Ax Hochbaurecht

Kurz belichtet – Übernahme des Mangelbeseitigungsrisikos durch ungeeignete Mangelbeseitigungsmaßnahme?

Kurz belichtet - Übernahme des Mangelbeseitigungsrisikos durch ungeeignete Mangelbeseitigungsmaßnahme?

LG Lübeck, Urteil vom 18.04.2024 – 10 O 222/22

Ergreift ein mit der Sanierung eines bestehenden Baumangels beauftragtes Unternehmen hierfür ungeeignete Maßnahmen, verschlechtert dadurch das anfängliche Ergebnis und nimmt dem primär für den Schaden verantwortlichen Bauunternehmen damit eine realistische, aber keine völlig sichere Gelegenheit zur kostengünstigeren Mangelbeseitigung durch eine Alternativmaßnahme, geht deswegen das Mangelbeseitigungsrisiko nicht insgesamt auf das mit der Sanierung beauftragte Unternehmen über (konkret: ungeeigneter Versuch der nachträglichen Abdichtung einer mangelhaft ausgeführten “weißen Wanne” durch Durchbohren der Kelleraußenwände und Vergelung von außen).

BGH zu der Frage, dass der Tatrichter, wenn es um die Beurteilung einer Fachwissen voraussetzenden Frage geht – auch im Rahmen der grundsätzlich seinem Ermessen unterliegenden Schadensschätzung (§ 287 ZPO) – auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens nur verzichten darf, wenn er entsprechende eigene besondere Sachkunde auszuweisen vermag und wenn er bei seiner Entscheidung eigene Sachkunde in Anspruch nehmen will, den Parteien zuvor einen entsprechenden Hinweis erteilen und ihnen Gelegenheit geben, auf den Hinweis zu reagieren und ihren Tatsachenvortrag zu ergänzen

BGH zu der Frage, dass der Tatrichter, wenn es um die Beurteilung einer Fachwissen voraussetzenden Frage geht - auch im Rahmen der grundsätzlich seinem Ermessen unterliegenden Schadensschätzung (§ 287 ZPO) - auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens nur verzichten darf, wenn er entsprechende eigene besondere Sachkunde auszuweisen vermag und wenn er bei seiner Entscheidung eigene Sachkunde in Anspruch nehmen will, den Parteien zuvor einen entsprechenden Hinweis erteilen und ihnen Gelegenheit geben, auf den Hinweis zu reagieren und ihren Tatsachenvortrag zu ergänzen

vorgestellt von Thomas Ax

Zur Verletzung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) durch die Nichteinholung eines Sachverständigengutachtens aufgrund der Inanspruchnahme eigener Sachkunde des Gerichts im Rahmen der Schadensschätzung (hier entgangener Gewinn, § 252 Satz 2 BGB, § 287 Abs. 1 ZPO; im Anschluss an BVerfG, NJW 2003, 1655, unter II. 1.; BVerfG, Beschluss vom 09.10.2007 – 2 BvR 1268/03, BeckRS 2007, 28255; ; BVerfG, NJW 2021, 50, Rn. 20; BGH, Urteil vom 06.12.1995 – VIII ZR 270/94, NJW 1996, 584, unter II. 3. b) cc); Beschluss vom 09.01.2018 – VI ZR 106/17, NJW 2018, 2730, Rn. 16 = IBR 2018, 424 ).
BGH, Beschluss vom 26.03.2024 – VIII ZR 89/23
vorhergehend:
OLG Brandenburg, 15.08.2023 – 7 U 40/20
OLG Brandenburg, 12.04.2023 – 7 U 40/20
LG Potsdam, 05.02.2020 – 6 O 85/17


Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 26. März 2024 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Bünger, die Richter Kosziol und Dr. Schmidt sowie die Richterinnen Wiegand und Dr. Böhm

beschlossen:

Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten wird das Urteil des Brandenburgischen Oberlandesgerichts – 7. Zivilsenat – vom 12. April 2023 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 15. August 2023 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Beklagte ihre Verurteilung zur Zahlung der Höhe nach angreift.

Im Übrigen wird die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem vorstehend genannten Urteil zurückgewiesen.

Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Der Gegenstandswert für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren wird auf 350.000 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

1

Die Klägerin nimmt nach einem Unternehmenskauf die Beklagte wegen pflichtwidriger Konkurrenztätigkeit zuletzt auf Zahlung entgangenen Gewinns in Anspruch.

2

Die Beklagte war Gründerin, Alleingesellschafterin und Geschäftsführerin der K. S. GmbH (im Folgenden: K. S. GmbH), deren Geschäftsgegenstand die Betreuung schwerstkranker Kinder ist. Im April 2015 veräußerte sie ihre Anteile an der Gesellschaft zu einem Kaufpreis von 2 Mio. EUR an die Klägerin. Diese ist (als Konzernmutter) mit mehreren Gesellschaften ebenfalls im Bereich der Kinderintensivpflege tätig. Der Geschäftsanteilskauf- und Übertragungsvertrag der Parteien enthielt ein “Wettbewerbs- und Abwerbeverbot”, wonach sich die Beklagte verpflichtete, für die Dauer von 30 Monaten nach dem Kauf keine Konkurrenztätigkeit auf dem Gebiet der Betreuung schwerstkranker Kinder – auch nicht durch Gründung eines Unternehmens – auszuüben und keine Mitarbeiter der K. S. GmbH abzuwerben.

