Ax Hochbaurecht

Anforderungen an Baugrundgutachten für Gründungen von Windenergieanlagen und deren Kranstellflächen und Zuwegungen

Anforderungen an Baugrundgutachten für Gründungen von Windenergieanlagen und deren Kranstellflächen und Zuwegungen

1 Gründung: Fundament als Flachgründung
· Zulässige Bodenpressung als mittlere Bodenpressung.
· Angaben der Steifemodule „Es statisch“ und „Es dynamisch“ gemäß „Betonkalender 1978, Seite 848 ff“. (Anlage 1). Mit diesen Werten und der Fundamentgrundfläche wird die Drehfedersteifigkeit ermittelt.
· Angabe des Reibungswinkels zwischen Stahlbetonfundament und Boden.
· Angabe des Bemessungswasserstandes, der am Standort zu erwarten ist.
· Vorschlag von Bodenverbesserungsmaßnahmen, wenn abzusehen ist, dass diese erforderlich sind
· Angaben über die Aggressivität des Bodens und des Grundwassers.
· Zu erwartende Setzungen aus ständiger Belastung und aus den wechselnden Belastungen aus der Windenergieanlage und dem Fundamentkörper.
· Angaben über die Neigung der Böschung der Baugrube.
· Angaben über die Trockenhaltung der Baugrube während der Bauzeit.
· Angaben zur Verwendung des Erdaushubs zur Wiederanfüllung, auch für die Schnittstelle zwischen Fundamentarbeitsraum und Kranstellfläche.

2 Gründung: Fundament als Pfahl-/ Tiefgründung
· Angaben über die im Baugebiet üblichen Pfahlsysteme.
· Angaben über die äußere Tragfähigkeit der Pfähle bei Druck- und Zugbelastungen für die Extremlastfälle und für zyklische und dynamische Einwirkungen, auch bei der Wahl von Pfahlgruppen.
· Angaben über die dazugehörigen Pfahllängen, bezogen auf Oberkante Gelände in Fundamentmitte.
· Angaben über die Bodenschichtdicken mit den dazugehörigen horizontalen Steifemoduli „Es statisch“ und „Es dynamisch“ zur Ermittlung der „Horizontalfedersteifigkeit“ und „Drehfedersteifigkeit“ des räumlichen Tragsystems „Fundament und Pfähle“.
· Angaben über die zulässigen minimalen Pfahlabstände am Pfahlkopf und am Pfahlfuß.
· Angaben über möglichen Pfahlneigungen.
· Angaben über die zu erwartenden zugehörigen Pfahlkopfsetzungen bei den o.g. Pfahllasten.
· Angaben über den niedrigsten und höchsten Grundwasserstand, der am Standort zu erwarten ist.
· Angaben über die Aggressivität des Bodens und des Grundwassers.
· Angaben darüber, ob der Baugrund das Frischbetongewicht des Fundamentes aufnehmen kann, oder welche Betonierlast für den Boden unter dem Fundament aufnehmbar ist, damit die Dicke der Betonierabschnitte bestimmt werden kann.
· Angaben über die Neigung der Böschung der Baugrube.
· Angaben über die Trockenhaltung der Baugrube während der Bauzeit.
· Angaben zur Verwendung des Erdaushubs zur Wiederanfüllung, auch für die Schnittstelle zwischen Fundamentarbeitsraum und Kranstellfläche.

3 Bemessung: Montage-Kranstellflächen und Zuwegung
· Allgemeine Angaben zum Standort und Bemessung
– Lageplan, Geländemodell, Grabensysteme, Vornutzung
– Grundwasseranalyse (pH-Wert)
– Anforderungen an die Behandlung des Mutterbodens (kann der Mutterboden unter den Verkehrsflächen verbleiben oder muss er abgeschoben werden?)
· Angabe des verfügbaren Tragschichtmaterials (Kornverteilung, Kornfestigkeit, Kornform oder Eignungsprüfung nach z.B. TL SoB 04)
· Angaben zum Schichtenmodell und Beschreibung je Standort mit zugehörigen Aufschlüssen. Für die Planung der Kranstellflächen und Transportwege sind folgende Aufschlüsse durchzuführen:
– je Streckenstrang (≤ 650 m) eine indirekte Erkundung z. B. in Form einer Drucksondierung (CPT) bis auf die Einflusstiefe der Lasten unter Geländehöhe abzuteufen.
– je Streckenstrang (≤ 650 m) eine direkte Erkundung z. B. in Form einer Kleinrammbohrung. bis in die Einflusstiefe der Lasten unter Geländehöhe abzuteufen.
– je Bodenschicht- und/ oder Bodeneigenschaftswechsel oder Tiefenmeter mindestens eine Bodenprobe zu entnehmen.
– die Auswertung der gewonnen Bodenproben im Baugrundlabor zur Ermittlung der Bodenparameter (Rechenwerte) bzw. zur Bestätigung der in den Normen genannten Rechenwerte vorzunehmen.

V-CEU Dokument Nr.: 0019-5727.V03
Anforderungen an Baugrundgutachten für Gründungen von Vestas-Windenergieanlagen und deren Kranstellflächen und Zuwegungen
Geotechnisches Gutachten
Datum: 2017-11-13
Issued by: V-CEU/PM/ARDYC Class 1 Typ: T05
Vestas Central Europe · www.vestas.com Eingetr. Firmenname: Vestas Deutschland GmbH
Technische Änderungen vorbehalten

· Zuordnung von charakteristischen Kennwerten je Standort in engen Grenzen, ggf. je Aufschluss falls mehrere Aufschlüsse an einem Standort, für das maßgebende Spannungsniveau (im Fall einer Kranaufstandsfläche ca. 260 kPa):
– undrainierte Scherfestigkeit ju [°], cu [kN/m²]
– drainierte Scherfestigkeit j [°], c [kN/m²
– Wichte bei normaler Bodenfeuchte g [kN/m³], Wichte unter Auftrieb g ́[kN/m³]
– Verformungsverhalten anstehender Bodenschichten (E-Modul E [MPa] oder Steifemodul Es [MPa])
– Kennwerte zur Berücksichtigung des zeitabhängigen Verhaltens
– (Konsolidierungsbeiwert cv, ersatzweise Durchlässigkeitskoeffizient kf)
– ggf. Kohäsion infolge Bindemittelstabilisierung c [kN/m²])

4 Geotechnische Untersuchungen
Nach der „Richtlinie für Windkraftanlagen“, Fassung März 2004, Deutsches Institut für Bautechnik – DIBt – Berlin, Ziffer 11.2.1, 2. Absatz, und der „Richtlinie für die Zertifizierung von Windenergieanlagen; Ausgabe 2003 mit Ergänzung 2004“ der Germanischer Lloyd Industrial Services GmbH, Kapitel 6.7, Ziffer 6.7.2.3, sind die geotechnischen Untersuchungen für die Gründungen von Windenergieanlagen der Geotechnischen Kategorie 2 (GK 2) zuzuordnen. Die geotechnischen Untersuchungen des Baugrundes und Lieferung der geotechnischen Daten sind im „Eurocode 7: Entwurf, Berechnung und Bemessung in der Geotechnik – Teil 1: Allgemeine Regeln; Deutsche Fassung EN 1997-1:2004 + AC:2009“*, Ziffer 3, geregelt und genau beschrieben. Abweichend von dieser Norm sollten für jeden Windenergiestandort 3 Baugrunduntersuchungen, eine Sondierbohrung (z.B. RKS) sowie zwei Drucksondierungen (CPT), ausgeführt werden.

5 Geotechnisches Gutachten
Die Einzelheiten der „Geotechnischen Untersuchungen“ sind gemäß „„Eurocode 7: Entwurf, Berechnung und Bemessung in der Geotechnik – Teil 1: Allgemeine Regeln; Deutsche Fassung EN 1997-1:2004 + AC:2009“1, Ziffer 2.8 in einem „Geotechnischen Gutachten“ darzustellen. In diesem Gutachten sollten alle unter Punkt 1, 2 und 3 geforderten Angaben zur Bemessung der Gründung, Montage-, Kranstellfächen und Zuwegung von Windenergieanlagen enthalten sein.

6 Weitere Hinweise
Baugrunderkundungen sind grundsätzlich nach nationalen Normen und Vorschriften durchzuführen.. Die Anforderungen incl. der angegebenen Baugrundkennwerte in diesem Dokument ersetzen nicht bestehende Normen, Richtlinien und den Stand der Technik. Weiterhin ersetzen die Anforderungen aus diesem Dokument nicht die fachkundige Bewertung durch einen Baugrundgutachter, der idealerweise mit den geotechnischen Gegebenheiten am Standort vertraut ist. Wird aufgrund örtlicher Gegebenheit nach fachkundlicher Abwägung von den Anforderungen in diesem Dokument abgewichen, so ist dies im Gutachten entsprechend kenntlich zu machen.

7 Grundlagen
Eurocode 7
DIN 1997-2
DIN 4020
DIN 1054
DIN-Taschenbuch 113 (Baugrunderkundung, geotechnischen Untersuchung von Bodenproben, Grundlagen der Messtechnik)

Quelle: Anforderungen an Baugrundgutachten für Gründungen von Vestas-Windenergieanlagen und deren Kranstellflächen und Zuwegungen

V-CEU Dokument Nr.: 0019-
5727.V03

Wann ist eine wie geartete Baugrunduntersuchung notwendig?

Wann ist eine wie geartete Baugrunduntersuchung notwendig?

Eine Baugrunduntersuchung ist eine Maßnahme zur Erkundung von Baugrund. Über verschiedene Verfahren zur Baugrunduntersuchung wird die Beschaffenheit und Zusammensetzung des Baugrunds ermittelt. Die Ergebnisse werden analysiert und in einem Bodengutachten festgehalten. Baugrunduntersuchungen sind bei neuen Bauvorhaben erforderlich, um die Eignung als Baugrund und die Art der Gründung zu bestimmen. Bei Bestandsgebäuden mit Gründungs- oder Baugrundschäden sind Baugrunduntersuchungen zwar optional, dennoch unverzichtbar.

Warum ist eine Baugrunduntersuchung notwendig?

Ein wesentlicher Bestandteil der Sanierung einer Gründung ist das Erkennen der Schadensursache und das sichere Verhindern weiteren Einwirkens eben dieser Ursache. Und die ist nicht notwendig allein aus den Symptomen, bspw. Risse im Mauerwerk erkennbar. Eine klare Aussage ergibt sich oft erst aus dem Auswerten der Schadensbilder in Kombination mit den Ergebnissen der Baugrunduntersuchungen. Außerdem ist es für die notwendigen Baugrundverbesserungsarbeiten selbst wichtig zu wissen, wie der Boden aufgebaut ist, wo die zu verbessernden oder zu ersetzenden Bodenschichten liegen und woraus sie bestehen. Auch in welcher Tiefe gegebenenfalls das Grundwasser steht, ist eine wichtige Angabe. Deshalb sind die Ergebnisse der Baugrunduntersuchung als Voraussetzung für eine Gründungssanierung zu fordern. Die Baugrunderkundungen werden in einfachen Fällen, wenn nicht tief gebohrt werden muss, als Kleinrammbohrungen ausgeführt. Diese Erkundungen sind auch unter beengten Verhältnissen möglich.

Baugrunduntersuchung gibt Auskunft über geeignete Sanierungsverfahren

Für jede Bodenart werden die Ergebnisse unterschiedlicher bodenmechanischer Versuche benötigt. Die Analyse der festgestellten Schäden kann dann an Hand der Versuchsergebnisse erfolgen. Sie sollte, ebenso wie Hinweise auf geeignete Sanierungsverfahren, im Bodengutachten des Geotechnikers enthalten sein. Nicht in allen Fällen wird dies möglich sein. Dann sollten jedoch die Analyse und die geeigneten Sanierungsverfahren fachübergreifend von den am Projekt Beteiligten und jedenfalls unter Einschluss des Geotechnikers erarbeitet werden.

Was ist ein Bodengutachten?

Ein Bodengutachten, auch bodenmechanisches Gutachten genannt, ist ein geotechnischer Bericht, der von einem Sachverständigen für Geotechnik (Bodengutachter) erstellt wird. Das Bodengutachten dokumentiert die Ergebnisse aus der Baugrunduntersuchung. In der Regel enthält jedes Bodengutachten eine abschließende Beurteilung mit Handlungsempfehlungen zur bspw. Gründung einer geplanten Baumaßnahme.

Wann ist ein Bodengutachten Pflicht?

Grundsätzlich ist es erforderlich, für jedes Bauvorhaben ein Bodengutachten zu erstellen bzw. erstellen zu lassen. Jedem Architekten und Bauingenieur muss klar sein, dass er die Verantwortung für die zu schaffenden Grundlagen der Planung trägt. Es ist also in seinem Interesse zur Begrenzung dieser Verantwortung in einem für ihn fachfremden Gebiet, den Bauherrn auf die Notwendigkeit eines Bodengutachtens (schriftlich) hinzuweisen und die Beauftragung eines Bodengutachters durch den Bauherrn zu veranlassen.

Was wird bei einem Bodengutachten gemacht?

Die für das Bodengutachten erforderlichen geotechnischen Untersuchungen umfassen alle zur bautechnischen Beurteilung der auf dem Grundstück vorhandenen Böden notwendigen ingenieurgeologischen, hydrogeologischen, bodenmechanischen, umwelttechnischen und chemischen Untersuchungen.

Was beinhaltet ein Bodengutachten?

Das Bodengutachten enthält die Ergebnisse aller durchgeführten Untersuchungen und die sich aufgrund der Untersuchungen für das Bauvorhaben ergebenden Folgerungen. Wesentliche Inhalte eines Bodengutachtens sind die Hinweise für die Art und Bemessung der Gründung. Die Interaktion von Bauwerk und Boden muss mit der Wahl der Gründung und mit den Standsicherheitsnachweisen erfasst sein. Die Lage des höchsten Grundwasserstandes und die notwendigen Sicherungsmaßnahmen gegen Vernässung müssen angegeben sein. Für die Herstellung einer Baugrube notwendige Hinweise für Aushub, Sicherung der Baugrube, erforderlicher Wasserhaltung sowie die mögliche Verwertung bzw. notwendige Entsorgung des Aushubbodens müssen ebenfalls einem Bodengutachten zu entnehmen sein.

Wer macht ein Bodengutachten?

Bodengutachten werden von einem Sachverständigen für Geotechnik, umgangssprachlich Bodengutachter genannt, durchgeführt. Bodengutachter sind je nach der zu lösenden Aufgabe Geologen oder Bauingenieure. Der Bodengutachter legt nach Recherche in bekannten Unterlagen wie Geologischen Karten oder Bohrarchive und einer Geländebegehung die erforderlichen geotechnischen Untersuchungen fest. Im Fall der Beurteilung bestehender Gründungen, die insbesondere für das Bauen im Bestand entscheidend ist, wird vom Bodengutachter neben den Kenntnissen in Bodenmechanik und Gründungstechnik auch eine zutreffende Beurteilung der vorhandenen Konstruktion gefordert. So muss beispielsweise die Zulässigkeit der Beanspruchungen alter Konstruktionen meist ohne vorhandene Berechnungen beurteilt werden, um notwendige Maßnahmen ergreifen und nicht notwendige Maßnahmen vermeiden zu können. Häufig muss auf alten Industriegrundstücken oder anderen kontaminierten Grundstücken gebaut werden. In solchen Fällen muss der Bodengutachter aufgrund der durchgeführten bodenmechanischen und chemischen Untersuchungen angeben, welche Maßnahmen zu treffen sind.

Was kostet ein Bodengutachten?

Die Kosten für ein Bodengutachten variieren sehr stark. Je nach Anwendungsfall liegen die Kosten für bspw. ein Einfamilienhaus normaler Größe zwischen 600 und 2.000 Euro. Die Preisunterschiede ergeben sich hauptsächlich aus der Intensität der Untersuchung. Muss im Rahmen eines Schadenfalls, wie das Absacken eines Gebäudes ein Bodengutachten erstellt werden, können sich die Kosten auf bis zu 2.500 Euro und mehr belaufen, da die Baugrunduntersuchung und die zusätzliche Analyse der Schadensursache deutlich aufwendiger sind.

Quelle: URETEK Deutschland GmbH, Weseler Str. 110, 45478 Mülheim an der Ruhr

Baugrundrisiko

Jeder Bauherr trägt das Risiko, dass an seinem Neubau oder an Nachbargebäuden Schäden auftreten oder Personen beeinträchtigt werden. Diese Schäden und Beeinträchtigungen können vielfältige Ursachen haben:

  • Überbauung wenig tragfähiger Schichten: Torf, weicher Lehm, Altablagerungen, u.a.
  • Instabilitäten des Baugrunds: Rutschung, Erdfall, Schwellen, Schrumpfen
  • nicht standsichere Baugrundböschungen
  • fehlerhafte Gründungen infolge unzulässiger Setzung, Sackung, Senkung, Schiefstellung oder Grundbruch
  • unwirtschaftliche Gründung
  • ungenügende Berücksichtigung von Sicker- und Grundwasser oder Schadstoffen (BBodSchG, LAGA)
  • fehlende Sicherung bestehender Gebäude, z.B. durch Unterfangung


Pflicht zur Baugrunderkundung

Eine Pflicht zur Baugrunderkundung besteht nach:

  • den Landesbauordnungen
  • der Verdingungsordnung für Bauleistungen
  • Bundesbodenschutz-Gesetz
  • den von den Ländern baurechtlich eingeführten Normen, in der exakte Anforderungen an den Untersuchungsaufwand gestellt werden


Baugrund – Untersuchung

Angaben zur Beschaffenheit und zum Aufbau des Untergrundes sind zu erhalten durch:

  • Auswertung topographischer und Sondierungen geowissenschaftlicher Karten und Fachliteratur (Ramm-, Flügel-, Drucksondierungen)
  • Baggerschürfe
  • Bohrungen (Kleinrammbohrungen, Kernbohrungen)
  • geophysikalische Erkundungen (Seismik, Geoelektrik, Georadar)

Mit Hilfe dieser Angaben wird ein Baugrundgutachten erstellt. Durch bodenmechanische Versuche im Feld und an ausgewählten Proben im Labor werden charakteristische Rechenwerte ermittelt, die zum Rechenmodell des Baugrundes führen, das Grundlage der Gründungsberatung ist.

Vorteile

Ein Baugrund- und Gründungsgutachten…

  • gibt dem Bauherrn Planungssicherheit
  • verhindert baugrundbedingte Baustillstände
  • ermöglicht eine sichere und wirtschaftliche Gründung – viele schadensfreie Gebäude sind unwirtschaftlich gegründet
  • erspart in der Regel mehr als es kostet


Quelle: BDG – Berufsverband Deutscher Geowissenschaftler e.V.: Flyer: „Baugrundgutachten sind immer die richtige Entscheidung – Informationen für Bauherren“.

VergMan ® Tiefbaurecht und Hochbaurecht: Entschädigung für den Vorhalt von Arbeitskräften während des Annahmeverzugs

VergMan ® Tiefbaurecht und Hochbaurecht: Entschädigung für den Vorhalt von Arbeitskräften während des Annahmeverzugs

Ein Urteil des KG spricht dem Werkunternehmer eine Entschädigung für den Vorhalt von Arbeitskräften während des Annahmeverzugs des Bestellers zu. Kann ein Werkunternehmer während des Annahmeverzugs des Bestellers die Vergütung aus dem gestörten Werkvertrag nicht wie vorgesehen erwirtschaften, steht ihm für diesen Umsatznachteil zwar keine Entschädigung aus § 642 BGB zu. Begehrt ein Werkunternehmer Entschädigung für den Vorhalt von Arbeitskräften während dieses Annahmeverzugs, steht ihm dem Grunde nach ein Anspruch zu, er hat aber darzulegen und ggf. zu beweisen, dass er die Arbeitskräfte im fraglichen Zeitraum nicht anderweitig einsetzen konnte. Zeigt der Besteller dem Unternehmer die Umstände an, die seinen Annahmeverzug begründen, so liegt in einer solchen Verzugsmitteilung in aller Regel eine Leistungsänderung gemäß § 2 Abs. 5 VOB/B, sodass dem Unternehmer ein Mehrvergütungsanspruch nach dieser Vorschrift zustehen kann. In diesem Fall besteht der Mehrvergütungsanspruch aus § 2 Abs. 5 VOB/B neben demjenigen aus § 642 BGB. Im Unterschied zu § 642 BGB gewährt er auch eine Mehrvergütung für annahmeverzugsbedingte Kostensteigerungen.
KG, Urteil vom 29.01.2019 – 21 U 122/18

A.
Die Klägerin nimmt den Beklagten aus einem Bauvertrag über Trockenbauarbeiten in Anspruch, nachdem sie ihre Leistungen nicht innerhalb der vertraglich vereinbarten Ausführungsfristen abschließen konnte.

Der Beklagte, vertreten durch das Bezirksamt N…, schrieb für das Bauvorhaben “Erweiterungsbauten für die Gemeinschaftsschule auf dem Campus R…-…” im Jahr 2016 Trockenbauarbeiten aus. Die Trockenbauarbeiten waren in drei unterschiedlichen Gebäuden zu erbringen, nämlich dem “WAT-Gebäude” (im Folgenden auch “WAT”), dem “Elternzentrum” (im Folgenden auch “ELZ”) und der “Schulerweiterung” (im Folgenden auch “SCH”). Bei der Ausschreibung nahm der Beklagte Bezug auf die VOB/B und auf Besondere Vertragsbedingungen. Diese regeln in Ziff. 1 “Ausführungsfristen (§ 5 VOB/B)”, in Ziff. 10 sehen sie ergänzend zu Ziff. 1.2 für die Trockenbauarbeiten die folgenden “Einzelfristen” vor:

“1. Schulerweiterunga. Wände 1. Seite 21.11.2016 bis 13.01.2017b. Wände schließen 19.12.2016 bis 17.02.2017c. Decken 30.01.2017 bis 07.04.20172. Elternzentruma. Wände 1. Seite 04.07.2016 bis 29.07.2016b. Wände schließen 22.08.2016 bis 16.09.2016c. Decken 05.09.2016 bis 30.09.20163. WAT-Gebäudea. Wände 1. Seite 20.06.2016 bis 01.07.2016b. Wände schließen 15.08.2016 bis 02.09.2016c. Decken 29.08.2016 bis 16.09.2016”
Mit Schreiben vom 7. April 2016 gab die Klägerin ein Angebot zu einer Vergütung von 334.215,86 € zuzüglich 63.501,01 € Mehrwertsteuer = 397.716,87 € brutto ab. Von dieser Vergütung entfallen auf das Gebäude WAT 33.932,38 €, auf das Gebäude ELZ 71.673,06 € und auf das Gebäude SCH 228.610,42 € (Beträge jeweils netto). Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Anlagen K 1 und 2 verwiesen.

Auf Bitten des Beklagten verlängerte die Klägerin zweimal die Bindefrist für ihr Angebot, zuletzt bis zum 5. August 2016. Mit Schreiben vom 2. August 2018 beauftragte das Bezirksamt N… die Klägerin gemäß ihrem Angebot (Anlage K 3). In diesem Schreiben hatte das Bezirksamt den folgenden Textbaustein angekreuzt:

”Ich fordere Sie auf, mit der Ausführung der Bauleistung gemäß Ziff. 1.1 der Besonderen Vertragsbedingungen zu beginnen.”
Am 22. August 2016 fand eine Baubesprechung statt, an der unter anderem Vertreter der Klägerin und die Bauleitung des Beklagten teilnahmen. Dort gab die Bauleitung der Klägerin für ihre Arbeiten im Gebäude WAT einen Baubeginn am 5. September 2016 vor. Hinsichtlich des Gebäudes ELZ teilte sie der Klägerin – möglicherweise bei anderer Gelegenheit – mit, sie solle am 19. September 2016 mit den Arbeiten beginnen. In beiden Bereichen begann die Klägerin fristgerecht mit ihren Arbeiten, konnte sie aber erst im Februar bzw. März 2017 abschließen.

Im Gebäude SCH konnte die Klägerin erst am 2. Mai 2017 mit den Arbeiten beginnen und hatte sie am Tag der mündlichen Verhandlung vor dem Senat noch nicht abgeschlossen.

Die Klägerin ist der Ansicht, der Beklagte habe sich bei allen drei Gebäuden gemäß § 642 BGB im Annahmeverzug befunden, weil er ihr das Baugrundstück nicht so überlassen habe, dass sie die Trockenbauarbeiten innerhalb der Fristen ausführen konnte, wie sie in Ziff. 10 der Besonderen Vertragsbedingungen vorgegeben waren. Aus diesem Grund sei der Beklagte verpflichtet, sie für den Umsatz zu entschädigen, der ihr dadurch entgangen sei, dass sie nicht innerhalb der Vertragsfristen die vertraglichen Leistungen ausführen und die hierfür vorgesehene Vergütung erwirtschaften konnte. Auch wenn sie diese Leistungen zeitlich verschoben nachholen konnte und musste, ändere dies nichts daran, dass ihr die Möglichkeit endgültig genommen sei, innerhalb der vertraglich vorgesehenen Zeitfenster die vereinbarte Vergütung zu erwirtschaften und dass ihr in der Zeit des Nachholens wegen der Bindung ihrer Produktionsmittel an den Vertrag mit der Beklagten die Möglichkeit genommen war, Umsatz aus anderen Aufträgen zu erzielen. Die Höhe ihres Anspruchs ermittelt die Klägerin in der Form, dass sie von ihrer Vergütung, soweit sie auf die drei Gebäude entfällt und nicht innerhalb der jeweils vorgesehenen Fristen erwirtschaftet werden konnte, sich die durch die Nichtleistung ersparten Material- und Gerätekosten abziehen lässt. Auf diese Weise hat sie eine auf § 642 BGB gestützte Entschädigungsforderung von zunächst 235.290,18 € (einschließlich Mehrwertsteuer) ermittelt.

