungen geschlossen. Die unter Berücksichtigung von Gutschriften danach offene Werklohnforderung entspricht rechnerisch der Klageforderung.

b) Der Einwand der Beklagten, die Zusatzleistungen aus den Rechnungen vom 21.09.2018 und 24.07.2019 seien bereits vom Hauptvertrag erfasst und deshalb nicht gesondert zu vergüten, trägt nicht.

aa) Bereits im Ausgangspunkt stellt sich die von den Beklagten mit der Berufung aufgeworfene pauschale Frage nicht, warum die Klägerin die Vergütung verlangen kann. Denn insoweit liegen schriftliche Vergütungsabsprachen vor, nach denen sich die Beklagten zur entsprechenden Zahlung verpflichten. Diese sind Bestandteil des zwischen den Parteien bestehenden Bauvertrages. Denn in Fällen, in denen nach der Vorstellung einer oder beider Parteien die vertraglich vorgesehene Vertragsdurchführung oder der Inhalt des Vertrages an die geänderten tatsächlichen Umstände angepasst werden muss, sind entstandene Meinungsverschiedenheiten oder Konflikte nach Möglichkeit einvernehmlich beizulegen. Ihren Ausdruck haben sie in der VOB/B insbesondere in den Regelungen des § 2 Nr. 5 und Nr. 6 VOB/B gefunden. Danach soll über eine Vergütung für geänderte oder zusätzliche Leistungen eine Einigung vor der Ausführung getroffen werden. Diese Regelungen sollen die Parteien dazu anhalten, die kritischen Vergütungsfragen frühzeitig und einvernehmlich zu lösen und dadurch spätere Konflikte zu vermeiden (BGH, Urteil vom 28. Oktober 1999 – VII ZR 393/98 -, BGHZ 143, 89-95, Rn. 29 – 30). Haben die Parteien, wie hier, eine entsprechende Vereinbarung getroffen, so kann der Klägerin eine Vergütung selbst dann zustehen, wenn die Arbeiten bereits im Pauschalvertrag enthalten gewesen sind. Es steht den Parteien frei, für bestimmte im Pauschalvertrag enthaltene Leistungen nachträglich eine Vergütung zu vereinbaren (BGH, NJW-RR 1995, 722, beck-online; Kapellmann/Messerschmidt/Kapellmann, 7. Aufl. 2020, VOB/B § 2 Rn. 317, 371; BeckOK VOB/B/Kandel, 47. Ed. 30.4.2022, VOB/B § 2 Abs. 6 Rn. 35).

bb) Allerdings finden die Vergütungsvereinbarungen rechtlich ihre Grenzen. Wird eine bestimmte Leistung bereits nach dem Ursprungsvertrag geschuldet und bezahlt, kann der Auftragnehmer dieselbe Leistung in der Regel nicht ein zweites Mal auf Grund einer Nachtragsvereinbarung bezahlt verlangen. Dafür wäre erforderlich, dass sich der Auftraggeber – wofür der vorliegende Fall keinen Anhalt bietet – in vertragsändernder Weise oder durch Anerkenntnis oder Vergleich eindeutig damit einverstanden erklärt, eine zusätzliche Vergütung ohne Rücksicht auf die schon bestehenden Leistungspflichten des Auftragnehmers zu zahlen (BGH, NZBau 2005, 453, beck-online). Denn ein vermeintliches Anerkenntnis bezieht sich in der Regel allenfalls darauf, dass eine etwaige Mehrleistung der Klägerin anerkannt und vergütet wird, sofern dies nach den vertraglichen Vereinbarungen erforderlich ist (Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 16. Dezember 2019 – 12 U 114/19 -). Maßgebend ist daher die Frage, ob es sich hier um nicht vom Vertrag erfasste Zusatzleistungen handelt. Das ist der Fall.

cc) Mit dem Nachtrag vom 21.09.2018 zur Position 1 haben sich die Beklagten zur Zahlung einer Mehrvergütung für die Position “Koordinierung Medien” (4.500 Euro) verpflichtet. Nach dem Nachtrag wird hiervon erfasst die “Koordinierung der Trinkwasseranträge, der Abwasseranträge sowie bei Bedarf des Gasanschlusses und der Koordinierung der Bereitstellung des Bauwassers und des Baustromes”. Damit korrespondieren die Ziffern 03 und 04 der Leistungsbeschreibung von Juni 2018, nach denen die Baustelle mit Bauwasser- und Baustromanschluss eingerichtet wird. Nach Ziffer 04 ist die Beantragung und der Anschluss der notwendigen Medien wie Erdgas, Fernwärme, Wasser, Abwasser, Strom etc. bei den zuständigen Versorgungsunternehmen Aufgabe der Bauherren. Die Klägerin unterstützt insoweit die Bauherren bei der Koordinierung. Die Antrags- und Anschlusskosten sind vom Bauherren zu tragen. Auch wenn hier Überschneidungen des Leistungsumfanges vorliegen können, gehen die im Nachtrag genannten Leistungen über den ursprünglichen Hauptvertrag hinaus. Denn während ursprünglich lediglich allgemeine Hinweis- und Unterstützungsleistungen geschuldet waren, sind nunmehr die entsprechenden Antragstellungen von der Klägerin unterschriftsreif vorzubereiten und abzustimmen. Ob der Mehraufwand tatsächlich das im Nachtrag genannte Vergütungsvolumen rechtfertigt, bedarf hier keiner Entscheidung. Denn insoweit unterliegt die Vereinbarung der Vertragsfreiheit der Parteien.

Soweit die Beklagten in der Berufungserwiderung erstmals vortragen, sie hätten selbst die Leistungen erbracht, ist der Vortrag nach § 531 Abs. 2 ZPO nicht zu berücksichtigten. Gründe für das späte Vorbringen tragen die Beklagten nicht vor, so dass sie mit den Einwendungen ausgeschlossen sind. Im Übrigen wenden sie letztlich eine mangelhafte Werkleistung der Klägerin und ggf. eine Ersatzvornahme ein. Jeglicher Vortrag zu entsprechenden Leistungsaufforderungen oder Fristsetzungen fehlt, so dass der Einwand jedenfalls unerheblich bleibt.

dd) Das zuvor Ausgeführte gilt im Ergebnis auch für den Nachtrag “Koordinierung Mehrspartenhauseinführung” (3.900 Euro) zur Position 4. Nach dem Nachtrag wird hiervon erfasst die “Koordinierung und Ausführung inklusive Einbau mit vier separaten Einführungsöffnungen für Elektrik, Wasser, Telekommunikation und Heizung”. Die Klägerin erläutert den zusätzlichen Auftragsumfang auf Hinweis des Senates nunmehr weiter dahin, dass es sich um zusätzlich zu Ziffer 1 des Nachtrags aufgeführte Leistungen der Abstimmung und Ausführung der einheitlichen Einführung der Leitungen in das Gebäude handele, die den Beklagten erläutert und ausdrücklich von ihnen gewünscht worden seien. Das ist seitens der Beklagten unerwidert geblieben. Mithin handelt es sich um zusätzlich zu vergütende Leistungen.

ee) Im Nachtrag vom 21.09.2018 zur Position 2 haben sich die Beklagten zur Zahlung einer Mehrvergütung für bauvorbereitende Maßnahmen (3.500 Euro) wie die “Koordinierung des Bodengutachtens und gegebenenfalls des notwendigen Bodenaustausches, der Baumfällung, des Vermessers, Straßensperrung und gegebenenfalls des Kranstellplatzes” verpflichtet. Im Hauptvertrag finden sich dazu folgende Regelungen: § 11 Nr. 6: “Sämtliche Nebenkosten… Gebühren für ein etwaiges Bodengutachten und einen etwaigen Bodenaustausch (mit Ausnahme der in der Bauleistungsbeschreibung aufgeschlüsselten Erdarbeiten) sind vom Auftraggeber zu entrichten”. In Ziffer 06 der Leistungsbeschreibung wird beschrieben, dass standardmäßig 30 cm Mutterboden abgetragen und auf dem Grundstück gelagert werden. Sollte aufgrund der Bodenbelastbarkeit einer erhöhter Abtrag notwendig sein, trägt diese Kosten der Bauherr. Die in diesem Zusammenhang stehenden Tätigkeiten obliegen daher den Beklagten. Soweit die Klägerin mit dem Nachtrag vom 21.09.2018 die Koordinierungsarbeiten übernimmt, handelt es sich mithin – entsprechend den Ausführungen zur Position 1 – um Zusatzleistungen. Für eine doppelte Abrechnung der gleichen Leistung bestehen deshalb keine Anhaltspunkte.

Soweit auch hier die Beklagten erstmals mit der Berufungserwiderung einwenden, die Bodengutachter und Vermesser seien von ihnen bezahlt worden, entspricht dies den vertraglichen Vereinbarungen. Dem zum Leistungsspektrum vertiefenden Vortrag der Klägerin im Schriftsatz vom 15.06.2022 sind die Beklagten nicht konkret entgegen getreten, sondern behaupten lediglich pauschal, die Koordinierungsarbeiten selbst ausgeführt zu haben. Dies genügt nicht.

Soweit Baumfällarbeiten und Straßensperrungen nicht erforderlich gewesen sein sollten, erschließt sich aus dem Beklagtenvortrag nicht, welche Rechte sie daraus ableiten wollen, nachdem der Nachtrag insoweit pauschalisiert vereinbart worden war und sich die von den Beklagten geschuldete Schaffung der Baufreiheit bereits aus § 2 Abs. 2 d.V. ergibt.

Da, wie aus dem Nachtrag vom 23.07.2019 folgt, ein zusätzlicher Bodenaustausch nach einem Bodengutachten notwendig und der Bodenaustausch “gemäß Kaufvertrag” darin berücksichtigt wurde, ist auch der Nachtrag über 10.200,68 Euro eine mehrvergütungspflichtige Leistung der Klägerin.

Dem steht Ziffer 27 der Leistungsbeschreibung nicht entgegen. Denn, worauf das Landgericht zutreffend abstellt, beinhaltet die dort getroffene Regelung lediglich die Ausführung mit Keller, die hier unstreitig nicht erfolgt ist. Allerdings gibt diese Regelung keine Basis für etwaige Rückschlüsse auf andere Leistungen. Insbesondere schließt sie einen weitergehenden Vergütungsanspruch für andere Bodenaushubarbeiten nicht aus. Im Gegenteil korrespondieren diese Regelungen, weil in jedem Fall ein über den Mutterbodenabtrag von 30 cm hinausgehender Aufwand für Bodenbearbeitungsmaßnahmen im Risikobereich der Beklagten lag und damit auch einer zusätzlichen Vergütungspflicht unterliegt.

ff) Im Nachtrag vom 21.09.2018 zur Position 3 haben sich die Beklagten zur Zahlung einer Mehrvergütung für die “Einrüstung” (4.500 Euro) des Rohbaus nach Baufortschritt verpflichtet. Die Berechtigung hierfür folgt aus Pos. 03 der Leistungsbeschreibung, nach der eine Rüstung entsprechend dem Bauverlauf erstellt und die Kosten hierfür gesondert in Rechnung gestellt werden können.

gg) Im Nachtrag vom 21.09.2018 zur Position 5 (4.500 Euro) haben die Beklagten die Zahlung einer Mehrvergütung für die fachgerechte Herstellung eines gesicherten Untergrundes vereinbart. Die Berechtigung dieser Mehrvergütung folgt aus § 2 Abs. 2 zweiter Anstrich des Vertrages. Danach verpflichtet sich der Bauherr, vor Baubeginn die Baufreiheit herzustellen, sowie alle Voraussetzungen zu schaffen, um den Baufahrzeugen die ungehinderte Zufahrt (evt. Befestigung) zum Baugrundstück zu ermöglichen. Dazu gehört die Verpflichtung der Bauherren, für einen entsprechend befestigten Untergrund zum Aufstellen der Baugeräte zu sorgen, mithin auch für die Fläche zum Aufstellen eines Baukranes. Den ihr obliegenden Beweis für ihren bereits mit einem Foto unterlegten Vortrag, wie sie die Stellfläche bearbeitet hat, hat die Klägerin durch Zeugnis des S… G… geführt, der anschaulich und überzeugend die Verwendung eines Baukranes und die dafür notwendige Herstellung des Baugrundes durch die Klägerin dargestellt hat.

Damit ist der Vergütungsanspruch der Klägerin in Höhe von 281.734,70 Euro entstanden. Hiervon sind nach Abzug der Abschlagszahlungen und Gutschriften noch 30.104,80 Euro offen.

2. Der Werklohnanspruch ist auch fällig.

a) Die Klägerin hat eine Schlussrechnung gelegt, deren Prüffähigkeit nicht beanstandet wird. Soweit die Beklagten “nach ihrer Berechnung” von der Schlussrechnung abweichend Abschlagszahlungen von 255.000 Euro in den Raum stellen, erfolgt dies substanzlos und damit unerheblich.

b) Ferner befinden sich die Parteien nach Durchführung der Ersatzvornahme in einem Abrechnungsverhältnis. Jedenfalls ist nach den auszulegenden Erklärungen der Parteien im Abnahmeprotokoll – unabhängig davon, dass die Beklagten die Abnahme erst mit der Berufungserwiderung ausdrücklich angegriffen haben – von einer Gesamtabnahme unter Mangelvorbehalt am 18.12.2019 auszugehen.

Nach den “Feststellungen” in Ziffer 1 des Abnahmeprotokolls wurden die Leistungen der Klägerin zum 18.12.2019 beendet. Die Abnahme wurde bereits am 05.12.2019 gefordert. Damit sind die Parteien im Grundsatz von einem abgeschlossenen Bauvorhaben ausgegangen. Aus den “Feststellungen” ergeben sich nach Ziffer 1.3 weiter die in der Anlage zum Abnahmeprotokoll aufgeführten Mängel. Auf dieser Basis ist im Weiteren zur “Abnahme” die Ziffer 2.3 angekreuzt. Diese lautet: “Die Abnahme wird erklärt, beschränkt sich jedoch auf folgende Teilleistungen:”. Die weiteren Freizeilen sind gestrichen. Diese Erklärung ist zunächst im Kontext zu den weiteren Ankreuzoptionen in Ziffern 2.1 und 2.2 zu sehen. Danach kann angekreuzt werden: “Die Leistungen werden vertragsgerecht und mangelfrei übernommen.” bzw. “Die Abnahme wird im Hinblick auf die festgestellte Freiheit der Leistung von sichtbaren Mängeln erklärt.”. Keine der danach vorhandenen Ankreuzoptionen wird dem maßgebenden Interesse der Beklagten gerecht, die gerade Mängel festgestellt hatten. Insoweit kam weder eine mangelfreie Abnahme noch eine Abnahme unter Vorbehalt nicht sichtbarer Mängel in Betracht. Insoweit erscheint es am naheliegendsten, Ziffer 2.3 anzukreuzen, da diese Option am ehesten den Mangelvorbehalt ausdrückt. Dies stellt jedoch nicht zugleich allein eine Teilabnahme dar. Denn insoweit ist auch zu berücksichtigen, dass die in der Ziffer genannte Beschränkung auf Teilleistungen weder durch einen Verweis auf Ziffer 8 der Anlage noch in sonstiger Art und Weise konkretisiert wurde. Vielmehr erfolgte eine Streichung. Dies ist die deutlichste Form dafür, zum Ausdruck zu bringen, eine Beschränkung der Abnahme auf Teilleistungen nicht vornehmen zu wollen. Hinzu kommt, dass nach § 8 des Vertrages rechtliche Teilabnahmen ausgeschlossen sind und Anhaltspunkte dafür, dass die Parteien hiervon abweichend eine vertragliche Abrede für eine Teilabnahme treffen wollten, nicht gegeben sind. Ziel der Parteien konnte deshalb nur sein, entweder die Abnahme unter Vorbehalt zu erklären oder die Abnahme generell zu verweigern. Letzteres ist offensichtlich nicht der Fall.

Die in Ziffer 8 der Anlage vorgesehene gesonderte Abnahme der Mangelbeseitigung “Oberputz” trägt § 13 Abs. 5 Nr. 1 S. 3 VOB/B Rechnung. Dabei bestimmt die Abnahme der Mangelbeseitigungsleistung zugleich den Beginn der für diese Leistung gegebenen Verjährungsfrist. Insoweit hat die separat vorgesehene Abnahme der Putzarbeiten eine eigenständige Bedeutung, die für sich genommen einer Gesamtabnahme nicht entgegensteht. Dass hier ggf. der Vorbehalt einer Abnahme überflüssig sein könnte, steht dem nicht entgegen. Denn eine Pflicht zur (förmlichen) Abnahme nach § 13 Abs. 5 Nr. 1 S. 3 VOB/B besteht nicht; eine ausdrückliche Benennung der Option ist zudem unschädlich.

Gegen eine Teilabnahme spricht ferner der handschriftliche Zusatz im Bauabnahmeprotokoll. Danach sollte nach Fertigstellung der Mängel laut Anlage, zu denen auch die Oberputzarbeiten gehörten, und Eingang der Schlussrechnung plus Restbetrag Innenputzrechnung das Haus bezogen werden können. Tatsächlich sind die Beklagten auch in das Haus eingezogen. In diesem Kontext ist auch Ziffer 3 des Abnahmeprotokolls zu sehen. Dort ist eine Frist zur Erledigung der aufgeführten Restarbeiten bis zum 20.01.2020 gesetzt worden. Zwar bezog sich diese Fristsetzung nach dem Wortlaut auf die unter Ziffer 2 aufgeführten Restarbeiten. Solche finden sich dort nicht. Mithin können hier nur die in der Anlage aufgelisteten Mängel gemeint gewesen sein. Zugleich haben sich die Beklagten zur Zahlung des Betrages binnen gleicher Frist verpflichtet. Auch dies spricht für eine das Bauvorhaben – unter Vorbehalt – abschließende Gesamtabnahme. Auf die Frage, ob eine Teilabnahme nach § 12 Abs. 2 VOB/B überhaupt möglich ist, kommt es deshalb nicht mehr an.

3. Die Beklagten haben gegen den Werklohnanspruch wirksam mit einem Schadensersatzanspruch i.H.v. 4.317,20 Euro und mit einem Kostenvorschussanspruch i.H.v. 2.796,50 Euro/br, mithin i.H.v. insgesamt 7.113,70 Euro/br. aufgerechnet, § 13 Abs. 1, 5 Nrn. 1 und 2 VOB/B.

a) Ein zunächst geltend gemachtes Zurückbehaltungsrecht i.H.v. 24.000 Euro oder ein hilfsweise zur Aufrechnung gestellter Kostenvorschussanspruch i.H.v. 12.970,82 Euro wegen einer nach Ansicht der Beklagten fehlenden Gleichwertigkeit der eingebauten Heizungsanlage der Fa. …(=X) statt einer solchen der Fa. … (=Y) besteht nicht.

