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OLG Brandenburg zu der Frage des Sicherungszwecks einer Vorauszahlungsbürgschaft auf erstes Anfordern

OLG Brandenburg zu der Frage des Sicherungszwecks einer Vorauszahlungsbürgschaft auf erstes Anfordern

vorgestellt von Thomas Ax

1. Sinn und Zweck der Vorauszahlungsbürgschaft auf erstes Anfordern ist es grundsätzlich, dass der Auftraggeber als Bürgschaftsgläubiger bei einem Scheitern der Vertragsdurchführung seine bis dahin noch nicht durch berechtigte Forderungen des Auftragnehmers verbrauchte Vorauszahlung sofort zurückerhält, ohne sich auf einen Streit über die Berechtigung der bisher geltend gemachten Forderungen einlassen zu müssen. Eine Vorauszahlungsbürgschaft sichert dementsprechend den Rückzahlungsanspruch, der sich für den Auftraggeber ergibt, wenn die Leistungen des Auftragnehmers die erbrachten Vorleistungen nicht abdecken.
2. Maßstab für die Frage, ob die tatsächlich erbrachten Werkleistungen den Umfang der Vorauszahlung abdecken, ist (hier) das Volumen des gesamten Auftrags einschließlich Nachträgen.
3. Für die Frage, ob der Auftraggeber die vom Bürgen ausgezahlte Bürgschaftssumme behalten darf, kommt es zeitlich darauf an, ob dem Auftraggeber im Zeitpunkt der Auszahlung ein entsprechender Anspruch auf Rückzahlung der Vorauszahlungen zustand.
4. Mängel können Rückerstattungsansprüche wegen einer Minderung des Werts des Werks begründen (hier verneint).
OLG Brandenburg, Urteil vom 08.11.2023 – 4 U 52/23 

Gründe:

I.

Die Beklagte war Gläubigerin einer Bürgschaft auf erstes Anfordern, auf deren Grundlage sie von der Bürgin Zahlungen erlangt hat. Die Klägerin nimmt die Beklagte – aus abgetretenem Recht der Bürgin – auf Rückzahlung der an sie aufgrund der Bürgschaft geleisteten Zahlung in Anspruch.

Die Beklagte als Generalübernehmerin beauftrage die (“Firma 01”) (im Folgenden (“Firma 01”)) am 09.10.2014 unter Einbeziehung der (“Firma 02”) mit der Fertigung und Montage von insgesamt 85 Balkonbrüstungen und -geländern an mehreren Mehrfamilienhäusern in (“Ort 01”) zum vorläufigen Netto-Auftragswert von 221.000 Euro. Entsprechend der vertraglichen Zahlungsvereinbarung der Werkvertragsparteien vom 08.10.2014 legte die (“Firma 01”) eine Bürgschaft auf erstes Anfordern über 100.000 Euro “für eine Vorauszahlung bis zur Tilgung der Vorauszahlung durch Anrechnung auf fällige Zahlungen” vor; wegen der Einzelheiten der Vereinbarung vom 08.10.2014 wird auf die Anlage K 2 (Bl. 45ff der Gerichtsakte) Bezug genommen. Die Beklagte zahlte ihr daraufhin einen Vorschuss in dieser Höhe aus. Gegenüber der Bürgin hatten sich zuvor die Klägerin und die (“Firma 01”) gesamtschuldnerisch verpflichtet, für die ihr aus der Bürgschaftsübernahme entstehenden Verbindlichkeiten einzustehen.

Die (“Firma 01”) begann in der Folgezeit mit der Herstellung der Bauteile. Im Dezember 2014 stimmte sie mit der Beklagten sowie dem von der Bauherrin eingesetzten Planungsbüro die Einbauhöhen der Brüstungen ab. Im Ergebnis sollte die Oberkante des Estrichaufbaus die für sie maßgebliche Fertigfußbodenhöhe darstellen – dies auch in Ansehung eines in Einzelfällen später darüber hinausgehenden Fußbodenniveaus und daraus möglicherweise resultierender Probleme mit der Einhaltung der bauordnungsrechtlich erforderlichen Brüstungshöhe.

Am 10.03.2015 einigten sich die Parteien des Bauvertrags über die Modifizierung des Auftrags sowie die Beauftragung von Nachträgen, in deren Ergebnis das Auftragsvolumen insgesamt 244.888,40 Euro betrug.

Davon entfielen 193.615,52 Euro auf den ursprünglichen Auftrag und 53.273,08 Euro auf Nachträge. Ferner verabredeten sie die Fertigstellung der ausstehenden Restarbeiten bis ca. Mitte der 13. Kalenderwoche des Jahres 2015. Der dem Protokoll beigefügte handschriftliche Zahlungsplan legt folgende Zahlungsziele fest:

“Zahlungsstand heute 150.000 Euro 10.03.2015

weitere Abschläge: 39.000 Euro 11.03.2015

28.000 Euro 18.03.2015

SR*28.000Euro 25.03.2015

245.000 Euro

Im Anschluss Teilenthaftung Bürgschaft

* in kompl. Höhe”

Im Rahmen der Besprechung wurden zudem Absprachen zum maximal möglichen Einkürzen der Befestigungsanker für die Brüstungsgeländer getroffen.

Auf Grundlage der Zahlungsvereinbarung vom 10.03.2015 zahlte die Beklagte sodann einen Betrag von 37.830 Euro (d.h. 39.000 Euro abzgl. 3 % Skonto) auf die 3. Abschlagsrechnung sowie – nach vorangegangener Statusfeststellung – 28.000 Euro auf die 4. Abschlagsrechnung der (“Firma 01”).

Im Ergebnis der genannten Statusfeststellung übermittelte die Beklagte der (“Firma 01”) am 26.03.2015 eine Auflistung der aufgenommenen Mängel/Restarbeiten und hielt mit Schreiben vom 27.03.2015 an der – bereits unter dem 25.03.2015 erfolgten – Nachfristsetzung für die Fertigstellung der Arbeiten bis zum 28.03.2015 fest. Auf die 5. Abschlagsrechnung vom 02.04.2015 über 27.000 Euro, welche einen Leistungsstand von 244.529,01 Euro auswies, leistete die Beklagte keine Zahlungen.

Mit E-Mail vom 09.04.2015 forderte die (“Firma 01”) die Abnahme ihrer Arbeiten und schlug einen Abnahmetermin für den 14.04.2015 vor. Die Beklagte erschien zu diesem Termin nicht und teilte mit E-Mail vom gleichen Tag mit, eine ordnungsgemäße Fertigmeldung – insbesondere auch bezüglich der am 26.03.2015 feststellten Mängel – liege bislang nicht vor; nach deren Eingang werde sie der (“Firma 01”) innerhalb einer angemessenen Frist einen Abnahmetermin vorschlagen.

Unter dem 24.04.2015 teilte die Beklagte der (“Firma 01”) unter Bezugnahme auf deren “Schlussrechnung vom 02.04.2015” und Darlegung der nach ihrer Auffassung bestehenden Gegenrechte mit, weitere Zahlungen endgültig abzulehnen und einen Betrag von 250.296,87 Euro (zurück)zufordern; hinsichtlich eines Teilbetrages von 100.000 Euro werde sie die Bürgschaft in Anspruch nehmen. Zu diesem Zweck forderte sie die Bürgin mit Schreiben vom gleichen Tag zur Zahlung auf.

Nachdem die Beklagte festgestellt hatte, dass einzelne Loggiengeländer bzw. Geländerteile von der (“Firma 01”) demontiert worden waren, erteilte sie deren Mitarbeitern mit E-Mail vom 28.04.2015 ein Hausverbot und wiederholte dies mit anwaltlichem Schreiben vom 30.04.2015. Unstreitig sind insgesamt die Handläufe an den Brüstungsgeländern von 16 Loggien abgebaut worden; über die Hintergründe besteht zwischen den Parteien Streit.

Am 19.05.2015 protokollierte auch die Bauherrin den Stand der Bauarbeiten und hielt zu den von der (“Firma 01”) geschuldeten Arbeiten u.a. fest, dass eine provisorische Sicherung des Handlaufs mittels einer Holzbohle vorgenommen worden sei.

Mit Schreiben vom 29.05.2015 erklärte die Beklagte schließlich die Kündigung des Bauvertrages und führte zur Begründung aus, die der (“Firma 01”) gesetzte Nachfrist zur Vertragserfüllung sei fruchtlos verstrichen.

Die Bauherrin stellte den Leistungsstand auf der Baustelle nochmals unter dem 08.01.2016 fest und vermerkte zu den der (“Firma 01”) übertragenen Arbeiten einen Leistungsstand von 100 % sowie die Feststellung, dass die Geländerkonstruktion an insgesamt 16 Balkonen entfernt worden sei, so dass die betroffenen Loggien bislang nicht zur Nutzung freigegeben werden könnten. Zudem wurde festgestellt, dass einige Loggien die bauordnungsrechtlich erforderlichen Geländerhöhen teilweise deutlich unterschreiten.

Nach zwischenzeitlich erfolgter Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der (“Firma 01”) legte deren Insolvenzverwalter sodann am 01.02.2016 Schlussrechnung über einen Gesamtbetrag von 248.792,80 Euro, die – nach Verrechnung der Vorauszahlung wie auch der auf die Abschlagsrechnungen erbrachten Zahlungen – mit einem offenen Saldo von 32.962,80 Euro abschloss.

Parallel dazu nahm die Beklagte die Bürgin mit Schreiben vom 24.04.2015 und nachfolgend in einem mit der Bürgin geführten Rechtsstreit auf Auszahlung der Vorauszahlungsbürgschaft in Anspruch. Das Landgericht Hannover wies die entsprechende Klage der hiesigen Beklagten mit Urteil vom 12.07.2016 ab. Zur Begründung führte es aus, dass das Vorgehen aus der Bürgschaft angesichts der zwischenzeitlich erfolgten Gesamtfertigstellung und Schlussrechnungslegung offensichtlich rechtsmissbräuchlich sei. Das Oberlandesgericht Celle hat die Bürgin demgegenüber mit Urteil vom 22.02.2017 zur Zahlung verurteilt; eine Rechtsmissbräuchlichkeit sei nicht offensichtlich, da der Restwerklohn nicht unstreitig und seine Höhe ohne nähere Prüfung der Sach- und Rechtslage nicht feststellbar sei. Wegen des Charakters der Bürgschaft auf erstes Anfordern müsse die Bürgin leisten und sei auf das Rückforderungsverfahren zu verweisen. Die Bürgin zahlte daraufhin am 08.03.2017 insgesamt 107.723,03 Euro (davon 7.723,03 Euro Zinsen) an die Beklagte. Ihre ggf. bestehende Forderung auf Rückzahlung gegenüber der Beklagten trat sie am 03.08.2018 – nach einem zwischen ihr und der Klägerin geführten Rechtsstreit – an die Klägerin ab, welche die Abtretung am 16.08.2018 annahm und die Beklagte mit Schreiben vom 03.09.2018 u.a. zur Zahlung von 107.723,03 Euro aufforderte.

Auf dieser Grundlage geht die Klägerin mit ihrer am 27.11.2018 zugestellten Klage gegen die Beklagte vor.

Sie hat erstinstanzlich die Auffassung vertreten, die Beklagte habe den Bürgschaftsbetrag nebst Zinsen ohne Rechtsgrund erlangt. Da die (“Firma 01”) sämtliche Leistungen nach dem Bauvertrag im Gesamtwert von 248.792,80 Euro am 07.04.2015 vollständig und mangelfrei erbracht habe, habe sie den Vertrag erfüllt und die Beklagte keinen Anspruch auf Rückzahlung der Vorschusszahlung gehabt. Die fehlende Abnahme der Werkleistungen stehe dem nicht entgegen, da die Beklagte diese vereitelt habe. Die von der Beklagten eingewandten Mängel an den Leistungen der (“Firma 01”) bestünden nicht. So gelte hinsichtlich der von der Beklagten monierten Höhe einzelner Brüstungen, dass diese den vertraglich vereinbarten bzw. der (“Firma 01”) vorgegebenen Angaben entsprächen und damit mangelfrei seien. Soweit die Beklagte nunmehr Mängel in Bezug auf die Bolzenanker einwende, seien die geschilderten Symptome dem Gewerk Estrich/Fußboden zuzuordnen. Die Klägerin hat schließlich gemeint, ihr Rückzahlungsanspruch folge auch aus § 826 BGB, da sich die Beklagte die Besonderheiten der Bürgschaft auf erstes Anfordern in widerrechtlicher Weise zu Nutze gemacht und mit wissentlich falschen Behauptungen den Bürgschaftsfall konstruiert habe.

Die Beklagte hat demgegenüber im Wesentlichen geltend gemacht, die Vorauszahlung habe erst im Zeitpunkt der Abnahme mit dem dann fälligen und verdienten Restwerklohnanspruch der (“Firma 01”) verrechnet werden sollen. Die insoweit allein maßgeblichen Arbeiten auf den Hauptauftrag hätten das Stadium der Fertigstellung und damit der vertraglich vereinbarten Parameter für die Verrechnung der Vorauszahlungen auf den verdienten Werklohn indes zu keinem Zeitpunkt erreicht; es fehle zudem an einer Abnahme und einer prüfbaren Schlussrechnung. Leistungen seien – insbesondere im Hinblick auf die unstreitig fehlenden 16 Brüstungsgeländer – nicht in dem mit der Schlussrechnung vom 01.02.2016 ausgewiesenen

Umfang von 193.615,32 Euro, sondern allenfalls im Wert von 133.929,81 Euro erbracht worden. Dem Wert der tatsächlich erbrachten Leistungen stünden Gesamtzahlungen von 215.830,00 Euro gegenüber, woraus sich bereits eine deutliche Überzahlung ergebe. Die Nachtragspositionen im Gesamtwert von 55.177,58 Euro seien vollständig zu streichen. Teilweise sei schon nicht ersichtlich, welche Leistungen sich dahinter verbergen würden; teilweise bestreite sie die Erfüllung der abgerechneten Arbeiten mit Nichtwissen. Hilfsweise hat die Beklagte einen Schadensersatzanspruch in Höhe von 100.044,10 Euro eingewandt, der sich u.a. aus einer ihr gegenüber seitens der Bauherrin erfolgten Vergütungskürzung in Höhe von 78.500 Euro (davon 44.800,53 Euro Ersatzvornahmekosten für die ordnungsgemäße Herstellung der 16 Loggien) zusammensetze.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) Bezug genommen.

Das Landgericht hat der Klage – nach Durchführung einer Beweisaufnahme durch Einvernahme von Zeugen zum Leistungsstand am 07.04.2015 – stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klägerin könne die Rückzahlung der Bürgschaftssumme nebst Zinsen auf Grundlage von § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB verlangen. Den in der vorliegenden Konstellation einer Vorauszahlungsbürgschaft auf erstes Anfordern ihr obliegenden Beweis habe die Klägerin im Ergebnis der Beweisaufnahme sowie unter Berücksichtigung der vorgelegten Dokumente geführt, denn danach stehe zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die (“Firma 01”) am 07.04.2015 alle Leistungen aus dem Hauptauftrag vollständig erbracht habe. Seiner Überzeugungsbildung legte das Landgericht dabei neben den Leistungsstandfeststellungen der Bauherrin auch den Umstand zugrunde, dass die Beklage sich nicht dazu geäußert habe, wer wann die nach ihrem Vortrag fehlenden Leistungen der (“Firma 01”) zwischenzeitlich fertiggestellt habe. Mit der Zahlung auf die 4. Abschlagsrechnung und den handschriftlichen Korrekturen auf der 5. Abschlagsrechnung habe die Beklagte zudem konkludent den darin jeweils abgerechneten Leistungsstand anerkannt. Insbesondere aber stehe die vollständige Fertigstellung der Hauptleistung zum 07.04.2015 im Ergebnis der Aussagen der Zeugen fest. Danach seien die fehlenden 16 Brüstungsgeländer zunächst montiert und erst Ende April 2015 von der (“Firma 01”) zu Reparaturzwecken abmontiert und durch Holzhandläufe ersetzt worden, nachdem es nach dem 07.04.2015 zu Beschädigungen gekommen sei; die (“Firma 01”) habe diese Reparatur im Bemühen um ein Einlenken der Beklagten vorgenommen. Die erneute Montage der 16 Geländer sei nicht (mehr) der Fertigstellung der Bauleistung zuzuordnen. Ihre Demontage nach bereits erfolgter Fertigstellung könne allenfalls Schadensersatzansprüche gegen die (“Firma 01”) begründen, welche indes nicht vom Sicherungszweck der Vorauszahlungsbürgschaft erfasst seien. Ferner sei im Ergebnis der Beweisaufnahme nicht ersichtlich, dass die der Schlussrechnungslegung der (“Firma 01”) zugrunde gelegten Mengen und Massen fehlerhaft seien. Dahinstehen könne schließlich, ob die Balkonbrüstungen abnahmereif hergestellt gewesen seien, da die Parteien sich nach der von der Beklagten erklärten Kündigung im Zeitpunkt der Auszahlung der Bürgschaft im Abrechnungsverhältnis befunden hätten. Der hilfsweise eingewandte Schadensersatzanspruch der Beklagten sei unsubstantiiert; er stelle überdies eine unselbständige Position im Rahmen des Abrechnungsverhältnisses zwischen (“Firma 01”) und Beklagter dar und sei nicht als Hilfsaufrechnung zu werten. Ein Anspruch der Klägerin aus § 826 BGB bestehe demgegenüber nicht, da die seitens der Beklagten vorgenommene Bewertung der Leistungen der (“Firma 01”) jedenfalls möglich gewesen sei und deshalb keine Schädigungsabsicht nahelege.

Gegen das am 28.02.2023 verkündete Urteil haben beide Parteien Berufung eingelegt.

Die Beklagte rügt mit ihrer Berufung die Verletzung materiellen Rechts wie auch ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör. So sei zunächst die Annahme des Landgerichts unzutreffend, dass die Verrechnung der geleisteten Zahlungen und damit die Enthaftung der Bürgschaft bereits mit der Gesamtfertigstellung habe erfolgen sollen, denn zusätzliche Voraussetzung sei auch die Schlussrechnungslegung gewesen. Fehlerhaft habe das Landgericht ferner auf eine Fertigstellung am 07.04.2015 abgestellt, da es frühestens auf den Zeitpunkt der Geltendmachung der Bürgschaft am 24.04.2015 ankommen könne; maßgeblich sei vor dem Hintergrund des Sicherungszwecks aber tatsächlich der Zeitpunkt der Kündigung des Vertrages am 29.05.2015, der das Scheitern der Vertragsdurchführung dokumentiere und zu welchem noch ein Anspruch auf Erfüllung im Hinblick auf die 16 Handläufe bestanden habe. Darüber hinaus sei der Beweis für eine mangelfreie Fertigstellung am 07.04.2015 von der Klägerin nicht geführt worden. Die Auffassung des Landgerichts, mit der Zahlung der Abschlagsrechnungen gehe ein Anerkenntnis hinsichtlich des erbrachten Leistungsstandes einher, lasse den vorläufigen Charakter entsprechender Zahlungen außer Acht. Rechtsfehlerhaft sei ferner die Feststellung, wonach der Beklagten keine Rückzahlungsansprüche in Höhe von 81.900,18 Euro wegen der nur teilweise erbrachten Leistungen zugestanden hätten. Die Angaben des Zeugen (“Name 01”) zu den erbrachten Massen seien unglaubwürdig, der Vortrag der Beklagten zu den Abzügen nicht ausreichend gewürdigt worden. Soweit es das Bestehen von Mängeln in Bezug auf Brüstungshöhe und Halterungsbolzen dahinstehen lasse, verkenne das Landgericht, dass am 07.04.2015 insoweit noch Erfüllungs- und nicht Mängelbeseitigungsansprüche bestanden hätten. Soweit das Landgericht schließlich Schadensersatzansprüche der Beklagten in Höhe von 100.044,10 Euro verneine, habe es die Darlegungslast überspannt und es im Übrigen an einem Hinweis zur Notwendigkeit weiteren Vortrags fehlen lassen.

Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Sie verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung insoweit und erklärt nochmals, die (“Firma 01”) sei zur Verrechnung der Vorauszahlung bereits mit Erbringung aller Bauleistungen am 07.04.2015 berechtigt gewesen.

Die Klägerin trägt zur Begründung ihrer Berufung vor, sie sei durch die Feststellung des Landgerichts beschwert, dass ein Anspruch aus § 826 BGB nicht bestehe, denn diese könnte einer Verurteilung der Beklagten im Parallelrechtsstreit über den Ersatz der durch die Bürgschaftsinanspruchnahme entstandenen Schäden (4 U 96/22) entgegen stehen. In Ansehung der Feststellungen zum tatsächlich erbrachten Leistungsstand der (“Firma 01”) sei es zudem ausgeschlossen, das Vorgehen der Beklagten nicht als vorsätzliche sittenwidrige Schädigung einzuordnen. Die Beklagte habe einen Prozessbetrug zu Lasten der Klägerin begangen, indem sie wider besseren Wissens absichtlich vorgetragen habe, die (“Firma 01”) habe ihre Bauleistungen nicht vollständig erbracht, um sich auf diese Weise die Bürgenleistung zu verschaffen.

Die Klägerin beantragt,

1. das Urteil des Landgerichts Potsdam, 13 O 298/18, abzuändern, soweit darin festgestellt wird, dass sich der Anspruch der Klägerin nicht aus § 826 BGB ergebe und

2. festzustellen, dass sich der mit dem Tenor des Urteils unter Ziffer 1. festgestellte Anspruch der Klägerin auch wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung gemäß § 826 BGB und § 823 BGB i.V.m. § 263 StGB ergibt.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Sie verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung, soweit ein deliktischer Anspruch der Klägerin darin abgelehnt wird.

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg, während dem Rechtsmittel der Klägerin der Erfolg versagt bleibt.

A.

Die Berufung der Beklagten ist erfolgreich, allerdings nur soweit sie sich gegen die Verurteilung zur Rückzahlung eines über 100.000 Euro hinausgehenden Betrages wendet.

Der Klägerin steht ein Anspruch aus abgetretenem Recht auf Rückzahlung des aufgrund der Vorauszahlungsbürgschaft auf erstes Anfordern am 08.03.2017 von der Bürgin an die Beklagte gezahlten Betrages auf Grundlage von §§ 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alt, 398 BGB allein in dieser Höhe zu.

I. Die Beklagte hat durch die Zahlung der Bürgin auf die Vorauszahlungsbürgschaft auf erstes Anfordern einen Betrag in Höhe von insgesamt 107.723,03 Euro erlangt, der sich aus der Bürgschaftssumme von 100.000 Euro und aus dem der Beklagten mit Urteil des Oberlandesgerichts Celle vom 22.02.2017 zugesprochenen Verzugszinsen seit dem 28.04.2015 zusammensetzt.

II. Diese Leistung der Bürgin ist in Höhe von 100.000 Euro ohne rechtlichen Grund im Sinne von § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alt BGB erfolgt, denn insoweit liegt kein (Rechts-)Grund vor, aufgrund dessen die Beklagte den an sie ausgezahlten Betrag behalten darf (zum Behaltendürfen als maßgeblicher Bedeutung des Tatbestandsmerkmals “ohne rechtlichen Grund”: MüKoBGB/Schwab, 8. Aufl. 2020, BGB § 812 Rn. 417; Martinek/Heine in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, PK-BGB, 10. Aufl., § 812 BGB (Stand: 01.02.2023), Rn. 32). Ein allein als rechtliche Grundlage für ein Behaltendürfen der Zahlung in Betracht kommender Anspruch der Beklagten auf Inanspruchnahme der Vorauszahlungsbürgschaft bestand im Zeitpunkt der Auszahlung der Bürgschaftssumme am 08.03.2017 nicht.

Im Einzelnen:

1. Ausgangspunkt für die Beurteilung, ob die Beklagte einen Anspruch auf Inanspruchnahme der Bürgschaft hatte, bilden die insoweit getroffenen Vereinbarungen der Parteien des Bauvertrages.

a) Sinn und Zweck der Vorauszahlungsbürgschaft auf erstes Anfordern ist es grundsätzlich und so auch hier, dass die Gläubigerin bei einem Scheitern der Vertragsdurchführung ihre bis dahin noch nicht durch berechtigte Forderungen der Auftragnehmerin verbrauchte Vorauszahlung sofort zurückerhält, ohne sich auf einen Streit über die Berechtigung der bisher geltend gemachten Forderungen einlassen zu müssen (BGH, Urteil vom 21.04.1988 – IX ZR 113/87 -, Rn. 17). Eine Vorauszahlungsbürgschaft sichert dementsprechend den Rückzahlungsanspruch, der sich für den Auftraggeber ergibt, wenn die Leistungen des Auftragnehmers die erbrachten Vorleistungen nicht abdecken (BGH, Urteil vom 06.05.1999 – IX ZR 430/97 -, Rn. 7; Urteil des Senats vom 16.12.2009 – 4 U 44/09 -, Rn. 21).

Verbürgte Hauptschuld ist danach ein etwaiger Anspruch der Beklagten gegen die (“Firma 01”) auf Rückgewähr der im Oktober 2014 geleisteten Vorauszahlung in Höhe von 100.000 Euro.

b) Eine Vereinbarung, wonach nur bestimmte der von der (“Firma 01”) im Rahmen der Fertigung und Montage von insgesamt 85 Balkonbrüstungen und -geländern an mehreren Mehrfamilienhäusern in (“Ort 01”) zu erbringenden Bauleistungen mit der Vorauszahlung vergütet werden sollten, haben die Parteien nicht getroffen.

aa) Sie haben vielmehr bestimmt, dass die Vorauszahlung erst bei der abschließenden Abrechnung der Bauarbeiten zu verrechnen war. Dies gilt sowohl für die ursprüngliche Zahlungsvereinbarung vom 08.10.2014, wonach die 1. und 2. Abschlagsrate die Vorauszahlung jeweils unberührt lassen sollte, als auch für die – nach der Zahlung der 1. Abschlagsrate getroffene – Zahlungsvereinbarung vom 10.03.2015, wonach eine “Teilenthaftung der Bürgschaft'” erst im Anschluss an die dort vereinbarten Abschlagszahlungen und die auf die Schlussrechnungslegung zu zahlende Schlussrate erfolgen sollte. Die Bürgschaft erstreckt sich damit nicht unmittelbar auf die geleistete Vorauszahlung, sondern erfasst bei Vorliegen eines negativen Schlussrechnungssaldos nur den hieraus noch besicherten Anteil aus geleisteten Vorauszahlungen.

Soweit die Klägerin mit nachgelassenem Schriftsatz vom 13.10.2023 behauptet, weder im Zuge der Verhandlungen des Bauvertrages noch mittels der Vereinbarung vom 10.03.2015 sei vereinbart worden, dass die (“Firma 01”) zu einer Verrechnung der Bürgschaftssumme erst mit der Schlussrechnungslegung berechtigt gewesen sei, steht diese Behauptung bereits im deutlichen Widerspruch zum dargelegten Wortlaut der schriftlichen Zahlungsvereinbarungen vom 08.10.2014 und 10.03.2015, ohne diesen aufzuklären, und ist deshalb unerheblich. Die klägerischen Ausführungen verkennen überdies, dass die unstreitig erfolgte Berücksichtigung der Vorauszahlung als numerische Größe im Rahmen der Rechnungslegung zu den Abschlagsforderungen – namentlich um das Verhältnis der bei der (“Firma 01”) bereits eingegangenen Zahlungen zu den von ihr erbrachten Leistungen zu ermitteln und den daraus resultierenden Rechnungssaldo abzubilden – keine Auswirkung auf die davon getrennt zu betrachtende rechtliche Frage hat, zu welchem Zeitpunkt die Verrechnung auch ein Erlöschen des Anspruchs der Beklagten auf Rückzahlung der Vorauszahlung zur Folge habe sollte. Dass der Rückzahlungsanspruch bereits im Zeitpunkt der Fertigstellung des Werks untergehen sollte und sein Schicksal damit weder von einer Abnahme der Werkleistung noch von der Fertigung einer Schlussrechnung abhängig sein sollte, ist den genannten Vereinbarungen – wie dargelegt – gerade nicht zu entnehmen.

Einer weiteren Sachverhaltsaufklärung zu den von der Klägerin behaupteten Verrechnungsabreden bedarf es im Übrigen auch deshalb nicht, weil der Erfolg ihrer Rückforderungsklage aus den nachfolgend dargelegten Gründen nicht davon abhängt, ob der Rückzahlungsanspruch der Beklagten bereits am 07.04.2015 oder erst zu einem späteren Zeitpunkt vor Auszahlung der Bürgschaftssumme durch die Bürgin erloschen ist.

bb) Maßstab für die Frage, ob die tatsächlich erbrachten Werkleistungen den Umfang der Vorauszahlung abdecken, ist nach den Vereinbarungen der Parteien des Bauvertrages zudem das Volumen des gesamten der (“Firma 01”) erteilten Auftrages mit einem Leistungsumfang von zuletzt rund 245.000 Euro.

Soweit das Landgericht demgegenüber davon ausgeht, der “Verbrauch” der Vorauszahlung sei allein anhand der auf den ursprünglichen Auftrag entfallenden Leistungen zu ermitteln, welche infolge der Vereinbarung der Bauvertragsparteien vom 10.03.2015 lediglich noch zu einem Wert von 193.615,32 Euro geschuldet waren, hat es außer Acht gelassen, dass die nach dem ursprünglichen Auftrag und den Nachträgen geschuldeten Leistungen jeweils gleichermaßen der einheitlichen Fertigstellung des Bauvorhabens “Fertigung und Montage von 85 Balkonbrüstungen und -geländern” dienten und die Nachträge deshalb für den von der (“Firma 01”) insgesamt geschuldeten Erfolg nicht hinweg gedacht werden können. Es handelte sich gerade nicht um Nachträge, welche einer getrennten Leistungsfeststellung und -abrechnung zugänglich gewesen wären.

Dafür spricht nicht zuletzt der von den Bauvertragsparteien am 10.03.2015 zusammen mit der verbindlichen Vereinbarung der Nachträge verabredete Zahlungsplan für die insgesamt anfallende Vergütung, wonach eine Enthaftung der Vorauszahlungsbürgschaft nicht vor Erbringen der gesamten zur Herstellung der Balkonbrüstungen und -geländer erforderlichen Leistungen in Höhe von rund 245.000 Euro erfolgen sollte.

2. Daran gemessen bestand ein Anspruch der Beklagten auf Rückzahlung der von ihr geleisteten Vorauszahlung bei Auszahlung der Bürgschaftssumme durch die Bürgin am 08.03.2017 nicht, denn der (“Firma 01”) stand aufgrund der von ihr erbrachten Leistungen ein zu diesem Zeitpunkt fälliger Werklohnanspruch zu, der die Summe der von der Beklagten geleisteten Abschlags- und Vorauszahlungen überstieg.

a) Dabei ist zunächst festzustellen, dass für die Frage des Behaltendürfens auf Grundlage von § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alt BGB in zeitlicher Hinsicht allein maßgeblich ist, ob die Beklagte am 08.03.2017 einen Anspruch auf Rückzahlung der Vorauszahlungen hatte, d.h. in dem Zeitpunkt, in dem ihr die Zahlung der Bürgin tatsächlich zugeflossen ist.

Dahinstehen kann mithin, ob die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Vorauszahlungsbürgschaft zu einem davor liegenden Zeitpunkt vorlagen. Es bedarf deshalb insbesondere keiner Entscheidung, ob die Beklagte in Ansehung der von den Parteien des Bauvertrags am 09.10.2014 und 10.03.2015 getroffenen Verrechnungsabreden bei erstmaliger Aufforderung zur Auszahlung der Bürgschaft gegenüber der Bürgin am 24.04.2015 schon deshalb einen auf die Vorauszahlung gerichteten Rückzahlungsanspruch gehabt haben könnte, weil zu diesem Zeitpunkt die erst am 01.02.2016 erstellte Schlussrechnung der (“Firma 01”) als formale Voraussetzung für eine Verrechnung der Vorauszahlung mit dem Werklohnanspruch noch nicht vorlag.

b) Der (“Firma 01”) stand am 08.03.2017 ein Werklohnanspruch in einer Höhe zu, welche die Summe der von der Beklagten bis dahin geleisteten Zahlungen von 215.830 Euro (115.830 Euro als Abschlagszahlungen und 100.000 Euro als Vorauszahlung) auch dann überstieg, wenn man den Umstand anspruchsmindernd berücksichtigt, dass an 16 der insgesamt 85 Loggien die Brüstungsgeländer sowie an einer dieser Loggien zusätzlich der – die Glasplatten in der Metallkonstruktion haltende – untere Metallgurt nicht (mehr) montiert waren.

aa) Die in der Schlussrechnung vom 01.02.2016 benannte Gesamtvergütung für ihre Arbeiten in Höhe von 248.792,80 Euro und damit den unter Berücksichtigung der geleisteten Abschlags- und Vorauszahlungen noch offenen Saldo von 32.962,80 Euro konnte die (“Firma 01”) in Ansehung der nicht vollständig erbrachten Leistung dann zwar nicht in voller Höhe beanspruchen. Der für die 16 fehlenden Brüstungsgeländer sowie den fehlenden unteren Metallgurt vorzunehmende Abzug hat indes offensichtlich nicht zur Folge, dass der Vergütungsanspruch unter den Betrag der beklagtenseits (einschließlich der Vorauszahlung) bereits zuvor geleisteten Zahlungen von 215.830 Euro sinkt.

(1) So sind – anders als die Beklagte meint – bei der Ermittlung der der (“Firma 01”) zustehenden Vergütung für erbrachte Leistungen die 16 betroffenen Loggien nicht insgesamt unberücksichtigt zu lassen und damit lediglich eine Vergütung für 69 Loggien anzusetzen, denn von dem Gesamtvorhaben mit einem Volumen von 245.000 Euro für insgesamt 85 Balkonbrüstungskonstruktionen nebst Verglasung sind allein 16 Handläufe als oberer Abschluss der betroffenen Konstruktionen und ein unterer Metallgurt nicht montiert wurden. Diese erreichen erkennbar weder in ihrem Materialwert noch hinsichtlich des Wertes der damit verbundenen Montageleistungen einen Umfang, der dem Anteil der Herstellung von 16 kompletten Balkonkonstruktionen an der geschuldeten Gesamtleistung entspricht.

Nichts anderes folgt aus dem Umstand, dass die Bauherrin die betroffenen 16 Loggien in ihrer Leistungsstandfeststellung vom 08.01.2016 als nicht nutzbar eingestuft hatte. Diese Einschätzung stellt lediglich eine weder durch rechtliche Regelungen noch durch bautechnische Expertise unterlegte Bewertung der Bauherrin selbst dar, die zudem unberücksichtigt lässt, dass als provisorische Handläufe Holzbohlen montiert wurden, die ein Abstürzen der Glasfüllelemente ebenso verhindern wie eine Verletzung der Nutzer der Loggien.

(2) Als Anhaltspunkt für den auf die nicht erbrachten Leistungen der (“Firma 01”) entfallenden Anteil an der Gesamtvergütung kann ferner nicht der Betrag von 44.500,83 Euro dienen, der ausweislich eines von der Beklagten vorgelegten Angebots die Kosten der Ersatzvornahme betrifft.

Unabhängig von der Frage, ob die Kosten einer Ersatzvornahme überhaupt geeignet sein können, den Wertanteil einer nicht erbrachten Leistung an der Vergütung des ursprünglich beauftragten Werkunternehmers zu bemessen, scheidet eine solche Bemessung jedenfalls hier aus. Das vorgelegte Angebot (vgl. Anlage B 15, Bl. 411 der Akte) umfasst nämlich nicht lediglich die im Rahmen der eigentlichen Erfüllung des Auftrags anfallenden Kosten, sondern beinhaltet auch kostenintensive darüber hinausgehende Arbeiten (bspw. das Auftrennen der Holmrahmen, das Einschweißen von Neuteilen etc.).

Diese Ersatzvornahmeleistungen summieren sich infolgedessen in ihrem Wert auf einen Anteil von 18 % der von der (“Firma 01”) geforderten Gesamtvergütung und gehen damit erkennbar über den Anteil der nicht erbrachten Leistungen an der vereinbarten Vergütung hinaus.

(3) Ob der auf die nicht erbrachten Leistungen entfallende Vergütungsanteil demgegenüber lediglich mit den vom Zeugen (“Name 01”) im Rahmen seiner Vernehmung vor dem Landgericht unter Bezugnahme auf die Urkalkulation errechneten 5.081,00 Euro anzusetzen ist, kann letztlich offen bleiben. Denn es unterliegt keinem Zweifel, dass der Wert der noch nicht erbrachten Leistungen den Betrag von 32.962,80 Euro – d.h. den noch offenen Schlussrechnungssaldo der (“Firma 01”), welcher rund 13 % des Gesamtwerts der Leistungen umfasst – nicht erreicht und damit im Umkehrschluss am 08.03.2017 ein über die seitens der Beklagten bereits erbrachten Abschlags- und Vorauszahlungen von insgesamt 215.830 Euro hinausgehender Werklohnanspruch der (“Firma 01”) für die tatsächlich erbrachten Leistungen bestand, der einem Rückzahlungsanspruch der Beklagten hinsichtlich der Vorauszahlung entgegen stand.

Die von der Beklagten mit ihren Berechnungen vorgenommene weitergehende Kürzung von Vergütungspositionen, insbesondere hinsichtlich der Mengen und Massen, vermögen an dieser Einschätzung nichts zu ändern. Zum einen sind die von der Beklagten angesetzten Mengen und Massen weder rechnerisch noch in Anbetracht des Umstandes nachvollziehbar, dass sowohl ihre eigene Leistungsstandfeststellung vom 28.04.2015 als auch die Leistungsstandfeststellungen der Bauherrin vom 19.05.2015, vom 19.11.2015 und vom 08.01.2016 lediglich das Fehlen der 16 Brüstungsgeländer und eines Metallgurtes zum Ergebnis hatten. Die Kürzung einzelner Schlussrechnungsposition um rund 30 % kann mithin bereits dann nicht überzeugen, wenn das Fehlen der gesamten Geländerkonstruktion in Rede stünde, und deshalb erst recht nicht nachvollzogen werden, wenn wie hier nur jeweils ein Teil von 16 Geländerkonstruktionen fehlt. Zum anderen lassen die Berechnungen der Beklagten jegliche Auseinandersetzung mit der der Schlussrechnung vom 01.02.2016 anliegenden Tabelle und den dortigen Maßangaben vermissen, welche wiederum mit den von der (“Firma 01”) gefertigten und der Beklagten ausgehändigten Revisionsplänen in Übereinstimmung stehen.

(4) Nichts anderes folgt aus dem Umstand, dass die Beklagte auch die Erbringung weiterer Leistungen – insbesondere der am 10.03.2015 beauftragten Nachträge sowie einzelner Leistungspositionen aus dem ursprünglichen Auftrag – in Abrede gestellt hat, denn ihr entsprechendes Vorbringen ist angesichts der von den Parteien des Bauvertrags getroffenen Abreden und der mit der Schlussrechnung vorgelegten Unterlagen der (“Firma 01”) unerheblich.

So haben die Parteien des Bauvertrages ausweislich der am 10.03.2015 getroffenen Vereinbarung umfangreiche Absprachen sowohl zum Inhalt der zu diesem Zeitpunkt größtenteils bereits erbrachten und damit zweifelsohne auch erforderlichen Nachtragsleistungen als auch zu den auf die Einzelleistungen jeweils entfallenden Vergütungsanteile getroffen; diese finden sich in der Schlussrechnung der (“Firma 01”) in der vereinbarten Höhe wieder.

Dass die Nachträge oder auch einzelne Leistungen des ursprünglichen Auftrages tatsächlich nicht erbracht worden seien, hat die Beklagte schon nicht substantiiert dargelegt, nachdem sämtliche der vorgenannten Leistungsfeststellungen der Bauherrin wie auch der Beklagten selbst lediglich das Fehlen der 16 Brüstungsgeländer und eines Metallgurtes zum Ergebnis hatten.

bb) Der Annahme eines über 215.830 Euro hinausgehenden Vergütungsanspruchs der (“Firma 01”) stehen schließlich keine Mängel an den von ihr erbrachten Leistungen entgegen, welche Rückerstattungsansprüche wegen einer Minderung des Wertes des Werks der (“Firma 01”) begründen könnten (vgl. hierzu OLG Stuttgart, Urteil vom 19.09.2017 – 10 U 48/15 -, Rn. 246).

(1) Soweit die Beklagte unter Inbezugnahme der Leistungsstandfeststellung vom 08.01.2016 beanstandet, dass die Höhe einzelner Balkonbrüstungen den bauordnungsrechtlichen Vorschriften nicht genügt, vermag dieser Umstand keine Mangelhaftigkeit der Leistungen der (“Firma 01”) zu begründen, nachdem diese die Montage der Balkonbrüstungen den Vereinbarungen mit der Beklagten entsprechend ausgeführt hatte. So hatte die Beklagte der (“Firma 01”) im Ergebnis eines Austauschs zu der bereits Ende des Jahres 2014 diskutierten Frage, wie der möglichen Unterschreitung der bauordnungsrechtlich zulässigen Brüstungshöhen zu begegnen sei, mit E-Mail vom 22.12.2014 mitgeteilt, dass die Ausführung der Balkonbrüstungen gemäß der (ursprünglichen) Planung alternativlos sei, da Änderungen in der höhenmäßigen Ausrichtung einzelner Brüstungen die Ansicht auf die Fassade zerstören würde. Die Beklagte hatte weiter mitgeteilt, dass Anpassungen zur Sicherstellung der ordnungsgemäßen Brüstungshöhe vielmehr im Bereich des Fußbodenaufbaus vorzunehmen seien und/oder die Möglichkeiten der Baurechtsauslegung ausgeschöpft werden müssten.

(2) Ferner stellt die von der Beklagten monierte Durchdringung der Regenwasserablaufrinnen durch die Befestigungsanker für die Balkonbrüstungen keinen Mangel der Leistungen der (“Firma 01”) dar. Vielmehr ist diese Problematik ausweislich des Ergebnisprotokolls der Besprechung vom 10.03.2015 dahingehend geklärt worden, dass die (“Firma 01”) mitteilt, bis zu welcher Höhe die Gewindeanker ohne Probleme für die damit befestigten Balkonbrüstungen eingekürzt werden können. Anhaltspunkte dafür, dass die Gewindeanker weiter hätten eingekürzt werden können oder müssen, als von der (“Firma 01”) vorgegeben und in der Folgezeit – von ihr selbst oder einem Dritten – ausgeführt, sind weder dargetan noch sonst ersichtlich. Die sich im Bereich der Ablaufrinnen zeigenden Probleme beruhen damit jedenfalls nicht auf einer mangelhaften Leistung der (“Firma 01”).

cc) Angesichts des danach jedenfalls über den Betrag von 215.830 Euro hinausgehenden Vergütungsanspruchs der (“Firma 01”) kann mithin dahinstehen, ob die (“Firma 01”) am 08.03.2017 auch für die 16 Brüstungsgeländer eine Vergütung beanspruchen konnte.

Die insoweit maßgeblichen Fragen, ob die Leistungen der (“Firma 01”) bereits am 07.04.2015 fertiggestellt waren und im Zeitpunkt der Demontage der 16 Brüstungsgeländer am 24.04.2015 die Vergütungsgefahr gemäß § 644 Abs. 1 Satz 1 BGB bereits auf die Beklagte zu 1 übergegangen war, weil entweder eine Abnahmefiktion – etwa gemäß § 640 Abs. 1 Satz 3 BGB a.F. – greift, die Beklagte zu 1 sich angesichts des mit E-Mail der (“Firma 01”) vom 09.04.2015 geäußerten Abnahmeverlangens am 24.04.2015 mit der Abnahme der Leistungen im Verzug befand (§ 644 Abs. 1 Satz 2 BGB i.V.m. § 12 Abs. 1 VOB/B) oder sich jedenfalls nach den Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht auf den fehlenden Gefahrübergang berufen darf, bedürfen deshalb keiner Entscheidung.

c) Der Vergütungsanspruch der (“Firma 01”) war am 08.03.2017 schließlich auch fällig.

aa) Einer Abnahme als Fälligkeitsvoraussetzung bedurfte es nicht, da spätestens mit der – noch nach der Kündigung des Bauvertrags durch die Beklagte – erfolgten Schlussrechnungslegung durch den Insolvenzverwalter der (“Firma 01”) endgültig feststand, dass in dem in Rede stehende Werkvertragsverhältnis keine Leistungen der (“Firma 01”) mehr erbracht werden sollten, sondern dieses lediglich noch abgerechnet werden sollte und damit ein sog. Abrechnungsverhältnis entstanden war.

bb) Die Schlussrechnung vom 01.02.2016 war – anders als die Beklagte meint – in Ansehung der ihr zum Beleg der abgerechneten Mengen und Massen beigefügten tabellarischen Übersicht über die ausgeführten Balkone einerseits und der der Beklagten bereits vor Baubeginn übersandten Revisionsplanung mit detaillierten Maßangaben zu den verschiedenen Balkontypen andererseits auch prüffähig.

d) Schließlich bedarf auch die Frage keiner Entscheidung, ob der Beklagten Gegenrechte in Gestalt von Schadensersatzansprüchen zustanden, da solche – wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat – nicht vom Sicherungszweck der Vorauszahlungsbürgschaft erfasst sind und deshalb deren Inanspruchnahme nicht zu rechtfertigen vermögen.

III. Soweit die Bürgin der Beklagten am 08.03.2017 neben dem Bürgschaftsbetrag auch Zinsen in Höhe weiterer 7.723,03 Euro ausgezahlt hat, ist die Leistung dagegen mit rechtlichem Grund im Sinne von § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alt BGB erfolgt.

Der Beklagten stand einen Anspruch auf Zahlung der Prozesszinsen in dieser Höhe aus § 291 BGB gegenüber der Bürgin zu, nachdem diese die von ihr nach dem rechtskräftigen Urteil des Oberlandesgerichts Celle geschuldete Zahlung aus der Bürgschaft auf erstes Anfordern in Höhe von 100.000 Euro nicht unmittelbar nach der entsprechenden Aufforderung der Beklagten, sondern erst nach Durchführung des gerichtlichen Verfahrens geleistet hat.

Aus § 819 Abs. 1 BGB folgt entgegen der mit nachgelassenem Schriftsatz vom 13.10.2023 dargelegten Auffassung der Klägerin nicht anderes, da die von dieser Regelung vorgesehene verschärfte Haftung nur im Fall des rechtsgrundlosen Empfangs einer Leistung zur Anwendung kommt.

IV. Der Zinsanspruch der Klägerin hinsichtlich der 100.000 Euro beruht auf § 291 BGB, da es an einer vorgerichtlichen Inverzugsetzung der Beklagten nach erstmaliger Geltendmachung des Rückforderungsbetrages mit Schreiben vom 03.09.2018 fehlte.

Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte den Mangel des rechtlichen Grundes bereits bei Empfang des Geldes am 08.03.2017 positiv kannte und deshalb die Voraussetzungen des § 819 Abs. 1 BGB vorliegen, hat die Klägerin nicht dargetan (siehe dazu auch nachfolgend unter B.).

B.

Das Rechtsmittel der Klägerin bleibt ohne Erfolg.

I. Das als Berufung bezeichnete Rechtsmittel der Klägerin ist nur insoweit statthaft, als mit ihm erkennbar zugleich die Erklärung verbunden ist, zumindest eine Anschlussberufung einlegen zu wollen.

1. Das eigenständige Rechtsmittel der Berufung ist nicht statthaft, da es der Klägerin an der notwendigen Beschwer fehlt, nachdem das Landgericht ihrem Klageantrag vollumfänglich stattgegeben und die Beklagte zur Zahlung von 107.723,03 Euro verurteilt hat.

Für die Bestimmung der Beschwer ist nämlich regelmäßig und so auch hier allein darauf abzustellen, ob die angegriffene Entscheidung zum Nachteil des Rechtsmittelführers von den von ihm gestellten Anträgen abweicht (BGH, Urteil vom 20.07.1999 – X ZR 175/98 -, Rn. 9). Dies ist erkennbar nicht der Fall.

Der Umstand, dass das Landgericht hier nur einen Anspruch der Klägerin aus § 812 BGB und nicht auch einen solchen aus § 826 BGB bejaht hat, vermag demgegenüber keine Beschwer zu begründen. Eine solche kann nämlich nicht allein daraus abgeleitet werden, dass die Entscheidung unerwünschte oder fehlerhafte Ausführungen enthält, sich als greifbar gesetzwidrig darstellt oder mit einer anderen als der gewünschten Begründung ergeht (BeckOK ZPO/Wulf, 49. Ed. 1.7.2023, ZPO § 511 Rn. 12).

Eine Beschwer ist schließlich auch nicht wegen eines vermeintlichen Präjudizes für das von der Klägerin betriebene Parallelverfahren 4 U 96/22 ersichtlich, da in jenem – wegen der im vorliegenden Verfahren streitgegenständlichen Forderung von 107.723,03 Euro nur gegen die Geschäftsführerin der Beklagten und den bei ihr angestellten Bauleiter gerichteten – Verfahren das Bestehen der dort jeweils geltend gemachten Ansprüche allein aufgrund des dort vorgetragenen Lebenssachverhalts geprüft wird.

2. Das Rechtsmittel der Klägerin ist indes als Anschlussberufung nach § 524 Abs. 1 ZPO statthaft, da diese keine eigene Beschwer voraussetzt (Musielak/Voit/Ball, 20. Aufl. 2023, ZPO § 524 Rn. 10). Die Anschlussberufung ist zudem innerhalb der für den Beklagten laufenden Berufungsfrist und damit zugleich innerhalb der von § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO bestimmten Frist eingegangen. Es ist der Klägerin im Rahmen der Anschlussberufung ferner möglich, ihre erstmals mit der Berufung gestellten Feststellungsanträge geltend zu machen (vgl. BGH, Urteil vom 07.12.2007 – V ZR 210/06 -, Rn. 13 m.w.N.).

3. Die mit der Anschlussberufung verbundene Erweiterung der klägerischen Anträge um den Antrag, festzustellen, dass sich der vom Landgericht Potsdam festgestellte (Rückzahlungs-)Anspruch auch aus einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung gemäß § 826 BGB sowie aus § 823 BGB i.V.m. § 263 StGB ergibt, und die damit einhergehende Klageänderung ist zulässig, da der behauptete Anspruch aus unerlaubter Handlung auf dieselben Tatsachen gestützt wird, wie der Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung, § 533 Nr. 2 ZPO.

4. Auch der Feststellungsantrag selbst begegnet keinen Bedenken.

Die Antragstellung der Klägerin ist – ungeachtet der Aufgliederung in zwei Ziffern – einheitlich dahin auszulegen, dass die Klägerin die Feststellung begehrt, dass ihre Forderung gegen die Beklagte aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung resultiert.

Bei der begehrten Feststellung handelt es sich um ein Rechtsverhältnis im Sinne des § 256 ZPO (BGH, Urteil vom 21.12.2021 – VI ZR 457/20 -, Rn. 8 m.w.N.).

Das Feststellungsinteresse der Klägerin folgt aus dem in § 393 BGB normierten Verbot, gegen eine Forderung aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung aufzurechnen, und ihrem berechtigten Interesse, diesen Forderungsgrund ergänzend bereits im Erkenntnisverfahren feststellen zu lassen. § 393 BGB gilt zudem – anders als § 302 InsO – auch für eine juristische Person, die für die vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung eines verfassungsmäßig berufenen, in Ausführung der ihm zustehenden Verrichtungen tätig werdenden Vertreters nach § 31 BGB haftet (BGH, Urteil vom 21.12.2021, aaO, Rn. 10 m.w.N.).

II. Die Anschlussberufung ist indes unbegründet. Die Klägerin hat weder einen Anspruch wegen einer sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung nach § 826 BGB gegen die Beklagte, die sich entsprechende Handlungen ihrer Geschäftsführerin nach § 31 BGB zurechnen lassen muss (dazu unter 1.), noch einen Anspruch nach § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. § 263 StGB (dazu unter 2.) und damit auch keinen Anspruch auf die Feststellung, ihr unter A. dargelegter Zahlungsanspruch beruhe (auch) auf einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung.

1. Gemäß § 826 BGB ist derjenige, der in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, diesem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet.

a) Das hier in Rede stehende Erschleichen wie auch der Missbrauch eines rechtskräftigen Titels stellen eine wichtige Fallgruppe der sittenwidrigen Schädigung dar und vermögen – in besonders schwerwiegenden, eng begrenzten Ausnahmefällen – einen Anspruch auf Schadensersatz zu begründen, namentlich dann, wenn (1.) der in Rede stehende Titel (objektiv) unrichtig ist, (2.) der Titelgläubiger dies weiß und (3.) besondere, verwerfliche Umstände hinzutreten (BeckOGK/Spindler, 1.5.2023, BGB § 826 Rn. 145). Letztere liegen etwa vor, wenn die klagende Partei das staatliche Verfahren zur Schädigung der Gegenpartei oder Dritter missbraucht, etwa indem sie – wie im Falle des Prozessbetrugs oder des Erschleichens gerichtlicher Handlungen – das Verfahren mit unlauteren Mitteln betreibt, welche die Art und Weise der Prozesseinleitung oder -durchführung als sittenwidrig prägen (vgl. BGH, Urteil vom 25.03.2003 – VI ZR 175/02, BGHZ 154, 269-275, Rn. 17 ff. – unter ausführlicher Herleitung der insoweit maßgeblichen Überlegungen für den strengen Ausnahmecharakter).

b) Daran gemessen ist ein sittenwidriges Verhalten der Beklagten bei Betreiben des Rechtsstreits zur Inanspruchnahme der Bürgin aus der Vorauszahlungsbürgschaft nicht festzustellen.

aa) Der von der Beklagten in dem Verfahren vor dem Oberlandesgericht Celle erwirkte Titel gegen die Bürgin ist zwar objektiv unrichtig, da ihr aus den oben unter A. dargelegten Gründen ein Anspruch auf Rückzahlung ihrer an die (“Firma 01”) geleisteten Vorauszahlung von 100.000 Euro spätestens seit dem Zugang der Schlussrechnung vom 01.02.2016 nicht zustand.

Die Beklagte kannte auch alle Umstände, die dazu führten, dass die von der (“Firma 01”) erbrachten und damit zu vergütenden Leistungen in ihrem Wert die beklagtenseits geleisteten Abschlags- und Vorauszahlungen in Höhe von 215.830 Euro überstiegen, und damit einer Berechtigung ihres Klagebegehrens entgegen standen.