3

Die Beklagte blieb zunächst Geschäftsführerin der veräußerten Gesellschaft. Nachdem es zu Unstimmigkeiten zwischen den Parteien gekommen war, sprach die Klägerin im Februar 2016 zunächst die ordentliche, später auch die außerordentliche Kündigung des Dienstleistungsvertrags mit der Beklagten aus und berief diese als Geschäftsführerin ab.

4

Im März 2016 gründete die Beklagte mittels einer Strohfrau die F. GmbH, welche die Pflege schwerstkranker Kinder im räumlichen Geschäftsgebiet der K. S. GmbH anbot. Bis Ende Mai 2016 kündigten mindestens 32 Angestellte der K. S. GmbH dort ihre Arbeitsverhältnisse und schlossen Arbeitsverträge mit der F. GmbH.

5

Die Klägerin hat behauptet, die Beklagte habe schon vor dem Verkauf ihrer Gesellschaftsanteile an sie geplant, eine Konkurrenzgesellschaft zu gründen, Mitarbeiter zu übernehmen und auch bisherige Kunden der K. S. GmbH abzuwerben. Die erstinstanzlich zuletzt auf die Rückzahlung des Kaufpreises, Zug um Zug gegen Rückübereignung des Stammkapitalanteils gerichtete Klage der Klägerin hat vor dem Landgericht keinen Erfolg gehabt. Hiergegen hat die Klägerin Berufung eingelegt und nach einem Hinweis des Berufungsgerichts auf eine mögliche Nebenpflichtverletzung der Beklagten aus dem Unternehmenskaufvertrag aufgrund der Konkurrenztätigkeit zuletzt beantragt, die Beklagte zur Zahlung entgangenen Gewinns in Höhe von 800.000 EUR nebst Zinsen zu verurteilen. Das Berufungsgericht hat – unter Zurückweisung des Rechtsmittels und Abweisung der Klage im Übrigen – die Beklagte zur Zahlung von 350.000 EUR nebst Zinsen verurteilt.

6

Die Revision hat das Berufungsgericht nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten, mit der sie die Zulassung der Revision mit dem Ziel der vollständigen Klageabweisung begehrt.

II.

7

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:

8

Die Beklagte hafte der Klägerin auf Schadensersatz, da sie eine Nebenpflicht aus dem Kaufvertrag über die Gesellschaftsanteile verletzt habe (§ 453 Abs. 1, § 437 Nr. 3, § 280 Abs. 1 BGB). Auf die Frage der Wirksamkeit des im Unternehmenskaufvertrag der Parteien vereinbarten Wettbewerbs- und Abwerbeverbots komme es nicht an. Denn auch ohne eine ausdrückliche Vereinbarung bestehe für den Verkäufer – hier die Beklagte – ein Verbot des Wettbewerbs mit dem auf den Käufer – hier die Klägerin – übergegangenen Unternehmen. Das Verbot folge als Nebenpflicht aus dem Vertragszweck, dem Käufer die Fortführung des Unternehmens zu ermöglichen, und reiche daher sachlich, räumlich und zeitlich so weit, wie es erforderlich sei, um diesen Zweck nicht zu gefährden.

9

Hiernach hätte es die Beklagte unterlassen müssen, dazu beizutragen, dass so viele Mitarbeiter die K. S. GmbH verlassen, dass die Unternehmensfortführung gefährdet werde. Dabei sei unerheblich, ob jeder einzelne Mitarbeiter sein Arbeitsverhältnis zur Klägerin “auf Veranlassung der Beklagten” beendet habe. Pflichtwidrig sei es schon gewesen, den Mitarbeitern eine Gelegenheit zum Wechsel zu dem am selben Ort und im selben Marktsegment betriebenen, neu eingerichteten Unternehmen zu bieten, zu dessen Gründung die Beklagte beigetragen habe. Die Nebenpflicht der Beklagten, eine Konkurrenz zum verkauften Unternehmen zu unterlassen, sei vorliegend zeitlich auf eine Spanne von drei Jahren zu begrenzen.

10

Somit habe die Beklagte den Schaden auszugleichen, welcher der Klägerin durch die Errichtung eines Konkurrenzunternehmens entstanden sei. Die Klägerin mache einen entgangenen Gewinn geltend, indem sie ihre “Ist-Gewinne” den aus ihrer Sicht erzielbaren hypothetischen Gewinnen, jeweils ab dem Beginn der Konkurrenztätigkeit der Beklagten (März 2016) bis einschließlich April 2018, gegenüberstelle. Dies sei dem Grunde nach berechtigt, so dass die Klägerin so zu stellen sei, wie sie bei Unterlassung der vertragswidrigen Konkurrenz der Beklagten stünde. Insoweit müsse für jeden angeführten Grund eines Gewinnrückgangs erläutert werden, dass er auf dem unlauteren Einfluss der Beklagten beruhe und nicht auf anderen Ursachen, etwa eigenen – von der Pflichtverletzung der Beklagten unabhängigen – unternehmerischen Entscheidungen der Klägerin. Weder den Darlegungen der Klägerin noch den Einwendungen der Beklagten könne mit dem Anspruch nachgegangen werden, die Auswirkungen der jeweils vorgetragenen Umstände auf den von der Klägerin vorgetragenen Gewinnrückgang exakt voneinander abzugrenzen und genau festzustellen, was einerseits auf unerlaubter Konkurrenz durch die Beklagte beruhe und andererseits welche davon unabhängigen unternehmerischen Entscheidungen der Klägerin – etwa die Hinzuziehung von Fremdpersonal – sich ungünstig ausgewirkt hätten.