Angeboten wurde das Produkt “…(=Y) oder gleichwertig”. Es blieb der Klägerin nach dem Vertrag mithin unbenommen, ein Produkt einzubauen, das der Qualität des Fabrikats … (=Y) entsprach. Das ist bei der eingebauten Heizungsanlage der Fa. … (=X) nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme der Fall. Der Sachverständige Prof. Dr. Ing. B… hat die technischen Merkmale der Anlagen geprüft und ist nachvollziehbar und überzeugend zu dem Ergebnis gelangt, dass die eingebaute Heizungsanlage mindestens gleichwertig ist. Danach hat die Therme der Fa. … (=X) mit 110,7% gegenüber der Therme von … (=Y) (109%) sogar einen etwas besseren Wirkungsgrad. Auch die Größe der Anlage, insbesondere des Warmwasserspeichers, wird von dem Sachverständigen nicht beanstandet, sondern hinsichtlich der Speicherkapazität als vorteilhaft dargelegt. Weiter kommt es nicht darauf an, wo welche Einzelteile der Anlage hergestellt werden. Maßgebend sind vielmehr die vom Sachverständigen herausgearbeiteten technischen Parameter der Anlage. Bei der Anlage der Fa. … (=X) handelt es sich nach Aussagen des Sachverständigen weiter um eine Markenfirma, die sich bereits seit Jahren auch auf dem deutschen Markt etabliert hat. Negative Studien über die Qualität der Produkte sind ihm nicht bekannt. Vielmehr hat er während seiner Anhörung vor dem Senat eine ältere Bewertung der “Stiftung Warentest” vorgetragen, die im Vergleich zu … (=Y) sogar leicht bessere Ergebnisse auswies. Zwar handelt es sich um eine länger zurückliegende Bewertung für andere Anlagen. Sie zeigt jedoch, dass es sich auch bei der Fa. …(=X) um eine Firma handelt, die Qualitätsware anbietet. Unstreitig bietet … (=X) zudem eine doppelt so lange Garantiezeit (10 Jahre) wie … (=Y). Ferner bestehen – wie der Sachverständige ermittelt hat – Wartungsbetriebe für die eingebaute Anlage. Dabei ist das Angebot naturgemäß beschränkt auf Wartungsfirmen, die an der jeweiligen Anlage eingewiesen sind. Das gilt sowohl für …(=Y)- als auch …(=X)produkte. Soweit das Gutachten des Privatsachverständigen Dipl.-Ing. S… von einer fehlenden Gleichwertigkeit ausgeht, fehlt eine Auseinandersetzung mit den technischen Details; er stützt seine Bewertung vor allem auf die veränderten Abmaße. Nach allem ist zudem – wie im letzten Senatstermin erörtert wurde – auch davon auszugehen, dass die Beklagten die technischen Ausführungen des Sachverständigen akzeptieren und allein noch ein Zurückbehaltungsrecht von 3.000 Euro geltend gemacht wird, weil wegen der Größe des Warmwasserspeichers die Tür nicht vollständig zu öffnen sei.

Insoweit können sich die Beklagten schon mangels Vorbehalt bei Abnahme wegen § 640 Abs. 3 BGB, § 12 Abs. 5 Nr. 3 VOB/B nicht auf einen Nachbesserungsanspruch berufen. In Ziffer 5 des Mangelprotokolls heißt es lediglich: “GS Kundendienst …(=Y) lt. Bemusterung, Datenblätter …(=Y) + …(=X) zusenden”. Damit kann zwar nicht nur die Übersendung der Datenblätter vorbehalten sein, sondern auch die Prüfung der Gleichwertigkeit der eingebauten zur vertraglich geschuldeten Heizungsanlage. Dem Vorbehalt ist jedoch nicht zu entnehmen, dass die Beklagten die Größe der Anlage bzw. die nicht vollständig zu öffnende Tür beanstandet und als Mangel vorbehalten haben. Insoweit handelt es sich zugleich um einen auf der Hand liegenden, offenkundigen Mangel. Hinzu kommt, dass der Sachverständige in der Anhörung ausgeführt hat, dass ein Versetzen des Speichers, wie von den Beklagten nunmehr gefordert, aufgrund der geringen Größe des Raumes nicht möglich sei.

b) Den Mangel des falschen Einbaus einer Küchentür, für den die Beklagten zunächst zweitrangig einen Kostenvorschuss zur Mangelbeseitigung von 235,04 Euro/br. begehrt und zur Aufrechnung gestellt hatten, machen sie nunmehr ausdrücklich nicht mehr geltend.

c) Die Beklagten haben wirksam mit einem Anspruch auf Zahlung von Ersatzvornahmekosten, §§ 634 Nr. 2 BGB, § 13 Abs. 5 Nr. 2 VOB/B, für die Beseitigung des Mangels des fehlenden Oberputzes i.H.v. 4.317,20 Euro/br. aufgerechnet.

Nach dem Abnahmeprotokoll wurde der Außenputz (Oberputz) “1 x aufgetragen und dann wieder runter gemacht, da es regnete und der Putz herunterlief und die Schienen abgingen.” Zwischen den Parteien besteht kein Streit darüber, dass der Oberputz anschließend von der Klägerin nicht mehr aufgebracht wurde. Im Abnahmeprotokoll ist ausdrücklich vermerkt: “Fassade Oberputz fehlt”. Mithin sind die Kosten für die Ersatzvornahme zum Aufbringen eines Oberputzes nach Ablauf der hierfür von den Beklagten gesetzten Fristen grundsätzlich ersatzfähig.

Soweit die Beklagten im Rahmen der Ersatzvornahme auch – bestrittene – Arbeiten am Grundputz behaupten und entsprechende Kosten geltend machen, besteht kein Anspruch.

Mängel am Grundputz sind bei der Abnahme nicht vorbehalten worden. Zwar hat der Privatsachverständige Dipl.-Ing. S… in seinem Gutachten vom 13.08.2020 (Bl. 53 ff GA) ausgeführt, dass auch der Grundputz nachgearbeitet werden müsse: “Beim Einfamilienhaus J… ist der Außenputz als Unterputz mit Armierung hergestellt worden. Die Oberfläche des Grundputzes weist Unebenheiten auf. Die Putzkanten in den Laibungen sind ungleichmäßig. Der Unterputz muss nachgearbeitet werden (schleifen, spachteln) und ggf. wegen der längeren Standzeit für die Arbeiten vorbehandelt werden.” Diese von der Klägerin bestrittenen Ausführungen können nach der durchgeführten Ersatzvornahme der Beklagten durch Aufbringen des Oberputzes nicht mehr nachvollzogen werden. Wie der gerichtlich bestellte Sachverständige Dipl.-Ing. K… auch auf mehrfache Nachfrage ausgeführt hat, kann zwar nach den vom Privatsachverständigen gefertigten Fotos auf einzelne Probleme auch des Unterputzes geschlossen werden. Die Bilder seien jedoch nicht näher beschrieben, so dass die Bereiche und/oder Einzelflächen, die fehlerhaft gewesen sein sollen, nach Lage, Qualität und Menge nicht spezifiziert werden könnten. Die von den Beklagten erstmals und nach Ablauf der zur Stellungnahme auf das Sachverständigengutachten gesetzten Fristen im Senatstermin am 18.07.2024 vorgelegten Fotos waren dem Sachverständigen nicht zur Bewertung vorzulegen, nachdem die Klägerin – mangels eigener Wahrnehmung von der Fertigung der Fotos zulässig – bestritten hat, dass die Fotos den Zustand des Objektes bei Abnahme wiedergeben und die Beklagten keinen Beweis anbieten. Eigene Wahrnehmungen hatte der gerichtliche Sachverständige nicht mehr, da er die Besichtigung erst zu einem Zeitpunkt vornehmen konnte, zu dem bereits der Außenputz wieder aufgebracht war.

Allein der zeitliche Abstand zwischen Abschluss der Arbeiten und Ersatzvornahme lässt Arbeiten am Unterputz – wie der Sachverständige ausgeführt hat – nicht als notwendige Vorarbeiten für den Oberputz ansehen. Vielmehr ist die mit der Zeit eingetretene Trocknung des Grundputzes für den Bau von Vorteil.

Bereits danach beschränkt sich der Gewährleistungsanspruch gegen die Klägerin auf das Aufbringen eines Oberputzes. Selbst wenn jedoch von einem an einzelnen Stellen mangelhaften Unterputz ausgegangen werden könnte, hat der Sachverständige klargestellt, die im Rahmen der Ersatzvornahme notwendigen Arbeiten nicht eingrenzen zu können. Er könne mithin nicht prüfen, ob die abgerechneten Leistungen erforderlich und angemessen waren. Auch dies müssen sich die Beklagten zurechnen lassen. Damit besteht kein Raum für die Erstattung der Kosten für die gemäß Abrechnung der Fa. H… vom 22.04.2022 vorgelegten Positionen 03.03.04 bis 03.03.07.

Soweit sich die folgenden Positionen 03.03.08 bis 03.03.10 auf den Oberputz beziehen, sind sie lediglich im Rahmen der ortsüblichen Kosten erstattungsfähig.

Erforderlich und damit erstattungsfähig sind nur diejenigen Aufwendungen, welche der Auftraggeber als vernünftiger und wirtschaftlich denkender Bauherr im Zeitpunkt der Beauftragung des Dritten für angemessen halten durfte, wobei es sich um eine vertretbare Maßnahme der Schadensbeseitigung handeln muss. Der Auftraggeber hat die Erforderlichkeit der Mängelbeseitigung und deren Kosten darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, wobei an die Darlegung grundsätzlich keine zu hohen Anforderungen zu stellen sind. Dabei darf der Auftraggeber darauf vertrauen, der Drittunternehmer werde die Mängelbeseitigung zu angemessenen Preisen durchführen. Bei der Würdigung, welche Maßnahme zu welchen Preisen möglich und zumutbar war, ist zu berücksichtigen, dass der Auftraggeber nicht gehalten ist, im Interesse des säumigen und nachbesserungsunwilligen Unternehmers besondere Anstrengungen zu unternehmen, um den preisgünstigsten Drittunternehmer zu finden (Kniffka/Koeble u.a., Kompendium des Baurechts, 5. Aufl., Teil 5, Rn. 321; BGH, ZfBR 2015, 676, beck-online). Das gilt hier jedoch nur eingeschränkt. Denn die Ersatzvornahme erfolgte zu einem Zeitpunkt, als bereits vorgerichtlich ein Sachverständigengutachten vorlag und der Sachverständige dort die Gesamtkosten der Mangelbeseitigung für Putz, Perimeterdämmung, Dach und Heizung auf ca. 23.000 Euro beziffert hatte. Das Angebot der H… belief sich bzgl. der Putzarbeiten allein bereits auf rd, 17.800 Euro/nt. und lag damit erkennbar erheblich über den gutachterlichen Schätzungen. Hinzu kommt, dass die Klägerin den Aufwand für die Putzarbeiten mit ca. 2.000 Euro beziffert hatte und dies den Beklagten bekannt war. Vor diesem Hintergrund bestand für die Beklagten Anlass daran zu zweifeln, dass hier ein angemessenes Angebot vorlag. Sie wären daher gehalten gewesen, wenigstens ein weiteres Angebot einzuholen. Vor diesem Hintergrund ist es nicht zu beanstanden, wenn in der nach § 287 ZPO vorzunehmenden Kostenbewertung auf einen mittleren Preis abgestellt wird. Auch müssen sich die anwaltlich vertretenen Beklagten entgegen halten lassen, dass die Drittfirma die Arbeiten wie hier ohne Vorlage eines Aufmaßes und dann überhöht abrechnet.

Danach sind im Zusammenhang mit den Fassadenarbeiten (Oberputz) nur folgende in der Rechnung enthaltene Positionen der Höhe nach erstattungsfähig:

– Position 03.03.09 mit 2.434,90 Euro

Angemessen sind nach dem Sachverständigengutachten lediglich ein mittlerer Einheitspreis von 18,73 Euro/m² (statt 44 Euro) bei einer geschätzten Menge von 130 m² (statt 150 m²).

– Position 03.03.10 mit 306,00 Euro

Auch hier sind Einheitspreis und Menge nach den sachverständigen Feststellungen überzogen und lediglich mit 15 m² (statt 28,870 m²) á 20,40 Euro/m² (statt 65,50 Euro) zu berücksichtigen.

Die Position 03.03.08 kann sachverständigenseits an dem Fassadenputzaufbau nicht nachvollzogen werden und ist daher nicht erstattungsfähig.

Die Notwendigkeit der Pauschale für das Einrichten der Baustelle lässt sich mangels weiterer Angaben sachverständig nicht nachvollziehen. Allerdings gehören Kosten der Baustelleneinrichtung zu grundsätzlich notwendigen Kosten, wie dem Senat aus einer Vielzahl von Verfahren bekannt ist, so dass hier 520,00 Euro angesetzt werden. Die Kosten der Baustellentoilette sind überhöht und lediglich mit 155 Euro (statt 590,00 Euro) zu berücksichtigen. Insoweit sind weitere 675 Euro/nt. erstattungsfähig.

Dazu treten notwendige Nebenarbeiten wie “Abdeckarbeiten” (80 Euro/nt.) und die “Demontage Elektro”, die nach den sachverständigen Feststellungen jedoch ebenfalls überhöht abgerechnet werden. Der Einheitspreis von 44 Euro/nt. entspräche dem Stundenlohn für einen Facharbeiter. Für die Demontage von Steckdosen und einer Klingelanlage könne weiter nicht jeweils eine Stunde angesetzt werden. Nach § 287 ZPO wird der Aufwand deshalb auf die Hälfte, mithin 132 Euro/nt. geschätzt. Danach ergeben sich weitere 212 Euro/nt.

Die erforderlichen und erstattungsfähigen Ersatzvornahmekosten für die Mangelbeseitigung Außenputz beziffern sich auf 3.627,90 Euro/nt (4.317,20 Euro/br.). Dass die Beklagten diese Kosten tatsächlich aufgewandt haben, unterliegt nach Auffassung des Senates keinen Zweifeln.

d) Hinsichtlich der weiteren hilfsweise zur Aufrechnung gestellten Ansprüche auf Erstattung der Kosten der Mangelbeseitigung für die aa) Perimeterdämmung, bb) Anschluss der Bauwerksabdichtung an die Eingangs- und Terrassentüren und cc) auf Kostenvorschuss zur Herstellung einer Dachraumbelüftung ist lediglich letzterer im Umfang von 2.796,50 Euro/br. begründet. Hierbei handelt es sich um bei der Abnahme nicht vorbehaltene, mithin nachträglich festgestellte und unter Fristsetzung angezeigte Mängel, die zur Beweislast der Beklagten stehen. Dieser Beweis ist lediglich für den Bereich der Dachraumentlüftung geführt.

aa) Die Beklagten wenden unter Berufung auf das Privatsachverständigengutachten des Dipl.-Ing. S… ein, die Perimeterdämmung sei fehlerhaft mittels Batzen und nicht vollflächig verklebt worden. Dabei stützt sich der Privatsachverständige auf Angaben der Beklagten und zwei von diesen vorgelegten Fotos. Er selbst hat hinsichtlich der behaupteten nicht fachgerechten Ausführung (Befestigung) der Perimeterdämmung keine eigene Wahrnehmung. Wie er in seinem Gutachten ausgeführt hat, war zum Zeitpunkt der Inaugenscheinnahme die Dämmung überputzt und nicht mehr sichtbar. Die Klägerin hat hingegen eingewandt, der tatsächlich bestehende ursprüngliche Mangel sei bereits vor Abnahme beseitigt worden. Mithin kommt es auf den Zeitpunkt der Fotoaufnahme an, der nach dem Vorbringen aus dem Schriftsatz vom 05.07.2024 während der Leistungsausführung und damit vor Abnahme lag, sodass die Aufnahmen den Zustand bei Abnahme nicht belegen können. Der Vernehmung des als Zeugen benannten D… S… bedarf es nach dem von den Beklagten erklärten Verzicht auf die Vernehmung mit Schriftsatz vom 05.07.2024 nicht. Auch der Sachverständige Dipl.-Ing. K… konnte wegen der bereits erfolgten Fertigstellung keine Feststellungen treffen.

bb) Für Mängel des Anschlusses der Abdichtung Haustür/Terrassentüren an die Bauwerksabdichtung spricht zunächst das Gutachten des Privatsachverständigen S…. Nach dem Bestreiten der Klägerin konnte jedoch der gerichtlich bestellte Sachverständige K… schon aufgrund des aufgetragenen Außenputzes hierzu keine Feststellungen treffen. Dies geht zu Lasten der beweispflichtigen Beklagten. Hier tritt hinzu, dass mangels Beschreibung der behaupteten Ersatzvornahme eine Bewertung des Sachverständigen zur Erforderlichkeit und Angemessenheit der behaupteten Abdichtungsarbeiten nicht möglich ist. Die Kosten fallen deshalb nicht der Klägerin zur Last.

cc) Bezüglich der fehlenden Dachentlüftung besteht ein Kostenvorschussanspruch, §§ 634 Nr. 2, 637 Abs. 3 BGB, § 13 Abs. 5 Nr. 2 VOB/B, i.H.v. 2.796,50 Euro/br.

Das von den Beklagten in Bezug genommene Gutachten des Privatsachverständigen S… verweist darauf, dass der Dachkasten entgegen den Regeln der Technik und der Ausführungsplanung ohne Lüftungsprofile ausgeführt worden sei. Der Sachverständige K… bestätigt den Mangel, ohne dass die Klägerin dem letztlich entgegengetreten ist. Die Mangelbeseitigungskosten belaufen sich auf Arbeitskosten von 2.350,00 Euro/nt. (2.796,50 Euro/br.), die – wie der Sachverständige im Senatstermin erläuternd ausgeführt hat – auch die notwendige Bockrüstung und die Anfahrtskosten erfassen.

Der Umstand, dass die Beklagten der Klägerin nach Ablauf der ihr zur Nachbesserung gesetzten Frist die Nachbesserung untersagt haben, berührt die den Beklagten nach Ablauf der Frist zustehenden Gewährleistungsansprüche nicht. Nach Ablauf der dem Auftragnehmer gem. § 13 Nr. 5 Abs. 2 VOB/B gesetzten Frist ist der Auftragnehmer gehindert, ohne Zustimmung des Auftraggebers nachzubessern; der Auftraggeber ist nicht verpflichtet, die vom Auftragnehmer angebotene Nachbesserung anzunehmen. Die dem Auftraggeber nach dem fruchtlosen Ablauf der Nachbesserungsfrist zustehenden unterschiedlichen Gewährleistungsansprüche berechtigen ihn zu entscheiden, welche Ansprüche er gegen den Auftragnehmer geltend machen will. Mit dem berechtigten Interesse des Auftraggebers, diese Entscheidung über die Art der Vertragsabwicklung zu treffen, ist es unvereinbar, dass der Auftragnehmer gegen dessen Willen die Mängel nachbessert. Der Auftragnehmer wird dadurch nicht unangemessen benachteiligt. Die Situation nach dem fruchtlosen Ablauf der Frist beruht darauf, dass der Auftragnehmer zweifach gegen seine Vertragspflichten verstoßen hat. Er hat die geschuldete Leistung vertragswidrig ausgeführt und auf die Aufforderung zur Mängelbeseitigung die geschuldete Mängelbeseitigung nicht durchgeführt (BGH, NJW 2003, 1526). Nachdem die Klägerin mit Klageerwiderung unter Fristsetzung bis zum 06.11.2020 vergeblich zur Mangelbeseitigung aufgefordert worden war, kann sie sich nunmehr nicht mit Erfolg auf ein eigenes Mangelbeseitigungsrecht berufen. Ein Zurückbehaltungsrecht wegen des übermäßigen Einbehalts von Werklohn hat sie erst (zu spät) im Schriftsatz vom 29.12.2023 geltend gemacht.