Zweifelhaft erscheint indes schon, ob sie daraus auch den Schluss gezogen hat, nicht zur Forderung der 100.000 Euro berechtigt gewesen zu sein.

bb) Jedenfalls sind keine besonderen Umstände zu erkennen, die sich aus der Art und Weise der damaligen Prozesseinleitung und -führung durch die Beklagte ergeben und diese als sittenwidrig prägen könnten.

aaa) Nichts anderes folgt aus dem klägerischen Vorwurf, die Beklagte hätte im Bürgschaftsprozess wider besseren Wissens unwahr zum Leistungsstand vorgetragen – namentlich wahrheitswidrig eine nicht vollständige und nicht mangelfreie Leistungserbringung der (“Firma 01”) behauptet – und auf diese Weise das Gericht getäuscht, um unter Ausnutzung der bei der Inanspruchnahme einer Bürgschaft auf erstes Anfordern bestehenden Prozesserleichterungen (vgl. zu diesen Erleichterungen die ständige Rechtsprechung des BGH, wonach eine materielle Berechtigung zur Inanspruchnahme der Bürgschaft auf erstes Anfordern grundsätzlich im etwaigen Rückforderungsprozess zu klären ist und im Prozess auf Auszahlung deshalb nicht dargelegt und bewiesen werden muss, wenn nicht Anhaltspunkte für eine unzulässige Rechtsausübung bestehen, bereits BGH, Urteil vom 21.04.1988 – IX ZR 113/87 -, Rn. 16) die an die (“Firma 01”) gezahlten 100.000 Euro zurückzuerhalten und auf diese Weise ihr eigenes Profitstreben zu verwirklichen.

bbb) Entgegen der Auffassung der Klägerin ist aus dem Prozessverhalten der Beklagten weder der zwingende Schluss zu ziehen, diese habe den Bürgschaftsprozess mit dem Bewusstsein oder gar dem Ziel betrieben, die Bürgin (oder die (“Firma 01”) und die Klägerin, welche dieser gegenüber hafteten) zu schädigen oder sich auf deren Kosten widerrechtlich zu bereichern, noch sind Anhaltspunkte ersichtlich, welche die Prozesseinleitung und -führung als verwerflich erscheinen lassen.

(1) Dabei verkennt der Senat nicht, dass das Verhalten der Beklagten aus Sicht der Klägerin Anhaltspunkte für deren Auffassung bieten kann, die Beklagte habe den Bürgschaftsfall mit wissentlich falschen Behauptungen zum Stand der von der (“Firma 01”) erbrachten Leistungen wie auch dem daraus resultierenden Bestand von gegen den Werklohnanspruch gerichteten Rechten konstruiert und sei zu diesem Zweck den Abnahmeterminen am 02.04.2015 und 14.04.2015 ferngeblieben.

(2) Die klägerische Auffassung lässt jedoch den – für die Bewertung einer Sittenwidrigkeit ihres Verhaltens maßgeblichen – Blickwinkel der Beklagten auf das Gesehen im April 2015 und danach außer Acht.

So stand – unstreitig – einer Abnahme der Leistungen der (“Firma 01”) am 02.04.2015 bereits entgegen, dass deren Leistungen zu diesem Zeitpunkt noch nicht vollständig erbracht waren; auch die Klägerin behauptet eine Fertigstellung erst für den 07.04.2015. Hinsichtlich der Abnahme am 14.04.2015 handelte es sich um einen bloßen Terminvorschlag der (“Firma 01”), nicht jedoch um einen gemeinsam vereinbarten oder von der Beklagten im weiteren Verlauf bestätigten Termin.

Für die Beklagte hatte sich die Situation im Weiteren so dargestellt, dass es sich bei der Demontage der Brüstungsgeländer um eine Reaktion der (“Firma 01”) auf ihr Schreiben vom 24.04.2015 handelte, mit dem sie im Hinblick auf eine von ihr vorgelegte Gegenrechnung über u.a. Kosten für die unstreitig eingetretene Bauverzögerung eine Überzahlung der Klägerin behauptet und die Inanspruchnahme der Bürgschaft angekündigt hatte. Diese Demontage hatte die (“Firma 01”) unstreitig weder angekündigt noch sich auf das ihren Mitarbeitern gegenüber erteilte Hausverbot zu den Hintergründen geäußert. Im Ergebnis konnte aus Sicht der Beklagten die von der (“Firma 01”) erbrachte Werkleistung nicht (mehr) als vollständig erbracht gelten.

Eine Verwerflichkeit des Beklagtenvorgehens im Vorprozess folgt auch nicht aus dem Umstand, dass die Beklagte dem mit der Schlussrechnung vom 01.02.2016 dargestellten Vergütungsanspruch der (“Firma 01”) nicht lediglich das Fehlen der 16 Brüstungsgeländer entgegen gehalten hat. Denn ihre darüber hinausgehenden Einwendungen waren keinesfalls fingiert, sondern hatten – wenn auch im Ergebnis der obigen Ausführungen zu Unrecht – die ihr selbst von der Bauherrin in Bezug auf die Loggien entgegen gehaltenen Mängel zum Gegenstand. Dies betrifft sowohl die bloße Sicherung der 16 von der Demontage der Brüstungsgeländer betroffenen Loggien mittels Holzbohlen, aus der die Bauherrin eine fehlende Nutzbarkeit der Loggien ableitete, als auch die Mängelbehauptungen hinsichtlich der Brüstungshöhe und der Durchdringung der Regenwasserablaufrinnen durch die von der (“Firma 01”) montierten Befestigungsanker für die Balkonbrüstungen.

Eine Täuschungsabsicht insoweit kann auch nicht im Hinblick darauf angenommen werden, dass die hinsichtlich der Brüstungshöhen und der Regenwasserablaufrinnen behauptete Mangelhaftigkeit der von der (“Firma 01”) erbrachten Leistung bereits angesichts der hierzu jeweils getroffenen und mittels E-Mails aus Ende Dezember 2014 sowie dem Besprechungsprotokoll vom 10.03.2015 belegten Absprachen ausscheiden musste. Denn jedenfalls ist nicht auszuschließen, dass die Beklagte schlicht den Überblick über die getroffenen Absprachen verloren hatte, weil sie sich – wie die Klägerin selbst wiederholt erklärt hat – mit der Betreuung des umfangreichen Bauvorhabens übernommen hatte.

(3) Hinsichtlich der Einwendungen im Übrigen – d.h. der behaupteten Schadensersatzansprüche wegen Bauzeitverzögerungen etc. – scheidet ein bewusst unwahrer Vortrag der Beklagten im Vorprozess zudem schon deshalb aus, weil ihre letztlich auf einer Verkennung der Reichweite des Sicherungszwecks der Vorauszahlungsbürgschaft beruhende (Fehl-)Vorstellung, ihr Recht dem durch die Schlussrechnung ausgewiesenen Vergütungsanspruch auch nicht mängelbezogene Einwendungen entgegen halten zu können, wirke sich auch auf ihren Anspruch aus der Vorauszahlungsbürgschaft aus, nicht von vornherein als gänzlich abwegig und damit gleichsam aus der Luft gegriffen erscheint. Eine vertiefte inhaltliche Prüfung war der hiesigen Beklagten insoweit nicht abzuverlangen, da ein Kläger grundsätzlich nicht verpflichtet ist, vor Klageerhebung sorgfältig in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht die sachliche Berechtigung seines Begehrens zu prüfen oder gar seine Interessen gegen die des jeweiligen Beklagten abzuwägen (BGH, Urteil vom 25.03.2003 – VI ZR 175/02 -, BGHZ 154, 269-275, Rn. 19).

Hinzu tritt, dass die Verteidigung gegen den im Vorprozess von der Bürgin erhobenen Missbrauchseinwand offenbar auch insoweit auf anwaltlichen Rat und damit dem Ergebnis einer rechtlichen Prüfung erfolgte.

Anhaltspunkte dafür, dass die der Gegenrechnung der Beklagten zugrunde gelegten (Schadensersatz-)Positionen schon dem Grunde nach unter keinem Gesichtspunkt bestehen konnten und demzufolge allein mit der als verwerflich einzustufenden Absicht einer Schädigung der Bürgin konstruiert worden sein können, hat die insoweit darlegungs- und beweisbelastete Klägerin auch im Ergebnis der hierzu erfolgten Erörterung in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nicht vortragen.

(4) Der Annahme eines bewusst unwahren Vortrags mit dem Ziel der Schädigung der Bürgin zugunsten des eigenen Profitstrebens der Beklagten steht schließlich auch der Umstand entgegen, dass der Beklagten – wie bereits ihre rechtlichen Ausführungen in der Berufung vor dem Oberlandesgericht Celle verdeutlichen – die rechtliche Situation wohl bewusst war, nach der die im Vorprozess zu ihren Gunsten bestehenden prozessualen Erleichterungen im zu erwartenden Rückforderungsprozess gerade nicht greifen würden. Ihr war damit auch erkennbar klar, dass mit dem Urteil des Oberlandesgerichts Celle keine endgültige Entscheidung hinsichtlich des Verbleibs der in Rede stehenden 100.000 Euro verbunden sein würde und deshalb unwahrer Vortrag ihr keinen dauerhaften Vorteil oder “Profit” verschaffen können würde.

2. Für einen Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB fehlt es danach jedenfalls an einer vorsätzlichen Täuschung des Gerichts über den Umfang der Gegenrechte, welche die Beklagten dem Vergütungsanspruch der (“Firma 01”) entgegen halten kann.

OLG Brandenburg zu der Frage, dass ein Mangel selbst dann vorliegt, wenn die Ursache der fehlenden Funktionstauglichkeit auf der vom Besteller erstellten Planung beruht, sich der Unternehmer aber von seiner Haftung befreien kann, wenn die Ursache der fehlenden Funktionstauglichkeit nicht in seiner Sphäre liegt und dies dann der Fall ist, (1) wenn der Unternehmer seinen Prüfungs- und Hinweispflichten nachgekommen ist, (2) wenn keine Hinweispflicht besteht, weil er die Ungeeignetheit der Planung bei der gebotenen Prüfung mit dem von ihm erwartenden Fachwissen nicht erkennen kann oder (3) wenn im Einzelfall feststeht, dass der unterlassene Hinweis sich nicht ausgewirkt hat

OLG Brandenburg zu der Frage, dass ein Mangel selbst dann vorliegt, wenn die Ursache der fehlenden Funktionstauglichkeit auf der vom Besteller erstellten Planung beruht, sich der Unternehmer aber von seiner Haftung befreien kann, wenn die Ursache der fehlenden Funktionstauglichkeit nicht in seiner Sphäre liegt und dies dann der Fall ist, (1) wenn der Unternehmer seinen Prüfungs- und Hinweispflichten nachgekommen ist, (2) wenn keine Hinweispflicht besteht, weil er die Ungeeignetheit der Planung bei der gebotenen Prüfung mit dem von ihm erwartenden Fachwissen nicht erkennen kann oder (3) wenn im Einzelfall feststeht, dass der unterlassene Hinweis sich nicht ausgewirkt hat

vorgestellt von Thomas Ax

1. Ein Gefälle von 0,9% unterschreitet die maßgebenden Vorschriften für genutzte Terrassen und begründet daher einen Mangel wegen Abweichung von den allgemein anerkannten Regeln der Technik.
2. Es steht den Parteien frei, im Einzelfall von einer anerkannten Regel der Technik abzuweichen. An eine solche Beschaffenheitsvereinbarung “nach unten” sind wegen des damit einhergehenden Verzichts auf eine übliche Beschaffenheit strenge Anforderungen zu stellen. Sie kann nur angenommen werden, wenn der Besteller das damit einher gehende Risiko kannte. Der Besteller ist, selbst wenn er sachkundig sein sollte, umfassend über die Risiken und denkbaren Folgen der Bauausführung aufzuklären.
3. Im Werkvertragsrecht wird auch ein funktionstaugliches und zweckentsprechendes Werk im Sinne einer Erfolgshaftung geschuldet. Fehlt dem Werk die Funktionstauglichkeit, so ist es auch dann nicht mangelfrei, wenn es ansonsten der Leistungsbeschreibung und der vereinbarten Ausführungsart genügt.
4. Ein Mangel liegt selbst dann vor, wenn die Ursache der fehlenden Funktionstauglichkeit auf der vom Besteller erstellten Planung beruht. Allerdings kann sich der Unternehmer von seiner Haftung befreien, wenn die Ursache der fehlenden Funktionstauglichkeit nicht in seiner Sphäre liegt. Dies ist dann der Fall, (1) wenn der Unternehmer seinen Prüfungs- und Hinweispflichten nachgekommen ist, (2) wenn keine Hinweispflicht besteht, weil er die Ungeeignetheit der Planung bei der gebotenen Prüfung mit dem von ihm erwartenden Fachwissen nicht erkennen kann oder (3) wenn im Einzelfall feststeht, dass der unterlassene Hinweis sich nicht ausgewirkt hat.
5. Unverhältnismäßig sind die Kosten für die Beseitigung eines Werkmangels nur dann, wenn der damit in Richtung auf die Beseitigung des Mangels erzielte Erfolg oder Teilerfolg bei Abwägung aller Umstände des Einzelfalles in keinem vernünftigen Verhältnis zur Höhe des dafür gemachten Geldaufwandes steht.
6. Dem Besteller obliegt es grundsätzlich, dem Unternehmer zuverlässige Pläne und Unterlagen zur Verfügung zu stellen. Bedient er sich für die ihm obliegenden Planungsaufgaben eines Architekten, ist dieser sein Erfüllungsgehilfe im Verhältnis zum Bauunternehmer, so dass der Besteller für das Verschulden des Architekten einstehen muss. Dies gilt jedoch nicht für ein etwaiges Überwachungsverschulden des Architekten.
7. Die vollständige Ausführungsplanung beinhaltet die zeichnerische Darstellung des Objekts mit allen für die Ausführung notwendigen Einzelangaben, so dass auf Grundlage der ausführungsreifen Ausführungsplanung zunächst Leistungspositionen beschrieben sowie Mengen und Massen ermittelt werden können und schließlich auch die Bauausführung durch einen Unternehmer ermöglicht wird.
OLG Brandenburg, Urteil vom 10.10.2024 – 10 U 80/23
vorhergehend:
LG Neuruppin, 30.03.2023 – 1 O 265/14

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten zu 1) wird unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels das Urteil des Landgerichts Neuruppin vom 30. März 2023 (Az. 1 O 265/14) teilweise abgeändert und in Bezug auf die Beklagte zu 1) wie folgt neu gefasst:

Es wird festgestellt, dass sich der Rechtsstreit zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1) insoweit erledigt hat, als die Beklagten zu 1) als Gesamtschuldnerin mit der Beklagten zu 3) verurteilt worden ist, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 12.500,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30. November 2015 zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte zu 1) als Gesamtschuldnerin mit der Beklagten zu 3) verpflichtet ist, alle über den Betrag von 12.500,00 Euro hinausgehenden Kosten zu tragen, die für die Mängelbeseitigung im Zusammenhang mit der Herstellung eines ordnungsgemäßen Gefälleestrichs am Gebäude M.-straße … in … V. entstehen, wobei für die Beklagte zu 1) die Einschränkung gilt, dass sie für diese weiteren Kosten jeweils nur zu 1/3 haftet.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen

von den bis zum 15. Juni 2015 einschließlich angefallenen Gerichtskosten: der Kläger 46,7 %, der Beklagte zu 2) 3,2 %, die Beklagte zu 3) 37,6 % und die Beklagten zu 1) und 3) als Gesamtschuldner 12,5 %;

von den nach dem 15. Juni 2015 angefallenen Gerichtskosten: der Kläger 48 %, die Beklagte zu 3) 39 % und die Beklagten zu 1) und 3) als Gesamtschuldner 13 %;

von den bis zum 15. Juni 2015 einschließlich angefallenen außergerichtlichen Kosten des Klägers: der Beklagte zu 2) 3,2 %, die Beklagte zu 3) 37,6 % und die Beklagten zu 1) und 3) als Gesamtschuldner 12,5 %;

von den nach dem 15. Juni 2015 angefallenen außergerichtlichen Kosten des Klägers: die Beklagte zu 3) 39 % und die Beklagten zu 1) und 3) als Gesamtschuldner 13 %;

von den außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1): der Kläger 61,7 %;

von den außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 3): der Kläger 41,3 %.

Im Übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt.

3. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger zu 33 % und die Beklagte zu 1) zu 67 %.

4. Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

5. Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 21.900,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Der Kläger ist Eigentümer eines Hausgrundstücks in der M.-straße … in V.. Er beabsichtigte, die an seinem Haus befindliche Terrasse mittels Verlegung von Natursteinbelag zu modernisieren. Dazu beauftrage der Kläger im Jahr 2010 die Beklagte zu 3) als Planerin sowie unterschiedliche Gewerke mit der Sanierung der Terrasse. Die Beklagte zu 1) übernahm neben Rohbau- und Abbrucharbeiten die Herstellung eines “Gefälleestrichs”.

Der mit Versäumnisurteil vom 15. Juni 2015 rechtskräftig verurteilte Beklagte zu 2) ist nur noch wegen der Kosten am Verfahren beteiligt.

Der Kläger hat behauptet, der Estrich sei nicht mit dem erforderlichen Gefälle versehen und deshalb von der Beklagten zu 1) mangelhaft hergestellt worden. Als Mangelfolge könne Regenwasser auf der Terrasse nicht abfließen; es sammle sich dort, was zu unschönen Kalkausblühungen auf den Platten geführt habe. Nach der Sanierungsplanung des von dem Kläger außergerichtlich eingeholten Privatgutachtens betragen die voraussichtlich anfallenden Mangelbeseitigungskosten, die der Kläger zuletzt im Wege des Kostenvorschusses geltend gemacht hat, insgesamt 63.564,54 Euro. Davon lasse sich der Kläger gegenüber der Beklagte zu 1) einen Mitverschuldensanteil von 50 % wegen des dem Kläger zuzurechnenden Planungsverschuldens der Beklagten zu 3) in Abzug bringen.

Der Kläger hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,

1. die Beklagten zu 1) und 3) gesamtschuldnerisch zur Zahlung von 31.782,27 Euro an den Kläger zu verurteilen, nebst Zinsen aus 21.495 Euro seit 30. November 2015 sowie aus weiteren 10.287,27 Euro seit Rechtshängigkeit;

2. die Beklagte zu 3) darüber hinaus zur Zahlung weiterer 31.782,27 Euro an den Kläger zu verurteilen, nebst Zinsen aus 21.495 Euro seit 30. November 2015 sowie aus weiteren 10.287,27 Euro seit Rechtshängigkeit;

3. festzustellen, dass die Beklagten zu 1) und 3) gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, alle über diese Beträge hinausgehenden Kosten zu tragen, die für die Mängelbeseitigung im Zusammenhang mit der Herstellung eines ordnungsgemäßen Gefälleestrichs, der Herstellung einer dazu passenden Treppenanlage vor der Terrasse, der ggf. zu entfernenden Glasbrüstung der Terrasse sowie der Beseitigung von Putzmängeln nebst dazugehöriger Nebenarbeiten und Nebenleistungen am Gebäude M.-straße … in … V. entstehen; für die Beklagte zu 1) gilt insoweit die Einschränkung, dass sie für diese weiteren Kosten jeweils nur zu 50 % haftet;

4. die Beklagte zu 3) zu verurteilen, weitere 4.735,58 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 2. August 2017 zu bezahlen.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte zu 1) hat die Auffassung vertreten, dass kein Mangel vorliege, weil die Parteien eine entsprechende Beschaffenheit (geringes Gefälle) vereinbart haben. Die Beklagte zu 1) habe unter Berücksichtigung des Höhenfixpunktes fachgerecht und entsprechend des ihr erteilten Auftrages gearbeitet. Der Kläger könne den Mangel, der insbesondere auf die Arbeiten des unverständlicher Weise nicht in Anspruch genommenen Dachdeckers F. und des Plattenlegers R. zurückzuführen sei, aufgrund der erfolgten Abnahme und wegen der zu diesem Zeitpunkt vorhandenen Kenntnis des Mangels nicht mehr geltend machen. Es fehle auch an weiteren Voraussetzungen für den geltend gemachten Vorschussanspruch, da die Beklagte nicht zur Mangelbeseitigung aufgefordert worden sei. Zudem wendet die Beklagte zu 1) ein, dass sie für zahlreiche Positionen der klägerischen Forderung nicht hafte, weil die dort angesprochenen Mängel nicht mit ihrem Gewerk zusammenhingen.

Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird ergänzend auf das angefochtene Urteil Bezug genommen, § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO.

Das Landgericht hat zur Frage der Mangelhaftigkeit des von der Beklagten zu 1) hergestellten Estrichs Beweis erhoben durch Einholung des Sachverständigengutachtens des Herrn S. vom 30. August 2016 nebst dessen schriftlichen Ergänzungen vom 26. März 2019, vom 24. Juli 2020 und vom 6. Mai 2022 sowie dessen Anhörung in der mündlichen Verhandlung vom 15. Februar 2023. Es hat zudem mit Beschluss vom 6. Mai 2021 darauf hingewiesen, dass die vom Parteigutachter des Klägers, Herrn J., im Sanierungskonzept vorgestellte Mangelbeseitigungsvariante die einzige Variante sei, die für den Kläger eine zumutbare und den vertraglichen Grundlagen entsprechende Mängelbeseitigung darstelle.

Im Ergebnis hat das Landgericht die Beklagte zu 1) gesamtschuldnerisch mit der Beklagte zu 3) verurteilt, an den Kläger 18.750,00 Euro nebst Zinsen zu zahlen, sowie die gesamtschuldnerische Einstandspflicht der Beklagte zu 1) und 3) für darüber hinaus gehende Mängelbeseitigungskosten festgestellt, die mit einer ordnungsgemäßen Herstellung des Gefälleestrichs in Zusammenhang stehen, wobei die Beklagte zu 1) nur zu 50 % hafte. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, dass dem Kläger gegen die Beklagte zu 1) ein Kostenvorschussanspruch nach § 637 Abs. 3 BGB zustehe. Der von der Beklagten zu 1) hergestellte Estrich mit einem Gefälle von 0,9 % sei nach den überzeugenden Feststellungen des Sachverständigen S. mangels Einhaltung der nach den anerkannten Regeln der Technik erforderlichen Neigung von 3 % mangelhaft. Diese Regeln gelten unabhängig von der Vereinbarung der Parteien, jedenfalls soweit der Unternehmer auf die Risiken, die bei deren Nichteinhaltung entstehen, den Besteller nicht hingewiesen habe. Ein solcher Bedenkenhinweis der Beklagten zu 1) sei hier nicht erfolgt. Der Kläger habe den Mangel auch nicht erkennen können (§ 640 Abs. 3 BGB). Die Beklagte zu 1) sei mit Schreiben vom 27. März 2012 zudem zur Mängelbeseitigung aufgefordert worden, habe diese jedoch abgelehnt.

Der Höhe nach sei der Kostenvorschuss entsprechend den vom Sachverständigen S. festgestellten voraussichtlichen Mängelbeseitigungskosten zzgl. eines Aufschlags wegen der Kostensteigerung zu beziffern. Des Weiteren habe der Kläger einen Anspruch auf Ersatz der Kosten für das vom Kläger eingeholte Parteigutachten J., welche das Landgericht auf 2.500,00 Euro geschätzt hat. Die sich daraus ergebende Summe von insgesamt 37.500,00 Euro sei um den Verschuldensanteil der Beklagten zu 3) i.H.v. 50 %, den sich der Kläger anrechnen lassen müsse, zu kürzen, was eine Forderung des Klägers gegen die Beklagte zu 1) von insgesamt 18.750,00 Euro ergebe.

Dagegen wendet sich die Beklagte zu 1) mit ihrer auf Klageabweisung gerichteten Berufung, mit der sie im Wesentlichen ihre erstinstanzlichen Einwendungen wiederholt. Das Landgericht habe zu Unrecht zu Lasten der Beklagten zu 1) angenommen, dass ein Mangel vorliege, ebenso dass dieser ursächlich für die klägerseits angetragenen Sanierungskosten sei. Die Beklagte zu 3) habe dem Beklagten zu 1) wegen der vorhandenen örtlichen Gegebenheiten und den Wünschen des Klägers vorgegeben, dass die Stärke des aufzubringenden Betonestrichs im unteren Bereich 4 cm als technisch erforderliche Mindeststärke zu betragen habe und an der an dem Gebäude anliegenden Seite der Rohdecke aber nur eine Aufbauhöhe von 7 cm haben dürfe. Nach dem Planungskonzept der Beklagten zu 3) sollte nämlich unter Berücksichtigung der weiteren Aufbauhöhe der über dem Estrich liegenden Bauteile das Niveau der Eingangsschwelle zur Terrassentür nicht überschritten werden. Bei einem Gefälle von 3 % hätte die Beklagte zu 1) diese Vorgaben nicht einhalten können. Gleichwohl habe der Geschäftsführer der Beklagten zu 1) den geschäftsführenden Gesellschafter der Beklagten zu 3), Herrn G., darauf hingewiesen, dass, sofern ein Gefälle erzeugt werden soll, bei dieser gewünschten Ausführungsart nur ein solches entsteht, welches unterhalb der üblichen Neigung liege und welche Konsequenzen dieses unter bestimmten Umständen haben könne. Dennoch sei das Nachtragsangebot vom 8. Juni 2010 unter Zugrundelegung der verbindlichen Skizze B1.2 beauftragt und die Leistung der Beklagten zu 1) (nach minimaler Nachbesserung an der Ablaufrinne) vorbehaltlos abgenommen und bezahlt worden. Die aufgetretenen Mängel seien den Folgegewerken (Dachdecker und Plattenleger) zuzuschreiben. Daher habe der Sachverständige S. auch einen Verursachungsanteil von 50 % bei der Beklagten zu 3) und jeweils 25 % beim Dachdecker und Fliesenleger verortet. Die Beklagte zu 1) sei nach der DIN 18195-5 und der Flachdachrichtlinie nicht verpflichtet gewesen, überhaupt ein Gefälle bzw. ein Gefälle über 1 % herzustellen. Vielmehr sei durch eine ordnungsgemäße Abdichtung ein etwaiger Schadenseintritt durch stehendes Wasser zu verhindern gewesen. Jedenfalls bestehe zwischen dem zu geringen Gefälle und den Ausblühungen auf den Natursteinplatten kein Kausalzusammenhang. Selbst bei einem Gefälle von 3 % wäre es zu den Ausblühungen gekommen, welche u.a. auf das vom Plattenleger hergestellte Zementbett und auf die durch den verwendeten Zementmörtel hervorgerufene Verstopfung des Ablaufs zurückzuführen sei. Das Landgericht habe zudem den Ausschlussgrund nach § 640 Abs. 3 BGB verkannt. Die begehrte Mangelbeseitigung sei auch unverhältnismäßig. Der Kläger erleide außer den Grauschleiern auf den Platten keinerlei Beeinträchtigung und nutze die Terrasse seit 2010 uneingeschränkt. Die optische Beeinträchtigung durch die Ausblühungen sei durch Anwendung chemischer Reinigungsmittel leicht behebbar. Die Natursteinplatten unterliegen ohnehin der Verwitterung, so dass selbst die Reinigungskosten als Sowieso-Kosten zu qualifizieren seien. Die im Rahmen von § 287 ZPO vorgenommene Schätzung der Anspruchshöhe durch das Landgericht sei nicht rechtsfehlerfrei vorgenommen worden. Dem Kläger habe es darüber hinaus oblegen, auch den Dachdecker und Plattenleger in Anspruch zu nehmen. Dieser habe bisher nicht offengelegt, ob er seitens dieser Gewerke bereits Zahlungen erhalten hat.

Die Beklagte zu 3) hat den vom Landgericht ausgeurteilten Betrag einschließlich des Klageantrags zu 1) vollständig gezahlt. Infolge dessen hat der Kläger den Rechtsstreit im Hinblick auf den Antrag zu 1) erster Instanz in der Fassung des landgerichtlichen Urteils im Verhältnis zu der Beklagten zu 1) für erledigt erklärt. Die Beklagte zu 1) hat sich der Erledigungserklärung nicht angeschlossen.

Die Beklagte zu 1) beantragt,

das Schlussurteil des Landgerichts Neuruppin vom 30. März 2023, AZ 1 O 265/14, mit der Maßgabe abzuändern, dass die Klage gegen die Beklagte zu 1) insgesamt abgewiesen wird.

Der Kläger beantragt zuletzt sinngemäß,

die Berufung der Beklagten zu 1) insgesamt zurückzuweisen, mit der Maßgabe, dass die Erledigung des ursprünglichen Klageantrags zu 1) erster Instanz in der Fassung des landgerichtlichen Urteils im Verhältnis zur Beklagten zu 1) festgestellt wird.

Der Kläger verteidigt das landgerichtliche Urteil unter Verweis auf seinen erstinstanzlichen Vortrag. Insbesondere könne der Kläger die Terrasse wegen der nach Regen eintretenden Rutschgefahr und der Gefahr von Frostschäden nicht einschränkungslos nutzen. Es gehe daher nicht nur um die Beseitigung der Ausblühungen. Der Ausschluss nach § 640 Abs. 3 BGB greife nicht, da, soweit die Beklagte zu 3) die Werkleistung begutachtet haben sollte, sich dabei lediglich um eine technische Abnahme, nicht um eine rechtsgeschäftliche Abnahme im Sinne von § 640 BGB gehandelt habe. Es sei außerdem Charakteristik der Gesamtschuld und damit allein Sache des Gläubigers, welchen von mehreren Gesamtschuldnern er in Anspruch nehmen möchte.

II.

Die Berufung der Beklagten zu 1) hat in dem zuerkannten Maße Erfolg.

1. Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig.

Insbesondere hat die nach Erlass des angefochtenen Urteils erfolgte Erfüllung der im Tenor zu Ziffer 1) der angefochtenen Entscheidung titulierten Ansprüche durch die Beklagte zu 3) auf die Zulässigkeit der Berufung der Beklagten zu 1) keinen Einfluss.

a) Im Grundsatz entfällt die Beschwer einer zur Zahlung verurteilten Partei, wenn sie oder ein berechtigter Dritter mit deren Billigung nach Schluss der letzten mündlichen Verhandlung und vor Einlegung eines Rechtsmittels den Urteilsbetrag vorbehaltlos zahlt (vgl. BGH, Urteil vom 16. November 1993 – X ZR 7/92, Rn. 12; Beschluss vom 13. Januar 2000 – VII ZB 16/99, Rn. 6). In diesen Fällen ist von einer materiellen Erledigung der Hauptsache zwischen den Instanzen auszugehen, so dass ein rechtsschutzwürdiges Interesse der verurteilten Partei an der Beseitigung des Urteilsausspruchs nicht mehr besteht (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Januar 2000 – VII ZB 16/99, aaO; Beschluss vom 7. Dezember 2010 – VI ZB 87/09, Rn. 9).

Hier führte die vorbehaltlose Zahlung des Urteilsbetrags durch die Beklagte zu 3) zwar nach § 362 Abs. 1 BGB zum Erlöschen des zwischen ihr und dem Kläger bestehenden Schuldverhältnisses. Im Verhältnis zur Beklagten zu 1) hat diese Leistung indes nur insoweit Erfüllungswirkung, als diese ebenfalls Schuldnerin des Urteilsbetrags ist, § 422 Abs. 1 BGB. Eben dies hat die Beklagte zu 1) im ersten Rechtszug und in ihrer Berufungsbegründung in Abrede gestellt. Bei dieser Sachlage steht nicht fest, dass die Zahlung der Beklagten zu 3) geeignet war, den Rechtsstreit zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1) in der Hauptsache zu erledigen. Es ist gerade im Berufungsverfahren zu klären, ob die gesamtschuldnerische Verurteilung der Beklagten zu 1) zu Recht erfolgt ist. Im Hinblick darauf ist ein rechtsschutzwürdiges Interesse der Beklagten zu 1) an der Beseitigung des gegen sie ergangenen Urteils gegeben (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Dezember 2010 – VI ZB 87/09, Rn. 10; Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, Urteil vom 17. Dezember 2015 – 4 U 140/14).

b) Die in der einseitigen Erledigungserklärung des Klägers liegende Änderung des ursprünglichen Klageantrags zu 1) in eine Feststellungsklage auf Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache ist als Reduzierung des ursprünglichen Klageantrags gemäß § 264 Nr. 2 ZPO zulässig. Auf Änderungen des Klageantrags nach § 264 Nr. 2 ZPO findet § 533 ZPO keine Anwendung (vgl. Musielak/Voit/Ball, ZPO, 12. Auflage, § 533, Rn. 3).

c) Der Kläger hat auch ein entsprechendes Feststellungsinteresse, denn nach der Zahlung der Beklagten zu 3) besteht für ihn – den Kläger – keine andere Möglichkeit, von den Kosten des Rechtsstreits befreit zu werden. Ohne Erledigungserklärung hätte sich der Kläger infolge der Inanspruchnahme der Beklagten als Gesamtschuldner so behandeln lassen müssen, als dass der Ausgleich der titulierten Forderungen durch die Beklagte zu 3) nach § 422 Abs. 1 S. 1 BGB auch für die Beklagte zu 1) wirkt. Die ursprüngliche Klage wäre dementsprechend im Hinblick auf die Beklagte zu 1) insgesamt unbegründet geworden; die Berufung hätte folglich insgesamt Erfolg gehabt.

2. Die Berufung hat in der Sache aber nur in dem tenorierten Umfang Erfolg.

Die Klage auf Feststellung der Erledigung des Klageantrags zu 1) im Verhältnis zur Beklagten zu 1) ist nur zum Teil begründet. Die Erledigung der Hauptsache ist nur in Höhe von 12.500,00 Euro festzustellen, denn nur insoweit war die Klage gegen die Beklagte zu 1) ursprünglich zulässig und begründet (a) und ist sie durch die Zahlung der Beklagten zu 3) unbegründet geworden (b).

a) Der ursprüngliche Klageantrag zu 1) ist in dem zuerkannten Umfang begründet. Der Kläger hatte gegen die Beklagte zu 1) einen Anspruch auf Zahlung von 12.500,00 Euro.

aa) Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass dem Kläger dem Grunde nach ein Anspruch auf Vorschuss für die voraussichtlichen Mängelbeseitigungskosten nach §§ 634 Nr. 2, 637 Abs. 3 BGB zusteht. Dies ist nicht zu beanstanden.

(1) Die Parteien haben gemäß § 631 BGB einen Werkvertrag über die Herstellung eines “Gefälleestrichs” geschlossen. Der Kläger hat das dahingehende Nachtragsangebot der Beklagten zu 1) vom 8. Juni 2010 angenommen. Dabei ist die VOB/B, auf die im Angebot der Beklagten zu 1) vom 30. April 2010 noch Bezug genommen wurde, weder Bestandteil der ursprünglichen Beauftragung der Beklagten zu 1) im Hinblick auf die Rohbau- und Abbrucharbeiten vom 5. Mai 2010 noch des streitgegenständlichen Nachtrags geworden. Es fehlt insoweit schon der ausdrückliche Verweis auf die VOB/B im Vertragstext sowie nach § 305 Abs. 2 Nr. 2 BGB die Inkenntnissetzung des bei Vertragsschluss nicht durch einen Architekten vertretenen Klägers.

(2) Infolge der konkludenten Abnahme des Werks der Beklagten zu 1) sind die Gewährleistungsrechte aus § 634 BGB, mithin auch der § 637 Abs. 3 BGB, wonach der Besteller von dem Unternehmer für die zur Beseitigung des Mangels erforderlichen Aufwendungen Vorschuss verlangen kann, zugunsten des Klägers auch anwendbar.

Die Abnahme setzt die körperliche Entgegennahme des vom Unternehmer hergestellten Werkes voraus, soweit diese möglich ist, und die damit verbundene Erklärung des Bestellers, dass er das Werk als im Wesentlichen vertragsgerecht erbracht anerkennt (vgl. BGH NJW 1973, 1792; MüKoBGB/Busche, 9. Aufl. 2023, BGB, § 640, Rn. 3 m.w.N.). Eine konkludente Abnahme kommt in Betracht, wenn das Werk jedenfalls nach den Vorstellungen des Auftraggebers im Wesentlichen mangelfrei fertiggestellt ist und der Auftragnehmer das Verhalten des Auftraggebers als Billigung seiner erbrachten Leistung als im Wesentlichen vertragsgerecht verstehen darf (vgl. Jurgeleit in: Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 5. Auflage, 3. Teil, Rn. 54). Diese Voraussetzungen liegen vor. Die Beklagte zu 1) hat den Estrich unstreitig nach den vertraglichen Vereinbarungen entsprechend ihrem Angebot vom 8. Juni 2010 und den Vorgaben der Beklagten zu 3) gemäß der überreichten Skizze (Anlage B1.2, Bl. 107, I) hergestellt. Der Kläger hat diese Leistung als vertragsgerecht gebilligt, indem er Mängel gegenüber der Beklagten zu 1) nicht mehr monierte, nachdem die Beklagte zu 3) für ihn mit Schreiben vom 26. Juli 2010 lediglich das Gefälle an der vorderen Ablaufrinne gerügt und die Beklagte zu 1) diesen Mangel beseitigt hatte. Zudem hat der Kläger die an die Leistung der Beklagten zu 1) anschließenden Gewerke ihre Leistungen ebenfalls beanstandungslos erbringen lassen.

(3) Der Vorschussanspruch nach §§ 634 Nr. 2, 637 Abs. 3 BGB setzt voraus, dass der Kläger zur Ersatzvornahme nach § 637 Abs. 1 BGB berechtigt ist, mithin dass ihm ein fälliger und durchsetzbarer Mängelbeseitigungsanspruch gegen den Auftragnehmer zusteht. Dies ist der Fall.

(a) Das Werk der Beklagten zu 1) ist mangelbehaftet.

Nach § 633 Abs. 2 BGB ist das Werk frei von Sachmängeln, wenn es die vereinbarte Beschaffenheit hat oder im Falle fehlender Beschaffenheitsvereinbarung, wenn es sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte, sonst für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Werken der gleichen Art üblich ist und die der Besteller nach der Art des Werkes erwarten kann.

Unabhängig davon, ob bei dem von Sachverständigen S. festgestellten Gefälle von 0,9 % überhaupt von einem “Gefälleestrich” i.S.d. vertraglichen Vereinbarung vom 8. Juni 2010 gesprochen werden kann, ist die Leistung der Beklagten zu 1) schon deswegen mangelhaft, weil sie den anerkannten Regeln der Technik widerspricht (aa) und ihr darüber hinaus die Funktionstauglichkeit fehlt (bb).

(aa) Im BGB-Bauvertrag gehört die Einhaltung der allgemein anerkannten Regeln der Technik zur zumindest stillschweigend vereinbarten Beschaffenheit, sofern im Einzelfall nicht ausdrücklich etwas anderes vereinbart ist (vgl. BGH BauR 2013, 624; BGH NZBau 2011, 415; NJW 1998, 2814). Der Verstoß gegen diese Regeln bedeutet auch ohne Schadenseintritt einen Mangel (vgl. BGH NJW 1998, 2814).

Bei der Herstellung des Gefälleestrichs ist die Beklagte zu 1) von den anerkannten Regeln der Technik abgewichen. Der Sachverständige S. führt dazu in seinem Gutachten vom 30. August 2016 (S. 9ff., Anlagenband) aus, dass hier ein Gefälle von 0,9 % vorliege und dass nach den maßgebenden Vorschriften eine Unterschreitung des erforderlichen Gefälles von 3 % bei genutzten Terrassen – wie hier – nicht zulässig sei. Die gefällelose Ausprägung des Estrichs in der beweisgegenständlichen Situation stelle deshalb per se einen technischen Fehler dar (vgl. GA vom 26. März 2019, S. 8, Bl. 1013, IV) und zwar unabhängig vom weiteren Fußbodenaufbau. Es müsse daher mit Schäden an der Schutz- und Belagschicht gerechnet werden (vgl. GA vom 26. März 2019, S. 9, Bl. 1014, IV).

Diesen sachverständigen Feststellungen, denen das Landgericht gefolgt ist und welche auch der Senat für überzeugend hält, ist die Beklagte zu 1) nicht entscheidend entgegengetreten. Soweit die Beklagte zu 1) darauf verweist, dass nach der DIN 18195-5 und der Flachdach-Richtlinie die Herstellung eines Gefälles für einen ordnungsgemäßen Wasserabfluss nicht zwingend erforderlich sei, verkennt sie, dass sie nach der vertraglichen Vereinbarung vom 8. Juni 2010 einen “Gefälleestrich” schuldete. Darüber hinaus sehen die genannte DIN und die Richtlinie als Ausgleich eines geringen oder fehlenden Gefälles anderweitige Maßnahmen zum Erreichen der Funktionstüchtigkeit des Werks vor. Diese sind aber weder vorgenommen noch in irgendeiner Art und Weise zwischen den Beteiligten erörtert worden.

Zwar kann im Einzelfall auch von einer anerkannten Regel der Technik abgewichen werden und eine andere Ausführungsart erfolgen, mithin kann eine risikobehaftete, nicht funktionstüchtige und hinter den Regeln der Technik zurückbleibende Leistung vereinbart werden, denn grundsätzlich steht es den Parteien im Rahmen der Vertragsfreiheit frei, etwa aus Kostengründen geringere qualitative Anforderungen an das bestellte Werk zu stellen als sie üblich sind. Gibt der Besteller ein minderwertiges oder minder brauchbares Werk in Auftrag, hat er die Folgen zu tragen (vgl. OLG Saarbrücken, Urteil vom 25. Oktober 2000 – 1 U 111/00, Rn. 28). Allerdings sind an eine solche Beschaffenheitsvereinbarung “nach unten” wegen des damit einhergehenden Verzichts auf eine übliche Beschaffenheit strenge Anforderungen zu stellen (vgl. OLG Brandenburg, Urteil vom 30. März 2011 – 13 U 16/10, Rn. 28; OLG Celle Urteil vom 16. Mai 2013 – 13 U 11/09, BeckRS 2016, 8042). Eine solche Beschaffenheitsvereinbarung kann deshalb nur angenommen werden, wenn der Besteller das damit einher gehende Risiko kannte. Der Auftraggeber ist, selbst wenn er sachkundig sein sollte, umfassend über die Risiken und denkbaren Folgen der Bauausführung aufzuklären (vgl. BGH, Urteil vom 17. Mai 1984 – VII ZR 169/82, NJW 1984, 2457; BGH, Urteil vom 12. Mai 2005 – VII ZR 45/04, NZBau 2005, 456).

Eine solche Aufklärung ist seitens der Beklagten zu 1) gegenüber dem Kläger aber unstreitig nicht erfolgt. Die Beklagte zu 1) hat nach ihrem erstinstanzlichen Vortrag lediglich die Beklagte zu 3) vor der Nachtragserteilung auf das geringe Gefälle hingewiesen. Ergänzend sei daraufhin der Verbau einer Rinne am zur Attika gelegenen Ende des Estrichs vereinbart worden (vgl. Klageerwiderung vom 20. Oktober 2014, Bl. 95, I). Die Beklagte zu 3) hat – bestritten – vorgetragen, den Kläger über die Gefällesituation aufgeklärt und deren Konsequenzen deutlich aufgezeigt und daher eine Rinne als Ausgleich vereinbart zu haben (vgl. Schriftsatz vom 27. Oktober 2016, Bl. 739, III). Dieses streitige Vorbringen genügt den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Aufklärung des Bauherrn nicht. Welche Konsequenzen dies konkret gewesen sein sollen, lässt sich dem Vorbringen dabei nicht entnehmen. Aufgrund des übereinstimmenden Vortrags der Beklagten zu 1) und Beklagten zu 3), dass zum Ausgleich des niedrigen Gefälles die Rinne am zur Attika gelegenen Ende des Estrichs geschaffen werden sollte und nach den sachverständigen Feststellungen auch tatsächlich geschaffen wurde, ist zudem davon auszugehen, dass nach der Vorstellung aller Beteiligter der durch die Rinne geschaffene “Ausgleich” des niedrigen Gefälles für eine erfolgreiche Entwässerung der Terrasse genügen sollte. Schließlich ist diese – von dem Sachverständigen als untauglich beurteilte – Ausgleichsmaßnahme bis zum Auftreten der ersten Mangelerscheinungen (Pfützenbildung) von keiner Partei in Frage gestellt worden. Damit war auch für den Kläger bei lebensnaher Betrachtung zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses kein Risiko im Hinblick auf die Entwässerung der Terrasse erkennbar, welches er bereit war, durch eine Beschaffenheitsvereinbarung “nach unten” in Kauf zu nehmen.

(bb) Dieser “Ausgleich” durch die Rinne hat aber ersichtlich nicht zur Funktionstüchtigkeit des Werks geführt, so dass auch deshalb ein Mangel vorliegt.

Denn zur stillschweigend vereinbarten Beschaffenheit gehört auch die Funktionstauglichkeit des Werks. Fehlt dem Werk die Funktionstauglichkeit, so ist es auch dann nicht mangelfrei, wenn es ansonsten der Leistungsbeschreibung und der vereinbarten Ausführungsart genügt (funktionaler Mangelbegriff). Es ist lebensnah anzunehmen, dass die Funktionstauglichkeit dem Willen und den beiderseitigen Erwartungen der Parteien entspricht. Dies gilt auch dann, wenn die Funktionstauglichkeit mit der vereinbarten Ausführungsart nicht zu erreichen ist. Bei einem Widerspruch zwischen vereinbarter Ausführungsart und Funktionstauglichkeit genießt Letztere grundsätzlich den Vorrang, da die Leistungsbeschreibung der Verwirklichung des von den Parteien beabsichtigten Werkerfolgs dient, der auf die Nutzbarkeit des Werks gerichtet ist. Daher schuldet der Unternehmer eine funktionstaugliche Leistung und ist zur Erreichung der Mängelfreiheit ggf. zu Mehrleistungen oder anderweitigen als vereinbarten Leistungen verpflichtet (vgl. BGH, BauR 2008, 344). Im Werkvertragsrecht wird mithin ein funktionstaugliches und zweckentsprechendes Werk im Sinne einer Erfolgshaftung geschuldet. Ausschlaggebend für das Vorliegen eines Mangels ist danach allein, dass der Leistungsmangel zwangsläufig den angestrebten Erfolg beeinträchtigt (vgl. BGH NJW 1984, 2457; BauR 1985, 567 (569); NJW-RR 1989, 849; NJW-RR 1997, 688).

So liegt der Fall auch hier. Eine Mangelfreiheit war mit der vereinbarten Leistungsausführung nicht zu erreichen. Der Sachverständige S. erläutert dazu nachvollziehbar in seinen Gutachten vom 30. August 2016 (Anlagenband) und vom 26. März 2019 (Bl. 1003ff., IV), dass mit einer gefällelosen Ausbildung des Estrichs es nicht möglich sei, anfallendes Wasser dauerhaft wirksam abzuführen. Eine ordnungsgemäße Verlegung der Abdichtungsbahn reiche dazu nicht. Der Zementmörtel schwimme im Wasser, so dass bei dessen Rücktrocknung die an der Oberfläche vorhandenen Ausblühungen entstehen.

Konkrete Anhaltspunkte, die an den Feststellungen des Sachverständigen S. zweifeln lassen, hat die Beklagte zu 1) nicht dargetan. Insbesondere ändern die nach der DIN 18195-5 und der Flachdach-Richtlinie wohl möglichen Alternativen zur Erreichung einer funktionstauglichen Entwässerung auch bei geringen Gefällen nichts an der Funktionsuntauglichkeit des hier im Streit stehenden Terrassenaufbaus. Mit den dahingehenden Einwänden der Beklagten zu 1) hat sich der Sachverständige S. insbesondere im Gutachten vom 26. März 2019, S. 21ff., Bl. 1013ff., IV, dezidiert auseinandergesetzt und festgestellt, dass sich die von der Beklagten zu 1) zitierten Vorschriften teilweise schon nicht auf die beweisgegenständliche Situation beziehen. Jedenfalls ändern die von der Beklagten zu 1) in Bezug genommenen Vorschriften nach Aussage des Sachverständigen nichts daran, dass mit einer gefällelosen Ausbildung des Estrichs im vorliegenden Fall das anfallende Wasser nicht dauerhaft wirksam abgeführt werden kann.

(cc) Ein Mangel liegt dabei selbst dann vor, wenn die Ursache der fehlenden Funktionstauglichkeit auf der vom Auftraggeber erstellten Planung beruht (vgl. BGH BauR 2008, 344). Diese strenge Haftung des Auftragnehmers ist gerechtfertigt, weil der Unternehmer die Verantwortung für das Gelingen seines Gewerkes im Sinne der dargelegten Erfolgshaftung trägt und daher verpflichtet ist, die Planung darauf zu überprüfen, ob sie eine geeignete Grundlage für die Herstellung eines funktionstauglichen, mangelfreien Werks bilden (Werner/Pastor, Der Bauprozess, 18. Auflage 2023, Rn. 2006; für VOB/B-Vertrag ergibt sich dies aus §§ 4 Abs. 3, 13, Abs. 3 VOB/B).

Allerdings kann sich der Unternehmer im Rahmen der Erfolgshaftung von seiner Haftung befreien, wenn die Ursache der fehlenden Funktionstauglichkeit nicht in seiner Sphäre liegt. Dies ist dann der Fall, (1) wenn der Unternehmer seinen Prüfungs- und Hinweispflichten nachgekommen ist, (2) wenn keine Hinweispflicht besteht, weil er die Ungeeignetheit der Planung bei der gebotenen Prüfung mit dem von ihm erwartenden Fachwissen nicht erkennen kann oder (3) wenn im Einzelfall feststeht, dass der unterlassene Hinweis sich nicht ausgewirkt hat (vgl. BGH, BauR 2008, 344).

Die Beklagte zu 1) vermochte jedoch keinen dieser Haftungsbefreiungstatbestände darzulegen.

(1) Die Beklagte zu 1) ist ihren aus § 241 Abs. 2 bzw. § 242 BGB resultierenden (vgl. BGH BauR 2011, 1494; 2008, 344) Prüfungs- und Hinweispflichten nicht nachgekommen.

Der Unternehmer ist verpflichtet, die Leistungsbeschreibung und die sonstigen bindenden Anordnungen des Auftraggebers, die vorgeschriebenen Stoffe oder Bauteile und die Vorleistungen anderer Unternehmer auf ihre Eignung für eine mangelfreie Herstellung zu prüfen. Diese Pflicht erstreckt sich auch auf die von einem eingeschalteten Architekten vorgesehene Art der Ausführung (vgl. BGH BauR 1997, 131) einschließlich der Planung (vgl. BGH, BauR 2003, 690; OLG Celle, BauR 2016, 120; OLG Braunschweig IBR 2015, 414). Der Unternehmer muss daher die Planungen und sonstigen Ausführungsunterlagen grundsätzlich als Fachmann prüfen und Bedenken anmelden. Dabei kommt es auf das von dem Unternehmer zu erwartende Fachwissen, die sonstigen Umstände der Vorgaben und Vorleistungen und die Möglichkeiten zur Untersuchung an, wobei bei einem Unternehmer die zur Herstellung des Werkes erforderlichen fachlichen Kenntnisse und Fertigkeiten vorausgesetzt werden. Er muss für das dazu nötige Wissen und Können einstehen. Die Spezialkenntnisse der jeweiligen Fachplaner muss er in der Regel zwar nicht haben. Er darf sich aber auf die Fachplanung nicht verlassen, wenn deren Lücken und Mängel erkennbar sind. Der Umstand, dass eine Fachplanung vorliegt, entlastet also als solcher allein nicht. Sie entbindet den Auftragnehmer nicht von einer eigenen Prüfung. Dabei muss er die Prüfmethoden anwenden, die üblicherweise und nach den anerkannten Regeln der Technik verwendet werden (vgl. Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, Urteil vom 17. Dezember 2015 – 4 U 140/14, Rn. 72). Der Unternehmer ist dementsprechend im Rahmen seiner vertraglichen Leistungspflicht und seiner Möglichkeiten gehalten zu fragen, “ob die Planung zur Verwirklichung des geschuldeten Leistungserfolgs geeignet ist” (vgl. BGH BauR 1991, 79, 80; OLG Celle, BauR 2016, 120).

Unter Anwendung dieser Grundsätze hat die Beklagte zu 1) ihren Hinweispflichten nicht Genüge getan. Sie hat den Kläger persönlich schon nicht auf Bedenken hingewiesen. Unabhängig von der Frage, ob ein Hinweis an den Planer überhaupt den dargestellten Anforderungen entspricht, war der hier unstreitig von der Beklagten zu 1) an die Beklagte zu 3) erteilte Hinweis auf das niedrige Gefälle im Rahmen der Nachtragsverhandlung und die anschließende Vereinbarung einer ausgleichenden Rinne ebenfalls nicht ausreichend, um ihren Hinweispflichten nachzukommen. Denn diese Rinne hat ersichtlich nicht zur Mangelfreiheit des Werks geführt. Insoweit hat die Beklagte zu 1) nicht vorgebracht, ob sie diesen “Ausgleich durch die Rinne” für erfolgsversprechend gehalten, weitere Fragen an den Architekten gestellt oder die Vorlage einer dezidierten Planung verlangt hat, obwohl ihr nach ihrem eigenen Vortrag bei den Nachtragsverhandlungen gerade nicht bekannt gewesen ist, welche Folgegewerke was für Aufbauarbeiten und Oberflächenbelege auf die Terrasse aufbringen werden (vgl. Klageerwiderung vom 20. Oktober 2014, Bl. 95, I). Schließlich hat die Beklagte zu 1) selbst unter Verweis auf die DIN 18195-5 vorgetragen, dass in Einzelfällen vom erforderlichen Gefälle abgewichen werden kann, für diese Fälle dann aber besondere Abdichtungsmaßnahmen durchzuführen seien (min. zwei Bahnen Polymerbitumenbahnen) bzw. nach der Flachdach-RL ein anderer Unterbau (Kiesbett/Stelzenlager statt Mörtelbett) vorhanden sein müsse. Dass die Beklagte zu 1) die Beklagte zu 3) auf diese Umstände hingewiesen hat, hat sie aber nicht vorgetragen.

Trotz fehlender Kenntnis über die Arbeiten der Nachfolgewerke und angesichts der risikobehafteten Ausführung eines Gefälles von 0,9 %, die ein Fachmann nach den Feststellungen des Sachverständigen hätte erkennen können und die Beklagte zu 1) nach ihrem Vortrag auch erkannt hat, hat die Beklagte zu 1) nicht moniert, dass die Beklagte zu 3) keine entsprechende Planung vorgelegt oder erläutert hat. Ihr – der Beklagten zu 1) – wurde vielmehr lediglich die handschriftlich erstellte, nicht sehr aussagekräftige Skizze B1.2 übergeben, mit der sich die Beklagte zu 1) zufrieden gab. Insoweit hat auch der Sachverständige S. festgestellt, dass die Beklagte zu 1) aber hätte Bedenken anmelden müssen, dass ein erforderlicher Gefälleplan (Architektenausführungsplanung) fehle und dies keine fachgerechte Ausführung zulasse (vgl. GA vom 6. Mai 2022, S. 29, Anlagenband). Schließlich ist die Beklagte zu 1) ein Fachunternehmen, das in seinem Briefkopf mit den Gewerken “Hochbau, Zimmerei, Trockenbau, Schlüsselfertiges Bauen” wirbt und dementsprechend über Fachkenntnisse auch im Bereich der Estrichverlegung verfügt.