11

Diese Fragen seien mit Beweismitteln nicht zu beantworten. Ein betriebswirtschaftlicher Sachverständiger werde die Motivationslage der Unternehmensführung der Klägerin nicht präzise aufklären und benennen können. Daher müsse bereits die Beurteilung, ob ein Schaden entstanden sei, mithin ob und in welchem Umfang ein entgangener Gewinn der Klägerin allein auf dem vertragswidrigen Zutun der Beklagten und nicht auf anderen, von ihr nicht verschuldeten Ursachen beruhe, im Wege einer Schätzung ermittelt werden (§ 287 Abs. 1 ZPO).

12

Im Ergebnis seien die von den Parteien vorgetragenen Gründe bezüglich des (behaupteten) Gewinnrückgangs der Klägerin ungefähr gleichgewichtig. Demzufolge habe die Klägerin einen Anspruch auf die Erstattung der Hälfte des ihr in den ersten drei Jahren nach der Unternehmensübernahme entgangenen Gewinns.

13

Auch die Höhe des Schadens müsse geschätzt werden (§ 287 Abs. 1 ZPO). Als Schätzgrundlagen kämen die Berechnungen der Klägerin, die einen entgangenen Gewinn in Höhe von 800.000 EUR geltend mache, und die Einwendungen der Beklagten in Betracht, nach denen “einzelne Positionen auf ungeschickte Unternehmensführung ohne Beeinflussung durch die Beklagte oder auf unternehmerisch nicht veranlasste Darstellung eines vermeintlichen Schadens zurückzuführen seien”. Der Senat sehe keine Aussicht in dem Versuch, mit sachverständiger Hilfe festzustellen, ob die von der Beklagten beanstandeten Positionen betriebswirtschaftlich gar nicht zur Ermittlung eines tatsächlichen und fiktiven, ohne schädigendes Ereignis zu erwartenden Gewinns geeignet seien und ob einzelne Rechnungsposten in ihrer Höhe und Entwicklung eher auf der unerlaubten Konkurrenz oder eher auf davon unbeeinflussten unternehmerischen Entscheidungen der Klägerin beruhten. Der Vortrag der Klägerin zu dem zu erwartenden Gewinn des von der Beklagten übernommenen Unternehmens stelle sich jedenfalls als plausibel und schlüssig dar, so dass er als Anhaltspunkt einer Schadensschätzung verwendet werden könne. Die geringeren Geschäftsführerkosten im tatsächlichen Verlauf – durch die Kündigung des Vertrags mit der Beklagten – müsse sich die Klägerin wie einen Vorteilsausgleich anrechnen lassen. Von einem hiernach bereinigten Schadensbetrag in Höhe von 700.000 EUR habe die Beklagte somit die Hälfte zu tragen.

III.

14

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist zulässig, insbesondere übersteigt der Wert der Beschwer die Wertgrenze des § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Sie hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang auch in der Sache Erfolg (§ 544 Abs. 9 ZPO) und führt zu einer auf die – einen tatsächlich und rechtlich selbständigen Teil des Gesamtstreitstoffs bildenden (vgl. BGH, Urteil vom 27. September 2011 – II ZR 221/09, WM 2011, 2223 Rn. 18; Beschlüsse vom 22. Juli 2014 – VIII ZR 334/13, Rn. 8; vom 16. November 2021 – VIII ZR 15/20, Rn. 11; jeweils mwN) – Höhe des Anspruchs beschränkten Aufhebung der angefochtenen Entscheidung (vgl. BGH, Beschlüsse vom 14. Juli 2016 – V ZR 258/15, NJW 2017, 736 Rn. 25; vom 25. Juli 2022 – VIa ZR 622/21, Rn. 5), weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung insoweit eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 ZPO). Das Berufungsgericht hat den Anspruch der Beklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) in entscheidungserheblicher Weise verletzt. Denn es hat zur Höhe des von der Klägerin behaupteten – von der Beklagten bestrittenen – Schadens in Form des entgangenen Gewinns den (angebotenen) Beweis durch Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht erhoben.

15

1. Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (st. Rspr.; vgl. etwa BVerfGE 86, 133, 144; 96, 205, 216; BVerfG, Beschluss vom 16. Januar- 2 BvR 1114/23, Rn. 30; Senatsbeschlüsse vom 26. Mai 2020 – VIII ZR 64/19, NJW-RR 2020, 1019 Rn. 13; vom 22. Juni 2021 – VIII ZR 134/20, NJW- RR 2021, 1093 Rn. 13; vom 10. Oktober 2023 – VIII ZB 29/22, NJW-RR 2024, 60 Rn. 19). Der Anspruch auf rechtliches Gehör als grundrechtsgleiches Recht soll sicherstellen, dass die Entscheidung des Gerichts frei von Verfahrensfehlern ergeht, die ihren Grund in unterlassener Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung des Sachvortrags der Parteien haben (vgl. BVerfG, Beschluss vom 16. Januar 2024 – 2 BvR 1114/23, aaO; Senatsbeschluss vom 26. Mai 2020 – VIII ZR 64/19, aaO).

16

Ferner gebietet Art. 103 Abs. 1 GG in Verbindung mit den Grundsätzen der Zivilprozessordnung die Berücksichtigung erheblicher Beweisanträge. Die Nichtberücksichtigung eines solchen erheblichen Beweisangebots verstößt gegen Art. 103 Abs. 1 GG, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze mehr findet (st. Rspr.; siehe etwa BVerfGE 65, 305, 307; 69, 141, 144; BVerfG, Beschluss vom 16. Januar 2024 – 2 BvR 1114/23, aaO; BGH, Beschlüsse vom 16. Juni 2016 – V ZR 232/15, Rn. 5; vom 28. Januar 2020 – VIII ZR 57/19, NJW 2020, 1740 Rn. 4; vom 12. Oktober 2021 – VIII ZR 91/20, NJW-RR 2022, 86 Rn. 16; vom 9. Mai 2023 – VIII ZR 160/21, Rn. 15; jeweils mwN).