Wegen dieser Forderung hat die Klägerin Klage gegen den Beklagten erhoben und ihre Forderung vor dem Landgericht auf zuletzt 216.836,94 € (einschließlich Mehrwertsteuer) ermäßigt. Mit Urteil vom 10. Juli 2018 hat das Landgericht die Klage gemäß dem Antrag des Beklagten abgewiesen. Diese Abweisung hat es vorrangig darauf gestützt, dass der Beklagte sich nicht im Annahmeverzug befunden habe. Dass die Klägerin ihre Leistungen in den drei Gebäuden unstreitig nicht zu den in Ziff. 10 der Besonderen Vertragsbedingungen vorgesehenen Fristen habe erbringen können, sei unerheblich, denn aufgrund der verspäteten Auftragserteilung nach Bindefristverlängerung seien die (Teil-) Fristen 2.a (Gebäude ELZ) und 3.a (Gebäude WAT) schon bei Auftragserteilung vollständig verstrichen gewesen. Damit seien die Vertragsfristen insgesamt hinfällig geworden und könnten somit nicht den Mitwirkungsverzug des Beklagten begründen. Im Übrigen habe die Klägerin ihre Leistungen auch nicht gemäß §§ 293 ff BGB angeboten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens und der Begründung des Landgerichts wird auf diese Entscheidung verwiesen.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit der Berufung, zu deren Begründung sie ihr erstinstanzliches Vorbringen vertieft und die Forderung um rund 9.000,- € (einschließlich Mehrwertsteuer) aufgrund der Anrechnung von anderweitigem Erwerb reduziert.

Die Klägerin beantragt nunmehr sinngemäß,

das Urteil des Landgerichts dahin abzuändern, dass die Beklagte verurteilt wird, an sie 207.286,30 € nebst Zinsen in Höhe von neun Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Ferner behauptet sie, die Klägerin habe ihre für den streitgegenständlichen Vertrag eingeplanten Arbeitskräfte jeweils an anderer Stelle des Bauvorhabens bzw. auf näher bezeichneten anderen Baustellen einsetzen können, sodass sie diese nicht aufgrund eines etwaigen Mitwirkungsverzugs des Beklagten vergeblich vorgehalten habe.

B.
Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg. Das Landgericht hat die Klage zu Recht als unbegründet abgewiesen. Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu.

I. Anwendbares Recht
Auf den Vertrag zwischen den Parteien ist das Bürgerliche Gesetzbuch in der bis zum 31. Dezember 2017 geltenden Fassung anzuwenden, Art. 229 § 39 EGBGB.

II. Kein Anspruch aus § 642 BGB
Der Klageanspruch ergibt sich nicht – auch nicht teilweise – aus § 642 BGB.
Nach § 642 hat der Unternehmer einen Entschädigungsanspruch gegen den Besteller, wenn dieser bei der Durchführung des Werkvertrags in Annahme- bzw. Mitwirkungsverzug geraten ist (beide Begriffe sind gleichbedeutend, vgl. Retzlaff in: Kniffka, Bauvertragsrecht, 3. Auflage, 2018, § 642 BGB, Rz. 2) und dem Unternehmer dadurch ein nach dieser Norm ersatzfähiger Nachteil entstanden ist.

1. Entstehung eines Nachteils ist Anspruchsvoraussetzung
§ 642 BGB regelt einen verschuldensunabhängigen Entschädigungsanspruch des Unternehmers, wenn der Besteller eine ihm obliegende Mitwirkungshandlung unterlässt, die bei der Herstellung des Werks erforderlich ist, und der Besteller hierdurch in Annahmeverzug gerät (BGH, Urteil vom 26. Oktober 2017, VII ZR 16/17, Rz. 19; Urteil vom 24. Januar 2008, VII ZR 280/05, BGHZ 175, 118). Der Anspruch aus § 642 BGB ist kein Schadensersatzanspruch, sondern er ist vergütungsähnlich (BGH, Urteil vom 24. Januar 1008, VII ZR 280/05, BGHZ 175, 118, Rz. 11). Diese Vergütungsähnlichkeit zeigt sich darin, dass der Unternehmer nach § 642 BGB ein Entgelt für eine Leistung erhält, nämlich das vergebliche Bereithalten seiner Produktionsfaktoren während des Annahmeverzugs des Bestellers (BGH, Urteil vom 26. Oktober 2017, VII ZR 16/17; Urteil vom 24. Januar 2008, VII ZR 280/05, BGHZ 175, 118), dass die Höhe der Entschädigung nach der vereinbarten Vergütung zu bestimmen ist (§ 642 Abs. 2 BGB, vgl. BGH, Urteil vom 26. Oktober 2017, VII ZR 16/17, Rz. 45; Urteil vom 24. Januar 2008, VII ZR 280/05, BGHZ 175, 118; KG, Urteil vom 10. Januar 2017, 21 U 14/16, Rz. 93) und dass sie der Umsatzsteuer unterfällt (BGH, Urteil vom 24. Januar 2088, VII ZR 280/05, BGHZ 175, 118).

Trotz dieser Vergütungsähnlichkeit kann einem Unternehmer aber nur dann ein Anspruch aus § 642 BGB zustehen, wenn ihm durch den Mitwirkungsverzug des Bestellers ein Nachteil entstanden ist. Hierin liegt kein Widerspruch. Das Erfordernis einer Nachteilsentstehung ist eine zwingende Folge des Umstands, dass der Anspruch aus § 642 BGB von den Parteien bei Vertragsschluss in der Regel nicht beziffert worden ist (Ausnahme: Eventualpositionen im Leistungsverzeichnis, vgl. Retzlaff in: Kniffka, Bauvertragsrecht, 3. Auflage, 2018, § 642 BGB, Rz. 108). Aus diesem Grund ist für die Bestimmung der Anspruchshöhe eine Bemessungsgrundlage erforderlich, sonst ist der Anspruch konturenlos (KG, Urteil vom 16. Februar 2018, 21 U 66/16; Urteil vom 10. Januar 2017, 21 U 14/16; Retzlaff in: Kniffka, Bauvertragsrecht, 3. Auflage, 2018, § 642 BGB, Rz. 3 und 38 ff). Der durch den Annahmeverzug bedingte Nachteil ist genau diese Bemessungsgrundlage, die sodann einvernehmlich durch die Parteien oder einen Dritten, etwa ein Gericht, zu bewerten ist. Beim Mehrvergütungsanspruch des Unternehmers aus § 2 Abs. 5 bis 7 VOB/B – zweifelsfrei ein Vergütungsanspruch -, verhält es sich genauso. Ändert der Besteller die Leistung des Unternehmers nach § 1 Abs. 3 oder 4 VOB/B, ist die geänderte Leistung typischerweise nicht bereits durch den ursprünglichen Vertrag bepreist, sodass sich die Frage der Ermittlung des Mehr- oder Mindervergütungsanspruchs stellt. Auch zu seiner Ermittlung, die einvernehmlich durch die Parteien oder im Streitfall durch einen Dritten – etwa ein Gericht – vorzunehmen ist, bedarf es einer Bemessungsgrundlage. Diese Bemessungsgrundlage sind die durch die Leistungsänderung bedingten Mehr- oder Minderkosten (vgl. § 2 Abs. 5, § 2 Abs. 6 Nr. 2 und § 2 Abs. 7 Nr. 1 VOB/B). Diese Mehr- oder Minderkosten beim Anspruch aus § 2 Abs. 5 bis 7 VOB/B entsprechen dem Nachteil beim Anspruch aus § 642 BGB. In beiden Fällen bilden sie die Bemessungsgrundlage für einen bei Vertragsschluss nicht einvernehmlich bezifferten Anspruch, ohne dass dieser dadurch die Rechtsnatur eines Schadensersatzanspruchs annimmt.

Nicht richtig wäre es, im Rahmen von § 642 BGB anstelle von “annahmeverzugsbedingtem Nachteil” in Anlehnung an § 2 Abs. 5 bis 7 VOB/B von “annahmeverzugsbedingten Mehrkosten” zu sprechen. Denn in einer solchen Terminologie läge bereits die Vorentscheidung, dass nach § 642 BGB nur Kostennachteile (erhöhte Kosten beim Unternehmer in Folge des Annahmeverzugs) ersatzfähig sind, nicht aber auch Umsatznachteile (dem Unternehmer entgangener Umsatz in Folge des Annahmeverzugs), was gerade im vorliegenden Fall zwischen den Parteien umstritten ist. Zwar kann nach Auffassung des Senats ein Anspruch aus § 642 BGB tatsächlich nur auf Kostennachteile gestützt werden, dieses Ergebnis muss aber erst noch begründet werden (hierzu unten II. 3.a) bb) (1)) und darf nicht durch die Terminologie vorweggenommen werden. Der vom Senat verwendete Begriff des Nachteils ist somit Ausdruck einer terminologischen Ergebnisoffenheit für die von der Klägerin vertretene Ansicht der Entschädigungsfähigkeit von Umsatznachteilen.

Die Anspruchsvoraussetzung eines Nachteils im Rahmen von § 642 BGB ist insbesondere auch durch die Rechtsprechung des BGH vorgegeben. Danach ist gerade nicht jeder annahmeverzugsbedingte Nachteil entschädigungsfähig: Vorhaltekosten sind es, Kostensteigerungen sind es nicht (vgl. BGH, Urteil vom 26. Oktober 2017, VII ZR 16/17). Diese Aussage des BGH verlangt, dass ersatzfähige Positionen – Vorhaltekosten – von nicht ersatzfähigen Positionen – Kostensteigerungen – unterschieden werden können. Eine solche Unterscheidung setzt aber voraus, dass, wenn sich ein Besteller im Mitwirkungsverzug befindet, zuallererst hierdurch bedingte Nachteile identifiziert werden, wie es der Senat fordert. Erst dann können in einem zweiten Schritt die nach Vorgabe des BGH nicht ersatzfähigen Positionen ausgesondert werden.

Es ist unerheblich, dass das Entstehen eines annahmeverzugsbedingten Nachteils nicht explizit in § 642 BGB erwähnt wird. Der Begriff des Nachteils erfüllt allein die Funktion, die durch § 642 BGB aufgeworfenen Rechtsfragen strukturiert abarbeiten zu können und dient somit der Gesetzesanwendung. Dies wird im Folgenden (vgl. II.3.a) bb)) ausgeführt.

2. Kein Anspruch der Klägerin aus § 642 BGB hinsichtlich der Gebäude WAT und ELZ
Soweit sich die Klägerin darauf beruft, sie habe ihre Bauleistungen im WAT-Zentrum und im Elternzentrum nicht in den vertraglich vorgesehen Fristen erbringen können, hat sie einen Anspruch aus § 642 BGB nicht dargelegt.

a) Fehlende Baufreiheit vor dem 5. bzw. 19. September 2016
Soweit die Klägerin geltend macht, sie habe in den Gebäuden WAT und ELZ nicht vor dem 5. (WAT) bzw. 19. September 2016 (ELZ) und somit nicht zu Beginn der in Ziff. 10 der Besonderen Vertragsbedingungen vorgesehenen Fristen bzw. nicht zu Vertragsbeginn mit ihren Arbeiten beginnen können, fehlt es bereits an einem Mitwirkungsverzug des Beklagten.

aa) Baufreiheit
Zwar gerät der Besteller grundsätzlich in Mitwirkungsverzug, wenn ein Bauvertrag Ausführungsfristen regelt und der Besteller dem Unternehmer das Baugrundstück zu Beginn der Frist nicht so zur Leistungserbringung bereit überlässt, wie es nach dem Vertrag hätte geschehen müssen (“baufrei”). Denn wenn ein Unternehmer durch eine vertragliche Ausführungsfrist gebunden ist, ist er zugleich berechtigt, diese Frist auszuschöpfen. Dazu ist er aber nur in der Lage, wenn ihm der Besteller das Grundstück bei Fristbeginn baufrei überlässt, was dem Besteller folglich als Mitwirkung im eigenen Interesse obliegt. Wann das Grundstück als ”baufrei” anzusehen ist, d.h. welche Behinderungen der Unternehmer ggf. hinzunehmen hat und welche nicht, richtet sich danach, wie die Kooperation der Vertragsparteien im konkreten Einzelfall durch den Bauvertrag ausgestaltet ist (BGH, Urteil vom 20. April 2017, VII ZR 194/13, BGHZ 214, 340, Rz. 18), das heißt, wie die Mitwirkungsschnittstelle (vgl. Retzlaff in: Kniffka, Bauvertragsrecht, 3. Auflage, 2018, § 642 BGB, Rz. 19 ff) zwischen den Vertragsparteien durch den Vertrag definiert ist.

bb) Modifizierte Fristen für WAT und ELZ
Im vorliegenden Fall oblag es dem Beklagten nicht, der Klägerin die Gebäude WAT und ELZ vor dem 5. bzw. 19. September 2016 baufrei zu überlassen. Die Parteien haben in dem streitgegenständlichen Bauvertrag keine Ausführungsfristen für die Gebäude WAT und ERZ wirksam vereinbart. Zwar regelt Ziff. 10 der Besonderen Vertragsbedingungen unter “2. Elternzentrum” und “3. WAT-Gebäude” solche Fristen, diese begannen aber im Fall von WAT am 20. Juni 2016 und im Fall von ERZ am 4. Juli 2016. Diese Regelung ist nicht Vertragsbestandteil geworden. Denn der Beklagte hat der Klägerin erst am 2. August 2016 den Auftrag erteilt, als der Fristbeginn schon seit mehreren Wochen verstrichen war. Der Vertrag ist deshalb so auszulegen, dass die Parteien ihn ohne die offenkundig nicht mehr einzuhaltenden Fristen für WAT und ERZ schlossen und er also insoweit eine Regelungslücke enthält, die entweder durch eine gesonderte Vereinbarung der Parteien, hilfsweise im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zu füllen ist (BGH, Urteil vom 26. April 2018, VII ZR 81/17, Rz. 16; Urteil vom 10. September 2009, VII ZR 152/08, Rz 24 f).

Danach haben sich die Parteien im vorliegenden Fall auf den 5. bzw. den 19. September 2016 als neuen Beginntermin für die Gebäude WAT und ELZ geeinigt. Die erste Baubesprechung nach Auftragserteilung fand am 22. August 2018 statt. Davor hat die Klägerin dem Beklagten ihre Leistungen nicht angeboten. Auf der Besprechung hat der Bauleiter des Beklagten, der hierfür im Zweifel bevollmächtigt war, der Klägerin zunächst den 5. September 2016 als Baubeginn für das Gebäude WAT mitgeteilt, später dann den 19. September 2016 als Baubeginn für das Gebäude ELZ. Da die Klägerin dem nicht widersprach, in beiden Gebäuden sodann an diesen Tagen mit der Arbeit begann und die Parteien keine abweichende Vereinbarungen vorgetragen haben, sind im Zweifel diese beiden Tage einvernehmlich als neue Beginntermine festgelegt.
Wenn der Vertreter des Bezirksamts N… im Auftragsschreiben vom 2. August 2016 die Klägerin durch das Ankreuzen eines Textbausteins zum Arbeitsbeginn “gemäß Ziff. 1.1 der Besonderen Vertragsbedingungen” aufforderte, kommt dem vor dem Hintergrund, dass die Beginntermine für WAT und ELZ bereits deutlich überschritten und damit erkennbar hinfällig geworden waren und sie außerdem auch nicht in Ziff. 1.1 der Besonderen Vertragsbedingungen geregelt waren, keine entscheidende Bedeutung zu.

b) Verlangsamte Bautätigkeit nach dem 5. bzw. 19. September 2016
Der Klägerin steht auch deshalb kein Anspruch aus § 642 BGB zu, weil sich der Beklagte nach dem Baubeginn in den Gebäuden WAT bzw. ELZ am 5. bzw. 19. September 2016 dort in Mitwirkungsverzug befunden hätte. Zwar deutet Einiges auf diese Möglichkeit hin. Denn nach den in Ziff. 10 der Besonderen Vertragsbedingungen ursprünglich vorgesehenen Fristen war für die Leistungen der Klägerin in diesen Gebäuden ein Zeitfenster von jeweils insgesamt 13 Kalenderwochen vorgesehen (WAT: vom 20. Juni bis zum 16. September 2016, ELZ: vom 4. Juli bis zum 30. September 2016 – jeweils ohne Berücksichtigung der Unterbrechungen). Ab dem neu vereinbarten Baubeginn am 5. bzw. 19. September 2016 war die Klägerin in beiden Gebäuden aber deutlich länger als 13 Kalenderwochen gebunden, nämlich bis zum Februar bzw. März des Jahres 2017.
Unerheblich ist insoweit, dass die Bautätigkeit der Klägerin in Gebäuden WAT und ELZ nach ihrem Beginn nicht zwangsläufig zu einem nicht geplanten vorübergehenden Stillstand gekommen sein muss, sondern möglicherweise nur langsamer voranschritt als vorgesehen. Denn auch wenn der Mitwirkungsverzug des Bestellers nicht zum Stillstand, sondern nur zur Verlangsamung der Arbeiten des Unternehmers führt, steht dem Unternehmer eine Entschädigung nach § 642 BGB zu, sofern er aufgrund dieser Verlangsamung seine Produktionsmittel länger vorhalten muss (KG, Urteil vom 16. Februar 2018, 21 U 24/18; Retzlaff in: Kniffka, Bauvertragsrecht, 3. Auflage, 2018, § 642 BGB, Rz. 49f, 63 ff).

Soweit von Althaus hiergegen vorgebracht wird, es sei “sehr zweifelhaft, ob eine eingeschränkte Baufreiheit, die lediglich ein Ausweichen in andere Baubereiche erfordert, einen Annahmeverzug begründen” könne (NZBau 2018, 646), geht dies am entscheidenden Punkt vorbei. Wenn ein Prozess verlangsamt ist, der Unternehmer aber “in andere Baubereiche” – also auf einen anderen Arbeitsprozess – ausweichen kann, liegt natürlich kein Annahmeverzug vor. Unter dem Schlagwort “Verlangsamung des Bauablaufs durch Mitwirkungsverzug” geht es aber um die Verlangsamung terminkritischer Abläufe, von denen der Unternehmer gerade nicht terminneutral “in andere Bereiche” überwechseln kann, sodass er seine Leistungsgeschwindigkeit notgedrungen drosseln muss. Weil damit die Leistungszeit zwangsläufig länger wird und der Unternehmer deshalb gezwungen sein kann (nicht: muss), seine Produktionsmittel länger vorzuhalten, ist er für solche Nachteile, sofern sie ihm aufgrund des verlangsamenden Mitwirkungsverzugs des Bestellers entstehen, von diesem zu entschädigen (vgl. Retzlaff in: Kniffka, Bauvertragsrecht, 3. Auflage, 2018, § 642 BGB, Rz. 82 ff). Richtig ist, dass solch ein annahmeverzugsbedingter Nachteil erst nach Ablauf der hypothetischen Dauer des gestörten Prozesses entsteht, allerdings irrt Althaus ebenfalls, wenn er meint, dass der Nachteil damit nicht während des Annahmeverzugs entstanden sei und deshalb aufgrund der Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 26. Oktober 2017, VII ZR 16/17) nicht entschädigt werden könne (NZBau 2018, 646). Tatsächlich dauert der Annahmeverzug so lange, wie der Besteller dem Unternehmer das Grundstück nicht in der Weise baufrei überlässt, wie es der Unternehmer nach dem Vertrag erwarten darf. Wenn der Unternehmer die verlangsamende Störung nicht einplanen musste, besteht der Verzug deshalb für die gesamte Dauer dieser Störung (also den gesamten verlangsamten ”Ist-Ablauf”), sodass grundsätzlich sämtliche Nachteile erstattungsfähig sind, die dem Unternehmer während des gestörten Prozesses entstehen.
Im vorliegenden Fall scheitert ein auf die Verlangsamung des Baugeschehens in den Gebäuden WAT und ELZ nach dem 5. bzw. 19. September 2016 gestützter Anspruch der Klägerin aber daran, dass sie weder dargelegt hat, welche konkreten Störungen aus der Mitwirkungssphäre des Beklagten es nach dem Baubeginn gegeben haben soll, noch dass die hiervon betroffenen Prozesse terminkritisch waren, für die Klägerin also keine Möglichkeit bestand, terminneutral auf die Abarbeitung eines ungestörten Prozesses auszuweichen. Nur dann kann die verlangsamende Störung beim Unternehmer zu erhöhten Vorhaltekosten geführt haben, das Faktum eines verlangsamten Bauablaufs allein genügt hierfür nicht.

3. Kein Anspruch der Klägerin aus § 642 BGB hinsichtlich des Gebäudes SCH
Auch wegen des Gebäudes SCH steht der Klägerin kein Anspruch aus § 642 BGB gegen den Beklagten zu.

a) Kein Baubeginn vor dem 2. Mai 2017
Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen den Beklagten, weil sie mit den beauftragten Arbeiten im Gebäude SCH erst am 2. Mai 2017 beginnen konnte.

aa) Mitwirkungsverzug insoweit gegeben
Allerdings befand sich der Beklagte insoweit vom 21. November 2016 bis mindestens zum 2. Mai 2017 in Mitwirkungsverzug. Insoweit beurteilt der Senat den Rechtsstreit anders als das Landgericht.

(1) Fortgeltung der Fristen für das Gebäude SCH
Es oblag dem Beklagten, der Klägerin das Gebäude SCH zum Beginn der vertraglichen Ausführungsfrist am 21. November 2016 baufrei zu überlassen (vgl. oben II.2.a) aa)). Dieser Termin sowie die sonstigen Einzelfristen unter Ziff. 10 der Besonderen Vertragsbedingungen (aufgeführt unter “1. Schulerweiterung”) haben für den streitgegenständlichen Vertrag Gültigkeit. Anders als bei den Fristen für die Gebäude WAT und ELZ war bei denjenigen für das Gebäude SCH bei Auftragserteilung am 2. August 2018 noch nicht der Beginntermin überschritten, vielmehr stand dieser erst mehr als drei Monate später an. Da der Fristenplan für SCH trotz der verzögerten Vergabe somit nominell noch einhaltbar war, ist er nicht ohne Weiteres obsolet geworden. Natürlich ist es möglich, dass der Fristenplan für SCH von denjenigen für die Gebäude WAT und ELZ in der Form abhängig ist, dass mit den Arbeiten in SCH zwangsläufig erst 9 bzw. 7 Wochen nach dem Ende von WAT bzw. ELZ begonnen werden kann (entsprechend dem zeitlichen Abstand zwischen dem 16. September bzw. 30. September und dem 21. November 2016, vgl. Ziff. 10 der Besonderen Vertragsbedingungen, Zeilen 1.a, 2.c und 3.c). Das bedeutete, dass der zeitliche Abstand zwischen WAT und ELZ einerseits und SCH andererseits terminkritisch wäre, also keine “Zeitpuffer” enthielte. Genau dies behauptet auch der Beklagte (vgl. z.B. Schriftsatz vom 7. Mai 2018, S. 6) und ist vom Landgericht der erstinstanzlichen Entscheidung zugrundegelegt worden. Allerdings bestreitet die Klägerin die Abhängigkeit der Fristen für SCH von denjenigen für WAT und ELZ (vgl. z.B. Berufungsbegründung S. 13). Da diese Abhängigkeit jedenfalls nicht zwingend ist, ist im Zweifel davon auszugehen, dass die nicht durch die Vergabeverzögerung überholten Fristen für SCH fortgalten und von der Klägerin beachtet werden mussten, um nicht in Verzug geraten, woraus im Gegenzug wiederum der Mitwirkungsverzug des Beklagten folgt, wenn er der Klägerin keine Baufreiheit zum Fristenbeginn ermöglicht.

Auf seine vom Landgericht abweichende rechtliche Bewertung musste der Senat den Beklagten aber nicht hinweisen, weil der Anspruch der Klägerin aus einem anderen Grund scheitert (dazu unten bb)).

(2) Mitwirkungsverzug des Beklagten
Der Beklagte befand sich somit vom 21. November 2016 bis (mindestens) zum 2. Mai 2017 in Mitwirkungsverzug, weil er der Klägerin das Gebäude SCH innerhalb der fortgeltenden vertraglichen Fristen (vgl. Ziff. 10 der Besonderen Vertragsbedingungen) und auch danach nicht baufrei überließ, vermutlich deshalb, weil die Vorgewerke nicht ausreichend vorangeschritten waren. Dies war für den Beklagten auch offenkundig (vgl. § 6 Abs. 1 VOB/B).

bb) Der Klägerin ist kein Nachteil entstanden
Gleichwohl steht der Klägerin kein Anspruch aus § 642 BGB gegen den Beklagten zu. Aus ihrem Vortrag ergibt sich nicht, dass ihr durch den Mitwirkungsverzug des Beklagten ein zu entschädigender Nachteil entstanden ist.

(1) Zeitbezogener Umsatzverlust aus dem Bauvertrag als Nachteil?
Die Klägerin beruft sich zur Begründung ihres Anspruchs aus § 642 BGB primär darauf, dass es ihr infolge des Mitwirkungsverzugs des Beklagten betreffend das Gebäude SCH nicht möglich gewesen sei, den hierauf entfallenden Anteil der vereinbarten Vergütung (rund 228.000,- € netto). innerhalb des vorgesehenen Zeitraums vom 21. November 2016 bis zum 7. April 2017 zu erwirtschaften. Somit belaufe sich ihr annahmeverzugsbedingter Nachteil auf den Umsatz, den sie andernfalls aus dem Vertrag im Zeitraum des Annahmeverzugs erwirtschaftet hätte, abzüglich der Aufwendungen, die sie dadurch erspart hat, dass sie ihre Leistungen tatsächlich nicht ausführen konnte. Diese Einsparungen beziffert die Klägerin mit rund 86.000,- € für nicht verwendetes Material und nicht verwendete Geräte, sodass sich eine Entschädigung von rund 142.000,- € errechnet. Davon zieht sie sodann anderweitigen Erwerb ab, der sich angeblich auf rund 8.000,- € belaufen soll (vgl. Klageschrift vom 18. Dezember 2017, S. 10 f sowie Berufungsbegründung vom 20. September 2018, S. 18).

Auf diese Weise lässt sich kein Entschädigungsanspruch aus § 642 BGB begründen. Denn auch wenn der Mitwirkungsverzug des Bestellers dazu führt, dass während seiner Dauer der Unternehmer die vertraglich vereinbarte Vergütung nicht oder nicht in der vorgesehenen Höhe erwirtschaften kann, ist dieser zeitbezogene Umsatzverlust kein nach § 642 BGB ersatzfähiger Nachteil.

(aa) Berechnung des zeitbezogenen Umsatzausfalls
Allerdings lässt sich die Entschädigungsfähigkeit des zeitbezogenen Umsatzausfalls nicht schon mit dem Argument ablehnen, der Unternehmer habe aufgrund des Mitwirkungsverzugs die Vergütung aus dem gestörten Vertrag nicht endgültig verloren, sondern erziele sie nur zeitlich verzögert.

Beispiel 1: Der Besteller B 1 beauftragt den Unternehmer U mit Bauleistungen zu einer Vergütung von 120.000,- € (im Folgenden auch kurz: 120 t €). Dieser Auftrag A 1 soll nach dem vertraglichen Terminplan während der Monate M 1 bis M 3 ausgeführt werden. Aufgrund des Mitwirkungsverzugs von B 1, kann U den Vertrag erst in den Monaten M 5 bis M 7 ausführen. U nimmt B 1 nun dafür aus § 642 BGB in Anspruch, dass er die vertragliche Vergütung nicht in den Monaten M 1 bis M 3 habe erwirtschaften können.