Soweit die Klägerin hinsichtlich der nicht vorbehaltenen Mängel zu cc) erstmals mit Schriftsatz vom 28.06.2022 die Angemessenheit der Fristsetzung auch mit Blick auf das erteilte Hausverbot beanstandet, können die Bedenken nicht geteilt werden. Die Beklagten haben die Mängel gerügt und eine aus ihrer Sicht ausreichende Nachfrist bis zum 06.11.2020 gesetzt. Selbst unter Berücksichtigung des Zugangs der Klageerwiderung erst am 15.10.2020 gilt hier nichts anderes. Denn die Klägerin hat diesen Zeitraum nicht einmal genutzt, um einen Besichtigungstermin zu vereinbaren. Vielmehr wurde sie erst am 23.11.2020, also weit nach Ablauf der Frist, tätig. Jedenfalls aber kann sich der Auftragnehmer gegenüber einem nicht fachkundigen Auftraggeber nicht später darauf berufen, die ihm gesetzte Frist sei zu kurz gewesen, wenn er dies nicht unverzüglich gegenüber dem Auftraggeber gerügt hat und eine solche Rüge zu erwarten war, weil der Auftraggeber – wie hier – der vertretbaren Auffassung sein durfte, die Frist sei angemessen (Kniffka/Koeble, Teil 5 Die Haftung des Unternehmers für Mängel Rn. 305; OLG Hamm, Urteil vom 31. 5. 2007 – 24 U 10/04 – Rn. 70 ff, NZM 2007, 813, beck-online). Damit bestehen die Voraussetzungen für einen Kostenvorschussanspruch der Beklagten.

Vor diesem Hintergrund ist der Antrag auf Feststellung des Annahmeverzuges mit der Beseitigung dieses Mangels unbegründet.

e) Verschmutzungen von Fenstern und Türen werden bereits nicht substantiiert vorgetragen und sind bei Abnahme nicht vorbehalten worden. Dem nunmehr erfolgten Beweisantritt durch Zeugen ist nicht nachzugehen, weil dessen Aussage erst dazu führen würde, die Mängel zu konkretisieren und kein Vortrag zum Zeitpunkt der Feststellung erfolgte. Ersatzvornahmekosten von – nach dem Sachverständigengutachten überhöhten – und nicht eingrenzbaren Kosten von 490,00 Euro/nt., die Bestandteil der Rechnung der Fa. H… vom 22.04.2022 sind, sind daher nicht zu erstatten.

f) Soweit die Beklagten einen Kostenvorschuss wegen fehlerhafter Fliesenfugen im Bereich der Badewanne und für den Einbau bodenebener Duschen statt einer Duschtasse geltend machen, ist ein solcher Anspruch bereits deshalb ausgeschlossen, weil der Badbereich nach dem weiter behaupteten Wasserschaden vollständig erneuert wurde. Hinsichtlich der Duschen wird zudem nicht näher zur Leistungsvereinbarung vorgetragen. Aus der Leistungsbeschreibung lässt sich Entsprechendes nicht entnehmen. Zudem haben die Beklagten sich den behaupteten Mangel nicht vorbehalten. Dabei ist, wie aus dem Abnahmeprotokoll erkennbar wird, eine Besichtigung der Bäder erfolgt, und zum Beispiel unter Ziffer 4 der Mangelliste ausgeführt, dass die Duschrinne nicht parallel verlaufe. Mithin sind etwaige Ansprüche auf Gewährleistung gemäß § 640 Abs. 3 BGB, der auch im Anwendungsbereich des § 12 VOB/B anwendbar ist, ausgeschlossen.

g) Auch hinsichtlich des Küchenfensters ist ein Mangel nicht erkennbar. Worin ein Minderwert der Leistung liegen soll, wenn ein Fenster geöffnet werden kann, erschließt sich nicht.

4. Schadensersatzansprüche wegen der Undichtigkeit der Dusche und Schimmelbildung bestehen ebenfalls nicht.

Mit Schriftsatz an das Gericht vom 16.06.2022 haben die Beklagten eine undichte Duschrinne geltend gemacht, wodurch Feuchtigkeit in den Boden und bis in das Schlafzimmer eingedrungen sei. Bereits mit Schreiben vom 10.02.2022 hatten sie eine Frist zur Mangelbeseitigung bis zum 28.02.2022 gesetzt. Nachdem es sich um einen Mangel nach Abnahme handeln soll, liegt die Beweislast für den Mangel und die Ursächlichkeit der Werkleistung der Klägerin für den Mangel und die Schäden bei den Beklagten. Diesen Nachweis haben sie nicht geführt.

Unstreitig hat der als Zeuge benannte S… G… für die Klägerin den Mangel innerhalb der gesetzten Frist besichtigen wollen. Zu diesem Zeitpunkt war der Boden bereits geöffnet und getrocknet, so dass Feststellungen zur Ursache des Wasseraustritts nicht mehr getroffen werden konnten. Soweit die Beklagten als Beweis für ihren Vortrag auf eine Fotodokumentation der … Versicherungen abstellen, datiert diese auf den 16.08.2022, mithin 6 Monate später. Dass die Bilder den ursprünglichen Zustand zeigen sollen, ist nicht vorgetragen und auch aus den Fotos nicht erkennbar, zumal unstreitig die Duschrinne bereits bei der Besichtigung durch den Zeugen G… im Februar 2022 geöffnet und getrocknet war. Vor diesem Hintergrund ist auch die Einvernahme des als Zeugen benannten Gutachters St… nicht erforderlich, da nicht vorgetragen wird, wann er die Situation begutachtet haben will, und wie sich die bauliche Situation darstellte, nachdem bereits im Februar eine Öffnung stattgefunden hatte. Insoweit ist auch das von den Beklagten vorgelegte Schreiben der Versicherung vom 11.09.2022 zu berücksichtigen, wonach der “jetzige Schaden vom 11.08.2022” datiert. Damit besteht schon kein zeitlicher Zusammenhang zwischen dem im Februar 2022 angezeigten und dem erst im August dokumentierten Schaden. Nach diesem Schreiben soll es zudem bereits im April 2021 einen Schaden im Bad aufgrund einer angeblich undichten Fuge an der Duschtasse gegeben haben. Diesen Schaden haben die Beklagten jedoch weder angezeigt noch unter Beweis gestellt. Er ist nunmehr auch mangels Anzeige und Schadensfeststellung nicht mehr nachprüfbar. Auch das Angebot der Fa. R… auf Beseitigung von Schäden datiert erst auf den 01.09.2022.

Im Übrigen sind die nunmehr geltend gemachten Kosten von 12.636 Euro, die im Schriftsatz vom 17.10.2022 einmal “als Kostenvorschuss” geltend gemacht werden, obwohl sie bereits entstanden sein sollen, und im gleichen Schriftsatz später als “Schadensersatzanspruch” deklariert werden, nicht be- und unterlegt. Inwieweit der Zeuge H… von der … Versicherung die Kosten bestätigen soll, ist nach dem Vortrag nicht ersichtlich. Der Beweisantritt bezieht sich im Übrigen lediglich darauf, dass die Versicherung die Kosten nicht übernommen habe. Es ist auch nicht erkennbar, was konkret abgerechnet wurde.

5. Der Zinsanspruch folgt aus Verzug, §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB.

6. Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO, die Streitwertfestsetzung aus §§ 45 Abs. 3, 48 GKG.

Gründe, die die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO rechtfertigen, sind nicht gegeben.

OVG Berlin-Brandenburg zu der Frage, dass für die Bestimmung der näheren Umgebung auf diejenige Umgebung abzustellen ist , auf die sich die Ausführung des Vorhabens auswirken kann und die ihrerseits den bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstücks prägt oder doch beeinflusst

OVG Berlin-Brandenburg zu der Frage, dass für die Bestimmung der näheren Umgebung auf diejenige Umgebung abzustellen ist , auf die sich die Ausführung des Vorhabens auswirken kann und die ihrerseits den bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstücks prägt oder doch beeinflusst

vorgestellt von Thomas Ax

1. Für die Bestimmung der näheren Umgebung ist auf diejenige Umgebung abzustellen , auf die sich die Ausführung des Vorhabens auswirken kann und die ihrerseits den bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstücks prägt oder doch beeinflusst.
2. Dabei ist die nähere Umgebung für die in § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB bezeichneten Kriterien jeweils gesondert abzugrenzen. Denn die Merkmale, nach denen sich ein Vorhaben im Sinne von in die Eigenart dieser näheren Umgebung einfügen muss, sind jeweils unabhängig voneinander zu prüfen. Bei der Bestimmung des zulässigen Maßes der baulichen Nutzung eines Grundstücks wird der Umkreis der zu beachtenden vorhandenen Bebauung in der Regel enger zu begrenzen sein als bei der Art der Nutzung.
3. Die Prüfung sämtlicher Tatbestandsmerkmale des § 34 Abs. 1 BauGB hat sich an dessen Funktion im Sinne eines Planersatzes zu orientieren.
OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 26.09.2024 – 10 N 68.21

Gründe:

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Der Senat prüft nur die von der Klägerin innerhalb der Begründungsfrist dargelegten Gründe (§ 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO). Gemessen daran hat das Verwaltungsgericht ihre Klage mit dem Begehren, den Beklagten zur Erteilung einer Baugenehmigung für die Errichtung von zwei Doppelhäusern auf ihrem 8… m2 großen Grundstück F… Chaussee 7… zu verpflichten, zu Recht abgewiesen.

Die Klägerin macht allein ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils geltend (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

Dieser Zulassungsgrund ist gegeben, wenn ein tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung des angegriffenen Urteils mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und auch die Richtigkeit des Entscheidungsergebnisses solchen Zweifeln unterliegt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. Oktober 2020 – 2 BvR 2426/17 -; Beschluss des Senats vom 30. November 2023 – OVG 10 N 61/20 -, jeweils m.w.N.). Das gelingt der Klägerin nicht.

Die Klägerin meint, das Verwaltungsgericht habe ihre Klage zu Unrecht mit der Begründung abgewiesen, dass sich das geplante Vorhaben hinsichtlich des Nutzungsmaßes nicht in die nähere Umgebung einfüge. Das Gericht habe den maßgeblichen Umgriff der näheren Umgebung zu eng bestimmt.

Das Verwaltungsgericht hat angenommen, die nähere Umgebung umfasse lediglich die in einem Umkreis von etwa 50 bis 100 m beidseitig der F… Chaussee befindliche Bebauung. Danach seien in der maßgeblichen Umgebung lediglich ein- bis zweigeschossige Wohnhäuser in aufgelockerter, vorstädtischer Bebauung zu finden. Der zwei Grundstücke weiter östlich gelegene (noch unbebaute) Bereich des Bebauungsplans S… zähle hingegen nicht dazu. Denn dieser sehe mit einer geschlossenen, viergeschossigen Blockrandbebauung und viergeschossigen Mehrfamilienhäusern im Blockinnenbereich eine gänzlich andere Bebauungsstruktur vor.

Dass es sich dabei ebenfalls um Wohnen handele, reiche für die Einbeziehung dieser Fläche in die nähere Umgebung des Baugrundstücks nicht aus.

Die Klägerin beanstandet nicht die Tatsachen, die das Verwaltungsgericht seiner Argumentation zugrunde legt.

Sie rügt vielmehr dessen Auffassung, allein die baulichen Unterschiede rechtfertigten die Annahme einer städtebaulichen Zäsur mit der Folge, dass dieser Bereich nicht in die nähere Umgebung einzubeziehen sei.

Hierzu trägt sie vor, nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sei eine Grenze zwischen näherer und fernerer Umgebung dort zu ziehen, wo jeweils einheitlich geprägte Bebauungskomplexe mit voneinander verschiedenen Bau- und Nutzungsstrukturen aneinanderstießen (BVerwG, Beschluss vom 28. August 2003 – 4 B 74.03 -). Hierbei komme dem Wort “und” eine besondere Bedeutung zu. Nach dem Wortlaut der bundesverwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung reiche es für eine städtebauliche Zäsur nicht aus, wenn der fragliche Bereich eine andere Bebauungsstruktur “oder” eine andere Nutzungsstruktur aufweise. Eine solche Zäsur sei vielmehr nur dann anzunehmen, wenn eine substanzielle Andersartigkeit in Bezug auf die bauliche Struktur und die Nutzungsstruktur vorliege. Nur so sei sichergestellt, dass im Rahmen der Betrachtung nach § 34 Abs. 1 BauGB nicht einfach unliebsame Vorbilder systemwidrig “aussortiert” würden, sondern eine Grenze nur an einer tatsächlich relevanten städtebaulichen Zäsur gezogen werde.

Diese Kritik ist nicht berechtigt. Das Verwaltungsgericht hat im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und der des erkennenden Senats ausgeführt, dass für die Bestimmung der näheren Umgebung im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB auf diejenige Umgebung abzustellen sei, auf die sich die Ausführung des Vorhabens auswirken könne und die ihrerseits den bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstücks präge oder doch beeinflusse. Dabei sei die nähere Umgebung für die in der Vorschrift bezeichneten Kriterien jeweils gesondert abzugrenzen. Denn die Merkmale, nach denen sich ein Vorhaben im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB in die Eigenart dieser näheren Umgebung einfügen müsse, seien jeweils unabhängig voneinander zu prüfen. Bei der Bestimmung des zulässigen Maßes der baulichen Nutzung eines Grundstücks werde der Umkreis der zu beachtenden vorhandenen Bebauung in der Regel enger zu begrenzen sein als bei der Art der Nutzung (vgl. BVerwG, Urteil vom 8. Dezember 2016 – 4 C 7.15 -, sowie Beschlüsse vom 13. Mai 2014 – 4 B 38.13 – und vom 4. Januar 2022 – 4 B 35.21 -; Urteil des Senats vom 1. Juni 2022 – OVG 10 B 3.17 – und Senatsbeschluss vom 23. Mai 2023 – OVG 10 N 83/20 -, jeweils m.w.N.). Ausgehend von diesem zutreffenden Ansatz begründet die Klägerin mit ihrem Einwand, das Verwaltungsgericht habe die Reichweite der näheren Umgebung bezogen auf das Maß der baulichen Nutzung allein nach der Einheitlichkeit der Baustruktur bestimmt und die Einheitlichkeit der Nutzungsstruktur außer Betracht gelassen, keine Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung (vgl. Beschluss des Senats vom 23. Mai 2023 – OVG 10 N 83/20 -).

Nichts Gegenteiliges folgt aus den von der Klägerin zitierten Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts im Beschluss vom 28. August 2003 – 4 B 74.03 -. Sie stehen im Zusammenhang mit der in jenem Verfahren aufgeworfenen Frage, ob die Einheitlichkeit bzw. Unterschiedlichkeit einer Bebauung auch ohne ein zusätzliches bauliches oder topografisches Element die nähere Umgebung im Sinne des § 34 BauGB eingrenzen kann. Das Bundesverwaltungsgericht bejahte dies mit der Anmerkung, dass die Grenzen der näheren Umgebung sich nicht schematisch festlegen lassen, sondern nach der tatsächlichen städtebaulichen Situation zu bestimmen sind, in die das für die Bebauung vorgesehene Grundstück eingebettet ist. Dabei stellte es auf kein bestimmtes Kriterium des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ab. Der Entscheidung lässt sich nicht entnehmen, dass zur Bestimmung der einheitlichen Prägung der näheren Umgebung bei allen Kriterien sowohl die Baustruktur als auch die Nutzungsstruktur in den Blick zu nehmen wäre. Vielmehr verbleibt es bei dem von dem Verwaltungsgericht herangezogenen und auch in neueren Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts festgestellten Maßstab, dass die nähere Umgebung für die einzelnen Kriterien jeweils gesondert abzugrenzen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 8. Dezember 2016 – 4 C 7.15 – sowie Beschluss vom 4. Januar 2022 – 4 B 35.21 -, jeweils m.w.N.). Bezogen auf das Maß der baulichen Nutzung ist damit allein auf die Baustruktur abzustellen, während die Nutzungsstruktur insoweit keine einheitliche Prägung vermitteln kann (vgl. Beschluss des Senats vom 23. Mai 2023 – OVG 10 N 83/20 -; OVG Lüneburg, Urteil vom 10. Juni 2024 – 1 LB 51/22 -).

Die Klägerin macht ferner geltend, das Verwaltungsgericht leite seine Auffassung, Unterschiede in der Bebauungsstruktur reichten für die Annahme einer Zäsur aus, zu Unrecht aus dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. Juni 1991 – 4 B 88.91 – her, nach dem die unterschiedliche Nutzungsart diesseits und jenseits einer Straße eine Rolle spielen “kann“. Der zitierte Satz sei aus dem Zusammenhang gerissen und werde dieser Entscheidung nicht gerecht. Das Bundesverwaltungsgericht stelle dort lediglich klar, dass “eine andersartige Nutzungsstruktur für sich allein gesehen noch lange nicht für die trennende Wirkung einer Straße” spreche. Daraus folge eindeutig, dass es nicht nur auf eine andersartige Nutzungsstruktur “oder” bauliche Struktur ankomme, sondern dass beides relevant sei. Diese Schlussforderung der Klägerin ist nicht nachvollziehbar und trifft aus den bereits dargestellten Gründen auch nicht zu.

Die Klägerin trägt weiter vor, das Verwaltungsgericht könne sich auch nicht auf die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Münster vom 16. Juni 2016 – 2 A 1795/15 – stützen. Das Oberverwaltungsgericht bestätige vielmehr die von ihr dargelegte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (im Beschluss vom 28. August 2003 – 4 B 74.03 -, nach der die Grenze zwischen näherer und fernerer Umgebung dort zu ziehen sei, wo zwei jeweils einheitlich geprägte Bebauungskomplexe mit zwei voneinander verschiedenen Bau- und Nutzungsstrukturen aneinanderstießen. Ob es sich dann in der konkreten Entscheidung zutreffend an diesen Maßstab gehalten habe, sei für den hiesigen Fall ohne Belang. Mit diesem Vortrag dringt die Klägerin schon deshalb nicht durch, weil die abermals wiedergegebene Textpassage aus dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts ihre Ansicht – wie ausgeführt – nicht bestätigt.

Überdies wendet die Klägerin ein, das Verwaltungsgericht könne sich für seine Begründung auch nicht auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 8. Dezember 2016 – 4 C 7.15 – berufen. Diese Entscheidung habe mit dem vorliegenden Fall nichts zu tun. Dort sei es nicht um die Bestimmung der näheren Umgebung gegangen, sondern allein um die Frage, wie die baulichen Anlagen in der näheren Umgebung im Hinblick auf das Nutzungsmaß einzuordnen und mit dem geplanten Bauvorhaben zu vergleichen seien. Dieses Vorbringen greift ebenfalls nicht. Die Klägerin beschränkt sich insoweit auf die Rüge, das von dem Verwaltungsgericht herangezogene Urteil des Bundesverwaltungsgerichts passe nicht zu seinen Ausführungen.