17

2. Gemessen hieran ist dem Berufungsgericht eine Verletzung des Anspruchs der Beklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs aus Art. 103 Abs. 1 GG anzulasten. Die Nichtzulassungsbeschwerde beanstandet zu Recht, dass das Berufungsgericht bei der Prüfung der Schadenshöhe im Wege richterlicher Schätzung (§ 287 Abs. 1 ZPO, § 252 Satz 2 BGB) den angebotenen Sachverständigenbeweis nicht erhoben, sondern zur Ermittlung des von der Klägerin begehrten entgangenen Gewinns allein auf deren – von der Beklagten bestrittenen – Vortrag zur tatsächlichen sowie zur hypothetischen Gewinnentwicklung des gekauften Unternehmens abgestellt hat.

18

a) Die Annahme des Berufungsgerichts, es bestehe keine Aussicht, mithilfe eines Sachverständigen festzustellen, ob einzelne von der Klägerin zur Ermittlung ihres entgangenen Gewinns herangezogene, von der Beklagten beanstandete Positionen, betriebswirtschaftlich überhaupt einen entgangenen Gewinn begründen können und überdies von der Klägerin der Höhe nach zutreffend berechnet wurden, verletzt die Beklagte in ihrem rechtlichen Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG). Denn das Berufungsgericht hat diesbezüglich eine besondere eigene Sachkunde in Anspruch genommen, ohne darzulegen, woher es diese bezieht.

19

aa) Der Tatrichter darf, wenn es um die Beurteilung einer Fachwissen voraussetzenden Frage geht – auch im Rahmen der grundsätzlich seinem Ermessen unterliegenden Schadensschätzung (§ 287 ZPO) – auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens nur verzichten, wenn er entsprechende eigene besondere Sachkunde auszuweisen vermag. Zudem muss der Tatrichter, wenn er bei seiner Entscheidung eigene Sachkunde in Anspruch nehmen will, den Parteien zuvor einen entsprechenden Hinweis erteilen und ihnen Gelegenheit geben, auf den Hinweis zu reagieren und ihren Tatsachenvortrag zu ergänzen (vgl. BVerfG, NJW 2021, 50 Rn. 20; BGH, Urteile vom 6. Dezember 1995 – VIII ZR 270/94, NJW 1996, 584 unter II 3 b cc; vom 8. Juni 2004 – VI ZR 230/03, BGHZ 159, 254, 262; vom 29. Januar 2019 – VI ZR 113/17, BGHZ 221, 43 Rn. 32; vom 10. November 2022 – I ZR 16/22, GRUR 2023, 416 Rn. 47; Beschlüsse vom 9. Januar 2018 – VI ZR 106/17, NJW 2018, 2730 Rn. 16; vom 25. Oktober 2023 – VII ZR 17/23, NJW-RR 2024, 148 Rn. 17, 20). Überschreitet das Gericht die Grenzen, die seinem Ermessen im Sinne des § 287 Abs. 1 Satz 2 ZPO gesetzt sind, weil es nach Vorstehendem eine nicht dargelegte Sachkunde in Anspruch nimmt und lehnt es hiernach einen Beweisantrag ab, stellt dies zugleich eine Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG dar (vgl. BVerfG, NJW 2003, 1655 unter II 1; NJW 2021, 50 Rn. 20; BGH, Beschluss vom 7. Dezember 2006 – IX ZR 173/03, NJW-RR 2007, 500 Rn. 9). Dies gilt auch dann, wenn der Tatrichter auf ein Sachverständigengutachten verzichten will, weil er es auf Grundlage eigener Sachkunde für ungeeignet zur Erbringung sachdienlicher Erkenntnisse hält (vgl. BVerfG, Beschluss vom 9. Oktober 2007 – 2 BvR 1268/03, Rn. 18; BVerfG, GRUR-RR 2009, 375 Rn. 21; BGH, Beschluss vom 9. Januar 2018 – VI ZR 106/17, aaO).

20

bb) So liegt der Fall hier. Durch die Annahme, ein Sachverständiger könne weder beurteilen, ob die von der Klägerin vorgelegte Gewinnermittlung der Jahre 2016 bis 2018 zutreffend nach bilanziellen und betriebswirtschaftlichen Grundsätzen erstellt wurde, noch die Höhe der einzelnen Positionen auf ihre Richtigkeit überprüfen, hat sich das Berufungsgericht eine Sachkunde angemaßt, ohne darzulegen, woher es diese nimmt, und versäumt, die Parteien vor Erlass des Urteils hierauf hinzuweisen.

21

(1) Die Nichtzulassungsbeschwerde weist zutreffend darauf hin, die Beklagte habe die Gewinnermittlung der Klägerin als zur Schadensdarlegung schon grundsätzlich ungeeignet angesehen und hierzu konkret eingewandt, mehrere von der Klägerin in die Berechnung ihres tatsächlichen und ihres hypothetischen Gewinns eingestellte Positionen hätten bereits dem Grunde nach hierzu nicht herangezogen werden dürfen.