Dieses Beispiel zeigt: Dem Unternehmer ist der Umsatz aus A 1 nicht endgültig entgangen, er konnte ihn in den Monaten M 5 bis M 7 realisieren, dies war lediglich zeitversetzt. Allerdings ist dem Unternehmer endgültig die Möglichkeit genommen, die Vergütung im Zeitraum M 1 bis M 3 zu erwirtschaften. Die Nachholung des Umsatzes in M 5 bis M 7, ist aufgrund der begrenzten Produktionskapazitäten eines Unternehmers kein vollwertiger Ersatz, denn sie bindet diese Kräfte und nimmt ihm zugleich die Möglichkeit in M 5 bis M 7 Umsatz aus eventuellen anderen Aufträgen zu erzielen. Wenn ein Mitwirkungsverzug bezogen auf einen bestimmten Zeitraum (M 1 bis M 3) zu einer Umsatzeinbuße beim Unternehmer führt, dann spricht Vieles dafür, dass diese Einbuße in der Folgezeit zumindest nicht mehr vollständig ausgeglichen wird und im Vermögen des Unternehmers fortwirkt. Da dem Unternehmer zugleich im Zeitraum M 1 bis M 3 Kosten entstanden sind (wenngleich sie geringer waren, als wenn er den Auftrag A 1 in dieser Zeit ausgeführt hätte), spricht dies durchaus für die Entschädigungsfähigkeit des zeitbezogenen Umsatzausfalls nach § 642 BGB, wobei die ersparten Aufwendungen in Abzug zu bringen wären:

Beispiel 2: Im Beispiel 1 lässt sich die Vergütung von U wie folgt aufschlüsseln:
Arbeitskräfte:40 t €Material:40 t €Geräteeinsatz:20 t €Kosten gesamt:100 t €Zuschlag für allgemeine Geschäftskosten: 10 t €Gewinn:10 t €Vergütung gesamt:120 t €
Da der Unternehmer in M 1 bis M 3 nicht für den Auftrag gearbeitet und folglich kein Material verbraucht hat, müsste er sich die Materialkosten in Höhe von 40 t € abziehen lassen. Im Übrigen hätte er aber im Zweifel nichts erspart, sofern er seine Arbeiter und Geräte durchgängig in seinem Unternehmen vorhält und sie somit bezogen auf die Monate M 1 bis M 3 nicht variabilisiert sind (was allerdings der Fall wäre bei ad hoc angeworbenen Leiharbeitern oder Mietgeräten). Somit beliefe sich im Beispiel 2 die Entschädigung gemäß § 642 BGB für U auf 120 t € – 40 t € = 80 t €, wobei etwaiger anderweitiger Erwerb von U noch nicht berücksichtigt ist. Da U sodann im Zeitraum M 5 bis M 7 die Vergütung von 120 t € “regulär” als Gegenleistung für die beauftragten Leistungen erwirtschaftet hat, stünden ihm gegen B 1 aus dem Vertrag A 1 insgesamt Ansprüche in Höhe von 80 t € + 120 t € = 200 t € zu. Genau nach diesem Muster hat die Klägerin vorliegend ihre auf § 642 BGB gestützte Klageforderung berechnet, wobei sie sich zusätzlich noch geringe Gerätekosten und einen geringen anderweitigen Erwerb abziehen lässt.

(bb) Aber: Keine Entschädigungsfähigkeit
Trotz dieser Überlegungen ergibt aber eine genauere Betrachtung, dass ein Unternehmer aus § 642 BGB keine Entschädigung für einen zeitbezogenen Umsatzausfall beanspruchen kann, der ihm aufgrund des Mitwirkungsverzugs des Bestellers entstanden ist (vgl. hierzu auch Sienz, BauR 2014, 398).

(aaa) Rechtsprechung des BGH
Dies lässt sich nach der Auffassung des Senats bereits aus der Rechtsprechung des BGH, nämlich dem Urteil vom 26. Oktober 2017 (VII ZR 16/17) ableiten. Nach dieser Entscheidung gewährt § 642 BGB dem Unternehmer eine angemessene Entschädigung dafür, dass er seine Produktionsmittel zur Herstellung der Werkleistung während der Dauer des Annahmeverzugs des Bestellers bereithält. Der zeitbezogene Umsatzausfall würde zwar das zeitliche Begrenzungskriterium dieser Entscheidung einhalten, denn es handelt sich um einen Nachteil, der dem Unternehmer ebenfalls “während der Dauer des Annahmeverzugs” entstanden ist. Allerdings ist dieser Entscheidung noch ein zweites inhaltliches Begrenzungskriterium zu entnehmen, wonach der Unternehmer nach § 642 BGB nur für Nachteile zu entschädigen ist, die ihm durch den vergeblichen Vorhalt von Produktionsfaktoren während des Mitwirkungsverzugs des Bestellers entstehen. Dies spricht dafür, dass gemäß § 642 BGB nur Nachteile auszugleichen sind, die in der Erhöhung seiner Kosten liegen, nicht aber ausgebliebene Umsatzerlöse. Die Beschränkung des Anspruchs aus § 642 BGB ausschließlich auf Vorhaltekosten ergibt sich nach der Einschätzung des Senats schon daraus, dass der BGH sogar die Entschädigungsfähigkeit von Kostennachteilen verneint, die keine Vorhaltekosten sind, sondern Kostensteigerungen (vgl. BGH, Urteil vom 26. Oktober 2017, VII ZR 16/17). Damit muss die Entschädigungsfähigkeit von Umsatznachteilen erst recht ausgeschlossen sein. Hierfür spricht ferner die Bemerkung des BGH in dieser Entscheidung, wonach der “entgangene Gewinn” des Unternehmers nicht vom Anspruch aus § 642 BGB umfasst sei (vgl. BGH, Urteil vom 26. Oktober 2017,VII ZR 16/17, Rz. 45 e.E.), wobei aber auf der anderen Seite zu bemerken ist, dass sich entgangener Umsatz nicht in entgangenem Gewinn erschöpft: Entgeht dem Unternehmer die Vergütung aus dem Bauvertrag im Beispiel 2, so beläuft sich sein entgangener Umsatz auf 120 t €, sein entgangener Gewinn hingegen nur auf 10 t €.

(bbb) Interessengerechtigkeit
Die Ansicht, wonach der Ersatz von zeitbezogenen Umsatzausfällen nicht nach § 642 BGB zu entschädigen ist, ist auch interessengerecht.
Dies zeigt ein Vergleich des Werkvertrags mit dem Dienstvertrag. Bei beiden Vertragsformen will ein Leistungserbringer (einerseits Werkunternehmer, andererseits Dienstverpflichteter, z.B. Arbeitnehmer) durch den Einsatz von Produktionsfaktoren eine Vergütung erzielen. Beim Dienstvertrag sind die Produktionsfaktoren des Dienstverpflichteten – im Wesentlichen seine Arbeitskraft – typischerweise eng an den Vertrag gebunden, insbesondere wenn er sie zu vorgegebenen Zeiten bereithalten und einsetzen muss. Gerät der Leistungsempfänger zur Dienstzeit in Annahmeverzug (zum Beispiel: Werkschließung an drei Tagen aufgrund ausbleibender Zulieferungen) ist es deshalb gerechtfertigt, dass der sich bereithaltende Dienstverpflichtete die Vergütung weiter gezahlt bekommt, obgleich er wegen des Annahmeverzugs des Dienstberechtigten keine Dienste erbracht hat. Dieses Ergebnis leistet die Regelung des § 615 BGB, die nach der Systematik des BGB keine Anspruchsgrundlage ist, sondern “einwendungsvernichtende” Wirkung hat (vgl. Weidenkaff in: Palandt, BGB, 78. Auflage, 2019, § 615 BGB, Rz. 3 m.w.N.): Während sich der Dienstberechtigte gegenüber dem Vergütungsanspruch des Dienstverpflichteten für die drei Ausfalltage (§ 611 BGB) wegen des synallagmatischen Charakters des Dienstvertrags zunächst auf den Grundsatz “Kein Lohn ohne Arbeit” berufen kann (Einwendung), kann der Dienstverpflichtete wiederum § 615 BGB ins Feld führen, wonach ihm seine Vergütung für die Dauer des Annahmeverzugs des Dienstberechtigten erhalten bleibt, wenn er die Dienste aus diesem Grund nicht erbringen konnte. Dieses Ergebnis ist interessengerecht, wenn und soweit der Dienstverpflichtete aufgrund der vertragstypischen Pflicht, seine Arbeitskraft zu bestimmten Dienstzeiten bereitzuhalten, typischerweise keine Möglichkeit hat, mit diesem Produktionsfaktor anderweitig Umsatz zu erzielen, wenn der Vertragspartner in Annahmeverzug gerät.

Dieses Ergebnis würde auch im Rahmen des Werkvertrags gelten, wenn der zeitbezogene Umsatz als Nachteil im Rahmen des § 642 BGB ersatzfähig wäre. Beim Werkvertrag kann der Leistungserbringer (Unternehmer) seine Produktionsfaktoren (die Arbeitskraft des Unternehmers bzw. seiner Angestellten sowie Material und Geräte) aber in der Regel flexibler einsetzen als der Arbeitnehmer als typischer Leistungserbringer beim Dienstvertrag. Denn anders als im Regelfall ein Arbeitnehmer schuldet der Werkunternehmer dem Besteller nicht zwangsläufig den vollen Einsatz aller seiner Produktionsmittel zu bestimmten Dienstzeiten. Selbst wenn der Werkunternehmer sein Werk zu einem bestimmten Zeitpunkt fertigzustellen hat, ist er in der Regel nicht verpflichtet, sein Unternehmen durchgängig ausschließlich für einen Auftrag bereitzuhalten. Aus diesem Grund kann er – anders als ein durch Dienstzeiten gebundener Dienstverpflichteter – mehrere Werkverträge schließen, die er sodann nach Maßgabe des Einzelfalls zeitlich parallel abarbeiten kann.
Beispiel 3: Wie das obige Beispiel 1. B 1 befindet sich in M 1 bis M 3 durchgängig in Mitwirkungsverzug. Allerdings sind U in diesem Zeitraum von den weiteren Bestellern B 2 bis B 10 weitere Aufträge – A 2 bis A 10 – erteilt.

Dieser Fall belegt die unterschiedliche Situation von Werkunternehmer und Arbeitnehmer: Der Annahmeverzug von B 1 kann, muss aber nicht dazu führen, dass U während M 1 bis M 3 keinen Umsatz mit seinen Produktionsfaktoren erzielt. Vielmehr kann U, sobald er mit dem Annahmeverzug konfrontiert ist, auf die Abarbeitung eines anderen Auftrags aus seinem Bestand (A 2 bis A 10) überwechseln. Durch den Prozess des Überwechselns entsteht ein Zeitverlust, der länger oder kürzer sein kann: Ist U ein Schreiner, der an einem Möbelstück nicht weiterarbeiten kann, weil der Besteller notwendige Entscheidungen über die Gestaltung nicht trifft, geht es um die Zeit, die verstreicht, bis er das Möbelstück in der Werkstatt zur Seite geräumt und die Arbeit an einem anderen Auftrag aufgenommen hat. Ist U ein Bauunternehmer, geht es um die Zeit, die verstreicht, bis er nach Absprache mit einem seiner anderen Auftraggeber (B 2 bis B 10) auf einer der anderen Baustellen arbeiten kann. Die Produktionsfaktoren von U sind hier also nicht für den gesamten Annahmeverzug, sondern nur für die Dauer der Umschaltphase unproduktiv.

Die Umschaltphase kann im Einzelfall durchaus länger sein.

Beispiel 4: Wie Beispiel 3, allerdings hatte U Anlass, einen Teil seiner Produktionsfaktoren in den Monaten M 1 bis M 3 ausschließlich für A 1 einzuplanen. Aus diesem Grund hatte U für sämtliche anderen Aufträge seines Bestands (A 2 bis A 10) von vornherein und unwiderruflich Zeitfenster nach M 1 bis M 3 vereinbart. Als B 1 in Mitwirkungsverzug gerät, gelingt es U deshalb nicht, die für A 1 vorgesehenen Produktionsfaktoren innerhalb von M 1 bis M 3 auf einen anderen Auftrag umzusetzen.
Hier hat U keine Möglichkeit, mit seinen für A 1 bereitgehaltenen Produktionsmitteln innerhalb von M 1 bis M 3 anderweitigen Umsatz zu erzielen. Aufgrund der engen Bindung der Produktionsfaktoren an A 1 im Beispiel 4 ist der vollständige Umsatzverlust aus A 1 nun also doch eine Folge des Mitwirkungsverzugs von B 1.

Nach Einschätzung des Senats ist eine solche enge Bindung der Produktionsfaktoren anders als beim Dienstvertrag für den Werkvertrag aber nicht charakteristisch. Natürlich müssen Bauunternehmer häufig Fertigstellungstermine einhalten. Diese Termine können aber durchaus auch so angesetzt sein, dass der Unternehmer nicht alle für den Vertrag erforderlichen Produktionsmittel durchgängig auf der Baustelle einsetzen muss. Außerdem gibt es regelmäßig auch Werkverträge ohne strenge terminliche Bindung, die ebenfalls die Möglichkeit eröffnen, Leistungen vorzuziehen oder für kurze Zeit zu unterbrechen. Gerade auch im vorliegenden Fall hat sich im Verlauf des Rechtsstreits herausgestellt, dass die Klägerin durchaus die Möglichkeit hatte, während des Annahmeverzugs des Beklagten bei dem Gebäude SCH mit ihren Arbeitnehmern auf andere Verträge überzuwechseln (vgl. unten II.3.a) bb) (5) (c)).
Bei Werkverträgen, die keine Bauverträge sind, ist die Bindung der Produktionsmittel des Unternehmers an einen bestimmten Vertrag typischerweise noch weniger eng. Ein Bauvertrag zeichnet sich dadurch aus, dass der Unternehmer seine Leistungen primär oder sogar vollständig, auf einem fremden Grundstück erbringen muss und deshalb verstärkt von der Terminplanung des Bestellers und anderer Gewerke abhängig ist. Anders verhält es sich bei einem Unternehmer, der in seiner Werkstatt oder seinem Büro arbeiten kann, wie etwa ein Schneider, Schreiner, Schuster, ein Softwareentwickler oder ein planender Architekt. Einem solchen Unternehmer ist das Umschalten seiner Leistungen von einem gestörten Vertrag auf einen anderen Vertrag noch leichter möglich als einem Bauunternehmer. Dieser Aspekt ist deshalb bedeutsam, weil § 642 BGB, um dessen Auslegung es hier geht, keine spezifisch bauvertragliche Regelung ist, sondern zum allgemeinen Werkvertragsrecht gehört, das vom Gesetzgeber des BGB nicht mit Fokus auf das Bauvertragsrecht geschaffen worden ist.
Wenn es auch nicht der vollständige zeitbezogene Umsatz ist, entstehen einem Werkunternehmer durch den Annahmeverzug des Bestellers zweifellos Nachteile, weil er seine für den Vertrag benötigten Produktionsfaktoren wie bereits erwähnt zumindest für die Phase des Umschaltens der Leistungserbringung auf einen anderen Auftrag vergeblich vorhält. Für eben diese Vorhaltekosten erhält er aber auch eine Entschädigung nach § 642 BGB. Es ist lediglich nicht gerechtfertigt, dem Unternehmer unabhängig von der Darlegung konkreter Vorhaltekosten die zu seinen Gunsten stärker pauschalierte und somit in aller Regel deutlich höhere Entschädigung für Umsatznachteile zuzusprechen.

(ccc) Wortlaut von § 642 BGB
Die fehlende Entschädigungsfähigkeit des zeitbezogenen Umsatzausfalls ist auch mit dem Wortlaut von § 642 Abs. 2 BGB vereinbar.
Die Klägerin weist zutreffend darauf hin, dass die Entschädigungsfähigkeit des zeitbezogenen Umsatzausfalls zu einer Ermittlung der Anspruchshöhe wie bei der großen Kündigungsvergütung (nach §§ 649 bzw. 648a Abs. 5 S. 2 BGB a.F., zu dieser Terminologie vgl. KG, Urteil vom 15, Juni 2018, 21 U 140/17; Urteil vom 16. Februar 2018, 21 U 66/16) führt, mit der Besonderheit, dass nur die im Zeitraum des Annahmeverzugs bei Störungsfreiheit zu erwirtschaftende Vergütung betrachtet wird. Im obigen Beispiel 2 ermittelte sich so eine Entschädigung von 80 t €.

Ebenfalls zu Recht weist die Klägerin darauf hin, dass der Wortlaut von § 642 Abs. 2 BGB mit der Annahme einer solchen “zeitbezogenen großen Kündigungsvergütung” durchaus vereinbar ist. Eine solche Auslegung ist nach Meinung des Senats aber nicht zwingend. Gerade wegen der Verwendung der Wörter “einerseits… andererseits” kann § 642 Abs. 2 BGB auch so verstanden werden, dass hier lediglich die Parameter aufgezeigt werden, nach denen die Entschädigung des Unternehmers für vergeblich vorgehaltene Produktionsmittel zu bemessen ist. Zudem richtet sich auch die nach Auffassung des Senats mit § 642 Abs. 2 BGB angesprochene Entschädigung für Vorhaltekosten nach der “vereinbarten Vergütung” mit der Konsequenz, dass der Unternehmer Zuschläge auf seine Vorhaltekosten erhält, wenn diese vor dem Hintergrund der vereinbarten Vergütungshöhe darstellbar sind (vgl. BGH, Urteil vom 26. Oktober 2017, VII ZR 16/17, Rz. 45; KG, Urteil vom 10. Januar 2017, 21 U 14/16). Schließlich sind “Dauer des Annahmeverzugs”, “ersparte Aufwendungen” und “anderweitiger Erwerb des Unternehmers” auch für die Ermittlung annahmeverzugsbedingter Vorhaltekosten relevant (vgl. dazu unten II.3.a) bb) (5)).

(ddd) Zusammenfassung
Diese Überlegungen führen den Senat zu folgendem Ergebnis:
Der Annahmeverzugs des Werkbestellers führt beim Unternehmer im Regelfall nicht zwangsläufig zu einem Umsatzverlust, sondern nur zur Vorhaltekosten. Wegen des beträchtlichen Umfangs, den eine Entschädigung für einen zeitbezogenen Umsatzausfall erreichte – sie beliefe sich auf die zeitbezogene große Kündigungsvergütung – wäre es deshalb nicht interessengerecht, den Unternehmer nach § 642 BGB pauschalierend für einen Nachteil zu entschädigen, der ihm in dieser Form möglicherweise gar nicht entstanden ist. Vielmehr ist es ausreichend, wenn er nur für die Kosten entschädigt wird, die ihm für tatsächlich vergeblich vorgehaltene Produktionsfaktoren entstanden sind.
Somit kann die Klage keinen Erfolg haben, soweit die Klägerin mit ihr die Entschädigung für zeitbezogene Umsatznachteile geltend macht.

(2) Endgültiger Umsatzverlust aus dem gestörten Vertrag
Im Einzelfall kann es auch dazu kommen, dass einem Unternehmer aufgrund des Mitwirkungsverzugs des Bestellers der Umsatz aus dem gestörten Vertrag zumindest teilweise nicht nur vorübergehend, sondern endgültig entgeht, nämlich wenn er sich zu einer Vertragsbeendigung nach § 643 BGB mit der Vergütungsfolge des § 645 Abs. 1 BGB veranlasst sieht. Auch dann ist dieser Nachteil aber aus den Erwägungen unter (1) – möglicherweise auch aus weiteren Gesichtspunkten – ebenfalls nicht nach § 642 BGB ersatzfähig.

(3) Umsatzverlust aus einem anderen Vertrag
Beispiel 5: Wie Beispiel 1. U hätte in den Monaten M 5 bis M 7 den Auftrag A 2 annehmen und so einen Umsatz von 80 t € erwirtschaften können. Er musste aber A 2 ablehnen, weil er in M 5 bis M 7 die verschobenen Leistungen aus dem Vertrag A 1 nachholen musste.
In diesem Fall steht im Raum, dass U seine Entschädigung aus § 642 BGB mit dem endgültig und nicht nur zeitbezogen entgangenem Umsatz aus A 2 begründet. Dies kann aber schon deshalb keinen Erfolg haben, weil dieser Nachteil nach Wegfall des Annahmeverzugs entstanden und somit nicht nach § 642 BGB entschädigungsfähig ist (BGH, Urteil vom 26. Oktober 2017, VII ZR 16/17).
Die Klägerin hat ihre Klageforderung auch hilfsweise nicht mit einer solchen Begründung versehen.

(4) Zeitbezogene “AGK-Unterdeckung” bzw. Vorhalt des Gesamtunternehmens als Nachteil
Der Klägerin ist auch nicht in der Form ein Nachteil entstanden, dass sie während des Annahmeverzugs des Beklagten nicht die in der vereinbarten Vergütung enthaltenen Deckungsbeiträge für ihre allgemeinen Geschäftskosten (im Folgenden: AGK-Deckungsbeitrag) erwirtschaften konnte, obgleich sie sich für die Leistungserbringung bereit gehalten hat.

Beispiel 6: Der Besteller befindet sich während des gesamten Zeitraums der geplanten Vertragsdurchführung von M 1 bis M 3 in Annahmeverzug. Die Vergütung von U lässt sich wie folgt aufschlüsseln:
Arbeitskräfte:40 t €Material:40 t €Geräteeinsatz:20 t €Kosten gesamt:100 t €Zuschlag für allgemeine Geschäftskosten: 10 t €Gewinn:10 t €Vergütung gesamt:120 t €

U ist es in diesem Fall nicht möglich, während M 1 bis M 3 den AGK-Deckungsbeitrag von 10 t €, der in der Vergütung enthalten ist, zu erwirtschaften. Die Ersatzfähigkeit dieses Nachteils kann auf zwei Weisen begründet werden, nämlich indem man ihn entweder als Umsatz- oder als Kostenposition begreift.

(a) AGK-Deckungsbeitrag als Umsatzposition
Wird der AGK-Deckungsanteil als Umsatzposition angesehen, wäre er entschädigungsfähig, wenn der Umstand, dass der Unternehmer diesen Deckungsbeitrag während des Störungszeitraums M 1 bis M 3 nicht erwirtschaften konnte, einen entschädigungsfähigen Nachteil darstellt. Derartige zeitbezogene Umsatzausfälle sind aber aus den oben dargelegten Gründen (vgl. II.3.a) bb) (1)) nach Auffassung des Senats nicht nach § 642 BGB zu ersetzen. Dies gilt auch, wenn nicht der gesamte entgangene Umsatz, sondern nur ein Teilbetrag in Rede steht.

(b) AGK-Deckungsbeitrag als Kostenposition
Daneben erscheint es denkbar, den AGK-Deckungsbeitrag als Kostenposition aufzufassen: Der Unternehmer hat nach § 642 BGB Anspruch auf Entschädigung für die Kosten, die ihm durch den vergeblichen Vorhalt seiner Produktionsmittel im Annahmeverzug des Bestellers entstehen. Der AGK-Deckungsbeitrag könnte nun als Bewertung derjenigen Produktionsmittel des Unternehmers aufgefasst werden, die er in seinem allgemeinen Geschäftsbetrieb für den gestörten Vertrag vorgehalten hat und die ihm folglich zu entschädigen sind.

Auch diese Überlegung ist aber aus zwei Gründen nicht richtig: Nach Auffassung des Senats lässt sich nur bei Produktionsmitteln, deren Einsatz zu direkten Kosten der Bauleistung führt (also Einzelkosten der Teilleistungen und Baustellengemeinkosten) sinnvoll davon sprechen, dass sie für ein Bauvorhaben vorgehalten werden. Denn ein Produktionsmittel ist nur dann für einen Vertrag “vorgehalten”, wenn der Unternehmer es in einem bestimmten Zeitraum ausschließlich hierfür bereithält, sodass es nicht für andere Verträge eingesetzt werden kann. Hingegen hält ein Unternehmer seinen darüber hinausgehenden allgemeinen Geschäftsbetrieb niemals nur für ein Projekt vor, selbst wenn er in einem Zeitraum – im Beispiel 6: M 1 bis M 3 – nur auf einen einzigen Vertrag Leistungen erbringen sollte. Wenn nicht ohnehin zeitlich parallele Verträge abgearbeitet werden, dient der allgemeine Geschäftsbetrieb eines Unternehmers immer auch dazu, dass frühere Aufträge abgerechnet und neue akquiriert werden und somit die Fortsetzung des Unternehmens sichergestellt ist. Damit fehlt es an einem Vorhalten des allgemeinen Geschäftsbetriebs in Bezug auf einen konkreten gestörten Vertrag.

Daneben spricht gegen die Entschädigungsfähigkeit des AGK-Deckungsbeitrags als Kostenposition, dass an seiner Höhe nicht abgelesen, also insbesondere nicht durch den Besteller überprüft werden kann, in welchem Umfang der Unternehmer Produktionsmittel seines allgemeinen Geschäftsbetriebs im Annahmeverzug des Bestellers vorgehalten hat. Da er zu dem Teil der Vergütung gehört, der nicht zur Deckung der direkten Kosten des Bauvorhabens benötigt wird, hängt seine Höhe keinesfalls nur von der Kostenstruktur des Unternehmers, sondern auch von der Verhandlungssituation bei Vertragsschluss ab, also davon, inwieweit es dem Unternehmer gelungen ist, eine Vergütung auszuhandeln, die den zur Deckung seiner tatsächlichen direkten Kosten benötigten Betrag übersteigt (vgl. Sienz, BauR 2014, 399).

Damit ist der zeitbezogene AGK-Deckungsbeitrag aus der Gesamtvergütung des Unternehmers kein nach § 642 BGB erstattungsfähiger Nachteil. Dies ist von dem Umstand zu unterscheiden, dass, wenn ein Unternehmer Produktionsmittel aufgrund des Annahmeverzugs des Bestellers vergeblich vorhält, bei der Ermittlung seiner Entschädigung nach § 642 BGB ein Zuschlag für Allgemeine Geschäftskosten und Gewinn vorzunehmen ist, sofern ein solcher in der vereinbarten Vergütung darstellbar ist (vgl. BGH, Urteil vom 26. Oktober 2017, VII ZR 16/17, Rz. 45; KG, Urteil vom 10. Januar 2017, 21 U 14/16).
Beispiel 7: Im obigen Beispiel 6 belaufen sich die direkten Kosten des Unternehmers auf 100 t €, die Vergütung auf 120 t €, sodass sich bezogen auf die Kosten ein Zuschlagsfaktor von 1,2 ergibt (vgl. hierzu KG, Urteil vom 10. Juli 2018, 21 U 30/17). Im Annahmeverzug von B hält U vergeblich diverse Maschinen auf der Baustelle vor, wodurch ihm Vorhaltekosten von 5 t € entstehen.