Sie setzt sich aber nicht inhaltlich mit der Argumentation des Verwaltungsgerichts auseinander. Abgesehen davon hat das Verwaltungsgericht das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts als Beleg für die Feststellung angegeben, die Funktion des § 34 Abs. 1 BauGB bestehe darin, auch bei Fehlen eines Bebauungsplans für eine angemessene Fortentwicklung eines Bereichs zu sorgen. Diese Äußerung des Verwaltungsgerichts stimmt mit jener des Bundesverwaltungsgerichts in dem zitierten Urteil vom 8. Dezember 2016 – 4 C 7.15 – überein.

Die Prüfung sämtlicher Tatbestandsmerkmale des § 34 Abs. 1 BauGB hat sich an dessen Funktion im Sinne eines Planersatzes zu orientieren (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 24. Mai 2018 – OVG 2 B 3.17 -).

Die weiteren Darlegungen der Klägerin, die auf dem östlich gelegenen Grundstück F… Chaussee 8… vorhandene Bebauung sei trotz fehlender Fertigstellung in die Betrachtung einzubeziehen, sind unbeachtlich.

Denn dieser Bereich befindet sich nach der nicht erfolgreich angegriffenen Einschätzung des Verwaltungsgerichts außerhalb der maßgeblichen näheren Umgebung des Vorhabens. Aus diesem Grund hat es auch dahinstehen lassen, ob die dort vorgesehene Bebauung schon maßstabsbildend ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG und folgt der erstinstanzlichen Festsetzung.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Eine Besorgnis der Befangenheit liegt vor, wenn der abgelehnte Richter in einer dienstlichen Stellungnahme auf ein nicht ganz abwegiges Ablehnungsgesuch hin mit unsachlicher Kritik reagiert.

Eine Besorgnis der Befangenheit liegt vor, wenn der abgelehnte Richter in einer dienstlichen Stellungnahme auf ein nicht ganz abwegiges Ablehnungsgesuch hin mit unsachlicher Kritik reagiert.

Nach § 42 Abs. 2 ZPO findet die Ablehnung eines Richters wegen der Besorgnis der Befangenheit statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen. Tatsächliche Befangenheit oder Voreingenommenheit ist nicht erforderlich, da die Vorschriften über die Befangenheit von Richtern bezwecken, bereits den bösen Schein einer möglicherweise fehlenden Unvoreingenommenheit und Objektivität zu vermeiden. Maßgeblich ist, ob aus der Sicht einer Partei bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass gegeben ist, an der Unvoreingenommenheit und objektiven Einstellung des Richters zu zweifeln. Dabei kommen nur objektive Gründe in Betracht, die aus der Sicht einer verständigen Prozesspartei berechtigte Zweifel an der Unparteilichkeit oder der Unabhängigkeit des Richters aufkommen lassen. Maßgeblich sind die besonderen Umstände des Einzelfalls, die in ihrer Gesamtheit zu würdigen sind (BGH v. 15.03.2022 – II ZR 97/21 – Rn. 8).
Das Recht zur Richterablehnung ist ein nicht im Ermessen des Gerichts stehendes Verfahrensrecht, das seinen Grund in der verfassungsrechtlich verankerten richterlichen Neutralitätspflicht hat. Daher kann ein Richter, der die Ausübung dieses Rechts kritisiert, den Eindruck erwecken, nicht unparteiisch zu sein (OLG Köln v. 29.04.2013 – 20 W 30/13). Dabei kann offen bleiben, ob jegliche Kritik an einem Ablehnungsgesuch die Besorgnis der Befangenheit begründen kann (vgl. auch BGH v. 12.10.2011 – V ZR 8/10 – Rn. 11). Eine Partei wird bei vernünftiger Würdigung jedenfalls dann an der Unvoreingenommenheit zweifeln, wenn der abgelehnte Richter auf ein nicht ganz abwegiges Ablehnungsgesuch hin mit unsachlicher Kritik reagiert. In einem solchen Fall kommt eine negative Einstellung des Richters gegenüber der die Ablehnung beantragenden Partei zum Ausdruck, sodass diese zumindest Zweifel haben kann, ob andere Anträge mit der gebotenen Unvoreingenommenheit beschieden werden.

OLG Stuttgart, Beschluss vom 02.10.2024 – 13 W 20/24

OLG Stuttgart zu der Frage der Werbung mit Installateur- und Heizungsbauleistungen nur bei Eintragung

OLG Stuttgart zu der Frage der Werbung mit Installateur- und Heizungsbauleistungen nur bei Eintragung

vorgestellt von Thomas Ax

Nach § 1 Absatz 1 Satz 1 HandwO ist der selbständige Betrieb eines zulassungspflichtigen Handwerks als stehendes Gewerbe nur den in der Handwerksrolle eingetragenen Personen gestattet. Was wesentliche Tätigkeiten sind, ist in der Handwerksordnung nicht definiert und lässt sich auch nicht eindeutig aus den Prüfungs- und Ausbildungsordnungen heraus feststellen; diesen kommt hinsichtlich der “wesentlichen Tätigkeiten” allenfalls Indizwirkung zu. Außerdem gewichten gerade sie in ihrem Wortlaut nicht nach “wesentlichen” und “unwesentlichen” Tätigkeiten (OLG Stuttgart, a.a.O., Rn. 58). Die “wesentlichen Tätigkeiten” werden vielmehr mit dem sog. Kernbereichskriterium bestimmt (OLG Stuttgart, a.a.O., Rn. 59). Dabei ist der Begriff der wesentlichen Tätigkeit nicht quantitativ zu verstehen. Es kommt nicht darauf an, wieviel derartige Tätigkeiten in dem Betrieb anfallen, sondern welcher Qualität die anfallende Tätigkeit ist. Wesentliche Tätigkeiten müssen daher nicht mehr oder vielfältige Aktivitäten beinhalten. Bereits eine einzige wesentliche Tätigkeit begründet die Zulassungspflicht (OLG Stuttgart, a.a.O., Rn. 74). Wer als wesentliche Tätigkeit das Installateur- und Heizungsbauerhandwerk ausübt, ohne mit dem Installateur- und Heizungsbauhandwerk in der Handwerksrolle eingetragen zu sein, darf nicht mit den Begriffen Klempnernotdienst, Sanitärnotdienst, Rohrbruchnotdienst, Heizungsnotdienst und/oder Wasserschadenssanierung werben.
OLG Stuttgart, Beschluss vom 06.05.2024 – 2 U 70/23

Gründe

A.

Der Kläger, ein Wettbewerbsverband, verlangt vom Beklagten die Unterlassung von Werbung für handwerkliche Leistungen.

Mit dem angefochtenen Urteil hat das Landgericht den Beklagten dazu verurteilt, es zu unterlassen, für die Ausführung wesentlicher Tätigkeiten des Installateur- und Heizungsbauhandwerks mit den Begriffen Klempnernotdienst, Sanitärnotdienst, Rohrbruchnotdienst, Heizungsnotdienst und/oder Wasserschadenssanierung zu werben, ohne mit dem Installateur- und Heizungsbauhandwerk in der Handwerksrolle eingetragen zu sein. Ferner hat es den Beklagten zur Erstattung von Abmahnkosten in Höhe von 387,60 Euro nebst Zinsen verurteilt.

Zur Begründung führt das Landgericht aus, dass der Beklagte ein Gewerbe für Gebäudemanagement betreibe und im Internet mit den genannten Begriffen werbe. Er sei bei der Handwerkskammer für bestimmte Gewerke eingetragen, jedoch nicht für das Installateur- und Heizungsbauhandwerk. In der Werbung mit den genannten Begriffen und der Durchführung entsprechender Tätigkeiten liege eine unzulässige Handlung gem. § 3 Absatz 1 i.V.m. § 3a UWG, §§ 1, 7 HwO. Dass der Beklagte mit den genannten Tätigkeiten im Rahmen eines “Notdienstes” geworben habe, stehe dem Unterlassungsanspruch nicht entgegen. Es führe auch nicht zu einer anderen Beurteilung, soweit der Beklagte geltend mache, wesentliche Tätigkeiten des Installateur- und Heizungsbauhandwerks nicht konkret zu bewerben, sondern die Kunden auf entsprechende Nachfrage an eingetragene Handwerksbetriebe zu verweisen. Die Werbung sei bereits dadurch irreführend, dass der Beklagte den Eindruck vermittle, die Leistungen selbst zu erbringen.

Mit der Berufung bringt der Beklagte vor, er führe im Rahmen des Notdienstes keine Tätigkeiten durch, die den Kernbereich des Installateur- und Heizungsbauerhandwerks ausmachten. Die vom Beklagten erbrachten Tätigkeiten könnten ausschließlich § 2 Ziff. 12 der Meisterprüfungsverordnung für das Installateur- und Heizungsbauerhandwerk zugeordnet werden (Fehler- und Störungssuche durchführen, Maßnahmen zur Beseitigung von Fehlern und Störungen beherrschen, Ergebnisse bewerten und dokumentieren), und dies nur für die Teilbereiche der Systeme der Entsorgung von Wasser, der Versorgung mit Wärme einschließlich sanitärer Einrichtungen. Insoweit erbringe der Beklagte im Rahmen seines Notdienstes nur einen sehr geringen Teilbereich der Meisterprüfungsverordnung. Der Kläger habe nicht den ihm obliegenden Beweis erbracht, dass der Beklagte zur Eintragung in die Handwerksrolle verpflichtet sei. Die Tätigkeiten führten nicht zu einer Eintragungspflicht, weil sie im Sinne von § 1 Absatz 2 HwO keine längere Zeit zum Erlernen benötigten. Der Beklagte kontrolliere lediglich den Wasserdruck der Heizungen und fülle, wenn nötig, Wasser nach. Weiter messe er die Stromversorgung an Pumpen oder den Platinen bei den Heizungsanlagen. Die letztgenannten Tätigkeiten seien unter die Ausübungsberechtigung des Elektrotechnikers zu subsumieren, zu der der Beklagte die Zulassung besitze. Zulassungsfrei seien gemäß der Auskunft der Handwerkskammer A. weitere Tätigkeiten im Bereich des Sanitär-Notdienstes wie die Auswechslung defekter Siphons bei Badewannen oder Waschbecken, der Einsatz neuer Füllventile an WCs oder der Einbau neuer Spülglocken oder Dichtungen.

Der Beklagte beantragt,

unter Abänderung des am 17.01.2023 verkündeten Urteils des Landgerichts Ulm (Aktz. 10 O 28/22 KfH) die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger führt aus, es gehe nicht um die konkret ausgeübte Tätigkeit, sondern um die Werbung. Wer Klempnerleistungen anbiete, biete eine Tätigkeit an, welche nur bei Eintragung in der Handwerksrolle erlaubt sei. Entsprechendes gelte für jemanden, der Sanitärleistungen anbiete. Der Beklagte werbe mit Oberbegriffen, die begriffsimmanent dem Installations- und Heizungsbauerhandwerk zugeordnet seien. Aus der Werbung ergebe sich auch nicht, dass der Beklagte nur ein Minderhandwerk ausübe. Das Wort “Notdienst” vermittle nicht, dass es sich dabei nicht um eine Maßnahme handele, die nicht dem Kernbereich eines Handwerks zugeordnet seien. Es bedeute auch nicht zwingend nur provisorische Maßnahmen. Die Gefahrenlage einer defekten, notbehelfsmäßig reparierten Heizung sei nicht deswegen geringer, weil es sich um eine Notmaßnahme handele. Der Beklagte bewerbe auch Leistungen, die über provisorische Maßnahmen hinausgingen (Anlagen K 10, BK 1).

B.

Der Senat ist einstimmig der Auffassung, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.

Zutreffend hat das Landgericht angenommen, dass die §§ 1, 7 HandwO Marktverhaltensregeln im Sinne des § 3a UWG darstellen (OLG Stuttgart, Beschluss vom 29. April 2020 – 2 U 10/20). Weiter hat das Landgericht überzeugend festgestellt, dass der Beklagte mit den streitgegenständlichen Werbeangaben und der Durchführung der entsprechenden Tätigkeiten gegen § 1 HandwO verstoßen hat. Nach § 1 Absatz 1 Satz 1 HandwO ist der selbständige Betrieb eines zulassungspflichtigen Handwerks als stehendes Gewerbe nur den in der Handwerksrolle eingetragenen Personen gestattet. Insbesondere hat das Landgericht die zwischen den Parteien streitige Tatbestandsvoraussetzung, dass im Betrieb des Beklagten Tätigkeiten ausgeübt werden, die für das Gewerbe des Installateur- und Heizungsbauerhandwerks wesentlich sind, zutreffend festgestellt. Was wesentliche Tätigkeiten sind, ist in der Handwerksordnung nicht definiert und lässt sich auch nicht eindeutig aus den Prüfungs- und Ausbildungsordnungen heraus feststellen; diesen kommt hinsichtlich der “wesentlichen Tätigkeiten” allenfalls Indizwirkung zu. Außerdem gewichten gerade sie in ihrem Wortlaut nicht nach “wesentlichen” und “unwesentlichen” Tätigkeiten (OLG Stuttgart, a.a.O., Rn. 58). Die “wesentlichen Tätigkeiten” werden vielmehr mit dem sog. Kernbereichskriterium bestimmt (OLG Stuttgart, a.a.O., Rn. 59). Dabei ist der Begriff der wesentlichen Tätigkeit nicht quantitativ zu verstehen. Es kommt nicht darauf an, wieviel derartige Tätigkeiten in dem Betrieb anfallen, sondern welcher Qualität die anfallende Tätigkeit ist. Wesentliche Tätigkeiten müssen daher nicht mehr oder vielfältige Aktivitäten beinhalten. Bereits eine einzige wesentliche Tätigkeit begründet die Zulassungspflicht (OLG Stuttgart, a.a.O., Rn. 74).

Nach diesen Maßstäben führt der Beklagte eine “wesentliche Tätigkeit” des Installateur- und Heizungsbauerhandwerks aus. Der Beklagte räumt selbst ein, dass die von ihm ausgeübten Tätigkeiten unter § 2 Ziffer 12 der Meisterprüfungsverordnung für das Installateur- und Heizungsbauerhandwerk fallen. Gerade die Fehler- und Störungssuche sowie das Ergreifen von entsprechenden Maßnahmen und die Bewertung der Ergebnisse prägen das Installateur- und Heizungsbauerhandwerk. Richtig weist das Landgericht darauf hin, dass sich aus Tätigkeiten im Rahmen eines Notdienstes keine Einschränkung ergibt. Dies trifft umso mehr zu, als sich aus der in der Berufungsinstanz vorgelegten Anlage BK 1 ergibt, dass der Beklagte ausweislich seiner Werbung nicht nur die Fehlersuche übernimmt, sondern auch die schnelle Reparatur der Heizungsanlage. Unter diesen Umständen liegt auch die Annahme eines Minderhandwerks im Sinne von § 1 Absatz 2 HandwO fern.

Folgerichtig hat das Landgericht ausgeführt, dass der Verstoß im Sinne von § 3a UWG spürbar ist (vgl. OLG Stuttgart, a.a.O., Rn. 79) und auf Grund des Erstverstoßes die erforderliche Wiederholungsgefahr vorliegt.

Aus diesen Erwägungen hat der Beklagte die in der Entscheidungsformel des Landgerichts genannte Werbung zu unterlassen und die Aufwandspauschale des Klägers zu ersetzen.

C.

Die Berufung hat nach alledem keine Aussicht auf Erfolg, weshalb sie gemäß § 522 Absatz 2 ZPO mit der Kostenfolge aus § 97 Absatz 1 ZPO zurückzuweisen sein wird. Es wird angeregt zu überlegen, ob die Berufung nicht aus Kostengründen zurückgenommen wird.

Eine allgemeine nachvertragliche Treuepflicht begründet für den Arbeitgeber regelmäßig keinen Anspruch gegen den ehemaligen Arbeitnehmer auf Unterlassung von Wettbewerb

Eine allgemeine nachvertragliche Treuepflicht begründet für den Arbeitgeber regelmäßig keinen Anspruch gegen den ehemaligen Arbeitnehmer auf Unterlassung von Wettbewerb

von Thomas Ax

Eine allgemeine nachvertragliche Treuepflicht begründet für den Arbeitgeber regelmäßig keinen Anspruch gegen den ehemaligen Arbeitnehmer auf Unterlassung von Wettbewerb. Insbesondere ist es ihm nicht untersagt, Geschäftsbeziehungen mit den Kunden seines früheren Arbeitgebers aufzunehmen.

Zwar muss der Arbeitgeber aufgrund der nachwirkenden Fürsorgepflicht Auskünfte über einen ausgeschiedenen Arbeitnehmer jedenfalls an solche Personen erteilen, mit denen der Arbeitnehmer in Verhandlungen über den Abschluss eines Arbeitsvertrages steht. Die Pflicht des Arbeitgebers, Auskunft über Leistung und Verhalten seines früheren Arbeitnehmers zu erteilen, erschöpft sich nicht in der Ausstellung eines Zeugnisses. Auch ohne Zustimmung und selbst gegen den Wunsch des Arbeitnehmers ist der Arbeitgeber grundsätzlich berechtigt, Auskünfte über die Person und das während des Arbeitsverhältnisses gezeigte Verhalten des Arbeitnehmers zu erteilen. Diese Auskünfte müssen jedoch, ebenso wie Zeugnisse, der Wahrheit entsprechen und dürfen nur solchen Personen erteilt werden, die ein berechtigtes Interesse daran haben (BAG, Urteil vom 18.08.1981 – 3 AZR 792/78 -; siehe auch BAG, Urteil vom 05.08.1976 – 3 AZR 491/75 -).

Umgekehrt begründet aber eine allgemeine nachvertragliche Treuepflicht für den Arbeitgeber regelmäßig keinen Anspruch gegen den ehemaligen Arbeitnehmer auf Unterlassung von Wettbewerb (BAG, Urteil vom 19.05.1998 – 9 AZR 394/97 -). Diesem obliegt keine nachvertragliche Treuepflicht, die seine zukünftige berufliche Tätigkeit im Verhältnis zum bisherigen Arbeitgeber in irgendeiner Weise einschränkt. Insbesondere ist es ihm durch eine nachvertragliche Treuepflicht nicht untersagt, Geschäftsbeziehungen mit den Kunden seines früheren Arbeitgebers aufzunehmen (MHdB ArbR, § 140 Nachvertragliches Wettbewerbsverbot Rn. 1, beckonline). Dann kann aber der Arbeitgeber nicht aufgrund einer nachvertraglichen Fürsorgepflicht verpflichtet sein, die Möglichkeit der Konkurrenztätigkeit durch den Arbeitnehmer noch zu erweitern und diese auch noch zu fördern. Anders mag dies zu sehen sein, wenn das Arbeitsverhältnis gerade auf den Erwerb der Qualifikation gerichtet war oder ihr jedenfalls auch dienen sollte.