22

So hat die Beklagte etwa vorgebracht, die Klägerin habe für die Gewinnermittlung des Jahres 2016 eine gewinnmindernde Wertberichtigung in Höhe von 145.790,83 EUR vorgenommen und periodenfremde Aufwendungen in Höhe von 105.239,55 EUR eingestellt, welche aus dem Jahresabschluss hätten herausgerechnet werden müssen. Zu letzterem hat die Klägerin darauf hingewiesen, diese Periodenverschiebung habe in 2016 zwar den Gewinn erhöht, jedoch der Sache nach den “zuviel gezahlten Kaufpreis kompensiert.” Zudem hat die Beklagte eingewandt, mit Blick auf die Konzernstruktur der Klägerin könne nur der Jahresabschluss im Ganzen Grundlage der Schadensermittlung sein. Es müssten die vollständigen Jahresabschlüsse der Jahre 2015 bis 2018 – einschließlich der Beschlussnachweise -, die Gewinn- und Verlustrechnungen, die Erlöskonten und sämtliche Kontennachweise vorgelegt werden. Diese Unterlagen seien sachverständig auszuwerten. Erst hiernach böte sich dem Gericht eine geeignete Schätzgrundlage.

23

Mit seiner gegenteiligen Annahme, ein Sachverständiger könne nicht feststellen, ob die seitens der Beklagten beanstandeten Positionen “betriebswirtschaftlich” zur Gewinnermittlung “geeignet” seien, hat sich das Berufungsgericht – wie die Nichtzulassungsbeschwerde mit Recht rügt – ein Fachwissen angemaßt, ohne anzugeben, woher es dieses bezieht, und ohne zuvor den Parteien einen entsprechenden Hinweis zu erteilen. Bereits die Bewertung, ob die von der Klägerin vorgelegten Unterlagen und die hierin enthaltenen Positionen – wie etwa die vorgenannte Wertberichtigung – in betriebswirtschaftlicher Hinsicht zur Ermittlung eines entgangenen Gewinns (§ 252 BGB) geeignet sind, setzt eine Sachkunde voraus. Eine solche – vorliegend nicht dargelegte – zuverlässige Sachkunde zur Beurteilung einer Gewinnermittlung kann, anders als die Nichtzulassungsbeschwerdeerwiderung meint, nicht ohne Weiteres allein deshalb angenommen werden, weil sich das Berufungsgericht (ständig) mit handels- und gesellschaftsrechtlichen Streitigkeiten befasse (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Oktober 2023 – VII ZR 17/23, NJW-RR 2024, 148 Rn. 18 [zu bautechnischem Fachwissen]).

24

(2) Das Berufungsgericht hat sich ebenso hinsichtlich der Beurteilung der Höhe einzelner in die Gewinnermittlung durch die Klägerin eingestellter Positionen eine eigene Sachkunde angemaßt, ohne darzulegen, worauf diese beruht.

25

(a) Die Nichtzulassungsbeschwerde weist zutreffend darauf hin, dass die Beklagte dem Vortrag der Klägerin, wonach diese aufgrund des Verlusts zahlreicher Mitarbeiter auf den – gewinnmindernden – Einsatz von geleastem Fremdpersonal angewiesen gewesen sei, entgegengehalten habe, diese Maßnahme sei aufgrund gesunkener Patientenzahlen nicht notwendig gewesen. Zudem hat die Beklagte die seitens der Klägerin angegebenen Fremdpersonalkosten in Höhe von 397.938 EUR bestritten. Die Beklagte hat ferner den von der Klägerin behaupteten Verlust in Höhe von 355.500 EUR für das Jahr 2016 unter Hinweis auf Umsatzzahlen und den Personalaufwand bestritten; ebenso den Anfall von Managementkosten in Höhe von 10.000 EUR.

26

(b) Den seitens der Beklagten – auch insoweit – angebotenen Sachverständigenbeweis hat das Berufungsgericht nicht erhoben. Es hat vielmehr angenommen, ein Sachverständiger könne nicht angeben, ob einzelne Rechnungsposten in ihrer Höhe “eher auf die unerlaubte Konkurrenz” durch die Beklagte oder “eher auf davon unbeeinflusste unternehmerische Entscheidungen der Klägerin” zurückzuführen seien, und hat den Vortrag der Klägerin zu dem zu erwartenden Gewinn des von dieser übernommenen Unternehmens in der Gesamthöhe von 800.000 EUR als “plausibel und schlüssig” angesehen.

27

Insoweit hat das Berufungsgericht verkannt, dass die vorgenannten Einwände der Beklagten nicht die von ihm zuvor bereits bejahte – von den Parteien im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren nicht angegriffene – Kausalität des Verhaltens der Beklagten für den entgangenen Gewinn der Klägerin betreffen, sondern die Erforderlichkeit sowie die Höhe einzelner in die Gewinnberechnung der Klägerin eingestellter Positionen. Inwiefern es ausgeschlossen ist, dass ein Sachverständiger – einen grundsätzlichen Kausalitätsbeitrag der Beklagten hierzu annehmend – beurteilen kann, ob schadensbegründende – und damit gewinnmindernde – Maßnahmen der Klägerin, etwa durch Hinzuziehung von Fremdpersonal, erforderlich waren (§ 249 BGB; vgl. hierzu Senatsurteil vom 9. Dezember 2020 – VIII ZR 371/18, NJW-RR 2021, 201 Rn. 49 mwN) und ob diese der Höhe nach zutreffend berechnet wurden, legt das Berufungsgericht nicht dar. Dies ist auch nicht ersichtlich, da es sich um dem Sachverständigenbeweis zugängliche Tatsachen handelt.