Wegen des Vorhalts der Maschinen steht U eine Entschädigung nach § 642 BGB zu. Diese beläuft sich auf 5 t € x 1,2 = 6 t € BGH, Urteil vom 26. Oktober 2017, VII ZR 16/17, Rz. 45; KG, Urteil vom 10. Januar 2017, 21 U 14/16). Der Unternehmer erhält also auf seine Vorhaltekosten einen Zuschlag von absolut 1.000,- €. Da sich der Unternehmerzuschlag im Beispiel je zur Hälfte auf Gewinn und AGK-Deckung aufteilt, wäre er also in Höhe von 500,- €, als AGK-Deckungsbeitrag “deklariert”. Dieser AGK-Deckungsbeitrag resultiert aber nur aus dem Umstand, dass sich die Entschädigung des Unternehmers für vergeblich vorgehaltene Produktionsmittel nach der Höhe der vereinbarten Vergütung richtet und darin enthaltene Zuschläge folglich fortzuschreiben sind (BGH, Urteil vom 26. Oktober 2017, VII ZR 16/17, Rz. 45; KG, Urteil vom 10. Januar 2017, 21 U 14/16). Dies ist eine Folge der Vergütungsähnlichkeit des Anspruchs aus § 642 BGB. Der AGK-Zuschlag ist im Anspruch aus § 642 BGB nur “akzessorisch” als Zuschlag auf einen entschädigungsfähigen Nachteil enthalten. Demgegenüber ist der vergeblich vorgehaltene allgemeine Geschäftsbetrieb insgesamt bzw. ein Umsatzanteil in Höhe des vollen zeitbezogenen AGK-Deckungsbeitrags nicht selbst als Nachteil entschädigungsfähig.

Das Beispiel 7 zeigt die Auswirkung dieser Unterscheidung: Wäre der AGK-Deckungsbeitrag als solcher entschädigungsfähig, so ist die Bemessungsgrundlage zu seiner Berechnung die im Störungszeitraum insgesamt nicht erwirtschaftete Vergütung bzw. die hypothetisch insgesamt angefallenen Kosten. Im Beispiel 6 (Störungszeitraum M 1 bis M 3) ergäbe sich so eine “AGK-Entschädigung” von 10.000,- €. Ist der AGK-Deckungsbeitrag hingegen nur im Zuge der Preisfortschreibung als Teil des Zuschlags auf die zu entschädigenden Vorhaltekosten anzusetzen, sind nur diese Vorhaltekosten, also ein geringerer Betrag die Bemessungsgrundlage. Im Beispiel 7 ermittelt sich deshalb nur eine “AGK-Entschädigung” von 500,- €.

Ein Nebeneffekt dieses Befundes ist, dass sowohl bei der Preisfortschreibung nach § 2 Abs. 5 bis 7 VOB/B (hierzu vgl. KG, Urteil vom 10. Juli 2018, 21 U 30/17) als auch bei der Ermittlung der Entschädigung nach § 642 BGB zwischen AGK-Deckungsbeitrag und Gewinn generell nicht unterschieden werden muss. Zur Ermittlung des in der Vergütung enthaltenen Zuschlags müssen lediglich diejenigen Preisbestandteile isoliert werden, die zur Deckung der tatsächlichen direkten Kosten des Vertrages erforderlich sind. Der Rest ist Zuschlag (in den Beispielen 6 und 7 in Höhe von 20 t €). Inwieweit dieser Zuschlag als AGK-Deckungsbeitrag und / oder Gewinn bezeichnet wird, ist unerheblich.

(5) Vorhalt von Arbeitskräften als Nachteil
Der Klageanspruch kann nicht – auch nicht teilweise – darauf gestützt werden, dass die Klägerin während des Annahmeverzugs des Beklagten vergeblich Arbeitskräfte vorgehalten hätte. Zwar macht die Klägerin dies hilfsweise mit ihrer Klage geltend, aus ihrem Vortrag ergibt sich aber nicht, dass ihr ein solcher Nachteil tatsächlich entstanden ist.

(a) Wann sind Arbeitskräfte vorgehalten?
Hält ein Unternehmer im Annahmeverzug des Bestellers vergeblich Produktionsmittel vor, so steht ihm für diesen Nachteil eine Entschädigung nach § 642 BGB zu (BGH, Urteil vom 26. Oktober 2017, VII ZR 16/17 m.w.N.). Allerdings sind Produktionsmittel nur dann für einen Vertrag vorgehalten, wenn der Unternehmer sie in einem bestimmten Zeitraum ausschließlich für diesen bereithält, sodass sie in Folge des Annahmeverzugs brachliegen. Kann der Unternehmer hingegen die Produktionsmittel, die er für einen Auftrag A 1 benötigt, bei dem der Besteller in Mitwirkungsverzug gerät, für einen anderen Auftrag A 2 einsetzen, sind sie grundsätzlich nicht für A 1 vorgehalten (vgl. zum Vorhalt des allgemeinen Geschäftsbetriebs des Unternehmers insgesamt oben II.3.a) bb)(4)(b)).

Es kann durchaus dazu kommen, dass ein Unternehmer seine Arbeitskräfte im Mitwirkungsverzug des Bestellers für diesen vorhält. Allerdings ist der Vorhalt von Arbeitskräften naturgemäß schwieriger darzulegen als der Vorhalt von Geräten oder der Baustelleneinrichtung. Wenn Geräte oder die Baustelleneinrichtung im Annahmeverzug nutzlos vorgehalten werden, dann ist das typischerweise auf der Baustelle offen zu erkennen, indem sie dort ungenutzt vorhanden sind. Arbeitskräfte sind demgegenüber mobiler als zum Beispiel eine aufwändig errichtete Baustelleneinrichtung, ein Gerüst oder ein Kran und können vom Unternehmer deshalb auch leichter von einer Baustelle abgezogen werden. Kann der Unternehmer sie nicht anderweitig einsetzen, sind sie weiter für den Besteller vorgehalten. Kann der Unternehmer sie aber auf einer anderen Baustelle einsetzen, endet aber der Vorhalt und somit der zu entschädigende Nachteil, ohne dass dies für den Besteller erkennbar wäre.

Die Problematik des annahmeverzugsbedingten Vorhalts von Arbeitskräften lässt sich durch die folgenden typisierenden Beispielsfälle näher erläutern:
Beispiel 8: B 1 hat den Unternehmer U mit dem Vertrag A 1 mit Bauleistungen beauftragt. U soll ab dem 1. Juni mit den Arbeiten beginnen. Parallel ist U von den Bestellern B 2 bis B 10 mit den weiteren Aufträgen A 2 bis A 10 beauftragt, deren Abarbeitung U aber erst im Anschluss an A 1 eingetaktet hat. Als U am 1. Juni mit seinen Mitarbeitern auf der Baustelle A 1 erscheint, teilt B 1 ihm mit, er könne heute wegen des Verzugs eines Vorgewerks noch nicht anfangen, solle sich aber bereithalten und am Folgetag mit den Arbeiten beginnen. U erscheint sodann am 2. Juni wieder mit seinen Arbeitskräften. B vertröstet ihn erneut auf den Folgetag. So geht es jeden Arbeitstag bis zum 1. Juli, dann kann U mit den Arbeiten beginnen.

Hier befindet sich B 1 den gesamten Juni hindurch in Annahmeverzug. Da U gezwungen war, sich währenddessen durchgängig bereit zu halten, hat er seine für A 1 benötigten Arbeitskräfte im Zweifel durchgängig für B 1 bereitgehalten, sodass dieser ihn hierfür gemäß § 642 BGB entschädigen muss.
Beispiel 9: Wie Beispiel 8. Allerdings teilt B 1 dem U bereits am 1. Juni mit, dass er wegen des Verzugs des Vorgewerks erst in einem Monat mit den Arbeiten beginnen könne. U und seine Arbeiter verlassen die Baustelle. U gelingt es nicht, durch Absprache mit den B 2 bis B 10 seine Leistungen für die Verträge A 2 bis A 10 in den Juni vorzuziehen. U kann seine Mitarbeiter im Juni deshalb nicht anderweitig einsetzen.

In diesem Fall verhält es sich genauso wie im Beispiel 8. Zwar hat B 1 den U nicht von Tag zu Tag hingehalten, sondern zu Beginn des Annahmeverzugs dessen Dauer klar mitgeteilt. Da U die Taktung seiner Aufträge aber nicht mehr anpassen konnte, war er dennoch gezwungen, seine für A 1 benötigten Arbeitskräfte im Juni durchgängig für B 1 vorzuhalten, was dieser nach § 642 BGB zu entschädigen hat.

Beispiel 10: Wie Beispiel 8. B 1 verschiebt Us Einsatz bereits am 1. Juni auf den Folgemonat. Allerdings gelingt es U, nach Absprache mit B 2 ab dem 4. Juni mit den Arbeiten aus dem Vertrag A 2 zu beginnen. U kann seine Arbeiter deshalb vom 4. bis zum 30. Juni auf der Baustelle von A 2 einsetzen.
Hier ist es anders: Von dem Tag an, an dem U seine für A 1 benötigten Mitarbeiter für A 2 einsetzen kann, hält er sie nicht mehr für A 1 vor. Vergeblich vorgehalten waren sie nur in der Umschaltphase also bis einschließlich zum 3. Juni. U kann von B 1 deshalb nur für diese drei Tage eine Entschädigung beanspruchen.

Beispiel 11: Wie Beispiel 8. U hat insgesamt zwölf Arbeitskräfte. Er hatte von vornherein geplant, im Juni die Aufträge A 1 und A 2 parallel abzuarbeiten und hatte dort jeweils sechs Arbeitskräfte eingeplant. Nachdem B 1 in Mitwirkungsverzug gerät, setzt U die für A 1 eingeplanten sechs Arbeitskräfte im Juni ebenfalls für A 2 ein, sodass diese Baustelle nun durchgängig mit zwölf Personen besetzt ist. Da die Baustelle von A 2 nicht ausreichend groß ist, ist die Produktivität einer einzelnen Arbeitskraft dort jetzt geringer, als wenn die 12 Personen nebeneinander auf A 1 und A 2 eingesetzt wären.
Der Senat meint, dass dieser Fall wie das Beispiel 10 zu lösen ist. Ein Produktionsmittel ist nur dann im Sinne von § 642 BGB bzw. der Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 26. Oktober 2017, VII ZR 16/17) “vorgehalten”, wenn der Unternehmer es ausschließlich für einen bestimmten Auftrag bereithält, sodass er anderweitige Umsatzmöglichkeiten verliert. Das ist im Beispiel 11 von dem Tag an nicht mehr der Fall, in dem U die für A 1 benötigten Arbeitskräfte für A 2 einsetzt. Die geringere Produktivität im Einsatz für A 2 aufgrund der dort nun zu hohen Mitarbeiterzahl ändert nichts daran, dass die “Vorhaltebeziehung” der sechs Arbeitskräfte zu A 1 gelöst ist. Natürlich ist es einem Unternehmer zuzubilligen, dass er den Mitwirkungsverzug eines Bestellers dazu nutzt, auf einer anderen Baustelle die Leistungsgeschwindigkeit zu erhöhen, aber dies geschieht eben um den Preis der Entschädigung für den Vorhalt der umgesetzten Arbeitnehmer. Diese beiden Effekte muss der Unternehmer miteinander abwägen. Würde im Beispiel 11 die Baustelle A 2 nur noch zwei zusätzliche Arbeitskräfte ohne Produktivitätsabfall vertragen, während es für weitere zusätzliche Kräfte “nicht mehr genug zu tun gibt”, dann sollte der Unternehmer nur zwei von A 1 umsetzen und die restlichen vier weiter für B 1 vorhalten, um – wie im Beispiel 9 – hierfür entschädigt werden zu können.

(b) Unternehmer muss das Fehlen von anderweitigem Erwerb darlegen und beweisen

Diese Beispiele zeigen:
Der Mitwirkungsverzug des Bestellers führt nicht automatisch dazu, dass der Unternehmer seine Arbeitskräfte in der gesamten Dauer dieses Verzugs vergeblich vorhält. Dies kann so sein (Beispiele 8 und 9), stattdessen ist es aber auch möglich, dass der Unternehmer die Arbeitskräfte nur für die Dauer der notwendigen Umschaltphase bereithält oder dass er nur einige seiner Arbeitskräfte vorhalten muss, während andere umgesetzt werden können. Da es der Unternehmer ist, der eine Entschädigung aus § 642 BGB beansprucht, hat er im Einzelnen darzulegen und zu beweisen, in welchem Umfang er in Folge des Mitwirkungsverzugs des Bestellers seine Arbeitskräfte vergeblich vorgehalten hat. Da eine Arbeitskraft nur dann für einen Auftrag vorgehalten ist, wenn der Unternehmer nicht durch anderweitigen Einsatz mit ihr Umsatz erzielt, gehört zur Darlegung des Vorhalts einer Arbeitskraft, dass der Unternehmer im fraglichen Zeitraum mit ihr keinen anderweitigen Erwerb erzielen konnte. Während der anderweitige Erwerb bei den Ansprüchen eines Leistungserbringers aus § 611, 615 oder aus § 649 BGB a.F. nicht zur Anspruchsbegründung gehört, sondern eine Einwendung des Leistungsempfängers darstellt (mit der prozessualen Erleichterung des § 138 Abs. 4 ZPO), ist sein Fehlen im Rahmen von § 642 BGB also eine anspruchsbegründende Voraussetzung. Dies ergibt sich aus der dargelegten Systematik und der Bedeutung des zentralen Begriffs der Vorhaltekosten. Im Übrigen ist diese Ansicht auch keineswegs unbillig, denn es ist der Unternehmer, der am besten in der Lage ist, zu dem anderweitigen Erwerb für seine Produktionsmittel vorzutragen.

Eine besonders aufwändige Darlegung ist dazu nicht erforderlich. Vielmehr genügt eine tabellarische Aufstellung über die einzelnen Mitarbeiter des Unternehmers und die Zeiträume, in denen es aufgrund des Mitwirkungsverzugs des Bestellers für sie keine Einsatzmöglichkeit gab (wobei ein Unternehmer bei einem längeren Mitwirkungsverzug keinen Anlass zum zeitlich unbegrenzten Vorhalt seiner Produktionsmittel hat, vgl. KG, Urteil vom 16. Februar 2018, 21 U 66/16, Rz. 131 f).

Diese Sichtweise deckt sich mit den Ausführungen des Senats im Urteil vom 10. Januar 2017 (21 U 14/16, Rz. 86). Dort hat der Senat ausgeführt, dass für die Begründung eines Anspruchs aus § 642 BGB nicht immer eine “bauablaufbezogene Darstellung” erforderlich ist. Entscheidend ist vielmehr, auf was für einen entschädigungsfähigen Nachteil der Unternehmer seinen Anspruch aus § 642 BGB stützt, dadurch werden die Anforderungen an die Darlegung des Anspruchs vorgegeben. Wenn der Nachteil im vergeblichen Vorhalt von Arbeitskräften liegen soll, dann muss der Unternehmer also diesen vergeblichen Vorhalt darlegen. Dazu gehört, dass er die betroffenen Arbeitskräfte nicht anderweitig einsetzen konnte, weil sie nur dann für den in seinem Ablauf gestörten Vertrag bereit gehalten sind.

(c) Keine Darlegung des Vorhalts von Arbeitskräften durch die Klägerin
Aus dem Vortrag der Klägerin ergibt sich nicht, ob und in welchem Umfang sie infolge des Mitwirkungsverzugs des Beklagten beim Gebäude SCH zum vergeblichen Vorhalt von Arbeitskräften gezwungen war. Der Senat muss den Schriftsatz der Klägerin vom 20. Dezember 2018 hierbei eigentlich nicht berücksichtigen, denn er hatte sie bereits mit Schreiben vom 4. Oktober 2018, also zwei Monate vor dem Termin darauf hingewiesen, dass ihr die Darlegungs- und Beweislast für die fehlende alternative Einsatzmöglichkeit ihrer Produktionsmittel zufallen und sie bislang keinen ausreichenden Vortrag geliefert haben könnte. Nachdem dies auch im Termin noch nicht geschehen war, musste der Klägerin kein weiterer Schriftsatznachlass gewährt werden, um nochmals zu dieser Thematik vortragen zu können.

Allerdings kann dies letztlich dahinstehen. Denn auch dem Schriftsatz der Klägerin vom 20. Dezember 2018 kann nicht klar entnommen werden, welche ihrer Arbeitskräfte sie im Zeitraum zwischen dem 21. November 2016 und dem 2. Mai 2017 vergeblich für das Bauvorhaben des Beklagten vorgehalten haben will. Dazu müsste sie mitteilen, welche Arbeitskräfte sie in der vorgesehenen Zeit ab dem 21. November 2016 auf der Baustelle für das Gebäude SCH eingeplant hätte und welche sie infolge der fehlenden Baufreiheit sodann nicht anderweitig einsetzen konnte und also vergeblich bereitgehalten hat.
Das ist nicht geschehen. Vielmehr behauptet die Klägerin nur abstrakt, ihre Arbeitskräfte für den Beklagten vorgehalten zu haben (vgl. z.B. Schriftsatz vom 21. Juni 2018, S. 6), es fehlt aber an einer Darlegung, aus der Einsatz und Beschäftigungslosigkeit ihrer Mitarbeiter im betreffenden Zeitraum hervorgeht.
Vielmehr ergibt sich umgekehrt bereits aus dem eigenen Vorbringen der Klägerin, dass ihre Behauptung eines durchgängigen Vorhalts ihrer Arbeitskräfte während der Ausführungsfristen für das Gebäude SCH unzutreffend ist. Sie trägt selbst vor, ihre hierfür bestimmten Arbeitskräfte während des Annahmeverzugs des Beklagten, in folgender Weise anderweitig beschäftigt zu haben:

Im Gebäude ELZ (vgl. Klageschrift S. 4, Berufungsbegründung S. 3 f), bei dem die im streitgegenständlichen Vertragsformular vorgesehenen Ausführungsfristen hinfällig geworden waren (vgl. oben II.2.a)bb)),

auf dem Bauvorhaben M… Straße 7 (vgl. Schriftsatz der Klägerin vom 20. Dezember 2018, S. 7 und 9),

auf dem Bauvorhaben L… straße 44 (Schriftsatz der Klägerin vom 20. Dezember 2018, S. 8) sowie

auf dem Bauvorhaben B… Straße 3 (Schriftsatz der Klägerin vom 20. Dezember 2018, S. 11).
Dass es neben diesen anderweitigen Einsatzmöglichkeiten auch “Leerlauf” für die Arbeitskräfte der Klägerin gegeben haben dürfte, ist als abstrakter Befund unerheblich. Die Klägerin muss den konkreten Umfang dieses “Leerlaufs” bzw. des fehlenden anderweitigen Erwerbs bezogen auf die jeweiligen Arbeitskräfte vorzutragen, denn exakt darin liegt der Vorhalt von Produktionsmitteln, für den sie Entschädigung begehrt. Die Ungewissheit über den genauen Umfang muss sich folglich zu Lasten der Klägerin auswirken. Auf den Vortrag des Beklagten, wonach die Klägerin ihre Arbeitskräfte neben den genannten Baustellen auch noch auf weiteren eingesetzt haben soll (Schriftsatz des Beklagten vom 30. November 2018), kommt es deshalb nicht mehr an. Ebensowenig kommt eine Beweisaufnahme in Betracht, wobei allerdings das von der Klägerin angebotene Sachverständigengutachten (Schriftsatz vom 20. Dezember 2018, S. 5) kein geeignetes Beweismittel wäre. Wenn die Klägerin ihre Arbeitskräfte vergeblich vorgehalten haben will, diese also aufgrund einer Störung keine Beschäftigung hatten, dann müssen hierfür Zeugen benannt werden, die diese Beschäftigungslosigkeit bestätigen können, wofür insbesondere die betroffenen Mitarbeiter selbst in Betracht kommen.

b) Verlangsamte Bautätigkeit im Gebäude SCH nach dem 2. Mai 2017
Auch insoweit steht der Klägerin kein Anspruch gegen den Beklagten aus § 642 BGB zu. Zwar war die Bautätigkeit der Klägerin in diesem Bereich offensichtlich verlangsamt, da ihre Arbeiten zum Zeitpunkt des Termins vor dem Senat noch nicht abgeschlossen waren und also bereits jetzt deutlich länger dauerten als mit den vertraglichen Ausführungsfristen vorgesehen. Die Klägerin hat mit ihrer Klage aber keine Störungen aus dem Zeitraum nach dem 2. Mai 2017 geltend gemacht und weder dargelegt, inwieweit diese Verlangsamung auf den Mitwirkungsverzug des Beklagten zurückgeht noch wie ihr dadurch entschädigungsfähige Nachteile entstanden sein könnten.

II. Kein Anspruch aus § 304 BGB
Der Klageanspruch ergibt sich hinsichtlich aller drei Gebäude auch nicht aus § 304 BGB.
Gerät eine Vertragspartei in Annahmeverzug kann die Gegenseite nach dieser Norm Ersatz der Mehraufwendungen verlangen, die sie für das erfolglose Angebot der Leistung und für Aufbewahrung und Erhaltung des geschuldeten Gegenstands machen musste. Diese Vorschrift hat allerdings einen recht engen Anwendungsbereich (vgl. BGH, Urteil vom 26. Oktober 2017, VII ZR 16/17, Rz. 31, Retzlaff in: Kniffka, Bauvertragsrecht, 3. Auflage, 2018, § 642 BGB, Rz. 152) und regelt im Wesentlichen den Ersatz für Lager- und Sicherungskosten, nicht aber die im vorliegenden Fall in Rede stehenden Vorhaltekosten, geschweige denn, dass sich aus ihr ein Ersatz für annahmeverzugsbedingte Umsatzverluste herleiten ließe.

III. Kein Anspruch aus § 2 Abs. 5 VOB/B
Der Klageanspruch ergibt sich auch nicht aus § 2 Abs. 5 VOB/B

1. Leistungsänderung gemäß § 2 Abs. 5 VOB/B
Allerdings hat der Beklagte die Leistung der Klägerin im Sinne von § 2 Abs. 5 VOB/B geändert.

a) Vereinbarung der VOB/B
Die Parteien haben die Geltung der VOB/B für den streitgegenständlichen Bauvertrag vereinbart.

b) Verzugsmitteilung des Beklagten
Es kann zu Gunsten der Klägerin unterstellt werden, dass der Beklagte ihr mitgeteilt hat, sie könne die Arbeiten im Gebäude SCH nicht innerhalb der vereinbarten Vertragsfrist ab dem 21. November 2016, sondern erst später ausführen. Selbst wenn sich eine solche “Verzugsmitteilung” nicht eindeutig aus dem Parteivorbringen ergeben sollte, ist diese Annahme jedenfalls naheliegend.

c) Verzugsmitteilung ist in der Regel Leistungsänderung
Teilt der Besteller eines VOB/B-Vertrags dem Unternehmer mit, er könne nicht wie vorgesehen, sondern erst zu einer späteren Zeit auf der Baustelle arbeiten, liegt in dieser Verzugsmitteilung, mit der der Besteller dem Unternehmer seinen Mitwirkungsverzug anzeigt, in aller Regel eine Leistungsänderung nach § 2 Abs. 5 VOB/B.

Soweit dem Senat bekannt hat sich der BGH zu dieser Rechtsfrage noch nicht klar positioniert. Zuletzt hat er angemerkt, allein die Störung des Vertrags wegen der Verzögerung der Bauausführung könne nicht als Anordnung einer Leistungsänderung gemäß § 2 Abs. 5 oder Abs. 6 VOB/B gewertet werden (BGH, Urteil vom 26. Oktober 2017, VII ZR 16/17, Rz. 40). Dies mag als Andeutung verstanden werden, dass der BGH auch die Verzugsmitteilung nicht als Leistungsänderung verstanden wissen will. Andererseits hat auch der BGH einem Unternehmer bei einer verzögerten Vergabeentscheidung einen Mehrvergütungsanspruch in entsprechender Anwendung von § 2 Abs. 5 VOB/B zugesprochen, was wiederum belegt, dass nach seiner Rechtsprechung verzögerungsbedingte Nachteile des Unternehmers jedenfalls im Grundsatz nach § 2 Abs. 5 VOB/B vergütungsfähig sind.

Im Übrigen ist in Rechtsprechung und Literatur allerdings anerkannt, dass die Verzugsmitteilung eines Bestellers an den Unternehmer eine Leistungsänderung nach § 2 Abs. 5 VOB/B sein kann (vgl. KG, Urteil vom 10. Januar 2017, 21 U 14/16; OLG München, Urteil vom 27. April 2016, 28 U 4738/13; OLG Dresden, Urteil vom 9. Januar 2013, 1 U 1554/09; OLG Hamm, Urteil vom 12. April 2011, 24 U 29/09; OLG Celle, Urteil vom 22. Juli 2009, 14 U 166/08; Kniffka/Koeble, Kompendium, 5. Teil Rn. 112; Keldungs in: Ingenstau/Korbion, VOB, §1 Abs. 3 VOB/B, Rdn. 7; a.A. z.B. Markus in Kapellmann/Messerschmidt, VOB, 6. Auflage, § 6 VOB/B, Rz. 59).