KG zu der Frage der Anrechnung “neu für alt”, wenn die Vorteile ausschließlich auf einer Verzögerung der Mängelbeseitigung beruhen und sich der Auftraggeber jahrelang mit einem fehlerhaften Werk begnügen musste

KG zu der Frage der Anrechnung "neu für alt", wenn die Vorteile ausschließlich auf einer Verzögerung der Mängelbeseitigung beruhen und sich der Auftraggeber jahrelang mit einem fehlerhaften Werk begnügen musste

vorgestellt von Thomas Ax

1. Mit einer hinreichend genauen Bezeichnung der “Mangelerscheinungen” (der “Symptome” des Mangels) kann der Mangel selbst bezeichnet und damit Gegenstand der jeweiligen Vertragserklärungen werden, während der Auftraggeber den Mangel selbst, also die wirklichen Ursachen der Symptome, nicht zu bezeichnen braucht.
2. Es ist unschädlich, wenn der Auftraggeber zusätzlich solche Mangelursachen bezeichnet. Das gilt auch, wenn er insoweit Gutachten übermittelt, in denen bestimmte Aussagen über die Ursachen gemacht werden. Damit werden Rechtswirkungen oder das weitere Vorgehen nicht auf die bezeichneten oder vermuteten Ursachen beschränkt. Vielmehr sind auch dann immer alle Ursachen für die bezeichneten Symptome von seinen jeweiligen Erklärungen erfasst. Das gilt auch dann, wenn die angegebenen Symptome des Mangels nur an einigen Stellen aufgetreten sind, während ihre Ursache und damit der Mangel des Werkes in Wahrheit das ganze Gebäude erfasst.
3. Zur Herbeiführung einer Verjährungshemmung muss der Mangel nur hinreichend bezeichnet worden sein; inwieweit er bereits durch Privatgutachten etc. über das erforderliche Mindestmaß des Vortrags weiter substantiiert bzw. bereits “anbewiesen” ist, ist unerheblich.
4. Eine Anrechnung “neu für alt” kommt jedenfalls dann nicht in Betracht kommt, wenn die Vorteile ausschließlich auf einer Verzögerung der Mängelbeseitigung beruhen und sich der Auftraggeber jahrelang mit einem fehlerhaften Werk begnügen musste.
5. Der Lauf der Verjährungsfrist für einen Anspruch auf Bürgschaftsherausgabe beginnt nicht vor Ende des Jahres, in dem der von der Bürgschaft gesicherte Gewährleistungsanspruch entstanden ist. Das ist anzunehmen, wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen des auf Geld gerichteten Gewährleistungsanspruchs vom Auftraggeber geschaffen wurden.
6. Bei der Verjährung kann eine vertragliche Vereinbarung zu berücksichtigen sein, nach der die Dauer der Bürgschaftshingabe insoweit an die Dauer der Gewährleistungsfrist der Käufer gekoppelt sein sollte, als die Dauer der Hingabe einen Monat nach Ablauf der Gewährleistungsfrist überschreiten sollte (“Gleichlaufabrede”).
KG, Urteil vom 18.01.2022 – 21 U 1005/20

Gründe:

I.

Mit der Klage nimmt die Klägerin die Beklagten wegen Mängeln an den Bauwerken des Bauvorhabens XXX auf Erstattung von Kosten für von ihr durchgeführte Ersatzvornahmen sowie auf Zahlung von Kostenvorschuss für noch ausstehende Mängelbeseitigung in Anspruch. Mit der Widerklage verlangt die Beklagte zu 1 Herausgabe zweier Gewährleistungsbürgschaften sowie Erstattung von Avalkosten.

Hinsichtlich der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien in 1. Instanz wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

Mit dem am 18.02.2020 verkündeten Urteil hat das Landgericht der Klage in Höhe von 403.871,96 Euro nebst Zinsen teilweise stattgegeben, die Klage im Übrigen und die Widerklage abgewiesen.

Das Landgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung unter anderen ausgeführt:

Zwar lasse sich nicht feststellen, dass die Beklagte zu 1 ein für die Fußbodenheizung ungeeignetes Parkett verlegt habe, es könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass die großflächigen Parkettablösungen in allen Wohnungen allein auf eine durchgängig nicht entfernte Sinterschicht auf der Estrichoberfläche zurückzuführen seien. Aufgrund der Beweisaufnahme stehe aber fest, dass das Parkett in allen Wohnungen fehlerbehaftet war bzw. in weiteren vier Wohnungen noch immer ist. Nach den Ausführungen des Sachverständigen Barth entspreche der Zustand des Parketts nicht der normalen Beschaffenheit. Eine gleichmäßige, glatte Parkettoberfläche und dauerhafte, ausreichend feste Verbindung zwischen Parkett und Estrich sei nicht gegeben. Die dafür festgestellten Mangelursachen lägen – bis auf die zu vernachlässigenden Wasserschäden – im Verantwortungsbereich der Beklagten. Andere von der Beklagten vorgetragene Schadensursachen, wie zum Beispiel der recht sachgemäße Umgang mit raumklimatischen Bedingungen, kämen nach den Ausführungen des Sachverständigen nicht in Betracht. Das Gericht sei auch davon überzeugt, dass die vom Sachverständigen XXX festgestellten Mängel nicht nur in den 14 von ihnen besichtigten, sondern in allen Wohnungen vorlägen. Auch wenn ein Systemfehler hinsichtlich eines ungeeigneten Parketts bzw. des Nichtentfernens der Sinterschicht nicht festgestellt werden könne, liege dennoch ein durchgehender Mangel am Parkett in allen Wohnungen vor. Der Sachverständige habe in den 14 von ihm besichtigten Wohnungen mit Parkett, die sich in verschiedenen Etagen aller 4 Häuser befunden hätten, überall dasselbe Schadensbild festgestellt. Danach erscheine es ihm unwahrscheinlich, dass eine derartige Streuung stattfinde, während alles andere in Ordnung sei. Hinzu komme, dass alle Parkettarbeiten von der Streitverkündeten 14 vorgenommen worden seien und bereits der Sachverständige XXX im selbstständigen Beweisverfahren XXX in allen Wohnungen eine Mängelbeseitigung für erforderlich gehalten habe.

Die Mängelbeseitigungsansprüche seien nicht deshalb verjährt, weil sich die von ihr zunächst zur Begründung der Klage vorgetragenen Ursachen nicht bestätigt hätten. Die Klägerin habe bereits mit der Klageschrift unter Bezugnahme auf das Gutachten XXX, dass das Parkett wegen Rissbildung, Verformung, ungenügende Abstandshaltung von Seitenwänden und Abheben vom Untergrund mangelhaft sei. Damit habe die Klägerin hinreichend genau die Symptome des Mangels bezeichnet. Dies sei für die Verjährungshemmung ausreichend.

Die Klägerin sei zum Komplettaustausch des Parketts berechtigt gewesen. Insoweit sei das Gericht davon überzeugt, dass einzelne Ausbesserungsarbeiten vorliegend zur Mängelbeseitigung nicht genügen würden.

Vielmehr sei der komplette Austausch des Parketts erforderlich, weil kein dauerhafter Verbund zwischen der Estrichoberfläche und dem Parkett vorhanden sei. Hinsichtlich der 4 Wohnungen, in denen noch Altparkett liege, könne die Klägerin insoweit einen entsprechenden Vorschuss verlangen, ohne insoweit selbst zunächst in Vorlage treten zu müssen.

Ein Abzug “neu für alt” komme bereits deswegen nicht in Betracht, weil etwaige Vorteile der Klägerin ausschließlich auf eine Verzögerung der Mängelbeseitigung durch die Beklagte beruhten und sich die Klägerin jahrelang mit einem fehlerhaften Werk habe begnügen müssen.

Der mit Nr. 51 und 52 der Klage geltend gemachte Anspruch für die Sanierung der Rampenfahrbahn der Tiefgarage stehe der Klägerin in Höhe von 30.889,15 Euro brutto zu. Die Beweisaufnahme habe ergeben, dass sich die Schäden an der Rampenfahrbahn nach Besichtigung durch den Sachverständigen XXX, der bereits Ablösungen an der Oberseite der Expozidharzbeschichtung festgestellt habe, vergrößert hätten, insbesondere sich die Expozidharzbeschichtung in großen Flächen abgelöst habe und die darunterliegende Fahrbahnfläche Risse aufgewiesen habe, die teilweise aufgebrochen gewesen seien, und dass in die Betonplatte eindringendes Wasser deren Eisenbewherung elektrische Einlage der Fußbodenheizung beschädigt habe.

Der Klägerin stehe weiter hinsichtlich des geltend gemachten Mangels 111 – mangelhafte Anpflanzung auf Dachflächen über DG-Wohnung – ein Anspruch auf Zahlung eines Kostenvorschusses in Höhe von 2.900,00 Euro brutto für Nachpflanzungen auf den Dachflächen über der Atelierwohnung im Haus XXX zu. Insoweit fehlten Anpflanzungen und Nachpflanzungen seien durchzuführen.

Hinsichtlich der weiteren Begründung des Landgerichts zu den weiter geltend gemachten Mängeln, insbesondere der noch in 2. Instanz in Streit stehenden Mängel “XXX, 3. Nr. 5 der Klageerweiterung (Wohnung 1. OG links), c) Mangel Nr. 2 – 928 Euro“, “XXX, 2. Nr. 2 der Klageerweiterung (Wohnung EG rechts) c) Mangel Nr. 1 – 112,00 Euro“, “XXX, 6. Nr. 6 der Klageerweiterung (Wohnung 2. OG rechts), d) Mangel Nr. 11 – 638,00 Euro” und “XXX, 6. Nr. 6 der Klageerweiterung (Wohnung 2. OG rechts), e) Mangel Nr. 14 – 348 Euro” wird auf die Entscheidung des Landgerichts Bezug genommen.

Der Beklagten zu 1 stehe der mit der Widerklage zu 1 geltend gemachte Anspruch auf Herausgabe der Gewährleistungsbürgschaften nicht zu. Zwar seien die Höchstfristen aus beiden Verträgen zwischenzeitlich abgelaufen. Der Sicherungszweck sei aber noch nicht weggefallen, bei der Klägerin noch durch die Bürgschaft gesicherte Mängelbeseitigungsansprüche zustünden, die vor Eintritt der Verjährung gegenüber der Beklagten geltend gemacht habe. Der Beklagten zu 1 stehe auch kein Anspruch auf Herausgabe der Bürgschaften Hinblick auf eine Verjährung der Bürgschaftsforderungen zu. Die Bürgschaftsurkunde sei herauszugeben, sobald die Hauptforderung erloschen sei. Da für die Bürgschaften nach altem Schuldrecht die 30-jährige Verjährungsfrist gegolten habe, sei damit gemeint gewesen, dass sie Bürgschaft erlöschen solle, wenn die Hauptforderung nicht mehr bestehe, d.h. sie sollen nicht länger als die Hauptforderung bestehen, aber auch nicht kürzer.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Begründung des Landgerichts wird auf die Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

Gegen das am 03.03.2020 zugestellte Urteil haben die Beklagten am 18.03.2020 und die Streitverkündeten zu 24 am 31.03.2020 Berufung eingelegt. Die Beklagten haben ihre Berufung nach dem am 30.04.2020 beantragter und bis zum 04.06.2020 bewilligter Verlängerung der Berufungserwiderungsfrist am 03.06.2020 begründet. Die Streitverkündetenzu 24 hat ihre Berufung nach dem am 30.04.2020 beantragter und bis zum 04.06.2020 bewilligter Verlängerung der Berufungserwiderungsfrist am 02.06.2020 begründet.

Die Beklagten tragen zur Begründung ihrer Berufung vor, das Landgericht habe die Beklagten zu Unrecht zur Zahlung von Kostenvorschüssen und Schadensersatz für den komplett Austausch der Parkettflächen in den meisten Wohneinheiten über einen Betrag von 30.000,00 Euro hinaus verurteilt. Die Mängelrechte der Klägerin seien insoweit verjährt. Verjährungshemmend angezeigt habe die Klägerin lediglich die Parkettmängel Nr. 40, 43, 44, 50, 51, 86 und 105 gemäß der Nummerierung des Gutachtens XXX vom 23 12. 2002. Ferner habe sich die Klägerin zur Untermauerung ihrer Mängelbehauptungen auf ein Privatgutachten des Sachverständigen XXX berufen, der jedoch nur 3 Wohnungen begutachtet habe. Nach der Symptomrechtsprechung des BGH hätte die Klägerin in substantiierter Weise das Symptom Hohllagen oder Abhebungen vortragen und daraus ihre Ansprüche herleiten müssen. Das habe sie aber nicht getan, sondern Hohllagen oder Abhebungen nur für die drei Dachgeschosswohnungen unter Bezugnahme auf das Gutachten mit so konkreten Symptomen vorgetragen, dass Ursachen im Bereich des Estrichs gerade nicht erfasst sein konnten. Für die anderen Bereiche des Bauvorhabens nämlich die übrigen 33 Wohnungen, seien die Symptome ledig pauschal und unsubstantiiert behauptet worden. Dies führe nach der Symptomtheorie des BGH nicht dazu, dass die Klägerin den Mangel rechtswirksam gegenüber der Beklagten angezeigt habe.

Das Landgericht sehe es auch fehlerhaft als erwiesen an, dass die Sinterschicht in sämtlichen Bereichen vorhanden und mängelursächlich sei. Anhaftungen der Sinterschicht an dem Parkettkleber habe der Sachverständige XXX in vergleichsweise wenigen Fällen festgestellt. Ferner habe das Gericht den Schaden der Höhe nach falsch bewertet, das Landgericht habe bei der Berechnung der Schadenshöhe einen Vorteilsausgleich (Abzug neu für alt) unberücksichtigt gelassen. Die Klägerin habe keine Gebrauchsnachteile wie Mietminderungen oder sonstige Nachteile wegen des Parketts zu erleiden gehabt. Zudem habe das Landgericht der Klägerin Schadensersatz für Wohnungen zugesprochen, für die es kein Beweis der Mangelhaftigkeit des Parketts gegeben habe. Da es nach der Bewertung des Sachverständigen XXX keinen systematischen Mangel an allen begutachteten Flächen gegeben habe, verböte sich die Übertragung auf die Wohnungen, die der Sachverständige nicht in dem mangelhaften Zustand besichtigt habe.

Hinsichtlich der Tiefgaragenrampe habe die Klägerin nicht bewiesen, dass der Beton unterhalb der Beschichtung so geschädigt gewesen sei, dass keine Sanierung möglich gewesen wäre. Auch sei nicht bewiesen, dass die elektrischen Heizleitungen Bereich der Rampe zur Tiefgarage defekt gewesen sein. Dem Zeugen XXX habe das Landgericht keinen Glauben schenken dürfen, zumal der Zeuge als Architekt kein Experte für Elektroinstallationen sei und nach eigenem Bekunden alternative Ursachen für den angeblichen Ausfall der Rampenheizung nicht geprüft habe. Schließlich seien die Darlegung der Klägerin zum Mängelbeseitigungsaufwand überzogen. Die Beklagten akzeptierten notwendige Kosten für die Neubeschichtung der Rampe, eine Risssanierung des Betonunterbaus sowie die Arbeiten an der Ablaufrinne in Höhe von 10.000,00 Euro.

Weiter habe das Landgericht hinsichtlich weiterer Einzelmängel fehlerhaft entschieden. Hinsichtlich der Bezeichnung der Mängel und des Vortrags der Beklagten dazu wird auf Seite 14 – 16 der Berufungsbegründung (Bd. XIV Bl. 78 – 80) Bezug genommen.

Schließlich habe das Landgericht zu Unrecht die Widerklage der Beklagten zu 1 zurückgewiesen. Das Landgericht gehe insoweit rechtsfehlerhaft davon aus, dass die Ansprüche aus der Bürgschaft nicht verjährt seien. Selbst wenn man mit dem Landgericht davon ausgehe, dass die Parteien den Gleichlauf der Gewährleistungspflicht und der Rückgabepflicht vereinbart hätten, könne das Gericht mit der Abrede der Parteien dieses Verfahrens nicht die Verjährung der Ansprüche gegen den Bürgen verneinen. Sofern das Landgericht die Auffassung vertrete, dass die Bürgin sich nicht auf die Verjährungseinrede berufen habe, überspanne es die Anforderungen an die Verjährungseinrede, wenn es voraussetze, dass die Bürgin proaktiv mit einer Verjährungseinrede reagieren müsse, ohne überhaupt in Anspruch genommen worden zu sein.

Die Beklagten beantragen,

1. das Urteil des Landgerichts Berlin vom 18.02.2020 insoweit abzuändern, als die Beklagten verurteilt worden seien, an die Klägerin mehr als 60.652,53 Euro nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 15.10.2005 zu zahlen;

und für die Beklagte zu 1 ferner,

2. das Urteil des Landgerichts Berlin vom 18.02.2020 aufzuheben, soweit die Widerklage abgewiesen wurde, verbunden mit dem Antrag die Klägerin unter Abänderung des o.g. Urteils widerklagend zu verurteilen, die Gewährleistungsbürgschaft Nr. XXX vom 12.01.2001 der XXX über 1.054.410,00 DM sowie die Gewährleistungsbürgschaft Nr. XXX vom 18.01.2001 der XXX über DM an die Bürgschaftsbank (XXX) herauszugeben;

hilfsweise,

für den Fall, dass nach Auffassung des Gerichts der Bürgschaftsansprüche aus der Gewährleistungsbürgschaft Nr. XXX vom 12.01.2001 der XXX über 1.054.410,00 DM sowie der Gewährleistungsbürgschaft Nr. XXX vom 18.01.2001 der XXX über 282.102,40 DM nur teilweise verjährt sein sollten, die vorstehend genannten Bürgschaften Zug um Zug gegen Stellung neuer Gewährleistungsbürgschaften in derjenigen Höhe herauszugeben, in der Bürgschaftsansprüche der Klägerin noch nicht verjährt sind und damit auszusprechen, für welche Dauer die Bürgschaftsverpflichtung insoweit im Hinblick auf einen etwaigen teilweisen Ablauf der Verjährungsfrist zu bemessen;

hilfsweise,

festzustellen, dass bzw. inwieweit Bürgschaftsansprüche aus der Gewährleistungsbürgschaft Nr. XXX vom 12.01.2001, der XXX über 1.054.410,00 DM sowie der Gewährleistungsbürgschaft Nr. XXX vom 18.01.2001 der XXX über 282.102,40 DM verjährt sind;

3. festzustellen, dass die Klägerin alle weiteren seit dem 01.01.2015 entstandenen und künftig entstehende Avalgebühren zu erstatten hat.

Die Streitverkündete zu 24 trägt zur Begründung ihrer Berufung vor, das Landgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass die vom Sachverständigen XXX festgestellten Mängel nicht nur in den von ihm besichtigen Wohnungen, sondern auch in allen anderen streitgegenständlichen Wohnungen vorgelegen hätten, weshalb auch in diesen Wohnungen ein Komplettaustausch des Parketts erforderlich gewesen sei.