28

b) Die dem Berufungsgericht unterlaufene Gehörsverletzung ist auch entscheidungserheblich (§ 544 Abs. 9 ZPO).

29

aa) Es ist nicht ausgeschlossen, dass das Berufungsgericht im Falle der Einholung eines Sachverständigengutachtens zu einem anderen, hinsichtlich der Schadenshöhe der Beklagten günstigeren Ergebnis gelangt wäre.

30

bb) Dies gilt sowohl für den Fall, dass ein Sachverständiger zur Berechnung des entgangenen Gewinns der Klägerin fachliche Angaben machen kann, als auch in dem – vom Berufungsgericht angenommenen – Fall, dass er hierzu nicht in der Lage ist und demzufolge weitere Erkenntnisse nicht gewonnen werden können. Denn auch dann fällt die Entscheidung des Berufungsgerichts möglicherweise anders aus, weil der Schaden der Klägerin nicht, wie es das Berufungsgericht im angegriffenen Urteil getan hat, auf der Grundlage von deren Angaben zum tatsächlichen und zum hypothetischen Gewinn im Wege der Schätzung (§ 287 Abs. 1 ZPO, § 252 Satz 2 BGB) ermittelt werden kann. Ist es einem Sachverständigen nicht möglich, weitere Erkenntnisse zur Höhe des entgangenen Gewinns der Klägerin zu ermitteln, entbehrt eine Schadensschätzung – wie die Nichtzulassungsbeschwerde zutreffend rügt – einer tragfähigen Grundlage. Denn der Vortrag der Klägerin zu ihrem zu erwartenden Gewinn kann nicht als “plausibel und schlüssig” und als (alleiniger) “Anhaltspunkt einer Schadensschätzung” gesehen werden, weil die Beklagte – wie ausgeführt – zahlreiche der Gewinnermittlung zu Grunde liegenden Positionen bestritten hat.

31

Mit seiner Schadensschätzung auf einer zwischen den Parteien streitigen Tatsachengrundlage hat das Berufungsgericht verkannt, dass die aus den Vorschriften der § 287 Abs. 1 ZPO und § 252 Satz 2 BGB folgenden Darlegungs- und Beweiserleichterungen (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 24. Juni 2009 – VIII ZR 332/07, NJW-RR 2009, 1404 Rn. 16; Beschluss vom 6. Juni 2023 – VI ZR 197/21, NJW-RR 2023, 1038 Rn. 13; jeweils mwN) nichts daran ändern, dass es im Rahmen der notwendigen Prognose des entgangenen Gewinns im Sinne des § 252 Satz 2 BGB konkreter Anknüpfungstatsachen bedarf, die der Geschädigte – hier die Klägerin – darlegen und zur Überzeugung des Gerichts nachweisen muss (vgl. BGH, Urteil vom 19. September 2017 – VI ZR 530/16, NJW 2018, 864 Rn. 15). Erst wenn die Klägerin die für eine Schätzung erforderlichen und bestrittenen Anknüpfungstatsachen, die ihre Gewinnerwartung wahrscheinlich machen sollen, bewiesen hat, kann auf der dann gesicherten Tatsachengrundlage die Schadensschätzung vorgenommen werden (vgl. BGH, Urteile vom 29. März 2000 – VIII ZR 81/99, NJW 2000, 2272 unter II B 2; vom 21. Januar 2016 – I ZR 90/14, GRUR 2016, 860 Rn. 34; vom 8. Mai 2018 – VI ZR 295/17, VersR 2018, 1067 Rn. 37; Beschluss vom 8. Februar 2023 – IV ZR 9/22, ZfSch 2023, 330 Rn. 21; Wieczorek/Schütze/Ahrens, ZPO, 5. Aufl., § 287 Rn. 41). Ist dieser Beweis der Anknüpfungstatsachen – wovon das Berufungsgericht gehörswidrig ausgegangen ist – nicht möglich, überschreitet das Gericht die seinem Ermessen nach § 287 Abs. 1 ZPO gesetzten Grenzen, da es zu einer Schätzung greift, ohne für diese eine tragfähige Grundlage zu haben (vgl. BGH, Urteile vom 17. Januar 1995 – VI ZR 62/94, NJW 1995, 1023 unter II 2 a; vom 22. Juli 2014 – VI ZR 357/13, NJW 2014, 3151 Rn. 17).

32

Damit ist der Gehörsverstoß in Form der Nichteinholung eines Sachverständigengutachtens vorliegend auch dann entscheidungserheblich, wenn dieses “weitere Erkenntnisse” nicht erbringen kann, da in diesem Fall die Schätzung des Schadens der Klägerin nicht in der vom Berufungsgericht vorgenommenen Weise erfolgen darf.

33

3. Die weiteren – den Schaden der Klägerin dem Grunde nach betreffenden – Rügen der Nichtzulassungsbeschwerde hat der Senat geprüft, jedoch nicht für durchgreifend erachtet. Von einer Begründung wird insoweit abgesehen (§ 544 Abs. 6 Satz 2 ZPO).

IV.

34

Nach alledem ist das Urteil des Berufungsgerichts in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang aufzuheben und der Rechtsstreit hinsichtlich der Anspruchshöhe zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 544 Abs. 9 ZPO).