Deshalb ist nach den sachverständigen Feststellungen auch davon auszugehen, dass die Beklagte zu 1) als Fachfirma auf die Möglichkeit der Verwendung eines Spezialestrichs hätte hinweisen müssen, denn wenn – wie hier – die Aufbauhöhe ersichtlich nicht ausreicht, um das erforderliche Gefälle zu errichten, ist kein “normaler” Zementestrich (Mindestdicke 35 mm) zu verwenden, sondern ein Spezialestrich, der bereits ab 0 mm beginnt. Mit diesem “Spezialestrich” wäre ein Gefälleestrich möglich gewesen (vgl. GA vom 26. März 2019, S. 8, 30, Bl. 1013, 1017R, IV), wobei jede Estrichfirma in der Lage sein muss, diesen Estrich einzubauen (vgl. Anhörung Sachverständiger S. vom 15. Februar 2023, Bl. 1581, VI), also auch die Beklagte zu 1).

(2) Aus diesem Grund hat die Beklagte zu 1) auch über das erforderliche Fachwissen verfügt, so dass für sie die dargelegten Hinweis- und Prüfungspflichten ausnahmslos bestanden.

(3) Der unterlassene Hinweis der Beklagten zu 1) hat sich auch ausgewirkt.

Dies ist nur dann nicht anzunehmen, wenn dem Besteller die Ungeeignetheit der Planung bekannt ist oder wenn ausnahmsweise festgestellt werden kann, dass er auch auf einen ausreichenden Hinweis an der vorgesehenen Ausführungsart festgehalten hätte (vgl. BGH BauR 2008, 344; OLG München BauR 2009, 1338).

Wie dargelegt hat die Beklagte zu 1) den Kläger persönlich schon nicht auf etwaige Risiken hingewiesen. Soweit die Beklagte zu 3) vorgetragen hat, den Kläger entsprechend über die Gefällelage und die Konsequenzen aufgeklärt zu haben, sei gerade zur Abwendung der Gefahren die “Rinne” vereinbart worden (Bl. 739, I). Dem Kläger waren weitere Risiken mithin nicht bekannt. Vielmehr ist davon auszugehen, dass alle Beteiligten – einschließlich des Klägers und der Beklagten zu 3) – der Vorstellung unterlagen, dass die geplante und erstellte Terrasse im Hinblick auf die Entwässerung funktioniert. Hätte die Beklagte zu 1) auf die Gefälleproblematik und die ungenügende Planung hinreichend hingewiesen, hätte dies womöglich eine andere, zielführende Planung des Terrassenaufbaus zur Folge gehabt.

(dd) Die Beklagte zu 1) hat durch die Herstellung des zu geringen Gefälles den Mangel, der letztlich auch in der funktionsuntüchtigen Entwässerung der Terrasse des Klägers zu sehen ist, im Ergebnis mitverursacht. Dies hat der Sachverständige in seinem Gutachten vom 24. Juli 2020 (Bl. 1118, V) zunächst zwar missverständlich ausgedrückt (kein technischer Verursachungsanteil der Beklagte zu 1), dafür 50 % Planer, je 25 % Dachdecker/Plattenleger). Auf konkrete Nachfrage hat der Sachverständige im Gutachten vom 6. Mai 2022 (S. 29, Anlagenband) aber konkretisiert, dass der Dachdecker und der Plattenleger nicht allein für den Mangel verantwortlich seien, sondern alle Beteiligten, also auch der Planer und die Beklagte zu 1). Insbesondere hätte die Beklagte zu 1) – wie aufgezeigt – Bedenken anmelden müssen hinsichtlich der fehlenden Architektenausführungsplanung und der nicht möglichen fachgerechten Ausführung. Auch darin ist ein ursächlicher Beitrag der Beklagten zu 1) zur insgesamt bestehenden Mangelhaftigkeit des Werks zu sehen.

(b) Der Kläger hat die Beklagte zu 1) schließlich mit Schreiben vom 27. März 2012 (Anlage K2, Bl. 17, I) erfolglos zur Mängelbeseitigung bis zum 20. April 2012 aufgefordert.

(c) Die Beklagte zu 1) kann sich nach §§ 637 i.V.m. 635 Abs. 3 BGB auch nicht auf die Unverhältnismäßigkeit der Nacherfüllung berufen.

Unverhältnismäßigkeit in diesem Sinne liegt in aller Regel nur dann vor, wenn einem objektiv geringen Interesse des Bestellers an einer mangelfreien Vertragsleistung ein ganz erheblicher und deshalb vergleichsweise unangemessener Aufwand gegenübersteht. Hat der Besteller objektiv ein berechtigtes Interesse an einer ordnungsgemäßen Vertragserfüllung, kann ihm der Unternehmer regelmäßig die Nachbesserung nicht wegen hoher Kosten der Mängelbeseitigung verweigern (vgl. BGH, Urteile vom 4. Juli 1996 – VII ZR 24/95, BauR 1996, 858; Urteil vom 24. April 1997 – VII ZR 110/96, BauR 1997, 638; Urteil vom 6. Dezember 2001 – VII ZR 241/00; NJW-RR 2006, 453).

Unverhältnismäßig im Sinne des § 635 Abs. 3 BGB sind die Kosten für die Beseitigung eines Werkmangels also nur dann, wenn der damit in Richtung auf die Beseitigung des Mangels erzielte Erfolg oder Teilerfolg bei Abwägung aller Umstände des Einzelfalles in keinem vernünftigen Verhältnis zur Höhe des dafür gemachten Geldaufwandes steht. Unverhältnismäßigkeit kommt danach vor allem bei Mängeln in Betracht, die den Wert oder die Gebrauchsfähigkeit nicht oder nicht erheblich beeinträchtigen. Das sind insbesondere so genannte Schönheitsmängel (vgl. Kniffka/Koeble, Teil 5, Die Haftung des Unternehmers für Mängel, Rn. 134 mwN).

Der ungenügende Wasserabfluss einer Terrasse infolge eines zu geringen Gefälles, der zu Ausblühungen auf den Platten geführt hat und nach den sachverständigen Feststellungen zu Frostschäden führen kann, ist ohne weiteres als erheblicher Mangel anzusehen, so dass dem Kläger objektiv ein berechtigtes Interesse an einer ordnungsgemäßen Vertragserfüllung zukommt.

Soweit die Beklagte zu 1) in ihrer Berufung zur Begründung der Unverhältnismäßigkeit auf die Grauschleier der Platten abstellt, welche mit chemischen Reinigungsmitteln ohne erheblichen Aufwand zu beheben seien, sind diese letztlich als Mangelfolge zu bewerten. Diese Reinigung ist nicht geeignet, den allein maßgebenden Mangel in Form des nicht hinreichenden Gefälles, welches zum beeinträchtigten Wasserabfluss der Terrasse führt, zu beheben.

(3) Die Mängelgewährleistungsrechte des Klägers sind auch nicht nach § 640 Abs. 3 BGB ausgeschlossen. Nimmt der Besteller ein mangelhaftes Werk ab, obschon er den Mangel kennt, so stehen ihm die in § 634 Nr. 1 bis 3 BGB bezeichneten Rechte nur zu, wenn er sich seine Rechte wegen des Mangels bei der Abnahme vorbehält. Ein solcher Vorbehalt ist hier zwar nicht erfolgt. Der Kläger kannte aber den Mangel zum maßgebenden Zeitpunkt der (konkludenten) Abnahme nicht. Denn zur Annahme der Kenntnis des Mangels genügt es nicht, dass der Kläger wusste, dass die Beklagte zu 1) ein zu geringes Gefälle erstellt hat. Maßgeblich ist vielmehr die Kenntnis, dass das zu niedrige Gefälle mitursächlich für den beeinträchtigten Wasserabfluss der Terrasse geworden ist. Dies jedoch hätten nach den sachverständigen Feststellungen lediglich Fachleute erkennen können. Dass der Kläger über eine solche Fachkompetenz verfügt hat, ist nicht ersichtlich. Vielmehr legt die Beauftragung eines Architekten und sämtlicher zur Sanierung erforderlichen Gewerke das Gegenteil nahe. Schließlich ist selbst die Beklagte zu 3) als über entsprechendes Fachwissen verfügende Planerin im Zeitpunkt der (konkludenten) Abnahme des Werks der Beklagten zu 1) weder von einem mangelhaften Gefälle noch von einer Funktionsuntauglichkeit der Entwässerung der Terrasse ausgegangen, denn mit Schreiben vom 26. Juli 2010 rügte sie lediglich einen kleinen Teilabschnitt des Estrichs vor der Attika, nicht aber das ihrer Planung entsprechende Gefälle an sich. Letztlich ist der sachverständig festgestellte Mangel erstmals in Erscheinung getreten, als sich die Mangelfolgen auf der Terrasse des Klägers zeigten (Pfützenbildung, Ausblühungen). Insoweit erfolgte auch die Mängelrüge erstmals im Jahre 2012, mithin ca. 2 Jahre nach Herstellung des Estrichs bzw. der Terrasse. Zum maßgebenden Zeitpunkt der Abnahme im Jahre 2010 war der Mangel deshalb für den Kläger nicht erkennbar.

bb) Die Berufung hat allerdings insoweit Erfolg, als dass der Anspruch des Klägers gegen die Beklagte zu 1) um insgesamt 2/3 – und nicht wie vom Landgericht vertreten um 50 % – zu kürzen ist. Im Verhältnis zu der Beklagten zu 1) als bauausführendes Unternehmen muss sich der Kläger das Mitverschulden seines Architekten – der Beklagten zu 3) – anspruchskürzend entsprechend § 254 BGB in Höhe von 2/3 zurechnen lassen.

(1) Der Besteller haftet für das Verschulden von Erfüllungsgehilfen nach allgemeinen Grundsätzen, § 278 BGB. Ausgehend hiervon entspricht es der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung, dass sich der Besteller gegenüber dem in Anspruch genommenen Bauunternehmer das Planungsverschulden der von ihm eingesetzten Fachleute zurechnen lassen muss (vgl. BGH, Urteil vom 13. September 2001 – VII ZR 392/00, Rn. 21; BGH, Urteil vom 16. Oktober 2014 – VII ZR 152/12, Rn. 24). Dem Besteller obliegt es grundsätzlich, dem Unternehmer zuverlässige Pläne und Unterlagen zur Verfügung zu stellen. Bedient er sich für die ihm obliegenden Planungsaufgaben eines Architekten, ist dieser sein Erfüllungsgehilfe im Verhältnis zum Bauunternehmer, so dass der Besteller für das Verschulden des Architekten einstehen muss (vgl. BGH, Urteil vom 27. November 2008 – VII ZR 206/06; BGH, Urteil vom 24. Februar 2005 – VII ZR 328/03, BauR 2005, 1016, 1018).

Ein auf Seiten des Bestellers mitwirkendes Verschulden ist dabei gemäß §§ 254, 242 BGB auch gegenüber einem ein Verschulden nicht erfordernden Anspruch auf Mängelbeseitigung zu berücksichtigen (vgl. BGH, Urteil vom 16. Oktober 2014 – VII ZR 152/12, Rn. 24). Nichts anderes gilt dann für den – ein Verschulden ebenfalls nicht erfordernden – Anspruch auf Kostenvorschuss (vgl. Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, Urteil vom 17. Dezember 2015 – 4 U 140/14, Rn. 86).

(a) So liegt es auch hier. Der Beklagten zu 3) war im Rahmen des erteilten Architektenauftrags die Planung der Sanierung der hofseitigen Terrasse einschließlich Geländerkonstruktion und Treppen von der Ausführungsplanung bis hin zur Vergabe und der Bauüberwachung in Auftrag gegeben worden (vgl. Ziff. 3 des Architektenvertrages vom 5. Mai 2010). Die Beklagte zu 3) war mithin vertraglich verpflichtet, eine Ausführungsplanung für die Terrassenanlage, welche als Bauwerk zu qualifizieren ist (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 25. April 2019 – 5 U 91/18), zu erstellen und zwar nach Maßgabe der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure in der Fassung von 2009 (nachfolgend HOAI 2009), die gemäß Ziff. 2 des Architektenvertrages vom 5. Mai 2010 Vertragsgrundlage geworden ist.

Die vollständige Ausführungsplanung im Sinne des § 33 HOAI 2009 beinhaltet die zeichnerische Darstellung des Objekts mit allen für die Ausführung notwendigen Einzelangaben (Kniffka/Koeble, Teil 10 Formen des Bauens und Vertragsarten; Baumodelle und Bauträgervertrag, Rn. 379), so dass auf Grundlage der ausführungsreifen Ausführungsplanung zunächst Leistungspositionen beschrieben sowie Mengen und Massen ermittelt werden können und schließlich auch die Bauausführung durch einen Unternehmer ermöglicht wird (vgl. Fuchs/Berger/Seifert/Seifert/Fuchs, 3. Aufl. 2022, HOAI § 34 Rn. 172).

Diese Pflicht zur Erstellung der Ausführungsplanung hat die Beklagte zu 3) schuldhaft verletzt. Sie hat eine solche detaillierte Ausführungsplanung nicht vorgelegt, wie der Sachverständige S. ausdrücklich festgestellt hat (vgl. GA vom 26. März 2019, S. 35, Bl. 1020, IV). Im Rahmen der Architektenplanung fehlte die erforderliche Planung des Gefälles (GA vom 6. Mai 2022, S. 29, Anlagenband), konkrete Angaben zum Gefälleestrich wie Dicke und Verlauf (GA vom 26. März 2019, S. 7, Bl. 1006, IV) und zum anzuwendenden Material (Spezialestrich ab 0 mm, vgl. GA vom 26. März 2019, S. 8, Bl. 1013, IV). Insgesamt mangelte es der Planung der Beklagten zu 3) auch an Angaben zur Abdichtung (Lagen, Material) und zur Dampfsperre sowie am Hinweis auf die erforderliche Drainageschicht oder den Drainagemörtel (vgl. GA vom 26. März 2019, S. 9, S. 36, Bl. 1007, 1020R).

(b) Darüber hinaus hat die Beklagte zu 3) ihre Pflicht aus § 633 Abs. 1 BGB, dem Kläger ihr Werk frei von Mängeln zu verschaffen, schuldhaft verletzt, indem sie einen Terrassenaufbau plante, der zu einer unzureichenden Entwässerung der Terrasse führte.

Das Architektenwerk besteht aus den zwischen den Vertragsparteien vereinbarten und damit vom Architekten zu erfüllenden Teilleistungen, den “Arbeitsschritten als Teilerfolg des geschuldeten Gesamterfolges” (vgl. BGH, Urteil vom 13. Januar 2005 – VII ZR 15/04, BauR 2004, 1460). Der Gesamterfolg wiederum beinhaltet das “mangelfreie Entstehenlassen eines Bauwerkes” (vgl. Messerschmidt/Voit, I. Teil. C. Besonderheiten einzelner Werkvertragstypen, Rn. 82 m.w.N.), mithin die Planung eines funktionstauglichen durch die jeweiligen Gewerke herzustellenden Werks. Die von der Beklagten zu 3) geplante Terrasse war jedoch im Hinblick auf die Entwässerung, wie bereits dargelegt, funktionsuntüchtig – also mangelhaft.

Diesen Mangel hat die Beklagte zu 3) auch zu vertreten, denn nach den sachverständigen Feststellungen hätte die Beklagte zu 3) bei einer fachgerechten Ausführungsplanung erkennen müssen, dass der gewünschte Terrassenaufbau des Klägers bei der vorhandenen Baukonstruktion (Bestandsgebäude) nicht funktioniert. Es hätten im Grundsatz mehrere Varianten zur Herstellung einer Terrasse mit ordnungsgemäß funktionierender Entwässerung zur Verfügung gestanden, wie vom Sachverständigen S. und dem Parteisachverständigen J. aufgezeigt und im Hinweisbeschluss des Landgerichts vom 6. Mai 2021 (Bl. 1242ff., V) zutreffend erörtert. Es fehlte seitens der Beklagten zu 3) insoweit auch ein entsprechender Hinweis bzw. eine Bedenkenanmeldung gegenüber dem Kläger (vgl. GA vom 6. Mai 2022, S. 29, Anlagenband).

(2) Dieses Verschulden der Beklagten zu 3), das mitursächlich geworden ist auch für das mangelhafte Werk der Beklagten zu 1), muss sich der Kläger nach §§ 278, 254 BGB anspruchsmindernd zurechnen lassen.

Dies gilt jedoch nicht für ein etwaiges Überwachungsverschulden der Beklagten zu 3) (vgl. BGH, Urteil vom 18. April 2002 – VII ZR 70/01, NZBau 2002, 514), denn insoweit ist der Architekt nicht Erfüllungsgehilfe des Bauherrn, weil dieser dem Unternehmer im Rahmen des Bauvertrages keine Beaufsichtigung schuldet, der Unternehmer also keinen Anspruch auf ordnungsgemäße Beaufsichtigung durch den Architekten hat (vgl. BGH, NJW 1972, 447 (448); BGH NJW 1978, 643; BauR 1982, 514 (516); BGH NJW 1985, 2475). Der Unternehmer ist mithin – anders als bei den Bauplänen – zur Herstellung seines Werks nicht auf den Einsatz einer Bauüberwachung angewiesen.

Aus dem gleichen Grund stellen auch die übrigen vom Kläger beauftragten Gewerke keine Erfüllungsgehilfen des Klägers dar, so dass auch in Bezug auf deren Leistung die Zurechnung eines etwaigen Verschuldens nach §§ 278, 254 BGB ausscheidet (vgl. BGH, Urteil vom 8. Juli 1982 – VII ZR 314/81, NJW 1983, 875; BGH, Urteil vom 27. Juni 1985 – VII ZR 23/84, NJW 1985, 2475; BGH, Urteil vom 21. Oktober 1999 – VII ZR 185/98, NJW 2000, 1336).

(3) Liegt ein Mitverschulden des Geschädigten wie hier vor, hängt der Umfang der Ersatzpflicht von einer Abwägung der Umstände des Falls ab, wobei insbesondere auf das Maß der beiderseitigen Verursachung abzustellen ist und erst in zweiter Linie auf das Maß des beiderseitigen Verschuldens. Es kommt für die Haftungsverteilung wesentlich darauf an, ob das Verhalten des Schädigers oder das des Geschädigten den Eintritt des Schadens in erheblich höherem Maße wahrscheinlich gemacht hat (vgl. BGH, NJW-RR 2000, 272; NJW 1998, 1137; NJW 2009, 582). Die jeweilige Quote ist nach den Umständen des Einzelfalls im Rahmen der tatrichterlichen Würdigung zu bemessen (vgl. BGH NJW 1969, 653), die dem Senat auf Grundlage der hier unstreitigen und bewiesenen Tatsachen obliegt. Eine Bindung an die vom Sachverständigen S. eingeschätzte Haftungslage besteht dabei nicht.

Unter Würdigung der vorliegenden Gesamtumstände erachtet der Senat im Streitfall eine Haftungsverteilung von 1/3 zu 2/3 zu Lasten des Klägers als angemessen. Der Verursachungsbeitrag der Beklagten zu 3), den sich der Kläger im Verhältnis zur Beklagten zu 1) anspruchskürzend zurechnen lassen muss, wiegt gerade mit Blick auf die fehlerhafte und unzureichende Planungsleistung der Beklagten zu 3) deutlich schwerer als der Verursachungsbeitrag der Beklagten zu 1). Schließlich schuldete die Beklagte zu 3) als Architektin im Rahmen der Ausführungsplanung gerade die detaillierte Planung, Koordinierung der einzelnen Gewerke und Vorbereitung der Ausführung der Bauleistungen mit allen dafür erforderlichen Einzelangaben. Die Architektenleistung war mithin der Ausgangspunkt für alle danach anschließenden Leistungen der jeweiligen Gewerke, die im Zweifel gar nicht im standen waren, die Vor- und Nachleistungen der anderen Gewerke in Gänze zu überblicken. Dies zeigt sich nicht zuletzt auch daran, dass jedes beauftragte Gewerk einen ursächlichen Beitrag zu den an der Terrassenoberfläche beanstandeten Mängeln geleistet hat (vgl. Gutachten vom 24. Juli 2020, Bl. 1118, V, und vom 6. Mai 2022, S. 29, Anlagenband).

Gleichwohl erscheint es auch nicht angemessen, die Haftung der Beklagten zu 1) gänzlich zurücktreten zu lassen. Bei der Abwägung der Verursachungsanteile ist zu berücksichtigen, dass die Verletzung von Prüfungs- und Hinweispflichten des Werkunternehmers nicht bagatellisiert werden darf, weil diese in der Regel eine gewichtige Ursache für den Schaden am Bauwerk darstellen (vgl. BGH, Urteil vom 27. November 2008 – VII ZR 206/06, Rn. 39). Eine einseitige Haftungsverteilung zu Lasten des Planers ist deshalb nicht angemessen, weil der Auftragnehmer auf diese Weise letztlich aus der Verantwortung genommen würde, obwohl er selbst seine Bedenkenhinweispflicht nicht erfüllt hat (vgl. BGH Urteil vom 24. Februar 2005 – VII ZR 328/03, Rn. 40 ff.). Denn wäre die Beklagte zu 1) ihrer Prüfungs- und Mitteilungspflicht hinsichtlich des zu geringen Gefälles und der unzureichenden Planung der Beklagten zu 3) hinreichend nachgekommen, hätte die Sanierungsplanung auf die geäußerten Bedenken hin noch rechtzeitig vor Bauausführung erstellt und entsprechend geändert und der jetzt entstandene, mangelhafte Zustand womöglich verhindert werden können. Der Senat erachtet deshalb eine Mithaftung der Beklagten zu 1) in Höhe von 1/3 für angemessen.

cc) Die vom Landgericht bezifferte Höhe des Kostenvorschussanspruchs, der sich nach den voraussichtlichen oder mutmaßlichen Kosten der Mängelbeseitigung berechnet (vgl. BGH, Urteil vom 22. Februar 2001 – VII ZR 115/99, NJW-RR 2001, 739; BGH, Urteil vom 24. Oktober 1996 – VII ZR 98/94, NJW-RR 1997, 339 (340); BGH, Urteil vom 5. Mai 1977 – VII ZR 36/76, NJW 1977, 1336, 1338), hat die Beklagte zu 1) nicht den Anforderungen des § 520 Abs. 3 ZPO entsprechend angegriffen. Insoweit hat die Beklagte zu 1) zur Höhe der Kosten lediglich ausgeführt, dass die Schätzung des Landgerichts “nicht rechtsfehlerfrei” erfolgt sei, ohne konkrete Anhaltspunkte aufzuzeigen, die an der Richtigkeit der landgerichtlichen Ausführungen zweifeln lassen.

Die Entscheidung begegnet im Übrigen unter diesem Gesichtspunkt aber auch keinen Bedenken. Das Landgericht hat mit Hinweisbeschluss vom 6. Mai 2021 (Bl. 1242, V) umfassend und zutreffend dargelegt, dass als Nachbesserungsmaßnahme im Rahmen des Kostenvorschusses von den durch den Sachverständigen S. und dem Parteisachverständigen J. insgesamt drei aufgezeigten Sanierungsvarianten allein die Variante des Herrn J. geeignet ist, die Mängel entsprechend dem vertraglich geschuldeten Zustand zu beseitigen. Auf dieser Grundlage hat der Sachverständige S. den voraussichtlichen Mängelbeseitigungsaufwand, der sog. Sowieso-Kosten nicht enthält, auf ca. 25.000 Euro brutto beziffert (vgl. GA vom 6. Mai 2022, S. 8 – 11, Anlagenband). Auf diese sachverständig festgestellten voraussichtlichen Kosten hat sich auch das Landgericht gestützt zuzüglich eines nicht zu beanstandenden ca. 30%igen Aufschlags wegen der Kostensteigerung, auf den auch der Sachverständige S. hingewiesen hat (vgl. GA vom 6. Mai 2022, S. 11: bis zu 40 % Abweichung).

Soweit die Beklagte zu 1) in der Berufungsbegründung zu den Reinigungskosten als Sowieso-Kosten vorträgt, beziehen sich diese auf die Ausblühungen auf den Steinplatten. Solche Reinigungskosten sind aber in der sachverständigen Kostenschätzung schon nicht enthalten. Vielmehr sind die Natursteinplatten insgesamt zu ersetzen. Ebenso wenig ist ein sog. Abzug Neu für Alt vorzunehmen, denn der Gewährleistungsanspruch des Auftraggebers hat eine Werkleistung zum Gegenstand, die der Auftragnehmer neu und mängelfrei zu erbringen hatte. Die zwischenzeitliche unvermeidliche Nutzung der Terrasse ermöglicht gerade nicht deren vertraglich geschuldeten, unbeeinträchtigten Gebrauch. Daher sind auch ggf. ersparte Renovierungsaufwendungen nicht in Abzug zu bringen (vgl. BGH NJW 1984, 2457).

dd) Die dem Kläger im Rahmen eines Schadenersatzanspruchs nach §§ 280, 281, 634 Nr. 4, 633, 631 BGB zuzusprechenden und vom Landgericht auf 2.500 Euro geschätzten Kosten für den Parteigutachter J. hat die Berufung nicht beanstandet.

ee) Insgesamt ergibt sich damit eine vom Landgericht zutreffend ermittelte Gesamtforderung des Klägers in Höhe von 37.500,00 Euro, wovon der Kläger jedoch wegen des ihm anzurechnenden Mitverschuldens in Höhe von 2/3 lediglich einen Anteil in Höhe von 1/3, mithin 12.500,00 Euro, beanspruchen kann und zwar gemäß § 288 Abs. 1 BGB nebst Zinsen seit dem 30. November 2015.

ff) Da die übrigen am Bauvorhaben beteiligten Gewerke gesamtschuldnerisch haften und der Kläger grundsätzlich frei wählen kann, welchen Gesamtschuldner er in Anspruch nehmen will, ist der Beklagten zu 1) mangels Anhaltspunkten für ein rechtsmissbräuchliches Verhalten des Klägers im Hinblick auf die bisher nicht in Anspruch genommenen Dachdecker und Plattenleger auch der Einwand versagt, der Kläger hätte sich durch rechtzeitigen Zugriff bei dem im Innenverhältnis verpflichteten Gesamtschuldner befriedigen können und müssen (vgl. BGH, WM 1967, 397 (398); NJW 1983, 1423 (1424); WM 1984, 906). Deshalb steht hier auch das Rechtskonstrukt der sog. gestörten Gesamtschuld dem Anspruch des Klägers gegen die Beklagte zu 1) nicht entgegen, zumal der Kläger bereits mit Schriftsatz vom 29. Oktober 2019 (Bl. 1079, IV) erklärt hat, keine Zahlungszusagen von Seiten anderer Gewerke erhalten zu haben.

b) Soweit nach Maßgabe der vorstehenden Ausführungen die Klage gegen die Beklagte zu 1) ursprünglich zulässig und begründet war, ist sie durch die Zahlung der Beklagten zu 3) gemäß § 422 Abs. 1 S. 1 BGB unbegründet geworden, da danach die Erfüllung durch einen Gesamtschuldner auch für die übrigen Schuldner wirkt und die Beklagte zu 1) als Werkunternehmerin und die Beklagte zu 3) als Architektin Gesamtschuldner sind (vgl. BGH, Urteil vom 19. Dezember 1968 – VII ZR 23/66, NJW 1969, 653). Insofern ist die Erledigung der Hauptsache festzustellen. Die Berufung ist in diesem Maße unbegründet.

3. Die Berufung gegen den Feststellungsantrag zu 3) hat ebenfalls nur insoweit Erfolg, als dass sie zur Feststellung der Einstandspflicht der Beklagten zu 1) für weitere Mängelbeseitigungskosten in Bezug auf den Gefälleestrich im Umfang von 1/3 führt.

a) Die Feststellungsklage zu 3) ist zulässig. Der Kläger hat ein Feststellungsinteresse hinsichtlich der Einstandspflicht der Beklagten zu 1) für weitere Kosten im Zusammenhang mit der Herstellung eines ordnungsgemäßen Gefälleestrichs. Auch wenn neben der Vorschussklage eine Feststellungsklage zum Zwecke der Verjährungsunterbrechung entbehrlich ist (vgl. BGH NJW 1976, 956; BGH, NJW-RR 1986, 1026), ist der Besteller nicht gehindert, neben der Vorschussklage Feststellungsklage wegen des übersteigenden Betrags zu erheben (vgl. BGH, NJW-RR 1986, 1026), doch hat das lediglich klarstellende Bedeutung (vgl. BGH NJW-RR 1989, 208; BGH NJW 2009, 60). Ein rechtliches Interesse für eine neben einer Leistungsklage erhobene Feststellungsklage ist immer dann gegeben, wenn der entstandene oder noch entstehende Schaden nicht bereits in vollem Umfang durch den Antrag auf Zahlung erfasst wird (vgl. BGH NJW 1952, 740). Der Besteller, der nicht zu überblicken vermag, ob der von ihm verlangte Vorschuss für die Mängelbeseitigung ausreicht, kann deshalb nicht gehindert werden, ergänzend die den Vorschuss übersteigende Kostentragungspflicht des Unternehmers feststellen zu lassen (vgl. BGH NJW-RR 1986, 1026).

b) Der Feststellungsantrag zu 3) ist auch in dem zuerkannten Umfang von 1/3 begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte zu 1) – wie zuvor erörtert – dem Grunde nach einen Anspruch auf Zahlung eines Kostenvorschusses aus §§ 634 Nr. 2, 637 Abs. 3 BGB und muss daher auch für die weiteren noch nicht bezifferbaren Kosten zur Mängelbeseitigung im Zusammenhang mit der Herstellung eines ordnungsgemäßen Gefälleestrichs einstehen. Allerdings beschränkt sich die Einstandspflicht der Beklagten zu 1) aus den dargelegten Gründen auf 1/3.

3. Im Übrigen ist die Berufung begründet und führt insoweit zur Abweisung der gegen die Beklagte zu 1) gerichteten Klage.

OLG Celle zu der Frage, ob ein Vergleich zwischen AG und AN dessen Nachunternehmer bindet

OLG Celle zu der Frage, ob ein Vergleich zwischen AG und AN dessen Nachunternehmer bindet

vorgestellt von Thomas Ax

Bei der Frage, ob der Hauptauftragnehmer berechtigt ist, die aus einem Vergleichsschluss mit seinem Auftraggeber resultierenden Kosten an seinen Nachunternehmer “weiterzugeben”, ist auf den Zeitpunkt des Vergleichsschlusses abzustellen. Es ist zu fragen, ob der Entschluss zur vergleichsweisen Einigung adäquat-kausal auf die Mängel des Nachunternehmerwerks zurückzuführen ist und der Vergleichsschluss nach dieser Maßgabe angemessen war.
Es ist dem Hauptauftragnehmer nicht zuzumuten, gleichsam zugunsten des Nachunternehmers einen teuren Prozess mit ungewissem Ausgang zu betreiben und dabei Gefahr zu laufen, neben den Sanierungskosten auch noch die Prozesskosten und die Mangelfolgeschäden ersetzen zu müssen.
OLG Celle, Urteil vom 22.09.2022 – 5 U 142/21 

Gründe:

I.

Die Klägerin macht als Hauptunternehmerin gegen die Beklagte, ihre Subunternehmerin, Schadensersatz mit der Behauptung geltend, wegen mangelhafter Werkleistungen der Beklagten habe sie sich mit ihrer Auftraggeberin, der Bauherrin, zur Abwendung von Gewährleistungsansprüchen vergleichsweise auf eine Zahlung von 300.000 Euro einigen müssen.

Wegen des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf das landgerichtliche Urteil (Blatt 469 ff.) Bezug genommen.

Das Landgericht hat nach Beweisaufnahme der Klage stattgegeben. Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung, mit der sie ihren Klageabweisungsantrag weiterverfolgt.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts Verden, Aktenzeichen 5 O 364/19, teilweise abzuändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Verden vom 8. Juli 2021 (5 O 364/19) zurückzuweisen.

Die Beiakten 4 OH 9/15 Landgericht Verden lagen vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen des weiteren Vortrages der Parteien wird auf deren Schriftsätze und Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Berufung der Beklagten ist zulässig, bleibt in der Sache jedoch – bis auf die Höhe des zuerkannten Zinssatzes – ohne Erfolg. Das Landgericht hat die Beklagte zu Recht zur Zahlung der Vergleichssumme in Höhe von 300.000 Euro sowie der Gutachterkosten verurteilt.

Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Ersatz dieses Schadens gemäß §§ 631, 634 Nummer 4, 280 Abs. 1, 3, § 281 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 13 Abs. 7 Nr. 3 VOB/B zu.

1. Es handelt sich um einen Anspruch auf Ersatz eines Mangelfolgeschadens. Die Klägerin als Auftraggeberin hat gegen die Beklagte als ihrer Auftragnehmerin nicht nur einen (primären) Gewährleistungsanspruch wegen der Mängel am Gewerk selbst, sondern auch auf Ersatz des Schadens, der der Klägerin dadurch entstanden ist, dass sie sich mit ihrer Auftraggeberin wegen der mangelhaften Werkleistung der Beklagten vergleichsweise auf Zahlung von 300.000 Euro einigte.

a) Die Werkleistung der Beklagten war mangelhaft, § 633 Abs. 2 BGB.

aa) Dies nimmt die Beklagte dem Grunde nach nicht in Abrede, sondern wendet insoweit lediglich u.a. ein, es seien nicht sämtliche Flügel des Bauvorhabens betroffen, eine Sanierung aller Außenputzflächen gerade nicht erforderlich. Der Sachverständige habe das falsche Flächenmaß zugrundegelegt. Die Flächen des Bauteils F seien mangelfrei.

Auch der von ihr privat beauftragte Sachverständige Dipl.-Ing. O. kommt in seinen Stellungnahmen vom 2. und 3. März 2017, (Blatt 600 ff., 672 ff. d. BA) zu dem Ergebnis mangelhafter Leistungen, jedoch mit einem deutlich geringeren Sanierungsaufwand.

bb) Im Übrigen hat das Landgericht verfahrensfehlerfrei festgestellt, dass die Leistung der Beklagten in großem Umfang mangelbehaftet ist [siehe dazu unten 1. c) bb) (1) und (2) ]. An diese Feststellungen ist der Senat gebunden, § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, denn es bestehen keine konkreten Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit begründen.

b) Die Beklagte hatte ihr Nachbesserungsrecht verloren, bevor die Klägerin sich mit ihrer Bauherrin einigte. Bereits mit Datum vom 29. September 2014 (Blatt 27, 48 der Beiakten) setzte die Klägerin der Beklagten unter Hinweis auf bestimmte Mangelerscheinungen Fristen. Auch das Abnahmeprotokoll vom 9. Oktober 2014 enthält solche.

Angesichts des durchgehenden Bestreitens, ihre Leistungen zeigten (erhebliche) Mängel, wäre eine weitere Fristsetzung zudem reine Förmelei, § 281 Abs. 2, § 323 Abs. 2 Nummer 1, § 636 BGB.

c) Der Vergleichsschluss der Klägerin mit ihrer Auftraggeberin war – als durch die Mängel herausgeforderte, wirtschaftlich vernünftige Reaktion – angemessen und auch der Höhe nach nicht zu beanstanden.

aa) Bei der Frage, ob die Klägerin berechtigt ist, die aus dem Vergleichsschluss resultierenden Kosten an die Beklagte “weiterzugeben”, ist auf den Zeitpunkt des Vergleichsschlusses abzustellen. D.h., es ist zu fragen, ob der Entschluss der Klägerin, sich mit der Bauherrschaft zu einigen, adäquat kausal auf die Mängel an dem Gewerk der Beklagten zurückzuführen sind und der Vergleichsschluss nach dieser Maßgabe angemessen war. Es kommt mithin nicht im Einzelnen darauf an, ob und welche Flächen in welchem Maß (Oberputz oder auch Unterputz?) tatsächlich betroffen waren, welcher Beseitigungsaufwand tatsächlich erforderlich gewesen wäre und ob die Bauherrin die Mängel zwischenzeitlich tatsächlich hat beseitigen lassen oder dies nicht beabsichtigt.

Nach dieser Maßgabe ist die Klägerin berechtigt, sich wegen der gesamten Kosten des Vergleichs bei der Beklagten “schadlos” zu halten. Entscheidend ist, dass die Klägerin dieses Prozesses auf der Grundlage der im selbständigen Beweisverfahren eingeholten Gutachten und Stellungnahmen davon ausgehen musste, die Feststellungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen – die gesamte Fassade sei zu erneuern – hätten in einem streitigen Verfahren zwischen ihr und ihrer Auftraggeberin Bestand, und zwar gleichermaßen hinsichtlich der Feststellungen zu den Baumängeln als auch hinsichtlich der Höhe der Mangelbeseitigungskosten.

Eine solche Annahme der Klägerin war berechtigt. Eine Beweiserhebung darüber, dass die Mängel und damit die Sanierungskosten – angeblich – deutlich geringer ausgefallen wären, als dies der gerichtlich beauftragte Sachverständigen im selbständigen Beweisverfahren ermittelt hatte, wäre erst dann geboten, wenn sich aus Sicht der Klägerin dieses Prozesses etwa hätte aufdrängen müssen, dass die Feststellungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen fehlerhaft gewesen wären. Dies ist jedoch nicht der Fall. Im Gegenteil: Das Landgericht hat sich mit überzeugender, detaillierter und sorgfältiger Begründung den Feststellungen des Sachverständigen angeschlossen. Der Senat tritt diesen Erwägungen bei.

Unter Beteiligung der Beklagten (Streithelferin der hiesigen Klägerin) wurde in dem vorangegangenen selbständigen Beweisverfahren (4 OH 9/15 LG Verden) umfangreich unter Beteiligung mehrerer Sachverständiger der Frage nachgegangen, ob und in welchem Umfang die Leistungen der hiesigen Beklagten mangelhaft sind und welcher Sanierungsaufwand erforderlich ist. Dem Ergebnis des selbständigen Beweisverfahrens hat die Klägerin nachvollziehbarer Weise entnommen, dass auch in einem Hauptsacheverfahren zwischen ihr und der Bauherrin festgestellt wird, dass die Leistungen der hiesigen Beklagten, und damit – im Verhältnis zur Haupt-Auftraggeberin – auch die Leistungen der hiesigen Klägerin in großem Umfang mangelhaft sind. Die Umstände, die zu einer solchen Einschätzung führen mussten, waren der Beklagten bekannt. Sie war nicht nur an dem selbständigen Beweisverfahren als Streithelferin beteiligt, unstreitig fanden nach der mündlichen Erläuterung der Gutachten am 8. Juni 2017 vor dem Landgericht Verden (Sitzungsprotokoll Blatt 788 ff der BA) auch Gespräche zwischen den Hauptbeteiligten statt, nämlich zwischen der Klägerin und der Haupt-Auftraggeberin einerseits und den Parteien des vorliegenden Rechtsstreits andererseits zur Frage einer einvernehmlichen Erledigung.

bb) Abgesehen davon hätten die Einwendungen der Beklagten auch in der Sache keinen Erfolg:

(1) Das Landgericht hat verfahrensfehlerfrei festgestellt, dass die Leistung der Beklagten gravierend mangelbehaftet ist, weil nicht nur der Oberputz die gerügten Erscheinungen aufweist, sondern auch die Gefahr besteht, dass der Unterputz – jedenfalls in Teilen – ebenfalls auszubessern ist. Der gerichtlich bestellte Sachverständige St. hat sich im selbständigen Beweisverfahren mit sämtlichen bis dahin geäußerten Einwendungen auseinandergesetzt, insbesondere auch mit denen aus dem Privatgutachten des Sachverständigen O.. Dessen Feststellungen waren (und sind) insgesamt nicht geeignet, die tragenden Erwägungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen zu erschüttern. Zum einen nennt der Sachverständige O. seine Feststellungen “einstweilig”, zum anderen räumt er selbst ein, dass der von ihm vorgeschlagene Egalisierungsanstrich die Risse nur kaschiert. Darauf musste sich die Bauherrin nicht einlassen. Zudem entspricht ein solcher Anstrich nicht dem Vertragssoll.

Der gerichtlich beauftragte Sachverständige hat dagegen überzeugend ausgeführt, auch der Unterputz entspreche nicht den vertraglichen Vorgaben, er halte es gleichwohl nicht für ratsam, ihn komplett zu entfernen, weil dadurch weitere Probleme auftreten könnten.

Das Landgericht hat sich mit den Einwendungen der Beklagten detailliert, sorgfältig und plausibel auseinandergesetzt und nachvollziehbar ausgeführt, dass und warum es den Angaben des gerichtlich bestellten Sachverständigen St. folgt. Der Senat tritt den Erwägungen des Landgerichts bei.

(2) In dem selbständigen Beweisverfahren ist im Rahmen der mündlichen Erläuterung des Gutachtens (Sitzungsprotokoll vom 8. Juni 2017, Blatt 788 ff. BA = Blatt 174 ff.) ausdrücklich über die Fläche gesprochen worden; der Sachverständige nennt sie “genau genommen 3400 m²” (Blatt 177). Einen Vorhalt der Beklagten dazu gab es nicht und wäre auch näher zu erläutern gewesen, denn die Fläche ergibt sich aus dem Leistungsverzeichnis (3400 m²), das den Arbeiten der Beklagten zugrunde lag.

In ihrer Klageerwiderung, auf die die Beklagte sich in ihrer Berufungsbegründung bezieht, hat sie sich darauf beschränkt, (schlicht) zu bestreiten, dass die Mängel die Fassaden aller Flügel betreffen sollten. Eine Konkretisierung nimmt sie in der Klageerwiderung nicht vor, sondern wiederholt ihre Einwendungen aus dem selbständigen Beweisverfahren.

Das Landgericht hat den Vortrag der Beklagten hierzu in dem Schriftsatz vom 3. Juni 2021 (Blatt 417 ff.) zu Recht nicht berücksichtigt. Der Beklagten war Schriftsatznachlass gewährt worden auf neuen Vortrag der Klägerin in dem Schriftsatz vom 8. April 2021 (Blatt 320 ff.) Darin nimmt die Klägerin zu den Hinweisen des Landgerichts Stellung und wendet sich gegen den Vortrag der Beklagten, zum Beispiel zur Verjährung und zum Ergebnis des selbständigen Beweisverfahrens.

Die Beklagte versucht, den Schriftsatznachlass dazu zu verwenden, statt in der Klageerwiderung erst nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung konkrete Einwendungen gegen das Ergebnis des selbständigen Beweisverfahrens vorzubringen. Dieses Vorhaben scheitert. Denn das zu Recht gemäß § 296 a ZPO zurückgewiesen Vorbringen ist “neu” im Sinne des § 531 Abs. 2 Nummer 3 ZPO. Warum es der Beklagten nicht hätte möglich sein sollen, ihre Einwendungen früher geltend zu machen, ist nicht dargetan.

Auf die Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Präklusion von neuem Vorbringen nach vorangegangenem selbständigen Beweisverfahren möglich ist, kommt es hier nicht an, denn die Beklagte hat Einwendungen vorgebracht, die im Rahmen von Ergänzungsgutachten und einer mündlichen Erläuterung “abgearbeitet” wurden.

(3) Nur ergänzend weist der Senat darauf hin, dass die Beklagte aufgrund der Interventionswirkung der Streitverkündung die Feststellungen im selbständigen Beweisverfahren (Aktenzeichen 4 OH9 /15, Landgericht Verden) gegen sich gelten lassen muss. Insoweit macht sich der Senat die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts Verden im angefochtenen Urteil zu eigen, die die Beklagte mit der Berufung nicht weiter angegriffen hat.

cc) Entgegen der Ansicht der Beklagten stand dem Vergleichsschluss der Klägerin nicht die geänderte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur Frage, ob der Besteller wegen eines Mangels Schadensersatz in Höhe der fiktiven Mangelbeseitigungskosten fordern kann, entgegen.

Wie das Landgericht zutreffend entschieden hat, drohte der Klägerin jedenfalls eine Inanspruchnahme auf einen Kostenvorschuss in Höhe von rund 330.000 Euro brutto. Die damit verbundene “Chance” der Klägerin, von der Bauherrin nachträglich eine Abrechnung über den Vorschuss verlangen zu können und auf einer Verwendung des Vorschusses für die Mangelbeseitigung binnen einer angemessenen Frist bestehen zu können, bewertet der Senat wirtschaftlich nicht als derart gewichtig, dass die Entscheidung der Klägerin, sich in einer Höhe von 300.000 Euro zu vergleichen, als unvernünftig anzusehen ist. Im Gegenteil bewahrte die Klägerin sich selbst (und im Ergebnis auch die Beklagte) durch den Abgeltungsvergleich zugleich auch vor etwaigen Nachforderungen.

Daneben hat die Klägerin hinreichend deutlich gemacht, dass von Seiten der Bauherrin zusätzlich ein deutlich höherer Schadensersatzanspruch drohte, nämlich neben den reinen Sanierungskosten der entgangene Gewinn, wenn während der Zeit der Sanierung das Gebäude nicht bewohnbar ist. Ob dabei die von der Bauherrin gegenüber der Klägerin behaupteten Erlösausfälle in einem Umfang von über 2 Million Euro zutreffend ermittelt waren, kann dahingestellt bleiben. Denn die Vergleichssumme liegt bereits unter den Bruttosanierungskosten und lediglich ca. 20.000 Euro über den vom Sachverständigen ermittelten Nettosanierungskosten in Höhe von 279.602 Euro. Dass tatsächlich während der Sanierung des Gebäudes, das als psychiatrische Klinik genutzt wird, ein vorübergehender Nutzungsausfall einzelner Flügel des Gebäudes drohte, war keineswegs von der Hand zu weisen und von der Klägerin bei den Vergleichsverhandlungen als ernsthafte weitere Schadensfolge zu berücksichtigen.

Im Ergebnis war es der Klägerin unter diesen Umständen nicht zuzumuten, gleichsam zugunsten der Beklagten einen teuren Prozess zu betreiben mit ungewissem Ausgang und dabei Gefahr zu laufen, außer den Sanierungskosten Prozesskosten und Mangelfolgeschäden ersetzen zu müssen.

Nur ergänzend wird darauf hingewiesen, dass es der Beklagten unbenommen war, den gesamten Kostenanfall dadurch zu verhindern, dass sie zeitnah nach den Mängelanzeigen ihre Leistungen sach- und fachgerecht nachbessert.

d) Soweit die Beklagte bestreitet, die Bauherrin habe von der Vergütung einen Betrag in Höhe von 300.000 einbehalten, hat auch dieser Angriff keinen Erfolg. Die Klägerin hat den schriftlichen Vertrag zwischen der Bauherrin und ihr zu den Einbehalten (Blatt 188 ff.) und den Vergleich (Blatt 200 ff.) vorgelegt. Für die Schadensberechnung ist es irrelevant, ob die Beklagte 300.000 Euro an die Bauherrschaft gezahlt hat oder ob sie in dieser Höhe keinen Werklohn erhalten hat. Die Beklagte behauptet nicht die Unechtheit dieser Urkunden, die damit die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit genießen. Die Beklagte hat nicht dargetan, dass es sich bei diesen Vereinbarungen etwa um eine “schriftliche Lüge” handeln würde.

Die Beklagte ist auch dem Vortrag der Klägerin nicht entgegengetreten, dass die Parteien nach dem Erörterungstermin im selbständigen Beweisverfahren Vergleichsgespräche führten und zwar jeweils die Bauherrin mit der Klägerin und die Beklagte mit der Klägerin. Die Ausgangslage war der Beklagten damit bekannt, sodass konkretere Einwendungen erforderlich wären, um darzutun, dass und warum die 300.000 Euro sich entgegen den vertraglichen Vereinbarungen nicht auf die Putzarbeiten beziehen sollen.

e) Die von der Klägerin angesetzten Rechtsanwaltskosten sind nicht überhöht. Insoweit bezieht sich die Beklagte auf die Argumente in ihrer Klageerwiderung vom 16. März 2020 (Blatt 296). Hier differenziert die Beklagte jedoch nicht nach den einzelnen Rechnungen der Prozessbevollmächtigten der Klägerin (Anlagenkonvolut K 17 = Blatt 219 ff.). Es ist nicht ersichtlich, dass die Klägervertreter Gebühren abgerechnet hätten, deren Gebührentatbestände nicht angefallen oder deren Streitwert überhöht wäre. Das hat das Landgericht zutreffend ausgeführt, der Senat tritt den dortigen Erwägungen bei.

Auch mit dem Einwand, die Klägerin habe sich zu Unrecht auf eine Kostenaufhebung geeinigt, dringt die Beklagte nicht durch. Angesichts des drohenden Gesamtanspruchs, dem sich die Klägerin gegenübersah, ist die Kostenaufhebung nicht nur für die Klägerin, sondern – erst recht – für die Beklagte günstig.

2. Der Beklagten steht über den von der Klägerin bereits anerkannten Betrag in Höhe von 54.036,56 Euro kein weiterer Werklohn zu.

a) Ein solcher Anspruch war, wie das Landgericht zutreffend entschieden hat, in der Klageerwiderung nicht schlüssig dargetan. In ihrer Klageerwiderung behauptet die Beklagte schlicht eine noch offene Hauptforderung in Höhe von 83.197,88 Euro, ohne dies mit Tatsachenvortrag zu untermauern (Blatt 297). Da die Beklagte ausdrücklich erklärt hat, sie behalte sich die Möglichkeit einer etwaigen Aufrechnung vor (Blatt 298), muss sie eine solche im Anschluss ausdrücklich erklären, wenn der Vorbehalt entfallen und mit einem angeblich weiteren Werklohnanspruch aufgerechnet werden soll.

b) Zutreffend hat das Landgericht die weiteren Ausführungen zu einer offenen Restwerklohnforderung im Schriftsatz vom 3. Juni 2021 gemäß § 296a ZPO als präkludiert angesehen. Der Beklagten war zwar Schriftsatznachlass gemäß § 283 ZPO zu einem Schriftsatz der Klägerin vom 8. April 2021 gewährt worden; dieser Schriftsatz enthielt jedoch keine Ausführungen zur Gegenforderung der Beklagten. Das Vorbringen im nicht nachgelassenen Schriftsatz ist deswegen in der Berufungsinstanz als neues Vorbringen zu behandeln. Gründe für eine Zulassung des Vorbringens gemäß § 531 Abs. 2 ZPO sind nicht vorgetragen.

Lediglich ergänzend weist der Senat darauf hin, dass auch weiterhin ein Großteil der geltend gemachten Positionen nicht hinreichend substantiiert dargetan ist: In den ersten beiden Positionen akzeptiert die Beklagte die Kürzungen. Hinsichtlich der Position 10.0240 legt die Beklagte nicht dar, welche Arbeiten zusätzlich auf Anordnung der Klägerin ausgeführt sein sollen. Die Stundenzettel liegen nicht vor. Um welche “zusätzlichen bzw. nochmaligen” Arbeiten es sich handeln soll, ist nicht zu verstehen. Bei einem “nochmaligen” Abkleben müsste dargetan werden, dass es sich nicht um Nachbesserungsarbeiten handelt, die nicht gesondert zu vergüten sind. Ohne Darstellung, um welche Arbeiten genau es geht, ist gerade nicht zu entscheiden, ob sie zu vergüten sind, weil der in Rechnung gestellte Umfang erforderlich war. Hinsichtlich der Positionen 10.02 51-10.02 57 hat die Klägerin ersichtlich den angesetzten Einheitspreis beanstandet. Dazu verhält sich der Vortrag der Beklagten jedoch nicht.

Zur Position 10.0258 soll eine Kostenbelastung “im Vertragsverhältnis mündlich besprochen” worden sein. Da der Vortrag diesbezüglich nicht nachgelassen war, handelt es sich um neuen Vortrag in der Berufungsinstanz und eine Aufrechnung ist an § 533 ZPO zu messen. Dessen Voraussetzungen liegen nicht vor. Eine Zulassung ist gerade nicht sachdienlich, weil hierzu Beweis zu erheben wäre und der Rechtsstreit im Übrigen entscheidungsreif ist.

Zur Position 20.0 ist nicht dargetan, warum die Klägerin und die Bauherrin eine werksseitige Eintönung zusätzlich zu bezahlen hätten. Die Behauptung genügt nicht, es sei “im Vorhinein durch diverse Musterlegungen für die A. und das Krankenhaus entwickelt und festgelegt” worden.

In Position 6.1 macht die Beklagte entgangenen Gewinn wegen einer Reduzierung des Auftragsumfangs geltend und bezieht sich dabei auf eine Anlage B3 (Blatt 464), der man nichts dergleichen entnehmen kann. Im Übrigen gilt das soeben gesagte (§ 533 ZPO) entsprechend.

Dementsprechend fehlt auch jeder Anhaltspunkt dafür, dass die Klägerin Verzugszinsen aus der Schlussrechnung der Beklagten schulden sollte.

3. Dass die Forderung der Klägerin nicht verjährt ist, greift die Beklagte mit ihrer Berufung nicht an. Die Ausführungen des Landgerichts hierzu treffen zu. Da die Parteien eine Verjährungsfrist von vier Jahre und zwei Monaten vereinbarten, die Abnahme in 2015 erfolgte und Klage bereits im Jahr 2019 erhoben wurde, kommt es auf die Hemmung durch die Streitverkündung im selbstständigen Beweisverfahren nicht mehr an. Im Übrigen hat das Landgericht zutreffend ausgeführt., dass §§ 66 ff ZPO auch für das selbständige Beweisverfahren gelten.

4. Da die Beklagte eine zulässige Berufung eingelegt hat, ist von Amts wegen zu beachten, dass die Zinsforderung der Klägerin nicht 9 Prozentpunkte über Basiszinssatz beträgt, weil es sich nicht um eine Entgeltforderung, sondern um einen Schadensersatzanspruch handelt (Grüneberg/Grüneberg, BGB, 81. Aufl., § 288 Rn. 8, § 286 Rn. 27). Es bleibt daher bei 5 Prozentpunkten über Basiszinssatz.

Auf die Berufung der Beklagten war das landgerichtliche Urteil daher nur hinsichtlich der Höhe des Zinssatzes zu korrigieren und sie im Übrigen zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10, §§ 711, 709 Satz 2 ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor, § 543 ZPO.