Allerdings habe es gutachterliche Feststellungen zu den behaupteten Parkettmängeln in 20 Wohnungen, für die das Landgericht einen Betrag von 179.357,68 Euro zugesprochen habe, nicht gegeben. Das Vorliegen von Mängeln in diesen Wohnungen und die Notwendigkeit des Komplettaustausches des Parketts seien damit nicht bewiesen. Soweit der Sachverständige XXX es für unwahrscheinlich gehalten habe, dass die von ihm vorgefundenen Fehler nur in den von ihm untersuchten Wohnungen aufgetreten seien, sei dies keine für die Beweiswürdigung taugliche Tatsachengrundlage. Der Sachverständige habe in seiner Anhörung am 12.12.2019 selbst zu Protokoll gegeben, dass seine Aussagen zu den nicht untersuchten Wohnungen rein “spekulativ” seien. Die Untersuchung des Sachverständigen sei auch nicht repräsentativ genug, da der Sachverständige nur einen Teil der streitgegenständlichen Wohnungen mit Altparkett besichtigt habe. Auch das Schadensbild sowie die vom Sachverständigen benannten möglichen Schadensursachen erlaubten keinen Rückschluss auf das Vorliegen von Mängeln in den übrigen Wohnungen. Denn die Schäden beruhten gerade nicht auf einen Systemfehler, dessen Auftreten auch in anderen Wohnungen nahe gelegen hätte.

Auch die Erwägung des Gerichts, wonach die Parkettarbeiten allesamt durch ein dasselbe Unternehmen ausgeführt worden seien, lasse keinen logischen Rückschluss auf das Vorliegen von Mängeln in den übrigen Wohnungen zu. Auch soweit das Landgericht auf die Feststellung des Sachverständigen XXX im selbstständigen Beweisverfahren Az. XXX Bezug genommen habe, ergebe sich daraus nicht die Mangelhaftigkeit sämtlicher Parkettflächen, da der Sachverständige selbst nur einige wenige Wohnungen tatsächlich besichtigt habe. Zu Unrecht habe schließlich das Landgericht einen Zinsanspruch in Höhe von 8 Prozentpunkten zugebilligt, da es sich insoweit nicht um eine Entgeltforderung handele.

Die Streitverkündeten zu 24 beantragt,

das Urteil des Landgerichts Berlin vom 18.02.2020 zum Az. 52 O 183/18 zu Ziffer 1 des Urteilstenors abzuändern, soweit die Beklagte verurteilt wird, an die Klägerin mehr als 224.514,28 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu zahlen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufungen zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt die angegriffene Entscheidung.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Berufungen der Beklagten und der Streitverkündeten zu 24 haben in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg, waren aber im Übrigen zurückzuweisen.

Der Klägerin steht gegen die Beklagten ein Anspruch auf Zahlung in Höhe von insgesamt 223.097,28 Euro aus § 633 Abs. 3 BGB a. F. zu.

1. Das Landgericht hat der Klägerin zu Unrecht wegen Mängeln des Parketts einen Ersatzvornahmeanspruch in Höhe von 262.911,03 Euro für den Austausch des Parketts in 28 Wohnungen des Bauvorhabens XXX zugesprochen. Vielmehr stehen der Klägerin Ersatzvornahmekosten hinsichtlich des Parketts lediglich in Höhe von 83.553,35 Euro sowie ein weiterer Vorschussanspruch in Höhe von 30.728,49 Euro für die Auswechslung des Parketts in noch vier verbleibenden Wohnungen zu.

1.1. Entgegen der Ansicht der Beklagten hat die Klägerin die Parkettmängel, hinsichtlich derer das Landgericht einen Anspruch auf Ersatz von Ersatzvornahmekosten und einen weiteren Vorschussanspruch zugesprochen hat, in unverjährter Zeit verjährungshemmend nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB geltend gemacht.

Insoweit nimmt das Landgericht zu Recht Bezug auf die Rechtsprechung des BGH, wonach mit einer hinreichend genauen Bezeichnung der “Mangelerscheinungen” (der “Symptome” des Mangels) der Mangel selbst bezeichnet und damit Gegenstand der jeweiligen Vertragserklärungen werden kann, während der Auftraggeber den Mangel selbst, also die wirklichen Ursachen der Symptome, hingegen nicht zu bezeichnen braucht (BGH NJW-RR 1997, 1376, beck-online). Dabei ist es aber unschädlich, wenn er zusätzlich solche Mangelursachen bezeichnet. Das gilt auch, wenn er insoweit Gutachten übermittelt, in denen bestimmte Aussagen über die Ursachen gemacht werden. Damit werden Rechtswirkungen oder das weitere Vorgehen nicht auf die bezeichneten oder vermuteten Ursachen beschränkt. Vielmehr sind auch dann immer alle Ursachen für die bezeichneten Symptome von seinen jeweiligen Erklärungen erfasst. Das gilt auch dann, wenn die angegebenen Symptome des Mangels nur an einigen Stellen aufgetreten sind, während ihre Ursache und damit der Mangel des Werkes in Wahrheit das ganze Gebäude erfasst (BGH a.a.O.). Nach diesen Maßstäben ist durch die Klageerhebung die Verjährung nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB hinsichtlich des Parketts hinsichtlich des gesamten geltend gemachten Anspruches gehemmt worden, da darin der Parkettmangel im Sinne einer hinreichenden Mängelanzeige dargelegt worden ist.

1.1.1. Die Klägerin hat in der Klage vorgetragen, dass aufgrund der im als Anlage K 23 vorgelegten Gutachten XXX gewonnenen exemplarischen Erkenntnisse davon ausgegangen werden müsse, dass das Parkett in sämtlichen 36 Wohnungen der streitgegenständlichen Objekte von ähnlicher Mangelhaftigkeit ist, wie das Parkett in den 3 vom Sachverständigen XXX begutachteten Wohnungen, in denen sich Rissbildungen, Verformungen, ungenügende Abstandshaltung zu den Seitenwänden und ein Abheben vom Untergrund gezeigt habe. Die Klägerin hat weiter vorgetragen, dass der Austausch des gesamten Parketts in allen Wohneinheiten erforderlich sei, sodass der Klägerin ein Kostenvorschussanspruch in Höhe von 272.000,00 Euro zustehe. Damit hat die Klägerin aber einen flächendeckenden Mangel am gesamten Parkett in allen Wohnungen vorgetragen. Die Einschränkung, dass “davon ausgegangen werden müsse, dass das Parkett in sämtlichen 36 Wohnungen der streitgegenständlichen Objekte von ähnlicher Mangelhaftigkeit” sei, bedeutet insoweit keine Einschränkung dahin, dass die Klägerin – wie ihre folgenden Ausführungen zeigen – nicht behaupten wollte, dass der Mangel nicht in allen Wohnungen flächendeckend vorhanden sei.

Auch der Umstand, dass die Klägerin ihre Erkenntnisse hauptsächlich auf die Begutachtung durch den Sachverständigen XXX stützt, der nur drei Wohnungen untersucht hat, ändert nichts daran, dass es sich um eine hinreichende Mängelanzeige handelt, die in Verbindung mit der Klage zu einer Hemmung der Verjährung hinsichtlich der für das gesamte Parkett geltend gemachten Mängelansprüche führt. Denn der Mangel muss zur Herbeiführung einer Verjährungshemmung insoweit nur hinreichend bezeichnet worden sein; inwieweit er bereits durch Privatgutachten etc. über das erforderliche Mindestmaß des Vortrags weiter substantiiert bzw. bereits “anbewiesen” ist, ist demgegenüber unerheblich.

1.1.2. Die Beklagten können auch nicht einwenden, dass sich die Klägerin durch die Bezugnahme auf das Sachverständigengutachten XXX bereits so eindeutig auf eine Ursache festgelegt habe, dass andere Ursachen nicht mehr als von der Mängelanzeige erfasst angesehen werden könnten. Denn es ist ja gerade Inhalt der Symptomrechtsprechung des BGH, dass durch die bloße Anzeige der Mängelsymptome auch der dahinterstehende (tatsächliche) Sachmangel mit angezeigt worden ist und zwar auch dann, wenn der Auftraggeber selbst von einer anderen Ursache ausgegangen ist.

1.1.3. Die Beklagten können sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass durch die Festlegung auf eine bestimmte Mängelursache durch die Klägerin und das damit einhergehende Verlangen nach einen Gesamtaustausch des Parketts die Beklagten in ihrem Recht, die geeignete Art und Weise der Mängelbeseitigung festzulegen, eingeschränkt worden ist. Bei der Frage einer Mängelanzeige in unverjährter Zeit bzw. der Frage nach einer entsprechenden Verjährungshemmung geht es lediglich darum, die weitere Geltendmachung von Mängelrechten zu ermöglichen, soweit zumindest in Form einer hinreichenden Bezeichnung von Mängelsymptomen die dafür in Betracht kommenden Ursachen als Mangel “ins Spiel gebracht” worden sind. Über die Frage, ob die angezeigten Symptome auf einen Mangel der Leistung des Auftragnehmers zurückzuführen sind und ob der Umfang der Mängel überhaupt der Behauptung der Auftraggeber entspricht, können die Parteien weiterhin miteinander streiten. Insoweit tragen sowohl der Auftraggeber für von ihm zu Unrecht bzw. in zu großem Umfang behaupteten Mängel als auch der Auftragnehmer für ein unzutreffendes Bestreiten von Mängeln bzw. das Angebot nur unzureichender Mängelbeseitigungsmaßnahmen das Risiko. Ein Risiko bzw. eine Einschränkung der Rechte des Auftragnehmers dahin, dass der Auftragnehmer allein aufgrund einer unzutreffenden Mängelanzeige des Auftraggebers auf bestimmte, tatsächlich, aber nicht geschuldete Mängelbeseitigungsmaßnahmen beschränkt wird, ist entgegen der Ansicht der Beklagten nicht gegeben.

1.2. Das Landgericht ist grundsätzlich auch zu Recht davon ausgegangen, dass das Parkett mangelbehaftet gewesen ist. Das Landgericht hat insoweit ausführlich und zutreffend ausgeführt, dass das Parkett nach den Feststellungen des Sachverständigen XXX in seinen diversen Gutachten und Anhörungen (vgl. LG-Urteil S. 19) deswegen fehlerhaft gewesen ist, weil eine gleichmäßige glatte Parkettoberfläche und dauerhafte, ausreichend feste Verbindung zwischen Parkett und Estrich nicht gegeben sei (LG-Urteil S. 20). Dabei kommen unterschiedliche Ursachen als Mangelursachen Betracht, wobei Ursachen wie vereinzelt vorliegende unzureichende Verklebungen einzelner Lamellen und vereinzelt, relativ kleinflächige Wasserschäden, insgesamt vernachlässigt werden können.

1.2.1 Entgegen der Ansicht der Beklagten sind diese Feststellungen des Landgerichts nicht deswegen unzutreffend, weil es davon ausgegangen wäre, dass eine sogenannte Sinterschicht (d.h. eine im Abdrucktrocknungsvorgang des Estrichs entstehende Schicht durch aufsteigende Kalkelemente, die vor einer Weiterbearbeitung des Bodenaufbaus abgeschliffen werden muss) in sämtlichen Bereichen des Parketts vorhanden gewesen wäre Dies ist gerade nicht der Fall, weil das Landgericht ausdrücklich ausgeführt hat, dass sich nicht feststellen lasse, dass die großflächigen Parkettablösung in allen Wohnungen allein auf eine durchgängig nicht entfernte Sinterschicht auf der Estrichoberfläche vor Verlegung des Parketts zurückzuführen seien (LG-Urteil S. 18).

1.2.2. Die Beklagten können sich auch nicht darauf berufen, dass etwaige Schäden am Parkett durch eingetretene raumklimatische Bedingungen aufgrund eines Leerstands der Wohnungen auch in ungeheizten Wintermonaten entstanden sind. Zu Recht ist das Landgericht davon ausgegangen, dass nach den Ausführungen des Sachverständigen XXX Parkett, Klebstoff und Estrich in der Lage sein müssen, den Auswirkungen normaler Schwankungsbreiten aufgrund raumklimatischer Bedingungen durch den Wechsel der Jahreszeiten auszuhalten (vgl. LG-Urteil S. 21/22). Soweit die Beklagte offensichtlich einwenden möchte, dass dies nicht für den Fall im Winter unbeheizter Leerstandswohnungen gelten kann, geht dies nach Ansicht des Senats fehl. Denn es ist nach den Ausführung des Sachverständigen Barth davon auszugehen, dass die das Parkett möglicherweise beeinträchtigenden raumklimatischen Bedingungen nicht die unterschiedlichen Temperaturen sind, sondern vielmehr die differierende Luftfeuchtigkeit, die gerade im Falle der Beheizung zu einer sehr viel trockenen Luft in den Räumen führt, welche zu einer Austrocknung der verwendeten Hölzer führen könnte (vgl. GA XXX v. 27.12.2012, S. 49; zur Bedeutung der Luftfeuchtigkeit für auftretende Schwundmaße vgl. auch Anhörung des Sachverständigen XXX am 17.10.2013, Blatt 72 IX). Soweit aber eine solche Beheizung gar nicht stattfindet, ist auch nicht nachvollziehbar, dass eine solche, sich möglicherweise auswirkende Differenz hinsichtlich der Höhe der Luftfeuchtigkeit überhaupt gegeben ist.

1.2.3. Dass die ansonsten vom Sachverständigen grundsätzlich als Ursachen für das Abheben des Parketts genannten Gründe, nämlich (teilweise) nicht flächendeckendes, rechtzeitiges, gründliches Entfernen der Sinterschicht, entweder unmittelbar nach dem Einbau des Estrichs oder durch späteres Abfräsen vor Parkettverlegung, flächendeckend vorliegende Inhomogenität und Labilität in der Estrichzusammensetzung bzw. ein Verlegen auf einer flächendeckend vorliegenden labilen Estrichoberfläche, ansonsten nicht vorgelegen haben, tragen die Beklagten nicht hinreichend vor. Insoweit lässt sich die grundsätzliche Feststellung des Landgerichts, dass das Parkett mangelhaft ausgeführt worden ist, im Ergebnis nicht beanstanden.

1.3. Die Beklagten können sich nicht auf einen Abzug Neu für Alt berufen, soweit ein Komplettaustausch des Parketts erfolgen musste. Das Landgericht stützt sich insoweit zu Recht auf die Rechtsprechung des BGH, wonach eine Anrechnung jedenfalls dann nicht in Betracht kommt, wenn diese Vorteile – wie hier – ausschließlich auf einer Verzögerung der Mängelbeseitigung beruhen und sich der Auftraggeber jahrelang mit einem fehlerhaften Werk begnügen musste. Der Auftragnehmer darf dadurch, dass der Vertragszweck nicht sogleich, sondern erst später im Rahmen der Gewährleistung erreicht wird, keine Besserstellung erfahren. Sähe man den alsdann ersparten Instandhaltungsaufwand oder die längere Lebensdauer der Werkleistung als auszugleichende Vorteile an, so hätte es der Unternehmer in der Hand, sich durch Verzögerung der Mängelbeseitigung seiner Gewährleistungspflicht und der damit verbundenen Kostenbelastung teilweise oder sogar ganz zu entziehen Er brauchte umso weniger eigene Mittel einzusetzen, je länger er die Nachbesserung hinauszuzögern verstünde (BGH NJW 1984, 2457). Die gegen die Anwendung dieser Rechtsprechung angeführten Argumente der Beklagten überzeugen nicht. Darauf, ob die Klägerin Nachteile in Form von Mietminderungen etc. aufgrund des fehlerhaften Parketts gehabt hat, kommt es nicht an, wenn davon auszugehen ist, dass die Nutzung des Parketts aufgrund der fehlenden Haftung der Parkettstäbe etc. bereits gemindert gewesen ist. Die Minderung der Gebrauchstauglichkeit muss sich insoweit nicht bereits in einem monetären Verlust verwirklicht haben, um den Einwand Neu für Alt auszuschließen. Abgesehen davon, können sich die Beklagten nicht darauf berufen, eine Mängelbeseitigung nicht verzögert zu haben. Es ist jedenfalls nicht ersichtlich, dass die Beklagten zu einem vollständigen Austausch des Parketts bereit gewesen sind. Soweit aber ein solcher nach den Feststellungen der Sachverständigen erforderlich gewesen ist, können sich die Beklagten nicht darauf berufen, jedenfalls eine teilweise Beseitigung von Mängeln angeboten zu haben. Mit dem dann erforderlichen Gesamtaustausch des Parketts ist die Beklagte weiterhin in Verzug, weswegen ein Abzug Neu für Alt wegen der erst später erfolgten, aber von vorneherein geschuldeten Errichtung eines mangelfreien Parketts nach der genannten Rechtsprechung des BGH ausscheidet.

1.4. Zu Unrecht hat das Landgericht aber aus der durchgeführten Beweisaufnahme den Schluss gezogen, dass das Parkett nicht nur in den vom Sachverständigen XXX begutachteten und für mangelhaft erachteten Wohnungen komplett ausgetauscht werden musste, sondern auch in den anderen, nicht begutachteten Wohnungen, in denen die Klägerin bereits eine Ersatzvornahme hat durchführen lassen. Dies betrifft die Wohnungen XXX: EG Rechts, 1. OG links, 1. OG rechts, 2. OG links, 3. OG rechts, und 3. OG links, XXX: 1. OG rechts, 2. oben links, 3. OG rechts, und 3. OG links, XXX: EG Rechts, 1. OG rechts, 2. OG links, 3. OG links, XXX: EG links, 1. OG rechts und 2. OG rechts sowie XXX Dachgeschosse, für die das Landgericht einen Kostenerstattungsbetrag in Höhe von 179.357,68 Euro ausgeurteilt hat.

1.4.1 Das Landgericht ist auf Seite 22 seines Urteils zwar davon ausgegangen, dass ein Systemfehler durch ein flächendeckendes Verlegen eines ungeeigneten Parketts oder Nichtentfernen einer flächendeckend vorhandenen Sinterschicht nicht festgestellt werden könne, aber dennoch ein durchgehender Mangel am Parkett in allen Wohnungen vorläge. Der Sachverständige habe in allen von ihm begutachteten Wohnungen das Schadensbild hohlklingender Bereiche und zum Teil verformter und hohlklingende Lamellen etc. festgestellt. Soweit der Sachverständige XXX allein in der Wohnung im Haus XXX im 4. OG rechts keine Schäden festgestellt habe, beruhe dies darauf, dass die Wohnung zur Beantwortung einer anderen Beweisfrage, nämlich des Vorliegens unterschiedlicher raumklimatischer Bedingungen untersucht worden sei, wobei dort ein Austausch des Parketts bereits vor der Begutachtung stattgefunden habe. Insgesamt folgt das Landgericht der Beurteilung des Sachverständigen XXX, eine Streuung insoweit, dass allein die von ihm besichtigten Wohnungen mangelhaft sein sollten, während alle anderen in Ordnung seien, sei unwahrscheinlich. Dazu komme, dass alle Parkettarbeiten von der Streitverkündeten zu 14 vorgenommen worden seien und bereits der Sachverständige XXX im selbstständigen Beweisverfahren XXX Parkettböden in sämtlichen Häusern und sämtlichen Wohnungen des Bauvorhabens besichtigt und überall Rissbildungen festgestellt und in allen Wohnungen eine Mängelbeseitigung für erforderlich gehalten habe (LG-Urteil Seite 22).