Diese Ansicht ist auch überzeugend. Zwar ist ein Bauvertrag kein Fixgeschäft, das Interesse des Bestellers an einer Bauleistung steht und fällt also nicht mit dem Zeitpunkt der Bauleistung, auch wenn der Faktor Zeit für beide Parteien eines Bauvertrags von großer Bedeutung ist. Dieser Umstand spricht dafür, “Leistungsänderungen” des Bauvertrags nur auf das inhaltliche Bausoll zu beziehen, also auf die vom Unternehmer zu erbringenden Leistungen, nicht hingegen den Zeitpunkt der Leistung. Auf der anderen Seite sind inhaltliche und zeitliche Anordnungen im Baugeschehen häufig nicht klar zu unterscheiden. So kann etwa die Änderung einer vorgesehenen Herstellungsweise den am Ende geschuldeten Werkerfolg unberührt lassen und sich im Wesentlichen auf die Wirkung beschränken, dass der Unternehmer arbeitsintensiver vorgehen muss, also mehr Zeit aufwenden muss. Auch der Wortlaut von § 2 Abs. 5 VOB/B lässt Raum, Störungsmitteilungen als Leistungsänderung zu verstehen, denn er erwähnt neben der “Änderung des Bauentwurfs” explizit auch “andere Anordnungen” des Auftraggebers, die solche Modifikationen, die über das inhaltliche Bausoll hinausgehen, ohne Weiteres erfassen können.

aa) Verzugsmitteilung als Leistungsänderung erweitert die Rechte des Unternehmers
Insbesondere ist zu beachten: Wenn eine Störungsmitteilung des Bestellers an den Unternehmer zugleich eine Leistungsänderung des Bestellers ist, dann führt dieser Befund nicht zu einer Ausweitung der Befugnisse des Bestellers, sondern umgekehrt zu einer Ausweitung der Rechte des Unternehmers. Dass der Unternehmer nicht wie vorgesehen bauen kann, steht aufgrund des Mitwirkungsverzugs des Bestellers ohnehin schon fest, die verbindliche Anordnungswirkung einer Leistungsänderung ist insoweit ohne Bedeutung. Sie hat aber die Konsequenz, dass der Unternehmer nun auch den Anspruch aus § 2 Abs. 5 VOB/B geltend machen kann, der über denjenigen aus § 642 BGB hinausgeht (vgl. dazu unten III.1. d)).

bb) Auch konkludente Leistungsänderung ist möglich
Unerheblich ist, dass der Besteller seiner Anzeige des Mitwirkungsverzugs gegenüber dem Unternehmer möglicherweise nicht die Wirkung einer rechtsverbindlichen Anordnung beimessen möchte. Denn ob eine Anordnung vorliegt oder nicht, richtet sich danach, ob der Unternehmer das ihm abverlangte Tun oder Unterlassen nach dem Bauvertrag in die vereinbarte Vergütung einkalkulieren musste (vgl. z.B. Keldungs in: Ingenstau/Korbion, VOB, 20. Auflage, 2017, § 2 Abs. 5 VOB/B, Rz. 21 m.w.N.). Beim Mitwirkungsverzug des Bestellers ist dies gerade nicht der Fall, deshalb kann die Mitteilung des Bestellers hierüber eine Leistungsänderung sein. Auf die genaue Wortwahl des Bestellers kommt es für das Vorliegen einer Anordnung hingegen nicht an. Eine Anordnung kann auch lediglich konkludent getroffen werden, wenn der Besteller vom Unternehmer eine Leistung oder eben einen Aufschub verlangt, den dieser nicht einkalkulieren musste. Andernfalls hätte es der Besteller in der Hand, durch Wortklauberei und taktisches Formulieren bestimmte Rechtsfolgen zu verhindern. Maßgeblich muss deshalb eine objektive Auslegung sein: Teilt der Besteller dem Unternehmer ein Erschwernis mit, dass dieser nicht einpreisen musste nun aber – mangels Baufreiheit – zwangsläufig hinnehmen muss, dann stellt sich diese Störungsmitteilung als Leistungsänderung dar.
Offenbleiben kann an dieser Stelle, ob die Verzugsmitteilung des Bestellers an den Unternehmer als “Änderung des Bauentwurfs” im Sinne von § 1 Abs. 3 und § 2 Abs. 5 VOB/B oder als “andere Anordnung” gemäß § 2 Abs. 5 VOB/B anzusehen ist. Der Senat neigt eher dazu, die Verzugsmitteilung als “andere Anordnung” anzusehen, entscheidend ist aber allein, dass die Voraussetzung für einen Mehrvergütungsanspruch nach § 2 Abs. 5 VOB/B erfüllt ist. Das ist in jedem der beiden Fälle gegeben.

Zur Vermeidung von Missverständnissen wird ferner angemerkt: Aus der Ansicht, wonach die Verzugsmitteilung des Bestellers eine Leistungsänderung nach § 2 Abs. 5 VOB/B ist, folgt keineswegs, dass der Besteller aus § 1 Abs. 3 oder § 2 Abs. 5 VOB/B auch berechtigt wäre, gegenüber dem Unternehmer Beschleunigungsmaßnahmen anzuordnen. Eine solche Anordnung hat ein größeres eigenständiges Gewicht als die Mitteilung einer vom Unternehmer ohnehin zu duldenden Störung. Mit ihr verlangt der Besteller vom Unternehmer darüber hinaus das Ergreifen zusätzlicher Maßnahmen. Ob der Besteller dazu berechtigt ist, muss im vorliegenden Fall nicht geklärt werden.

d) Gilt insbesondere, wenn VOB/B vom Besteller gestellt
Nach Auffassung des Senats liegt in der Verzugsmitteilung des Bestellers an den Unternehmer jedenfalls dann eine Leistungsänderung nach § 2 Abs. 5 VOB/B, wenn die VOB/B aufgrund einer vom Besteller vorformulierten Klausel in den Vertrag einbezogen sind. In diesem Fall sind die VOB/B vom Besteller gestellte allgemeine Geschäftsbedingungen, sodass Zweifel bei der Auslegung zu Lasten des Bestellers zu lösen sind (§ 305c Abs. 2 BGB). Nach dem Wortlaut von § 310 Abs. 1 S. 3 BGB gilt dies auch dann, wenn die VOB/B ohne Modifikation insgesamt in den Vertrag einbezogen sind.
Unter dieser Voraussetzung, die im vorliegenden Fall erfüllt ist, gilt weiter:

Es ist zumindest möglich, § 2 Abs. 5 VOB/B dahin auszulegen, dass auch eine Verzugsmitteilung des Bestellers an den Unternehmer eine Leistungsänderung im Sinne dieser Norm ist. Dafür sprechen die soeben ausgeführten Argumente und der Umstand, dass zahlreiche Stimmen in Rechtsprechung und Literatur genau diese Auffassung vertreten (vgl. III.1.c) m.w.N.). Für den Unternehmer ist diese Auffassung vorteilhaft gegenüber der Ansicht, nach der eine Verzugsmitteilung keinen Fall von § 2 Abs. 5 VOB/B darstellt. Ist eine Verzugsmitteilung eine Leistungsänderung, so folgt daraus, dass dem Unternehmer beim Mitwirkungsverzug des Bestellers nicht nur der Entschädigungsanspruch aus § 642 BGB zusteht, sondern auch der Mehrvergütungsanspruch aus § 2 Abs. 5 VOB/B. Beide Anspruchsgrundlagen kommen zum selben Ergebnis, soweit der Unternehmer annahmeverzugsbedingte Vorhaltekosten geltend macht. Hier steht ihm sowohl nach § 642 BGB als auch nach § 2 Abs. 5 VOB/B ein Anspruch zu, dessen Höhe nach Auffassung des Senats auf dieselbe Weise zu ermitteln ist (nämlich Preisfortschreibung anhand tatsächlicher Mehrkosten, vgl. zu § 642 BGB: KG, Urteil vom 10. Januar 2017, 21 U 10/16; Urteil vom 16. Februar 2018, 21 U 66/16; zu § 2 Abs. 5 VOB/B: KG, Urteil vom 10. Juli 2018, 21 U 30/17). Ebenso ist die Rechtslage nach beiden Anspruchsgrundlagen dieselbe, soweit sich der Unternehmer auf verzugsbedingte Umsatzverluste beruft. Diese sind nach § 642 BGB nicht entschädigungsfähig (vgl. oben II. 3.a) bb) (1)), nach § 2 Abs. 5 VOB/B aber ebensowenig, denn in einem Umsatzverlust liegen keine “Mehrkosten” im Sinne dieser Norm.

Die spezifische Differenz zwischen beiden Anspruchsgrundlagen liegt aber in der Behandlung von annahmeverzugsbedingten Mehrkosten, die keine Vorhaltekosten sind, sondern zum Beispiel Kostensteigerungen:

Beispiel 12: Der Besteller B hat den Unternehmer U mit Ausbauleistungen in einem zu errichtenden Gebäude beauftragt. Wegen der Insolvenz des Rohbauers ist die Baustelle nicht zur vertraglich vorgesehenen Ausführungsfrist baufrei, sondern erst 20 Monate später. Durch die verzögerte Ausführung der Leistung entstehen U Mehrkosten, da die Löhne seiner Mitarbeiter und die Preise des von ihm zu beschaffenden und einzubauenden Materials mittlerweile höher sind.
Diese Mehrkosten sind nicht nach § 642 BGB entschädigungsfähig (vgl. BGH, Urteil vom 26. Oktober 2017, VII ZR 16/17), durchaus aber nach § 2 Abs. 5 VOB/B (vgl. BGH, Urteil vom 10. September 2009, VII ZR 152/08, Rz. 42). Denn anders als § 642 BGB lässt sich § 2 Abs. 5 VOB/B keine Beschränkung auf die Vergütungsfähigkeit von Vorhaltekosten entnehmen. Da die Mehrkosten im Beispiel 12 dem Unternehmer aufgrund des Mitwirkungsverzugs bzw. seiner vom Unternehmer zu befolgenden Verzugsmitteilung entstanden sind, muss dem Unternehmer folglich eine entsprechende Mehrvergütung aus § 2 Abs. 5 VOB/B zustehen.

Auf der anderen Seite entstehen dem Unternehmer keine Nachteile durch die Auffassung, eine Verzugsmitteilung sei eine Leistungsänderung nach § 2 Abs. 5 VOB/B. Insbesondere folgt aus dieser Ansicht nicht, dass der Besteller dann gemäß § 2 Abs. 5 VOB/B auch zu Beschleunigungsanordnungen berechtigt sein muss (vgl. oben III.1.c)bb)), was in der Tat nachteilig für einen Unternehmer sein könnte (nicht: muss).

Aus dem Gesagten folgt:
Eine Verzugsmitteilung muss gemäß § 305c Abs. 2 BGB insbesondere dann eine Leistungsänderung nach § 2 Abs. 5 VOB/B sein, wenn die VOB/B dem Unternehmer vom Besteller als allgemeine Geschäftsbedingungen gestellt worden sind.

e) Leistungsänderung ist hier gegeben
Der Beklagte hat also die Leistung der Klägerin gemäß § 2 Abs. 5 VOB/B geändert, indem er ihr – vom Senat als naheliegend zugunsten der Klägerin unterstellt – mitgeteilt hat, die beauftragten Arbeiten im Gebäude SCH erst am 2. Mai 2017 beginnen zu können und nicht, wie vertraglich vorgesehen, bereits am 21. November 2016.

f) Anspruch aus § 2 Abs. 5 VOB/B steht neben demjenigen aus § 642 BGB
Es stellt keinen Widerspruch dar, wenn der Senat trotz dieses Befundes einen Anspruch der Klägerin aus § 642 BGB geprüft hat (oben II.). Befindet sich der Besteller aufgrund einer Störung des Bauablaufs in Mitwirkungsverzug und teilt er dem Unternehmer zugleich mit, nur nach Maßgabe dieser Störung seine Leistung erbringen zu können, dann bestehen beim Unternehmer der Anspruch aus § 642 BGB und der Anspruch aus § 2 Abs. 5 VOB/B nebeneinander, sofern deren sonstige Voraussetzungen erfüllt sind. Dies folgt aus dem zivilrechtlichen Grundsatz der Anspruchskonkurrenz. Der Umstand, dass der Besteller durch seine Verzugsmitteilung an den Unternehmer dessen Leistung geändert hat, führt nicht dazu, dass der Mitwirkungsverzug des Bestellers entfiele.
Sieht ein Bauvertrag ein Recht des Bestellers zur einseitigen Leistungsänderung vor, dann ist dies kein Recht zur einseitigen Vertragsänderung. Ein Leistungsänderungsrecht wirkt nur punktuell: Der Besteller wird lediglich ermächtigt, die im Vertrag ursprünglich vorgesehene Leistung des Unternehmers in bestimmten Grenzen zu ändern, nicht aber darüber hinaus auch die sonstigen Regelungen des Vertrages. Der Besteller kann also anordnen, dass der Unternehmer statt der Leistung A die Leistung B zu erbringen hat. Er ist aber nicht befugt, einseitig den Preis der Leistung A abzuändern, einseitig einen Preis für die Leistung B vorzugeben oder sonst die Parameter der Preisermittlung zu ändern. Vielmehr bleiben die Vereinbarungen der Parteien über die Vergütung unverändert. Nur so kann die Vergütung für die neue Leistung auf Grundlage des geschlossenen Vertrages fortgeschrieben werden. Auch sonstige vertragliche Regelungen kann der Besteller aufgrund seines Leistungsänderungsrechts nicht mit rechtsverbindlicher Wirkung einseitig ändern. So kann er beispielsweise nicht einseitig eine vereinbarte Mängelhaftungszeit von 4 Jahren in 5 Jahre abändern, die Ausführungsfristen verkürzen oder die Regelung einer Vertragsstrafe nachträglich modifizieren. Wenn sich bei einem Pauschalvertrag ergibt, dass eine bestimmte vom Besteller verlangte Leistung nicht von der Leistungsbeschreibung erfasst ist, sodass der Unternehmer zu einem Nachtrag berechtigt ist, dann kann der Besteller den Vertrag nicht einseitig in der Form ändern, dass die betreffende Leistung nunmehr doch vom Leistungssoll erfasst ist und der Unternehmer sie also ohne Anspruch auf Mehrvergütung ausführen kann. Wenn und soweit der Besteller die Planungsverantwortung trägt, sodass er auch eine eventuelle Nachtragsleistung zu planen hat, kann er diese Aufteilung der Planungsverantwortung nicht durch eine Leistungsänderung einseitig zu Lasten des Unternehmers ändern. Und wenn ein Architektenvertrag über die Leistungsphasen 1 bis 8 ein Leistungsänderungsrecht für den Besteller vorsieht (etwa gemäß §§ 650q Abs. 1, 650b Abs. 2 BGB n.F.)., kann der Besteller nicht nachträglich die Leistung dahin ändern, dass der Architekt zusätzlich auch die Leistungsphase 9 zu erbringen hat.
Dies zeigt: Mit einem Leistungsänderungsrecht kann nur die Leistung des Unternehmers geändert werden, deren Preis sodann auf Grundlage des im Übrigen ungeänderten Vertrags zu bestimmen ist. Die sonstigen vertraglichen Regelungen werden durch ein Leistungsänderungsrecht nicht für den Besteller disponibel.

Daraus folgt: Begründet die Störung der Bauarbeiten den Mitwirkungsverzug des Bestellers (weil der Unternehmer die Störung nicht einkalkulieren musste), dann kann der Besteller diesen Mitwirkungsverzug und seine finanziellen Folgen nicht dadurch beseitigen, dass er gegenüber dem Unternehmer die Anordnung trifft, nach Maßgabe dieser Störung arbeiten zu müssen. Vielmehr gilt: Die Mitwirkungsschnittstelle zwischen den Parteien eines Bauvertrags wird durch eine Leistungsänderung nicht geändert. Deshalb bleibt bei einer Leistungsänderung in Form einer Verzugsmitteilung des Bestellers der Mitwirkungsverzug als solcher bestehen, allerdings tritt neben den Anspruch aus § 642 BGB ein weiterer aus § 2 Abs. 5 VOB/B in Anspruchskonkurrenz. Ob und inwieweit dem Unternehmer im Ergebnis tatsächlich diese Ansprüche zustehen hängt davon ab, ob deren übrigen Voraussetzungen erfüllt sind.

2. Keine vergütungsfähigen Mehrkosten der Klägerin
Im vorliegenden Fall hat die Klägerin allerdings keinen Anspruch aus § 2 Abs. 5 VOB/B gegen den Beklagten.
Die von ihr primär als Folge des Mitwirkungsverzugs geltend gemachten Umsatzverluste stellen keine Mehrkosten im Sinne von § 2 Abs. 5 VOB/B dar, sodass dieser Nachteil ebensowenig nach dieser Norm vergütungsfähig ist, wie er nach § 642 BGB entschädigungsfähig ist.
Vorhaltekosten, die ihr durch den Annahmeverzug des Beklagten entstanden sind, sind als änderungsbedingte Mehrkosten durchaus nach § 2 Abs. 5 VOB/B zu vergüten, allerdings gilt auch hier, dass die Klägerin nicht dargelegt hat, Produktionsmittel – insbesondere ihre Mitarbeiter – im Annahmeverzug des Beklagten vorgehalten zu haben. Es gelten hier die Ausführungen zu § 642 BGB entsprechend (vgl. oben II.3.a)bb)(5)).
Kostensteigerungsnachteile, die nicht nach § 642 BGB, wohl aber nach § 2 Abs. 5 VOB/B ersatzfähig sind, macht die Klägerin im vorliegenden Fall nicht geltend.

IV. Kein Anspruch aus § 6 Abs. 6 VOB/B
Der Klageanspruch ergibt sich nicht, auch nicht teilweise, aus § 6 Abs. 6 VOB/B.
Macht der Unternehmer eines Bauvertrags wegen einer Störung des Bauablaufs auf dieser Rechtsgrundlage Schadensersatz geltend, setzt dies voraus, dass die Störung der Vertragsdurchführung auf eine Pflichtverletzung des Bestellers zurückzuführen ist.

1. Pflichtverletzung trotz Leistungsänderung
Dieser Anspruch entfällt nicht schon deshalb, weil die zugunsten der Klägerin unterstellte Verzugsmitteilung des Beklagten dazu führte, dass die Störung aufgrund ihrer Mitteilung ihren Charakter als Pflichtverletzung verloren hätte. Zwar stellt eine Verzugsmitteilung grundsätzlich eine Leistungsänderung gemäß § 2 Abs. 5 VOB/B dar, dadurch werden aber nicht die sonstigen Regelungen des Vertrages geändert (vgl. oben III.1.f)).

2. Keine Pflichtverletzung des Beklagten
Allerdings ergibt sich aus dem Vorbringen der Klägerin nicht, dass ihr die mit der Klage geltend gemachten Vermögensnachteile – seien es Vorhaltekosten oder der (zeitbezogene) Umsatzverlust – aufgrund einer Pflichtverletzung des Beklagten entstanden sind.

a) Pflichtverletzung wegen fehlender Baufreiheit im Gebäude SCH?
Es begründet keine Pflichtverletzung des Beklagten, dass er der Klägerin das Gebäude SCH nicht innerhalb der vertraglich vereinbarten Ausführungsfrist vom 21. November 2016 bis zum 7. April 2017 baufrei überließ.

Zwar sah der streitgegenständliche Vertrag für das Gebäude SCH noch diesen Zeitraum als verbindliche Ausführungsfrist vor. Vereinbaren die Parteien eines Bauvertrags verbindliche Ausführungsfristen, so ist diese Regelung im Zweifel aber so auszulegen, dass sie nur für den Unternehmer Vertragspflichten begründet, nicht hingegen für den Besteller (BGH, Urteil vom 21. Oktober 1999, VII ZR 185/98, BGHZ 143, 32, Rz 22; KG, Urteil vom 10. Januar 2017, 21 U 14/16).

Das heißt: Eine solche Regelung ist so zu verstehen, dass der Unternehmer grundsätzlich seine Vertragspflichten verletzt, wenn er die Frist nicht einhält. Für den Besteller hingegen ist die fristgemäße Kooperation nur eine Obliegenheit.
Unterbleibt sie – etwa weil der Besteller dem Unternehmer zu Beginn der Ausführungsfrist das Grundstück nicht baufrei überlässt – führt dies zu den folgenden Rechtsfolgen zugunsten des Unternehmers:

Die rechtsverteidigende Wirkung für den Unternehmer besteht darin, dass sich eine ihn bindende Vertragsfrist nach hinten verschiebt oder im Einzelfall bei einer schwerwiegenden Störung auch vollständig hinfällig werden kann.
Die anspruchsbegründende Wirkung besteht darin, dass dem Unternehmer wie dargelegt ein Entschädigungsanspruch aus § 642 BGB oder bei einer Verzugsmitteilung außerdem ein Anspruch aus § 2 Abs. 5 VOB/B gegen den Besteller zustehen kann.
Allerdings hat der Unternehmer wegen einer solchen Störung aus der Sphäre des Bestellers grundsätzlich keinen Schadensersatzanspruch aus § 6 Abs. 6 VOB/B gegen diesen. Dies gilt erst recht, wenn ein Bauvertrag überhaupt keine Vertragsfristen vorsieht. Dann besteht erst recht keine Vertragspflicht des Bestellers, dem Unternehmer ein baufreies Grundstück zu überlassen, sondern lediglich eine dahingehende Mitwirkungsobliegenheit im Sinne von § 642 BGB.
Im vorliegenden Fall sind keine Anhaltspunkte vorgetragen, die dafür sprechen, dass die für das Gebäude SCH vereinbarten Ausführungsfristen – insbesondere die jeweiligen Fristanfänge – auch für den Beklagten eine Vertragspflicht begründen könnten.

b) Pflichtverletzung wegen fehlender Verschaffung der Ausführungsplanung?
Ebensowenig begründet es eine Pflichtverletzung des Beklagten, dass er der Klägerin während der Ausführungsfrist ihrer Arbeiten im Gebäude SCH vom 21. November 2016 bis zum 7. April 2017 keine Ausführungsplanung für ihre Leistung übergab.

aa) Keine Ausführungsplanung des Beklagten
Es kann zugunsten der Klägerin unterstellt werden, dass ihr der Beklagte nach dem Vertrag eine Ausführungsplanung zu verschaffen hatte und dass dies hinsichtlich des Gebäudes SCH bis zum 7. April 2017 nicht geschehen war. So hat es die Klägerin im Termin vor dem Senat unwidersprochen vorgetragen.

bb) Keine diesbezügliche Vertragspflicht des Beklagten
Ist ein Bauvertrag gemäß dem soeben erläuterten Grundsatz (oben IV.2.a)) dahin auszulegen, dass keine Pflicht des Bestellers besteht, dem Unternehmer ein baufreies Grundstück zu überlassen, dann kann es zumindest in aller Regel auch keine anderen Mitwirkungspflichten des Bestellers gegenüber dem Unternehmer geben, deren Verletzung einen Schadensersatzanspruch nach § 6 Abs. 6 VOB/B begründen könnte. Vielmehr ist dann die gesamte Mitwirkung des Bestellers nicht als Pflicht, sondern nur als Obliegenheit ausgestaltet (vgl. z.B. BGH, Urteil vom 27. November 2008, VII ZR 206/06, BGHZ 179, 55, Rn. 34 f; vgl. hierzu Leupertz, BauR 2010, 1999 ff und BauR 2014, 381 ff)

Zwar wird durchaus auch die Rechtsauffassung vertreten, dass der Besteller, wenn er nach dem Vertrag die Ausführungsplanung zu erstellen hat, hierzu gegenüber dem Unternehmer in Form einer Nebenpflicht gebunden sein soll (vgl. z.B. Markus in: Kapellmann/Messerschmidt, VOB, 6. Auflage, § 6 VOB/B, Rz. 55 ff m.w.N., der allerdings die abweichende Auffassung des BGH im Urteil vom 27. November 2008, VII ZR 206/06, BGHZ 179,55, Rz. 34 ff nicht erwähnt). Träfe dies zu, wäre im vorliegenden Fall ein Anspruch der Klägerin gegen den Beklagten aus § 6 Abs. 6 VOB/B zumindest dem Grunde nach gegeben. Denn die Klägerin hätte ihre Leistungen im Gebäude SCH ab dem 21. November 2016 erbringen müssen. Der Beklagte hätte ihr deshalb die Ausführungsplanung im Zweifel spätestens an diesem Tag übergeben müssen. Da dies nicht geschehen ist, wäre der Beklagte mit der Übergabe der Ausführungsplanung seit diesem Datum in Verzug und hätte damit möglicherweise der Klägerin Schadensersatz in noch zu klärender Höhe zu leiste (wobei der Ausschluss des entgangenen Gewinns in § 6 Abs. 6 VOB/B zu beachten wäre).

(1) Entscheidend ist die rechtliche Qualifikation des Mitwirkungserfolgs
Allerdings steht die Annahme solcher Mitwirkungspflichten des Bestellers in Widerspruch zu der Aussage des BGH, wonach der Besteller grundsätzlich nicht verpflichtet ist, zu einem bestimmten Zeitpunkt die Baufreiheit für den Unternehmer sicherzustellen (BGH, Urteil vom 21. Oktober 1999, VII ZR 185/98, BGHZ 143, 32, Rz 22), sondern ihn nur eine entsprechende Obliegenheit trifft. Die vollständig fehlende Baufreiheit stellt in zeitlicher Hinsicht die stärkste denkbare Behinderung des Unternehmers bei der Leistungserbringung dar. Sie führt dazu, dass er – hier in Bezug auf das Gebäude SCH – überhaupt keine Leistungen erbringen kann. Fehlende Ausführungspläne können zwar auch dazu führen, dass der Unternehmer nicht bauen kann, das muss aber nicht so sein. Insbesondere wenn die Pläne nur unvollständig sind, kann der Unternehmer durchaus in der Lage sein, seine Leistungen zumindest teilweise schon auszuführen.

Wenn aber die vollständige Störung der Leistungserbringung keine Pflichtverletzung ist, warum sollte dann eine Teilstörung, die jedenfalls keine weitergehenden Folgen hat, so eingestuft werden? Warum sollte im vorliegenden Fall eine Pflichtverletzung des Beklagten darin liegen, dass er der Klägerin bis zum 7. April 2017 keine Ausführungspläne für das Gebäude SCH übergeben hat, wo es doch keine Pflichtverletzung darstellt, dass er der Klägerin nicht einmal die Möglichkeit eingeräumt hat, in dem Gebäude auch nur irgendeine Leistungen auszuführen?

Nach Meinung des Senats ist es deshalb nicht sinnvoll, die Frage, ob die Mitwirkung des Bestellers beim Werkvertrag als Pflicht oder Obliegenheit zu qualifizieren ist, nach der Art der Mitwirkungshandlung zu entscheiden (Beispiele für Arten von Mitwirkungshandlungen: Übergabe von Plänen, Taugliche Leistung des Vorgewerks, Treffen von Auswahlentscheidungen, Beschaffen von Genehmigungen etc.). Vielmehr muss es entscheidend auf den Mitwirkungserfolg ankommen. Denn für einen Bauunternehmer ist es von entscheidender Bedeutung ob bzw. in welchem Umfang er seine Leistungen ausführen kann. Ist er bei der Ausführung gestört und entstehen ihm dadurch zusätzliche Kosten, ist es für ihn – wenn überhaupt – von sekundärer Bedeutung, aus welchem konkreten Grund es dazu gekommen ist.