KG zur Frage der Einordnung eines typengemischten Vertrages und des Anspruchs auf Bauhandwerkersicherheit

KG zur Frage der Einordnung eines typengemischten Vertrages und des Anspruchs auf Bauhandwerkersicherheit

vorgestellt von Thomas Ax

§ 650f BGB findet auf einen typengemischten Vertrag Anwendung, wenn er jedenfalls seinem Schwerpunkt nach ein Bauvertrag ist. Für die Abgrenzung von Kauf- und Werklieferungsverträgen einerseits und Werkverträgen andererseits ist maßgeblich, auf welcher der Leistungen bei der gebotenen Gesamtbetrachtung der Schwerpunkt liegt. Liegt der Schwerpunkt des Vertrags auf der mit dem Warenumsatz verbundenen Übertragung von Eigentum und Besitz, liegt ein Kauf- oder Werklieferungsvertrag vor. Liegt der Schwerpunkt des Vertrags dagegen nicht auf dem Warenumsatz, sondern schuldet der Unternehmer die Herstellung eines funktionstauglichen Werks, ist ein Werkvertrag anzunehmen (BGH, Urteil v. 30.08.2018 – VII ZR 243/17 – Rn. 25). Je mehr die mit dem Warenumsatz verbundene Übertragung von Eigentum und Besitz der zu montierenden Sache auf den Vertragspartner im Vordergrund steht und je weniger dessen individuelle Anforderungen und die geschuldete Montage- und Bauleistung das Gesamtbild des Vertragsverhältnisses prägen, desto eher ist die Annahme eines Kaufvertrags mit Montageverpflichtung geboten (BGH, Urteil v. 19.07.2018 – VII ZR 19/18 – Rn. 19). Dass der Warenwert einem Vielfachen der Montagekosten entspricht, steht der Annahme eines Werkvertrags bei der gebotenen Gesamtbetrachtung aber nicht entgegen (BGH, Urteil v. 30.08.2018, a.a.O., Rn. 30: Werkvertrag, auch wenn Warenwert dem Vierfachen der Montagekosten entspricht). Richtet sich in einem Vertrag mit Elementen von Kauf- und Werkvertrag die Vergütung des Leistungserbringers – insbesondere ihre Fälligkeit – nach dem Werkvertragsrecht, so spricht dies dafür, auch den Sicherungsanspruch des Bauunternehmers aus § 650f auf den Vertrag anzuwenden.
KG, Beschluss vom 29.10.2024 – 21 U 52/24
Gründe:

I.

Die Klägerin verlangt die Stellung einer Bauhandwerkersicherheit nach § 650f BGB.

Die Parteien schlossen am 28.04.2021 einen als “Werkvertrag über Bauleistungen als Pauschalvertrag” bezeichneten Vertrag über die Elektroinstallation in einem Hochhaus-Neubau mit einem Pauschalfestpreis von 1.950.000,00 EUR netto. Nach dem zugrundeliegenden Leistungsverzeichnis gehörten zum Leistungssoll auch Elektrobauteile. Hierzu zählten unter anderem Beleuchtungsanlagen mit einem Nettopreis von 700.257,35 EUR, wovon auf 255 Stehlampen ein Betrag von 506.530,- EUR netto entfiel, sowie Niederspannungsinstallations-Geräte mit einem Preis von 404.567,43 EUR netto.

Die Parteien streiten insbesondere über die rechtliche Einordnung des Vertrags verbunden mit der Frage, ob die Vergütungsansprüche der Klägerin über § 650f BGB sicherbar sind.

Hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes wird gemäß § 522 Abs. 2 Satz 4 ZPO auf den Tatbestand im angefochtenen Urteil des Landgerichts Berlin II vom 07.03.2024 Bezug genommen.

Das Landgericht hat der Klage auf Erbringung der Bauhandwerkersicherheit nach § 650f BGB stattgegeben. Der streitgegenständliche Vertrag sei bei der vorzunehmenden Gesamtwürdigung als Werkvertrag einzustufen, weil der Schwerpunkt auf der Herstellung einer funktionsfähigen Elektroinstallation nebst Beleuchtungsanlage und nicht auf dem bloßen Erwerb von Beleuchtungsmitteln und Elektrobauteilen liege. Dieser Werkvertrag sei zudem als Bauvertrag im Sinne von § 650a Abs. 1 Satz 1 BGB einzuordnen, weil die Elektroinstallationsarbeiten zum bestimmungsgemäßen Gebrauch des Neubaus erforderlich und von wesentlicher Bedeutung seien. Die Klägerin könne deshalb für die nicht gezahlte Vergütung aus dem streitgegenständlichen Bauvertrag Sicherheit nach § 650f BGB verlangen. Die von der Beklagten im Rahmen der Schlussrechnungsprüfung vorgenommenen Abzüge seien unberechtigt. Der Beklagten stehe kein Anspruch auf Zahlung einer Umlage wegen Baustellenkoordination in Höhe von 1 % der Nettoabrechnungssumme zu. Die in Ziff. IV.3. enthaltene Regelung verstoße als von der Beklagten gestellte Allgemeine Geschäftsbedingung (nachfolgend: AGB) gegen § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB und sei unwirksam. Die Beklagte sei mangels Anspruchsgrundlage auch nicht berechtigt, einen Abzug wegen nicht vorgelegter Bautenstandsberichte vorzunehmen.

Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung.

Die Beklagte rügt:

Der streitgegenständliche Vertrag sei nicht als Bauvertrag zu qualifizieren, so dass § 650f BGB keine Anwendung finde. Der Vertrag erweise sich vielmehr bezüglich des bloßen Erwerbs und der Lieferung von Leuchtmitteln als reiner Kaufvertrag gemäß § 433 Abs. 1 BGB. Mit Blick auf die Installation und Montage von Elektrokleinbauteilen handele es sich um einen Kaufvertrag mit Montageverpflichtung gemäß § 433 Abs. 4 BGB. Das Landgericht habe diesen typengemischten Vertrag fehlerhaft insgesamt als Werkvertrag angesehen. Richtigerweise seien aber die miteinander kombinierten Vertragstypen jeweils getrennt zu betrachten und unterfielen den jeweilig geltenden Regelungen. Die Lieferung von Beleuchtungsanlagen und Niederspannungsgeräten mache einen Anteil von 1.104.824,70 EUR und mithin über die Hälfte des Pauschalpreises von 1.950.000,- EUR aus. Die Umlage wegen Baustellenkoordination sei keine AGB, weil sie zwischen den Parteien ausgehandelt worden sei. Dies ergäbe sich aus den handschriftlichen Eintragungen im Verhandlungsprotokoll. Ferner unterliege die Regelung gemäß § 307 Abs. 3 BGB keiner Inhaltskontrolle. Darüber hinaus sei die Regelung für die Klägerin nicht nachteilig. Vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten habe das Landgericht nicht zusprechen dürfen, weil die Klägerin eine Zahlung nicht nachgewiesen habe und die Beklagte nicht in Verzug gewesen sei.

Die Beklagte beantragt in der Berufungsinstanz,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Berlin II vom 7. März 2024 zum Az. 28 O 127/23 die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hat von einer näheren Berufungserwiderung abgesehen, nachdem der Senat mit Beschluss vom 17.07.2024 darauf hingewiesen hat, dass er die Berufung zurückzuweisen beabsichtige.

Der Senat hat die Beklagte durch Beschluss vom 17. Juli 2024 nach § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO unter Einräumung einer Gelegenheit zur Stellungnahme binnen sechs Wochen nach Zustellung darauf hingewiesen, dass und aus welchen Gründen er beabsichtigt, die Berufung zurückzuweisen. Der Beklagten ist auf ihren Antrag hin eine Fristverlängerung bis zum 16. September 2024 bewilligt worden. Sie hat durch ihre Prozessbevollmächtigten mit Schriftsätzen vom 16. September 2024 und vom 09. Oktober 2024, auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, zu dem Hinweis des Senats Stellung genommen.

II.

Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Berlin II vom 07.03.2024, Aktenzeichen 28 O 127/23, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.

A.

Zur Begründung wird auf den Hinweis des Senats vom 17.07.2024 Bezug genommen, in dem unter anderem heißt:

1. Rechtliche Einordnung des Vertrags

Das Landgericht hat den streitgegenständlichen Vertrag zutreffend als Bauvertrag gemäß § 650a Abs. 1 BGB eingeordnet.

a. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die Abgrenzung zwischen Kauf-, Werklieferungs-, Kaufvertrag mit Montageverpflichtung und Werkvertrag nach dem Schwerpunkt der geschuldeten Leistung vorzunehmen.

Für die Abgrenzung von Kauf- und Werklieferungsverträgen einerseits und Werkverträgen andererseits ist maßgeblich, auf welcher der Leistungen bei der gebotenen Gesamtbetrachtung der Schwerpunkt liegt. Liegt der Schwerpunkt des Vertrags auf der mit dem Warenumsatz verbundenen Übertragung von Eigentum und Besitz, liegt ein Kauf- oder Werklieferungsvertrag vor. Liegt der Schwerpunkt des Vertrags dagegen nicht auf dem Warenumsatz, sondern schuldet der Unternehmer die Herstellung eines funktionstauglichen Werks, ist ein Werkvertrag anzunehmen (BGH, Urteil v. 30.08.2018 – VII ZR 243/17 – Rn. 25). Je mehr die mit dem Warenumsatz verbundene Übertragung von Eigentum und Besitz der zu montierenden Sache auf den Vertragspartner im Vordergrund steht und je weniger dessen individuelle Anforderungen und die geschuldete Montage- und Bauleistung das Gesamtbild des Vertragsverhältnisses prägen, desto eher ist die Annahme eines Kaufvertrags mit Montageverpflichtung geboten (BGH, Urteil v. 19.07.2018 – VII ZR 19/18 – Rn. 19). Dass der Warenwert einem Vielfachen der Montagekosten entspricht, steht der Annahme eines Werkvertrags bei der gebotenen Gesamtbetrachtung aber nicht entgegen (BGH, Urteil v. 30.08.2018, a.a.O., Rn. 30: Werkvertrag, auch wenn Warenwert dem Vierfachen der Montagekosten entspricht).

Nach diesen Maßgaben ist hier im Rahmen einer Gesamtwürdigung von einem Werkvertrag auszugehen wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat. Nach dem Vertragsinhalt lag der Schwerpunkt des Vertrags nicht in einem Warenumsatz, sondern in der funktionstauglichen Errichtung der Elektroinstallation unter Lieferung der Einzelteile inklusive der Beleuchtungsmittel. Der Einbau der Elektroinstallation stellt sich auch nicht als bloße Ergänzung zu der geschuldeten Lieferung der Endgeräte dar. Denn die Beklagte hatte die den Vertrag prägende Aufgabe, die Elektroinstallation funktionsfähig und vollständig in dem Neubau vom Erdgeschoss bis zum 4. OG zu errichten. Laut Leistungsverzeichnis (nachstehend: LV; Anlage K2, Seite 12) betrifft die Elektroinstallation den Mietbereich x und enthält alle Leistungen, um die weiteren Mietbereiche y und z zu einem späteren Zeitpunkt mit einzubinden, so dass die gesamte Einheit als Ganzes funktionsfähig ist. Das LV geht weit über die bloße Lieferung und Eigentumsverschaffung von Einzelteilen hinaus.

Eine Aufsplittung des Vertrags mit der Folge einer partiellen Anwendung der Regelungen zum Kaufvertrag, ggf. mit Montageverpflichtung einerseits und Werkvertragsrecht andererseits, ist auch bei einer wertmäßigen Betrachtung der jeweiligen Positionen des Leistungsverzeichnisses (im Folgenden: LV) nicht veranlasst. Gegenüber der erfolgsorientierten Verpflichtung treten die kaufvertraglichen Elemente des Vertrags zurück, auch wenn die hierauf bezogenen Angebotspreise mit einem nicht unbeträchtlichen Anteil in den Pauschalpreis von 1.950.000,- EUR eingeflossen sein mögen. So entfiel auf die Lieferung von Stehlampen ein Angebotspreis von 506.530,- EUR, auf Beleuchtungsanlagen (Tisch-, Decken, Feuchtraumleuchten) ein Angebotspreis von 770.257,35 EUR und auf die die zu liefernden und zu montierenden Niederspannungsgeräte (Bodentanks, Steckdosen, Bewegungsmelder) ein Angebotspreis von 404.567,43 EUR. Bei dem wertmäßigen Vergleich der jeweiligen Positionen des LVs ist jedoch zu beachten, dass die Eventualpositionen für besondere Arbeitsleistungen im unverpreisten LV (Anlage K 2, Seite 84) mit “NEP” – nur Einheitspreis – und im verpreisten LV (Anlage K2a, Seite 5) nicht wertmäßig in das Pauschalangebot eingeflossen sind. Der Anteil für Personalkosten im Zuge der Herstellung des Werks ist deshalb bereits in den Einheitspreisen inkludiert. Dies betrifft auch die in die Gesamtleistung zu integrierenden Einzelteile, so dass allein aus dem Wert von Positionen des verpreisten LVs nicht auf den Charakter des Vertrags geschlossen werden kann.

Der Senat folgt der Ansicht der Beklagten nicht, dass die Klägerin mit dem Hinweis in ihrem Angebot, wonach die aktuellen Starkstrompläne x beizulegen sind, ihre Leistung auf die reine Lieferung bzw. Lieferung und Montage von Komponenten beschränkt hat. Der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag erweist sich eindeutig als Werkvertrag, weil die Klägerin gerade eine funktionsfähige Elektroinstallation als Gesamtleistung schuldete.

b. Völlig zu Recht ist das Landgericht bei der vorzunehmenden Gesamtwürdigung des maßgeblichen Gepräges des Vertrags von einem Bauvertrag gemäß § 650 a BGB ausgegangen. Auf die Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung wird Bezug genommen.

2. Keine Abzüge

Die Beklagte ist nicht berechtigt, Abzüge wegen der Umlage für die Baustellenkoordination vorzunehmen, weil Ziff. IV.3 des Vertrags gegen § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB verstößt. Der Senat hat die Ausführungen der Beklagten in der Klageerwiderung vom 10.08.2023 (Seite 5) sowie im Schriftsatz vom 22.09.2023 (Seite 6 ff) bei dieser Würdigung berücksichtigt.

a. Die streitgegenständliche Umlageregelung stellt eine AGB im Sinne des § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB dar. Das Landgericht hat ausführlich begründet, weshalb die AGB als von der Beklagten gestellt anzusehen ist (Seite 9 ff des Urteils). Diesen Ausführungen schließt sich der Senat an.

Die Darlegungs- und Beweislast, dass die vertraglichen Regelungen zwischen den Parteien inhaltlich und der Höhe nach individuell verhandelt wurden, trägt die Beklagte als Verwenderin (vgl. BGH, Urteil v. 20.03.2014 – VII ZR 248/13 – Rn. 27).

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erfordert Aushandeln gemäß § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB mehr als Verhandeln. Von einem Aushandeln in diesem Sinne kann nur dann gesprochen werden, wenn der Verwender zunächst den in seinen AGB enthaltenen gesetzesfremden Kerngehalt, also die den wesentlichen Inhalt der gesetzlichen Regelung ändernden oder ergänzenden Bestimmungen, inhaltlich ernsthaft zur Disposition stellt und dem Verhandlungspartner Gestaltungsfreiheit zur Wahrung eigener Interessen einräumt mit zumindest der realen Möglichkeit, die inhaltliche Ausgestaltung der Vertragsbedingungen zu beeinflussen. Er muss sich also deutlich und ernsthaft zur gewünschten Änderung einzelner Klauseln bereit erklären. In aller Regel schlägt sich eine solche Bereitschaft auch in erkennbaren Änderungen des vorformulierten Textes nieder. Allenfalls unter besonderen Umständen kann eine Vertragsklausel auch dann als Ergebnis eines Aushandelns gewertet werden, wenn es schließlich nach gründlicher Erörterung bei dem gestellten Entwurf verbleibt (BGH, Urteil v. 22.11.2012 – VII ZR 222/12 – Rn. 10).

Dass die Höhe der Pauschale für eine Kostenbeteiligung an der Beseitigung von Bauschutt durch eine handschriftliche Ergänzung des vorgedruckten Textes festgelegt wurde, nimmt der Klausel nicht ihren Charakter als AGB (vgl. OLG Brandenburg, Urteil v. 20.08.2020 – 12 U 34/20 -).

So liegt der Fall hier. Zwar können nachträgliche Änderungen im Vertragstext ein Indiz für eine Individualvereinbarung sein. Vorliegend sind in Ziff. 11.2-4 auch handschriftliche Streichungen und Änderungen eingetragen (Anlage B 1, Seite 7). Die in Rede stehende Umlage für Baustellenkoordination ist aber gerade nicht handschriftlich verändert. Vor diesem Hintergrund vermag sich der Senat nicht davon zu überzeugen, dass die Beklagte diese Regelung vollumfänglich zur Disposition gestellt und mit der Klägerin ausverhandelt hat. Dies erscheint zwar möglich, weil die benachbarten Regelungen abgeändert wurden. Hierauf lässt sich aber nicht zwingend schließen. Den handschriftlichen Änderungen an anderer Stelle kann ebenso gut die indizielle Bedeutung zukommen, dass die unveränderten Textpassagen zwischen den Parteien gar nicht angesprochen wurden. Weitergehenden Tatsachenvortrag, auf dessen Grundlage ein Aushandeln gemäß den höchstrichterlichen Vorgaben festzustellen wäre, hat die Beklage nicht gehalten. Sie hat über die Vorlage des Verhandlungsprotokolls hinaus auch keinen Beweis angetreten.

b. Die Regelung ist als AGB auch inhaltlich gemäß §§ 307 ff. BGB überprüfbar.

Nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB sind nur Bestimmungen in AGB, die keine von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen enthalten, von der Inhaltskontrolle ausgenommen. Das gilt insbesondere für vertragliche Vereinbarungen betreffend Leistung und Gegenleistung, die von den Vertragsparteien nach dem im Bürgerlichen Recht geltenden Grundsatz der Privatautonomie frei bestimmt werden können. Allerdings führt nach der Rechtsprechung des BGH die bloße Einstellung einer Klausel in ein Regelwerk, das Preise für Einzelleistungen bei der Vertragsabwicklung festlegt, noch nicht dazu, dass die einzelne Klausel als unselbständiger Bestandteil einer “Gesamtpreisabsprache” jeder Kontrolle entzogen ist. Der klare Wortlaut des Gesetzes (§ 307 Abs. 3 Satz 1 BGB) verlangt auch dann eine Prüfung, ob die Klausel lediglich deklaratorische Wirkung hat oder ob sie Rechtsvorschriften ergänzt, indem sie etwa ein Entgelt festlegt, obwohl eine Leistung für den Vertragspartner nicht erbracht wird. Der Begriff der Leistung steht nicht zur Disposition des Verwenders von AGB. Daher ist ohne Rücksicht auf die Preisstruktur insgesamt und die Beschaffenheit der sonstigen Einzelpreise zu überprüfen, ob der streitigen Klausel eine echte (Gegen-)Leistung zugrunde liegt oder ob es sich um eine kontrollfähige (Preisneben-)Abrede handelt, die zwar (mittelbare) Auswirkungen auf Preis und Leistung hat, an deren Stelle aber, wenn eine wirksame vertragliche Regelung fehlt, dispositives Gesetzesrecht treten kann (BGH, Urteil v. 22.11.2012 – VII ZR 222/12 – Rn. 16 m.w.N.; BGH, Urteil v. 11.07.2019 – VII ZR 266/17 – Rn. 19; BGH, Urteil v. 18.01.2017 – VIII ZR 263/15 – Rn. 27 f).

Bei Anwendung dieser Grundsätze unterliegt die Klausel der AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle. Auf die Ausführungen der angefochtenen Entscheidung wird Bezug genommen.

c. Die Regelung der Kostenbeteiligung in Ziffer IV.3. des Verhandlungsprotokolls hält einer Inhaltskontrolle nicht stand, vielmehr ist eine unangemessene Benachteiligung der Klägerin anzunehmen. Auf die zutreffenden Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung wird verwiesen. Die pauschale Behauptung der Beklagten in der Berufungsbegründung, die Klägerin erhielte durch die Regelung wirtschaftliche Vorteile, kann der Senat nicht nachvollziehen. Denn die Regelung weicht von den wesentlichen Grundgedanken aus § 634 BGB bzw. § 13 Abs. 5 VOB/B ab und belastet die Klägerin mit einem Pauschalabzug unabhängig von ihrem Verursachungsbeitrag (vgl. OLG Brandenburg, Urteil v. 20.08.2020 – 12 U 34/20 -).

d. Zu dem in erster Instanz streitigen Abzug wegen nicht vorgelegter Bautenstandsberichte verhält sich die Berufungsbegründung nicht. 

3. Zu Recht hat das Landgericht die Beklagte auch zur Zahlung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten verurteilt, §§ 280 Abs. 1, 2, 286 BGB.

Gegen die Würdigung der in erster Instanz durchgeführten Beweisaufnahme durch das Landgericht ist nichts zu erinnern. Soweit der Prozessbevollmächtigte der Klägerin ausgesagt hat, von S bezahlt worden zu sein, ist dies in Anbetracht des Beweisthemas “Zahlung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten durch die Klägerin” nur als Zahlung der Klägerin zu verstehen. Denn S ist der Geschäftsführer der Klägerin. Aus dem Gesamtzusammenhang der Aussage des Klägervertreters im Rahmen seiner Vernehmung als Zeuge ergibt sich, dass es ausschließlich um eine Zahlung für die Klägerin ging.

Entgegen der Ansicht der Beklagten kommt für die Frage des Verzugs nicht auf das Datum der Schlussrechnung an. Die Klägerin konnte die Sicherheit gemäß § 650f BGB jederzeit nach Vertragsschluss beanspruchen. Die Klägerin hatte die Beklagte hierzu unter Fristsetzung bis zum 16.05.2023 aufgefordert. Nach fruchtlosem Fristablauf befand sich die Beklagte in Verzug.”

B.

Auch die Ausführungen in der Gegenerklärung mit Schriftsätzen vom 16. September 2024 sowie vom 9. Oktober 2024 geben zu einer Änderung der rechtlichen Würdigung keinen Anlass.

Der Senat führt insoweit aus:

1. Der Senat hält nach erneuter Prüfung unter Einbeziehung der von der Beklagten herangezogenen Argumentation an der rechtlichen Einordnung des Vertrages fest. § 650f BGB findet auf den Vertrag insgesamt Anwendung.

Zutreffend ist der rechtliche Ausgangspunkt der Beklagten, wonach der vorliegende Vertrag als typengemischter Vertrag anzusehen ist.

Sofern in einem Vertrag unterschiedliche Leistungen vereinbart sind, ist die Frage, welche Rechtsnormen auf die aufgrund selbständiger Verpflichtungen erbrachten Leistungen anzuwenden sind, nach den Grundsätzen für gemischte oder zusammengesetzte Verträge zu beurteilen (vgl. BGH, Urteil v. 13.09.2007 – I ZR 207/04 -). Haben die Vertragsparteien keine ausdrückliche Abrede darüber getroffen, welche Rechtsvorschriften auf die einzelnen Teile ihrer vertraglichen Abreden anzuwenden sind, ist bei der Beurteilung maßgeblich auf die besonderen Umstände des Einzelfalls, auf die Interessenlage der Vertragsparteien sowie auf Sinn und Zweck der vertraglichen Vereinbarungen abzustellen (BGH, a.a.O.; vgl. BGH, Urteil v. 21.11.1985 – VII ZR 366/83 -; BGH, Urteil v. 05.04.1979 – VII ZR 308/77 -; vgl. OLG Düsseldorf, Urteil v. 26.11.2019 – 21 U 4/19 -; BeckOK BGB/Gehrlein 71. Ed. 1.8.2024, BGB § 311 Rn. 21). Nichts anderes besagt die von der Beklagte herangezogene Entscheidung des OLG München (Urteil v. 09.04.2024 – 9 U 4221/23 Bau -).

Die Würdigung dieser Aspekte führt im vorliegenden Fall dazu, dass auf den gesamten Vertrag Werkvertragsrecht anzuwenden ist.

a. Die Vereinbarungen der Vertragsparteien sind hier nicht so zu verstehen, dass es sich bei der Verpflichtung, die Elektroinstallation im Neubau für die gesamte Einheit funktionsfähig und vollständig zu erstellen, und der Verpflichtung zur Lieferung von Leuchtmitteln um abgrenzbare und selbstständig zu behandelnde Vertragsteile handelt. Aus dem Vertrag lässt sich gerade nicht herleiten, dass die Klägerin unabhängig von ihrer Werkleistung eine weitere selbstständige Hauptleistung übernahm. Vielmehr war die Lieferung von Material und Leuchtmitteln lediglich die Voraussetzung dafür, dass die Klägerin ihren werkvertraglichen Pflichten nachkommen konnte, die in der funktionsfähigen Neuerrichtung der Elektroinstallation in einem Neubau vom Erdgeschoss bis zum 4. OG bestand. Um zu bestimmen welche der beiden Leistungen – Neuerrichtung der Elektroinstallation einerseits und die Lieferung von Leuchtmitteln andererseits – entscheidend für die Vertragsnatur ist, kommt es nicht auf eine quantitative Bewertung der unterschiedlichen Vertragsbestandteile an (soweit sie anhand der Preisvereinbarung überhaupt möglich ist), sondern auf eine qualitative Beurteilung. Bei dieser hat die Erreichung des funktionalen Werkerfolgs den Vorrang. Denn die Klägerin verpflichtete sich zur Erstellung der Elektroinstallation nicht unabhängig von der Lieferung der Leuchtmittel. Vielmehr war die Neuerrichtung der Elektroinstallation so auszurichten, dass die Einbindung der zu liefernden Leuchtmittel in der ganzen Einheit funktionstüchtig gewährleistet war. Der Schwerpunkt der Leistung liegt deshalb in der Herstellung eines funktionstüchtigen Werks.

Nach Auffassung des Senats entspricht es deshalb im vorliegenden Einzelfall nach dem Sinn und Zweck der vertraglichen Vereinbarung der Parteien ihrem mutmaßlichen Willen, den Vertrag als einheitliches Ganzes dem Werkvertragsrecht zu unterstellen. Es besteht nicht ein einziger objektiver Anknüpfungspunkt dafür, dass die Parteien auf die jeweiligen Leistungspflichten unterschiedliche Rechtsvorschriften anwenden wollten.

b. Die Interessen der Klägerin als Auftragnehmerin sind vorliegend nicht gewahrt, wenn kaufvertragliche Elemente aus dem einheitlichen Vertrag herausgelöst und insoweit die Anwendung werkvertraglicher Regelungen versagt werden. Hierdurch würden die Interessen der beklagten Auftraggeberin einseitig in nicht angemessener Weise privilegiert. Denn nach den Vereinbarungen der Parteien ist die gesamte Zahlung dem Werkvertragsrecht und der VOB/B unterstellt, so dass eine Zahlung – auch für die kaufvertraglichen Bestandteile des Vertrags – erst mit der Abnahme bzw. der Erteilung einer prüffähigen Schlussrechnung fällig wird, §§ 641, 650g Abs. 4 BGB, §§ 14, 16 VOB/B. Eine Teilabnahme haben die Parteien gerade nicht vereinbart. Im Gegensatz dazu sehen die Regelungen des Kaufvertragsrechts gemäß § 433 Abs. 1 und 2 BGB eine Zahlungspflicht Zug-um-Zug gegen Übergabe und Übereignung sowie die Möglichkeit eines Eigentumsvorbehalts gemäß § 449 BGB vor. Es ist nach dem Vertrag nicht ersichtlich, dass die Parteien für irgendeinen Leistungsteil abweichende Zahlungsmodalitäten zu den im Übrigen geltenden Regelungen vereinbaren wollten. Es entspricht nach den vertraglichen Regelungen ganz offenbar nicht dem Interesse des Auftragnehmers, auf die Vereinbarung eines Eigentumsvorbehalts und den Schutz des § 650f BGB hinsichtlich eines wertmäßig beträchtlichen Teils des Pauschalpreises zu verzichten. Bei der Abwägung der wechselseitigen Interessenlagen wird auch durch die vereinbarte Vorauszahlung in Höhe von 10 % der Nettoauftragssumme und die Möglichkeit von Abschlagszahlungen kein angemessener Ausgleich zugunsten des Auftragnehmers hergestellt, weil diese Zahlungen im Gegensatz zu einer Kaufpreiszahlung lediglich vorläufig sind. Das Interesse des Auftraggebers, für die Vergütung der kaufvertraglichen Elemente des Vertrags keine Bauhandwerkersicherung nach § 650f BGB leisten zu müssen ist nicht schutzwürdig, wenn es sich wie hier um einen einheitlichen Pauschalfestpreis handelt, bei dem die Personalkosten im Zuge der Herstellung des Werks in den Einheitspreisen enthalten sind. Beide Teile des Vertrages sind schon aus kalkulatorischen Gründen untrennbar. Das Gesamtgepräge des Vertrags stellt ein einheitliches Ganzes dar und kann deshalb bei der rechtlichen Beurteilung nicht in seine verschiedenen Bestandteile zerlegt werden.

c. Soweit die Beklagte darauf verweist, dass die Lieferung und der Erwerb der Stehlampen für die Herbeiführung des Werkerfolgs im Übrigen nicht erforderlich gewesen sei, trifft dies nicht zu. Denn die Parteien haben gerade vereinbart, dass die Leistungspflicht der Klägerin in der Elektroinstallation unter Einbindung dieser Leuchtmittel bestand. Das von der Klägerin geschuldete funktionstüchtige Elektroinstallationssystem war auf die Integration dieser Bestandteile ausgerichtet.

2. Das Landgericht hat im Rahmen der Beweiswürdigung die Vorgaben des § 286 Abs. 1 ZPO beachtet. Es ist nicht festzustellen, dass das Landgericht die Zeugenaussage des Klägervertreters in unzulässiger Weise umgedeutet oder ausgelegt hat, vielmehr ist die Beweiswürdigung von der protokollierten Zeugenaussage gedeckt.

§ 286 ZPO verpflichtet das Gericht zu einer umfassenden Würdigung der Ergebnisse der Beweisaufnahme, wobei es die erforderliche Überzeugung aus dem Inbegriff der mündlichen Verhandlung zu schöpfen hat und nicht durch die Art und Weise der Protokollierung begrenzt ist (vgl. BGH, Urteil v. 14.10.1981 – IVa ZR 152/80 -; vgl. BGH, Urteil v. 18.12.1984 – VI ZR 56/83 -).

Nach dieser Maßgabe geht die Annahme der Beklagten, das Landgericht habe nicht protokollierte Umstände der Zeugenaussage bei seiner Beweiswürdigung nicht berücksichtigen dürfen, bereits im Ansatz fehl. Das Landgericht hat die Aussage des Zeugen ausweislich der Urteilsgründe dahin verstanden, dass die Klägerin die geltend gemachten Rechtsanwaltskosten gezahlt hat. Ein Widerspruch zu der protokollierten Zeugenaussage ist nicht ersichtlich. Ausgehend von der Beweisfrage, ob die Rechnung vom 24.05.2023 von der Klägerin beglichen worden sei, hat der Zeuge zunächst allgemein ausgeführt, wie er die Rechnungslegung gegenüber seinen Mandanten handhabe. Die protokollierte Passage “Ich habe dann eine Rechnung gelegt. Und mir ist aufgefallen, dass das Angenehme an S ist, dass die Rechnungen dann auch zeitnah beglichen werden. Hier war es ebenfalls so.” ist nicht anders zu verstehen, als dass eine Rechnungslegung an die Mandantin, hier die Klägerin, erfolgt ist und nicht an deren Geschäftsführer S persönlich. Gleiches gilt für das Verständnis des Landgerichts, dass die Zahlung dieser an die Klägerin gerichteten Rechnung auch für die Klägerin erfolgte. Das Landgericht hielt die Aussage des Zeugen im Sinne der Bestätigung der Beweisfrage ganz offensichtlich für ausreichend. Dieses Verständnis des Inhalts der Zeugenaussage lässt sich auch auf deren Niederschrift stützen, ohne dass Zweifel oder Interpretationsspielräume verbleiben. Eine vom Wortsinn abweichende Auslegung der Zeugenaussage durch die Beklagte hat sich zudem keine der Parteien zu eigen gemacht.

Eine erneute Vernehmung des Zeugen durch den Senat ist gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO nicht veranlasst. Gemäß § 529 Abs. 1 ZPO hat das Berufungsgericht seiner Entscheidung die vom Gericht des ersten Rechtszugs festgestellten Tatsachen zugrunde zu legen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Zweifel im Sinne dieser Vorschrift liegen schon dann vor, wenn aus Sicht des Berufungsgerichts eine gewisse – nicht notwendig überwiegende – Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass im Fall der Beweiserhebung die erstinstanzliche Feststellung keinen Bestand haben wird, sich also deren Unrichtigkeit herausstellt (BGH, Urteil v. 15.07.2003 – VI ZR 361/02 -). Die erneute Vernehmung eines Zeugen ist unter anderem eröffnet, wenn das Berufungsgericht die Glaubwürdigkeit eines Zeugen anders beurteilen will als die Vorinstanz oder wenn es die protokollierten Angaben eines Zeugen für zu vage und präzisierungsbedürftig hält oder die protokollierte Aussage eines Zeugen anders verstehen will als der Richter der Vorinstanz (BGH, Urteil v. 29.01.1991 – XI ZR 76/90 -, m.w.N; BGH, Urteil v. 17.07.2002 – VIII ZR 151/01 -, m.w.N.; vgl. Zöller/Heßler, ZPO, 34. Aufl., § 529, Rn. 12; vgl. BGH, Urteil v. 24.04.2001 – VI ZR 258/00 -). Der Senat hat indes keinen Anlass, die protokollierte Aussage des Zeugen in einem vom Verständnis des Landgerichts abweichenden Sinn aufzufassen.

Die von der Beklagten gegen die Glaubhaftigkeit der Aussage und die Glaubwürdigkeit des Zeugen herangezogenen Indizien vermögen die vom Landgericht getroffene Beurteilung nicht zu erschüttern. Der Zeuge hat sich auf Nachfrage des Beklagtenvertreters auch zu dem Thema eines urkundlichen Zahlungsnachweises geäußert. Der Umstand, dass der Beklagtenvertreter bei einer Einsicht in die Geschäftsunterlagen der Beklagten keine Unterlagen aufgefunden hat, die eine Zahlung der Klägerin an ihren Bevollmächtigten belegen, reicht nicht aus, um die Voraussetzungen für eine Wiederholung der Beweisaufnahme anzunehmen. Es kann deshalb dahinstehen, ob dieses neue Vorbringen gemäß § 531 Abs. 2 ZPO überhaupt zulässig ist. Die Richtigkeit und Zulässigkeit dieser Behauptung unterstellt, stellt dies keinen Anknüpfungspunkt dar für die Annahme, die erstinstanzlichen Feststellungen hätten keinen Bestand.

OLG Brandenburg zu der Frage, dass die Abnahmefiktion nach § 12 Abs. 5 VOB/B jedenfalls bei Verbraucherverträgen der Inhaltskontrolle nicht standhält und dass die Vertretung durch einen Architekten bei Vertragsschluss nichts an der Verbrauchereigenschaft ändert

OLG Brandenburg zu der Frage, dass die Abnahmefiktion nach § 12 Abs. 5 VOB/B jedenfalls bei Verbraucherverträgen der Inhaltskontrolle nicht standhält und dass die Vertretung durch einen Architekten bei Vertragsschluss nichts an der Verbrauchereigenschaft ändert

vorgestellt von Thomas Ax

1. Enthält ein Angebot zum Abschluss eines Bauvertrags die Bedingung, dass ihm “die VOB neuester Fassung” zugrunde liegt, ist dies weder intransparent noch überraschend, sondern führt zur wirksamen Einbeziehung der VOB/B in der bei Vertragsschluss aktuellen Fassung, wenn der Auftraggeber bei Vertragsschluss durch einen Architekten vertreten wird.
2. Da mit der vereinbarten Vergütung alle Leistungen abgegolten sind, die nach der Baubeschreibung der Leistung innerhalb des Bauvertrages zur vertraglichen Leistung gehören, muss für eine zusätzliche Vergütung eine vom Auftraggeber veranlasste Leistungsänderung vorliegen. Maßgeblich ist die Bestimmung der vertraglichen Verpflichtung des Auftragnehmers, somit die Ermittlung des Bau-Solls, im Vergleich zu der (behaupteten) Änderung. Unklarheiten gehen zu Lasten des insoweit darlegungs- und beweisbelasteten Auftragnehmers.
3. Legt der Auftragnehmer ein Nachtragsangebot vor und fordert der Architekt des Auftraggebers diesen daraufhin zur Leistungserbringung auf, liegt darin nicht ohne weiteres eine Beauftragung im Sinne einer einvernehmlichen Vertragsänderung.
4. Der Auftraggeber ist nach erfolglosem Ablauf der dem Auftragnehmer gesetzten Mängelbeseitigungsfrist nicht mehr verpflichtet, die angebotene Mängelbeseitigung anzunehmen oder ihm nochmals eine Frist zur Nacherfüllung einzuräumen, denn das Recht (nicht die Pflicht) zur Nacherfüllung des Auftragnehmers erlischt, wenn der Auftraggeber ihm eine Frist zur Nacherfüllung gesetzt hat
5. Mängel stehen einer konkludenten Abnahme nur dann entgegen, wenn sie den Vertragsparteien bekannt bzw. durch den Auftraggeber gerügt sind.
6. Die Abnahmefiktion nach § 12 Abs. 5 VOB/B hält jedenfalls bei Verbraucherverträgen der Inhaltskontrolle nicht stand. Die Vertretung durch einen Architekten bei Vertragsschluss ändert nichts an der Verbrauchereigenschaft.
7. Nach § 213 BGB gilt die Verjährungshemmung auch für Ansprüche, die aus demselben Grunde wahlweise neben dem Anspruch oder an seiner Stelle gegeben sind. Alle Gewährleistungsansprüche, die auf demselben Mangel beruhen, sind als solche aus demselben Grund anzusehen. Die Hemmung eines von ihnen erstreckt sich demnach auch auf die anderen Gewährleistungsansprüche und zwar unabhängig davon, in welcher Höhe sie geltend gemacht werden.
OLG Brandenburg, Urteil vom 15.08.2024 – 10 U 100/23
vorhergehend:
LG Cottbus, 20.03.2023 – 6 O 182/16

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

2. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Cottbus vom 20. März 2023, Az. 6 O 182/16, abgeändert und insgesamt unter Berücksichtigung der Klageerweiterung in dem Berufungsverfahren wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin wird verurteilt, an den Beklagten einen Betrag in Höhe von 7.927,83 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 27. Mai 2024 zu zahlen. Die weitergehende Hilfswiderklage wird abgewiesen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz trägt die Klägerin.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

5. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 26.063,37 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Die Parteien streiten um gegenseitige Ansprüche aus einem Werkvertrag über die Herstellung einer sogenannten Trespa-Verkleidung des Eingangsbereiches eines Einfamilienhauses in L…, Ortsteil S… .

Die vom Beklagten beauftragte Architektin, die Zeugin K…-N…, bei der es sich um die Ehefrau des Beklagten handelt, wandte sich mit E-Mail vom 17. Juni 2015 unter Beifügung einer Zeichnung (Anlage B1) an die Klägerin und erbat für ein privates Bauvorhaben die Verkleidung einer Wandscheibe an der Außenfassade mit Trespa.

Die Parteien führten zunächst einen ersten Ortstermin durch, woraufhin die Klägerin das Angebot vom 3. Juli 2015 erstellte, die Trespa-Verkleidung des Eingangsbereiches zu einem Einheitspreis von 210,00 Euro netto je Quadratmeter herzustellen. Die Architektin erklärte mit E-Mail vom 13. August 2015, das Angebot anzunehmen.

Es fand ein weiterer Ortstermin statt, bei dem sich die Fassadenoberfläche in dem Zustand befand, in dem die Montage der Oberflächenkonstruktion erfolgt ist, und bei dem der Zeuge B… den Baukörper aufmaß.

Die Klägerin stellte nach Beginn ihrer Arbeiten und bei Montage der Unterkonstruktion fest, dass es Abweichungen zu der Zeichnung gibt. Die Architektin übermittelte der Klägerin daraufhin mit E-Mail vom 4. November 2015 eine weitere Zeichnung (Anlage B 2).

Am 1. Dezember 2015 übersandte die Klägerin dem Beklagten ein Nachtragsangebot wegen der Überarbeitung der Konstruktionszeichnungen und zusätzlicher Aufwendungen über 1.202,00 Euro netto. Dies wies die Architektin mit Schreiben vom 14. Dezember 2015 zurück und forderte die Klägerin gleichzeitig auf, die vereinbarte Leistung bis zum 31. Dezember 2015 zu erbringen.

Die Klägerin beendete ihre Arbeiten im Januar 2016 und legte am 25. Januar 2016 Schlussrechnung über 7.048,86 Euro netto / 8.388,14 Euro brutto auf der Grundlage des Angebotes vom 3. Juli 2015, welche der Beklagte mit Schreiben vom 25. Februar 2016 zurückwies.

Die Klägerin legte am 14. März 2016 Rechnung über weitere 1.102,00 Euro netto / 1.311,38 Euro brutto auf der Grundlage eines Nachtragsangebotes vom 1. Dezember 2015.

Die außergerichtliche, auch anwaltliche Aufforderung des Beklagten zur Zahlung des nach Ansicht der Klägerin ausstehenden restlichen Werklohns in Höhe von insgesamt 9.699,52 Euro brutto blieb erfolglos.

Der Beklagte forderte die Klägerin in seiner Klageerwiderung vom 5. Dezember 2016 zur Mängelbeseitigung bis zum 22. Dezember 2016 auf. Mit Schreiben vom 15. April 2021 erklärte die Klägerin gegenüber dem Beklagten, die gerügten Mängel teilweise beseitigen zu wollen und forderte den Beklagten mit außergerichtlichem Schreiben vom 10. Mai 2021 auf, das Angebot zur Mängelbeseitigung bis zum 20. Mai 2021 anzunehmen.

Der Beklagte erklärte mit Schreiben vom 19. Mai 2021 den Rücktritt vom Werkvertrag und kündigte diesen vorsorglich fristlos aus wichtigem Grund.

Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, der Beklagte sei zur Bezahlung des Werklohnes einschließlich des Nachtrags verpflichtet. Sie hat behauptet, dass Hintergrund der Abweichungen zwischen der tatsächlichen Ausführung ihrer Arbeiten und den Zeichnungen eine zusätzliche Dämmung des zu bearbeitenden Fassadenteils gewesen sei. Nach den daraufhin von der Architektin mit E-Mail vom 4. November 2015 übersandten korrigierten Zeichnungen habe der Bereich oberhalb als auch unterhalb des Vordaches in zwei identische Platten aufgeteilt werden sollen, was vorher anders gewesen sei und deshalb eine Umplanung und folglich auch den Nachtrag erfordert habe. Das Werk sei insgesamt mangelfrei und abnahmefähig.

Die Klägerin hat zudem die Auffassung vertreten, die VOB/B sei wirksam in den Vertrag der Parteien einbezogen worden, da der Beklagte durch die von ihm beauftragte Architektin vertreten worden sei. Die Zusendung einer Schlussrechnung enthalte die Erklärung über die Fertigstellung der Leistung, so dass hier die Voraussetzungen einer fiktiven Abnahme gemäß § 12 Abs. 5 Ziffer 1 VOB/B vorliegen.

Die Klägerin hat beantragt,

1. den Beklagten zu verurteilen, an sie 9.699,52 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 2. April 2016 zu zahlen sowie

2. den Beklagten zu verurteilen, an sie 745,40 Euro vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11. August 2016 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Widerklagend hat der Beklagte beantragt,

die Klägerin zu verurteilen, 18 Stück Trespa-Platten nebst dazugehöriger Unterkonstruktion vollständig vom Eingangsbereich der Fassade des im …weg …, L…-S…, gelegenen Wohnhauses des Beklagten zu entfernen und die in der Außenfassade nach Entfernung der Unterkonstruktion zurückbleibenden Öffnungen mit dem gleichen Material und in der gleichen Art sowie Güte wie die umgebende Außenfassade zu verschließen.

Die Klägerin hat beantragt,

die Widerklage abzuweisen.

Der Beklagte hat behauptet, dass es keiner Umplanung bedurft habe, da von vornherein die tatsächlichen Maße vor Ort zu berücksichtigen gewesen seien, die die Klägerin bei dem Aufmaßtermin genommen habe und welche die Architektin der Klägerin lediglich nochmals mit E-Mail vom 4. November 2015 übermittelt habe. In der Rechnung vom 25. Januar 2016 sei nicht die Mitteilung über die Fertigstellung der Leistung zu sehen, denn erst mit Rechnung vom 14. März 2016 habe die Klägerin alles abgerechnet, was ihrer Meinung nach erbracht worden sei. Mit Schreiben vom 25. Februar 2016 habe der Beklagte zudem einen Vorbehalt geäußert. Die Abnahmefiktion greife auch deshalb nicht, weil er und seine Ehefrau vom 25. Januar 2016 bis zum 28. April 2016 durchgängig nicht in Deutschland gewesen seien und sie daher die Leistungen der Klägerin nicht hätten prüfen können.

Der Beklagte hat weiter behauptet, die klägerische Leistung sei mangelhaft und nicht verwendbar. An der Verkleidung würden die Abschlüsse zur Wand fehlen, so dass verschieden große (ca. 6-7 cm breite) Spalte zwischen Platte und Wand bestünden. Die Spaltmaße der Platten zueinander seien unterschiedlich breit und außerdem schief zueinander ausgebildet. Alle Platten der Verkleidung seien in sich nicht lotgerecht und an den Kanten zueinander bzw. zu den Wandkanten nicht gerade abschließend montiert. Die Platten würden auch über andere Platten an den Kanten hinüberragen, so dass kein sauberer und einheitlicher Kantenabschluss bestehe. Die Platten hätten ausgefranzte Kanten und bei der Montage sei die Dämmung zerstört worden. Eine Befestigungsschraube durchbohre über der Hauseingangstür eine Platte. Die Musterrichtung der im Laibungsbereich der Tür und an der Seite angeschlagenen Platten verlaufe nicht in horizontaler Ausrichtung und anders als bei den anderen Platten.

Das Landgericht hat zur Mangelhaftigkeit des klägerischen Werks Beweis erhoben durch Einholung des schriftlichen Sachverständigengutachtens des Dipl.-Ing. K… M… vom 12. Januar 2021. In der mündlichen Verhandlung vom 27. Oktober 2022 hat das Landgericht den Sachverständigen Dipl.-Ing. K… M… ergänzend angehört.

Mit dem am 20. März 2023 verkündeten Urteil hat das Landgericht die Klage – mit Ausnahme eines Betrages in Höhe von 610,06 Euro nebst Zinsen – abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Rücktritt des Beklagten wegen der vom Sachverständigen bestätigten Mängel wirksam sei. Infolge dessen sei der Werklohnanspruch der Klägerin aus dem hier vorliegenden BGB-Werkvertrag erloschen und der Vertrag rückabzuwickeln. Das Landgericht hat den Beklagten deshalb zur Zahlung von Wertersatz in Höhe von 610,06 Euro verurteilt, da die tatsächliche Rückgewähr der Verkleidung ausgeschlossen sei, weil die Platten auf das Bauwerk des Beklagten zugeschnitten und nach einer Demontage nahezu unbrauchbar seien. Mit derselben Begründung hat es die auf Entfernung der Trespa-Verkleidung gerichtete Widerklage abgewiesen.

Wegen der weiteren tatsächlichen Feststellungen wird ergänzend auf das angefochtene Urteil Bezug genommen, § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO.

Dagegen wenden sich die Parteien mit ihren wechselseitig eingelegten Berufungen.

Die Klägerin ist der Ansicht, dass der von dem Beklagten am 19. Mai 2021 erklärte Rücktritt aus mehreren Gründen unwirksam ist. Die Rückabwicklung des Vertrages richte sich nach den dem BGB vorrangigen Regelungen in §§ 8, 9 VOB/B, da entgegen der Auffassung des Landgerichts die VOB/B wirksam zwischen den Parteien vereinbart worden sei. Die Bezugnahme des klägerischen Angebots auf die “VOB neuster Fassung” könne für den hiesigen Vertrag denklogisch nur die VOB/B und VOB/C gemeint haben. Dementsprechend sei für die Abnahme auch § 12 Abs. 5 VOB/B anzuwenden, dessen Voraussetzungen, insbesondere eine Fertigstellungsmitteilung durch die Übersendung der Schlussrechnung, vorliegen. Jedenfalls sei eine konkludente Abnahme erfolgt. Der Beklagte habe das Vertragsverhältnis außerdem bereits mit Schreiben vom 15. Februar 2016, also vor dem erklärten Rücktritt, frei gekündigt. Der Umstand, dass zwischen der Mangelbeseitigungsaufforderung und der Rücktrittserklärung ca. 5 Jahre liegen, mache den Rücktritt ebenfalls unwirksam. Im Übrigen seien die Mängel der Klägerin infolge der von der Architektin des Beklagten ausgesprochenen Leistungsänderung nicht zurechenbar; dies auch deshalb, weil im Hinblick auf die Spaltmaße davon auszugehen sei, dass die ursprünglich völlig einwandfrei verlegten Platten von einem anderen Gewerk später abgenommen und unsachgemäß wieder montiert worden seien. Ein gewisses Ausfransen im hinteren Bereich der Trespaplatten sei wegen deren Zuschnitts üblich. Die abweichende Musterrichtung der im Laibungsbereich der Tür und auf der Seite angeschlagenen Platten sei infolge der Leistungsänderung durch den Beklagten erforderlich geworden und angesichts der sachverständig geschätzten Kosten für den Austausch in Höhe von 800 Euro als unerheblich anzusehen. Insoweit habe die Klägerin auch stets Nachbesserungsbereitschaft gezeigt. Die Kosten der Mangelbeseitigung seien vom Sachverständigen deutlich zu hoch geschätzt worden. Die lotgerechte Verlegung der Platten erfordere lediglich einen Kostenaufwand von 500 Euro, was hätte sachverständig ergänzend festgestellt werden müssen.

Die Klägerin erhebt im Hinblick auf einen im Wege der Aufrechnung/Hilfswiderklage geltend gemachten Kostenvorschussanspruch des Beklagten die Einrede der Verjährung und ist der Auffassung, dass ein Abrechnungsverhältnis nicht erst durch die Rücktrittserklärung bzw. Kündigung des Beklagten im Jahr 2021 entstanden sei, sondern spätestens mit Ablauf der in der Klageerwiderung vom 5. Dezember 2016 gesetzten Mangelbeseitigungsfrist bzw. sei das Werk der Klägerin ohnehin bereits zuvor konkludent abgenommen worden. Gewährleistungsansprüche seien daher spätestens im Dezember 2021 verjährt, ohne dass der Beklagte bis zu diesem Zeitpunkt einen Vorschussanspruch geltend gemacht hat.

Die Klägerin meint, dass der vom Beklagten vorgelegte Kostenvoranschlag vom 24. Mai 2024 (Anlage BB1) mit der ursprünglichen Leistung, die sie zu erbringen hatte, nicht vergleichbar sei. Es handele sich nicht um eine Mangelbeseitigung, sondern um die Neuverlegung von ganz anderen Platten. Die veranschlagten Kosten der Mangelbeseitigung, die mehr als das Doppelte des ursprünglichen Werklohns betragen, seien bei dem hier vorliegenden leichten optischen Mangel unverhältnismäßig. Die Platten können ohne weiteres mit einfachen Mitteln wieder ins Lot gebracht werden. Ebenso sei der Austausch der in unterschiedlicher Verlegerichtung verbauten Platten ohne Probleme in relativ kurzer Zeit möglich. Die acht Trespaplatten, die der Sachverständige gerügt hat, stellten im Verhältnis zur Gesamtfläche untergeordnete Bauteile gegenüber den Hauptplatten dar. Es erschließe sich auch nicht, warum die Unterkonstruktion aus statischen Gründen erneuert werden müsse, da die entsprechende Statik vorliege und die Platten abgenommen und wieder angebracht werden können. Die Klägerin bestreitet hilfsweise, dass Kostenvorschussansprüche in entsprechender Höhe berechtigt sind. Dies gelte insbesondere für Kostenvorschussansprüche, die die Kostenschätzung des Sachverständigen, die ohnehin schon sehr üppig sei, übersteigen.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

die Entscheidung des Landgerichts Cottbus vom 20. März 2023, Az.: 6 O 182/16 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen

1. an sie weitere 9.089,46 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf 9.699,52 Euro vom 3. April 2016 bis 20. Mai 2021 sowie auf 9.089,46 Euro seitdem 21. Mai 2021 zu zahlen,

2. an sie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 745,40 Euro zuzügliche Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11. August 2016 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt zuletzt sinngemäß,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen

und

die Entscheidung des Landgerichts Cottbus vom 20. März 2023, Az.: 6 O 182/16 wie folgt abzuändern:

1. die Klage insgesamt abzuweisen.

2. Die Klägerin widerklagend zu verurteilen, an ihn 847,68 Euro netto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

3. hilfsweise, für den Fall, dass nach der hilfsweise erklärten Aufrechnung Kostenvorschussansprüche zu Gunsten des Beklagten aus dem Angebot vom 24. Mai 2024 (Anlage BB 1) zur Beseitigung der festgestellten Mängel verbleiben, die Klägerin widerklagend weiterhin zu verurteilen an den Beklagten den sich ergebenen Betrag (maximal 15.516,17 Euro netto) zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung des Beklagten einschl. Widerklage und Hilfswiderklage zurückzuweisen.

Hinsichtlich der Berufung der Klägerin ergänzt der Beklagte seinen erstinstanzlichen Vortrag dahingehend, dass das Vorbringen der Klägerin zum Schreiben vom 25. Februar 2016 als neues Angriffsmittel und damit als unzulässig zu bewerten sei und aus dem genannten Schreiben ohnehin keine Kündigungserklärung des Beklagten hervorgehe. Eine Abnahme sei nicht erfolgt. Die Bestimmung des § 12 Abs. 5 VOB/B sei jedenfalls gegenüber Verbrauchern unwirksam. Die Klägerin habe sich zudem unzureichend mit den vom Sachverständigen eindeutig festgestellten Mängeln auseinandergesetzt. Eine Bearbeitung des Werks nach Beendigung der klägerischen Arbeiten durch andere Gewerke habe sachverständig nicht festgestellt werden können. Die Behauptung der Klägerin, dass wegen der Notwendigkeit geänderter Ausführung bzw. der vorgegebenen Plattenmaße sich eine geänderte Musterrichtung zwingend ergeben habe, sei unzutreffend. Darauf sei der Beklagte von der Klägerin auch nicht hingewiesen worden. Für den Fall der Unwirksamkeit des Rücktritts stehe dem Beklagten jedenfalls ein Zurückbehaltungsrecht bis zur Beseitigung der Mängel zu.