1.4.2. Die Entscheidung des Landgerichts, dass aufgrund der Feststellungen des Sachverständigen auch die Notwendigkeit eines Komplettaustauschs in den Wohnungen, die er nicht begutachtet hat und in denen die Klägerin bereits eine Ersatzvornahme hat durchführen lassen, feststehe, überzeugt den Senat jedoch nicht.

Zwar ist nicht von der Hand zu weisen, dass es sich um einen unwahrscheinlichen Zufall handeln würde, wenn alle vom Sachverständigen XXX mit einem Altparkett vorhandenen Parkettfußboden die zur Notwendigkeit eines Komplettaustauschs entsprechenden Mängel aufgewiesen hätten, alle anderen, vor einer Besichtigung durch den Sachverständigen bereits überarbeiteten Böden aber nicht. Allerdings geht das Landgericht zutreffend davon aus, dass vorliegend nicht von einem “echten” Systemmangel auszugehen ist, weil es sich nach den Feststellungen des Sachverständigen um unterschiedliche Ursachen für die jeweils identisch auftretenden Mängelsymptome handelt.

Insoweit kann aber auch nicht gänzlich ausgeschlossen werden, dass tatsächlich trotz des Tätigwerdens derselben Firma in unterschiedlichen Wohnungen auch unterschiedliche Arbeitsergebnisse erzeugt worden sind. Es kann insoweit nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden, dass aufgrund des Einsatzes anderer Mitarbeiter bzw. aufgrund deren jeweils unterschiedlichen Tagesform auch unterschiedliche Leistungsergebnisse mit der Folge erzielt worden sein können, dass nicht überall ein Komplettaustausch erforderlich war. Insoweit hat auch der Sachverständige XXX in seiner Anhörung vor dem Landgericht im Termin vom 12.12.2019 (Bd. XII Bl. 84) ausgeführt, dass er zur Frage eines Komplettaustausches nur für die Wohnungen Stellung nehmen kann, die er auch gesehen habe und sich denen noch Altparkett befunden habe. Er bezeichnet deshalb seine Äußerungen zu den von ihm nicht gesehenen Wohnungen mit Altparkett als spekulativ, auch wenn er ausführt, dass er Wohnungen in allen Häusern gesehen habe und es ihm deswegen eher unwahrscheinlich erscheine, dass eine derartige Streuung stattgefunden habe. Ausschließen könne er das aber nicht. Zutreffend weist die Streitverkündete in diesem Zusammenhang auch darauf hin, dass der Sachverständige zum Beispiel hinsichtlich eines Raumes der von ihm besichtigten Wohnungen XXX, EG links, festgestellt hat, dass der Parkettboden im “kleinem Zimmer” komplett in Ordnung gewesen sei.

Auch aus den Ausführungen des Sachverständigen XXX im OH-Verfahren XXX können keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür entnommen werden, dass das Parkett in allen Wohnungen in einer Weise mangelbelastet war, die einen Komplettaustausch erforderlich gemacht hätte. Zwar bezog sich sein Gutachtenauftrag offensichtlich auf die Parkettböden in “sämtlichen Häusern und sämtlichen Wohnungen“.

Aus einer Antwort zur Beweisfrage 105 des dem Verfahren zugrunde liegenden Beweisbeschlusses (Seite 64 des GA vom 23.12.2002) ist aber zu entnehmen, dass der Sachverständige lediglich “exemplarische Feststellungen in mehreren Wohnungen getroffen hat“, aber nicht sämtliche Wohnungen untersucht hat, wobei er sowieso lediglich bestimmte Rissbreiten, aber nicht sonstige Hohllagen etc. festgestellt hat.

1.4.3. Entgegen der Ansicht der Klägerin kann sie die Notwendigkeit eines Komplettaustausches des Parketts nicht durch die Vorlage entsprechender Rechnungen über die Durchführung des Komplettaustausches in den im Streit stehenden Wohnungen und durch Beweisantritte für die Bezahlung dieser Rechnungen beweisen. Denn die Durchführung eines Komplettaustauschs besagt insoweit noch nichts darüber, ob dieser tatsächlich angesichts der in der Wohnung vorhandenen Parkettmängel erforderlich gewesen ist. Soweit die Klägerin darauf verweist, dass das Landgericht zunächst eine nur exemplarische Untersuchung der Parkettböden und erst später die Untersuchung aller Wohnungen angeordnet habe, hätte sie bei ihren schon zuvor durchgeführten Ersatzvornahmen dafür Sorge tragen müssen, den Zustand des auszutauschen Parketts zu dokumentieren, zum Beispiel durch Sicherung entsprechender Zeugenaussagen oder die Einholung von Privatgutachten.

1.5 Zu Recht hat das Landgericht hinsichtlich der vier verbleibenden Wohnungen, in denen die Klägerin noch keine Mängelbeseitigungsarbeiten am Parkett hat vornehmen lassen (XXX, 1. OG links und EG rechts sowie XXX EG links und 3. OG rechts), einen Kostenvorschussanspruch gemäß § 633 Abs. 3 BGB a. F. in Höhe von 30.728,49 Euro zugesprochen. Auch wenn der Senat – wie dargestellt – nicht die erforderliche Überzeugung hat gewinnen können, dass ein Komplettaustausch des Parketts in allen Wohnungen erforderlich gewesen ist, ist der Senat davon überzeugt, dass die Parkettarbeiten mangelhaft durchgeführt worden sind. Insoweit nimmt der Senat erneut Bezug auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts auf Seite 20/21 seines Urteils. Aufgrund der Vielzahl der vom Sachverständigen XXX festgestellten Mängelsymptome und den von ihm in Betracht gezogenen Mängelursachen, ist der Senat auch davon überzeugt, dass entsprechende Mängelerscheinungen auch in den vier verbleibenden, noch nicht überarbeiteten Wohnungen vorhanden sind, wenn auch deren Umfang nicht zur Überzeugung des Senates feststeht. Dennoch konnte ein Vorschuss für diese Wohnungen in Höhe der geltend gemachten Kosten für einen Komplettaustausch des Parketts zugesprochen werden. Ein Vorschuss ist in Höhe eines Betrages geschuldet, der den Aufwand zur Mängelbeseitigung aus der Sicht eines vernünftigen, wirtschaftlich denkenden und sachkundig beratenen Bestellers voraussichtlich abdeckt. Die Höhe kann dabei bei Vorliegen greifbarer Anhaltspunkte grob geschätzt werden (vgl. Grüneberg-Retzlaff, BGB 81. Aufl. 2022, § 637 Rn. 9). Der Umstand, dass der Sachverständige XXX hinsichtlich aller von ihm besichtigten Wohnungen einen Komplettaustausch des Parketts für notwendig erachtet hat, stellt insoweit einen greifbaren Anhaltspunkt dafür dar, dass dieses auch in den vier verbleibenden Wohnungen erforderlich sein wird. Die Klägerin darf den Vorschuss nur bestimmungsgemäß verwenden, d.h. nur für solche Mängelbeseitigungsarbeiten einsetzen, die sie nach den genannten Grundsätzen für erforderlich halten durfte. Über die Verwendung des Vorschusses hat die Klägerin gegenüber den Beklagten abzurechnen. In diesem Rahmen wird sie gegebenenfalls die Erforderlichkeit eines Komplettaustauschs des Parketts auch in diesen Wohnungen zu belegen haben.

2. Tiefgaragenrampe

Soweit das Landgericht der Klägerin hinsichtlich Schäden an der Rampenfahrbahn einen Anspruch auf Ersatzvornahmekosten in Höhe von 30.889,15 Euro und einen weiteren Kostenvorschussanspruch in Höhe von 2.378,20 Euro zugesprochen hat, greifen die Beklagten die Entscheidung des Landgerichts nur hinsichtlich eines den Betrag von 10.000,00 Euro übersteigenden Betrags der Ersatzvornahmen Kosten an. Das Landgericht hat insoweit zutreffend entschieden. Es hat ausgeführt, dass bereits der Sachverständige XXX in seinem Gutachten vom 31.12.2002 auf Seite 78 festgestellt habe, dass sich auf der aus glattgeriebenem Beton mit eingebauten Riefen hergestellten und mit einer Epoxidharzbeschichtung versehenen Rampenzufahrt unregelmäßige Ablösungen gezeigt hätten. Nach der Durchführung einer Beweisaufnahme war das Landgericht davon überzeugt, dass die Schäden an der gesamten Fahrbahn sich nach der Besichtigung durch den Sachverständigen XXX vergrößert hätten, insbesondere sich die Epoxidharzbeschichtung in großen Flächen abgelöst und die darunterliegende Fahrbahnfläche Risse aufgewiesen habe, die teilweise ausgebrochen gewesen seien, und dass in die Betonplatte eindringendes Wasser deren Eisenbewehrung und die elektrische Einlage der Fußbodenheizung beschädigt habe.

Das Landgericht hat sich seine Überzeugung aufgrund einer durchgeführten Beweisaufnahme durch Vernehmung der Zeugen XXX, XXX und XXX gebildet. Nach § 529 Abs. 1 ZPO hat das Berufungsgericht die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen zugrunde zu legen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Solche Zweifel ergeben sich nach Auffassung des Senats letztlich nicht. Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Zeuge XXX bestätigt hat, dass sich die ehemalige Epoxidoberflächenbeschichtung großflächig gelöst und sich in der darunterliegende Fahrbahnfläche auf der gesamten Fläche Risse gezeigt hätten, die eine Erneuerung der gesamten Rampenfahrbahn bedingt hätten. Dies ist auch durch den Zeugen XXX bestätigt und auch durch den Gegenzeugen XXX letztlich nicht widerlegt worden, da auch dieser ausgesagt hat, dass es jedenfalls im Jahr 2005 größere beschädigte Stellen gegeben habe, die für ihn Anlass gewesen seien, vorzuschlagen, die alte Beschichtung herunterzureißen und eine neue Beschichtung aufzutragen. Weiter ist davon auszugehen, dass die Zeugen XXX und XXX auch eine Beschädigung und damit einhergehende Funktionslosigkeit der Fußbodenheizung bestätigt haben. Sowohl der Zeuge XXX als auch der Zeuge XXX haben bestätigt, dass die Heizung nicht mehr funktioniert hat, während der Zeuge XXX dazu mangels eigener Feststellungen trotz seines offensichtlichen Bemühens, etwaige Mängel klein zu reden, dazu keine Aussage treffen konnte.

Aufgrund der Aussagen der Zeugen XXX und XXX davon auszugehen, dass die Heizung nicht funktionierte, da beide Zeugen diesen Zustand bekundet haben, der Zeuge XXX dabei nach eigens durchgeführten Messungen. Soweit die Beklagten versuchen, die Glaubhaftigkeit der Aussage des Zeugen XXX infrage zu stellen, weil auf der Rampe nur oben Schnee gelegen habe, während der untere Teil der Rampe schneefrei und insgesamt trocken gewesen sei, geht dies fehl. Zum einen ist es nicht zwingend, dass das Befahren der Rampe durch Fahrzeuge lediglich zu einer Bildung von schneefreien Spuren, nicht aber zum insgesamten Rückgang des Schnees auf der Rampe führen kann. Abgesehen davon, dass die die Rampe benutzenden Autofahrer nicht stets dieselbe Spur nutzen, ist auch ohne weiteres nachvollziehbar, dass das durch die Benutzung der Rampe auftretende Schmelzwasser auch die nicht direkt von den Reifen der Fahrzeuge berührten Schneeflächen selbst zum Schmelzen bringen kann. Zudem hat auch der Zeuge XXX die Heizung überprüft und dabei einen Ausfall der Sicherungen festgestellt, was er auf einen feuchtigkeitsbedingten Kurzschluss zurückgeführt hat. Der Umstand, dass es einen “Ausfall” einer Sicherung so nicht geben können soll, sondern dass es sich insoweit vielmehr allenfalls um eine Abschaltung des Stromkreises gehandelt haben könnte, schmälert den Wert der Feststellung des Zeugen XXX nicht. Letztlich kommt es im Ergebnis auch nicht darauf an, ob die Funktionslosigkeit der Heizung eine Folge von eingedrungener Feuchtigkeit ist.

Denn selbst wenn die Fußbodenheizung in der Rampenauffahrt der Garage aus anderen Gründen ausgefallen wäre, hätten die Beklagten dafür einzustehen, nachdem sie die funktionsgerechte Herstellung des geplanten Bauvorhabens nach den anerkannten Regeln der Baukunst und Technik übernommen haben.

Anhaltspunkte dafür, dass insbesondere der Zeuge XXX aus Gründen, sich selbst vor einer Inanspruchnahme zu schützen, die Unwahrheit gesagt hat, sind nicht ersichtlich. Insoweit ist der Vorwurf der Beklagten, dass aus der Aussage des Zeugen XXX Motive für eine “subjektive Wahrnehmung im Interesse der Klägerin” erkennbar gewesen seien, nicht nachvollziehbar. Weder der Umstand, dass der Zeuge der Klägerin in einer “ständigen Geschäftsbeziehung” gestanden hat, noch der Umstand, dass der Zeuge nach seiner eigenen Aussage ein andere Art Beschichtung vorgezogen hätte, spricht dafür, dass der Zeuge hinsichtlich seiner Wahrnehmungen über den tatsächlichen Zustand der erfolgten Epoxidbeschichtung und ihrer Folgen die Unwahrheit gesagt hat.

3. Weitere Einzelpositionen

3.1. Nr. 48. Mangel 111, Beweisverfahren XXX, mangelhafte Anpflanzung auf Dachflächen über DG Wohnung.

Das Landgericht hat der Klägerin insoweit zu Recht einen Kostenvorschuss in Höhe von 2.900,00 Euro brutto aus § 633 Abs. 3 BGB a. F. für Nachpflanzungen auf den Dachflächen über der Atelierwohnung im Haus XXX zugesprochen, nachdem der Sachverständige XXX bestätigt hat, dass Anpflanzungen fehlen und Nachpflanzungen durchzuführen sind. Soweit dies von der Beklagten mit dem Vortrag angegriffen wird, der Sachverständige XXX habe lediglich den Zustand zum Zeitpunkt seiner Besichtigung beurteilen können und dabei festgestellt, dass Anpflanzungen vorhanden gewesen, jedoch nicht voll aufgegangen und angewachsen seien, steht dies der Annahme eines Mangels nicht entgegen. Denn der Sachverständige hat insoweit weiter ausgeführt, dass Nachpflanzungen erforderlich sind, was eindrucksvoll durch das vom Sachverständigen auf Seite 76 seines Gutachtens eingefügte Lichtbild bestätigt wird, aus dem sich nicht ansatzweise ein Gründach erkennen lässt. Auch wenn eine konkrete Leistungsbeschreibung hinsichtlich des Gründachs nicht vorgetragen ist, ist davon auszugehen, dass der geschuldete Erfolg darin besteht, dass auf dem Dach Pflanzen anwachsen und einen Pflanzenteppich ausbilden. Dass dies erfolgt ist, lässt sich dem vom Sachverständigen gemachten Lichtbild nicht entnehmen. Insoweit ist davon auszugehen, dass der geschuldete Werkerfolg nicht eingetreten und die Leistung somit mangelhaft ist. Dass der Sachverständige nicht den Zustand zum Zeitpunkt der Abnahme dokumentiert hat, sondern zu einem – innerhalb der Gewährleistungsfrist liegenden – späteren Zeitpunkt, ist dabei unerheblich, da sich ein Mangel der Begrünung des Dachs nicht unbedingt bereit zum Zeitpunkt der Abnahme zeigt. Jedenfalls ist aufgrund des Lichtbilds von einem sich während der Gewährleistungsfrist zeigenden Mangel auszugehen. Die Höhe des zugesprochenen Kostenvorschusses haben die Beklagten nicht angegriffen.

3.2. Mangel “XXX, 3. Nr. 5 der Klageerweiterung (Wohnung 1. OG links), c) Mangel Nr. 2

Der Senat geht nach dem Inhalt des Berufungsangriffs davon aus, dass es sich bei der Bezeichnung des Mangels um einen Irrtum gehandelt hat und tatsächlich die Entscheidung des Landgerichts zu dem auf Seite 88 des Urteils unter Ziffer 5. Nr. 5 c) behandelten Mangel angegriffen werden sollte. Die Berufung hat insoweit lediglich teilweise Erfolg. Das Landgericht ist aufgrund des Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr.-Ing. XXX davon ausgegangen, dass eine Neueinstellung der Tür erforderlich ist, um den vorhandenen Spalt zwischen Tür und Zarge zu verringern. Zwar liegen nach den Ausführungen des Sachverständigen die Spaltmaße in den Differenzen innerhalb der zulässigen Toleranz, sodass nicht von einer unzulässigen Verformung des Türblatts auszugehen ist. Allerdings ist das absolute Maß des Spaltmaßes zu groß, weswegen der Sachverständige – wie auch bei anderen Türen mit entsprechenden Maßen – eine Ausrichtung bzw. Neueinstellung der Tür für erforderlich hält. Dies ist nach Auffassung des Senats nachvollziehbar, weil der Sachverständige an anderer Stelle ausführt, dass Dichtungsprofile lediglich in der Lage sind, Undichtigkeiten bis zu 4 mm auszugleichen (Gutachten XXX S. 22). Um das Bestehen größerer Spaltmaße zu verhindern, bedarf es daher einer Neueinstellung der Tür. Der angedeutete Einwand der Beklagten, es handele sich bei den Kosten für die Einstellung der Tür um Sowiesokosten, da regelmäßige Einstellungsarbeiten Wartungsarbeiten seien, geht im Ergebnis fehl. Die Kosten für Einstellungsarbeiten könnten nur dann Sowiesokosten darstellen, wenn die Beklagte zuvor eine ordnungsgemäße Ersteinstellung vorgenommen hat. Dass dies der Fall gewesen ist und der jetzige Zustand der Tür sich somit lediglich als erwartungsgemäßer “Verschleiß” darstellt, ergibt sich aus dem Vortrag der Beklagten nicht hinreichend.

Jedoch ist die Entscheidung des Landgerichts der Höhe nach nicht nachvollziehbar. Der Sachverständige hat Kosten in Höhe von 112,00 Euro ausgewiesen. Warum das Landgericht insoweit ein Betrag in Höhe von 928,00 Euro zugesprochen hat, ergibt sich nicht. Um den Differenzbetrag in Höhe von 816,00 Euro war der Urteilsbetrag somit zu kürzen.

3.3. Mangel “XXX, 2. Nr. 2 der Klageerweiterung (Wohnung EG rechts) c) Mangel Nr. 1

Soweit das Landgericht der Klägerin einen Kostenvorschuss in Höhe von 112,- Euro brutto für eine erforderliche neue Einstellung der Wohnungseingangstür zugesprochen hat, vermag die Beklagte mit dem Argument, dass es sich um Sowiesokosten handele, nicht durchzudringen. Insoweit verweist der Senat auf die obigen Ausführungen.