Daraus folgt weiter: Wenn der BGH die Grundentscheidung getroffen hat, dass sogar das vollständige Fehlen von Baufreiheit auf dem Baugrundstück zu Beginn einer Ausführungsfrist keine Pflichtverletzung darstellt (BGH, Urteil vom 21. Oktober 1999, VII ZR 185/98, BGHZ 143, 32, Rz 22), dann muss das auch für andere Mitwirkungsversäumnisse des Bestellers gelten, die keine weiter gehenden Folgen haben, sondern ebenfalls höchstens dazu führen, dass der Unternehmer vorübergehend keinerlei Leistungen ausführen kann. Von daher ist die entsprechende Aussage im Urteil des BGH vom 27. November 2008 (VII ZR 206/06, BGHZ 179, 55, Rn. 34 f) folgerichtig.

Der Senat verkennt nicht, dass es für den Unternehmer eine starke Beeinträchtigung bedeuten kann, wenn der Besteller nicht so mitwirkt, wie es nach dem Vertrag vorgesehen ist. Es kann auch durchaus eine adäquate Antwort der Rechtsordnung darstellen, die Mitwirkung des Bestellers bei der Vertragsdurchführung deshalb als Pflicht anzusehen, was bei Störungen dann zu Ansprüchen des Unternehmers aus Verzug nach § 286 BGB oder § 6 Abs. 6 VOB/B führen kann. Wenn dies erwünscht ist, muss aber zu allererst durch den BGH die Grundentscheidung anders getroffen werden, wonach die Gewährleistung von Baufreiheit durch den Besteller zu einem bestimmten vertraglich vorgesehenen Zeitpunkt im Zweifel keine Vertragspflicht ist.

(2) §§ 3 Abs. 1 und 4 Abs. 1 S. 2 VOB/B sind kein Gegenargument
§§ 3 Abs. 1 und 4 Abs. 1 S. 2 VOB/B zwingen nicht zu der Annahme, dass das dort behandelte Verschaffen von Plänen und Genehmigungen eine Pflicht des Bestellers sei. Vielmehr können diese Normen auch so verstanden werden, dass sie lediglich die Mitwirkungsschnittstelle zwischen den Vertragsparteien für den Regelfall definieren und also bloße Bestellerobliegenheiten formulieren.

(3) Das Haftungsmodell der Planer-Unternehmer-Gesamtschuld ist kein Gegenargument
Ebensowenig folgen entsprechende Bestellerpflichten aus dem Haftungsrecht.
Beispiel 14: Der Besteller B übergibt die Ausführungsplanung seines Architekten A an den Unternehmer U, der danach baut, ohne Bedenken anzumelden. Die Planung war mangelhaft, deshalb ist dies auch Us Bauleistung. Die Beseitigung der Mängel kostet 100 t €.
In diesem Fall haftet nur A auf Schadensersatz in Höhe von 100 t €, während sich U auf die Mitverursachung des Baumangels durch A als den Erfüllungsgehilfen des Bestellers gemäß §§ 254, 278 BGB berufen kann, sodass sich seine Haftung bereits im Außenverhältnis gegenüber B im Zweifel auf 50 % reduziert (vgl. BGH, Urteil vom 27. November 2008, VII ZR 206/06, BGHZ 179,55, Rz. 29 f m.w.N.). Diese Rechtsfigur des bauvertraglichen Haftungsrechts ist nicht von der Voraussetzung abhängig, dass der Besteller dem Unternehmer die Ausführungsplanung aufgrund einer entsprechenden vertraglichen Pflicht schuldet. Vielmehr hat der BGH ausdrücklich klargestellt, dass bereits die Mitverursachung des Mangels durch die mangelhafte Planung die Haftungsminderung gemäß §§ 254, 278 BGB zugunsten des Unternehmers rechtfertigt und dass im Regelfall von einer bloßen Obliegenheit des Bestellers zur Übergabe einer (mangelfreien) Planung an den Unternehmer auszugehen ist (BGH, Urteil vom 27. November 2008, VII ZR 206/06, BGHZ 179,55, Rz 34 ff).

(4) Schutzpflichten des Bestellers gibt es
Aus der hier vertretenen Auffassung folgt nicht, dass es keine Schutzpflichten des Bestellers gäbe.
Beispiel 15: Der Besteller B übergibt dem Unternehmer U ein Planungsdetail seines Architekten A, wie ein Baugerüst an einer Stahlfassade zu befestigen ist. U baut das Gerüst nach dieser Vorgabe auf. Die Planung war mangelhaft, weil die Befestigung nicht ausreichend und das Gerüst deshalb nicht standfest ist. Es stürzt ein und verletzt zwei Mitarbeiter von U.

In diesem Fall kommt durchaus ein Schadensersatzanspruch von U gegen B in Betracht, wobei eine eventuelle Mitverursachung durch U gemäß § 254 BGB zu berücksichtigen wäre. Haftungsbegründend für die Haftung von B wäre jedenfalls seine allgemeine Schutzpflicht, auf die Rechtsgüter seines Vertragspartners U und dessen Mitarbeiter Rücksicht zu nehmen. B darf deshalb keine Arbeitsanweisungen treffen, die er oder sein Erfüllungsgehilfe A (§ 278 BGB) als gefährlich erkennen können. Aufgrund dieser allgemeinen Schutzpflicht wird aber nur ein Einzelaspekt der Planverschaffung von B an U zur Pflichtverletzung, nämlich das Plandetail, das die unzureichende Gerüstverankerung vorsah. Hingegen folgt aus der Annahme eines solchen Schadensersatzanspruchs nicht, dass die Planverschaffung insgesamt als Mitwirkungspflicht des Bestellers angesehen werden müsste.

(5) Weitere Schlussfolgerungen
Soweit der BGH angemerkt hat, dem Unternehmer könnte wegen einer Störung des Bauablaufs ein Schadensersatzanspruch gegen den Besteller zustehen, wenn dieser eine “selbständige Nebenpflicht” verletzt habe (BGH, Urteil vom 26. Oktober 2017, VII ZR 16/17, Rz. 34), so folgt aus den vorstehenden Ausführungen, dass dies nur in dem Ausnahmefall denkbar erscheint, wo eine vertragliche Ausführungsfrist entgegen der Grundregel doch eine Mitwirkungspflicht des Bestellers begründet (vgl. BGH, Urteil vom 21. Oktober 1999, VII ZR 185/98, BGHZ 143, 32, Rz. 22).
Im Übrigen hat sich gezeigt, dass der Sprachgebrauch von der Kooperationspflicht der Parteien des Bauvertrags etwas ungenau ist. Tatsächlich ist die Kooperation des Bestellers im Verlauf der Vertragsdurchführung weitgehend gerade nicht als Pflicht, sondern nur als Obliegenheit ausgestaltet.

V. Kein Anspruch aus §§ 280, 286 BGB
Aus den Ausführungen unter IV. folgt, dass der Klageanspruch mangels einer Pflichtverletzung des Beklagten nicht – auch nicht teilweise – auf §§ 280, 286 BGB gestützt werden kann.

VI. Nebenentscheidungen
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

VII. Zulassung der Revision
Die Revision wird zugelassen.

VertragsMan ® Bau: Entscheidungen im Volltext

VertragsMan ® Bau: Entscheidungen im Volltext

Anforderungen an die Abrechnung von Stundenlohnarbeiten

vorgestellt von Thomas Ax

1. Der Unternehmer muss zur schlüssigen Begründung eines nach Zeitaufwand zu bemessenden Vergütungsanspruchs im Ausgangspunkt nur darlegen und gegebenenfalls beweisen, wie viele Stunden für die Erbringung der Vertragsleistungen mit welchen Stundensätzen angefallen sind.

2. Die schlüssige Abrechnung eines Stundenlohnvertrags setzt grundsätzlich keine Differenzierung in der Art voraus, dass die abgerechneten Arbeitsstunden einzelnen Tätigkeiten zugeordnet und/oder nach zeitlichen Abschnitten aufgeschlüsselt werden. Sie muss vom Unternehmer nur in den Fällen vorgenommen werden, in denen die Vertragsparteien eine dementsprechend detaillierte Abrechnung vertraglich vereinbart haben.

3. Es ist Sache des Bestellers, eine Begrenzung der Stundenlohnvergütung dadurch zu bewirken, dass er Tatsachen vorträgt, aus denen sich die Unwirtschaftlichkeit der Betriebsführung des Unternehmers ergibt. Auch soweit in Frage steht, ob es sich bei den abgerechneten Stunden um Nachbesserungsarbeiten handelt, obliegt es dem Besteller, diese Umstände darzulegen.

4. Das Gebot des rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Das Gericht ist danach unter anderem verpflichtet, den wesentlichen Kern des Vorbringens der Partei zu erfassen und – soweit er eine zentrale Frage des Verfahrens betrifft – in den Gründen zu bescheiden.

5. Von einer Verletzung dieser Pflicht ist auszugehen, wenn die Begründung der Entscheidung des Gerichts nur den Schluss zulässt, dass sie auf einer allenfalls den äußeren Wortlaut, aber nicht den Sinn des Vortrags der Partei erfassenden Wahrnehmung beruht.

6. Das Gebot des rechtlichen Gehörs soll sicherstellen, dass die Entscheidung frei von Verfahrensfehlern ergeht, die ihren Grund in unterlassener Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung des Sachvortrags der Parteien haben. Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG liegt daher vor, wenn das Gericht die Substantiierungsanforderungen offenkundig überspannt und es dadurch versäumt, den Sachvortrag der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und die angebotenen Beweise zu erheben.

BGH, Beschluss vom 01.02.2023 – VII ZR 882/21

Gründe:

I.

Die Klägerin macht Vergütungsansprüche in Höhe von 28.114,77 Euro für Malerarbeiten im Rahmen eines Bauvorhabens geltend, das aus 15 Reihenhäusern bestand.

Die Klägerin hat über ihre Leistungen mehrere Rechnungen erstellt, die sie in einer Schlussrechnung vom 12. Oktober 2016 zusammengefasst hat. In der Schlussrechnung listet sie die Stunden auf, die sie für die einzelnen Arbeiten an unterschiedlichen Häusern behauptet aufgewendet zu haben. Der abgerechnete Stundensatz beträgt jeweils 38 Euro netto. Auf dieser Grundlage gelangt die Klägerin zu einer Schlussrechnungssumme von 40.899,11 Euro, von der sie 12.784,34 Euro abzieht, die die Beklagte auf die erste Rechnung vom 12. Juni 2016 bezahlte.

Die Klägerin trägt vor, die Auftragserteilungen seien teilweise durch den Geschäftsführer der Beklagten und teilweise durch deren Bauleiter, den als Zeugen benannten Herrn N., erfolgt. Die in Rechnung gestellten Arbeiten seien geleistet, die Stundensätze seien vereinbart worden, hilfsweise üblich und angemessen. Die Abnahme der Leistungen sei konkludent durch Bezug der Häuser erfolgt.

Das Landgericht hat ohne Beweisaufnahme die Klage abgewiesen. Die dagegen von der Klägerin eingelegte Berufung hat das Berufungsgericht mit Beschluss vom 18. November 2021 nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen. Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde, mit der sie ihren Klageantrag weiterverfolgt.

II.

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision führt gemäß § 544 Abs. 9 ZPO zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

1. Das Berufungsgericht hat ausgeführt:

Eine Auftragserteilung über die von der Beklagtenseite ursprünglich unstreitig beauftragten Leistungen hinaus, die Gegenstand der Rechnung vom 12. Juni 2016 sind, habe die Klägerin nicht substantiiert vorgetragen und unter Beweis gestellt. Die Klägerin hätte konkretisieren müssen, welche der in Rechnungen gestellten Aufträge der Geschäftsführer der Beklagten direkt beauftragt habe und welche Leistungen der Bauleiter N. beauftragt haben solle. Das sei nicht erfolgt. Eine Duldungsvollmacht des Bauleiters N. sei von der Klägerin nicht nachvollziehbar dargelegt worden.

Unabhängig davon, ob die Auftragserteilung durch den Bauleiter oder durch den Geschäftsführer der Klägerin wirksam erfolgt sei, habe die Klägerin trotz gerichtlicher Hinweise nicht nachvollziehbar und substantiiert die von ihr geleisteten Arbeiten dargelegt. Zwar sei es ohne Vorlage von Regiezetteln grundsätzlich möglich, im Gerichtsverfahren unter Zeugenbeweis die Ausführungen von Arbeiten darzulegen und nachzuweisen. In diesem Fall sei es aber erforderlich, genau darzulegen, wer welche Arbeiten und wann ausgeführt habe. Die Klägerin lege jedoch lediglich eine pauschale Aufstellung der behaupteten ausgeführten Leistungen vor. Sie nenne nicht den Namen der jeweiligen Person, die die Arbeiten konkret ausgeführt habe, sondern verweise in ihrem schriftsätzlichen Vortrag lediglich darauf, dass zwei Personen auch unter Mitwirkung der Klägerin als dritter Person anwesend gewesen seien. Dies reiche schon nicht als Vortrag, geschweige denn als Nachweis für die Ausführung der Arbeiten aus. Sowohl die Einholung eines Sachverständigengutachtens als auch die Erhebung eines Zeugenbeweises würde vor diesem Hintergrund einen Ausforschungsbeweis darstellen. Soweit die Klägerin in zweiter Instanz erstmals eine Aufstellung der beiden Mitarbeiter vorgelegt habe, die die Malerarbeiten ausgeführt haben sollen, sei dieses Angriffsmittel nicht zuzulassen. Die Klägerin habe nicht vorgetragen, weshalb sie diese Unterlage in erster Instanz nicht habe vorlegen können.

2. Mit diesen Begründungen einerseits zum Anspruchsgrund und andererseits zur Anspruchshöhe verletzt das Berufungsgericht – wie die Klägerin zu Recht rügt – in entscheidungserheblicher Weise den Anspruch der Klägerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 GG.

a) Die Annahme des Berufungsgerichts, die Klägerin habe eine Auftragserteilung für sämtliche von ihr durchgeführten Malerarbeiten nicht hinreichend vorgetragen und unter Beweis gestellt, verkennt den wesentlichen Kern des Vorbringens der Klägerin.

aa) Das Gebot des rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Das Gericht ist danach unter anderem verpflichtet, den wesentlichen Kern des Vorbringens der Partei zu erfassen und – soweit er eine zentrale Frage des Verfahrens betrifft – in den Gründen zu bescheiden. Von einer Verletzung dieser Pflicht ist auszugehen, wenn die Begründung der Entscheidung des Gerichts nur den Schluss zulässt, dass sie auf einer allenfalls den äußeren Wortlaut, aber nicht den Sinn des Vortrags der Partei erfassenden Wahrnehmung beruht (BGH, Beschluss vom 17. Juni 2020 – VII ZR 111/19 Rn. 17, BauR 2020, 1679 = NZBau 2020, 573).

bb) Nach diesen Maßstäben ist der Zurückweisungsbeschluss des Berufungsgerichts gehörswidrig ergangen.

Die Klägerin hat bereits erstinstanzlich vorgetragen, den ersten, mit der Rechnung vom 12. Juni 2016 abgerechneten Auftrag, im Mai 2016 erhalten zu haben. Ab dem 13. Mai 2016 seien dann zusätzliche Malerarbeiten je nach Baufortschritt beauftragt worden. Mit Schriftsatz vom 21. Dezember 2020 hat die Klägerin wörtlich vorgetragen:

“Es waren entweder der Bauleiter oder der Geschäftsführer oder beide Personen gleichzeitig auf der Baustelle anwesend und haben der Klägerin eine Vielzahl kleinerer Arbeiten mündlich aufgetragen.

Der Geschäftsführer der L. GmbH als Bauherr hat, was der Zeuge N. bestätigen kann, Kenntnis genommen von den Arbeiten, die die Klägerin durchführte. Er ist unter anderem auch allein mit der Klägerin auf der Baustelle umhergewandert und hat ihr weitere Aufträge erteilt, insbesondere zu Ausbesserungsarbeiten usw.”

Diesen Vortrag erster Instanz hat die Klägerin durch Zeugnis des Bauleiters N. unter Beweis gestellt. Sie hat zudem durch das Zeugnis des Herrn N. unter Beweis gestellt, dass die Beklagte laufend Kenntnis von den Vorgängen auf der Baustelle gehabt habe.

Dieser Vortrag der Klägerin ist in seinem Kern dahingehend zu verstehen, worauf die Nichtzulassungsbeschwerde zu Recht hinweist, dass der Bauleiter N. der Beklagten bevollmächtigt gewesen ist, sämtliche Arbeiten an der Baustelle nach jeweiligem Baufortschritt zu beauftragen. Des Weiteren liegt in dem Vortrag, der Geschäftsführer der Beklagten sei über alle Maßnahmen zeitnah unterrichtet worden, die Behauptung einer (konkludenten) Genehmigung eines gegebenenfalls vollmachtlosen Handelns des Bauleiters.

b) Die Ausführungen des Berufungsgerichts zur Höhe der Vergütung beruhen ebenfalls auf der Verletzung des Anspruchs der Klägerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs aus Art. 103 Abs. 1 GG, weil das Berufungsgericht überspannte Substantiierungsanforderungen gestellt hat.

aa) Das Gebot des rechtlichen Gehörs soll als Prozessgrundrecht sicherstellen, dass die Entscheidung frei von Verfahrensfehlern ergeht, welche ihren Grund in unterlassener Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung des Sachvortrags der Parteien haben. Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG liegt daher vor, wenn das Gericht die Substantiierungsanforderungen offenkundig überspannt und es dadurch versäumt, den Sachvortrag der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und die angebotenen Beweise zu erheben (BGH, Beschluss vom 10. August 2022 – VII ZR 243/19 Rn. 18, BauR 2022, 1812 = NZBau 2023, 17).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Sachvortrag bereits dann schlüssig, wenn der Anspruchssteller Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht als in seiner Person entstanden erscheinen zu lassen (BGH, Beschluss vom 10. August 2022 – VII ZR 243/19 Rn. 19, BauR 2022, 1812 = NZBau 2023, 17).

bb) Nach diesen Maßstäben hat das Berufungsgericht die Substantiierungsanforderungen an den Vortrag zur Höhe für einen auf einer Stundenlohnvereinbarung beruhenden Vergütungsanspruch offenkundig überspannt und rechtsfehlerhaft die angebotenen Beweise nicht erhoben.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss der Unternehmer zur schlüssigen Begründung eines nach Zeitaufwand zu bemessenden Vergütungsanspruchs im Ausgangspunkt nur darlegen und gegebenenfalls beweisen, wie viele Stunden für die Erbringung der Vertragsleistungen mit welchen Stundensätzen angefallen sind. Demgegenüber setzt die schlüssige Abrechnung eines Stundenlohnvertrags grundsätzlich keine Differenzierung in der Art voraus, dass die abgerechneten Arbeitsstunden einzelnen Tätigkeiten zugeordnet und/oder nach zeitlichen Abschnitten aufgeschlüsselt werden. Solch eine Zuordnung mag sinnvoll sein. Zur nachprüfbaren Darlegung des vergütungspflichtigen Zeitaufwands erforderlich ist sie nicht, weil seine Bemessung und damit die im Vergütungsprozess erstrebte Rechtsfolge nicht davon abhängt, wann der Unternehmer welche Tätigkeit ausgeführt hat. Sie muss deshalb vom Unternehmer nur in den Fällen vorgenommen werden, in denen die Vertragsparteien eine dementsprechend detaillierte Abrechnung rechtsgeschäftlich vereinbart haben (BGH, Urteil vom 17. April 2009 – VII ZR 164/07 Rn. 33 f., BGHZ 180, 235). Auf dieser Grundlage ist es Sache des Bestellers, eine Begrenzung der Stundenlohnvergütung dadurch zu bewirken, dass er Tatsachen vorträgt, aus denen sich die Unwirtschaftlichkeit der Betriebsführung des Unternehmers ergibt (BGH, Urteil vom 17. April 2009 – VII ZR 164/07 Rn. 36, BGHZ 180, 235).

Unter Anwendung dieses Maßstabs ist der Vortrag der Klägerin zur Anspruchshöhe schlüssig. Die Klägerin hat dargelegt, dass sie für insgesamt 15 Häuser Malerarbeiten ausgeführt hat, und zwar bei den Häusern Nr. 1-6 und Nr. 15 sowohl für den Innen- als auch für den Außenbereich, bei den Häusern 7-14 lediglich für den Außenbereich. Die Klägerin hat des Weiteren dargelegt, wie viele Stunden auf welche Gewerke angefallen sind. Soweit in Frage steht, ob es sich bei den abgerechneten Stunden um Nachbesserungsarbeiten handelt, obliegt es der Beklagten, diese Umstände darzulegen.

3. Auf den Verletzungen des Anspruchs der Klägerin auf rechtliches Gehör beruht der angefochtene Beschluss. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Berufungsgericht bei gebotener Berücksichtigung der aufgezeigten Gesichtspunkte zu einem für die Klägerin günstigeren Ergebnis gelangt wäre.

4. Der angefochtene Beschluss ist deshalb aufzuheben und die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, wobei der Senat von der Möglichkeit des § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch gemacht hat.

VertragsMan ® Bau: Entscheidungen im Volltext

VertragsMan ® Bau: Entscheidungen im Volltext

“Durchgereichter” Stundenaufwand kann nicht pauschal bestritten werden

vorgestellt von Thomas Ax

1. Zur schlüssigen Darlegung seines Vergütungsanspruchs muss der Unternehmer im Fall der Abrechnung nach Stundenlohn lediglich die Anzahl der geleisteten Stunden darlegen. Nachweise wie etwa Rapportzettel sind keine Voraussetzung der schlüssigen Darlegung, auch ist keine Differenzierung erforderlich, welche Arbeitsstunden für welche Tätigkeiten an welchen Tagen angefallen sind.

2. Der Besteller darf im Regelfall ohne nähere Darlegung bestreiten, dass die abgerechneten Stunden tatsächlich angefallen sind und muss nicht zu den aus seiner Sicht geleisteten Stunden vortragen. Etwas anderes gilt, wenn der Besteller Kenntnis darüber hat, welche Stunden angefallen sind.

3. Für den Einwand, dass in Relation zu dem vereinbarten Werkerfolg ein überhöhter zeitlicher Aufwand betrieben worden ist, ist der Besteller darlegungs- und beweispflichtig.

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 19.09.2022 – 22 U 304/21

Gründe:

Auf den Hinweisbeschluss des Senats vom 02.08.2022 wird Bezug genommen. Die Stellungnahmen der Beklagten und der Streithelferin führen nicht zu einer günstigeren Beurteilung der Erfolgsaussicht.

Der Senat hält an der Würdigung fest, dass die Beklagte, die sich des Klägers als Nachunternehmers bedient hat und selbst Stundenaufwand gegenüber der Beklagten geltend gemacht hat, den abgerechneten Zeitaufwand nicht pauschal – gleichsam mit Nichtwissen – bestreiten kann. Mit dem weiteren Hinweis des Senats, dass die Beklagte fachkundig ist und daher angeben könnte und müsste, welcher Zeitaufwand für die durchgeführten Arbeiten als angemessen erscheint, befassen sich die Beklagte und die Streithelferin nicht. Der Senat hat auf das Urteil des OLG Celle verwiesen, um zu belegen, dass abhängig von den Umständen des Einzelfalls ein einfaches Bestreiten des Zeitaufwands nicht stets ausreichend ist. Dass das Urteil nicht “einschlägig” ist, ändert an dieser Bewertung nichts. Nicht richtig ist die Ansicht der Beklagten, es sei unstreitig, dass der Kläger auch Mängelbeseitigungsaufwand abrechne. Aus dem Tatbestand des angefochtenen Urteils, an den der Senat gebunden ist (§ 314 ZPO), ergibt sich das Gegenteil. Dort ist als streitiger Vortrag der Beklagten wiedergegeben, dass die Stundenzettel deshalb unrichtig seien, weil sie auch Stunden enthielten, die der Kläger zur Mängelbeseitigung aufgewendet habe.

Die als N2 bis N5 vorgelegten Schreiben sind an die Beklagte gerichtet und betreffen den Ausführungszeitraum. Welche Mängel derzeit noch vorliegen und daher ein Leistungsverweigerungsrecht rechtfertigen könnten, ergibt sich aus den Schreiben nicht. Die Schreiben erlauben auch keine Lokalisation der von der Beklagten behaupteten Mängel, weil es an einer Verknüpfung der Schreiben mit dem Vortrag der Beklagten fehlt. Zu den weiteren Hinweisen des Senats betreffend die Mängel nimmt die Streithelferin nicht Stellung.

Der Verweis der Streithelferin auf die Vereinbarung vom 25.11.2019 (Anlage N1) ist nicht geeignet, um ein Mißverhältnis zwischen dem abgerechneten Stundenaufwand und dem Werkerfolg darzutun. Aus dem Schreiben ergibt sich lediglich, dass sich die Beklagte und die Streithelferin auf eine Abrechnung der Fliesenarbeiten zum Einheitspreis von 25,00 EUR/qm “im Mittel” geeinigt haben. Warum daraus folgen sollte, dass der Stundenaufwand der Klägerin überhöht ist, erschließt sich nicht. So werden sich häufig unterschiedlich hohe Werklohnansprüche ergeben, je nachdem, ob der Unternehmer eine nach Einheitspreisen oder Stundenlohn berechnete Vergütung erhalten soll. Für die Darlegung eines überhöhten Stundenaufwand genügt es gerade nicht, dass lediglich vorgetragen wird, der Werklohn sei unangemessen hoch oder entspreche nicht der Üblichkeit.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10 S. 2, 713 ZPO.

Berufungsstreitwert: 19.133,14 EUR.

Hochbaurecht: Aktuelle Rechtsprechung – kurz belichtet

Hochbaurecht: Aktuelle Rechtsprechung - kurz belichtet

vorgestellt von Thomas Ax

HOAI-Mindestsätze sind verbindlich: Unterschreitung nur im Ausnahmefall!

OLG Düsseldorf, Urteil vom 31.01.2023 – 23 U 24/20

1. Die Mindestsätze der HOAI 2009 sind zwischen Privaten verbindlich und können durch schriftliche Vereinbarung nur in Ausnahmefällen unterschritten werden.

2. Die gemeinsame Realisierung mehrerer, auch großer Bauvorhaben kann keinen Ausnahmefall begründen, wenn der Auftraggeber an diesen Projekten überwiegend nicht selbst, sondern in unterschiedlichen Konstellationen in Person seiner Gesellschafter, Rechtsvorgänger oder assoziierter Unternehmen beteiligt war.