Der Beklagte wendet sich mit seiner Berufung gegen den der Klägerin zugesprochenen Wertersatzanspruch und die diesem zugrunde liegende Annahme des Landgerichts, eine Rückgewähr oder eine Herausgabe der streitgegenständlichen Platten sei nach der Natur des Erlangten ausgeschlossen. Die Demontage der Trespa-Verkleidung sei nach den sachverständigen Feststellungen grundsätzlich zerstörungsfrei möglich. Deshalb habe das Landgericht auch der Widerklage stattgeben müssen, mit der der Beklagte seinen auf Entfernung der Trespa-Verkleidung gerichteten Antrag in der Berufungsinstanz zunächst weiterverfolgt hat.

Der Beklagte stützt den Widerklagebetrag in Höhe von 847,68 Euro auf die Pos. 02 des Angebotes vom 24. Mai 2024 (Anlage BB 1) für den ursprünglich widerklagend beantragten Rückbau der Fassade gemäß S. 22, Pos. 06 des Sachverständigengutachtens, vorsorglich auf die sachverständig festgestellten Mängelbeseitigungskosten. Im Übrigen erklärt der Beklagte bezüglich des verbleibenden Betrages des Angebotes vom 24. Mai 2024 (Anlage BB 1) in der Reihenfolge der dort aufgeführten Positionen, aber ohne Pos. 02, in Höhe von 15.516,17 Euro, vorsorglich in Höhe der sachverständig festgestellten Mängelbeseitigungskosten, mit den sich insoweit ergebenden Kostenvorschussansprüchen die hilfsweise Aufrechnung gegenüber der Werklohnforderung der Klägerin. Den überschießenden Betrag macht er im Wege der Hilfswiderklage geltend.

II.

1. Die nach §§ 511 Abs. 1, 301 Abs. 1 Satz 1, 304 Abs. 2 ZPO statthafte Berufung der Klägerin ist zulässig, insbesondere form- sowie fristgerecht eingelegt und begründet worden.

Die Berufung hat aber in der Sache keinen Erfolg.

Der zunächst entstandene Werklohnanspruch der Klägerin in Höhe von 8.388,14 Euro (a) ist durch die hilfsweise erklärte Aufrechnung des Beklagten mit Kostenvorschussansprüchen zur Mängelbeseitigung erloschen (c).

a) Der Anspruch der Klägerin auf Zahlung eines Werklohns in Höhe von 8.388,14 Euro aus § 8 Abs. 1 Nr. 2 S. 1 VOB/B i. V.m. dem am 3. Juli 2015 geschlossenen Vertrag ist zunächst entstanden.

Nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 S. 1 VOB/B kann der Auftragnehmer im Falle einer Vertragskündigung durch den Auftraggeber die vereinbarte Vergütung beanspruchen.

aa) Die Parteien haben vorliegend einen Einheitspreisvertrag über die Herstellung einer sogenannten Trespa-Verkleidung geschlossen. Grundlage war das Angebot der Klägerin vom 3. Juli 2015, das der Beklagte vertreten durch die von ihm beauftragte Architektin mit E-Mail vom 13. August 2015 angenommen hat.

Entgegen der Ansicht des Landgerichts haben die Parteien bei Vertragsschluss die als allgemeine Geschäftsbedingung nach § 305 Abs. 1 BGB anzusehenden VOB/B 2009 nach § 305 Abs. 2 BGB wirksam in ihren Vertrag einbezogen.

Allgemeine Geschäftsbedingungen werden gemäß § 305 Abs. 2 BGB nur dann Bestandteil eines Vertrags, wenn der Verwender bei Vertragsschluss die andere Vertragspartei ausdrücklich auf sie hinweist und der anderen Vertragspartei die Möglichkeit verschafft, in zumutbarer Weise von ihrem Inhalt Kenntnis zu nehmen und wenn die andere Vertragspartei mit ihrer Geltung einverstanden ist.

Diese Voraussetzungen liegen vor.

(1) Das verbindliche Angebot der Klägerin vom 3. Juli 2015 zur Errichtung der Trespa-Verkleidung enthält den Zusatz, dass dem “Angebot […] die VOB neuster Fassung” zugrunde liegt. Was im einzelnen Inhalt des Angebotes ist, ist durch Auslegung zu ermitteln, §§ 133, 157 BGB (vgl. OLG Koblenz, Urteil vom 18. Juni 1998 – 5 U 1678-97, NJW-RR 1999, 748, beck-online). Ersichtlich bezieht sich der Wortlaut auf die zur Zeit des Vertragsschlusses der Parteien im Jahre 2015 geltende Fassung der VOB (vgl. OLG Koblenz, Urteil vom 18. Juni 1998 – 5 U 1678-97, NJW-RR 1999, 748, beck-online; Werner/Pastor, 18. Auflage 2023, Rn. 1185) und zwar hier auf die VOB/B. Auch wenn der Wortlaut des Angebots nicht zwischen den einzelnen Teilen A, B und C der VOB differenziert, war für den Beklagten, vertreten durch seine Architektin, erkennbar, dass im vorliegenden Fall die VOB/B zur Anwendung kommen sollte. Es ist davon auszugehen, dass nur die Teile der VOB vereinbart werden sollten, die vertragsrechtliche Bedeutung gewinnen (vgl. Werner/Pastor, a.a.O., Rn. 1197). Die VOB untergliedert sich in den Teil A (Vergabe der Bauleistungen), Teil B (Ausführung von Bauleistungen) und Teil C (Allgemeinen Technischen Vertragsbedingungen für Bauleistungen). Für das hiesige Bauvorhaben, welches die Durchführung eines Vergabeverfahrens nicht erforderte, konnte nur die VOB/B maßgebend sein, denn das Angebot der Klägerin bezog sich – wie vom Beklagten erbeten und aus der Angebotsbezeichnung “Bauvorhaben: Ersatzneubau EFH L…, […] Trespa Verkleidung” ersichtlich – eindeutig auf einen Werkvertrag zur Herstellung einer Trespa-Verkleidung mit Bezug zu einem Einfamilienhaus. Soweit die VOB/C die allgemeinen anerkannten Regeln der Technik wiedergibt, muss der Unternehmer diese ohnehin beachten.

Insoweit begegnet die von der Klägerin gewählte Formulierung der Geltung der “VOB neuster Fassung” im vorliegenden Fall auch keinen Bedenken nach § 307 Abs. 1 S. 2 BGB (klare und verständliche Bestimmung) oder nach § 305 c BGB (überraschende oder mehrdeutige K…el). Für den Beklagten war der Bezug auf die VOB/B 2009 ohne Weiteres erkennbar.

(2) Die Möglichkeit für den Beklagten, vom Inhalt der VOB/B Kenntnis zu nehmen (§ 305 Abs. 2 Nr. 2 BGB), musste die Klägerin im vorliegenden Fall ausnahmsweise nicht schaffen, weil der Beklagte bei Vertragsschluss durch die von ihm beauftragte Architektin vertreten wurde.

Grundsätzlich muss der Auftragnehmer als Verwender seinen im Bausektor nicht tätigen oder sonst im Baubereich nicht bewanderten Vertragspartner in die Lage versetzen, sich vor Vertragsschluss in geeigneter Weise Kenntnis von der VOB zu verschaffen (vgl. BGH, NJW 1994, 2547; 1992, 913). Keine Kenntnisverschaffung ist aber erforderlich, wenn der Verbraucher bei Vertragsschluss von einem Architekten vertreten wird. Dann genügt der bloße Hinweis auf die VOB, denn bei einem Architekten ist – wie bei einem gewerblich tätigen Unternehmer – grundsätzlich anzunehmen, dass er aufgrund seiner Ausbildung die Bestimmungen der VOB/B hinreichend kennt (vgl. OLG Saarbrücken, Urteil vom 15. Dezember 2005 – 8 U 627/04, NZBau 2006, 787, beck-online; OLG Hamm, Urteil vom 14. Juni 1995 – 12 U 142/94, NJW-RR 1996, 593, beck-online). Schließlich gehört es zu den Grundpflichten des Architekten, den Bauherren bei Vertragsschluss über die Bedeutung der Einbeziehung der VOB/B in den Bauvertrag hinreichend aufzuklären. Dieses Wissen muss sich der Bauherr zurechnen lassen (§ 166 BGB; vgl. OLG Brandenburg, Urteil vom 6 März 2008 – 12 U 45/06, BeckRS 2008, 5011).

Dies gilt auch im vorliegenden Fall. Der Beklagte hat unstreitig seine als Architektin tätige Ehefrau mit den Vertragsverhandlungen und dem Vertragsabschluss mit der Klägerin beauftragt. Das Angebot der Klägerin nahm der Beklagten dementsprechend vertreten durch seine Architektin mit E-Mail vom 13. August 2015 an, ohne Einwände gegen die Einbeziehung der VOB/B zu erheben, § 305 Abs. 2, letzter HS BGB.

bb) Diesen zwischen den Parteien bestehenden Werkvertrag hat der Beklagte mit Schreiben vom 19. Mai 2021 gekündigt. Da die Werkleistung der Klägerin zu diesem Zeitpunkt unstreitig fertiggestellt war, denn der Beklagte beruft sich hier lediglich auf die Mangelhaftigkeit der Leistung nicht auf deren Unvollständigkeit und auch die Klägerin hat die Fertigstellung des Werks durch Übersendung ihrer Schlussrechnungen zu erkennen gegeben, kann dahinstehen, ob es sich bei der Kündigung des Beklagten um eine freie Kündigung nach § 8 Abs. 1 VOB/B oder um eine außerordentliche Kündigung nach § 8 Abs. 3 i.V.m. § 4 Abs. 7 VOB/B handelt, denn für den Fall der bereits erfolgten Fertigstellung des Werks – wie hier – ergeben sich für den Vergütungsanspruch des Werkunternehmers keine maßgebenden Unterschiede. In beiden Fällen – freie und außerordentliche Kündigung – kann der Unternehmer die Vergütung für die von ihm bis zur Vertragsbeendigung erbrachten Leistungen beanspruchen (vgl. BGH, BauR 1995, 545; 1987, 689; Kapellmann/Messerschmidt/Lederer, 8. Aufl. 2023, VOB/B § 8 Rn. 101 m.w.N.).

Den Werklohn für diese erbrachten Leistungen in Höhe von 8.388,14 Euro hat die Klägerin schlüssig dargelegt, indem sie ihre durch ein Aufmaß (Bl. 22 LG) belegte Leistung nach den im Vertragsangebot vom 3. Juni 2015 niedergelegten Positionen nachvollziehbar mit Schlussrechnung vom 25. Januar 2016 (K5, Bl. 20) abrechnete, § 2 Abs. 2 VOB/B. Dagegen hat auch der Beklagte keine Einwände erhoben.

cc) Der Werklohn in Höhe von 8.388,14 Euro ist auch fällig.

Die Klägerin hat ihre Schlussrechnung vom 25. Januar 2016 gelegt, hinsichtlich deren Prüfbarkeit keine Bedenken bestehen, § 8 Abs. 7 VOB/B.

Ob eine als Voraussetzung der Fälligkeit erforderliche Abnahme des klägerischen Werks erfolgt ist, kann an dieser Stelle dahinstehen, da jedenfalls ein Abrechnungsverhältnis zwischen den Parteien besteht. Ein Abrechnungsverhältnis setzt voraus, dass der Besteller ausdrücklich oder konkludent zum Ausdruck bringt, unter keinen Umständen mehr mit dem Unternehmer, der ihm das Werk als fertiggestellt zur Abnahme angeboten hat, zusammenarbeiten zu wollen (vgl. BGH, Urteil vom 19. Januar 2017 – VII ZR 301/13, BGHZ 213, 349-361). Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Die Klägerin hat ihr Werk mit Übersendung der Schlussrechnung vom 25. Januar 2016 als fertig gestellt angeboten. Der Beklagte hat durch seinen erklärten Rücktritt vom 19. Mai 2021 und durch die Erhebung der auf die Rückabwicklung des Werkvertrages gerichteten Widerklage zu erkennen gegeben, dass er kein Interesse mehr an der Leistung der Klägerin hat. Dies hat die Prozessbevollmächtigte des Beklagten so in der mündlichen Verhandlung des Landgerichts am 27. Oktober 2022 nochmals ausdrücklich zu Protokoll erklärt (Bl. 332R LG).

b) Die Zahlung eines weiteren Werklohns in Höhe von 1.311,38 Euro konnte die Klägerin dagegen zu keinem Zeitpunkt beanspruchen. Die Klägerin hat nicht hinreichend darzulegen vermocht, dass die Parteien einen dahingehenden Nachtrag vereinbart haben oder die Voraussetzungen des § 2 Abs. 5 oder 6 VOB/B erfüllt sind.

Es fehlt an einer dafür erforderlichen vertraglichen Leistungsänderung durch den Beklagten.

(1) In der E-Mail der Architektin vom 4. November 2015 unter Übersendung des Plans Anlage B 2 (Bl. 54 LG) ist ein rechtsgeschäftliches Angebot zur Änderung des ursprünglichen Vertrags an die Klägerin nicht zu sehen. Es ist nicht erkennbar, dass diese E-Mail eine Änderung des Vertrages beinhaltete.

Da mit dem vereinbarten Werklohn alle Leistungen abgegolten sind, die nach der Baubeschreibung der Leistung innerhalb des Bauvertrages zur vertraglichen Leistung gehören (vgl. § 2 Abs. 1 VOB/B), muss für die gesonderte Vergütung eine vom Beklagten veranlasste Leistungsänderung vorliegen. § 2 Abs. 5 und 6 VOB/B sind ebenfalls nicht anwendbar, wenn die geänderte Leistung bereits vom bestehenden vertraglichen Leistungsumfang erfasst ist (vgl. BGH, Urteil vom 9. April 1992 – VII ZR 129/91, juris; Werner/Pastor, Rn. 1405). Maßgeblich für die Beurteilung einer Leistungsänderung ist die Bestimmung der vertraglichen Verpflichtung des Auftragnehmers, somit die Ermittlung des Bau-Solls, im Vergleich zu der (behaupteten) Änderung.

Die Klägerin behauptet eine Leistungsänderung dergestalt, dass nach der Planaktualisierung der Architektin mit E-Mail vom 4. November 2015 und gleichzeitiger Übermittlung der Zeichnung Anlage B 2 (Bl. 54 LG) oberhalb und unterhalb des Vordaches jeweils zwei identische Trespa-Platten angebracht werden sollten, was vorher anders gewesen sein soll. Insoweit trägt auch der Beklagte vor, dass ursprünglich vier identische Platten geplant waren (vgl. Schriftsatz vom 6. Januar 2017, Bl. 81 LG), was sich so auch aus der Zeichnung Anlage B1 (Bl. 53, Bl. 53 LG = K11, Bl. 107) ergibt, welche bereits der E-Mail der Architektin vom 17. Juni 2015 beigefügt war.

Gleichwohl kann hier eine Leistungsänderung im genannten Sinn nicht angenommen werden, denn es ist unklar geblieben, ob die aus dem Plan B2 ersichtliche Änderung von vier identischen Platten zu jeweils zwei identischen Platten bereits zum ursprünglichen Leistungssoll der Klägerin gehört hat, wie es auch der Beklagte vorträgt. Denn der von der Klägerin zur Akte gereichte Zuschnittplan (Anlage K10, Bl. 105 f. LG) als Bestandteil der klägerischen Ursprungskalkulation enthält bereits zwei große Platten (die oberen) mit einer vertikalen Breite von je 1690 cm und zwei (teilweise für die Tür zugeschnittene) untere Platten mit einer vertikalen Breite von je 1590 cm. Diese Maße stimmen mit denjenigen aus dem Plan B 2 ersichtlichen Angaben überein. Darüber hinaus gab es einen ersten Ortstermin vor Erstellung des klägerischen Angebots und einen zweiten Ortstermin nach der Auftragsbestätigung vom 13. August 2015. Während des zweiten Ortstermins hat der Zeuge B… für die Klägerin den Baukörper bemessen, der sich zu diesem Zeitpunkt unstreitig in dem Zustand befand, in dem die Oberflächenkonstruktion montiert wurde. Mithin ist nicht beurteilbar, auf welchem Umstand und insbesondere auf welchem Zeitpunkt die aus den Plänen B1 und B2 ersichtliche Änderung beruht, zumal nach dem Hinweis auf dem Plan B1 alle Maße durch die Klägerin zu prüfen und am Bau zu nehmen waren. Dazu hat die Klägerin – trotz Hinweises des Landgerichts auf das Erfordernis von weiteren Vortrags zur behaupteten Leistungsänderung (vgl. Protokoll vom 12. Januar 2017, Bl. 85 LG) – nicht weiter vorgetragen. Die Klägerin hat nicht erläutert, welche Maße sie beim ersten und zweiten Ortstermin genommen hat und in welchen Bereichen und in welcher Größenordnung dann Abweichungen im Rahmen der Vornahme ihrer Arbeiten festgestellt worden sein sollen. Die von der Klägerin angestellten Berechnungen zur Begründung der Leistungsänderung sind für den Senat nicht nachvollziehbar, wie im Termin vom 28. März 2024 erörtert. Dahingehende Unklarheiten gehen zu Lasten der darlegungs- und beweisbelasteten Klägerin (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 2. März 2021 – 10 U 57/14; Werner/Pastor, Rn. 1425).

(2) Die Vereinbarung eines Nachtrags ergibt sich auch nicht aus dem auf das Nachtragsangebot der Klägerin vom 1. Dezember 2015 folgende Schreiben der Architektin vom 7. Dezember 2015, mit dem sie die Klägerin zur zeitnahen Leistungserbringung aufgefordert hat, auch wenn zuvor zwischen den Parteien Korrespondenz über die Abweichungen von den Zeichnungen geführt worden war. Denn aus (hier vermeintlich) veränderten Umständen kann nicht ohne weiteres geschlussfolgert werden, dass der Auftraggeber deren wirtschaftliche Konsequenzen in Gestalt einer Vertragsänderung tragen will, insbesondere dann nicht, wenn die Ursachen der veränderten Umstände nicht unmittelbar von ihm selbst gesetzt worden sind (vgl. BeckOK VOB/B/Kandel, 54. Ed. 30.4.2023, VOB/B § 2 Abs. 5 Rn. 54).

(3) Das Nachtragsangebot der Klägerin vom 1. Dezember 2015 hat der Beklagte vertreten durch seine Architektin mit Schreiben vom 14. Dezember 2015 schließlich ausdrücklich abgelehnt.

c) Der der Klägerin zustehende Anspruch auf Zahlung des Werklohns in Höhe von 8.388,14 Euro ist durch die hilfsweise erklärte Aufrechnung des Beklagten mit seinem Mängelkostenvorschussanspruch vollständig erloschen, 389 BGB.

Die mit Schriftsatz vom 24. Mai 2024 erklärte Aufrechnung des Beklagten ist nach § 533 ZPO zulässig. Sie ist sachdienlich, da die zur Aufrechnung gestellte Forderung auf Mängelkostenvorschuss unmittelbar mit der Werklohnforderung der Klägerin zusammenhängt. Die Aufrechnung kann zudem auf die Tatsachen gestützt werden, die der Senat seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 ZPO zugrunde zu legen hat bzw. die nach dem Hinweis des Senats vom 28. März 2024 in den Rechtsstreit eingeführt worden sind. Die Aufrechnung mit einem Kostenvorschuss zur Mängelbeseitigung ist ebenfalls zulässig (vgl. BGH, Urteil vom 13. Juli 1970 – VII ZR 176/68, NJW 1970, 2019, beck-online; BGH, Urteil vom 8. Dezember 1988 – VII ZR 139/87, juris).

aa) Der Beklagte hat einen Anspruch auf Zahlung eines Kostenvorschusses zur Mängelbeseitigung jedenfalls in Höhe von 8.388,14 Euro aus § 13 Abs. 5 Nr. 2 VOB/B, der infolge des bestehenden Abrechnungsverhältnisses der Parteien hier unabhängig von einer erfolgten Abnahme der klägerischen Werkleistung anwendbar ist (vgl. BGH, NZBau 2017, 211; BGH, NZBau 2017, 216; BauR 2017, 879; Kapellmann/Messerschmidt/Langen, 8. Aufl. 2023, VOB/B, § 13, Rn. 231).

Nach § 13 Abs. 5 Nr. 2 VOB/B kann der Auftraggeber bestehende Mängel auf Kosten des Auftragnehmers beseitigen lassen und dafür Kostenvorschuss verlangen, wenn der Auftragnehmer der Aufforderung zur Mängelbeseitigung in einer vom Auftraggeber gesetzten angemessenen Frist nicht nachkommt.

(1) Der Vorschussanspruch erfordert zunächst, dass der Auftraggeber nach § 13 Abs. 5 Nr. 2 VOB/B zur Ersatzvornahme berechtigt ist, mithin dass ihm ein fälliger und durchsetzbarer Mängelbeseitigungsanspruch gegen den Auftragnehmer zusteht (vgl. Kapellmann/Messerschmidt/Langen, 8. Aufl. 2023, VOB/B § 13, Rn. 321, 349). Dies ist der Fall.

(a) Das Werk der Klägerin ist mangelbehaftet.

Die Leistung ist nach § 13 Abs. 1 S. 2 VOB/B frei von Sachmängeln, wenn sie die vereinbarte Beschaffenheit hat und den anerkannten Regeln der Technik entspricht. Ist die Beschaffenheit nicht vereinbart, so ist die Leistung zur Zeit der Abnahme frei von Sachmängeln, wenn sie sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte (Nr. 1), sonst für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Werken der gleichen Art üblich ist und die der Auftraggeber nach der Art der Leistung erwarten kann (Nr. 2).

Nach den für den Senat nachvollziehbaren und plausiblen Ausführungen des Sachverständigen Dipl.-Ing. K… M…, die auch die Klägerin nicht in Zweifel zieht, sondern rechtlich lediglich anders bewertet, weist die von der Klägerin hergestellte Trespa-Verkleidung mehrere Mängel auf.

Es bestehen hinsichtlich der Spaltmaße (aa) und der vertikalen/horizontalen Ausrichtung (dd) Abweichungen von der vertraglichen Vereinbarung der Parteien zur Beschaffenheit, im Übrigen von der üblich zu erwartenden Beschaffenheit.

(aa) Nach den Feststellungen des Sachverständigen liegen die Spaltmaße signifikant unterhalb der gemäß dem zwischen den Parteien vertraglich vereinbarten Ausführungsplan geplanten Fugenbreite (Spaltmaß) von 10 mm und sind nicht gleichmäßig breit sowie zum Teil schief ausgebildet, was auch auf den dem Gutachten beigefügten Lichtbildern zu erkennen ist.

Hinsichtlich des Einwands der Klägerin, bei Fertigstellung seien diese Spaltmaße nicht vorhanden gewesen, hat der Sachverständige ausgeführt, anhand der Lichtbilder auf S. 55 bis 66 der Akte keine Hinweise auf eine nachträgliche Veränderung der Werkleistung der Klägerin gefunden zu haben. Diese Feststellung ist nicht zu beanstanden. Die Klägerin hat keine Anhaltspunkte aufgezeigt, die an der Feststellung des Sachverständigen zweifeln lassen. Insbesondere sind auf dem von der Klägerin zur Akte gereichte Lichtbild K12 (Bl. 255 LG), das den Zustand bei Fertigstellung der Trespa-Verkleidung zeigen soll, die bei Fertigstellung des Werks vermeintlich noch nicht vorhandenen Putzarbeiten und die fehlende Elektroinstallation nicht erkennbar.

(bb) Die Platten 4 und 5 der Verkleidung sind nach den sachverständigen Feststellungen nicht lotgerecht angebracht. Der Grenzwert der Winkelabweichung wird ausweislich des Sachverständigengutachtens an zwei Stellen deutlich überschritten. An den Platten 10, 11 und 12 und an der Laibung der Haustür wird der Grenzwert der Winkelabweichung an vier Messstellen geringfügig überschritten. An 21 Stellen sind Überstände (Kantenabschluss) vorhanden. Die Platten ragen auch über andere Platten an den Kanten hinüber, so dass kein sauberer und einheitlicher Kantenabschluss besteht. Dies veranschaulichen schließlich auch die im Gutachten vorhandenen Lichtbilder.

(cc) Die Platten weisen gemäß dem Gutachten teilweise ausgefranzte Kanten auf. Der Sachverständige hat dies gerade nicht als “üblich” beurteilt, wie die Klägerin behauptet, sondern als optischen Mangel eingestuft. Der Senat folgt den plausiblen Ausführungen des Sachverständigen M…, zumal die auch auf den Lichtbildern des Gutachtens erkennbaren ausgefranzten Kanten das äußere Erscheinungsbild der Trespa-Verkleidung nicht nur unerheblich beeinträchtigen.

(dd) Mangelbehaftet ist auch die Musterrichtung der im Laibungsbereich der Tür und an der Seite angeschlagenen Platten (Platten Nr. 1, 4, 7, 10, 3, 6, 9 und 13), welche nicht in horizontaler Ausrichtung, sondern in vertikaler Ausrichtung verlaufen. Diese Leistung widerspricht der zwischen den Parteien vereinbarten Beschaffenheit und ist schon deshalb als erheblich anzusehen. Ausweislich der E-Mail der Architektin vom 13. August 2015 (Anlage K 1, Bl. 11 LG) hat der Beklagte ausschließlich die Verlegung in horizontaler Ausrichtung beauftragt. Eine wie von der Klägerseite eingewandte unterschiedliche Ausrichtung der Platten als Stilmittel/Gestaltungselement ist dagegen zwischen den Parteien zu keiner Zeit thematisiert worden, wie der zur Akte gereichte Schriftverkehr der Parteien belegt. Wie bereits dargelegt, gab es auch keine vom Beklagten veranlasste Leistungsänderung, aufgrund derer die Klägerin gezwungen gewesen wäre, die Laibungen an der Seite vertikal zu verbauen. Aber selbst bei Vorliegen einer Leistungsänderung würde die Klägerin mangels Mitteilung von bestehenden Bedenken gegen den vertikalen Verbau nach § 4 Abs. 3 VOB/B gemäß § 13 Abs. 3 VOB/B für diesen Mangel haften. Nach den Feststellungen des Sachverständigen ist es zudem üblich, alle Platten entweder horizontal oder vertikal auszurichten.

(b) Der mit dem Beseitigungsverlangen des Beklagten vom 5. Dezember 2016 nach § 13 Abs. 5 Nr. 1 S. 1 VOB/B entstandene und mangels anderweitiger Regelungen gemäß § 271 Abs. 1 BGB sofort fällige Nacherfüllungsanspruch des Beklagten scheidet auch nicht wegen bestehender Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit der Nacherfüllung aus (§ 275 BGB bzw. § 13 Abs. 6 VOB/B, vgl. KMG PrivBauR-HdB/Merl/Hummel § 15 Rn. 786; Beck VOB/B/Kohler § 13 Abs. 5 Rn. 85; Kapellmann/Messerschmidt/Langen, 8. Aufl. 2023, VOB/B § 13, Rn 321). Die Nacherfüllung war für die Klägerin weder unmöglich noch unzumutbar. Sie selbst trägt vor, dass die Mängel, jedenfalls die unterschiedliche Ausrichtung, die Fugenbreiten und die monierten Spaltmaße ohne größeren Aufwand durch zwei Mitarbeiter in relativ kurzer Zeit zu beheben gewesen wären.

(2) Die Klägerin ist der Aufforderung des Beklagten in der Klageerwiderung vom 5. Dezember 2016, die dort dezidiert dargestellten und vom Sachverständigen M… letztlich auch im Wesentlichen festgestellten Mängel bis zum 22. Dezember 2016 zu beseitigen, nicht nachgekommen. Erstmals mit Schreiben vom 15. April 2021 erklärte die Klägerin, die gerügten Mängel jedenfalls teilweise beheben zu wollen. Der Auftraggeber ist nach erfolglosem Ablauf der dem Auftragnehmer gesetzten Mängelbeseitigungsfrist aber nicht mehr verpflichtet, die angebotene Mängelbeseitigung anzunehmen (vgl. BGH, NJW 2003, 1526; BGH, NZBau 2004, 153; Kapellmann/Messerschmidt/Langen, 8. Aufl. 2023, VOB/B § 13 Rn. 322) oder dem Schuldner nochmals eine Frist zur Nacherfüllung einzuräumen (vgl. BGH, Urteil vom 20. Januar 2006 – V ZR 124/05, NJW 2006, 1198, beck-online), denn das Recht (nicht die Pflicht) zur Nacherfüllung des Werkunternehmers erlischt, wenn der Besteller ihm eine Frist zur Nacherfüllung gesetzt hat (vgl. BGH, NZBau 2004, 153; NZBau 2003, 267).

(3) Darüber hinaus setzt der Anspruch auf Kostenvorschuss den Willen des Auftraggebers voraus, die Mängel tatsächlich beseitigen zu lassen (vgl. BGH NJW 1984, 2456; NJW-RR 1999, 813; OLG Düsseldorf BauR 1988, 607; Kapellmann/Messerschmidt/Langen, 8. Aufl. 2023, VOB/B, § 13, Rn. 349), denn die zugrunde liegende Billigkeitsüberlegung, dass der Auftraggeber von der Last der Vorfinanzierung befreit werden soll, greift nur, wenn er die Ersatzvornahme durchführen will. Der Beklagte hat zwar vor dem Landgericht zu Protokoll erklärt, dass er kein Interesse mehr an der Trespa-Verkleidung habe und hat zunächst im Wege der Widerklage (nur) deren Rückbau geltend gemacht. Von dem Willen zur Mängelbeseitigung des Beklagten ist jedoch zum jetzigen Zeitpunkt deshalb auszugehen, weil in der nach dem Hinweis des Senats nunmehr gestellten Forderung nach einem Kostenvorschuss die jedenfalls stillschweigende Erklärung des Auftraggebers erkennbar ist, die Mängelbeseitigung zu beabsichtigen (vgl. Kapellmann/Messerschmidt/Langen, 8. Aufl. 2023, VOB/B, § 13, Rn. 349).

bb) Die Kostenvorschussforderung des Beklagten ist auch nicht gemäß § 390 BGB einredebehaftet. Die zur Aufrechnung gestellte Forderung stand dem Werklohnanspruch der Klägerin zwar vor der mit Schriftsatz vom 24. Mai 2024 erklärten Aufrechnung nicht aufrechenbar gegenüber, so dass insoweit nach § 215 BGB auch kein früherer Zeitpunkt maßgebend sein kann.

Der Anspruch war am 24. Mai 2024 jedoch noch nicht verjährt, wie es die Klägerin einwendet. Der Ablauf der frühestens mit der Rücktrittserklärung des Beklagten vom 19. Mai 2021 in Gang gesetzten zweijährigen Verjährungsfrist ist durch die am 1. September 2021 beim Landgericht eingegangene und der Klägerin am 15. September 2021 zugestellte Widerklage des Beklagten nach §§ 204 Abs. 1 Nr. 1, 209 BGB i.V.m. § 167 ZPO fortlaufend gehemmt worden.

Die hier maßgebende zweijährige Verjährungsfrist des § 13 Abs. 4 Nr. 1 VOB/B beginnt entweder mit der Abnahme der Werkleistung zu laufen, § 13 Abs. 1 Nr. 3 VOB/B, oder mit deren endgültiger Ablehnung (vgl. BGH, NJW 1970, 421; 1981, 822; 2000, 133; 2010, 3573, Rn. 23).

(1) Zu einer Abnahme der Werkleistungen der Klägerin durch den Beklagten ist es nicht gekommen. Die Abnahme setzt die körperliche Entgegennahme des vom Unternehmer hergestellten Werkes voraus, soweit diese möglich ist, und die damit verbundene Erklärung des Bestellers, dass er das Werk als im Wesentlichen vertragsgerecht erbracht anerkennt (vgl. BGH NJW 1973, 1792; MüKoBGB/Busche, 9. Aufl. 2023, BGB, § 640, Rn. 3 m.w.N.).

(a) Der Beklagte hat die Bauleistungen der Klägerin zu keinem Zeitpunkt ausdrücklich als im Wesentlichen vertragsgemäß entgegengenommen. Mangels Fristsetzung der Klägerin zur Abnahme scheidet eine auch im Rahmen des VOB/B-Vertrages in Betracht kommende Abnahmefiktion nach § 640 Abs. 2 BGB a.F. sowie eine förmliche Abnahme nach § 12 Abs. 4 VOB/B aus.

(b) Der Beklagte hat die Bauleistungen der Klägerin auch nicht konkludent als vertragsgemäß gebilligt. Eine konkludente Abnahme kommt in Betracht, wenn das Werk jedenfalls nach den Vorstellungen des Auftraggebers im Wesentlichen mangelfrei fertiggestellt ist und der Auftragnehmer das Verhalten des Auftraggebers als Billigung seiner erbrachten Leistung als im Wesentlichen vertragsgerecht verstehen darf (vgl. Jurgeleit in: Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 5. Aufl., 3. Teil Rn. 54). Dabei stehen Mängel einer konkludenten Abnahme nur dann entgegen, wenn der Unternehmer wegen ihres Vorliegens oder des vom Besteller behaupteten Vorliegens nicht davon ausgehen kann, der Besteller würde das Werk als im Wesentlichen vertragsgemäß hergestellt hinnehmen. Hiervon kann regelmäßig nur ausgegangen werden, wenn die Mängel den Vertragsparteien bekannt bzw. durch den Besteller gerügt sind (vgl. OLG Braunschweig, Urteil vom 2. Juni 2022 – 8 U 205/21, Rn. 49, juris).

Zuzugeben ist der Klägerin zwar, dass der Beklagte nach Fertigstellung der Trespa-Verkleidung im Januar 2016 die streitgegenständlichen Mängel jedenfalls schriftlich erstmals in der Klageerwiderung vom 5. Dezember 2016 gerügt hat. Angesichts der augenscheinlich vorhandenen Mängel – insbesondere der dem ausdrücklich geäußerten Wunsch des Beklagten widersprechenden vertikalen Anbringung von insgesamt 8 Platten – konnte die Klägerin aber nicht davon ausgehen, dass der Beklagte ihr Werk als vertragsgemäß billigen würde. Dementsprechend hat der Beklagte die erste Schlussrechnung der Klägerin vom 25. Januar 2016 mit Schreiben vom 25. Februar 2016 unmittelbar zurückgewiesen und damit zum Ausdruck gebracht, das Werk der Klägerin als nicht vertragsgemäß anzusehen.

Eine konkludente Abnahme durch Ingebrauchnahme des Werks scheidet bereits deshalb aus, weil der Beklagte nach seinem unbestrittenen Vortrag (vgl. Schriftsatz vom 6. Januar 2017, Bl. 82 LG) das Haus jedenfalls bis zum Januar 2017 noch nicht bezogen hatte. Soweit sich der Beklagte sodann auf Mängel berufen hat, kommt eine konkludente Abnahme durch Weiterbenutzung des Werks nicht in Betracht (vgl. BGH, NJW-RR 2004, 591; BGH NJW 2006, 3275 Rn. 42, beck-online).

(c) Im vorliegenden Fall greift zu Gunsten der Klägerin auch nicht die Abnahmefiktion des § 12 Abs. 5 Nr. 1 VOB/B ein, da sie im vorliegenden Fall unwirksam ist. § 12 Abs. 5 VOB/B hält im Verbrauchervertrag der Inhaltskontrolle gemäß § 308 Nr. 5 BGB nicht stand (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 9. Dezember 1994- 12 U 41/94, juris; BGH, Urteil vom 27. Juli 2006 – VII ZR 276/05, NZBau 2006 zur vertraglich geregelten Abnahmefiktion; Kniffka/Koeble, Teil 3 Die Abnahme der Bauleistung, Rn. 79, beck-online).

Zwar kommt eine isolierte Inhaltskontrolle einzelner VOB/B-Vorschriften auf Grundlage der §§ 305ff. BGB nicht in Betracht, wenn die VOB/B in Bauverträgen als Ganzes vereinbart ist (vgl. BGH, NJW 1983, 816; § 310 Abs. 1 S. 3 BGB). Dies gilt aber nur für Verträge zwischen Unternehmern und findet bei Verwendung gegenüber Verbrauchern keine Anwendung, § 310 Abs. 1 S. 3, S. 1 BGB. Der Beklagte ist Verbraucher i.S.d. § 13 BGB, denn er ist gegenüber der Klägerin persönlich als Auftraggeber eines Bauprojekts aufgetreten, das sich auf die Errichtung eines Werks an seinem Einfamilienhaus bezogen hat. Dass der Beklagte bei Vertragsschluss und im Übrigen von seiner Architektin vertreten wurde, ändert an der Verbrauchereigenschaft nichts (vgl. BGH NJW 2015, 3228, Rn. 53), denn gemäß § 164 Abs. 1 BGB wirkt die Willenserklärung unmittelbar für und gegen den Vertretenen, sodass die rechtlichen Folgen des Vertreterhandelns allein den Vertretenen treffen. Der Rechtsgedanke des § 166 Abs. 1 BGB ist dabei weder direkt noch analog anwendbar (vgl. BeckOGK/Alexander, 1.5.2024, BGB, § 13, Rn. 183 m.w.N.).

Die Bestimmung des § 12 Abs. 5 Nr. 1 VOB/B beinhaltet eine Abnahmefiktion und fällt deshalb unter § 308 Nr. 5 BGB. Nach § 12 Abs. 5 Nr. 1 VOB/B gilt eine Bauleistung als von dem Auftraggeber abgenommen, wenn keine Abnahme verlangt worden ist, der Auftragnehmer dem Auftraggeber schriftlich Mitteilung von der Fertigstellung der Bauleistung gemacht hat und der Auftraggeber innerhalb von zwölf Werktagen keine Beanstandungen erhoben hat. Weder weist diese K…el besonders auf die rechtlichen Folgen des Untätigbleibens hin, wie es § 308 Nr. 5 BGB verlangt, noch ist sie – mangels Anknüpfens an die Abnahmereife des Werks – mit dem Leitbild des Werkvertragsrechts zu vereinbaren (vgl. MüKoBGB/Wurmnest, 9. Aufl. 2022, BGB, § 308 Nr. 5, Rn. 9; Havers, in: Kapellmann/Messerschmidt, VOB, 2. Aufl. (2007), § 12 VOB/B Rn. 28 m.w.N.). Sie ist gegenüber dem Beklagten deshalb als unwirksam zu betrachten.

(2) Auch hat der Beklagte die Abnahme bis zum 19. Mai 2021 nicht endgültig verweigert.

(a) Soweit sich der Beklagte in der Klageerwiderung vom 5. Dezember 2016 auf Mängel berufen hat, war die darin womöglich zu sehende Abnahmeverweigerung nicht endgültig, da der Beklagte lediglich von seinem Recht aus § 12 Abs. 3 VOB/B Gebrauch gemacht und die Abnahme bis zur Beseitigung wesentlicher Mängel verweigert hat. Es handelt sich in diesem Fall daher nur um eine vorläufige Verweigerung der Abnahme bis zur Vertragserfüllung (vgl. BeckOK VOB/B/Koenen, 55. Ed. 1.5.2024, VOB/B, § 13 Abs. 4, Rn. 68, 69 m.w.N.). Eine endgültige Abnahmeverweigerung kann zwar in einer unter Androhung einer Ersatzvornahme gesetzten Nachbesserungsfrist und deren fruchtlosen Ablaufs zu sehen sein (vgl. OLG Brandenburg, NZBau 2013, 700, beck-online). Der Beklagte hat für den Ablauf der von ihm zur Mangelbeseitigung bis zum 22. Dezember 2016 gesetzten Frist jedoch weder die Ablehnung der Nachbesserung der Klägerin noch eine Ersatzvornahme noch einen Rücktritt oder eine Kündigung angedroht.

(b) Ebenso wenig ist der Vortrag der Klägerin, dass durch das (bereits erstinstanzlich in den Rechtsstreit eingeführte) Schreiben des Beklagten vom 25. Februar 2016, in dem es heißt: “Ihnen ist der Auftrag bereits entzogen worden”, eine Kündigung seitens des Beklagten erfolgt sei, nicht geeignet, eine endgültige Abnahmeverweigerung des Beklagten zu begründen. Unabhängig davon, dass die unklaren Hintergründe dieses Schreiben von keiner der Parteien erläutert worden sind, wird der Bauvertrag durch eine Kündigung lediglich für die Zukunft beendet. Der Auftragnehmer bleibt bezüglich der bis zur Kündigung erbrachten Bauleistungen zur Mängelbeseitigung verpflichtet und muss dazu weiterhin Gelegenheit erhalten (vgl. BGH, NJW 1988, 140; NJW-RR, 1988, 208; NJW, 2000, 2988). Auch nach Kündigung beginnt die Verjährung von Mängelansprüchen daher erst mit der Abnahme oder ihrer endgültigen Verweigerung (vgl. BGH, NJW 2003, 1450 f; Messerschmidt/Voit/Voit, 4. Aufl. 2022, VOB/B, § 13, Rn. 22), die in dem Schreiben des Beklagten vom 25. Februar 2016 nicht zu erkennen ist.

(c) Der Beklagte hat erstmals durch Erklärung seines Rücktritts bzw. der hilfsweisen außerordentlichen Kündigung am 19. Mai 2021 – unabhängig von deren Wirksamkeit – zu erkennen gegeben, dass er an der Leistung der Klägerin kein Interesse mehr hat. Er hat deren Angebot zur Mängelbeseitigung vom 15. April 2021 und vom 10. Mai 2021 durch die Erklärung vom 19. Mai 2021, sich vom Vertrag lösen und diesen rückabwickeln zu wollen, endgültig abgelehnt und damit auch eine Abnahme endgültig verweigert.

Die dadurch in Gang gesetzte Verjährung der Mängelansprüche des Beklagten ist aber durch die am 1. September 2021 beim Landgericht eingegangene Widerklage des Beklagten nach §§ 204 Abs. 1, 209 BGB fortwährend gehemmt worden.

Dass der Beklagte seine Widerklage zunächst auf die Rückabwicklung des mit der Klägerin geschlossenen Bauvertrages gerichtet hat, steht der Hemmung nicht entgegen. Die Hemmung der Verjährung beschränkt sich zwar grundsätzlich auf denjenigen Anspruch oder Anspruchsteil, auf den sich die Klage bezieht. Hierbei ist entscheidend für § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB grundsätzlich der prozessuale Anspruch und damit der Streitgegenstand, wie er durch Klageantrag und den zu seiner Begründung vorgetragenen Lebenssachverhalt bestimmt wird. Nach § 213 BGB gilt die Hemmung, die Ablaufhemmung und der erneute Beginn der Verjährung aber auch für Ansprüche, die aus demselben Grunde wahlweise neben dem Anspruch oder an seiner Stelle gegeben sind. Verlangt wird dabei im Kern eine Identität von Klagegrund und/oder verfolgtem Interesse trotz divergierender Klageanträge (vgl. BGH NJW 1996, 1743; MüKoBGB/Grothe, 9. Aufl. 2021, BGB § 204, Rn. 10 m.w.N.). Ein Mangel – wie hier – ist derselbe Grund. Alle in § 634 BGB und auch in § 13 VOB/B geregelten Gewährleistungsansprüche, die auf demselben Mangel beruhen, sind deshalb als solche aus demselben Grund anzusehen. Die Hemmung eines von ihnen erstreckt sich also auch auf die anderen Gewährleistungsansprüche (vgl. BGH, ZfBR 2021, 151; ZIP 2016, 625; BeckRS 2015, 9790; 2010, 2414) und zwar unabhängig davon, in welcher Höhe sie geltend gemacht werden (vgl. BGH, BeckRS 2015, 9790 Rn. 35 ff.; BeckOGK/Meller-Hannich, 1.7.2024, BGB, § 213, Rn. 9).

Der nunmehr mit Widerklageantragsänderung vom 24. Mai 2024 geltend gemachte Kostenvorschuss für die Beseitigung der streitgegenständlichen Mängel weist eine solche Identität zum Klagegrund der ursprünglichen Widerklage auf, da sowohl die geänderte Widerklage als auch die ursprüngliche Widerklage auf denselben Mängeln sowie den übrigen bereits in den Rechtsstreit eingeführten Tatsachen beruhen. Schließlich war der Beklagte erst gehalten, unter Beachtung der VOB/B, die die ursprünglich vom Beklagten angestrebte und vom Landgericht vertretene Vertragsrückabwicklung entsprechend den §§ 346 ff. BGB nicht kennt, sein Rechtsschutzziel und seinen Antrag umzustellen, als der Senat in der mündlichen Verhandlung vom 28. März 2024 auf seine Auffassung zur Anwendung der VOB/B auf den vorliegenden Bauvertrag hingewiesen hat.

bb) Dem Beklagten steht ein Anspruch auf Zahlung eines Kostenvorschusses zur Mängelbeseitigung jedenfalls in Höhe von 8.388,14 Euro zu.

Der Vorschussanspruch berechnet sich nach den voraussichtlichen oder mutmaßlichen Kosten (vgl. BGH, Urteil vom 22. Februar 2001 – VII ZR 115/99, NJW-RR 2001, 739; BGH, Urteil vom 24. Oktober 1996 – VII ZR 98/94, NJW-RR 1997, 339 (340); BGH, Urteil vom 5. Mai 1977 – VII ZR 36/76, NJW 1977, 1336, 1338). Der Anspruch richtet sich auf den Geldbetrag, der die Mangelbeseitigung aus Sicht eines vernünftigen, wirtschaftlichen denkenden Menschen abdecken wird (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 7. Februar 2020 – I-22 U 548/19, BeckRS 2020, 7833, Rn. 184 m.w.N.). Der Vorschuss kann dabei – aufgrund seiner vorläufigen Natur und der ggf. geschuldeten Rückzahlung eines Überschusses durch den Auftraggeber oder auch etwaiger Nachforderungen durch den Auftraggeber – im Wege einer groben Schätzung zuerkannt werden (vgl. BGH, Urteil vom 10. April 2003 – VII ZR 251/02, NJW-RR 2003, 878 (879); OLG Düsseldorf, Urteil vom 7. Februar 2020 – I-22 U 548/19, BeckRS 2020, 7833 Rn. 184 mwN). Eine Schätzung nach § 287 ZPO darf aber nur vorgenommen werden, wenn und soweit die festgestellten Umstände hierfür eine genügende Grundlage abgeben. Sie hat zu unterbleiben, wenn greifbare Anhaltspunkte fehlen (vgl. BGH, NJW-RR 1988, 410; BGH, NJW-RR 2004, 1023, beck-online).

Hier bietet das erstinstanzliche Gutachten des Sachverständigen M… vom 12. Januar 2021 in Verbindung mit dem vom Beklagten zur Akte gereichten Kostenvoranschlag der Bauservice O… GmbH vom 24. Mai 2024 dem Senat eine geeignete Schätzungsgrundlage. Denn als Schätzgrundlage können auch nachvollziehbare Angebote von Fachunternehmen herangezogen werden (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 25. Mai 2011 – 9 U 122/10, NZBau 2011, 617; Messerschmidt/Voit/Moufang/Koos, 4. Aufl. 2022, BGB § 637, Rn. 38). Einer ergänzenden sachverständigen Beurteilung bedarf es daher nicht.

Der Sachverständige M… hat in seinem schriftlichen Gutachten zunächst erläutert, welche Maßnahmen zur Beseitigung der von ihm festgestellten Mängel erforderlich sind und die dafür entstehenden Kosten überschlägig für den Zeitpunkt der Gutachtenerstellung am 12. Januar 2021 berechnet (vgl. S. 21 – 23 GA). Das Angebot der Bauservice O… GmbH entspricht im Wesentlichen den sachverständigen Feststellungen zu den für die Mängelbehebung erforderlich werdenden Baumaßnahmen.

(1) So hat der Sachverständige M… für die Baustelleneinrichtung, einen Container, eine Miettoilette, die Schutzabdeckung und das Fassadengerüst insgesamt 1.182 Euro veranschlagt. Das Angebot der Bauservice O… GmbH fasst diese Maßnahmen unter der Position 01 zusammen und führt dazu im Vergleich zum Gutachten einen weitaus geringeren Preis in Höhe von 650 Euro an.

(2) Unter Position 07 hat der Sachverständige zur Mängelbeseitigung die Plattenbekleidungen inkl. erforderlicher Unterkonstruktion, Wärmedämmung und Randabschlussprofilen mit pauschal “ca. 20 m² x 170Euro/m²” angesetzt. Auch der Kostenvoranschlag vom 24. Mai 2024 beinhaltet diese erforderlichen Baumaßnahmen unter Position 03 (Liefern und Anbauen einer Aluminium-Unterkonstruktion), 04 (Liefern und Einbau einer Dämmung) sowie 05 (Trespa liefern und einbauen, Zuschnitt gemäß vorliegender Planung). Dass das Angebot vom 24. Mai 2024 dabei für die genannten Positionen jeweils eine Menge von 28,50 m² berücksichtigt, ist insoweit nicht zu beanstanden, als dass es sich bei der Angabe des Sachverständigen von “ca. 20 m²” ersichtlich um eine Schätzung handelt und die Menge von 28,50 m² die vom ursprünglichen Angebot der Klägerin erfassten 31,12 m² (Bl. 12 LG) und mit der Schlussrechnung vom 25. Januar 2016 abgerechneten 33,56 m² (Bl. 20 LG) nicht überschreitet.

Die Klägerin kann sich nicht darauf berufen, dass die bereits vorhandene Unterkonstruktion und auch die Platten nach ihrer Auffassung wiederverwendet werden können, da der Sachverständige M… deren Prüfung und Ersatz jedenfalls für erforderlich gehalten (S. 21 GA) und im Rahmen der Kosten auch berücksichtigt hat (S. 23 GA). Bei dem Austausch lediglich einzelner Platten der Trespa-Verkleidung wären schließlich auch nachteilig wirkende Farbunterschiede in der Maserung zu berücksichtigen, die die Klägerin selbst zur Begründung des vertikalen Verbaus der Laibungsplatten angeführt hat.

Dass die im Kostenvoranschlag der Bauservice O… GmbH genannten Positionen der Höhe nach von den überschlägig für die Mängelbeseitigung ermittelten Kosten des Sachverständigen M… und vom ursprünglichen Angebot der Klägerin abweichen, steht dem Mängelkostenvorschuss nicht entgegen, denn eine Vorschussklage deckt spätere, denselben Mangel betreffende Erhöhungen unabhängig davon ab, worauf die Erhöhungen zurückzuführen sind (vgl. BGH, NJW-RR 1994, 785; NJW 2009, 60 (61); OLG Köln, Urteil vom 29. Juni 2022 – 11 U 33/20, NZBau 2022, 593, beck-online). Schon aus diesem Grund kann sich die Klägerin nicht auf die Unverhältnismäßigkeit des später abzurechnenden Kostenvorschusses berufen.

(3) Der Beklagte hat (ohne Berücksichtigung der mit der Widerklage geltend gemachten Position 02 des Angebots vom 24. Mai 2024) einen Anspruch auf Leistung eines Kostenvorschusses für die Mängelbeseitigung entsprechend der Positionen 01, 03, 04 und 05 des Kostenvoranschlags der Bauservice O… GmbH in Höhe von insgesamt 15.468,29 Euro, mit dem der Beklagte die Aufrechnung gegen die bestehende Werklohnforderung der Klägerin in Höhe von 8.388,14 Euro erklärt hat. Die Aufrechnung umfasst folglich die Position 01, 03, 04 sowie die Position 05 in Höhe von 1.401,45 Euro.

Die Werklohnforderung der Klägerin ist mithin erloschen, § 389 BGB.

d) Mangels Hauptanspruch hat die Klägerin auch keinen Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren.

2. Die zulässige Berufung des Beklagten hat in der Sache Erfolg und führt mangels bestehenden Werklohnanspruchs der Klägerin zur Abweisung der Klage sowie in dem zuerkannten Maße zur Verurteilung der Klägerin, nachdem der Beklagte seine nach § 33 ZPO zulässige Widerklage im Hinblick auf den in der mündlichen Verhandlung vom 28. März 2024 erteilten Hinweis des Senats in gemäß § 264 Nr. 3 ZPO zulässiger Weise mit Schriftsatz vom 24. Mai 2024 geändert (a) und nach § 533 ZPO hilfsweise erweitert (b) hat.

a) Die Widerklage ist begründet. Dem Beklagten steht nach den unter Ziffer 1. c) aa) und bb) getätigten Ausführungen, auf die verwiesen wird, gegen die Klägerin ein Anspruch aus § 13 Abs. 5 Nr. 2 VOB/B auf Zahlung eines Kostenvorschusses in Höhe von 847,68 Euro für den Rückbau der vorhandenen Trespa-Verkleidung zu. Der Rückbau der vorhandenen “Verkleidung” ist in dem Sachverständigengutachten M… vom 12. Januar 2021 als zur Mängelbeseitigung erforderliche Maßnahme festgestellt (S. 21 f. GA) und entspricht der Position 02 des Angebots der Bauservice O… GmbH, wobei die zum Gutachten vorhandene Kostensteigerung – wie dargelegt – dem Anspruch nicht entgegensteht.

b) Die hilfsweise erhobene Widerklage ist zulässig. Sie steht unter der zulässigen innerprozessualen Bedingung der gerichtlichen Bewertung der Höhe der Kostenvorschussansprüche des Beklagten und ist durch Angabe des Maximalbetrages in Höhe von 15.516,17 Euro netto hinreichend bestimmt, § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

Die Widerklage ist im zuerkannten Umfang begründet und lediglich in. H. v. 47,88 Euro unbegründet. Der Beklagte kann weitere 7.080,15 Euro aus § 13 Abs. 5 Nr. 2 VOB/B vom Beklagten beanspruchen. Dieser Betrag ergibt sich aus den unter Ziffer 1. c) bb) angestellten Erwägungen. Dem Beklagten steht – ohne Berücksichtigung der mit der unbedingten Widerklage geltend gemachten Position 02 des Angebots vom 24. Mai 2024 in Höhe von 847,68 Euro – ein Kostenvorschussanspruch in Höhe von insgesamt 15.468,29 Euro zu, der die Positionen 01, 03, 04 und 05 des Kostenvoranschlags erfasst. Abzüglich des im Wege der Aufrechnung berücksichtigten Betrages in Höhe von 8.388,14 Euro verbleibt dem Beklagten ein Anspruch in Höhe von 7.080,15 Euro.