3.4. Mangel “XXX, 6. Nr. 6 der Klageerweiterung (Wohnung 2. OG rechts), d) Mangel Nr. 11

Das Landgericht hat wegen eines Deckenrisses im Schlafzimmer einen Kostenvorschussanspruch in Höhe von 638,- Euro zugesprochen (LG-Urteil S. 89), nachdem der Sachverständige einen zu überarbeitenden aufgewölbten Stoß einer Filigranplatte festgestellt hat (GA XXX Seite 95). Die Beklagte akzeptiert insoweit den vom Sachverständigen ausgewiesenen Mängelbeseitigungsbetrag in Höhe von 300,- Euro, greift aber die Entscheidung des Landgerichts in der darüber hinausgehenden Höhe an. Eine Berechtigung für den vom Landgericht ausgeworfenen Betrag in Höhe von 638 Euro, ist für den Senat nicht ersichtlich. Auch unter Berücksichtigung zwischenzeitlicher Kostensteigerungen und des Umstands, dass es sich um einen abzurechnenden Vorschuss handelt, ist ein Grund für eine Übersteigung des vom Sachverständigen ausgewiesenen Betrags um mehr als das Doppelte nicht nachvollziehbar. Die Berufung hat insoweit in Höhe von 338,00 Euro teilweise Erfolg.

3.5. Mangel “XXX, 6. Nr. 6 der Klageerweiterung (Wohnung 2. OG rechts), e) Mangel Nr. 14

Das Landgericht hat einen Kostenvorschussanspruch für die Nacheinstellung einer Tür (Tür zum Bad) in Höhe von 348,- Euro zugesprochen. Hinsichtlich des Einwands, es handele sich um durchzuführende Wartungsarbeiten und somit um Sowiesokosten nimmt der Senat auf die vorhergehenden Ausführungen Bezug. Jedoch ist die Entscheidung des Landgerichts zur Höhe des Kostenvorschusses nicht nachvollziehbar, nachdem der Sachverständige insoweit lediglich ein Betrag in Höhe von 75,00 Euro ausgewiesen hat. Zu Recht haben die Beklagten darauf hingewiesen, dass das Landgericht den ausgeworfenen Betrag von 348,00 Euro ansonsten nur für den Fall des notwendigen Austauschs eines Türblatts angesetzt hat (vgl. Zusammenstellung auf Seite 16 der Berufungsbegründung (Blatt 80 XIV)). Vorliegend geht es aber nicht um den Austausch eines Türblatts, sondern lediglich um eine Neueinstellung der Tür. Insoweit steht der Klägerin nur der vom Sachverständigen genannte Betrag in Höhe von 75,00 Euro als Vorschuss zu.

4. Gegen den sich danach ergebenden, von den Beklagten an die Klägerin zu zahlenden Betrag in Höhe von 223.097,28 Euro können die Beklagten nicht mit einem Anspruch auf Erstattung von Avalkosten in Höhe von 51.853,36 Euro aufrechnen. Der Beklagten steht ein solcher Anspruch nicht zu, weil die Klägerin nicht zur Herausgabe der Bürgschaften verpflichtet war, wie unter 6. ausgeführt wird.

5. Das Landgericht hat zu Unrecht auf den ausgeurteilten Betrag Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zugesprochen. Die ausgeurteilten Zahlungsansprüche sind nach § 288 Abs. 1 BGB nur in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen. Dabei geht allerdings der Einwand der Beklagten, sie seien Verbraucherinnen, weil sie lediglich ihr eigenes Vermögen verwalten würden, fehl. Die Beklagte zu 2 ist als GmbH und damit Formkauffrau gewerblich tätig, die Beklagte zu 1 fällt als KG unter die Regelung des § 14 Abs. 2 BGB und ist damit Unternehmerin (vgl. MüKoBGB/Micklitz, 9. Aufl. 2021, BGB § 14 Rn. 9). Jedoch kommt nach den im Verzugszeitraum ab dem 31.05.2002 geltenden Fassungen des § 288 BGB ein Verzugszins in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nur bei Entgeltforderungen in Betracht. Vorliegend geht es aber Kostenerstattungsansprüche für durchgeführte bzw. um Kostenvorschussansprüche für anstehende Mängelbeseitigungen.

6.. Widerklage

6.1. Das Landgericht hat zu Recht den mit der Widerklage geltend gemachten Antrag auf Herausgabe der Gewährleistungsbürgschaften Nr. XXX vom 12.01.2001 der XXX über 1.054.410,00 DM und Nr. XXX vom 18.01.2001 der XXX über DM an die XXX (XXX) sowie die dazu gestellten Hilfswiderklageanträge abgewiesen.

6.1.1. Zutreffend geht das Landgericht zunächst unter Berufung auf die Rechtsprechung des BGH in der Entscheidung vom 02.02.1989, IX ZR 182/87, davon aus, dass der Beklagten zu 1 ein Anspruch auf Herausgabe der Bürgschaftsurkunden nicht zusteht, weil der Klägerin noch durch die Bürgschaft gesicherte Mängelbeseitigungsansprüche zustehen (hier jedenfalls in Form der zugesprochen Kostenvorschussansprüche), die sie vor Eintritt der Verjährung gegenüber der Klägerin zu 1 geltend gemacht habe. Insoweit steht der Klägerin – wie das Landgericht zu Recht erkannt hat – die Einrede des nicht erfüllten Vertrages gemäß § 320 BGB zu. Dagegen wendet sich die Beklagte zu 1 in der Berufung letztlich nicht.

6.1.2. Auch eine Verjährung des Bürgschaftsanspruchs begründet im vorliegenden Fall, wie das Landgericht zu Recht erkannt hat, keinen Herausgabeanspruch im Hinblick auf die gegebenen Bürgschaften.

6.1.2.1. Zwar sind die Bürgschaftsforderungen verjährt. Nach Art. 229 § 6 I 1 EGBGB ist für die streitige Bürgschaftsforderung die dreijährige Verjährungsfrist des § 195 BGB in der seit dem 1. 1. 2002 geltenden Fassung maßgeblich, wenn – wie hier – am 1. 1. 2002 die ursprünglich geltende 30-jährige Verjährungsfrist noch nicht abgelaufen war (vgl. BGH, NJW 2010, 1284 = NZBau 2010, 426 = NZM 2010, 327). Der Lauf dieser Verjährungsfrist beginnt nach § 199 I BGB nicht vor Ende des Jahres, in dem der von der Bürgschaft gesicherte Gewährleistungsanspruch entstanden ist (BGH NJW 2013, 1228 Rn. 10, beck-online). Entstanden ist ein solcher Anspruch nach der Rechtsprechung des BGH (NJW 2013,1228), wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen des auf Geld gerichteten Gewährleistungsanspruchs vom Auftraggeber geschaffen wurden.

Dies war hier der Fall, nachdem der Beklagten zu 1) hinsichtlich der Beseitigung der Mängel am Parkett eine Frist bis zum 14.10.2005, hinsichtlich der Mängel in der Tiefgarage und an der Dachterrasse eine Frist bis zum ein 30.05.2002 gesetzt worden ist sowie die Beklagte zu 1 hinsichtlich des Rests der Mängel spätestens mit der Anlage K 31 zum 14.10.2005 in Verzug gebracht worden ist. Die Voraussetzungen für die Entstehung eines entsprechenden Anspruchs aus § 633 BGB sind damit im Jahre 2005 entstanden, sodass die ab Fälligkeit dieser Ansprüche beginnende Verjährungsfrist mit Ablauf des Jahres 2008 abgelaufen und entsprechende Ansprüche gegenüber dem Bürgen ab dem 01.01.2009 verjährt wären.

6.1.2.2. Jedoch ist das Landgericht zu Recht davon ausgegangen, dass die Parteien des Bauvertrages einen “Gleichlauf der Gewährleistungspflicht und der Rückgabepflicht der Bürgschaften” vereinbart haben.

Insoweit ist der vertraglichen Vereinbarung in § 11 Nr. 5 der Kaufverträge (vgl. Anlage K1) zu entnehmen, dass die Dauer der Bürgschaftshingabe insoweit an die Dauer der Gewährleistungsfrist der Käufer gekoppelt sein sollte, als die Dauer der Hingabe einen Monat nach Ablauf der Gewährleistungsfrist überschreiten sollte. Insoweit ist dem Landgericht recht zu geben, dass die Bürgschaftshingabe nach den vertraglichen Vereinbarungen zwar nicht wesentlich länger, aber auch nicht kürzer als die Dauer der Gewährleistungsfrist dauern sollte. Zwar können die Parteien des Bauvertrages keine Regelungen über die Verjährung von Ansprüchen im Verhältnis zwischen dem Bürgen und der Bürgschaftsempfängerin treffen. Jedoch ist es möglich, in ihrem Verhältnis zum Zeitpunkt der geschuldeten Rückgabe der Bürgschaft – unabhängig von der Frage, ob der Bürgschaftsanspruch gegenüber dem Bürgen zwischenzeitlich verjährt ist – Regelungen zu treffen. Dem steht nicht entgegen, dass die vertragliche Regelung vor dem Hintergrund einer damals geltenden 30-jährigen Verjährungsfrist für die Bürgschaftsforderung getroffen worden ist. Insoweit kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Parteien im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung im Hinblick auf die Neuregelung der Verjährungsregelung den Zeitpunkt für die Rückgabe der Bürgschaft nicht an den Ablauf der Gewährleistungsfrist gekoppelt hätten. Denn für die Klägerin als Bürgschaftsnehmerin ist auch der Besitz der Bürgschaft bei verjährter Bürgschaftsforderung jedenfalls nicht nutzlos. Zum einen ist bereits nicht zwingend, dass sich die Bürgen auf den Eintritt der Verjährung berufen würde. Insoweit sind auch Situationen denkbar, in denen dies, möglicherweise aufgrund von Absprachen zwischen dem Unternehmer und der Bürgin nicht der Fall ist, sodass die Bürgschaft nicht von vornherein ihren Sicherungszweck verloren hat. Zudem erhält die aufgrund einer solchen “Gleichlaufabrede” gestellte Bürgschaft neben dem Sicherungszweck auch eine Druckfunktion insoweit, als der Unternehmer im Hinblick auf die anfallenden Avalkosten angehalten wird, seinen Gewährleistungspflichten zeitnah nachzukommen.

6.1.3. Der erste Hilfsantrag zum Widerklageantrag auf Herausgabe der Bürgschaftsurkunden war abzuweisen, da die für die Entscheidung über den Hilfsantrag gestellte interprozessuale Bedingung nicht gegeben ist. Die Beklagte zu 1 hat den Antrag für den Fall gestellt, dass nach Auffassung des Gerichts der Anspruch aus den Bürgschaften nur teilweise verjährt sein sollte. Nach den obigen Ausführungen geht der Senat allerdings von einer verjährten Bürgschaftsforderung aus, ohne dass dies jedoch einen Einfluss auf die Herausgabepflicht der Klägerin hat.

6.1.4. Auch der weitere Hilfsantrag, festzustellen, dass bzw. inwieweit die Bürgschaftsansprüche aus den Bürgschaften verjährt sind, war abzuweisen, da er unzulässig ist. Insoweit ist der Anwendungsbereich einer Feststellungsklage bereits nicht eröffnet, da der Eintritt der Verjährung kein Rechtsverhältnis darstellt, sondern allenfalls eine Vorfrage zu einem Rechtsverhältnis sein kann. Bloße Vorfragen sind aber nicht feststellungsfähig (BGH NJW 2015, 873). Zudem soll die Verjährung einer Forderung der Klägerin gegen eine Dritte festgestellt werden. Ein Drittrechtsverhältnis kann aber nur dann Gegenstand einer Feststellungsklage sein, falls dieses zugleich für die Rechtsbeziehungen der Parteien untereinander von Bedeutung ist und die auf Feststellung Klagepartei ein Interesse an baldiger Feststellung hat. Nach den obigen Darlegungen kommt es aber für die Herausgabepflicht bezüglich der Bürgschaften nicht auf die Verjährung der Bürgschaftsforderung an.

6.2. Die Berufung der Beklagten zu 1 hat schließlich auch nicht im Hinblick auf den weiteren Widerklageantrag, festzustellen, dass die Klägerin auch alle weiteren der Beklagten künftig entstehender Avalgebühren zu erstatten hat, Erfolg. Ein solcher Anspruch besteht nicht, da die Klägerin sich mit Herausgabe der Bürgschaften nicht in Verzug befindet.

7. Die Kostenentscheidung folgt aus § § 91, 92 Abs. 2, 97 Abs. 1, 101 ZPO. Dabei war davon auszugehen, dass in 2. Instanz Parkettmängel in Höhe von 263.639,52 Euro, Mängel der Tiefgarage in Höhe von 23.267,35 sowie weitere Einzelmängel in Höhe von zusammen 4.626,00 Euro streitig waren. Die Beklagten haben insoweit die Verurteilung hinsichtlich des Parketts in Höhe von 30.000,- Euro, hinsichtlich der Tiefgarage in Höhe von 10.000,- Euro und hinsichtlich des oben unter Nr. 3.5. erörterten Mangel in Höhe von 300,- Euro nicht mit der Berufung angegriffen. Unter Berücksichtigung des jeweiligen Maßes des obsiegen und Unterliegens ergab sich die aus dem Tenor ersichtliche Kostenentscheidung für beide Instanzen.

8. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

9. Die Revision war nicht nach § 543 Abs. 2 ZPO zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat sowie weder die Fortbildung des Rechts, noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.

Verkündet am: 18.01.2022

Fertigt ein Architekt auf Veranlassung des Bauherrn vor Abschluss eines in Aussicht genommenen Vertrages eine Bauvoranfrage, so wird der Architekt ohne vertragliche Bindung akquisitorisch tätig

Fertigt ein Architekt auf Veranlassung des Bauherrn vor Abschluss eines in Aussicht genommenen Vertrages eine Bauvoranfrage, so wird der Architekt ohne vertragliche Bindung akquisitorisch tätig

von Thomas Ax

Fertigt ein Architekt auf Veranlassung des Bauherrn vor Abschluss eines in Aussicht genommenen Vertrages eine Bauvoranfrage, so ist zunächst zu prüfen, ob damit ein Auftrag erteilt oder ob der Architekt ohne vertragliche Bindung akquisitorisch tätig wird. Erst wenn ein Auftrag erteilt ist, ist zu klären, ob und in welcher Höhe eine Vergütung dafür geschuldet ist. Aus dem Tätigwerden allein kann noch nicht der Abschluss eines Vertrages hergeleitet werden; dessen Zustandekommen hat vielmehr der Architekt vorzutragen und im Bestreitensfall zu beweisen. Die Bauvoranfrage wird als isolierte Leistung nicht von der HOAI erfasst wird, sodass auch eine Vergütung außerhalb der HOAI in Betracht kommt.

Fertigt ein Architekt auf Veranlassung des Bauherrn vor Abschluss eines in Aussicht genommenen Vertrages eine Bauvoranfrage, so ist zunächst zu prüfen, ob damit ein Auftrag erteilt oder ob der Architekt ohne vertragliche Bindung akquisitorisch tätig wird. Erst wenn ein Auftrag erteilt ist, ist zu klären, ob und in welcher Höhe eine Vergütung dafür geschuldet ist. Aus dem Tätigwerden allein kann noch nicht der Abschluss eines Vertrages hergeleitet werden; dessen Zustandekommen hat vielmehr der Architekt vorzutragen und im Bestreitensfall zu beweisen. Die HOAI regelt diese Frage nicht (BGH, Urteil 05.06.1997 – VII ZR 124/96 -, BGHZ 136, 33-40, Rn. 10 – 11). Es entspricht üblichen Gepflogenheiten, dass Architekten zur Akquisition von Aufträgen Teilleistungen zunächst unentgeltlich erbringen, um anschließend den Auftrag zu erhalten. Hinsichtlich der unentgeltlichen Akquisetätigkeit kann dabei keine grundsätzliche Beschränkung auf bestimme Leistungsphasen angenommen werden, ab deren Überschreitung von einem vergütungspflichtigen Vertragsverhältnis auszugehen ist. Selbst Leistungen der Leistungsphasen 3 und 4 können grundsätzlich im Rahmen der Akquise durch den Architekten unentgeltlich erbracht werden. Die akquisitorische Tätigkeit eines Architekten ohne vertragliche Bindung begründet einen Vergütungsanspruch nicht. Die vergütungsfreie akquisitorische Phase endet grundsätzlich erst, sobald eine Vereinbarung über die Entgeltlichkeit der Leistungserbringung bzw. eine Vergütungsvereinbarung getroffen wird (OLG Frankfurt, Teilurteil vom 17.04.2018 – 5 U 32/17 -, mit weiteren Nachweisen).

Des Weiteren würde sich die Höhe einer Forderung nach der HOAI gemäß § 7 Abs. 1 HOAI in der bis zum 31.12.2020 geltenden Fassung nach der schriftlichen Vereinbarung, die die Vertragsparteien bei Auftragserteilung im Rahmen der durch diese Verordnung festgesetzten Mindest- und Höchstsätze treffen, wobei gemäß Abs. 5 unwiderleglich vermutet wird, dass die jeweiligen Mindestsätze gemäß Absatz 1 vereinbart sind sofern nicht bei Auftragserteilung etwas anderes schriftlich vereinbart worden ist. Eine solche Vereinbarung gibt es jedoch nicht, was jedoch den Vergütungsanspruch nicht ausschließt. Gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 4 HOAI richtet sich das Honorar für Grundleistungen unter anderem nach der zugehörigen Honorartafel. Im Rahmen der Honorartafel gemäß § 35 HOAI ist wiederum die Höhe der anrechenbaren Kosten in Euro für die Höhe des Honorars ausschlaggebend.

Hinzu kommt, dass die Bauvoranfrage als isolierte Leistung überhaupt nicht von der HOAI erfasst wird (BGH, Urteil vom 05.06.1997 – VII ZR 124/96 -, BGHZ 136, 33-40, Rn. 18; vergleiche auch OLG Köln, Urteil vom 07.03.2001 – 17 U 34/00 -), also nicht zwingend mit Grundleistungen verbunden ist, sodass auch eine Vergütung außerhalb der HOAI in Betracht kommt. Schon aus diesem müssen nähere Ausführungen zu den tatsächlich erbrachten Grundleistungen und dazu, warum diese beauftragt bzw. notwendig waren, gemacht werden.

Zudem darf gemäß § 8 Abs. 2 S. 1 HOAI selbst dann, wenn sich das Honorar nach der HOAI richtet, dem Auftragnehmer aber nicht alle Grundleistungen einer Leistungsphase übertragen werden, für die übertragenen Grundleistungen nur ein Honorar berechnet und vereinbart werden, das dem Anteil der übertragenen Grundleistungen an der gesamten Leistungsphase entspricht. Auch deshalb wäre von der Beklagten darzulegen gewesen, welche Grundleistungen im Rahmen der Bauvoranfrage tatsächlich beauftragt bzw. notwendig waren, da sich nur dann das Honorar korrekt ermitteln lässt.

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