Privatgutachterkosten sind auch im selbständigen Beweisverfahren erstattungsfähig

OLG Brandenburg, Beschluss vom 03.02.2023 – 6 W 14/23

Ist eine Partei eines selbständigen Beweisverfahrens aus eigener Sachkunde nicht in der Lage, sich sachgerecht mit einem gerichtlich eingeholten oder von der Gegenseite vorgelegten Gutachten auseinanderzusetzen, insbesondere weil ihr aufgrund einer komplizierten und fremden Materie das erforderliche Spezialwissen fehlt, sind die Kosten für ein verfahrensbegleitendes Privatgutachten in aller Regel zur Ermöglichung eines substantiierten Sachvortrags notwendig (Anschluss an BGH, IBR 2013, 252).

Bauhandwerkersicherheit auch für Nachträge

OLG München, Beschluss vom 04.02.2022 – 9 U 5469/21 Bau

1. Der Auftragnehmer eines Bauvertrags kann vom Auftraggeber die Stellung einer Bauhandwerkersicherheit verlangen, auch wenn der Auftraggeber Verbraucher ist, solange kein Verbraucherbauvertrag vorliegt.

2. Der Anspruch Stellung einer Bauhandwerkersicherheit umfasst auch streitige Zusatzaufträge/Nachträge, wenn die Auftragserteilung und die Höhe des Vergütungsanspruch einschließlich Nachträgen vom Auftragnehmer schlüssig dargelegt werden.

3. Die Anforderung einer Bauhandwerkersicherheit ist nicht treuwidrig bzw. rechtsmissbräuchlich, wenn nicht zugleich der Werklohn klageweise geltend gemacht wird. Es steht dem Auftragnehmer frei, ob er den Werklohn gleichzeitig mit der Sicherheit oder gesondert oder überhaupt nicht einklagt.

Baustromklausel mit Abrechnungsoption ist wirksam

OLG Hamm, Urteil vom 22.09.2022 – 24 U 65/21

1. Eine sog. Baustromklausel, wonach der Auftraggeber von der Schlussrechnung des Auftragnehmers 0,3 % der Schlussrechnungssumme in Abzug bringen darf, benachteiligt den Auftragnehmer jedenfalls dann nicht unangemessen, wenn die Klausel die Option einer Abrechnung nach tatsächlichem Verbrauch enthält (Abgrenzung zu OLG Hamburg, IBR 2017, 183).

2. Die Leistung des Auftragnehmers ist auch dann mangelhaft, wenn sie die vereinbarte Funktion nur deshalb nicht erfüllt, weil die vom Auftraggeber zur Verfügung gestellte Vorunternehmerleistung unzureichend sind.

3. Der Verantwortlichkeit für den Mangel kann der Auftragnehmer im Fall einer unzureichenden Vorunternehmerleistung nur durch eine ausreichende Prüfung des Vorgewerks und einen sich daran anschließenden Bedenkenhinweis gegenüber dem Auftraggeber entgehen.

4. Übernimmt der Auftragnehmer die Ausführung in Kenntnis, dass eine Planung nicht zur Verfügung steht, kann er sich – jedenfalls ohne entsprechenden Bedenkenhinweis – nicht auf ein Mitverschulden des Auftraggebers berufen.

5. Das Verschulden eines Vorunternehmers ist dem Auftraggeber nicht zuzurechnen, da der Vorunternehmer regelmäßig nicht – anders als der Architekt bei der Planung – Erfüllungsgehilfe des Auftraggebers im Verhältnis zum (Nachfolge-)Auftragnehmer ist.

6. Es gehört auch zur Mangelbeseitigung, die Gewerke, die notwendigerweise bei der Nachbesserung zerstört werden, wieder herzustellen.

Vertragsman ® Bau: Die Hervorzuhebende Entscheidung

Vertragsman ® Bau: Die Hervorzuhebende Entscheidung

BGH: Kündigungsregelung in § 4 Nr. 7 Satz 3 i.V.m. § 8 Nr. 3 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 VOB/B (2002) benachteiligt den Auftragnehmer unangemessen im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB und ist daher unwirksam

vorgestellt von Thomas Ax

Ist die VOB/B nicht als Ganzes vereinbart worden, hält § 4 Nr. 7 Satz 3 VOB/B (2002) ebenso wie die hierauf rückbezogene Bestimmung in § 8 Nr. 3 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 VOB/B (2002) bei Verwendung durch den Auftraggeber der Inhaltskontrolle nicht stand. Die Kündigungsregelung in § 4 Nr. 7 Satz 3 i.V.m. § 8 Nr. 3 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 VOB/B (2002) benachteiligt den Auftragnehmer unangemessen im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB und ist daher unwirksam.

Tatbestand

Die Beklagte war Hauptauftragnehmerin hinsichtlich eines Teils des Ausbaus der Stadtbahnlinie der S. GmbH. Mit den entlang der Stadtbahntrasse durchzuführenden Straßen- und Tiefbauarbeiten beauftragte die Beklagte im Jahr 2004 die Klägerin als Nachunternehmerin. Die Parteien unterzeichneten hierzu im Oktober 2004 ein Verhandlungsprotokoll, durch das unter anderem auch die VOB/B in der jeweils geltenden Fassung in den Vertrag einbezogen wurde. Die Auftragssumme belief sich auf 3.031.527,96 € netto.

In dem Leistungsverzeichnis, das von der S. GmbH stammte und von der Beklagten an die Klägerin weitergereicht wurde, heißt es in Bezug auf den Straßenbord unter anderem “Rückenstütze aus Beton B 25 nach Zeichnung herstellen” und “Unterbeton B 25 liefern und nach Zeichnung herstellen”. Zwischen den Parteien ist streitig, ob sich die geschuldete Betonfestigkeitsklasse B 25 (entspricht der neuen Bezeichnung C 20/25) auf den Beton im angelieferten (Auffassung der Klägerin) oder im verbauten Zustand (Auffassung der Beklagten) bezieht.

Während der Bauausführung rügte die Beklagte am 3. August 2006 die Qualität des verbauten Betons an einem bestimmten Straßenabschnitt und verlangte von der Klägerin unter Fristsetzung bis zum 11. August 2006 Mangelbeseitigung. Mit weiteren Schreiben vom 4., 8., 10. und 11. August 2006 wiederholte und konkretisierte die Beklagte die Mängelrügen, setzte der Klägerin Fristen zur Mangelbeseitigung bis zum 16. beziehungsweise 18. August 2006 (jeweils 10 Uhr) und drohte für den Fall des fruchtlosen Fristablaufs die außerordentliche Kündigung des ganzen oder eines Teils des Auftrags sowie die Mangelbeseitigung auf Kosten der Klägerin an. Am 14. August 2006 übersandte die Klägerin der Beklagten ein Gutachten, aus dem hervorging, dass mit dem gelieferten Beton der Festigkeitsklasse C 20/25 eine Endfestigkeit von B 15 beziehungsweise C 12/15 erreicht werden könne. Die Beklagte übersandte ihrerseits der Klägerin am 17. August 2006 ein Gutachten, wonach der Beton in sieben Fällen nur die Festigkeitsklasse C 12/15 und in vier Fällen die Festigkeitsklasse C 8/10 erreichte, somit die Endfestigkeit der Klasse C 20/25 nicht entspreche.

Die Klägerin kam dem Verlangen nach Beseitigung der behaupteten Mängel, welche mit einem Aufwand von ca. 6.000 € bei laufendem Baubetrieb in zwei bis drei Arbeitstagen hätte erledigt werden können, nicht nach. Die Beklagte kündigte nach Fristablauf am 18. August 2006 den Bauvertrag hinsichtlich aller zu diesem Zeitpunkt noch nicht erbrachten Arbeiten.

Die Klägerin begehrt in dem Rechtsstreit Restwerklohn in Höhe von 2.465.744,23 €. Die Beklagte verlangt widerklagend die Zahlung von 4.152.902,75 € als Kosten der Ersatzvornahme, ferner die teilweise Rückzahlung von Abschlagszahlungen (387.332,31 €), Schadensersatz (90.729,80 €), Ersatz von Avalgebühren (40.500 €) und – bezogen auf weitere von ihr behauptete Mängel – Ausgleich von Mängelbeseitigungskosten (209.382,83 €) sowie die Feststellung, dass die von ihr behaupteten Mängel vorliegen. Weiter haben die Parteien wechselseitig beantragt, durch Zwischenfeststellungsurteil festzustellen, dass die von der Beklagten ausgesprochene Kündigung eine freie Kündigung nach § 8 Nr. 1 VOB/B (2002) (Antrag der Klägerin) beziehungsweise eine “berechtigte Kündigung aus wichtigem Grund (Entziehung des Auftrags gemäß § 8 Nr. 3 VOB/B a.F.)” (Antrag der Beklagten) gewesen sei.

Das Landgericht hat durch Teilurteil festgestellt, dass die Kündigung der Beklagten eine freie Kündigung nach § 8 Nr. 1 VOB/B (2002) gewesen sei. Die Widerklage der Beklagten hinsichtlich der kündigungsbedingten Ersatzvornahmekosten sowie ihre Zwischenfeststellungswiderklage hat es abgewiesen.

Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht das Teilurteil des Landgerichts abgeändert. Es hat die Zwischenfeststellungsklage der Klägerin abgewiesen und auf die Zwischenfeststellungswiderklage der Beklagten festgestellt, dass es sich bei der Kündigung um eine “Kündigung gemäß § 8 Nr. 3 Abs. 1 VOB/B handelt”. Des Weiteren hat es festgestellt, dass die Widerklage bezogen auf die Ersatzvornahmekosten in Höhe von 4.152.902,75 € dem Grunde nach begründet ist. Im Übrigen hat es das Teilurteil des Landgerichts aufgehoben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen. Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Teilurteils.

Gründe

Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

Auf das Schuldverhältnis zwischen den Parteien ist das Bürgerliche Gesetzbuch in der Fassung anzuwenden, die für ab dem 1. Januar 2002 und bis zum 31. Dezember 2017 geschlossene Verträge gilt, Art. 229 § 5 Satz 1, § 39 EGBGB.

I.

Das Berufungsgericht hat, soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt:

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei davon auszugehen, dass die Klägerin als vertragliches Leistungssoll Beton der Festigkeitsklasse B 25 (C 20/25) im eingebauten Zustand geschuldet, aber nicht erreicht habe, weshalb die Beklagte den Bauvertrag nach Ablauf der unter Kündigungsandrohung gesetzten und angemessenen Frist zur Mangelbeseitigung mit Schreiben vom 18. August 2006 gemäß § 8 Nr. 3 Abs. 1 i.V.m. § 4 Nr. 7 VOB/B (2002) wirksam habe kündigen können.

Eine von der Klägerin angeführte Unwirksamkeit von § 4 Nr. 7 VOB/B (2002) wegen Verstoßes gegen AGB-Recht stehe der Kündigung nicht entgegen. Im Grundsatz gelte, dass dann, wenn die VOB/B als Ganzes vereinbart worden sei, eine isolierte Inhaltskontrolle einzelner VOB/B-Bestimmungen auf der Grundlage der §§ 305 ff. BGB nicht in Betracht komme. Diesen Grundsatz habe der Bundesgerichtshof dahingehend eingeschränkt, dass jede vertragliche Abweichung von der VOB/B dazu führe, dass diese nicht als Ganzes vereinbart sei und eine Inhaltskontrolle möglich werde. Werde die VOB/B gegenüber einem Unternehmer verwendet, stelle sich seit dem Inkrafttreten des Forderungssicherungsgesetzes zum 1. Januar 2009 im Hinblick auf § 310 Abs. 1 Satz 3 BGB die Frage, wann von einer substanziellen Änderung der VOB/B auszugehen sei, nicht mehr. Der streitgegenständliche Bauvertrag datiere allerdings aus der Zeit vor dem 1. Januar 2009.

Es sei nicht zu erkennen, dass die VOB/B in Bezug auf den streitgegenständlichen Vertrag substanziell abgeändert worden sei. Die Klägerin verweise zwar auf die Regelung der Verjährungsfrist der Gewährleistungsansprüche in Nr. 19 der Zusätzlichen Vertragsbedingungen. Eine solche Änderung der Frist unterstellt, stünde dies der Annahme nicht entgegen, dass die VOB/B als Ganzes vereinbart worden sei. Nehme man das an, dann gelte auch vor dem 1. Januar 2009 der allgemeine Grundsatz, dass eine Inhaltskontrolle einzelner Klauseln nicht stattfinde, ohne dass es auf die Frage ankommen würde, ob die Beklagte überhaupt Verwenderin der VOB/B (2002) gewesen sei. Soweit in der Literatur der Standpunkt vertreten werde, dass gerade die § 4 Abs. 7, § 8 Abs. 3 VOB/B einer AGB-Inhaltskontrolle nicht standhielten, sei eine schlüssige Begründung für diese Annahme nicht erkennbar. Lasse sich nicht erkennen, dass durch den streitgegenständlichen Vertrag die VOB/B auch nur in Einzelpunkten substanziell habe geändert werden sollen, bestünden gegen die Wirksamkeit von § 8 Nr. 3, § 4 Nr. 7 VOB/B (2002) keine Bedenken.

II.

Dies hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann eine wirksame Kündigung des Vertrags durch die Beklagte nach § 4 Nr. 7 Satz 3 i.V.m. § 8 Nr. 3 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 VOB/B (2002) nicht angenommen werden. Deshalb können weder die Entscheidung über die wechselseitigen Zwischenfeststellungsklagen noch das Grundurteil betreffend die Ersatzvornahmekosten Bestand haben.

1. Das Berufungsgericht hat offengelassen, ob die Beklagte Verwenderin der VOB/B ist. Die Verwendereigenschaft der Beklagten ist daher revisionsrechtlich zu unterstellen.

2. Danach hat das Berufungsgericht die Eröffnung der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB rechtsfehlerhaft abgelehnt.

a) Das Berufungsgericht hat zu Unrecht für die Eröffnung der Inhaltskontrolle eine substanzielle Änderung der VOB/B durch zwischen den Parteien vereinbarte vertragliche Regelungen verlangt.

aa) Nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 16. Dezember 1982 (VII ZR 92/82, BGHZ 86, 135) unterlagen die Klauseln der VOB/B, die als vorformulierte Vertragsbedingungen Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne des § 305 1 Satz 1 BGB sind (vgl. nur BGH, Urteil vom 24. Juli 2008 – VII ZR 55/07 Rn. 10 m.w.N., BGHZ 178, 1), keiner Inhaltskontrolle, wenn der Verwender die VOB/B ohne ins Gewicht fallende Einschränkung übernommen hatte. Begründet wurde das damit, dass die VOB/B im Gegensatz zu anderen Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht nur die Interessen einer Vertragspartei verfolge, sondern im Ganzen einen einigermaßen ausgewogenen Ausgleich der beteiligten Interessen enthalte (BGH, Urteil vom 16. Dezember 1982 – VII ZR 92/82, BGHZ 86, 135, juris Rn. 27 ff.). Diese Rechtsprechung hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 22. Januar 2004 dahingehend modifiziert, dass jede vertragliche Abweichung von der VOB/B dazu führt, dass diese nicht als Ganzes vereinbart ist, unabhängig davon, welches Gewicht der Eingriff hat. Damit ist die Inhaltskontrolle auch dann eröffnet, wenn nur geringfügige inhaltliche Abweichungen von der VOB/B vorliegen. Ob eventuell benachteiligende Regelungen im vorrangigen Vertragswerk möglicherweise durch andere Regelungen “ausgeglichen” werden, ist unerheblich (BGH, Urteil vom 22. Januar 2004 – VII ZR 419/02, BGHZ 157, 346, juris Rn. 11).

bb) Danach ist – anders als vom Berufungsgericht angenommen – für die Eröffnung der Inhaltskontrolle eine substanzielle Abänderung der VOB/B nicht erforderlich. Dies gilt auf Grund der vorgenannten Rechtsprechung ungeachtet des Umstands, dass der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag aus der Zeit vor dem 1. Januar 2009 und damit vor Einführung von § 310 1 Satz 3 BGB datiert.

b) Die Inhaltskontrolle nach § 307 1 Satz 1 BGB ist eröffnet, weil nach dem zugunsten der Revision zu unterstellenden Sachverhalt die VOB/B nicht als Ganzes vereinbart war. Das Berufungsgericht hat – wie die Revision zu Recht rügt – entscheidungserheblichen Vortrag der Klägerin unberücksichtigt gelassen, obwohl er für die Beurteilung, ob die VOB/B (2002) als Ganzes zwischen den Parteien vereinbart worden ist, erheblich war. Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 16. Dezember 2019 vorgetragen, dass in den ursprünglich zwischen der S. GmbH und der Beklagten vereinbarten Besonderen Vertragsbedingungen, die auch in das Vertragsverhältnis zwischen ihr und der Beklagten einbezogen worden seien, mehrere im einzelnen benannte Regelungen von denen der VOB/B (2002) abweichen. So weicht, was die Klägerin zutreffend aufgezeigt hat, Ziffer II. 2. Abs. 3, wonach die Einheitspreise fest und unveränderbar sind, von § 2 Nr. 3 VOB/B (2002) ab. Die Regelung in Ziffer II. 11. Abs. 1, der zufolge der Auftraggeber Abschlagszahlungen bis zu 90 % der nachgewiesenen Leistungen zu leisten hat, modifiziert § 16 Nr. 1 Abs. 1 Satz 1 VOB/B (2002), da hiernach Abschlagszahlungen in Höhe von 100 % des Wertes der jeweils nachgewiesenen vertragsgemäßen Leistungen einschließlich des ausgewiesenen, darauf entfallenden Umsatzsteuerbetrages zu gewähren sind.

Unter Berücksichtigung dieses Vortrags ist die VOB/B nicht mehr als Ganzes zwischen den Parteien vereinbart, ohne dass es auf die vom Berufungsgericht aufgeworfene Frage ankommt, welche Bedeutung der Regelung der Verjährungsfrist in Ziffer Nr. 19 der Zusätzlichen Vertragsbedingungen zukommt.

III.

Das Berufungsurteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 561 ZPO) dar.

1. Ist die Beklagte Verwenderin der VOB/B und ist diese nicht als Ganzes vereinbart, kann die Beklagte die von ihr am 18. Juni 2006 ausgesprochene Kündigung nicht auf § 4 Nr. 7 Satz 3 i.V.m. § 8 Nr. 3 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 VOB/B (2002) stützen. § 4 Nr. 7 Satz 3 VOB/B (2002) hält ebenso wie die hierauf rückbezogene Bestimmung in § 8 Nr. 3 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 VOB/B (2002) bei Verwendung durch den Auftraggeber der Inhaltskontrolle nicht stand. Die Kündigungsregelung in § 4 Nr. 7 Satz 3 i.V.m. § 8 Nr. 3 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 VOB/B (2002), die inhaltlich den derzeit geltenden § 4 Abs. 7 Satz 3, § 8 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 Var. 1 VOB/B (2016) entspricht, benachteiligt den Auftragnehmer unangemessen im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB und ist daher unwirksam.

a) Nach § 8 3 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 VOB/B (2002) kann der Auftraggeber den Vertrag kündigen, wenn im Falle des § 4 Nr. 7 VOB/B (2002) die dem Auftragnehmer gesetzte Frist fruchtlos abgelaufen ist (Entziehung des Auftrags). Die Klausel in § 4 Nr. 7 VOB/B (2002), auf die sich dieses Kündigungsrecht bezieht, sieht in Satz 1 vor, dass der Auftragnehmer Leistungen, die schon während der Ausführung als mangelhaft oder vertragswidrig erkannt werden, auf eigene Kosten durch mangelfreie zu ersetzen hat. Kommt der Auftragnehmer der Pflicht zur Beseitigung des Mangels nicht nach, kann ihm gemäß Satz 3 der Auftraggeber eine angemessene Frist zur Beseitigung des Mangels setzen und erklären, dass er ihm nach fruchtlosem Ablauf der Frist den Auftrag entziehe (§ 8 Nr. 3). § 8 Nr. 3 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 VOB/B (2002) enthält mithin nicht selbst einen Kündigungsgrund, sondern greift rückbeziehend das in § 4 Nr. 7 Satz 3 VOB/B (2002) tatbestandlich geregelte Kündigungsrecht unter den dort niedergelegten Voraussetzungen auf. Die derart wechselbezüglich miteinander verknüpften Regelungen stellen allgemeiner Auffassung zufolge einen Anwendungsfall des Kündigungsrechts aus wichtigem Grund dar (vgl. Kapellmann/Messerschmidt/Lederer, 8. Aufl. 2023, VOB/B § 8 Rn. 93).

b) In Rechtsprechung und Literatur ist umstritten, ob § 4 7 Satz 3 VOB/B (2002) wegen unangemessener Benachteiligung des Auftragnehmers nach § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam ist (für die Unwirksamkeit Ingenstau/Korbion/Sienz, VOB Teile A und B, 22. Aufl., Anh. 3 Rn. 72; Kniffka/Jurgeleit/Schmitz, ibr-online-Kommentar Bauvertragsrecht, Stand: 15. November 2021, § 648a Rn. 89 ff.; Bolz/Jurgeleit/Karczewski, ibr-online Kommentar VOB/B, Stand: 24. August 2022, § 4 Rn. 368, 372; Bedenken an der Wirksamkeit äußernd Gartz in Nicklisch/Weick/Jansen/Seibel, VOB/B, 5. Aufl., § 4 Rn. 209 f.; Messerschmidt/Voit/Voit, Privates Baurecht, 4. Aufl., § 4 VOB/B Rn. 38; Glöckner/v. Berg/Vogelheim, Bau- und Architektenrecht, 2. Aufl., Teil III, § 4 Rn. 28; Leinemann/Kues/Geheeb, BGB-Bauvertragsrecht, 1. Aufl., § 648a Rn. 92; Graf von Westphalen/Thüsing/Pamp/Schmidt, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, 48. EL. März 2022, “Bauvertrag”, Rn. 22; Schenke, BauR 2008, 1972, 1977; für die Wirksamkeit OLG Koblenz, Urteil vom 28. Juli 2020 – 4 U 1282/17, juris Rn. 87 ff.; LG Bremen, Zwischenurteil vom 20. Juni 2019 – 2 O 2021/10, juris Rn. 122 ff.; OLG Bamberg, Beschluss vom 4. Juni 2007 – 3 U 31/07, juris Rn. 15 ff.; Schrader, jurisPR-PrivBauR 5/2020 Anm. 3).

c) Der Senat entscheidet die Frage dahingehend, dass § 4 7 Satz 3 i.V.m. § 8 Nr. 3 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 VOB/B (2002) mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung der Voraussetzungen einer Kündigung eines Werkvertrags aus wichtigem Grund, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist. Die Klauseln benachteiligen den Auftragnehmer unangemessen und sind deshalb gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam.

aa) Nach § 307 1 Satz 1 BGB ist eine formularmäßige Vertragsbestimmung unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt. Letzteres ist der Fall, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen (vgl. BGH, Urteil vom 30. März 2017 – VII ZR 170/16 Rn. 17, BauR 2017, 1202). Eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners des Verwenders wird nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB vermutet, wenn eine klauselmäßige Abweichung von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung gegeben ist. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB und damit für die Bestimmung der für die Beurteilung einer unangemessenen Benachteiligung heranzuziehenden wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung im Sinne von § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB ist der Vertragsschluss (vgl. BGH, Urteil vom 25. Juni 2014 – VIII ZR 344/13 Rn. 31 m.w.N., BGHZ 201, 363). Entscheidend sind die durch die Klausel konkret verdrängten gesetzlichen Vorschriften, die im Streitfall auf das vertraglich begründete Rechtsverhältnis anwendbar wären (vgl. BGH, Urteil vom 8. Oktober 1987 – VII ZR 185/86, BGHZ 102, 41, juris Rn. 20). Die “gesetzlichen Regelungen” im Sinne von § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB erfassen dabei nicht nur Gesetze im materiellen Sinn, sondern auch ungeschriebenes Recht, wozu auch das Richterrecht sowie die von der Rechtsprechung und Rechtslehre durch Auslegung, Analogie oder Rechtsfortbildung aus den allgemeinen Grundgedanken eines Rechtsgebiets oder im Wege ergänzender Vertragsauslegung aus der Natur eines Schuldverhältnisses erarbeiteten und anerkannten Rechtssätze gehören (vgl. BGH, Urteil vom 9. April 2002 – XI ZR 245/01, BGHZ 150, 269, juris Rn. 23). Die Vermutung ist widerlegt, wenn die Abweichung vom gesetzlichen Leitbild auf Grundlage einer umfassenden Interessensabwägung sachlich gerechtfertigt und der gesetzliche Schutzzweck auf andere Weise sichergestellt ist (BGH, Urteil vom 27. April 2021 – XI ZR 26/20 Rn. 24 m.w.N., BGHZ 229, 344).

bb) Die Regelung in § 4 7 Satz 3 i.V.m. § 8 Nr. 3 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 VOB/B (2002) unterliegt uneingeschränkter revisionsrechtlicher Nachprüfung. Zwar sind Allgemeine Geschäftsbedingungen keine Rechtsnormen, so dass ihre Auslegung grundsätzlich Sache des Tatrichters ist. Sie sind aber wie revisible Rechtsnormen zu behandeln und infolgedessen vom Revisionsgericht frei auszulegen, da bei ihnen ungeachtet der Frage, ob sie über den räumlichen Bezirk eines Berufungsgerichts hinaus Verwendung finden, ein Bedürfnis nach einheitlicher Handhabung besteht (BGH, Urteil vom 12. Mai 2016 – VII ZR 171/15 Rn. 41, BGHZ 210, 206; Urteil vom 9. April 2014 – VIII ZR 404/12 Rn. 25, BGHZ 200, 362; Urteil vom 13. November 2012 – XI ZR 500/11 Rn. 15, BGHZ 195, 298).

cc) Allgemeine Geschäftsbedingungen sind gemäß ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Dabei ist in erster Linie der Wortlaut der auszulegenden Klausel maßgeblich. Diese Auslegungsgrundsätze gelten auch für die VOB/B (BGH, Urteil vom 9. Juli 2015 – VII ZR 5/15 26 m.w.N., BGHZ 206, 203).