Ein weiterer Kostenvorschussanspruch steht dem Beklagten dagegen nicht zu. Es ist davon auszugehen, dass der Beklagte, der seinen Ansprüchen auf Kostenvorschuss die im Kostenvoranschlag der Bauservice O… GmbH vom 24. Mai 2024 ausgewiesenen 16.363,85 Euro netto zugrunde legt, die Zahlung der 1.593,75 Euro für die Position 06 des Kostenvoranschlags schon nicht geltend macht und ihm diese deshalb auch nicht zuzuerkennen sind, §§ 528, 308 Abs. 1 ZPO. Der im Angebot vom 24. Mai 2024 unter Position 06 aufgelistete “Statische Nachweis für max. 5 Positionen, inkl. Positionsplan aus Teilanschichtflächen” für 1.593,75 Euro ist bei der im Kostenvoranschlag genannten Netto-Endsumme in Höhe von 16.363,85 Euro nicht berücksichtigt worden, denn lediglich die Summe aus den Positionen 01 bis 05 und die Position 07 ergibt 16.363,85 Euro. Des Weiteren ist die für den Senat nicht nachvollziehbare Position 07 des Kostenvoranschlages vom 24. Mai 2024 in Höhe von 47,88 Euro für “Arbeiten die nicht im Angebot erfasst sind” im Rahmen des Kostenvorschusses nicht zu berücksichtigen, denn Zweifel an der Höhe der zur Mängelbeseitigung erforderlichen Kosten gehen nicht zu Lasten des Schädigers. Es darf nur derjenige Betrag ausgeurteilt werden, der im Rahmen der vorzunehmenden Schätzung für die Mängelbeseitigung sicher anfällt (vgl. BGH, Urteil vom 10. April 2003 – VII ZR 251/02, NJW-RR 2003, 878, beck-online).

Deshalb ist dem Beklagten auf die Widerklage ein Kostenvorschuss in Höhe von insgesamt 7.927,83 Euro (847,68 Euro + 7.080,15 Euro) zuzusprechen.

Der Zinsanspruch des Beklagten ergibt sich aus § 291 BGB ab Zustellung der geänderten Widerklage am 27. Mai 2024.

LG Paderborn zu der Frage, dass durchfeuchtete Wände mit Salzausblühungen und zerbröselndem Putz in Wohnungen einen Mangel darstellen, auch wenn die Durchfeuchtung bis max. 1 m geht

LG Paderborn zu der Frage, dass durchfeuchtete Wände mit Salzausblühungen und zerbröselndem Putz in Wohnungen einen Mangel darstellen, auch wenn die Durchfeuchtung bis max. 1 m geht

vorgestellt von Thomas Ax

1. Der Mieter einer Wohnung kann nach der allgemeinen Verkehrsanschauung erwarten, dass die von ihm angemieteten Räume einen Wohnstandard aufweisen, der bei vergleichbaren Wohnungen üblich ist. Dabei sind insbesondere das Alter, die Ausstattung und die Art des Gebäudes, aber auch die Höhe der Miete und eine eventuelle Ortssitte zu berücksichtigen. Gibt es zu bestimmten Anforderungen technische Normen, ist jedenfalls deren Einhaltung geschuldet. Dabei ist nach der Verkehrsanschauung grundsätzlich der bei Errichtung des Gebäudes geltende Maßstab anzulegen.
2. Durchfeuchtete Wände mit Salzausblühungen und zerbröselndem Putz in Wohnungen stellen einen Mangel dar, auch wenn die Durchfeuchtung bis max. 1 m geht.
3. Dies würde sogar dann gelten, wenn hierdurch der bestimmungsgemäße Gebrauch der Wohnung nicht erheblich beeinträchtigt wäre.
4. Die Verpflichtung des Vermieters zur Beseitigung eines Mangels endet dort, wo der dazu erforderliche Aufwand die “Opfergrenze” überschreitet.
5. Eine Überschreitung der Opfergrenze liegt jedenfalls nahe, wenn die Reparaturkosten den Zeitwert des Mietobjekts erheblich übersteigen.
6. Als weiterer Orientierungspunkt für die Beurteilung der Zumutbarkeit dient der Gesichtspunkt, ob die aufzuwendenden finanziellen Mittel innerhalb eines Zeitraums von ca. 10 Jahren durch eine erzielbare Rendite aus dem Mietobjekt ausgeglichen werden können.
LG Paderborn, Urteil vom 06.03.2024 – 1 S 72/22

Gründe:

I.

Von den gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zu treffenden Feststellungen zur Tatsachengrundlage wird gem. §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen.

II.

Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache teilweise Erfolg.

Anders als das Amtsgericht mit am 30.09.2022 verkündeten Urteil ausgeführt hat, steht der Klägerin sowohl gem. § 535 Abs. 1 S. 2 BGB ein Anspruch auf Beseitigung der von ihr geltend gemachten Feuchteerscheinungen in den betroffenen Wänden in Schlafzimmer, Flur und Wohnzimmer als auch gem. § 536 Abs. 1 BGB ein Feststellungsanspruch hinsichtlich eines auf die Feuchteerscheinungen in der Wohnung gestützten Minderungsrechts zu. Die vom Amtsgericht vorgenommene Beurteilung, die streitgegenständliche Wohnung sei trotz feuchter Wände mit zerbröselndem Putz und Salzausblühungen mangelfrei, da der bestimmungsgemäße Gebrauch der Wohnung hierdurch nicht beeinträchtigt sei, hält insofern rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Amtsgericht jedoch einen Anspruch auf Beseitigung der im von der Klägerin angemieteten Kellerraum bestehenden Feuchtigkeit in den Wänden verneint.

1. Soweit die Klägerin mit ihrer Klage einen Feststellungsantrag dahingehend gestellt hat, dass die Warmmiete wegen der von ihr geltend gemachten Mängel um 50% gemindert sei, bestehen hinsichtlich der Zulässigkeit keine Bedenken. Insbesondere liegt das gem. § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse vor. Dieses richtet sich darauf, dass zwischen den Parteien die Minderung der Miete rechtsverbindlich festgestellt wird, weil dies einerseits im Hinblick auf künftige Mietzahlungen und andererseits – auch soweit zurückliegende Mietzeiträume betroffen sind – als Vorfrage im Fall einer etwaigen Zahlungsverzugskündigung von Bedeutung ist. Diese rechtsverbindliche Feststellung kann durch eine Leistungsklage nicht erreicht werden, weil insoweit die Minderung der Miete nur eine nicht in Rechtskraft erwachsende Vorfrage darstellt (vgl. BGH, Urteil vom 5. Dezember 2018 – VIII ZR 271/17; BGH NJW-RR 2022, 381).

2. Die Klage ist – in Abweichung von den amtsgerichtlichen Ausführungen – auch in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.

a) Die Klägerin hat gegen den Beklagten gem. § 535 Abs. 1 S. 2 BGB einen Anspruch auf Beseitigung der Feuchtigkeit, die sich in der streitgegenständlichen Mietwohnung im Schlafzimmer in der Außenwand zur Terrasse hin, im Flur in der Außenwand links von der Haustür zur Terrasse hin und im Wohnzimmer in der Außenwand im Bereich zum Wohnungseingang befindet.

Denn die in den genannten Wänden bestehende Feuchtigkeit, die vorliegend u.a. zu sichtbaren Salzausblühungen und zerbröselndem Putz führte, stellt einen Mangel der Mietwohnung dar, der einen Beseitigungsanspruch der Klägerin zur Folge hat. Dies gilt entgegen der Rechtsauffassung des erstinstanzlichen Gerichts sogar dann, wenn hierdurch der bestimmungsgemäße Gebrauch der Wohnung nicht erheblich beeinträchtigt wäre, wobei eine solche erhebliche Beeinträchtigung hier vorliegt. Die Erfüllung des Instandsetzungsanspruchs stellt sich schließlich auch nicht für den Beklagten als wirtschaftlich unzumutbar dar.

aa) Gem. § 535 Abs. 1 S. 2 BGB hat der Vermieter die Mietsache dem Mieter in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu überlassen und sie während der Mietzeit in diesem Zustand zu erhalten. Ihm obliegt insofern eine Instandhaltungs- und Instandsetzungspflicht in Bezug auf das Mietobjekt mit der Folge, dass dem Mieter bei Auftreten eines Mangels ein entsprechender Erfüllungsanspruch zusteht. Erweist sich hiernach die Mietsache als mangelhaft, muss der Vermieter tätig werden, selbst wenn der Mangel eine nur unerhebliche Gebrauchsbeeinträchtigung nach sich zieht und kein Minderungsrecht des Mieters auslöst (vgl. BeckOK MietR/Specht, 35. Ed. 1.11.2023, BGB § 535 Rn. 4400 ff.).

Ein Mangel, der die Tauglichkeit der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch aufhebt oder mindert, ist eine für den Mieter nachteilige Abweichung des tatsächlichen Zustandes der Mietsache vom vertraglich vorausgesetzten Zustand. Ob dies der Fall ist, bestimmt sich in erster Linie nach den Vereinbarungen der Mietvertragsparteien. Soweit Parteiabreden zur Beschaffenheit der Mietsache fehlen, wird der in § 535 Abs. 1 S. 2 BGB gesetzlich vorgesehene “zum vertragsgemäßen Gebrauch geeignete Zustand” durch den vereinbarten Nutzungszweck, hier die Nutzung als Wohnung, bestimmt. Der Mieter einer Wohnung kann nach der allgemeinen Verkehrsanschauung erwarten, dass die von ihm angemieteten Räume einen Wohnstandard aufweisen, der bei vergleichbaren Wohnungen üblich ist. Dabei sind insbesondere das Alter, die Ausstattung und die Art des Gebäudes, aber auch die Höhe der Miete und eine eventuelle Ortssitte zu berücksichtigen. Gibt es zu bestimmten Anforderungen technische Normen, ist jedenfalls deren Einhaltung geschuldet. Dabei ist nach der Verkehrsanschauung grundsätzlich der bei Errichtung des Gebäudes geltende Maßstab anzulegen (BGH, Urteil vom 5. Dezember 2018 – VIII ZR 271/17).

In Bezug auf die streitgegenständliche Wohnung liegt eine solche für die Klägerin nachteilige Abweichung des tatsächlichen Zustandes der Mietsache vom vertraglich vorausgesetzten Zustand und demnach ein Mangel vor.

(1) Anders als die Klägerin meint, ergibt sich ein solcher Mangel aber nicht bereits aus einer Abweichung von einer zwischen den Parteien ausdrücklich geschlossenen Beschaffenheitsvereinbarung hinsichtlich einer trockenen – für Rheumatiker geeigneten – Wohnung. Denn die Klägerin ist für eine derartige Beschaffenheitsvereinbarung beweisfällig geblieben. Sie hat zwar behauptet, dass sie den Beklagten bei der Besichtigung ausdrücklich gefragt habe, ob die Wohnung trocken sei, was der Beklagte bejaht habe. Eine solche Unterhaltung bzgl. der Trockenheit der Wohnung hat der Beklagte aber substantiiert bestritten. Er hat insofern im Rahmen seiner persönlichen Anhörung in der mündlichen Verhandlung am 16.08.2023 nachvollziehbar dargelegt, dass es bei der Besichtigung beispielsweise um den Hund der Klägerin gegangen sei, aber nicht um etwaige Feuchtigkeit in der Wohnung selbst. Die Kammer vermag nach dem Ergebnis der persönlichen Anhörung der Parteien letztlich nicht zu beurteilen, inwieweit tatsächlich über eine Trockenheit der Wohnung gesprochen und ob diese vom Beklagten ausdrücklich zugesichert worden ist. Diese Unsicherheit wirkt sich zu Lasten der Klägerin aus. Gegen die von der Klägerin behauptete Beschaffenheitsvereinbarung kann aber angeführt werden, dass sich diese nicht im Ansatz aus dem Mietvertrag oder dem Übergabeprotokoll ergibt, sodass auch die Vermutung der Richtigkeit und Vollständigkeit der Urkunde gegen eine solche Absprache spricht. Soweit die Klägerin zudem vortragen lässt, dass der Beklagte aufgrund ihrer mitgeteilten Rheuma-Erkrankung habe wissen müssen, dass es ihr auf eine trockene Wohnung angekommen sei, geht diese Auffassung fehl, da nicht nachvollzogen werden kann, worauf sie diese Schlussfolgerung stützt.

(2) Auf das Vorliegen der behaupteten ausdrücklichen Beschaffenheitsvereinbarung kommt es aber letztlich nicht an. Auch unabhängig von einer solchen ist die Kammer von der Mangelhaftigkeit der Wohnung überzeugt.

Denn aus dem erstinstanzlich eingeholten Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. C. vom 24.02.2022 und seinen mündlichen Erläuterungen in der mündlichen Verhandlung vom 19.09.2022 ergibt sich, dass die streitgegenständlichen Wände in der Wohnung erheblich durchfeuchtet sind; hierin ist – entgegen den amtsgerichtlichen Ausführungen – ein Mangel zu sehen, der einen Beseitigungs- bzw. Instandsetzungsanspruch der Klägerin gegen den Beklagten gem. § 535 Abs. 1 S. 2 BGB zur Folge hat.

Der Sachverständige Dipl.-Ing. C. hat im Rahmen seines Gutachtens hinsichtlich der Wohnung nachvollziehbar, detailreich und widerspruchsfrei ausgeführt, dass von ihm im Schlafzimmer im Wandsockelbereich hinter der Fußleiste ein äußerst hoher Feuchtewert von 186,1 Digits gemessen worden sei.

Bei “normal” trockenen Wänden würden die Werte in etwa im Bereich um ca. 50 Digits liegen. Auch seien in diesem von ihm begutachteten Bereich erheblich sichtbare Feuchtespuren zum Vorschein getreten. Erst ab einer Höhe von ca. 30 cm bewegten sich die gemessenen Feuchtewerte der Innenwand ausweislich der Ausführungen des Sachverständigen in einem Niveau “normal” trockener Wände vergleichbarer Wohnungen.

Auch im Sockelbereich Außenwand im Schlafzimmer seien ca. 10 cm über dem Boden durchgehend erheblich sehr hohe Feuchtewerte von 135,5 Digits gemessen worden. Am unteren Sockel der Außenwand sei außerdem die Putzoberfläche stellenweise bereits bei leichter Berührung zerbröselt, zudem seien Salzausblühungen erkennbar. Auch im Flur und im Wohnzimmer ließen sich an der Außenwand vergleichbare Feuchtewerte feststellen – oberhalb der Sockelleisten sehr hohe Werte, die im weiteren Verlauf nach oben abnehmen würden. Die Außenwände der Erdgeschosswohnung an der Ostseite des Gebäudes, die im erdberührten Sockelbereich sehr feucht seien, würden erst ab einer Höhe von ungefähr 1,00 m über dem Fußboden “normal” trockene Werte erreichen.

Zum Grund der durchfeuchteten Wände hat der Sachverständige Folgendes ausgeführt:

Die in der Wohnung im Erdgeschoss festgestellten hohen Feuchtewerte im Sockelbereich der Außenwände würden durch kapillaren Feuchtetransport im Mauerwerk verursacht. Aus dem Kellergeschoss dringe Feuchtigkeit in das EG-Mauerwerk ein, da diese Altbauten bauzeitbedingt keine Horizontalabdichtungen und in aller Regel keine ausreichende Vertikalabdichtung aufwiesen. Über den erdberührten Sockelbereich im Erdgeschoss dringe voraussichtlich ebenfalls Feuchtigkeit ein, da auch hier keine ausreichende Abdichtung vorhanden sei.

Verstärkend komme hier hinzu, dass das Gelände ein Gefälle in Richtung des Gebäudes aufweise und auch der Grundwasserstand voraussichtlich relativ hoch sei. Das Pflaster der angrenzenden Terrasse habe zwar ein leichtes Gefälle im Anschlussbereich an das Gebäude, doch darunter befinde sich laut Aussage des Beklagten eine Betonbodenplatte, durch die das anfallende Niederschlagswasser nicht im Boden versickern könne. Unter Umständen würde über diese Platte Oberflächenwasser sogar direkt an die Gebäudeaußenwand geführt. Durch die bauzeitbedingt ungenügende Abdichtung ergebe sich so eine hohe Feuchtelast im erdberührten Bereich der Gebäudeostseite.

Aufgrund der über die gesamte Höhe sichtbar feuchten Außenkellerwände sei erkennbar, dass von kapillar aufsteigender Feuchtigkeit, verbunden mit einem Transport von Salzen, bis in das Erdgeschoss auszugehen sei. Die Feuchtigkeit gelange im Erdgeschoss an die Wandoberfläche, wo sie verdunste. Dabei komme es zur Kristallisation der zuvor gelösten Salze. Die Laboranalysen zeigten dies deutlich, denn beide in der Wohnung entnommene Proben enthielten hauptsächlich (“sehr viel“) kristalline Partikel (hier: Salze).

Die Ausführung des Wohnungseingangs trage nach den Darlegungen des Sachverständigen ebenfalls zur besonders hohen Feuchtebelastung dieses Sockelbereichs bei, da hier eine annähernd bodengleiche Schwelle ohne Gefälle erstellt worden sei, durch die dort anfallendes Niederschlagswasser nahezu ungehindert eindringen könne. Aus seiner Sicht sei insofern zweifelsfrei die Feuchtigkeit auf bauseitsbedingte Ursachen zurückzuführen.

Diesen detailreichen und schlüssigen Erklärungen des Sachverständigen, die dieser mittels im Rahmen des durchgeführten Ortstermins gefertigten Lichtbilder ergänzte, schließt sich die Kammer nach eigener Prüfung vollumfänglich an. Anhaltspunkte dafür, an der Sachkunde des Sachverständigen Dipl.-Ing. C. zu zweifeln, bestehen nicht. Erhebliche Einwendungen gegen die sachverständigen Erläuterungen haben die Parteien im Übrigen nicht vorgebracht. Soweit der Beklagte bzgl. des schriftlichen Gutachtens bemängelt hat, dass lediglich Oberflächenmessungen und keine Bohrungen vorgenommen worden seien und insofern das Messergebnis von feuchten Tapeten oder feuchtem Putz beeinflusst worden sei, sodass hieraus kein zuverlässiger Schluss darauf gezogen werden könne, woher die Feuchtigkeit herrühre, geht dieser Einwand fehl. Der Sachverständige hat zwar zugegeben, dass seine Messmethode in der Tat nicht den Verlauf im gesamten Wandquerschnitt wiedergebe. Die Indizien, die für seine Feststellungen zur Feuchtigkeitsursache sprächen, seien aber so eindeutig, dass dies nicht erforderlich sei. Denn die von ihm aufgefundenen Salzausblühungen könnten nur entstehen, wenn die Feuchtigkeit aus dem Mauerwerk komme; durch externe Feuchtigkeit aus den Räumen sei dies nicht möglich. Die Salzausblühungen entstünden nämlich durch Salze aus den Baumaterialien, die dann durch Feuchtigkeit durch Diffusion und Kapillarwirkung an die trockene Seite getragen würden.

Dort trockne die Feuchtigkeit ab und an der Oberfläche würden sich derartige Salzausblühungen bilden.

Insofern hat der Sachverständige überzeugend begründet, warum seine gewählte Messmethode zur eindeutigen Beantwortung der Beweisfragen geeignet und ausreichend war.

Dass die Klägerin durch ihr Wohnverhalten zur Feuchtigkeit in den Wänden der Wohnung beigetragen hat, vermochte die Kammer aufgrund der Erläuterungen des Sachverständigen nicht festzustellen. Vielmehr folgt aus diesen, dass die Klägerin durch ihr Lüftungsverhalten eine hohe Raumluftfeuchtigkeit und Schimmelbildung – die der Sachverständige trotz der von ihm ermittelten hohen Feuchtewerte zu seiner Überraschung nicht ausmachen konnte – vermieden hat. Er hat dabei ausgeschlossen, dass die Feuchtigkeit in den Wänden auf Feuchtigkeit in der Raumluft beruhe. Die niedrigen Feuchtigkeitswerte in der Raumluft seien nach Auffassung des Sachverständigen letztlich sogar nur so erklären, dass die Klägerin über die geöffnete Haustür lüfte. Daher geht auch der Einwand fehl, der Sachverständige habe bei der Ursachenermittlung das Lüftungsverhalten der Klägerin nicht ausreichend berücksichtigt.

In der insofern vom Sachverständigen festgestellten bauseitsbedingten Durchfeuchtung der genannten Wohnungswände liegt trotz des Umstandes, dass die Abdichtung des Gebäudes gemäß den Darlegungen des Sachverständigen den üblichen Ausführungen zur Zeit der Gebäudeerstellung entspricht, ein Mangel. Dabei wird nicht verkannt, dass zur Beurteilung eines Mangels der bei Errichtung des Gebäudes geltende Maßstab anzulegen ist. Ein anderer Maßstab bei der Beurteilung des Vorliegens eines möglichen Mangels des vermieteten Wohnraums würde dazu führen, auch für eine nicht sanierte oder nicht grundlegend modernisierte Altbauwohnung und unabhängig von entsprechenden konkreten Vereinbarungen der Mietvertragsparteien einen Neubaustandard zugrunde zu legen, was in Widerspruch zur ständigen Rechtsprechung des BGH stehen würde (vgl. BGH, Urteil vom 5. Dezember 2018 – VIII ZR 271/17).

Die fehlende Abdichtung an sich stellt dabei aber auch nicht die eigentliche negative Abweichung der Soll- von der Ist-Beschaffenheit dar. Diese Abweichung besteht vielmehr in der durch mehrere Ursachen (fehlende Abdichtung, bodengleiche Schwelle ohne Gefälle etc.) entstandene Feuchtigkeit in den von der Klägerin genannten Wohnungswänden. In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist anerkannt, dass eine Bauteildurchfeuchtung als Sachmangel anzusehen ist (vgl. BGH, a.a.O.). Diese Ansicht hat ebenfalls der Sachverständige Dipl.-Ing. C. in seinem Gutachten vertreten und hierzu ausgeführt, dass Wände mit derart hohen Feuchtewerten wie von ihm gemessen, die innenseitig Salzausblühungen aufweisen und bei denen der Mieter die Feuchtigkeit durch sein Verhalten kaum bzw. nur unwesentlich reduzieren könne, im Mietwohnungsbereich nicht hinnehmbar seien. Dass bei Altbauwohnungen im Wohnraumbereich derart feuchte Wände dem bei Errichtung des Gebäudes geltenden Standard entsprechen, ergibt sich auch nicht aus seinen Darlegungen. Im Gegenteil hat dieser ausgeführt (s.o.), dass sich beispielsweise im Schlafzimmer erst in einer Höhe von ca. 30 cm die Feuchtewerte der Innenwand in einem Niveau “normal” trockener Wände vergleichbarer Wohnungen bewegten. Die angemieteten Räume weisen nach den Ausführungen des Sachverständigen, denen sich die Kammer anschließt, insofern keinen Wohnstandard auf, der bei vergleichbaren Wohnungen üblich ist, sodass hierin ein Mangel zu sehen ist.

Durch die Durchfeuchtung der Wände ist ferner die Tauglichkeit der Mietsache gemindert. Dies ist schon deshalb der Fall, weil sich nach den nachvollziehbaren Erläuterungen des Sachverständigen durch die nassen Wände der Putz in der Wohnung zersetze und teilweise schon bei leichter Berührung im Sockelbereich zerbrösele. Dies passiere, so der Sachverständige, wenn Salze kristallisieren, weil sich deren Volumen dann vergrößere. Auch die sichtbaren Feuchtigkeitsflecken sowie die ebenfalls erkennbaren Salzausblühungen stellen jedenfalls merkliche optische Beeinträchtigungen dar, die vom Mieter nicht hinzunehmen sind.

Darauf, ob es sich hierbei um erhebliche Beeinträchtigungen handelt, was seitens der Kammer bejaht wird, kommt es im Rahmen des § 535 Abs. 1 S. 2 BGB im Übrigen nicht an, sodass schon aus diesem Grund den Ausführungen des erstinstanzlichen Gerichts nicht zu folgen ist.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zum Wohnungseigentumsrecht (vgl. BGH, Urteil vom 4. Mai 2018 – V ZR 203/17) haben zudem massive Durchfeuchtungen von Innen- und Außenwänden von zu Wohnzwecken vermieteten Wohnungen erhebliche nachteilige Auswirkungen auf Wohnkomfort, Gesundheit und – wie bereits ausgeführt – den optischen Eindruck. Massive Durchfeuchtungen der Innen- und Außenwände – wie sie hier vorliegen – müssten deshalb weder in Wohnungs- noch in Teileigentumseinheiten hingenommen werden, und zwar auch dann nicht, wenn gesundheitsschädlicher Schimmel (noch) nicht aufgetreten ist (vgl. BGH, a.a.O.). Diese Ansicht teilt die Kammer in Bezug auf Mietwohnungen vollumfänglich (so z.B. auch LG Kiel, Urteil vom 23-10-1985 – 1 S 8/85); sie entspricht zudem der Einschätzung des Sachverständigen Dipl.-Ing. C., der dargelegt hat, dass aus fachlicher Sicht zum bestimmungsgemäßen Gebrauch einer Wohnung trockene Wände erforderlich seien.

Trotz des Umstandes, dass im Schlafzimmer auch an einer Innenwand am Sockel hohe Feuchtewerte feststellbar waren, hat die Klägerin aber lediglich einen Beseitigungsanspruch im Hinblick auf die von ihr genannte Außenwand. Die Kammer war insofern an den ausdrücklichen Wortlaut des klägerischen Antrags gebunden (vgl. § 308 Abs. 1 ZPO).

Soweit die Klägerin ferner bzgl. der Beseitigung der Feuchtigkeit im Wohnzimmer keine Angaben zur betroffenen Wand gemacht hat, war ihr Antrag dahingehend auszulegen, dass die Außenwand im Bereich zum Wohnungseingang gemeint war, da der Sachverständige in dieser erhöhte Feuchtewerte festgestellt hat.

bb) Der Zustand der Wohnung mit durchfeuchteten Wänden ist auch nicht deshalb vertragsgemäß, weil die Klägerin ihn in Kenntnis des Mangels bei Vertragsabschluss akzeptiert hätte. Ein solches Einverständnis ist vorliegend nicht erkennbar. Der Beklagte hat selbst vorgetragen, von feuchten Wänden in der Wohnung bei Vertragsschluss nichts gewusst zu haben. Die Wohnung war außerdem zum Zeitpunkt des Einzugs der Klägerin frisch renoviert. Woher die Klägerin aber sichere Kenntnis hinsichtlich in die Wohnungswände aufsteigender Feuchtigkeit hätte haben sollen und dass sie diese auch noch als vertragsgemäß akzeptiert hat, ist nicht ersichtlich. Der Klägerin kann auch nicht vorgeworfen werden, dass sie aus einem feuchten Keller nicht auch auf feuchte Wohnungswände geschlossen hat.

cc) Der Beklagte kann sich schließlich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass eine grundsätzlich bestehende Instandsetzungspflicht aufgrund der damit verbundenen Kosten für ihn wirtschaftlich unzumutbar sei. Eine solche wirtschaftliche Unzumutbarkeit hat der Beklagte bereits nicht schlüssig dargelegt.

(1) Zwar endet in der Tat die sich aus § 535 Abs. 1 S. 2 BGB ergebene Verpflichtung des Vermieters zur Beseitigung eines Mangels dort, wo der dazu erforderliche Aufwand die “Opfergrenze” überschreitet. Nach der Rechtsprechung des BGH und der wohl überwiegenden Ansicht in der Literatur folgt dies aus § 275 Abs. 2 S. 1 BGB. Wann die Zumutbarkeitsgrenze für den Vermieter überschritten ist, muss von Fall zu Fall unter Berücksichtigung der beiderseitigen Parteiinteressen, des Vertragszwecks und der Gebote von Treu und Glauben wertend ermittelt werden, wobei die Beurteilung dem Tatrichter obliegt. Doch darf kein krasses Missverhältnis entstehen zwischen dem Reparaturaufwand einer- und dem Nutzen der Reparatur für den Mieter sowie dem Wert des Mietobjekts und den aus ihm zu ziehenden Einnahmen andererseits. Bei der Interessenabwägung kann auch mit einzustellen sein, auf welcher Ursache der Mangel beruht und ob der Vermieter den Mangel zu vertreten hat (BGH, Hinweisbeschl. v. 22.1.2014 – VIII ZR 135/13; BGH, Urteil vom 21.4. 2010 – VIII ZR 131/09; BGH, Urteil vom 20.7.2005 – VIII ZR 342/03; Blank/Börstinghaus/Siegmund/Siegmund, 7. Aufl. 2023, BGB § 535 Rn. 328-330).

Bei der Bewertung aber grundsätzlich auszuklammern ist die mangelnde Wirtschaftlichkeit des Hausbesitzes.

Ein Wegfall der Wiederherstellungspflicht kommt zudem selbst dann nicht zwingend in Betracht, wenn aufgrund der Reparaturkosten eine angemessene Verzinsung des im Grundstück steckenden Eigenkapitals nicht mehr gesichert ist. Ein Überschreiten der “Opfergrenze” ist aufgrund der gesetzlichen Risikoverteilung insgesamt auf enge Ausnahmen beschränkt (vgl. Hirsch, ZMR 2007, 81 ff.).

Für die Beurteilung der Frage, wann ein Instandsetzungsaufwand jenseits aller Abwägungskriterien aus finanziellen Gründen unzumutbar ist, gibt es insofern keine feste Obergrenze. Insbesondere lässt sich eine Überschreitung der “Opfergrenze” nicht aus einer bloßen Gegenüberstellung zwischen Sanierungskosten und Verkehrswert herleiten. Es besteht jedoch ein Zusammenhang zwischen der Frage, wie sich etwa die Sanierungskosten und der Verkehrswert “rechnerisch” zueinander verhalten, und der Frage, ob dem Vermieter die Beseitigung des Mangels unter Berücksichtigung der beiderseitigen Parteiinteressen und Würdigung der Gesamtumstände zugemutet werden kann. Je ungünstiger sich das Verhältnis zwischen Sanierungskosten und Verkehrswert darstellt, desto gewichtiger müssen die entgegenstehenden Umstände sein, die es dem Vermieter trotz bestehendem Missverhältnis zwischen Sanierungskosten und Verkehrswert verwehren sollen, sich auf den Einwand der wirtschaftlichen Unzumutbarkeit (§ 275 Abs. 2 BGB) zu berufen (vgl. BGH, Urteil vom 21.4. 2010 – VIII ZR 131/09). Eine Überschreitung der Opfergrenze liegt jedenfalls nahe, wenn die Reparaturkosten den Zeitwert des Mietobjekts erheblich übersteigen (vgl. OLG Karlsruhe Urt. v. 30.12.1994 – 19 U 113/94, BeckRS 1995, 1841).

Als weiterer Orientierungspunkt für die Beurteilung der Zumutbarkeit wird in der Rechtsprechung der Gesichtspunkt herangezogen, ob die aufzuwendenden finanziellen Mittel innerhalb eines Zeitraums von ca. zehn Jahren durch eine erzielbare Rendite aus dem Mietobjekt ausgeglichen werden können, wobei sich auch hier eine schematische Anwendung verbietet, sondern vielmehr die Aspekte des einzelnen Mietvertrages ebenfalls mit zu berücksichtigen sind (vgl. hierzu Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Urteil vom 6. September 2000 – 4 U 15/00).

(2) Dass vorliegend die Zumutbarkeitsgrenze für den Beklagten überschritten ist, hat dieser aber schon nicht substantiiert dargelegt. Dies wirkt sich zu seinen Lasten aus. Denn als derjenige, der sich auf die Leistungsbefreiung nach § 275 Abs. 2 S. 1 BGB beruft und hieraus eine ihm günstige Rechtsfolge herleitet, trägt er die Darlegungs- und Beweislast für das Überschreiten der Opfergrenze, der er jedoch nicht nachgekommen ist (vgl. hierzu BeckOK BGB/Lorenz, 68. Ed. 1.11.2023, BGB § 275 Rn. 74). Das gilt selbst dann, wenn seine Angaben zur voraussichtlichen Höhe der Sanierungskosten zutreffen sollten.

Im Einzelnen:

Der Beklagte hat zwar auf den am 11.10.2023 verkündeten Hinweisbeschluss der Kammer seinen ursprünglichen Vortrag, dass zur Beseitigung der Feuchtigkeit erhebliche Kosten und wohl auch ein Teilabriss des Gebäudes erforderlich seien durch die Vorlage einer Kostenschätzung des Gutachters Dipl.-Ing. N. vom 21.11.2023 sowie durch schriftsätzliche Erläuterungen vom 27.11.2023 und 28.12.2023 näher präzisiert.

Die Kammer vermag aber selbst bei Wahrunterstellung der vorgelegten Kostenschätzung zur Beseitigung der Feuchtigkeitsschäden eine von ihm behauptete wirtschaftliche Unzumutbarkeit i.S.d. Überschreitens der “Opfergrenze” im Hinblick auf den Mängelbeseitigungsaufwand nicht festzustellen. Vor diesem Hintergrund bedurfte es auch nicht der Einholung eines (weiteren) Sachverständigengutachtens zu den vorgetragenen Sanierungskosten.

Der Beklagte hat unter Bezugnahme auf die von ihm beauftragte Kostenschätzung des Dipl.-Ing. N. vom 21.11.2023 ausführen lassen, dass sich die Sanierungsaufwendungen zur Beseitigung von Feuchtigkeitsschäden am Objekt X 10 in Q auf ca. 133.000,00 Euro brutto beliefen. Angesichts der jährlichen Mieteinnahmen für die von der Klägerin angemietete Wohnung in Höhe von knapp 6.000,00 Euro sei deshalb die Sanierung der Wohnung für ihn wirtschaftlich unzumutbar. Aus der Gegenüberstellung der Kostenschätzung von 133.000,00 Euro und der Mieteinnahmen für die gegenständliche Wohnung von knapp 6.000,00 Euro (konkret: 5.976,00 Euro ohne Nebenkostenvorauszahlungen) kann ein solcher Rückschluss aber nicht gezogen werden. Denn die vorgelegte Kostenschätzung enthält nicht nur Maßnahmen und Kosten, die die Wohnung der Klägerin betreffen.

In der vom Beklagten vorgelegten Kostenschätzung wird vielmehr zu Beginn des Gutachtens ausgeführt, dass es aus sachverständiger Sicht zwingend notwendig sei, dass wenn schon im Keller außen und innen sowie in den Erdgeschossräumen eine Sanierung durchgeführt werden müsse, dies im ganzen Gebäude zu tun sei. Aus den sodann aufgeführten, für erforderlich erachteten Leistungen ergibt sich, dass der Gutachter auch Arbeiten und Kosten aufgeführt hat, die nicht nur den Keller und die streitgegenständliche Wohnung der Klägerin betreffen, sondern mindestens auch solche, die sich auf die weitere im Erdgeschoss befindliche Mietwohnung beziehen (vgl. S. 2 “Wohnungen“, S. 6, S. 16 ff. der Kostenschätzung).

Soweit der Beklagte zudem dargelegt hat, dass die jährliche Mieteinnahme für den Altbau, in welchem sich die Mietwohnung der Klägerin befindet und welcher als separates Objekt mit einer Wohnfläche von 473 m² zu betrachten sei, nach Abzug der laufenden Erhaltungsaufwendungen ca. 20.000,00 Euro betrage, so ergibt sich auch hieraus keine Überschreitung der Opfergrenze. Denn bei einem jährlichen Ertragswert von 20.000,00 Euro können die für die Beseitigung der im Altbau bestehenden Feuchtigkeitsmängel aufzuwendenden finanziellen Mittel bereits innerhalb eines Zeitraums von weniger als 7 Jahren durch die erzielbare Rendite aus dem Objekt wieder ausgeglichen werden, sodass der o.g. Orientierungspunkt für die Beurteilung der Grenze der Zumutbarkeit von 10 Jahren gerade nicht überschritten ist.

Auch aus dem Verhältnis der vorgetragenen Sanierungskosten und dem Verkehrswert des Objekts lässt sich vorliegend ein Überschreiten der Opfergrenze nicht festzustellen. Denn der Beklagte hat trotz des am 11.10.2023 verkündeten Hinweises der Kammer, in welchem die Abwägungskriterien für die Beurteilung einer wirtschaftlichen Unzumutbarkeit aufgezeigt worden sind (vgl. S. 4 des Kammerbeschlusses, 1. Abschnitt) keine konkreten Angaben zum Verkehrswert des Mietobjekts gemacht. Der diesbezügliche Vortrag des Beklagten erschöpft sich lediglich darin, generell anzugeben, dass sich der Verkehrswert eines Mietobjekts an der jährlichen Kaltmiete und der Bereitschaft, welchen Vervielfältigungsfaktor der Käufermarkt bereit sei zu zahlen, bemesse. Zu berücksichtigen sei weiter, dass Altbauten mit Gas- oder Ölheizung wegen neuer GEG-Vorgaben aktuell erheblich an Wert verlieren würden und die aufwendige Sanierung der Mietwohnung der Klägerin wegen einer begrenzen Steigerungsbandbreite der Miete von nur 0,50 Euro / m² zu keiner wesentlichen Wertsteigerung führe. Welchen konkreten Wert er aber dem gegenständlichen Objekt zuschreibt, hat er nicht angeführt. Der Kammer erschließt sich ein solcher Wert auch nicht aus den dargestellten, allgemein gehaltenen Angaben des Beklagten, sodass ein etwaiges Missverhältnis zwischen Instandsetzungskosten und Zeitwert des Mietobjekts – welches der Beklagte schon so nicht behauptet hat – für die Kammer nicht ersichtlich ist.

Soweit der Beklagte zudem bzgl. der wirtschaftlichen Unzumutbarkeit der Sanierung darauf hinweist, dass mit einer weiteren Verschärfung der gesetzlichen Vorgaben für ältere Bestandsimmobilien zu rechnen sei und insofern ein Abriss des Hauses nicht auszuschließen sei, handelt es sich dabei lediglich um Behauptungen ins Blaue hinein, die im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung mangels Konkretisierung nicht miteinzustellen waren. Gleiches gilt für den Vortrag des Beklagten, dass er hinsichtlich der Sanierungskosten ein Darlehen aufzunehmen hätte und die Mieteinnahmen aus dem Objekt für seine Familie den wesentlichen Teil seines Lebensunterhaltes darstellten. Unabhängig von der Frage, ob derartige persönliche Umstände überhaupt im Rahmen der Abwägung berücksichtigungsfähig sind, hat der Beklagte weder dargelegt, in welchem Rahmen eine Kreditfinanzierung erforderlich wäre noch wie groß der Anteil der Mieteinnahmen an seinen Gesamteinnahmen zur Bestreitung des Lebensunterhalts tatsächlich ist. Aus der Beschreibung, dass die Mieteinnahmen den “wesentlichen Teil” des Lebensunterhalts ausmachten, vermag die Kammer ohne Bezifferung keine Erkenntnisse zu ziehen, die für eine Unzumutbarkeit für den Beklagten sprächen. Im Übrigen ist – wie oben ausgeführt – die mangelnde Wirtschaftlichkeit des Hausbesitzes bei der Interessenabwägung grundsätzlich auszuklammern.

Hinzu kommt, dass der Beklagte selbst noch mit Schriftsatz vom 23.08.2023 ausführte, zum damaligen Zeitpunkt Vermieter von insgesamt 32 Wohnungen zu sein, sodass an seinem Vortrag zum Lebensunterhalt in Bezug auf das streitgegenständliche Mietobjekt doch erhebliche Zweifel bestehen.

Schließlich verfängt auch der Einwand des Beklagten, dass der Klägerin kein weiterer Nutzen durch die Sanierung zukomme – außer einer Beseitigung der geringen äußeren Erscheinungen der aus dem Keller aufsteigenden Feuchtigkeit – nicht. Wie oben bereits dargestellt entsprechen durchfeuchtete Wände, die nur durch ein entsprechendes Lüftungs- und Heizverhalten des Mieters nicht zu einer erhöhten Raumfeuchte und Schimmelbildung führen, gerade nicht dem vertragsgemäßen Zustand einer Wohnung. Sie beeinträchtigen insbesondere den Wohnkomfort und das Wohnklima. Durch die Sanierung würde dieser Umstand vollumfänglich beseitigt.

Hierdurch würde ebenfalls das Entstehen weiterer Salzausblühungen verhindert und erreicht, dass der durchnässte Putz nicht bei bloßer Berührung fortwährend zerbröselt.

Das Überschreiten der Opfergrenze vermag die Kammer dementsprechend aufgrund des Vortrags des Beklagten insgesamt nicht festzustellen.

b) Neben dem aus § 535 Abs. 1 S. 2 BGB folgenden Instandsetzungsanspruch steht der Klägerin ebenfalls ein Anspruch auf Feststellung einer Mietminderung i.S.d. § 536 Abs. 1 BGB wegen der dargestellten Mängel, namentlich der durchfeuchteten Wände und den damit einhergehenden Erscheinungen des zerbröselnden Putzes, der Salzausblühungen und der sichtbaren Feuchteflecken, welche die Tauglichkeit der Wohnung zum vertragsgemäßen Gebrauch erheblich beeinträchtigen, zu. Dass die Klägerin wörtlich mit ihrem Feststellungsantrag lediglich eine Minderung wegen der feuchten Wände beantragte, hindert die Kammer nicht daran, die zuletzt genannten Erscheinungen ebenfalls im Rahmen der Minderung zu berücksichtigen.

Denn diese sind unmittelbare Folge der von der Klägerin gerügten feuchten Wände.

Das Feststellungsbegehren der Klägerin ist dabei dahingehend auszulegen, dass dieses auf Feststellung der Mietminderung ab Rechtshängigkeit des entsprechenden Klageantrages bis zur Beseitigung der Mängel gerichtet ist. Denn einen anderweitigen – früheren – Zeitpunkt hat die Klägerin mit ihrem Klagebegehren gerade nicht vorgebracht.

Vorliegend wurde die Feststellungsklage mit Schriftsatz vom 06.04.2022, eingegangen bei Gericht am selben Tag, erhoben. Da der Beklagtenvertreter auf diese mit Schriftsatz vom 14.04.2022 erwiderte, ist von einer Zustellung der Feststellungsklage spätestens an diesem Tag auszugehen.

Die Feststellung eines Minderungsrechts ab dem 15.04.2022 steht der Klägerin auch zu. Der Sachverständige hat insofern nachvollziehbar ausgeführt, dass die Wände bereits seit mehreren Jahren durchfeuchtetet sein müssten. Es sei ausgeschlossen, dass dieses Problem erst seit dem Jahre 2019 – dem Einzug der Klägerin in die streitgegenständliche Mietwohnung – bestünde. Dem Beklagten war auch bereits im November 2019 die Feuchtigkeitsproblematik gemeldet worden; das Ausmaß war ihm zudem spätestens ab Erhalt des Sachverständigengutachtens am 03.03.2022 bekannt. Die Klägerin hat außerdem dem Beklagten im Jahr 2020 über den Mieterbund mitteilen lassen, dass ihre Mietzahlung wegen der Feuchteerscheinungen lediglich unter Vorbehalt erbracht werde.

Die Kammer erachtet eine Minderungsquote von 20% – und nicht wie von der Klägerin begehrt von 50% – für angemessen.

Die Minderungsquote richtet sich nach dem Ausmaß der durch die Feuchtigkeit bedingten Beeinträchtigung des Mietgebrauchs. Haben sich infolge der Feuchtigkeit etwa Schimmelpilze gebildet, so ist dies bei der Höhe der Minderung zugunsten des Mieters zu berücksichtigen (vgl. Blank/Börstinghaus/Siegmund/Siegmund, 7. Aufl. 2023, BGB § 536 Rn. 14-133).

Vorliegend ist bei der Minderungsquote in Ansatz zu bringen, dass insgesamt drei Räume der streitgegenständlichen Wohnung und damit fast jeder Raum von einer durchfeuchteten Wand betroffen ist. Zur Feuchtigkeit in den Wänden, welche die Wohnqualität der Klägerin beeinträchtigt, kommen ferner die sichtbaren Nachteile wie der Putzschaden und die Salzausblühungen hinzu. Unter Berücksichtigung der vorstehenden Erwägungen sowie der Tatsache, dass sich aber noch kein Schimmel gebildet hat und die Raumluftfeuchte nicht zu hoch ist, war eine Minderungsquote von 20% auszusprechen (vgl. hierzu etwa AG Osnabrück WuM 2014, 137; LG Kiel, Urteil vom 23-10-1985 – 1 S 8/85; AG Brühl, 9. Januar 1981, 2 C 632/79; OLG Naumburg, Urteil vom 31.05.2000 – 6 U 97/99; AG Hamburg-Altona, Urteil vom 12.12.2002 – 317 C 363/02).

Da sich nach einhelliger Rechtsprechung die Minderung, soweit sie gerechtfertigt ist, auf die Gesamtmiete einschließlich aller Nebenkosten bezieht (vgl. BGH, Urt. v. 13. 4. 2011 – VIII ZR 223/10), war wie beantragt auszusprechen, dass die Warmmiete gemindert ist.

Das Minderungsrecht der Klägerin ist auch nicht gem. § 536b BGB ausgeschlossen. Soweit der Beklagte vorträgt, dass die Feuchtigkeit im Keller erkennbar gewesen sei, betrifft diese Behauptung lediglich den Kellerraum. Im Hinblick auf die feuchten Wände in der Wohnung hat der Beklagte selbst solche Erscheinungen bestritten und sodann – nach Gutachtenerstattung des Sachverständigen Dipl.-Ing. C. – dargelegt, dass er hiervon keine Kenntnis gehabt habe. Insofern kann erst Recht bei der Klägerin keine Kenntnis angenommen werden.

Da ein der Klägerin vorzuwerfendes Lüftungs- und Heizverhalten, welches die Feuchtigkeit in der Wand negativ beeinflusst hat, ausweislich der Ausführungen des Sachverständigen Dipl.-Ing. C. (s.o.) nicht festgestellt werden konnte, scheidet ein Recht zur Minderung auch aus diesem Grund nicht aus.

3. Der Klägerin steht jedoch – wie das Amtsgericht zu Recht und mit zutreffender Begründung dargelegt hat – kein Anspruch auf Beseitigung der in den Kellerwänden des gegenständlichen Mietobjekts bestehenden Feuchtigkeit zu.

Denn im Hinblick auf den von der Klägerin mitgemieteten Kellerraum (Kellerraum 2A) liegt hierin kein Mangel, der einen Anspruch gem. § 535 Abs. 1 S. 2 BGB begründet.

Zwar hat der Sachverständige Dipl.-Ing. C. im Rahmen seines schriftlichen Gutachtens vom 24.02.2022 dargestellt, dass bei der Durchführung von Feuchtemessungen mit einem Kugelkopfmessgerät sowohl sich innerhalb des Kellerraums 2A als auch auf der Wandrückseite im unteren Wandbereich sehr hohe Feuchtewerte gezeigt hätten und erst ab einer Höhe von ca. 1,50 m durchschnittlich trockene Werte bestanden hätten. An der Außenwand im Kellergeschoss habe er beispielsweise einen Feuchtewert von 200 Digits gemessen, was einem Feuchtewert von 100% entspreche. Auch seien an der Putzoberfläche bereits Salzausblühungen erkennbar gewesen. Bei den ermittelten Werten handele es sich nach den Darstellungen des Sachverständigen aber um bauzeit- und bauarttypische Werte, die nicht verwunderten, da die Bodenplatten aus dieser Zeit häufig aus Ziegel oder Magerbeton erstellt worden und daher nicht wasserdicht seien, z.T. sogar eine kapillare Saugfähigkeit hätten. Ebenso sei davon auszugehen, dass weder bei den Außen- noch bei den Innenwänden eine Horizontalsperre gegen aufsteigende Feuchtigkeit eingebaut worden sei, da diese erst ab ca. 1930 ausgeführt worden sei. Zum Errichtungszeitpunkt des Gebäudes hätten auch keine verbindlichen Abdichtungsvorschriften vorgelegen. Da insofern bis in die 1960er Jahre keine hochwertigen und dauerhaften Abdichtungssysteme zur Verfügung gestanden hätten, würden die Außenwände dieser Altbaukeller sehr häufig hohe Feuchtewerte aufweisen. Kellerräume seien früher auch lediglich zum Lagern von z.B. Lebensmitteln und Kohle und keinesfalls zur Aufbewahrung feuchteempfindlicher Gegenstände vorgesehen gewesen. Da eine solche Lagerung im vorliegenden Keller möglich sei – die im Keller abgestellten Gegenstände hätten mit Ausnahme der auf der Bodenplatte abgestellten Kartons keine Feuchtigkeitsschäden aufgewiesen – liege aus Sicht des Sachverständigen auch keine Tauglichkeitsminderung vor. Diesen durchweg überzeugenden Erläuterungen folgt die Kammer. Denn ein Mieter einer Altbauwohnung kann nicht ohne weiteres erwarten, dass der zur Wohnung gehörende Keller trocken und auch zur Lagerung feuchtigkeitsempfindlicher Gegenstände geeignet ist (vgl. LG Osnabrück Urt. v. 11.4.2001 – 6 S 1247/00, BeckRS 2010, 10164). Kellerfeuchte im Altbau stellt gerade keinen Mangel dar, wenn sich der Keller in einem Zustand befindet, der – wie hier – zur Zeit der Errichtung des Gebäudes typisch ist (vgl. LG Dresden, Urt. v. 17.6.2014 – 4 S 4/14).

Im Übrigen hat der Beklagte unstreitig bei Besichtigung der Wohnung inkl. des Kellers mitgeteilt, dass der Keller feucht sei und darauf hingewiesen, dass dort keine feuchteempfindlichen Gegenstände gelagert werden könnten. Ein solcher Hinweis ergibt sich auch aus dem Übergabeprotokoll. Da dieses ferner die Unterschrift der Klägerin ausweist, liegt hierin bereits eine Parteivereinbarung hinsichtlich der im Protokoll genannten Eigenschaft des Kellers, die einen dahingehenden Mangel bereits deshalb ausschließt.

Ein Beseitigungsanspruch in Bezug auf die feuchten Kellerwände folgt schließlich nicht daraus, dass der Sachverständige im Rahmen seiner erstinstanzlichen Gutachtenerstattung dargelegt hat, dass die Feuchtigkeit aus dem Kellergeschoss in das EG-Mauerwerk eindringe. Denn wie der Vermieter letztlich seiner Mängelbeseitigungspflicht in Bezug auf die Feuchtigkeit in den Wänden der Wohnung sach- und fachgerecht nachkommt, ist ihm überlassen (vgl. Hirsch, ZMR 2007, 81 ff.).

4. Über den ursprünglich ebenfalls mit der Berufung angegriffenen Zahlungsanspruch des Beklagten in Höhe von 177,04 Euro, welchen dieser im Rahmen der Widerklage geltend gemacht hat, war in der Sache nicht mehr zu entscheiden, da die Widerklage diesbezüglich in der mündlichen Verhandlung am 16.08.2023 durch den Beklagten zurückgenommen worden ist.

OVG Thüringen zu der Frage, dass wenn sich der vorliegende Fall nicht von sonstigen typischen Fällen unterscheidet, in denen wegen einer formellen Illegalität ein Baustopp verfügt wird, auch auf eine gruppentypisierte Begründung zurückgegriffen werden darf

OVG Thüringen zu der Frage, dass wenn sich der vorliegende Fall nicht von sonstigen typischen Fällen unterscheidet, in denen wegen einer formellen Illegalität ein Baustopp verfügt wird, auch auf eine gruppentypisierte Begründung zurückgegriffen werden darf

vorgestellt von Thomas Ax

1. Das Begründungserfordernis nach § 80 Abs. 3 VwGO ist rein formeller Art. Daher kommt es nicht darauf an, dass die von der Behörde angegebenen Gründe inhaltlich richtig sind und die sofortige Vollziehung des Verwaltungsakts tatsächlich rechtfertigen. Entscheidend ist vielmehr die Darlegung, warum aus der Sicht der Behörde das Interesse des Betroffenen an der aufschiebenden Wirkung zurückzutreten hat.
2. Unterscheidet sich der Fall einer Baueinstellungsverfügung nicht von sonstigen typischen Fällen, in denen wegen einer formellen Illegalität ein Baustopp verfügt wird, darf die Behörde auf eine gruppentypisierte Begründung zurückgreifen.
3. Ein atypischer Einzelfall liegt nicht schon dann vor, wenn der Bauherr der Auffassung ist, dass sein Handeln materiell rechtmäßig ist.
4. Ist die Baugenehmigung mit einer Auflage zur Vorababstimmung mit den Fachdiensten vor Baubeginn versehen worden und ist die Baugenehmigung insoweit bestandskräftig geworden, ist der Bauherr im Eilverfahren mit seinen Einwendungen gegen diese Auflage präkludiert.

OVG Thüringen, Beschluss vom 23.07.2024 – 1 EO 236/24

Gründe

I.

Der Antragsteller wendet sich gegen einen Beschluss des Verwaltungsgerichts Weimar, mit dem sein Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen eine von der Antragsgegnerin für sofort vollziehbar erklärte Baueinstellungsverfügung abgelehnt wurde.

Der Antragsteller ist Eigentümer des Grundstücks T… in Erfurt (Flurstück a…, Flur 137 in der Gemarkung Erfurt-Mitte), das im räumlichen Geltungsbereich der Ortsgestaltungssatzung der Antragsgegnerin liegt. Die Antragsgegnerin erteilte dem Antragsteller für den Umbau und die Nutzungsänderung des sich auf diesem Grundstück befindlichen Gebäudes zu einem Wohngebäude mit sechs Wohneinheiten unter dem 9. September 2020 eine Baugenehmigung. Als Anlage fügte sie ihrem Bescheid den denkmalschutzrechtlichen Bescheid vom 14. August 2020 bei und erklärte die darin enthaltenen Nebenbestimmungen/Auflagen zum Bestandteil der Baugenehmigung. Der denkmalschutzrechtliche Bescheid enthielt die Auflage, die nordseitige breite dreifenstrige Gaube in ihrer Größe auf eine Gaube mit zwei Fenstern zu reduzieren, da sie mit drei Fenstern und einer Länge von 3,6 m für das Denkmalensemble atypisch und zu breit sowie unverhältnismäßig in Bezug auf das Gebäude sei. Als weitere Auflage wurde darin die maximal mögliche Breite der südseitigen Gaube auf bis zu 2,5 m festgelegt. Die Baugenehmigung selbst enthielt unter der Nr. 6 die Auflage, die Gauben straßen- und hofseitig in ihrer Breite zu minimieren und entsprechend der Ortsgestaltungssatzung auszubilden. Zudem wurde der Antragsteller darin verpflichtet, vor der Bauausführung eine entsprechend der Ortsgestaltungssatzung überarbeitete Variante der Gauben bei der Antragsgegnerin erneut zur Genehmigung einzureichen. Mit der Auflage Nr. 7 gab die Antragsgegnerin dem Antragsteller auf, die geneigten Dachflächen mit keramischen Dachziegeln in den Farben ziegelrot bis rotbraun und matt herzustellen (§ 3 Abs. 2 der Ortsgestaltungssatzung). In der Nr. 8 verfügte die Antragsgegnerin, dass für die Gesamtfassade rechtzeitig vor der Bauausführung die Gestaltung aller Fassaden- und Dachelemente anhand eines Material- und Farbkonzeptes genauer mit dem Amt für Stadtentwicklung und Stadtplanung, Abt. Stadterneuerung, sowie mit dem Bauamt und der unteren Denkmalschutzbehörde abzustimmen sei. In der Auflage Nr. 9 wurde dem Antragsteller aufgegeben, alle öffnungsschließenden Elemente in Holz auszuführen und in ihrer Teilung und Profilierung vor der Bauausführung genauer mit dem Amt für Stadtentwicklung und Stadtplanung, Abt. Stadterneuerung, abzustimmen.