OLG Oldenburg zu der Frage, dass sich ein zur Fälligkeit der Werklohnforderung führendes Abrechnungsverhältnis nicht allein daraus ergibt, dass der Insolvenzverwalter die Erfüllung des Bauvertrags gem. § 103 InsO abgelehnt hat

OLG Oldenburg zu der Frage, dass sich ein zur Fälligkeit der Werklohnforderung führendes Abrechnungsverhältnis nicht allein daraus ergibt, dass der Insolvenzverwalter die Erfüllung des Bauvertrags gem. § 103 InsO abgelehnt hat

vorgestellt von Thomas Ax

Ein zur Fälligkeit der Werklohnforderung führendes Abrechnungsverhältnis ergibt sich nicht allein daraus, dass der Insolvenzverwalter die Erfüllung des Bauvertrags gem. § 103 InsO abgelehnt hat.
OLG Oldenburg, Urteil vom 23.04.2024 – 2 U 128/23
vorhergehend:
LG Oldenburg, 24.11.2023 – 5 O 1825/21

 
Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das am 24.11.2023 verkündete Urteil des Einzelrichters der 5. Zivilkammer Landgerichts Oldenburg (5 O 1825/21) wird mit der Maßgabe auf seine Kosten zurückgewiesen, dass die Klage als derzeit unbegründet abgewiesen wird.

2. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

3. Die Revision des Klägers wird zugelassen.

Gründe

I.

Der Kläger begehrt als Insolvenzverwalter über das Vermögen des ### (Schuldner) restlichen Werklohn von der Beklagten.

Gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil einschließlich der Anträge Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass die vom Kläger weiterverfolgte Werklohnforderung des Schuldners nicht fällig sei. Es fehle an einer nach der Beweisaufnahme nicht feststellbaren Abnahme durch die Beklagte, welche diese wegen wesentlicher Mängel sowie ausstehender Restleistungen auch zu Recht verweigere. Es lägen nach den zuletzt nicht mehr angegriffenen Ausführungen des beauftragten Sachverständigen Mängel vor. Ein Teil dieser Mängel zöge bezifferbare Beseitigungskosten in Höhe von 6.104,70 € brutto nach sich. Ferner bestünden erhebliche Mängel, für die neben dem Schuldner auch die Beklagte wegen einer unzureichenden Planung und Ausschreibung verantwortlich sei, was teilweise deren Beteiligung unter dem Gesichtspunkt von Sowiesokosten rechtfertige. Der Kostenaufwand für die Beseitigung dieser Mängel stünde nicht fest, was unerheblich sei. Sie seien funktionaler Natur und führten gemeinsam mit denjenigen Mängeln, deren Beseitigungsaufwand feststehe, sowie den ausstehenden Restleistungen dazu, dass die Abnahmereife nicht gegeben sei. Der Umstand, dass der Kläger gem. § 103 InsO die Nichterfüllung des Vertrages gewählt habe, begründe kein unabhängig von der Abnahme die Fälligkeit des Werklohnanspruchs nach sich ziehendes Abrechnungsverhältnis. Die Klage sei indes als endgültig unbegründet abzuweisen, weil der Kläger die Fälligkeit durch die Wahl der Nichterfüllung i.S.d. § 103 InsO nicht mehr herbeiführen könne.

Gegen dieses Urteil wendet der Kläger sich mit seiner Berufung. Er meint, die Wahl der Nichterfüllung des Bauvertrages durch ihn gem. § 103 InsO führe für sich genommen und unabhängig von der Abnahme oder Abnahmereife zu einem die Fälligkeit der Vergütungsforderung auslösenden Abrechnungsverhältnis. Das ergäbe sich aus grundsätzlichen Erwägungen zu § 103 InsO und den Besonderheiten des vorliegenden Streitfalls wie der Bereitschaft des Schuldners zur Leistungserbringung sowie einem Annahmeverzug der Beklagten vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens.

Darüber hinaus meint der Kläger, das seitens des Schuldners hergestellte Werk weise lediglich unwesentliche Mängel auf, die einer Abnahme nicht entgegenstünden, woraus die Fälligkeit des Vergütungsanspruchs folge. Die durch den Sachverständigen festgestellten Mängel, die mit einem Aufwand von 6.104,70 € brutto zu beseitigen seien, stünden dem nicht entgegen. Die weiteren durch das Landgericht angenommenen Mängel, für die ein Beseitigungsaufwand nicht feststünde, könnten der Abnahmereife nicht entgegenstehen, weil die ihnen zugrundeliegenden Arbeiten vom Schuldner angesichts der vorgefundenen Bausubstanz gar nicht anders hätten ausgeführt werden können, sondern eine andere, nicht vorgegebene Planung vorausgesetzt hätten, deren Umsetzung mit erheblichen Eingriffen in die Bausubstanz verbunden gewesen wäre. Deswegen sei es dem Kläger nach den Grundsätzen von Treu und Glauben verwehrt, die Abnahme wegen dieser Mängel zu verweigern.


Der Kläger beantragt,

das Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 24.11.2023 zum AZ 5 O 1825/21 aufzuheben und die Beklagte entsprechend der erstinstanzlichen Anträge zu verurteilen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das landgerichtliche Urteil und wiederholt sowie vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen.

Wegen des weitergehenden Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung ist im Wesentlichen unbegründet und führt allein zu der aus dem Tenor ersichtlichen Änderung, dass die Klage mangels Fälligkeit als derzeit unbegründet abgewiesen wird.

Dem aufgrund des § 80 Abs. 1 InsO prozessführungsbefugten Kläger steht ein fälliger Anspruch auf den geltend gemachten Werklohn des Schuldners gem. §§ 631 Abs. 1, 650a BGB nicht zu. Die Werkleistung ist weder abgenommen noch abnahmereif. Ferner kommt weder die Fälligkeit gem. § 641 Abs. 2 BGB (Durchgriffsfälligkeit) noch die Fälligkeit auf Grundlage eines Abrechnungsverhältnisses in Betracht.