Ist der Wortlaut nicht eindeutig, kommt es entscheidend darauf an, wie die Klausel aus der Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist (vgl. BGH, Urteil vom 8. September 2021 – VIII ZR 97/19 Rn. 22, RdE 2022, 23). Dabei sind auch der Sinn und Zweck einer Klausel sowie systematische Gesichtspunkte zu berücksichtigen. Eine Formularklausel ist vor dem Hintergrund des gesamten Formularvertrags zu interpretieren (vgl. BGH, Urteil vom 8. September 2021 – VIII ZR 97/19 Rn. 23, RdE 2022, 23; Urteil vom 10. Juni 2020 – VIII ZR 289/19 Rn. 30, MDR 2020, 1047, jeweils m.w.N.). Sind nach Ausschöpfung aller in Betracht kommenden Auslegungsregeln mehrere Auslegungen rechtlich vertretbar, gehen Zweifel bei der Auslegung gemäß § 305c Abs. 2 BGB zu Lasten des Verwenders. Außer Betracht bleiben Verständnismöglichkeiten, die zwar theoretisch denkbar, praktisch aber fernliegend und nicht ernstlich in Erwägung zu ziehen sind (vgl. BGH, Urteil vom 5. Mai 2022 – VII ZR 176/20 Rn. 30, NJW 2022, 2467; Urteil vom 20. Juli 2017 – VII ZR 259/16 Rn. 19, BauR 2017, 1995; Urteil vom 5. November 2015 – VII ZR 59/14 Rn. 21 m.w.N., NJW 2016, 242). Nach diesen Grundsätzen ist auch im Individualprozess gemäß § 305c Abs. 2 BGB die kundenfeindlichste Auslegung zugrunde zu legen, wenn diese im Rahmen einer vorzunehmenden Inhaltskontrolle zur Unwirksamkeit der Klausel führt und dadurch den Vertragspartner des Verwenders begünstigt (BGH, Urteil vom 12. Mai 2016 – VII ZR 171/15 Rn. 42, BGHZ 210, 206, jeweils m.w.N.).

dd) Nach diesen Grundsätzen ist für § 4 7 Satz 3 i.V.m. § 8 Nr. 3 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 VOB/B (2002) von einem Klauselverständnis auszugehen, wonach bei ganz geringfügigen und unbedeutenden Vertragswidrigkeiten oder Mängeln die Kündigung aus wichtigem Grund eröffnet ist.

(1) Nach dem Wortlaut von § 4 Nr. 7 Satz 3 i.V.m. § 8 Nr. 3 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 VOB/B (2002) kann der Auftraggeber dem Auftragnehmer den Auftrag entziehen, wenn eine mangelhafte oder vertragswidrige Leistung in der Ausführungsphase aufgetreten ist, die der Auftragnehmer trotz Fristsetzung und Kündigungsandrohung nicht beseitigt hat. Weitere Voraussetzungen im Hinblick darauf, dass die Kündigung nach § 8 Nr. 3 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 Var. 1 VOB/B (2002) eine solche aus wichtigem Grund ist, enthalten weder § 4 Nr. 7 Satz 3 VOB/B (2002) noch § 8 Nr. 3 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 Var. 1 VOB/B (2002).

Die Sanktion der Kündigung aus wichtigem Grund kann danach einschränkungslos in jedem denkbaren Fall festgestellter Vertragswidrigkeit oder Mangelhaftigkeit ausgesprochen werden. Diese Möglichkeit besteht losgelöst davon, welches Gewicht der Vertragswidrigkeit oder dem Mangel im Hinblick auf die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses zukommt. § 4 Nr. 7 Satz 3 VOB/B (2002) differenziert nicht nach der Ursache, der Art, dem Umfang, der Schwere oder den Auswirkungen der Vertragswidrigkeit oder des Mangels, so dass selbst unwesentliche Mängel, die den Auftraggeber nach § 640 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht zur Verweigerung der Abnahme berechtigen würden, zur Kündigung aus wichtigem Grund führen können.

Die Fristsetzung und die Auftragsentziehungsandrohung sind lediglich als einzuhaltende Förmlichkeiten formuliert, so dass der Auftraggeber den Vertrag auch dann aus wichtigem Grund kündigen kann, wenn der Fristsetzung kein anerkennenswertes eigenes Interesse an der fristgerechten Beseitigung der vertragswidrigen oder mangelhaften Leistung zugrunde liegt oder die Auftragsentziehung angedroht wird, ohne dass ein berechtigtes Interesse an der vorzeitigen Vertragsbeendigung besteht.

(2) Aus der systematischen Stellung und dem Regelungszusammenhang der Klauseln ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass ganz geringfügige und unbedeutende Vertragswidrigkeiten oder Mängel kein Kündigungsrecht aus wichtigem Grund begründen könnten. § 4 Nr. 7 Satz 3 VOB/B (2002) knüpft an das dem Auftraggeber in § 4 Nr. 7 Satz 1 VOB/B (2002) ausbedungene Recht an, bereits während der Ausführung die Beseitigung als vertragswidrig oder mangelhaft erkannter Leistungen fordern zu können. § 4 Nr. 7 Satz 1 VOB/B (2002) differenziert seinerseits ebenfalls nicht nach der Ursache, der Art, dem Umfang, der Schwere oder den Auswirkungen der Vertragswidrigkeit oder des Mangels.

(3) Bei anderem Klauselverständnis (vgl. zur Mehrdeutigkeit der Regelung von Kiedrowski, Festschrift für Leupertz (2021), S. 333, 350 f.), wonach ein Auftraggeber dem Auftragnehmer den Auftrag nur bei Vertragswidrigkeiten oder Mängeln entziehen darf, welche so gewichtig sind, dass dem Auftraggeber die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses nicht zugemutet werden kann, wäre aufgrund der Unklarheitenregelung des § 305c Abs. 2 BGB der Angemessenheitsprüfung nach § 307 Abs. 1, 2 BGB gleichwohl die Auslegung zugrunde zu legen, wonach die Kündigung als Reaktion auch auf eine nur geringfügige, unbedeutende oder unwesentliche Vertragswidrigkeit oder Mangelhaftigkeit in der Ausführungsphase möglich ist.

ee) Ausgehend von dem hiernach maßgeblichen Klauselverständnis widerspricht § 4 7 Satz 3 i.V.m. § 8 Nr. 3 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 VOB/B (2002) dem gesetzlichen Leitbild im Sinne von § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB und ist deshalb gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam.

(1) Die Kündigungsregelung nach § 4 Nr. 7 Satz 3 i.V.m. § 8 Nr. 3 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 VOB/B (2002) ist anhand der richterrechtlich entwickelten Grund-sätze zu messen, nach denen der Auftraggeber einen Werkvertrag aus wichtigem Grund kündigen kann.

Das Recht eines Auftraggebers, einen Werkvertrag aus wichtigem Grund zu kündigen, ist für ab dem 1. Januar 2002, aber vor Einführung von § 648a BGB geschlossene Verträge – wie dem streitgegenständlichen – richterrechtlich anerkannt und folgt aus dem Rechtsgedanken des § 314 BGB (BGH, Urteil vom 7. April 2016 – VII ZR 56/15 Rn. 40 m.w.N., BGHZ 210, 1).

(2) Voraussetzung einer Kündigung aus wichtigem Grund ist, dass der Auftragnehmer durch ein den Vertragszweck gefährdendes Verhalten die vertragliche Vertrauensgrundlage zum Auftraggeber derart erschüttert hat, dass diesem unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses nicht zugemutet werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 10. Oktober 2019 – VII ZR 1/19 Rn. 23, 31, BGHZ 223, 260; Urteil vom 8. März 2012 – VII ZR 118/10 Rn. 22, BauR 2012, 949 = NZBau 2012, 357).

Eine vertragswidrige oder mangelhafte Werkleistung in der Ausführungsphase kann im Hinblick auf die zu berücksichtigende Dispositionsfreiheit des Auftragnehmers nur dann ein wichtiger Grund sein, wenn weitere Umstände hinzutreten, die die Unzumutbarkeit der Vertragsfortsetzung für den Auftraggeber begründen. Solche können sich im Einzelfall aus Umständen ergeben, die einen Bezug zu der potenziell mangelhaften oder vertragswidrigen Leistung aufweisen, sofern diese in der Gesamtabwägung so schwer wiegen, dass sie zu einer tiefgehenden Störung der für die Fortsetzung des Vertrags notwendigen Vertrauensbeziehung geführt haben. Ein berechtigtes Interesse des Auftraggebers, die Fertigstellung durch den Auftragnehmer nicht mehr abwarten zu müssen, kann etwa aus der Ursache, der Art, dem Umfang, der Schwere oder den Auswirkungen der Vertragswidrigkeit oder des Mangels folgen.

(3) Die Kündigungsregelung in § 4 Nr. 7 Satz 3 i.V.m. § 8 Nr. 3 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 VOB/B (2002) weicht nach dem maßgeblichen Klauselverständnis von diesen wesentlichen Grundgedanken ab. Hiernach kann der Auftraggeber die Kündigung losgelöst von diesen Kriterien und – bis zur Grenze des Rechtsmissbrauchs – selbst bei Geringfügigkeit der Vertragswidrigkeiten oder Mängel während der Ausführungsphase aussprechen.

(4) Diese Abweichung von dem wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung benachteiligt den Auftragnehmer unangemessen nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB, denn die Vermutung nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB ist nicht widerlegt. Weder wird die unangemessene Benachteiligung durch andere der Klägerin von der Beklagten gewährte Vorteile kompensiert noch rechtfertigen besondere Umstände bezogen auf die Durchführung und Abwicklung von Bauleistungen diese.

ff) § 8 3 Abs. 1 Satz 1 VOB/B (2002) behält im Übrigen – soweit die Bestimmung nicht auf § 4 Nr. 7 VOB/B (2002) rückbezogen ist – seine Wirksamkeit. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs können inhaltlich voneinander trennbare, einzeln aus sich heraus verständliche Regelungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen auch dann Gegenstand einer gesonderten Wirksamkeitsprüfung sein, wenn sie in einem äußeren sprachlichen Zusammenhang mit anderen – unwirksamen – Regelungen stehen. Nur wenn der als wirksam anzusehende Teil im Gesamtgefüge des Vertrags nicht mehr sinnvoll, insbesondere der als unwirksam beanstandete Klauselteil von so einschneidender Bedeutung ist, dass von einer gänzlich neuen, von der bisherigen völlig abweichenden Vertragsgestaltung gesprochen werden muss, ergreift die Unwirksamkeit der Teilklausel die Gesamtklausel. Die inhaltliche Trennbarkeit einer Klausel und damit ihre Zerlegung in einen inhaltlich zulässigen und einen inhaltlich unzulässigen Teil ist immer dann gegeben, wenn der unwirksame Teil der Klausel gestrichen werden kann, ohne dass der Sinn des anderen Teils darunter leidet (sog. blue-pencil-test); ob beide Bestimmungen den gleichen Regelungsgegenstand betreffen, ist dabei unerheblich (vgl. nur BGH, Urteil vom 6. April 2022 – VIII ZR 295/20 Rn. 45 m.w.N., NJW 2022, 1944).

Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs erstreckt sich die Unwirksamkeit der ersten in § 8 Nr. 3 Abs. 1 Satz 1 VOB/B (2002) geregelten Variante nicht auf die übrigen Kündigungstatbestände. Der Passus in § 8 Nr. 3 Abs. 1 Satz 1 VOB/B (2002), der die Bezugnahme auf den Kündigungsgrund des § 4 Nr. 7 VOB/B (2002) enthält, kann gestrichen werden, ohne dass die Klausel des § 8 Nr. 3 Abs. 1 Satz 1 VOB/B (2002) insgesamt ihren Sinn einbüßt.

2. Der Senat kann nicht entscheiden, ob die Beklagte außerhalb des Anwendungsbereichs von § 8 Nr. 3 Abs. 1 Satz 1 VOB/B (2002) nach dem gemäß § 306 Abs. 1 BGB zu prüfenden dispositiven Recht ein Recht zur Kündigung aus wichtigem Grund hatte. Dazu, ob die Beklagte den Vertrag nach den richterrechtlich entwickelten Grundsätzen zur Kündigung aus wichtigem Grund kündigen konnte, hat das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen.

IV.

Das angefochtene Urteil ist danach aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO) und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

Kurz belichtet: Achtung Hochbau-Planer: Bei Mitwirkung an Vergabeverfahren haftet der Planer bei Rückforderung von Fördermitteln

Kurz belichtet: Achtung Hochbau-Planer: Bei Mitwirkung an Vergabeverfahren haftet der Planer bei Rückforderung von Fördermitteln

Im Ergebnis einer Prüfung über die Fördermittelverwendung widerrief der Zuwendungsgeber den zu Gunsten der Stadt erteilten Zuwendungsbescheid für die Erneuerung des Dachs des Dorfgemeinschaftshauses unter Inanspruchnahme von Fördermitteln aus dem EU-Programm Europäischer Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) mit Wirkung für die Vergangenheit vollständig. Der Widerruf wurde mit verschiedenen vergaberechtlichen Verstöße bei der Vergabe aller drei Lose begründet (u. a. unzureichend bereitgestellte Formblätter, Verstoß gegen das Nachverhandlungsverbot, unzureichende Dokumentation von Nachforderungen, Ignorieren einer unzulässigen Abänderung der Vergabeunterlagen). Zur Unterstützung der Maßnahme band die Stadt ein Architektenbüro ein. Konkret wurde das Büro im Leistungsbild „Objektplanung für Gebäude“ im Sinne von § 34 HOAI 2013 mit den Grundleistungen entsprechend der LPh 1 bis 3 (Grundlagenermittlung, Vor- und Entwurfsplanung) und 5 bis 9 (Ausführungsplanung, Vorbereitung der und Mitwirkung bei der (Bau-) Vergabe, Objektüberwachung, Objektbetreuung) beauftragt. Das Architektenbüro erstellte die Leistungsverzeichnisse sowie die weitere Vergabeunterlagen, bereitete die Veröffentlichung über eine Vergabeplattform vor, prüfte die eingegangenen Angebote und erstellte schließlich einen „Wertungsbericht“, in dem es auf der Grundlage einer von ihm vorgenommenen förmlichen, rechnerischen und inhaltlichen Prüfung der Angebote eine Vergabeempfehlung aussprach. Entsprechend dieser Vergabeempfehlung erteilte die Stadt jeweils losweise die Zuschläge.

Hierzu das OLG Naumburg, Urteil vom 16.12.2022 – 7 U 40/22: Schuldet ein Planer einem öffentlichen Auftraggeber sämtliche Grundleistungen der Leistungsphasen 6 “Vorbereitung der Vergabe” und 7 “Mitwirkung bei der Vergabe” des Leistungsbildes des § 34 HOAI können sich aus dem Ingenieurvertrag Regressansprüche ergeben, wenn die Auftragsvergabe fehlerhaft war. Die Übernahme der Organisation und Abwicklung des Vergabeverfahrens ist grundsätzlich eine zulässige rechtsberatende Nebenleistung des Planers.

Architekten- und natürlich auch Ingenieurbüros sollten im Zusammenhang des öffentlichen Beschaffungswesens wie bisher, so auch fortgesetzt äußerst vorsichtig sein und die Grenzen ihrer fachlichen Qualifikation gut kennen. Nicht selten zeigt die Praxis, dass – oft mit „guter Absicht“ – Auftraggebern „geholfen“ wird. Wie z. B. Das Urteil des OLG Naumburg zeigt, geht das schnell schief. Für vergaberechtliche Fragen gibt es Spezialisten. Denn schon die Frage, inwieweit Architekten und Ingenieure überhaupt berechtigt sind, im Rahmen von Vergabeverfahren Rechtsberatungsleistungen zu erbringen, bildet immer wieder Anlass zu Streitigkeiten. Denn zulässig sind für Angehörige dieser Berufsgruppen lediglich „rechtsberatende Nebenleistungen“. „Echte“ Rechtsberatung dürfen dagegen nur solche Personen erbringen, die über eine Zulassung zur Rechtsanwaltschaft verfügen. Und die Grenzen zwischen „rechtsberatender Nebenleistung“ und „echter Rechtsberatung“ sind fließend. Ungeachtet schon dieses sehr problematischen Streitpunkts zeigt das vorliegende Urteil des OLG Naumburg einmal mehr deutlich, wie wichtig es für Planer, die (Bau-) Vergabeverfahren „begleiten“, ist, ihre eigenen Fähigkeiten und Kapazitäten im Bereich des zunehmend komplexen, für Laien nicht selten unüberschaubaren Vergaberechts realistisch einzuschätzen. Bestehen Zweifel darüber, ob das Vergaberecht in all seinen Ausprägungen und Auswirkungen vollumfassend beherrscht wird, müssen im Planervertrag unbedingt klare Regelungen zur Reichweite und zu den Grenzen der vom Planer übernommenen Rechtsdienstleistungen und Verantwortlichkeiten getroffen werden. Außerdem sollte das Planungsbüro unbedingt den Auftraggeber/ Bauherren klar und unmißverständlich auf etwaige Kompetenzgrenzen im Bereich des Vergaberechts hinweisen. Und unter Umständen empfiehlt es sich auch, Bedenken mitzuteilen bzw. auch Behinderung anzuzeigen oder auch auf die Inanspruchnahme zusätzlicher (interner oder externer) vergaberechtlicher Expertise in Form kompetenter Rechtsberatung hinwirken. Andernfalls droht den Planungsbüros eine Haftung für finanzielle Schäden, die der Auftraggeber durch etwaige Vergabefehler erleidet. Dies kann nicht nur Schäden durch Rückforderungen von Fördermitteln betreffen, sondern z. B. auch Schäden durch Verzögerungen bei der Auftragserteilung. Und bei allem sollten die Architekten und Ingenieure nicht übersehen, dass durch fehlerhafte Anwendung vergaberechtlicher „Spielregeln“ verursachte Schäden durch die eigene Haftpflichtversicherung regelmäßig nicht gedeckt sind, der betroffene Planer also den Schaden selbst regulieren muss.

Einbeziehung der VOB/B in den Vertrag?

Einbeziehung der VOB/B in den Vertrag?

von Thomas Ax

Gemäß § 305 Abs. 2 Nr. 2 BGB muss, um die VOB/B, bei denen es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen handelt, in den Vertrag einzubeziehen, die Möglichkeit verschafft werden, in zumutbarer Weise von ihrem Inhalt Kenntnis zu nehmen, wobei einem Verbraucher im Regelfall die tatsächliche Einsichtsmöglichkeit verschafft oder der Text der VOB/B übergeben werden muss (vgl. Wieseler in BeckOK VOB/B, Stand: 31.07.2021, § 1 Abs. 1 Rn. 14; Sacher in Beck’scher VOB-Kommentar, Teil B, 3. Aufl., Einleitung Rn. 87 ff.). Bereits daran scheitert die Einbeziehung der VOB/B in den Vertrag.

Geringere Anforderungen an die Kenntnisnahmemöglichkeit können zwar dann bestehen, wenn der Verbraucher beim Vertragsschluss durch einen Architekten oder einer anderen im Baugewerbe tätigen Person vertreten wird (vgl. Senat, Urteil vom 19.08.2014 – 24 U 41/14, NJW 2015, 960; OLG Stuttgart, Urteil vom 24.07.2012 – 10 U 56/12, BeckRS 2014, 8715; Wieseler in BeckOK VOB/B, Stand: 31.07.2021, § 1 Abs. 1 Rn. 15); auch dafür ist jedoch nichts vorgetragen oder ersichtlich.

Gemäß § 305 Abs. 2 Nr. 1 BGB ist darüber hinaus ein ausdrücklicher Hinweis auf die Verwendungsabsicht erforderlich. Ein solcher Hinweis darf dabei insbesondere nicht an versteckter oder unvermuteter Stelle erfolgen, sondern muss so erfolgen, dass er von einem Durchschnittskunden auch bei flüchtiger Betrachtung nicht übersehen werden kann, also unmissverständlich und für den Kunden klar erkennbar ist (vgl. BGH, Urteil vom 18.06.1986 – VIII ZR 137/85, NJW-RR 1987, 112; Sacher in Beck’scher VOB-Kommentar, Teil B, 3. Aufl., Einleitung Rn. 86; Lehmann-Richter in BeckOGK, Stand: 01.09.2021, § 305 BGB Rn. 214; Becker in BeckOK BGB, Stand: 01.05.2021, § 305 Rn. 48; Basedow in MünchKommBGB, 8. Aufl., § 305 Rn. 64).

Lieferung und Montage von Fenstern und Türen als Werkvertrag?

Lieferung und Montage von Fenstern und Türen als Werkvertrag?

von Thomas Ax

Handelt es sich um einen Werkvertrag im Sinne der §§ 631 ff. BGB oder um einen Kaufvertrag resp. einen Werklieferungsvertrag mit Montageverpflichtung? Das kommt drauf an!

Die Abgrenzung des Kaufvertrags mit Montageverpflichtung, der vom Gesetz in § 434 Abs. 2 BGB a.F. bzw. § 434 Abs. 4 BGB n.F. anerkannt ist, von dem Werkvertrag erfolgt danach, wo der Schwerpunkt der vertraglichen Pflichten liegt – in der Übergabe und Übereignung von (herzustellenden) Sachen oder in der Herbeiführung des jeweiligen Gesamterfolgs durch Lieferung und Montage von Einzelteilen oder in eine andere Sache einzupassenden Gegenständen – bzw. welche Leistungspflichten dem Vertrag sein Gepräge geben (vgl. BGH, Urteil vom 10.04.2019 – VIII ZR 244/16, NJW-RR 2019, 1069 Rn. 17; Urteil vom 30.08.2018 – VII ZR 243/17, NJW 2018, 3380 Rn. 25; Urteil vom 13.07.2016 – VIII ZR 49/15, NJW 2016, 3654 Rn. 22; Urteil vom 02.06.2016 – VII ZR 348/13 NJW 2016, 2876 Rn. 11; Urteil vom 07.03.2013 – VII ZR 162/12, NJW 2013, 1431 Rn. 18; Urteil vom 22.12.2005 – VII ZR 183/04, NJW 2006, 904 Rn. 12; Urteil vom 22.07.1998 – VIII ZR 220/97, NJW 1998, 3197; OLG Dresden, Urteil vom 02.02.2016 – 6 U 1271/15, NJW-RR 2016, 724 Rn. 25; Merkle in BeckOGK, Stand: 01.07.2022, § 631 BGB Rn. 157; ders. a.a.O., § 650 BGB Rn. 21; Faust in BeckOK BGB, Stand: 01.08.2022, § 433 Rn. 17; ders. a.a.O., § 434 Rn. 135; Westermann in MünchKommBGB, 8. Aufl., Vor § 433 Rn. 16; Busche a.a.O., § 650 Rn. 9; ders. a.a.O., § 631 Rn. 156; Weidenkaff in Grüneberg, 81. Aufl., Einf v § 433 Rn. 18 f.; Retzlaff a.a.O., Einf v § 631 Rn. 8; ders. a.a.O., § 650 Rn. 5 und 8).

Verschiedentlich wird bei der Beurteilung, wo der Schwerpunkt des Vertrags liegt, darauf abgestellt, welcher Vergütungsteil auf die Montageverpflichtung entfällt (vgl. etwa BGH, Urteil vom 10.04.2019 – VIII ZR 244/16, NJW-RR 2019, 1069 Rn. 17: „Verkaufspreis“ mehr als 75 % des Gesamtpreises), oder darauf, ob die Montageverpflichtungen von untergeordneter Bedeutung sind (vgl. BGH, Urteil vom 13.07.2016 – VIII ZR 49/15, NJW 2016, 3654 Rn. 22 bei einem „Montagepreis“ von etwa 5,5 %).

Nach zutreffender Auffassung kommt es für die Abgrenzung allerdings in erster Linie auf eine qualitative Gesamtbewertung an (vgl. BGH, Urteil vom 21.02.2019 – I ZR 98/17, NJW 2019, 2322 Rn. 75; Urteil vom 30.08.2018 – VII ZR 243/17, NJW 2018, 3380 Rn. 25; Urteil vom 19.07.2018 – VII ZR 19/18, BeckRS 2018, 17582 Rn. 19; Urteil vom 02.06.2016 – VII ZR 348/13, NJW 2016, 2876 Rn. 11; OLG Frankfurt, Urteil vom 25.02.2019 – 29 U 81/18, NJW 2019, 2332 Rn. 6; Retzlaff in Grüneberg, 81. Aufl., § 650 Rn. 7).

Entscheidend ist mithin, ob aufgrund der gebotenen Gesamtbetrachtung davon gesprochen werden kann, dass der Schwerpunkt des Vertrags nicht auf dem Warenumsatz, sondern in der Herstellung eines funktionstauglichen Werks zu sehen ist (vgl. BGH, Urteil vom 30.08.2018 – VII ZR 243/17, NJW 2018, 3380 Rn. 25). Die Rechtsprechung geht danach bei Verträgen, bei denen die passgenaue Herstellung und der passgenaue Einbau von Treppen, Fenstern, Türen, Aufzügen etc. in ein Gebäude im Vordergrund steht, regelmäßig von dem Vorliegen eines Werkvertrags aus (vgl. BGH, Urteil vom 30.08.2018 – VII ZR 243/17, NJW 2018, 3380 Rn. 25; Urteil vom 02.06.2016 – VII ZR 348/13, NJW 2016, 2876 Rn. 11; OLG Frankfurt, Urteil vom 25.02.2019 – 29 U 81/18, NJW 2019, 2332 Rn. 6; Retzlaff in Grüneberg, 81. Aufl., § 650 Rn. 7).

Demgegenüber ist etwa die Lieferung von Bauteilen ohne Einbau bzw. die Lieferung von Türen oder Fenstern nach Maß ohne Einbau als Kaufvertrag qualifiziert worden (vgl. BGH, Urteil vom 23.07.2009 – VII ZR 151/08, NJW 2009, 2877 Rn. 13 f.; OLG Nürnberg, Schlussurteil vom 11.10.2005 – 9 U 804/05, BeckRS 2011, 18331), wohingegen die Lieferung von Fenstern, Türen und Markisen, die einzubauen sind, als Werkvertrag angesehen worden ist (OLG Düsseldorf, Urteil vom 01.06.2012 – 22 U 159/11, NJW 2013, 618), wie auch die Lieferung und der Einbau eines Ofens oder einer Schließanlage (vgl. OLG Dresden, Urteil vom 02.02.2016 – 6 U 1271/15, NJW-RR 2016, 724 Rn. 25; OLG Koblenz, Hinweisbeschluss vom 30.07.2012 – 5 U 492/12, NJW 2012, 3380).

Es wird in der Kommentarliteratur auch allgemein davon gesprochen, dass Leistungen, die an einem Grundstück oder einem Gebäude ausgeführt werden und diesem zu Gute kommen, grundsätzlich als werkvertragliche Leistungen anzusehen seien (Busche in MünchKommBGB, 8. Aufl., § 650 Rn. 10).

Entscheidend ist:

Geht es den Parteien in erster Linie um die Übergabe und Übereignung der Fenster?

Sondern gerade auch und vorrangig um die fachgerechte Herstellung des Gebäudes, zu dem maßgeblich auch Fenster und Türen gehören?