Gegen die in den Auflagen Nrn. 6 und 7 verfügten Anordnungen hinsichtlich der Gestaltung der Gauben erhob der Antragsteller am 22. Oktober 2020 unter Hinweis auf die seiner Auffassung nach funktionslos gewordene Ortsgestaltungssatzung Widerspruch.

Das Thüringer Landesverwaltungsamt hob mit Widerspruchsbescheid vom 29. November 2022 die Auflage Nr. 6 in der Baugenehmigung auf und wies den Widerspruch im Übrigen zurück. Hinsichtlich der Auflage Nr. 6, die Gauben straßen- und hofseitig in ihrer Breite zu minimieren und entsprechend der Ortsgestaltung auszubilden, führte die Widerspruchsbehörde aus, dass der Zweck der Baugenehmigung die Baufreigabe sei. Dieser Zweck werde mit der Auflage Nr. 6 jedoch nicht erreicht, da die Baufreigabe ungewiss bleibe und in die Zukunft verschoben werde. Insoweit lasse die Auflage die Entscheidung über den Bauantrag völlig offen. Demgegenüber sei jedoch die Auflage Nr. 7, geneigten Dachflächen mit keramischen Dachziegeln in den Farben ziegelrot bis rotbraun und matt gemäß § 3 Abs. 2 der Ortsgestaltungssatzung herzustellen, rechtmäßig. Gegen den Widerspruchsbescheid ging der Antragsteller anschließend rechtlich nicht vor.

Nachdem die Antragsgegnerin am 19. Januar 2023 festgestellt hatte, dass die Gauben abweichend von der Baugenehmigung errichtet worden waren, das Dach bereits gedeckt und begonnen worden war, die Fenster einzubauen sowie die Fassade zu gestalten, wurde noch vor Ort mündlich ein Baustopp ausgesprochen. Eine entsprechende schriftliche Verfügung erging gegenüber dem Antragsteller mit Bescheid vom 27. Januar 2023 unter Anordnung der sofortigen Vollziehung, wonach alle Baumaßnahmen in und am Dachgeschoss (insbesondere an den Gauben) sowie an der Fassade, einschließlich des Einbaus der Fenster, einzustellen seien. Zur Begründung verwies die Antragsgegnerin darauf, dass die Gauben abweichend von der Ortsgestaltungssatzung errichtet worden seien und für die Abweichungen keine Genehmigungen vorlägen. Darüber hinaus beinhalteten der denkmalschutzrechtliche Bescheid (mit Auflagen) vom 14. August 2020, der ausdrückliche zum Bestandteil der Baugenehmigung gemacht worden sei) sowie die Auflagen in den Nrn. 8 und 9 der Baugenehmigung allesamt die Notwendigkeit einer Detailabstimmung mit den Fachbehörden noch vor der Bauausführung. Der denkmalschutzrechtliche Bescheid besage zudem, dass für die südliche Gaube zur Gewährleistung der Entfluchtung eine Breite bis zu 2,5 m möglich und die nördliche Gaube in ihrer Breite zu reduzieren sei. Diesen Nebenbestimmungen sei der Antragsteller nicht nachgekommen, so dass sein Vorhaben formell illegal sei.

Dagegen erhob der Antragsteller am 3. März 2023 Widerspruch, über den noch nicht entschieden worden ist.

Am 21. März 2023 hat der Antragsteller auch um einstweiligen Rechtsschutz bei dem Verwaltungsgericht Weimar nachgesucht und beantragt,

die aufschiebende Wirkung seines Widerspruches vom 3. März 2023 gegen die Baueinstellungsverfügung vom 27. Januar 2023 wiederherzustellen.

Zur Begründung hat er vorgetragen, dass die Baueinstellungsverfügung offensichtlich rechtswidrig sei, da die in den Auflagen Nrn. 8 und 9 festgelegte Pflicht zur Detailabstimmung vor Bauausführung aus denselben Gründen rechtswidrig sei wie die Auflage Nr. 6, die von der Widerspruchsbehörde bereits aufgehoben worden sei. Wie bei der Auflage Nr. 6 werde die Baufreigabe auch bezüglich der Auflagen in den Nrn. 8 und 9 in die Zukunft verschoben und bleibe daher ungewiss. Außerdem sei im Hinblick auf die Ausgestaltung der Dachgauben angesichts der in der Umgebung festzustellenden heterogenen Ausgestaltung der Gauben mittlerweile eine Funktionslosigkeit der Ortsgestaltungssatzung eingetreten, so dass deren Durchsetzung nunmehr rechtswidrig sei.

Am 17. Juli 2023 beantragte der Antragsteller die Erteilung einer Abweichung von der Ortsgestaltungssatzung.

Mit Beschluss vom 29. April 2024 hat das Verwaltungsgericht den Eilantrag abgelehnt und ausgeführt, dass die Anordnung der sofortigen Vollziehung den formell-rechtlichen Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO genüge und das öffentliche Interesse am Sofortvollzug der Sicherungsanordnung das private Interesse des Antragstellers, bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens vom Vollzug der angegriffenen Verfügung verschont zu bleiben, überwiege. Die Baueinstellungsverfügung stelle sich nach summarischer Prüfung im Eilverfahren als offensichtlich rechtmäßig dar. Die Voraussetzungen für einen Baustopp gemäß § 78 Abs. 1 Satz 1 ThürBO lägen vor, da die betroffenen Anlagen im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet worden seien. Die Bautätigkeiten im Bereich des Daches sowie der Fenster und Fassade verstießen gegen die Auflagen Nrn. 8 und 9 der Baugenehmigung sowie gegen Punkt 3 der Auflagen in dem denkmalschutzrechtlichen Bescheid vom 14. August 2020, die von der Antragsgegnerin in der Baugenehmigung vom 9. September 2020 zu deren Bestandteil erhoben worden seien. Gegen diese Auflagen habe der Antragsteller keinen Widerspruch erhoben, sodass die Auflagen Nrn. 8 und 9 wie auch die entsprechende Auflage im denkmalschutzrechtlichen Bescheid bestandskräftig geworden seien. Sie begründeten eine Pflicht des Antragstellers zur Abstimmung der Ausführungsdetails für Fenster, Fassaden und Dachgestaltung mit den Fachbehörden vor der Bauausführung, die der Antragsteller unbestritten nicht befolgt habe. Angesichts der Bestandskraft der Auflagen komme es auf eine mögliche Rechtswidrigkeit der denkmalschutzrechtlichen Auflage sowie der Auflagen Nrn. 8 und 9 im vorliegenden Verfahren nicht an. Dass die Auflagen nichtig sein könnten, sei weder vorgetragen noch anderweitig ersichtlich. Insbesondere sei nach der im Eilverfahren nur allein möglichen summarischen Prüfung die Ortsgestaltungssatzung auch nicht mittlerweile funktionslos geworden.

Gegen diesen ihm am 6. Mai 2024 zugestellten Beschluss richtet sich die vorliegende, bei dem Verwaltungsgericht Weimar am 21. Mai 2024 erhobene und am 6. Juni 2024 beim Oberverwaltungsgericht begründete Beschwerde, mit der der Antragsteller sein erstinstanzliches Rechtsschutzbegehren weiterverfolgt.

Der Antragsteller beantragt,

unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Weimar vom 29. April 2024 die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs vom 3. März 2023 gegen die Baueinstellungsverfügung der Antragsgegnerin vom 27. Januar 2023 wiederherzustellen.

Die Antragsgegnerin tritt der Beschwerde entgegen und beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichts- sowie und die Behördenvorgänge (1 Ordner und 1 Hefter) Bezug genommen, die Gegenstand der Beratung waren.

II.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

Die innerhalb der Frist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO geltend gemachten Gründe, auf deren Prüfung der Senat nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, bieten keinen Anlass, die Entscheidung des Verwaltungsgerichts zu ändern.

Das Verwaltungsgericht hat den Eilantrag des Antragstellers im Ergebnis zu Recht abgelehnt. Das Vorbringen des Antragstellers ist nicht geeignet, die Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung in Frage zu stellen. Soweit der Antragsteller die Anordnung der sofortigen Vollziehung im streitgegenständlichen Bescheid als nicht ausreichend begründet (1.) und sein privates Interesse daran, vorläufig von der Vollziehung des Baustopps verschont zu bleiben, als überwiegend erachtet (2.), teilt der Senat diese Auffassungen nicht.

1. Die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung genügt den formell-rechtlichen Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO.

Das Verwaltungsgericht hat zu dem formalen Begründungserfordernis ausgeführt, dass in den Fällen der Anordnung des Sofortvollzugs nach Maßgabe des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO das besondere Interesse der Behörde an der sofortigen Vollziehung schriftlich zu begründen sei. Die Pflicht zur Begründung nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO solle der Behörde den auch von Verfassungs wegen bestehenden Ausnahmecharakter der Vollziehungsanordnung vor Augen führen und sie veranlassen, mit Sorgfalt zu prüfen, ob tatsächlich ein überwiegendes öffentliches Interesse den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung erfordere. Dem genüge die im Bescheid vom 27. Januar 2023 gegebene Begründung der Antragsgegnerin, wonach die sofortige Durchsetzbarkeit des Baustopps eine Vorbildwirkung für andere Bauherrn verhindere und es nicht gerechtfertigt sei, wenn der Antragsteller aus einem rechtwidrigen Zustand Vorteile erlange, die ein rechtstreuer Bürger nicht genieße. Die Baueinstellungsverfügung könne ihre Funktion daher nur dann hinreichend erfüllen, wenn sie für sofort vollziehbar erklärt werde. Da es sich um eine Formvorschrift handele, habe das Gericht an dieser Stelle nicht zu prüfen, ob die Begründung im Einzelnen richtig sei oder nicht. Bei gleichartigen Tatbeständen könnten gleiche oder gruppentypisierte, gegebenenfalls formblattmäßige Begründungen genügen. Es müsse aber stets gewährleistet sein, dass auch die Besonderheiten des Einzelfalles berücksichtigt werden, die hier von dem Antragsteller jedoch nicht geltend gemacht worden seien.

Dem kann der Antragsteller nicht mit Erfolg entgegenhalten, es lägen sehr wohl Besonderheiten des Einzelfalls vor, die eine gruppentypisierte, formblattmäßige Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung nicht genügen ließen, sondern zwingend eine einzelfallbezogene Begründung erforderten. Weder im Hinblick darauf, dass die Auflage Nr. 6 von der Widerspruchsbehörde aufgehoben wurde (a.), noch darauf, dass der Antragsteller die Ortsgestaltungssatzung der Antragsgegnerin als funktionslos erachtet (b.), sind hier atypische Umstände des Einzelfalls gegeben, die ausnahmsweise eine individuelle Begründung erfordern.

a. Soweit der Antragsteller solche Einzelfallaspekte darin sieht, dass seiner Auffassung nach die Auflagen Nrn. 8 und 9 in gleicher Weise wie die Auflage Nr. 6 rechtswidrig seien, da auch sie letztlich eine Baufreigabe verhinderten, vermag diese Argumentation nicht zu überzeugen.

Das Begründungserfordernis nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist rein formeller Art. Daher kommt es nicht darauf an, dass die von der Behörde angegebenen Gründe inhaltlich richtig sind und die sofortige Vollziehung des Verwaltungsakts tatsächlich rechtfertigen. Entscheidend ist vielmehr die Darlegung, warum aus der Sicht der Behörde das Interesse des Betroffenen an der aufschiebenden Wirkung zurückzutreten hat (Senatsbeschluss vom 28. Juli 2011 – 1 EO 1108/10; BVerwG, Beschluss vom 18. September 2001 – 1 DB 26.01; OVG NRW, Beschluss vom 14. Mai 2018 – 20 B 117/18). Diese Grundsätze gelten jedenfalls solange, wie die von der Behörde angeführten Gründe nicht offenkundig unzutreffend sind (vgl. insoweit Senatsbeschluss vom 5. Juli 2011 – 1 EO 1128/10 – amtlicher Abdruck S. 7).

Diesen Anforderungen wird die Begründung in dem streitgegenständlichen Bescheid – wie das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat – vollumfänglich gerecht. Auf die von dem Antragsteller thematisierten Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Auflagen Nrn. 8 und 9 kommt es auf der Ebene der Prüfung, ob die Antragsgegnerin hier ihrer formalen Begründungspflicht nachgekommen ist, nach den obigen Darlegungen nicht an. Entscheidend für den Umfang der Begründungspflicht war vorliegend der Umstand, dass der Antragsteller vorzeitig – das heißt ohne die im Bescheid verfügte vorherige Abstimmung mit den Fachbehörden – die Umbaumaßnahmen begonnen hat. Insoweit unterscheidet sich der vorliegende Fall nicht von sonstigen typischen Fällen, in denen wegen einer formellen Illegalität ein Baustopp verfügt wird. Daher durfte die Antragsgegnerin auch auf eine gruppentypisierte Begründung zurückgreifen. Ein atypischer Einzelfall liegt dagegen nicht schon dann vor, wenn der Bauherr – wie hier – der Auffassung ist, dass sein Handeln materiell rechtmäßig sei. Denn die Prüfung, ob die in der Baugenehmigung verfügten Auflagen rechtmäßig sind, kann erst im Rahmen der materiellen Interessenabwägung Berücksichtigung finden. Erst in diesem Rahmen ist zu prüfen, ob eine gegebenenfalls rechtswidrige Verfügung ein überwiegendes öffentliches Interesse rechtfertigen kann.

b. Ebenso wenig stellt die nach Auffassung des Antragstellers evident gegebene Funktionslosigkeit der Ortsgestaltungssatzung einen Umstand des Einzelfalles dar, der einer lediglich formelhaften Begründung der Anordnung des Sofortvollzugs entgegensteht.

Da es sich bei diesem Argument ebenfalls um einen materiell-rechtlichen Einwand handelt, gelten insoweit die obigen Ausführungen, so dass ein Verstoß gegen das Begründungserfordernis nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO hier ausscheidet. Die Frage, ob die Ortsgestaltungssatzung tatsächlich funktionslos geworden ist, betrifft somit ebenfalls allein die materiell-rechtliche Abwägung zwischen dem öffentlichen und dem privaten Interesse des Antragstellers.

Unabhängig davon ist allerdings darauf hinzuweisen, dass allein der Umstand, dass die baulichen Anlagen im Satzungsgebiet nicht homogen gestaltet sind, für sich allein genommen noch kein Argument für eine Funktionslosigkeit der Ortsgestaltungssatzung ist (Senatsurteil vom 14. August 2023 – 1 KO 243/20).

2. Die von dem Verwaltungsgericht vorgenommene materiell-rechtliche Interessenabwägung begegnet entgegen der Auffassung des Antragstellers keinen rechtlichen Zweifeln.

a. Soweit der Antragsteller von einem Überwiegen seines privaten Interesses, vorläufig von dem Baustopp verschont zu bleiben, ausgeht, weil am Sofortvollzug einer nichtigen Nebenbestimmung kein überwiegendes öffentliches Interesse bestehen könne, verhilft dieser Vortrag seiner Beschwerde nicht zum Erfolg.

Das Verwaltungsgericht hat in seinem Beschluss ausgeführt, dass eine mögliche Rechtswidrigkeit der denkmalschutzrechtlichen Auflage sowie der Auflagen Nrn. 8 und 9 der Baugenehmigung unerheblich sei, weil die Auflagen bestandskräftig geworden seien, und dass diese Auflagen nicht nichtig seien.

Dem kann der Antragsteller nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass die Widerspruchsbehörde für die Auflage Nr. 6 eine schwerwiegende Fehlerhaftigkeit festgestellt habe und dies in gleicher Weise auf die Nrn. 8 und 9 zutreffe. Denn zum einen hat die Widerspruchsbehörde lediglich die Rechtswidrigkeit der Auflage Nr. 6 festgestellt und nicht deren Nichtigkeit. Zum anderen aber fehlt es vorliegend auch an einer inhaltlichen Vergleichbarkeit der in den Nrn. 8 und 9 getroffenen Anordnungen mit den in der Auflage Nr. 6 verfügten Anordnungen. Denn mit den Auflagen Nrn. 8 und 9 ist der Antragsteller zu einer Abstimmung mit den Fachbehörden vor Bauausführung verpflichtet worden, während die Auflage Nr. 6 den Antragsteller zur Einholung einer (gesonderten) Genehmigung für eine überarbeitete Variante der Gauben (und damit zu einer neuen Antragstellung) verpflichtete. Während mit der Auflage Nr. 6 keine Baufreigabe verbunden war, da zuvor noch ein neuer Genehmigungsantrag gestellt werden musste, umfasst die Baugenehmigung vom 9. September 2020 dagegen die Baufreigabe für die von den Auflagen umfassten baulichen Anlagen und verpflichtet den Antragsteller insoweit lediglich zu einer Abstimmung hinsichtlich der Material- und Farbwahl vor der Bauausführung. Insoweit bleibt die Baufreigabe nicht ungewiss, sondern wird insoweit vielmehr vorausgesetzt.

Darüber hinaus legt der Antragsteller auch nicht überzeugend dar, inwieweit hier die Voraussetzungen für eine Nichtigkeit nach § 44 Abs. 1 ThürVwVfG vorliegen sollten. Besonders schwerwiegende Fehler im Sinne dieser Vorschrift sind solche, die in einem schwerwiegenden Widerspruch zur geltenden Rechtsordnung bzw. deren tragenden Zweck- und Wertvorstellungen stehen. Dabei kommt es nicht entscheidend auf den Rang der betreffenden Rechtsvorschrift an, gegen die der Verwaltungsakt verstößt (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 22. Aufl., § 44, Rn. 8). Insbesondere stellt auch eine völlige Unbestimmtheit eines Verwaltungsakts einen solchen besonders schwerwiegenden Fehler dar (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 22. Aufl., § 44, Rn. 10).

Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Die Auflagen Nrn. 8 und 9 sind inhaltlich nicht unbestimmt, sondern geben dem Antragsteller konkret auf, sich vor Baubeginn über die Gestaltung aller Fassaden- und Dachelemente anhand eines Material- und Farbkonzeptes genauer mit dem Amt für Stadtentwicklung und Stadtplanung, Abt. Stadterneuerung, sowie mit dem Bauamt und der unteren Denkmalschutzbehörde abzustimmen (Auflage Nr. 8). In der Auflage Nr. 9 wurde dem Antragsteller aufgegeben, alle öffnungsschließenden Elemente in Holz auszuführen und in ihrer Teilung und Profilierung vor der Bauausführung genauer mit dem Amt für Stadtentwicklung und Stadtplanung, Abt. Stadterneuerung, abzustimmen. Beide Auflagen sind für den Kläger als Adressaten des Bescheides hinreichend konkret gefasst und legen ihm auf, ein Material- und Farbkonzept zu erstellen und – ebenso wie die Verwendung von Holzelementen – mit den Fachämtern der Antragsgegnerin vor der Bauausführung abzustimmen.

b. Der Antragsteller dringt auch nicht mit seiner Argumentation durch, dass sich der streitgegenständliche Bescheid selbst bei unterstellter fehlender Nichtigkeit der Auflagen bei summarischer Prüfung zumindest hinsichtlich der Auflagen Nrn. 8 und 9 als offensichtlich rechtswidrig darstellen würde.

Die Beschwerdebegründung verkennt, dass die Baugenehmigung mit den Auflagen Nrn. 8 bis 9 bereits bestandskräftig geworden ist, so dass der Antragsteller wirksam zu einer Vorababstimmung mit den Fachdiensten der Antragsgegnerin verpflichtet worden ist. Mit seinen nunmehr vorgebrachten Einwendungen ist der Antragsteller somit präkludiert, so dass sie in dem noch durchzuführenden Widerspruchsverfahren nicht mehr zu berücksichtigen sein werden. Auf die Rechtmäßigkeit der angegriffenen Auflagen kommt es somit ebenso wenig an wie auf die Rechtmäßigkeit der denkmalschutzrechtlichen Auflage, worauf das Verwaltungsgericht zutreffend hingewiesen hat.

c. Gleiches gilt hinsichtlich der Ausführungen des Antragstellers hinsichtlich der seiner Auffassung nach mittlerweile funktionslos gewordenen Ortsgestaltungssatzung.

Auch insoweit ist der Antragsteller mit seinen Einwendungen angesichts der Bestandskraft der Auflagen Nrn. 8 und 9 präkludiert. Unabhängig davon verhält sich die Beschwerdebegründung in diesem Zusammenhang aber auch lediglich zu der Problematik der Gauben, ohne jedoch auf die ebenfalls in der Ortsgestaltungssatzung geregelten Material- und Farbvorgaben einzugehen, die von den Auflagen Nrn. 8 und 9 betroffen sind. Für eine auch insoweit funktionslos gewordene Ortsgestaltungssatzung streitet hier – insbesondere auch angesichts der sich in der Gerichtsakte sowie in den Verwaltungsvorgängen befindlichen Lichtbildaufnahmen – nach summarischer Prüfung nichts. Allein eine fehlende Homogenität der Gestaltung reicht nach den obigen Darlegungen zu der Rechtsprechung des Senats jedenfalls nicht aus.

OLG Zweibrücken zu der Frage, dass bei der gebotenen Gesamtbetrachtung beim Einbau einer Küche für den bestimmungsgemäßen Gebrauch eines neu errichteten Wohnhauses ein Bauvertrag vorliegt

OLG Zweibrücken zu der Frage, dass bei der gebotenen Gesamtbetrachtung beim Einbau einer Küche für den bestimmungsgemäßen Gebrauch eines neu errichteten Wohnhauses ein Bauvertrag vorliegt

vorgestellt von Thomas Ax

1. Bei der gebotenen Gesamtbetrachtung liegt beim Einbau einer Küche für den bestimmungsgemäßen Gebrauch eines neu errichteten Wohnhauses ein Bauvertrag vor. Aus Sicht des Kunden rechtfertigt die Bestellung der Einbauküche bei einem Küchenstudio den im Vergleich zum Discounter-Möbelhaus deutlich höheren Gesamtpreis, da der “Profi” sicherstellen soll, dass Planung und Montage aufeinander abgestimmt sind, wodurch die Funktionsfähigkeit der professionell geplanten und entsprechend montierten Küche gewährleistet werden (zur Berücksichtigung planerischer Elemente vgl. Retzlaff, in: Grüneberg, 82. Aufl. 2023, § 650 BGB, Rn.7). Aus Sicht des Küchenstudios gilt nichts anderes, da branchenüblich diese Aspekte beworben und eingepreist werden.
2. Eine formularmäßige Skontoklausel, nach der der gesamte Zahlbetrag “fällig bis zum Tage der Lieferung und Rechnungsstellung” sein soll, ist wegen unzulässiger Einschränkung des Zurückbehaltungsrechts des Kunden unwirksam.
3. Erklärt eine Skontoklausel die Rechnungsstellung als maßgeblich für die Fälligkeit, benachteiligt dies den Kunden ebenfalls unangemessen.
4. Die zeitliche Einschränkung der Zahlung “am Tage der Lieferung und Rechnungsstellung” benachteiligt den Kunden unangemessen, da hierdurch die Notwendigkeit einer Mahnung entfällt. Dies gilt unabhängig davon, dass eine Bar- oder Sofortzahlung dem Kunden auch nicht zumutbar ist, wobei sich die faktische Einschränkung der Zahlungsmethode sowohl als eine unangemessene Benachteiligung im Sinne des § 307 Abs. 1 BGB darstellt als auch – selbst bei Individualabreden – nach § 312 a Abs. 4 Nr. 1 BGB unwirksam ist.
5. Die Vereinbarung der Zahlung eines “Skontobetrags”, der mehr als 20 % des “Küchengesamtpreises” ausmacht, ist als Vertragsstrafe zu werten und aufgrund dieses Umfangs unwirksam.
OLG Zweibrücken, Beschluss vom 25.06.2024 – 5 U 38/23

Gründe

I.

Der Kläger fordert als Inhaber eines Küchenstudios restliche Zahlung für eine Einbauküche im neu zu errichteten Einfamilienhaus der in … wohnhaften Beklagten. Die Parteien streiten insbesondere darum, ob die Voraussetzungen für die Gewährung eines sog. “Skontos” i.H.v. 15.567,40 Euro (entspricht über 20 % des zunächst aufgerufenen Küchengesamtpreises von über 70.000,- Euro) gemäß Rechnung vom 27.11.2020 vorliegen und ob hinsichtlich des am 03.03.2021 zusätzlich in Rechnung gestellten Frontmaterials in Höhe von 1.134,07 Euro brutto eine separat zu vergütende Zusatzbeauftragung vorliegt.

Widerklagend fordern die Beklagten u.a. die Durchführung von diversen Nachbesserungsarbeiten in Bezug auf den Öffnungsmechanismus des Mülleimerschranks, den Sicherheitsablauf der Spülbecken, die Belastbarkeit der Küchenarbeitsplatte, die Funktionsfähigkeit der großen Schubladen bei Beladung mit 50 kg, das Spaltmaß der Türen und Schubladenauszüge und die push-to-open Funktion der Vitrinenaufsatzschränke.

In der Auftragsbestätigung vom 20.02.2018 (Anlage K1, eA I 6) wird im Anschluss an die Artikelbezeichnung der Preis wie folgt ausgewiesen:

“Preis für hochwertige Manufakt-Küche Euro 43.500,00 + Preis für Elektrogeräte Euro 10.075,00 + Preis für weitere Elektrogeräte, Arbeitsplatten und Zubehör Euro 17.895,00 = Küchengesamtpreis Euro 71.470,00 Gesamtskonto bei genannten Zahlungsbedingungen Euro15.970,00.”

Die zunächst fälschlicherweise 19 % MWSt ausweisende Rechnung vom 27.11.2020 wurde auf Hinweis des Beklagten (Mail vom 05.12.2020, Anlage B 1) auf eine reduzierte MWSt von 16 % geändert (Mail der Zeugin …, Tochter und Mitarbeiterin des Klägers, vom 07.12.2020, Anlage B 2), wodurch sich in der modifizierten Rechnung der noch zu zahlende Betrag entsprechend reduzierte.

Zum Sach- und Streitstand im Übrigen wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

Das Landgericht – Einzelrichter – hat die Klage nach persönlicher Anhörung des Beklagten 1) und Vernehmung dreier Zeugen als unbegründet abgewiesen und der Widerklage nach Einholung eines Gutachtens des Sachverständigen für Einbauküchen … weitestgehend stattgegeben. Wegen der Begründung wird auf das angegriffene Urteil verwiesen.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung, mit welcher er sein Klagebegehren vollständig weiterverfolgt und die Abweisung der Widerklage begehrt. Dies begründet er im Wesentlichen wie folgt: Das Landgericht sei bezüglich des Skontobetrags rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, bei Zahlung der Beklagten sei die Forderung noch nicht fällig gewesen. Es handele sich um eine echte Skontovereinbarung; als reine Preisabsprache unterliege diese nicht der AGB-rechtlichen Kontrolle. Die Montage des Quookers in Form eines Anschlusses an das Stromnetz sei nicht vom Ursprungsauftrag umfasst, sondern erst nachträglich erfolgt und im Übrigen nach den in der Auftragsbestätigung genannten Preisen gesondert zu vergüten, weswegen nunmehr eine weitere (nicht streitgegenständliche) Rechnung über 141,97 Euro (Anlage BB1) gestellt werde. Einen Anspruch aus der Zusatzrechnung vom 03.03. 2021 für die Deckenblenden habe das Landgericht aufgrund fehlerhafter Beweiswürdigung ohne Glaubwürdigkeitsabwägung verneint. Die Zeugin … habe den Vortrag des Klägers über eine Vergütungsvereinbarung bestätigt; der Zeuge … sei bei diesem Gespräch überhaupt nicht anwesend gewesen. Hinsichtlich der Widerklage sei das Landgericht rechtsfehlerhaft von Mängeln ausgegangen. Der Mülleimerschrank sei entsprechend der Montageanleitung des Schrankherstellers Simatic mit nur einem Auslöser pro Seite montiert worden. Neben dem vorhandenen Mittelsteg sei ein weiterer “Sicherheitsablauf” nicht erforderlich, da nur Sorge getragen werden müsse, dass eben nicht beide Becken verschlossen sind.Im Übrigen hätten die Beklagten aus optischen Gründen auf einen Sicherheitsablauf verzichtet, wobei die Unergiebigkeit der Zeugenangaben zu Lasten der Beklagten gehen müssten, da die Beweislast für das Vorliegen eines Mangels die Beklagten treffe. Bezüglich der Arbeitsplatte sei das “Merkblatt” nicht verbindlich, eine Traglast oberhalb der vorhandenen 37,9 kg nicht nachvollziehbar; eine solch hohe Druckbelastung sei ohnehin nur durch Fehlgebrauch zu erreichen.

Der Kläger beantragt mit seiner Berufung:

das Urteil des Landgerichts Frankenthal vom 24.03. 2023, Az.: 9 O 45/21, abzuändern und die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger Euro 16.701,47 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 07.05. 2021 zu zahlen sowie

die Widerklage abzuweisen.

Die Beklagten beantragen:

1. Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

2. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichtes Frankenthal vom 24.03.2023, Az. 9 O 45/21 teilweise abgeändert und der Kläger verurteilt, die Türen und Schubladenauszüge horizontal und vertikal so einzustellen, dass diese flächenbündig und mit gleichem Spaltmaß schließen, sowie die Türen vor den Vitrinenaufsatzschränken mit Tablettauszügen so zu installieren, dass diese nach dem Öffnen der Türen bestimmungsgemäß herausgezogen werden können, ohne an die Türen zu stoßen bzw. sich daran zu verklemmen.

Der Kläger beantragt ferner,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Beklagten greifen mit ihrer Berufung das erstinstanzliche Urteil insoweit an, als ihre Widerklage in Bezug auf das Nachbesserungsbegehren für die behaupteten Mängel Spaltmaß und Vitrinenschränkchen abgewiesen wurde. Bezüglich der Spaltmaße habe das Landgericht, welches eine Veränderung der Spaltmaße durch Gebrauch für möglich hielt, nicht hinreichend gewürdigt, dass erstinstanzlich mehrfach Beweis dafür angeboten wurde, dass die Spaltmaße seit dem Aufbau der Küche zu keinem Zeitpunkt korrekt gewesen seien. Bezüglich der Vitrinenschränke mit Tablettauszügen habe der Privatsachverständige … (Anlage B 9) festgestellt, dass für eine echte “push-to-open”-Funktion die falschen Scharniere mit Rückholfeder verbaut worden seien. Im Übrigen verteidigen die Beklagten die angefochtene Entscheidung.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes im Berufungsverfahren wird auf die dort gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

I. Die nach § 511 ZPO statthafte Berufung des Klägers ist auch im Übrigen zulässig, bietet in der Sache indes offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Das angefochtene Urteil hält berufungsrechtlicher Prüfung offensichtlich stand (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO), denn die Kammer hat die Klage zu Recht abgewiesen und der Widerklage im tenorierten Umfang zu Recht stattgegeben. Auch die übrigen Voraussetzungen für eine Beschlusszurückweisung des Rechtsmittels iSd § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 bis 4 ZPO liegen vor.

1. Das Landgericht hat einen Zahlungsanspruch in Höhe des beklagtenseits in Abzug gebrachten “Skontobetrags” iHv 15.567,40 Eurozu Recht verneint. Zum einen hält die Klausel AGB-rechtlicher Kontrolle nicht stand und verstößt darüber hinaus gegen allgemeine Verbraucherschutzvorschriften. Schließlich ist die Klausel in Verbindung mit der übrigen Vorgehensweise des Klägers als treuwidrig anzusehen.

a. Anders als das Landgericht wertet der Senat den am 20.02.2018 geschlossenen Vertrag zur Planung, Lieferung und Montage der Einbauküche samt Elektrogeräten (Auftragsbestätigung K 1, eA I 6 ff.) bei der gebotenen Gesamtbetrachtung (vgl. bereits BGH, Urteil vom 15. Februar 1990 – VII ZR 175/89 -, ) nicht als Kaufvertrag mit Montageverpflichtung nach § 434 Abs. 2 BGB, sondern als gemischten Vertrag mit dem Schwerpunkt Bauvertrag iSd § 650 a BGB (zu einer Einbauküche BGH, Urt. v. 19.07.2018 – VII ZR 19/18). Aus Sicht des Kunden rechtfertigt die Bestellung der Einbauküche bei einem Küchenstudio den im Vergleich zum Discounter-Möbelhaus deutlich höheren Gesamtpreis, da der “Profi” sicherstellen soll, dass Planung und Montage aufeinander abgestimmt sind, wodurch die Funktionsfähigkeit der professionell geplanten und entsprechend montierten Küche gewährleistet werden (zur Berücksichtigung planerischer Elemente vgl. Retzlaff, in: Grüneberg, 82. Aufl. 2023, § 650 BGB, Rn.7). Aus Sicht des Küchenstudios gilt nichts anderes, da branchenüblich diese Aspekte beworben und eingepreist werden. Der Kläger schuldete nicht nur die Lieferung einzelner typisierter Möbelstücke und Geräte, sondern zunächst Beratung und Planung (Beratungstermin am 31.08.2017, Erstellen des Anforderungsprofils am 08.12.2017, erste Angebotspräsentation am 17.01.2018, Übergabe der Visualisierung gemäß Anlage B 13, eA I 101, und Auftragserteilung am 20.02.2018) sowie alsdann Lieferung und Zusammensetzen der Möbel sowie den plangerechten Einbau (im Herbst/Winter 2020). Damit war unter Verwendung von vertretbaren Sachen ein unvertretbares, gerade für die Bedürfnisse und Zwecke der Beklagten geeignetes, in deren neu zu errichtenden Wohnhaus passgenau zu integrierendes Werk herzustellen (vgl. BGH, aaO, Rn 8 mwN; für einen an die Räumlichkeiten angepassten Treppenlifter OLG Hamm, Urteil vom 10. Dezember 2020 – I-4 U 81/20 -). Da der Einbau einer Küche für den bestimmungsgemäßen Gebrauch eines neu errichteten Wohnhauses von wesentlicher Bedeutung ist, liegt ein Bauvertrag iSd § 650 a Abs. 1 S.1, Abs. 2 BGB vor. Dagegen begründet der (Ein-)Bau eines Teils eines Gebäudes keinen Verbraucherbauvertrag iSd § 651 i Abs. 1 BGB. Nach alledem liegt ein (einfacher) Verbrauchervertrag (§§ 13,14, 312 BGB) in Form eines Bauvertrags (§ 650 a BGB) vor.

b. Die “Skontovereinbarung” ist aus mehreren, voneinander unabhängigen Gründen unzulässig. Die nach dem unbestritten gebliebenen Vortrag der Beklagten (§ 138 Abs. 3 ZPO) vom Kläger in einer Vielzahl von Fällen verwendeten und hier mit der Auftragsbestätigung wirksam in den Vertrag einbezogene, als “Zahlungsvereinbarung” bzw. als “Skonto” bezeichnete Klausel stellt eine Geschäftsbedingung nach §§ 305 ff. BGB dar, welche sich nach §§ 307 ff. BGB als unwirksam erweist.

aa. Zunächst einmal schränkt die Klausel das dem Kunden nach § 320 BGB zustehende Zurückbehaltungsrecht in unzulässiger Weise ein, was einen Verstoß gegen § 309 Nr. 2 lit. b BGB (Klauselverbot ohne Wertungsmöglichkeit) darstellt. Indem der gesamte Zahlbetrag “fällig bis zum Tage der Lieferung und Rechnungsstellung” erklärt wird, besteht für den Kunden keine Möglichkeit, die Zahlung aufgrund von Mängeln zurückzuhalten oder nur zum Teil zu zahlen, möchte er sich nicht der Forderung des (wesentlich) höheren Preises aussetzen. Dem reinen Wortlaut zufolge, auf welchen sich der Kläger hier stützt, würde die Regelung bedeuten, dass der Kunde nur die Wahl hätte, unabhängig von der Vollständigkeit der geschuldeten Leistung (Montage), der Mangelfreiheit und der Abnahme der Leistung den vom Kläger in Rechnung gestellten “Sonderpreis” zu zahlen oder auf den Preisnachlass verzichten zu müssen. Dies ist angesichts des Umfangs der in Aussicht gestellten Vergünstigung keine freie Wahlmöglichkeit, weder in Bezug auf den nominal hier über 15.000 Euro betragenden Wert noch im Verhältnis zu dem weit über 20 % des “Küchengesamtpreis” und damit deutlich über dem brachenüblich bei 1 bis 3 % liegenden echten “Skonto” betragenden Anteil. Durch die somit entstehende Drucksituation wird das Zurückbehaltungsrecht des Kunden unzulässigerweise eingeschränkt (vgl. LG Darmstadt, Urteil vom 6. April 2011 – 25 S 162/10).

bb. Soweit der Wortlaut der Klausel die Rechnungsstellung als maßgeblich für die Fälligkeit erklärt, benachteiligt dies den Kunden ebenfalls unangemessen (vgl. ebenfalls LG Darmstadt, aaO, Rn.26 ff). Eine Rechnung unabhängig von deren Zugang zahlen zu müssen, ist gleichzusetzen mit der Fiktion des Zugangs der Rechnung und verstößt damit gegen § 308 Nr. 6 BGB. Eine mangels angemessener Prüfzeit oder aus sonstigen Gründen nicht prüffähige Rechnung als fällig zu betrachten, trägt das Risiko der Begleichung unberechtigter Forderungen in sich und stellt eine unangemessene Benachteiligung iSd § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB dar. Auch die zeitliche Einschränkung der Zahlung “am Tage der Lieferung und Rechnungsstellung” benachteiligt den Kunden unangemessen, da hierdurch die Notwendigkeit einer Mahnung entfällt, § 309 Nr. 4 BGB. Dies gilt unabhängig von dem Umstand, dass eine Bar- oder Sofortzahlung dem Kunden auch nicht zumutbar ist, wobei sich die faktische Einschränkung der Zahlungsmethode sowohl als eine unangemessene Benachteiligung iSd § 307 Abs. 1 BGB darstellt als auch – selbst bei Individualabreden – nach § 312 a Abs. 4 Nr. 1 BGB unwirksam ist. Aufgrund der Ratio dieser Norm hiermit gleichzusetzen ist es, wenn dem Verbraucher vertraglich ein höherer Preis abverlangt wird für den Fall, dass er eine Zahlungsbedingung (Zahlung am Tage der Lieferung und Rechnungsstellung iHv über 27.000 Euro) nicht durch eine gängige und zumutbare Zahlungsmöglichkeit erfüllen kann (vgl. LG Darmstadt, aaO, Rn. 27). Soweit der Kläger die Auffassung vertritt, die Beklagten hätten den Betrag durch Sofortüberweisung zahlen können, wenden die Beklagten unbestritten ein, über eine solche Möglichkeit nicht zu verfügen; im Übrigen ist diese bei Verbrauchern nicht als gängig anzusehen und stellt wiederum eine unangemessene Benachteiligung des Kunden dar.

cc. Ferner ist die Zahlung des “Skontobetrags” aufgrund ihres Umfangs (hier über 15.000,-Euro, was mehr als 20 % des “Küchengesamtpreises” ausmacht, branchenüblich ist ein Skonto von 1-3 %) als Vertragsstrafe zu werten und damit nach § 309 Nr. 6 BGB unzulässig bzw. als kurzfristige Preiserhöhung iSd § 309 Nr. 1 BGB verboten (ausführlich dazu OLG Karlsruhe, Urteil vom 14. April 2015 – 8 U 144/14 -; OLG Karlsruhe, Urteil vom 22. Juli 2015 – 7 U 20/15 -).

c. Angesichts der Unwirksamkeit der genannten Klausel stellt der als “Sonderpreis” gewährte Zahlbetrag (“Gesamtpreis” abzüglich “Skontobetrag”) die wirksam zwischen den Parteien vereinbarte Vergütung dar, §§ 133,157 BGB.

Nachdem der so vereinbarte Sonderpreis vollständig bezahlt wurde und damit erfüllt ist (§ 362 BGB), steht dem Kläger kein weiterer Vergütungsanspruch mehr zu.

d. Nach alledem kann dahinstehen, ob – wie das Landgericht meint – die hier als unzulässig anzusehenden Zahlungsbedingungen von den Beklagten sogar eingehalten wurden, weil der unstreitig erst zwischen den Jahren eingebaute Quooker als Teil eines einheitlichen Vertrags anzusehen ist. Hierfür spricht jedenfalls, dass dieser in der modifizierten, am 07.12.2024 übersandten Rechnung mit aufgeführt wird.

2. Auch der mit der weiteren Rechnung vom 03.03.2021 geltend gemachte Betrag iHv 1.134,07 Euro brutto für die Frontverkleidung des Hochschranks steht dem Kläger nicht zu.

a. Die nach § 286 ZPO freie Würdigung des Landgerichts, wonach dem Kläger der Beweis für einen vergütungspflichtigen Zusatzauftrag nicht gelungen ist, ist nicht zu beanstanden. Soweit der Kläger moniert, das Erstgericht hätte die Aussage der Zeugin Philipps nicht aufgrund der entgegenstehenden Angaben des Beklagten in seiner persönlichen Anhörung als entkräftet ansehen dürfen, lässt der Kläger unberücksichtigt, dass – seinen eigenem Vortrag zufolge – es sich um ein Vierausgengespräch gehandelt habe, an dem der beklagtenseits benannte Zeuge … nicht anwesend gewesen sei. Ungeachtet dessen ist der Senat aufgrund der Gesamtumstände, wozu auch die angeblich wegen eines Versehens in der Buchhaltung erst im Laufe des Berufungsverfahrens erfolgte Nachforderung für den Einbau des Quooker zählt, zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger bzw. die für diesen die Vertragsgespräche führende Zeugin … bei der Festlegung des Materials in dem im Herbst 2020 geführten Gespräch selbst nicht von einer Vergütungspflicht ausging. Denn die vom Zeugen … in seiner Vernehmung vor der Kammer bekundete Aussage, die Zeugin … habe ihm gegenüber eingeräumt, man hätte die Blende nicht gesondert berechnet, wenn man sich nicht über die Beklagten geärgert hätte, wertet der Senat dahingehend, dass der Kläger im Nachgang einseitig eine vertraglich nicht vereinbarte Zusatzvergütung festzusetzen sucht. Unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der erstinstanzlichen Verhandlung und Beweisaufnahme sowie der zu den Akten gereichten Unterlagen hält der Senat es für nahezu ausgeschlossen, dass der Kläger die Berechnung zunächst lediglich aus Kulanz unterlassen hat, ohne die angebliche zusätzliche Zahlungspflicht zu verschriftlichen bzw. eine etwaige Kulanzleistung ausdrücklich als “Gutschrift” oder “Sonderpreisvereinbarung” auszuweisen.

c. Eine Zahlungsverpflichtung scheitert schließlich an daran, dass nach § 632 Abs. 1 BGB eine Vergütung nur dann als stillschweigend vereinbart gilt, wenn die Herstellung des Werks den Umständen nach nur gegen eine (Zusatz-)Vergütung zu erwarten ist. Dies ist bei einer hochwertigen und hochpreisigen Küche für die Verblendung der Hochschränke indes nicht der Fall. Vielmehr ist aufgrund der vorangegangenen Planungsleistung des Küchenstudios davon auszugehen, dass Verblendungen im Gesamtpreis inbegriffen sind, es sei denn, die Parteien treffen insofern eine ausdrücklich abweichende Vereinbarung. Dies gilt umso mehr, wenn die im Zuge der Planung den Kunden vor der Auftragserteilung ausgehändigte Visualisierung (Anlage B 13) die Hochschränke – wie hier – ohne optische Lücke oder Versatz als deckenbündig darstellt. Das (von Anfang an) geschuldete Bausoll ist auch Plänen oder Zeichnungen zu entnehmen.

3. Auch soweit der Kläger mit seiner Berufung die auf die Widerklage erfolgte Verurteilung zur Mängelbeseitigung bezüglich der Positionen Mülleimerschrank, Spülbeckenablauf und Verstärkung der Arbeitsplatte angreift, hat seine Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg.

a. Zunächst einmal wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffende, ausführliche Begründung der Kammer (S. 12 ff. des angegriffenen Urteils) verwiesen, die sich der Senat ausdrücklich zu eigen macht. Gleiches gilt für die Ausführungen des Gerichtssachverständigen für Einbauküchen … in seinem schriftlichen Gutachten vom 10.08.2022 (zum Mülleiner S. 7 ff, eA I 130 ff; zum Spülbeckenablauf S. 24 ff, eAI 148 und zur Arbeitsplatte S. 26 f., eA I 149 f.) nebst mündlicher Erläuterung (Protokoll vom 07.02.2023, S. 7 ff., eA I 188 ff.). Die Berufung des Klägers zeigt keine Gründe auf, die für eine fehlerhafte Beweiswürdigung durch das Erstgericht sprechen, sondern setzt lediglich seine eigene Beweiswürdigung mit einem für ihn günstigeren Ergebnis an deren Stelle:

b. Die Notwendigkeit, sich zum Betätigen des Mechanismus für das automatisierte Öffnen des Mülleimerschrankes bücken zu müssen, ist als funktionaler Mangel zu qualifizieren. Wie der Sachverständige ausführt, wird der Mechanismus nur aktiviert, wenn man die Front in der unteren Hälfte andrückt, was nicht der üblichen Nutzung einer Küche mit ausziehbarem Mülleimer entspricht.

Unerheblich ist daher, ob die Firma S. als Herstellerin der Küchenmöbel je Seite nur einen Auslöser für ausreichend erachtet, wohingegen dieser Grundsatz nach den Vorgaben der Herstellerin des Auslösemechanismus, der Firma Grass, nur für Fronthöhen bis 28 cm gilt, wohingegen für die hier verbaute Fronthöhe zwei Auslöser pro Seite mit einem Materialpreis von ca. 5 Euro pro Stück notwendig sind, selbst wenn dem Gerichtssachverständigen und ihm folgend dem Landgericht zuzustimmen ist, dass es zur Beurteilung, was Stand der Technik ist, insofern auf die (differenzierten) Vorgaben der Herstellerin des verbauten Mechanismus ankäme.

c. Ebenso stellt das Fehlen eines Spülbeckenablaufs einen Mangel dar, da nach der einschlägigen DIN jede Küchenspüle gegen ein Überlaufen gesichert sein muss. Entgegen der Auffassung des Klägers kann zur Verhinderung eines Überlaufs vom Kunden auch nicht verlangt werden, durchgehend zumindest eines seiner mit einem Steg verbundenen beiden Spülbecken offen zu halten.

Hinsichtlich eines klägerseits vorgetragenen Verzichts der Beklagten auf einen Überlauf hat das Landgericht die Beweislast entgegen der Ansicht des Klägers auch nicht falsch bewertet. Richtig daran ist lediglich, dass die Beklagten im Falle einer vorherigen Abnahme das Vorhandensein des Mangels zu beweisen hätten. Dies hat die Kammer indes zutreffend bejaht. Dagegen hat der Kläger eine vom ursprünglichen Leistungssoll abweichende anderweitige Absprache als eine für ihn günstige Tatsache nachzuweisen. Dies ist ihm aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung nicht gelungen.

d. Auch die Qualifizierung der vorhandenen Arbeitsplattenstärke als Mangel ist nicht zu beanstanden. Dabei kommt es nicht entscheidend darauf an, ob die vom Sachverständigen als für den Stand der Technik maßgeblich erachtete Vorgabe einer Mindesttraglast von 50 kg einer DIN oder dem BIV Merkblatt 2.02 des Bundesverbands Deutscher Steinmetze entstammt. Die unstreitig vorliegende Bruchlast von 37,9 kg wird diesen Vorgaben nicht gerecht. Maßgeblich ist auch nicht, wie der Kläger meint, dass eine höhere Belastung nur durch Fehlgebrauch zu erwarten sei oder diese Vorgaben einem inhaltlich nicht gerechtfertigten Standard entsprechen. Bleibt die konkrete Ausführung hinter dem Stand der Technik zurück, ist sie mangelhaft.

Ungeachtet dessen liegt ein Mangel bereits in dem Umstand, dass die Arbeitsplatte – wie der Sachverständige und ihm folgend die Kammer ausführt – sich durch relativ leichten Druck nach unten durchbiegen lässt. Dies kann offenkundig dazu führen, dass die Arbeitsplatte zum einen nicht mehr ganz waagerecht verläuft und zum anderen an den seitlichen Anschlussstellen “spiel” bekommt, was der zweckbestimmten Verwendung bzw. der Stabilität abträglich wäre.

II. Die Berufung der Beklagten ist mangels Erreichen des Beschwerdewerts lediglich in Form einer Anschlussberufung statthaft. Als solche verliert sie nach § 524 Abs. 4 ZPO ihre Wirkung, sobald die Berufung des Klägers zurückgenommen oder durch Senatsbeschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen wird.

Der nach § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO notwendige Beschwerdewert von über 600,-Euro wird nicht erreicht. Die Kammer hat den Wert der Widerklage durch Beschluss vom 23.03.2023 (eA I 206) auf insgesamt 2.500,- Euro festgesetzt. Davon abweichend beabsichtigt der Senat, den Wert der Widerklage auf insgesamt 800,-Euro festzusetzen. Dabei schätzt er den durch das Landgericht zugesprochenen Teil der Widerklage auf 500,-Euro, nachdem der Sachverständige … die Kosten der Mängelbeseitigung im Termin vom 07.02.2023 (Protokoll S. 11, eA I 192) bzgl. der Positionen Mülleimer, Spülbecken und Arbeitsplatte mit einheitlicher Anfahrt mit 2*5,-Euro + 369,-Euro + 11,-Euro (in Summe 390,-Euro) angibt, wobei der Senat von Nettopreisen ausgeht, was zuzüglich 19 % MWSt einen Betrag von 464,10 Euro bzw. aufgerundet 500,-Euro ergibt. Den Wert des von der Kammer nicht zugesprochenen Teils der Widerklage (bezüglich der Positionen Funktionalität bei einer Schubladenbeladung mit bis zu 50 kg, Spaltmaße der Fronten und Auszugfunktion der Vitrinenaufsatzschränke) schätzt der Senat – ohne gesonderte Anfahrtskosten – auf weitere 300,-Euro. Da der Berufungsantrag der Beklagten (die entgegen der Sollvorschrift des § 520 Abs. 4 Nr. 1 ZPO den Wert des Beschwerdegegenstandes in ihrer Berufung nicht angeben, obwohl die Zulässigkeit ihrer Berufung hiervon abhängt) lediglich die beiden zuletzt genannten Positionen betrifft, geht der Senat von einer Beschwer in der Größenordnung von 200,- Euro aus.

III. Da die Berufung des Klägers keine Aussicht auf Erfolg bietet, legt der Senat ihm aus Kostengründen die Rücknahme seines Rechtsmittels nahe. Im Fall der Rücknahme ermäßigen sich die Gerichtsgebühren von 4,0 auf 2,0 Gebühren (vgl. Nr. 1222 des Kostenverzeichnisses zum GKG).

LG Kempten zu der Frage, dass Anordnungen zur Bauzeit auch keine “anderen Anordnungen” i.S.v. § 2 Abs. 5 VOB/B sind

LG Kempten zu der Frage, dass Anordnungen zur Bauzeit auch keine "anderen Anordnungen" i.S.v. § 2 Abs. 5 VOB/B sind

vorgestellt von Thomas Ax

1. Anordnungen zur Bauzeit sind keine Änderungen des Bauentwurfs i.S.v. § 1 Abs. 3 VOB/B. Denn der Bauentwurf beschreibt die erfolgsorientierte Komponente des Werkvertrags. Die Bauzeit gehört nicht dazu.
2. Anordnungen zur Bauzeit sind auch keine “anderen Anordnungen” i.S.v. § 2 Abs. 5 VOB/B (entgegen KG, IBR 2024, 504). Derartige andere Anordnungen setzen eine gesonderte Vereinbarung voraus.
3. Der Entschädigungsanspruch aus § 642 BGB unterliegt der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren. Sie beginnt mit dem Ablauf des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist. Der Anspruch aus § 642 BGB entsteht grundsätzlich mit Abschluss des Jahres, in dem die jeweiligen Kosten angefallen sind.
LG Kempten, Urteil vom 27.09.2024 – 11 O 1705/23 Bau (nicht rechtskräftig)

Tatbestand

Mit der am 22.11.2023 eingereichten Klage macht die Klägerin gegen die Beklagte Entschädigungsansprüche wegen nutzloser Vorhaltung von Leitungspersonal und Zinsforderungen geltend.

Die Klägerin betreibt ein Unternehmen zur Montage, Programmierung, Anschluss und Einrichtung von Medientechnik. Sie hat für die Beklagte die Einrichtung des Projekts ###-Halle ### mit Medientechnik wahrgenommen.

Das Projekt umfasste die Sanierung und bedarfsgerechte Erweiterung der ###-Halle ###. Dabei sollte das Bestandsgebäude der ###-Halle erhalten und mit weiteren Gebäudeteilen umbaut werden, welche zusätzliche Räumlichkeiten für Versammlungen enthalten sollten.

Der Auftrag zur Wahrnehmung des Gewerks Audiovideo-Medientechnik ist der Klägerin am 25.04.2016 erteilt worden.

Wegen des weiteren Inhalts des abgeschlossenen Vertrags wird auf die Anlagen K1 – 3 Bezug genommen.

Mit der Klage macht die Klägerin Entschädigung wegen Bauzeitverzögerung für die Zeiträume vom 19.06.2017 bis zum 31.12.2017 (135 Arbeitstage) und vom 01.04 bis 30.06.2018. (60 Arbeitstage) geltend.

Mit Schriftsatz vom 02.04.2024 erhob die Beklagte die Einrede der Verjährung.

Die Klägerin behauptet, dass sich für die Zeiträume vom 19.06.2017 bis zum 31.12.2017 und vom 01.04 bis 30.06.2018 insgesamt 2.270 Stunden nutzloser Vorhaltung für ihr Leitungspersonal ergeben hätten. Insgesamt sei der Klägerin unter Berücksichtigung eines ebenfalls geltend gemachten Zinsschadens ein Gesamtschaden in Höhe von Euro 258.834,19 entstanden.

Anspruchsgrundlage für die Forderung der Klägerin seien § 642 BGB und § 2 Abs. 5 VOB/B.

Die Forderung sei auch entgegen der Auffassung der Beklagten nicht verjährt, da die Parteien im Zeitraum vom 15.11.2017 bis zum 17.10.2022 Verhandlungen geführt hätten, aufgrund derer die Verjährung gehemmt worden sei.

Die Klägerin beantragt daher:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Euro 258.834,19 nebst 9 % Zinsen hieraus seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

2. Die Beklagte wird zur Zahlung eines Verzugsschadensersatzes in Höhe von Euro 3.509,19 nebst 9 % Zinsen hieraus seit Rechtshängigkeit verurteilt.

Die Beklagte beantragt:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Beklagte ist der Ansicht, dass sich Ansprüche der Klägerin jedenfalls nicht aus § 2 Abs. 5 VOB/B ergeben würden. Im Übrigen entspreche die von der Klägerin vorgetragene Berechnung der Entschädigung gemäß § 642 BGB nicht den Vorgaben der Rechtsprechung des BGH (BGH, Urteil vom 30.01.2020, Az.: VII ZR 33/19).

Schließlich seien die Ansprüche der Klägerin verjährt. Die Einrede der Verjährung sei insoweit zu erheben. Ausreichende Hemmungstatbestände ergäben sich aus der von der Klägerin vorgelegten Kommunikation nicht.

Das Gericht hat am 31.07.2024 mündlich zur Sache verhandelt. Beweis wurde nicht erhoben. Wegen des Inhalts der durchgeführten Verhandlung wird auf das zur Sitzung vom 31.07.2024 gefertigte Protokoll Bezug genommen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Nach Schluss der mündlichen Verhandlung am 31.07.2024 gingen noch Schriftsätze der Klagepartei vom 13.08.24, 28.08.24 und 25.09.2024 sowie ein Schriftsatz der Beklagtenpartei vom 20.08.2024 bei Gericht ein.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Ansprüche der Klägerin aus § 642 BGB sind verjährt, da die für diesen Anspruch maßgebliche dreijährige Verjährungsfrist bei Einreichung der Klage am 23.11.2023 bereits abgelaufen war.

Der Einwand der Klägerin, dass zwischen den Parteien während des Laufs der Verjährungsfrist Verhandlungen über den geltend gemachten Anspruch iSv § 203 BGB mit der Folge stattgefunden hätten, dass die Verjährungsfrist zum Zeitpunkt der Einreichung der Klage noch nicht abgelaufen war, ändert nichts daran, dass die geltend gemachten Ansprüche bei Einreichung der Klage bereits verjährt waren.

1. Anspruchsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch auf Ersatz der Kosten für unproduktiv vorgehaltenes Leitungspersonal ist § 642 BGB (vgl. BGH NJW 2020, 1293 ff.).

Entgegen der Auffassung des Klägervertreters stehen der Klägerin daneben keine Ansprüche aus § 2 Abs. 5 VOB/B zu, da Anordnungen zur Bauzeit weder als Änderung des Bauentwurfs noch als sonstige andere Anordnungen im Sinne von § 2 Abs. 5 VOB/B anzusehen sind.

a. Anspruchsgrundlage für die klägerseits geltend gemachten Kosten für unproduktiv vorgehaltenes Leitungspersonal ist § 642 BGB.

b. Daneben stehen der Klägerin wegen der geltend gemachten Kosten keine Ansprüche aus § 2 Abs. 5 VOB/B zu, da das darin geregelte Anordnungsrecht des Auftraggebers die vorliegend ausgesprochenen bauzeitlichen Anordnungen grundsätzlich nicht erfasst. Denn der Bauentwurf beschreibt die erfolgsorientiere Komponente des Werkvertrags. Die Bauzeit gehört dazu nicht.

Das gilt auch, soweit die den Bauentwurf ändernden Anordnungen zu einer Änderung der Bauzeit zwingen. Es besteht keine Notwendigkeit, insoweit Werkerfolg und Bauzeit zu verknüpfen. Die notwendige Anpassung findet auch ohne eine Anordnung des Auftraggebers statt. Ist keine Bauzeit vereinbart, gilt nach geänderter Leistung die dafür erforderliche Zeit, § 271 BGB. Ist eine Bauzeit vereinbart, muss diese in ergänzender Vertragsauslegung an die geänderten Verhältnisse angepasst werden, sofern die Parteien nichts anderes vereinbart haben (Kniffka/Koeble, Teil 4 Der Werklohnanspruch des Auftragnehmers Rn. 167, beck-online; vgl. auch BeckOK VOB/B/Kandel, 55. Ed. 1.5.2024, VOB/B § 2 Abs. 5 Rn. 46, beck-online).

Anordnungen, die den Bauinhalt unberührt lassen und nur die Bauumstände regeln, sind lediglich als sonstige Anordnung denkbar (Thode ZfBR 2004, 214; Kapellmann/Messerschmidt/Lederer § 1 Rn. 54; aA lngenstau/Korbion Rn. 20, § 1 Abs. 3 Rn. 7). Sie setzen daher zu Ihrer Wirksamkeit, da von § 1 Abs. 3 nicht gedeckt, eine gesonderte Vereinbarung voraus (BeckOK VOB/B/Kandel, 55. Ed. 1.5.2024, VOB/B § 2 Abs. 5 Rn. 44, beck-online).

2. Die dreijährige Verjährungsfrist für Ansprüche aus § 642 BGB beginnt mit dem Ablauf des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist (§ 199 Abs. 1 BGB).

Für die geltend gemachten Kosten für den Zeitraum vom 09.06.2017 bis 31.12.2017 ist der Anspruch aus§ 642 BGB danach am 01.01.2018 entstanden.

Für die geltend gemachten Kosten für den Zeitraum vom 01.04 bis 30.06.2018 ist der Anspruch aus § 642 BGB am 01.01.2019 entstanden.

a. Der Entschädigungsanspruch unterliegt der regelmäßigen Verjährungsfrist des § 195 BGB von drei Jahren (Messerschmidt/Voit, Privates Baurecht, 4. Auflage 2022 § 642 BGB Rn. 51)

b. Dieser Anspruch aus § 642 BGB entsteht grundsätzlich mit Abschluss des Jahres, in dem die jeweiligen Kosten angefallen sind.

aa. Bei § 642 BGB handelt es sich um einen eigenständigen Entschädigungsanspruch der unabhängig von der Fälligkeit der Werklohnforderung entsteht.

Der Begriff “angemessene Entschädigung” in § 642 1 BGB macht deutlich, dass es sich bei dem Anspruch aus§ 642 BGB nicht um einen umfassenden Schadensersatzanspruch, sondern um einen verschuldensunabhängigen Anspruch sui generis handelt, auf den die Vorschriften der§§ 249 ff. BGB zur Berechnung von Schadensersatz nicht anwendbar sind (BGH, NJW 2020, 1293 Rn. 42, beck-online).

Diese Einstufung hat zur Konsequenz, dass es sich bei diesem nicht um einen vergütungsähnlichen Anspruch handelt, der als unselbständiger Rechnungsposten gemeinsam mit der Werklohnforderung fällig wird (a.A. Grüneberg, Bürgerliches Gesetzbuch 82. Auflage 2023 § 642 Rn. 6a.). Es gibt auch keinen vernünftigen Grund, die Entstehung des Anspruchs aus§ 642 BGB von der Stellung der Werklohnforderung abhängig zu machen, die ihrerseits eine Abnahme erfordert.

§ 642 BGB setzt nach seinem Wortlaut nur voraus, dass der Besteller durch das Unterlassen einer Handlung, die bei der Herstellung des Werks erforderlich ist, in Annahmeverzug gerät. Dass für diesen Anspruch die Erstellung einer Schlussrechnung erforderlich ist, die ihrerseits eine Abnahme erfordert, ist dem Wortlaut der Vorschrift nicht zu entnehmen.

Gegen die Annahme, dass es sich bei § 642 BGB um einen unselbständigen Rechnungsposten handelt, der gemeinsam mit der Werklohnforderung fällig wird, spricht auch der in § 642 BGB verwendete Begriff “Entschädigung”. Für die Kammer wäre auch nicht erklärlich warum für einen Anspruch aus § 642 BGB, dessen Grundlage gerade die bestellerseitig veranlasste Untätigkeit des Unternehmers ist, eine Abnahme sein sollte, die unbeschadet etwaiger Abnahmesurrogate zwingende Voraussetzung für die Fälligkeit einer Schlussrechnung ist. Es geht insoweit hin­ sichtlich des unproduktiv vorgehaltenen Leitungspersonals gerade nicht darum, die Werkleistung des Unternehmers auf dessen Mangelfreiheit hin zu überprüfen. § 642 BGB gewährt nach seinem Sinn und Zweck dem Unternehmer eine angemessene Entschädigung dafür, dass er während des Annahmeverzugs des Bestellers infolge Unterlassens einer diesem obliegenden Mitwirkungshandlung Personal, Geräte und Kapital, also die Produktionsmittel zur Herstellung der Werkleistung, bereithält (vgl. BGH NJW 2020, 1293).

Gegen die Annahme eines unselbständigen Rechnungsposten spricht auch nicht, dass für die zu gewährende Entschädigung gern. § 642 Abs. 2 BGB die “Höhe der vereinbarten Vergütung” zu berücksichtigen ist, da diese Regelung lediglich für die Höhe des Anspruchs gemäß § 642 BGB maßgeblich ist.

bb. Dieser Entschädigungsanspruch entsteht spätestens mit Beendigung des für die geltend gemachten Kosten maßgeblichen Annahmeverzugs.

Die Verjährung beginnt gemäß § 199 Abs. 1 BGB mit dem Ablauf des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den, den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen (Kleine-Möller/Merl/Glöckner, PrivBauR-HdB, § 17. Behinderung Rn. 103, beck-online).

Nachdem der Bundesgerichtshof als zeitliches Kriterium für die Bemessung der Entschädigungshöhe aufgrund des Wortlauts des § 642 Abs. 2 BGB auf die Dauer des Annahmeverzugs abgestellt hat, mithin eine Entschädigung nach § 642 BGB auch nur für diesen Zeitraum beansprucht werden kann (BGHZ 216, 319 = NJW 2018, 544 Rn. 28), entsteht der Anspruch aus § 642 BGB spätestens mit Beendigung des für die geltend gemachten Kosten maßgeblichen Annahmeverzugs.

cc. Die Verjährungsfrist für den geltend gemachten Entschädigungsanspruch aus § 642 BGB beginnt daher aufgrund der obigen Ausführungen für den klägerseits genannten Zeitraum vom 19.06.2017 bis zum 31.12.2017 mit dem 01.01.2018. Für den klägerseits benannten Zeitraum vom 01.04 bis 30.06 beginnt die Verjährungsfrist für den diesbezüglichen Anspruch aus § 642 BGB mit dem 01.01.2019 zu laufen.

3. Zum Zeitpunkt der Einreichung der Klage am 22.11.2023 war die dreijährige Verjährungsfrist für die geltend gemachten Ansprüche bereits abgelaufen.

a. Die ab 01.01.2018 laufende Verjährungsfrist für die geltend gemachten Ansprüche für den Zeitraum vom 19.06.2017 bis zum 31.12.2017 lief grundsätzlich am 31.12.2020 ab.

Die ab 01.01.2019 laufende Verjährungsfrist für die geltend gemachten Ansprüche für den Zeit­ raum vom 01.04.2018 bis 30.06.2018 lief grundsätzlich am 31.12.2021 ab.

Die am 22.11.2023 eingereichte Klage konnte die bereits zuvor eingetretene Verjährung nicht unterbrechen. Insbesondere konnte die Klägerin nicht darlegen, dass für den maßgeblichen Zeit­ raum bis zur Klageeinreichung ausreichende Verhandlungen im Sinne von § 203 BGB geführt worden sind, die die Verjährung der geltend gemachten Ansprüche bis zur Einreichung der Klage gehemmt haben.

b. Der Einwand der Klägerin, dass zwischen den Parteien während des Laufs der Verjährungsfrist Verhandlungen über den geltend gemachten Anspruch iSv § 203 BGB mit der Folge stattgefunden hätten, dass die Verjährungsfrist zum Zeitpunkt der Einreichung der Klage noch nicht abgelaufen war, ist unzutreffend.

Verhandlungen im Sinne des § 203 BGB hat die Klägerin mit der Beklagten nur für die Zeiträume vom 01.01.2018 bis 19.02.2018, dem 02.03.2020 bis 20.05.2020, dem 10.08.2021 bis

29.09.2021 und 07.10.2022 bis 28.11.2022 geführt.

Im Übrigen sind Verhandlungen zwischen den Parteien aufgrund des bis 31.07.2024 (Schluss der mündlichen Verhandlung) unterbreiteten Sachvortrags nicht gegeben.

aa. Der Begriff von Verhandlungen im Sinne des § 203 Satz 1 BGB ist verwirklicht, wenn der Gläubiger klarstellt, dass er einen Anspruch geltend machen und worauf er ihn stützen will. Anschließend genügt jeder ernsthafte Meinungsaustausch über den Anspruch oder seine tatsächlichen Grundlagen, sofern der Schuldner nicht sofort und erkennbar die Leistung ablehnt. Verhandlungen schweben schon dann, wenn eine der Parteien Erklärungen abgibt, die der jeweils anderen Seite die Annahme gestatten, der Erklärende lasse sich auf Erörterungen über die Berechtigung des Anspruchs oder dessen Umfang ein (BGH, ZfBR 2017, 253, beck-online).

Hierbei ist zu berücksichtigten, dass nicht schon die Anfrage der einen oder anderen Seite genügt, sondern dass es auf die Einlassung des Gegners auf den Meinungsaustausch ankommt. Erfolgt diese freilich, ist der Beginn der Verhandlungen auf das Einleitungsschreiben zurückzudatieren (BGH ZIP 2014, 687 Rn 2; vgl BGHZ 213, 213 = ZIP 2017, 236 Rn 20). Dabei genügt aber keine bloße formularmäßige Eingangsbestätigung (Palandt/Ellenberger Rn 2), wohl aber der Hinweis auf eine spätere Antwort. Dabei kommt es darauf an, dass sich die andere Seite tatsächlich auf Verhandlungen einlässt. Es genügt nicht, dass sie dazu – etwa auf Grund einer Verhandlungs- oder Mediationspflicht – verpflichtet ist (Staudinger/Peters/Jacoby (2019) BGB§ 203, Rn. 9).

Nach § 203 Satz 1 BGB ist die Verjährung im Fall schwebender Verhandlungen über den Anspruch oder die den Anspruch begründenden Umstände gehemmt, bis der eine oder andere Teil die Fortsetzung der Verhandlung verweigert. Für eine Beendigung der Hemmung reicht es auch aus, wenn die Verhandlungen beidseits nicht fortgesetzt werden, sie – bildlich gesprochen – einschlafen. Dies hat der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung zu § 852 Abs. 2 BGB aF entschieden (BGH, Urteil vom 6. März 1990 – VI ZR 44/89, VersR 1990, 755, 756; vom 5. November 2002 – VI ZR 416/01, BGHZ 152, 298, 303; vom 1. März 2005 – VI ZR 101/04, NJW-RR 2005, 1044, 1047). Diese Grundsätze haben auch im Anwendungsbereich des§ 203 Satz 1 BGB Geltung. Dies war nicht nur der eindeutige Wille des Gesetzgebers, sondern diese Auslegung entspricht Sinn und Zweck der Verjährungsvorschriften, innerhalb angemessener Fris­ten für Rechtssicherheit und Rechtsfrieden zu sorgen (BGH, Urteil vom 6. November 2008 – IX ZR 158/07, NJW 2009, 1806 Rn. 12). Die Verhandlungen sind in diesem Sinne zu dem Zeitpunkt “eingeschlafen”, in dem spätestens eine Erklärung der anderen Seite zu erwarten gewesen wäre (BGH, ZfBR 2017, 253, beck-online)

Feste Fristen, wann Verhandlungen einschlafen, bestehen nicht. Der Zeitraum, den man dem einen Teil zur Reaktion auf die Äußerung des anderen Teils einräumen muss, hängt von dem Gegenstand der Verhandlung und der Verhandlungssituation ab (vgl. Erman/Schmidt-Räntsch, BGB, 14. Aufl., § 203 Rn. 6; BGH, ZfBR 2017, 253, beck-online).

Als grober Anhaltspunkt findet sich in der Rechtsprechung mehrfach die Äußerung, dass im Regelfall eine einmonatige Untätigkeit ausreichend sei (OLG Dresden Urt. v. 23.2.2010 – 9 U 2043/08, BeckRS 2010, 29433; OLG Hamm Urt. v. 4.12.2008 – 28 U 25/08, BeckRS 2009, 19107; OLG Koblenz ZGS 2006, 117, 119; OLG Frankfurt a.M. BeckRS 2018, 25352, Rn. 149).

Im vorliegenden Fall hat die Kammer eine 2-monatige Untätigkeit für das Einschlafen der Verhandlungen als ausreichend angesehen. Hierbei hat die Kammer berücksichtigt, dass die Parteien ausweislich des vorliegenden Schriftverkehrs in den Fällen, in denen konkrete Verhandlungen stattgefunden hatten, regelmäßig innerhalb der angenommenen Frist von 2 Monaten zusammenhängend kommuniziert hatten. Bei der Bemessung dieser Frist hat die Kammer auch die zeitweiligen coronabedingte Einschränkungen in der persönlichen Kommunikation berücksichtigt. Zudem hat die Kammer berücksichtigt, dass die Verhandlungen über abgrenzbare Ansprüche aus § 642 BGB für zwei überschaubare Zeiträume im Jahr 2017 und 2018 geführt wurden. Schließlich hat das Gericht bei der Bemessung der Frist berücksichtigt, dass auf beiden Seiten bereits von Beginn an Rechtsanwälte eingeschaltet waren, so dass die bemessene Frist von 2 Monaten auch vor dem Hintergrund etwaiger zu bewältigender rechtlicher Problemstellungen angemessen erscheint.

bb. Verhandlungen im Sinne des § 203 BGB hat die Klägerin mit der Beklagten aufgrund des bis 31.07.2024 unterbreiteten Sachvortrags nur für die Zeiträume vom 01.01.2018 bis 08.03.2018, dem 02.03.2020 bis 08.06.2020, dem 10.08.2021 bis 18.10.2021 und 07.10.2022 bis

17.12.2022 geführt.

(1) Verhandlungen wurden zwischen der Klägerin und der Beklagten für den Zeitraum vom 01.01.2018 bis 08.03.2018 (= 66 Tage) geführt.

Die Beklagte lies über ihren Prozessbevollmächtigten am 28.12.2017 mitteilen, dass bisher betreffend die Verzögerungsschäden keine Einigung gefunden worden sei und dass die Beklagte zur Führung weiterer Gespräche nach den Feiertagen ab Anfang Januar 2018 mit dem Ziel einer möglichst umfassenden Einigung bereit sei. Indem die Klägerin mit Schreiben vom 08.01.2018 an die in Aussicht gestellte Aufnahme der Gespräche über den Ersatz der bisherigen Verzögerungskosten erinnerte, haben die Parteien Verhandlungen im Sinne von § 203 BGB geführt. Da die Beklagte ausweislich des klägerischen Vortrags weder auf dieses Schreiben vom 08.01.2018 noch auf die Erinnerungsschreiben vom 22.01.2018, 09.03.2018 in angemessener Zeit reagiert hatte, waren die Verhandlungen spätestens nach Ablauf von 2 Monaten seit dem Schreiben vom 08.01.2018 mithin am 08.03.2018 beendet.

(2) Weitere Verhandlungen wurden zwischen der Klägerin und der Beklagten für den Zeitraum vom 02.03.2020 bis 08.06.2020 (= 98 Tage) geführt.

Weitere Verhandlungen hat die Klägerin erst für den Zeitraum ab 02.03.2020 dargelegt. Mit Schreiben vom 08.04.2020 (K24) hat die Beklagte mitteilen lassen, dass Ansprüche auf Ersatz eines Verzögerungsschadens bisher nicht schlüssig dargelegt worden seien und sich die Beklagte derzeit nicht in der Lage sehe auf Grundlage eines Schreibens der Klägerin vom 02.03.2020 die Höhe eines berechtigten Anspruchs festzustellen. Sofern die Klägerin ihre Darlegung entsprechend anpasse, sei die Beklagte selbstverständlich bereit sich um eine einvernehmliche Lösung zu kümmern. Da die Klägerin ausweislich des klägerischen Vortrags auf dieses Schreiben vom 08.04.2020 nicht in angemessener Zeit reagierte waren die Verhandlungen spätestens nach Ab­ lauf von 2 Monaten mithin am 08.06.2020 beendet.

(3) Auf Grundlage der Schreiben der Klägerin vom 18.12.2020 und 02.03.2021 an die Beklagte sind keine Verhandlungen zwischen den Parteien geführt worden.

Auf die Schreiben der Klägerin vom 18.12.2020 und 02.03.2021 hat die Beklagte aufgrund des bis 31.07.2024 unterbreiteten Sachvortrags offensichtlich nicht innerhalb eines Zeitraumes von 2 Monaten reagiert, so dass aufgrund der beiden Schreiben der Klägerin vom 18.12.2020 und 02.03.2021 keine Verhandlungen zwischen den Parteien im Sinne von§ 203 BGB geführt worden sind.

(4) Weitere Verhandlungen wurden zwischen der Klägerin und der Beklagten für den Zeitraum vom 10.08.2021 bis 18.10.2021 (= 69 Tage) geführt.

Weitere Verhandlungen wurden ausweislich des klägerischen Vortrags aufgrund des zwischen den Parteien wechselseitig geführten Emailverkehrs, in dem die Parteien die Durchführung eines Gesprächstermins wegen der klagegegenständlichen Forderung erörtern beginnend mit der Email vom 10.08.2021 geführt (vgl. hierzu den Inhalt der Emails gemäß Anlage K 38). Da das in diesem zeitlichen Zusammenhang versandte Schreiben der Beklagten vom 18.08.2021 über mehr als 10 Monate unbeantwortet blieb enden die mit Email vom 10.08.2021 initiierten Verhandlungen spätestens mit Ablauf von 2 Monaten seit dem 18.08.2021 mithin am 18.10.2021.

(5) Weitere Verhandlungen wurden zwischen der Klägerin und der Beklagten für den Zeitraum vom 07.10.2022 bis 17.12.2022 (= 71 Tage) geführt.

Da die Beklagte auf das das Schreiben der Klägerin vom 13.06.2022 ausweislich des klägerischen Vortrags nicht innerhalb eines angemessenen Zeitraums von 2 Monaten reagiert hatte, wurden zwischen den Parteien erst mit Schreiben der Klägerin vom 07.10.2022 und der Antwort der Beklagten vom 17.10.2022 weitere Verhandlungen geführt. Im Schreiben der Klägerin vom 07.10.2022 hatte diese der Beklagten eine letzte Frist bis 19.10.2022 zur Rückmeldung eingeräumt um eine “Weiterführung der Verhandlungen” zu erreichen. Die Beklagte beantwortete dieses Schreiben mit Schreiben vom 17.10.2022. In diesem teilte sie mit, dass sie aufgrund der bisherigen Angaben nicht “halbwegs belastbar” beurteilen könne, ob der Klägerin ein Anspruch auf Entschädigung zustehe, so dass ein Gespräch aus Sicht der Beklagten “derzeit” keinen Sinn mache.

Da die Klägerin auf dieses Schreiben der Beklagten vom 17.10.2022 vor Einreichung der Klage am 22.11.2023 nicht mehr geantwortet hatte, enden die Verhandlungen zwischen den Parteien mit Ablauf von 2 Monaten seitdem 17.10.2022 mithin am 17.12.2022.

(6) Die Wiederaufnahme der eingeschlafenen Verhandlungen – die Verhandlungen wurden gemäß den Ausführungen unter Ziffern (2), (4) und (5) wieder aufgenommen – hat nicht eine Hemmung rückwirkend ab dem 01.01.2018 bzw. den 01.01.2019 zur Folge.

Werden beidseits nicht fortgesetzte und deswegen als abgebrochen anzusehende Verhandlungen wieder aufgenommen, kommt eine rückwirkende Hemmung durch die neuen Verhandlungen auf den Zeitpunkt der ersten Verhandlung nicht in Betracht. Für eine Rückwirkung der Hemmung unter wertenden Gesichtspunkten oder bei einem engen zeitlichen Zusammenhang besteht schon kein Bedarf, weil bei Vorliegen besonderer Umstände auch bei längeren Zeiträumen zwischen den Kontakten zwischen dem Berechtigten und dem Verpflichteten nicht von einem das Verhandlungsende bewirkenden Einschlafen auszugehen ist (BGH, ZfBR 2017, 253 unter Hinweis auf BeckOGK-BGB/Meller-Hannich, 2016, § 203 Rn. 54).

Solche besonderen Umstände, die gegen das unter den Ziffern (1), (2), (4) und (5) jeweils dargestellte Einschlafen der Verhandlungen sprechen könnten, wurden nicht vorgetragen und sind auch nicht ersichtlich.

Im Übrigen muss die Frage, wie die Zeiträume zwischen beendeten und wiederaufgenommenen Verhandlungen verjährungsrechtlich zu bewerten sind, in beiden Fällen des Verhandlungsendes aus systematischen Gründen gleich beantwortet werden, also sowohl in dem Fall, dass Verhandlungen endgültig abgelehnt werden, als auch in dem Fall, dass sie einschlafen. Ein nachvoll­ ziehbarer Grund, eingeschlafene und ausdrücklich abgebrochene Verhandlungen bei der Bewertung ihrer Wiederaufnahme unterschiedlich zu behandeln, ist nicht ersichtlich. Der Gesetzgeber wollte eingeschlafene und abgelehnte Vergleichsverhandlungen im Rahmen des § 203 BGB gleichbehandeln. Dies ergibt sich aus dem Gesetzgebungsverfahren (vgl. ST-Drucks. 14/6857 S. 43; BGH, Urteil vom 6. November 2008- IX ZR 158/07, NJW 2009, 1806 Rn. 12). Hat aber der Verpflichtete die Fortsetzung der Verhandlungen ausdrücklich abgelehnt, würde es ihn unzumutbar belasten, wenn die Hemmung nur deshalb zurückwirkte, weil er später wieder gesprächsbereit ist (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 1. Juli 2013 – 5 U 44/13, nv; Staudinger/Peters/Jacoby, BGB, 2014, § 203 Rn. 12; BeckOGK-BGB/Meller-Hannich, 2016, § 203 Rn. 56). Entsprechendes gilt aber auch, wenn der Berechtigte die Verhandlungen einschlafen lässt (BGH, ZfBR 2017, 253).

cc) Auf Basis dieser dargestellten Hemmungszeiträume die einen Zeitraum von insgesamt 304 Tagen umfassen, war festzustellen, dass die Verjährungsfrist für beide Ansprüche vor Einreichung der Klage am 22.11.2024 bereits abgelaufen war.

Der Zeitraum vom 01.01.2021 (Verjährungsbeginn für die geltend gemachten Kosten für den Zeit­ raum vom 09.06.2017 bis 31.12.2017) bis zur Einreichung der Klage am 22.11.2023 beträgt 1055 Tage.

Der Zeitraum vom 01.01.2022 (Verjährungsbeginn für die geltend gemachten Kosten für den Zeit­ raum vom 01.04 bis 30.06.2018) bis zur Einreichung der Klage am 22.11.2023 beträgt 690 Tage.

Vor diesem Hintergrund war die Verjährungsfrist zum Zeitpunkt der Einreichung der Klage abgelaufen.

5. Weitere Angriffs- und Verteidigungsmittel in den nicht nachgelassenen Schriftsätzen des Klägervertreters vom 13.08.2024 und 28.08.2024 und 25.09.2024 waren nach Schluss der mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, nicht mehr zu berücksichtigen (§ 296a ZPO).

a. Zwar hat der Klägervertreter in der Sitzung vom 31.07.2024 die Gewährung einer Schriftsatzfrist zum neuen Vorbringen im Schriftsatz der Gegenseite vom 25.07.2024 beantragt. Diese Schriftsatzfrist war jedoch nicht zu bewilligen, da die Voraussetzungen des § 283 ZPO nicht vorgelegen haben.

Soweit die Problematik der Verjährung der klägerischen Ansprüche vor dem Hintergrund etwaiger Hemmungstatbestände betroffen ist, hat der Beklagtenvertreter diesbezüglich keine neuen Tatsachen vorgetragen, sondern lediglich seine Rechtsauffassung zum Vorliegen der Verjährung auf Basis des klägerischen Vortrags dargelegt, so dass bezüglich neuer Tatsachen die Gewährung einer Schriftsatzfrist nicht veranlasst war.

Soweit die im Schriftsatz vom 25.07.2024 vertretene Rechtsauffassung des Beklagtenvertreters zum Vorliegen ausreichender Hemmungstatbestände betroffen ist, handelte es sich diesbezüglich ebenfalls nicht um neue Rechtsausführungen. Vielmehr hatte sich der Klägervertreter bereits mit Schriftsatz vom 10.06.2024 auf dessen Seite 17 und 18 mit den Voraussetzungen des § 203 BGB auseinandergesetzt und die Auffassung vertreten, dass Verhandlungen zwischen den Parteien vom 15.11.2017 bis zum 17.10.2022 geführt worden seien. Dem Klägervertreter war danach bewusst, dass es für Frage, ob Verjährung eingetreten ist, auf die Frage ankommen konnte, ob ausreichenden Verhandlungen zwischen den Parteien geführt worden sind.

b. Die Wiederaufnahme der Verhandlungen ist nicht veranlasst, da ein die Wiederaufnahme recht­ fertigender Grund gemäß § 156 Abs.1, 2 ZPO nicht gegeben ist.

Unbeschadet dessen hätten die Ausführungen der Klagepartei in den nicht nachgelassenen Schriftsätzen nach Schluss der mündlichen Verhandlung keine Auswirkung auf das dargestellte Ergebnis, wonach Verjährung eingetreten ist.

Bei der Behauptung im Schriftsatz der Klägerin vom 13.08.2024, die Beklagte habe im Schriftsatz vom 25.07.2024 neuen Sachvortrag unterbreitet, da sie geäußert habe, dass im Austausch zwischen den Parteien mehrere größeren Unterbrechungen vorhanden gewesen seien, handelt es sich nicht um neuen Sachvortrag der Beklagtenpartei, sondern lediglich um die Bewertung des bisherigen Sachvortrags im Sinne einer Schlussfolgerung, mithin um eine Meinung.

Soweit die Klägerin in beiden Schriftsätzen neue außergerichtliche Schreiben benennt aufgrund derer Verhandlungen geführt worden seien, können diese Schreiben den Eintritt der Verjährung nicht hindern.

Zwar lassen die weiteren nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingereichten Schriftsätze vom 13.08.2024 und 28.08.2024 nebst den als Anlagen vorgelegten Schreiben Rückschlüsse darauf zu, dass die Verjährung gemäß§ 203 BGB auch im Zeitraum vom 18.12.2020 bis 29.05.2021 gehemmt war und dass in dem unter Ziffer (2) abgehandelten Zeitraum die Verhandlungen bereits am 03.02.2020 begonnen haben und bis 08.06.2020 andauerten und dass die Verjährung in dem unter (4) abgehandelten Zeitraum vom 10.08.2021 bis einschließlich 08.11.2021 gemäß § 203 BGB gehemmt war. Schließlich wäre aufgrund des nach Schluss der mündlichen Verhandlung unterbreiteten Vortrags in dem unter Ziffer (5) abgehandelten Zeitraum ein weitergehender Zeitraum vom 30.08.2022 bis 17.12.2022 gemäß§ 203 BGB zu berücksichtigen. Zum Zeitpunkt der Einreichung der Klageschrift war die Verjährungsfrist dennoch abgelaufen.

aa. Soweit das Schreiben der Klägerin vom 18.12.2020 gemäß Anlage K 45 und die Mails der Beklagten vom 19.02.2021, 09.03.2021 und 16.03.2021 und das korrespondierende Schreiben der Klägerin vom 25.02.2021 betroffen sind, kann auf Basis dieses Schriftverkehrs die erneute Aufnahme von Verhandlungen zwar begründet werden vgl. zum Ablauf der Hemmung bei Fristsetzung BGH NJW 2003, 895, 897). Diese erstrecken sich aufgrund der dargestellten Korrespondenz vom 18.12.2020 bis 16.03.2020. Eine Reaktion der Beklagten war aufgrund der Email vom 16.03.2021 bis spätestens 29.05.2021 zu erwarten. Für dieses Ende der Verhandlungen hat die Kammer berücksichtigt, dass der Beklagtenvertreter in der Email vom 16.03.2021 mitgeteilt hatte, dass der zuständige Sachbearbeiter bei der Beklagten bis einschließlich 28.03.2021 im Urlaub war, so dass bis zu diesem Zeitpunkt keine Reaktion erwartet werden konnte. Die Kammer hat ab dem ersten Arbeitstag dieses Mitarbeiters (29.03.2021) unter Berücksichtigung von etwaiger erforderlicher Abstimmungen einen weiteren großzügig bemessenen Zeitraum von 2 Monaten berücksichtigt, nach dessen fruchtlosen Ablauf (29.05.2021) mit einer Reaktion der Beklagten nicht mehr gerechnet werden konnte. Der Hemmungszeitraum umfasste danach 162 Tage.

bb. Soweit der Emailverkehr gemäß Anlage K 49 betroffen ist, ergibt sich aus diesem, dass die Parteien nach dem letzten bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung bekannten Schreiben der Beklagten vom 18.08.2021 (vgl. die Ausführungen unter Ziffer 4) tatsächlich erst aufgrund der Emails der Klägerin und des Beklagten jeweils vom 08.09.2021 endete, so dass die mit Email vom 10.08.2021 initiierten Verhandlungen spätestens mit Ablauf von 2 Monaten seit dem 08.09.2021 mithin am 08.11.2021 endeten. Der Hemmungszeitraum umfasste danach 90 Tage

cc. Soweit die Anlage K 44 betroffen ist, ergibt sich aus dieser, dass der Zeitraum der Verhandlungen gemäß Ziffer (02) aufgrund des in dieser Anlage mitgeteilten Schreibens der Beklagten vom 03.02.2020 bis 08.06.2020 dauerte. Der Hemmungszeitraum umfasste danach 126 Tage.

Auch aus der Anlage K 50 ergibt sich nicht, dass die Parteien zu konkret benennbaren Zeiträumen weitere Verhandlungen geführt haben. Soweit die Email der Klägerin an die Beklagte vom 30.06.2022 betroffen ist, ist bereits nicht erkennbar, dass die Beklagte auf Basis dieser Nachricht die Verhandlungen innerhalb von 2 Monaten wieder aufgenommen hat.

dd. Soweit die Anlage K51 betroffen ist, ist bereits nicht ersichtlich, wieso der Meinungsaustausch der Klägerin mit einem Sachverständigen weitere Verhandlungen zwischen der Klägerin und der Beklagten begründen soll, zumal nicht ersichtlich ist, dass sich die Beklagte des Sachverständigen zur Führung von Verhandlungen bedient hatte/bedienen wollte.

ee. Soweit die Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 28.08.2024 auf ein Schreiben vom 30.08.2022 verweist, ist der Inhalt dieses Schreibens nicht bekannt. Sollte die Klägerin tatsächlich mit Schreiben vom 30.08.2022 an die Angelegenheit erinnert haben, wären aufgrund des Schreibens der Beklagten vom 17.10.2022 Verhandlungen geführt worden. Da ausweislich des klägerischen Vortrag auf dieses Schreiben vom 17.10.20222 nicht in angemessener Zeit reagiert wurde, wären die Verhandlungen spätestens nach Ablauf von 2 Monaten mithin am 17.12.2022 beendet. Der Hemmungszeitraum würde danach weitere 111 Tage umfassen.

c. Anhaltspunkte für ein im Schriftsatz vom 13.08.2024 behauptetes Stillhalteabkommen fehlen. Aus den als Anlage vorgelegten Schriftsätzen geht ein solches durch Angebot und Annahme geschlossene Vereinbarung nicht hervor. Es ist insbesondere nicht ersichtlich, dass die Beklagte mit ihrer Bereitschaft, Verhandlungen über die klägerischen Ansprüche zu führen, diese bis zur Klärung der offenen Fragen der Hemmung unterwerfen wollte.

d. Soweit der Beklagtenvertreter schließlich im Schriftsatz vom 28.08.2024 behauptet hat, die Kammer habe in der mündlichen Verhandlung die Auffassung vertreten, dass die Verjährung der Ansprüche aus§ 642 BGB erst nach Stellung der Schlussrechnung eintrete, ist dies unzutreffend, da die Kammer die ihr unterstellte Auffassung in der mündlichen Verhandlung nicht vertreten hat.

e. Im Ergebnis sind zwar aufgrund der weiteren Schriftsätze der Klägerin vom 13.08.2024 und 28.08.2024 und 25.09.2024 unter Berücksichtigung der bisherigen Ausführungen unter Ziffer (1) ff. Verhandlungen für einen Zeitraum von insgesamt 555 Tagen dargestellt worden. Berücksichtigt wurden hierbei die dargestellten Zeiträume vom 01.01.2018 bis 19.02.2018, dem 03.02.2020 bis 08.06.2020, dem 18.12.2020 bis 29.05.2024, dem 10.08.2021 bis 08.11.2021 und dem 28.08.2022 bis 17.12.2022.

An der bei Klageeinreichung bereits eingetreten Verjährung ändert dies jedoch nichts.

OVG NW zu der Frage, dass eine auf Gefahrenbeseitigung gerichtete Ordnungsverfügung auch bei einem durch eine gültige Baugenehmigung gedeckten Gebäude grundsätzlich möglich ist, und zwar insbesondere dann, wenn sie – wie beim Brandschutz – dem Schutz von Leben und Gesundheit dient und dass an die für das Vorliegen einer konkreten Gefahr erforderliche Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts in Bezug auf Leben oder Gesundheit als geschützte Rechtsgüter keine übermäßig hohen Anforderungen zu stellen sind

OVG NW zu der Frage, dass eine auf Gefahrenbeseitigung gerichtete Ordnungsverfügung auch bei einem durch eine gültige Baugenehmigung gedeckten Gebäude grundsätzlich möglich ist, und zwar insbesondere dann, wenn sie - wie beim Brandschutz - dem Schutz von Leben und Gesundheit dient und dass an die für das Vorliegen einer konkreten Gefahr erforderliche Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts in Bezug auf Leben oder Gesundheit als geschützte Rechtsgüter keine übermäßig hohen Anforderungen zu stellen sind

vorgestellt von Thomas Ax

Eine auf Gefahrenbeseitigung gerichtete Ordnungsverfügung ist auch bei einem durch eine gültige Baugenehmigung gedeckten Gebäude grundsätzlich möglich, und zwar insbesondere dann, wenn sie – wie beim Brandschutz – dem Schutz von Leben und Gesundheit dient.
OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 20.08.2024 – 7 B 486/24

Gründe:

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

Das Verwaltungsgericht hat die Anträge auf Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage 23 K 951/24 gegen die Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 18.1.2024, mit der unter Androhung eines Zwangsgelds die Schließung von Öffnungen in Wänden zwischen der Tiefgarage und Treppen ins Freie angeordnet wurde, sowie auf Aufhebung der Vollziehung der zwischenzeitlich getroffenen Brandschutzmaßnahmen abgelehnt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Ordnungsverfügung vom 18.1.2024 erweise sich bei summarischer Prüfung als rechtmäßig. Sie finde ihre Rechtsgrundlage in § 58 Abs. 2 Satz 2 BauO NRW. Sie sei hinreichend bestimmt. Ihr stehe die formelle Legalität der Tiefgarage aufgrund der Baugenehmigung vom 15.1.2019 einschließlich des Brandschutzkonzepts vom 6.9.2017 nicht entgegen, im Übrigen komme ein Einschreiten aus Gründen des Brandschutzes ausnahmsweise auch bei bestandsgeschützten baulichen Anlagen in Betracht. Die Voraussetzungen hierfür seien gegeben, da ein Verstoß gegen § 35 Abs. 1 Sätze 1 und 2 i. V. m. § 35 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 BauO NRW vorliege und eine konkrete Gefahr für Leben und Gesundheit der Nutzer der Tiefgarage bestehe. Auf der Rechtsfolgenseite habe die Antragsgegnerin ihr Ermessen fehlerfrei ausgeübt und insbesondere den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gewahrt. Auch unabhängig von der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Ordnungsverfügung falle eine allgemeine, vom Ausgang des Hauptsacheverfahrens losgelöste Interessenabwägung zum Nachteil der Antragstellerin aus. Die Zwangsgeldandrohung sei rechtmäßig. Ein Anspruch auf Aufhebung der Vollziehung bestehe ebenfalls nicht.

Das dagegen gerichtete Beschwerdevorbringen führt nicht zur Änderung der angefochtenen Entscheidung.

1. Das Beschwerdevorbringen erschüttert nicht die Feststellung des Verwaltungsgerichts, dass die Öffnungen in den Wänden zwischen der Tiefgarage und den Treppen nicht gegen § 35 Abs. 1 Sätze 1 und 2 i. V. m. § 35 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 BauO NRW verstoßen.

Die Antragstellerin beruft sich zunächst ohne Erfolg darauf, § 35 Abs. 1 Sätze 1 und 2 BauO NRW seien auf eingeschossige Tiefgaragen nicht anwendbar. Dies ergibt sich nicht schon aus der Formulierung “aus den Geschossen” in § 35 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW. Daraus folgt nicht, dass die Norm nur auf mehrgeschossige Gebäude anwendbar wäre. Vielmehr zeigt die Bezugnahme auf die Regelung des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW durch die Verwendung des Begriffs der “notwendigen Treppe“, dass Anknüpfungspunkt des § 35 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW das Vorhandensein einer Treppe aus einem nicht zu ebener Erde liegenden Geschoss ist.

Nichts anderes ergibt sich aus dem von der Antragstellerin in Bezug genommenen Zweck der Regelung, die Feuerwehr im Brandfall zu schützen und eine Fluchtmöglichkeit aufrechtzuerhalten. Diese Ziele erfordern auch bei einer Treppe, die unmittelbar aus einem eingeschossigen Gebäude ins Freie führt, grundsätzlich die Einhaltung der Anforderungen an einen notwendigen Treppenraum, da nur so der Wegfall der Treppe als Flucht- bzw. Rettungsweg und Angriffsweg der Feuerwehr verhindert werden kann.

Ebenso wenig dringt die Antragstellerin mit ihrer Annahme durch, die streitgegenständlichen Treppen seien als “atypische Außentreppen” gemäß § 35 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 BauO NRW ohne eigenen Treppenraum zulässig, sie seien nicht überdacht und lägen daher im Freien, auch wenn sie seitlich von Erdreich umschlossen seien, damit sei der Sinn der Privilegierung erfüllt, da im Brandfall keine Gefährdung durch die Wandöffnungen drohe. Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass Außentreppen solche Treppen sind, die sich außerhalb eines Gebäudes bzw. an dessen Außenwänden befinden. Darunter fallen die streitgegenständlichen Treppen nicht. Sie grenzen jeweils mit mindestens drei Seiten an die Tiefgarage an und sind damit nicht – wie die Antragstellerin vorträgt – von Erdreich umschlossen. Weshalb und unter welchen Voraussetzungen § 35 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 BauO NRW auch “atypische Außentreppen” umfassen sollte, zeigt die Beschwerde nicht auf, insbesondere nicht mit dem Verweis auf die Planungsfreiheit des Bauherrn oder dem Vergleich mit einer “oberirdischen Außentreppe” in der Nähe einer Fensteröffnung.

2. Die Beschwerdebegründung legt ferner nicht dar, dass das Verwaltungsgericht zu Unrecht von einer konkreten Gefahr für Leben und Gesundheit ausgegangen wäre.

a) Ohne Erfolg bemängelt die Antragstellerin, das Verwaltungsgericht sei dem Vorgehen der Antragsgegnerin gefolgt, ohne eine fachliche Begutachtung im Einzelfall einen Brandmangel anzunehmen und daraus auf eine konkrete Gefährdung zu schließen.

Damit legt sie nicht dar, dass eine solche “Einzelfallprüfung” für die Durchbrechung des Bestandsschutzes einer Baugenehmigung generell oder im vorliegenden Einzelfall erforderlich gewesen wäre. Dies ergibt sich insbesondere nicht aus dem in Bezug genommenen Beschluss des OVG Sachsen-Anhalt vom 8.3.2017 – 2 L 78/16 -. Danach “kann im Einzelfall geboten sein“, dass die Bauaufsichtsbehörde das Gefährdungspotential durch eine fachliche Begutachtung ihres Bausachverständigen ermittelt und bewertet. Dass und weshalb dies vorliegend angezeigt gewesen wäre, ist weder mit dem Verweis auf die Baugenehmigung vom 15.1.2019 dargelegt noch sonst ersichtlich.

b) Die Antragstellerin zeigt nicht auf, dass das Verwaltungsgericht hinsichtlich des Vorliegens einer konkreten Gefahr für Leib und Leben von einem unzutreffenden, dem Gewicht des Bestandsschutzes nicht ausreichend Rechnung tragenden Maßstab ausgegangen wäre.

Nach der vom Verwaltungsgericht herangezogenen Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen ist eine auf Gefahrenbeseitigung gerichtete Ordnungsverfügung auch bei einem durch eine gültige Baugenehmigung gedeckten Gebäude grundsätzlich möglich, und zwar insbesondere dann, wenn sie – wie beim Brandschutz – dem Schutz von Leben und Gesundheit dient.

Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 10.7.2024 – 7 B 469/24 -, und vom 28.4.2021 – 2 A 833/20 -, sowie Urteil vom 25.8.2010 – 7 A 749/09 -, NVwZ-RR 2011, 47.

Ebenso hat das Verwaltungsgericht zutreffend angenommen, dass an die für das Vorliegen einer konkreten Gefahr erforderliche Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts in Bezug auf Leben oder Gesundheit als geschützte Rechtsgüter keine übermäßig hohen Anforderungen zu stellen sind,

vgl. etwa OVG NRW, Beschluss vom 30.10.2023- 10 B 1023/23 -, sowie Urteil vom 16.6.2023 – 7 A 2635/21 -, BauR 2023, 1490,

und dass der Umstand, dass in vielen Gebäuden jahrzehntelang kein Brand ausgebrochen ist, nicht beweist, dass keine Gefahr besteht, sondern dass vielmehr mit dem Entstehen eines Brandes jederzeit gerechnet werden muss,

vgl. etwa OVG NRW, Beschluss vom 10.7.2024 – 7 B 469/24 -, Urteil vom 25.8.2010 – 7 A 749/09 -, NVwZ-RR 2011, 47.

Dass dies den Bestandsschutz – wie von der Antragstellerin angenommen – leerlaufen lassen könnte, ist nicht ersichtlich, vielmehr wird der hohen Bedeutung der von den Brandschutzvorschriften geschützten Rechtsgüter Rechnung getragen.

c) Aus der Beschwerdebegründung ergibt sich ferner nicht, dass das Verwaltungsgericht ausgehend von diesem Maßstab das Vorliegen einer konkreten Gefahr zu Unrecht bejaht hätte.

Es hat insoweit ausgeführt, aufgrund der Öffnungen in den Wänden, die um die als Rettungswege dienenden Treppen angeordnet seien, sei es nicht unwahrscheinlich, dass die Treppen und die umliegenden Räume im Brandfall durch Feuer beaufschlagt würden, dort Hitze aufsteigen und Rauch in die Treppenbereiche eindringen werde, durch die Konvektion strömten Brandrauch und Brandgase nach oben, wodurch die offenen Treppenräume wie Schornsteine wirkten und als Rettungs- bzw. Löschangriffswege für Schutzsuchende bzw. Feuerwehrkräfte je nach Ausbreitung eines Brandes nicht gefahrenfrei nutzbar oder gänzlich unbenutzbar würden.

Die Antragstellerin verweist zunächst ohne Erfolg auf ein “Ergänzendes brandschutztechnisches Gutachten” der F. R. PartGmbB vom 7.6.2024, dem “ein kalibrierter Rauchversuch” vom 3.6.2024 zugrunde liege. Dieser habe gezeigt, dass durch die Wand- und Türöffnungen keine Schäden zu erwarten seien. Die Treppenräume bzw. die Wand- und Türöffnungen wirkten – anders als vom Verwaltungsgericht angenommen – im Brandfall nicht wie Schornsteine, es seien keine Rauchansammlungen in den Treppenräumen zu erwarten, der Rauch ziehe nach dem Passieren der Öffnungen vertikal nach oben ab, selbst nach 12 Minuten hätten sich nur kaum zu erkennende Rauchschwaden angesammelt, zudem ströme der Rauch auch aus den dafür bestimmten 13 Deckenöffnungen und Lichtschächten ins Freie.

Insoweit weist die Antragsgegnerin zutreffend unter Bezugnahme auf eine Stellungnahme des Brandschutzingenieurs P. vom 5.8.2024 darauf hin, dass die Gefährdung für Leben und Gesundheit bei einem Brand in einer unterirdischen Großgarage nicht (nur) aus der Rauchausbreitung als solcher, sondern (auch) aus den Auswirkungen der Wärmestrahlung und der Toxizität der Brandgase auf den menschlichen Organismus sowie aus der Gefahr einer Feuerbeaufschlagung bei einem Brand in der Nähe der Wandöffnungen resultiert. Dies berücksichtigt das Ergänzende Brandschutzgutachten vom 7.6.2024 nicht. Die von der Antragsgegnerin ferner aufgezeigten Zweifel an dem “kalibrierten Rauchversuch” sind ggf. im Hauptsacheverfahren aufzuklären.

Die in Rede stehende konkrete Gefahr entfällt auch nicht – wie die Beschwerdebegründung annimmt – aufgrund der Ergebnisbaumanalyse des Ergänzenden Brandschutzgutachtens vom 7.6.2024. Unabhängig davon, ob die darin enthaltenen Annahmen zutreffen, ist die Frage, wann eine für eine Gefahr ausreichende Wahrscheinlichkeit eines Schadens an einem hochrangigen Rechtsgut wie Leib oder Leben vorliegt, einer rein quantitativen Betrachtung nicht zugänglich.

Ohne Erfolg verweist die Antragstellerin schließlich auf die Sicherheitsschleusen und die Zufahrtsrampe als alternative Flucht- bzw. Rettungswege. Das Verwaltungsgericht hat in Bezug auf die Schleusen zutreffend angenommen, dass deren Existenz mit Blick auf die insoweit eingeschränkte Schlüsselgewalt der Tiefgaragennutzer sowie auf die im Brandschutzkonzept vorgesehene Nutzung der streitgegenständlichen Treppen als Löschangriffsweg eine Gefahr nicht auszuschließen vermögen. Dass die Zufahrtsrampe den Anforderungen an den (ersten) Rettungsweg nicht genügt, hat die Antragsgegnerin mit der Beschwerdeerwiderung aufgezeigt.

Gegen das Vorliegen einer Gefahr spricht schließlich auch nicht der Vortrag, eine Verrauchung der Treppen sei von untergeordneter Bedeutung, da die Feuerwehr Atemschutzgeräte nutze und die Zufahrtsrampe als Rettungsweg zur Verfügung stehe. Das ergibt sich schon daraus, dass eine Verrauchung die Treppen als Fluchtweg für Nutzer der Tiefgaragen einschränkt oder ausschließt und die Rampe im Brandfall schon aufgrund der Größe der Tiefgarage nicht für jeden Nutzer hinreichend sicher zu erreichen ist.

3. Schließlich zeigt die Beschwerdebegründung auch nicht auf, dass das Verwaltungsgericht unzutreffend von der Verhältnismäßigkeit der Ordnungsverfügung vom 18.1.2024 ausgegangen wäre.

Die Antragstellerin wendet insoweit ein, es liege nur eine geringe Schadenswahrscheinlichkeit vor, die keine Durchbrechung des Bestandsschutzes rechtfertige, die geforderte Schließung der Öffnungen führe ggf. zu einer unzureichenden Belüftung der Tiefgarage, die eine kostenintensive Belüftungsanlage erforderlich machen könne. Dies greift nicht durch.

Dem öffentlichen Interesse an der Minimierung von Brandrisiken und der damit bezweckten Vermeidung von Schäden an Leben und Gesundheit der Bewohner von Gebäuden kommt grundsätzlich ein höheres Gewicht zu als finanziellen Interessen des betroffenen Eigentümers.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 10.7.2024 – 7 B 469/24 -.

Zudem ist weder mit der Beschwerdebegründung dargelegt noch sonst ersichtlich, dass es im Falle der Schließung der Wandöffnungen tatsächlich der Installation einer kostenintensiven Belüftungsanlage bedürfte.

Vielmehr ergibt sich aus dem “Gutachten über die natürliche Lüftung der Garage” des TÜV Rheinland vom 12.9.2023, dass zwar auch mit den vorhandenen Öffnungen die Anforderungen aus § 136 Abs. 2 SBauVO an eine natürliche Lüftung nicht eingehalten werden, aber dennoch im Sinne des § 136 Abs. 3 SBauVO mit einer ausreichenden natürlichen Lüftung gerechnet werden könne und auch bei einer – infolge der geforderten Schließung der Wandöffnungen gegebenen – Halbierung des Lüftungsquerschnitts mit einem Überschreiten des zulässigen CO-Grenzwert eher nicht zu rechnen sei. Dem schließt sich auch das von der Antragstellerin selbst beauftragte Brandschutztechnische Gutachten der F. R. PartGmbB vom 22.3.2024 an, wenn es ausführt, dass eine ausrechende Belüftung bzw. die Einhaltung eines zulässigen CO-Halbstundenmittelwertes auch ohne den Ansatz der zu den drei Außentreppen orientierten Öffnungen prognostiziert werden könne.

4. Auf die Einwände der Antragstellerin gegen die vom Verwaltungsgericht vorgenommene allgemeine Interessenabwägung kommt es schon deshalb nicht an, weil das Verwaltungsgericht die Ablehnung der Anträge selbstständig tragend auf die nach summarischer Prüfung gegebene Rechtmäßigkeit der Ordnungsverfügung vom 18.1.2024 gestützt hat; diese Begründung hat die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde aus den dargelegten Gründen nicht substantiiert in Zweifel gezogen.

5. Danach hat die Antragstellerin auch keinen Anspruch auf Aufhebung der zwischenzeitlich getroffenen Brandschutzmaßnahmen an den Stellplätzen.