1. Die Werkleistung des Schuldners ist weder ausdrücklich noch konkludent durch die Beklagte abgenommen worden. Gegen diese durch das Landgericht nach Beweisaufnahme getroffene Feststellung bringt die Berufung nichts vor. Auf die zutreffenden Ausführungen des erstinstanzlichen Urteils wird insoweit verwiesen.

2. Die Fälligkeit der Werklohnforderung ergibt sich auch nicht über die Abnahmereife der Werkleistung.

Zwar kann im Falle des Zusammentreffens einer unberechtigten Abnahmeverweigerung des Bestellers mit der Abnahmereife des Werks der Unternehmer unmittelbar auf Zahlung des Werklohns klagen. In seinem Zahlungsantrag liegt ein konkludentes Abnahmeverlangen (vgl. OLG Nürnberg, NZBau 2021, 539 Rn. 9 ff. m.w.N.). Allerdings ist die Leistung des Schuldners, deren Erfüllung der Kläger i.S.d. § 103 InsO abgelehnt hat, nicht abnahmereif. Sie weist nicht nur unwesentliche Mängel auf.

a) Der Kläger trägt als Prozessstandschafter des Auftragnehmers die Beweislast dafür, dass die Mängel der Werkleistung des Schuldners unwesentlich sind. Diesen Beweis hat er nicht erbracht. Vielmehr steht auf Grundlage der Gutachten des Sachverständigen EE fest, dass die Mängel der Werkleistung der Klägerin nicht unwesentlich sind und die Beklagte deswegen berechtigen, die Abnahme zu verweigern.

Die Frage, wann ein Mangel unwesentlich ist, ist einer generalisierenden Betrachtung nicht zugänglich, sondern immer am Einzelfall zu entscheiden (vgl. BGH NJW 1981, 1448, 1449 zu § 12 Abs. 3 VOB/B). Es bedarf der Abwägung der beiderseitigen Interessen dahin, ob es für den Auftraggeber zumutbar ist, sich auf eine zügige Abwicklung des gesamten Vertragsverhältnisses einzulassen und so auf die vor der vollzogenen Abnahme bestehenden Vorteile zu verzichten (vgl. Jurgeleit in Kniffka/Koeble/Jurgeilt/Sacher, Kompendium des Baurechts, 5. Aufl., Teil 3 Rn.6). In die Bewertung sind der Umfang der Mängelbeseitigungsmaßnahmen, insbesondere die Höhe der Mängelbeseitigungskosten (BGH a.a.O.; BauR 2000, 1482), aber auch die Auswirkungen des Mangels auf die Funktionsfähigkeit des Gesamtwerks und das Maß der Beeinträchtigung einzustellen (vgl. Werner/Pastor, 17. Auflage, Rn. 1787; OLG München Urteil vom 15. Januar 2008 – 13 U 4378/07 -). Eine fühlbare Beeinträchtigung der Funktionalität bzw. Gebrauchsfähigkeit eines Bauwerks, zieht regelmäßig die Einstufung des Mangels als wesentlich nach sich (vgl. Jurgeleit in Kniffka/Koeble/Jurgeleit/Sacher, Kompendium des Baurechts, 5. Aufl., Teil 3 Rn.6). Liegen mehrere Mängel vor, ist eine Gesamtbetrachtung erforderlich.

b) Diese Kriterien berücksichtigend geht der Senat vorliegend von wesentlichen Mängeln im Gewerk des Schuldners aus.

aa) Zunächst steht fest, dass die vom Landgericht mit insgesamt 6.104,70 € bezifferten Mängelpunkte vorliegen. Auf die insoweit durch die Berufung nicht angegriffenen Ausführungen des Landgerichts (S. 9 – 11 LGU) wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen.

bb) Damit hat es indes nicht sein Bewenden. Denn überdies bestehen erhebliche Mängel in Bezug auf die Entwässerung:

(…)

Es steht mithin angesichts der insoweit vom Kläger nicht in Abrede genommenen tatsächlichen Feststellungen fest, dass die Entwässerung des Daches und der Balkone nicht ordnungsgemäß hergestellt, sondern erheblich mangelbehaftet ist.

Der Annahme der Mangelhaftigkeit steht nicht entgegen, dass die Mängel weitgehend auch darauf beruhen, dass die Entwässerung der Flächen und Balkone unzureichend geplant und ausgeschrieben war. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes weist ein Werk nicht die vereinbarte Beschaffenheit auf und ist damit mangelbehaftet, soweit es nicht die vereinbarte oder nach dem Vertrag vorausgesetzte Funktionstauglichkeit erreicht (vgl. BGH NZBau 2008, 109, 110). Das wiederum gilt unabhängig von der Frage, ob die Parteien eine bestimmte Ausführungsart vereinbart haben oder die anerkannten Regeln der Technik eingehalten wurden (vgl. BGH a.a.O.). Ist die Funktionstauglichkeit für den vertraglich vorausgesetzten oder gewöhnlichen Gebrauch vereinbart und ist dieser Erfolg mit der vertraglich vereinbarten Leistung respektive Ausführungsart oder den anerkannten Regeln der Technik nicht zu erreichen, schuldet der Auftragnehmer dennoch die vereinbarte Funktionstauglichkeit (vgl. BGH a.a.O.). Reicht mit anderen Worten die Umsetzung der Leistungsbeschreibung (Leistungssoll) nicht aus, um ein funktionstaugliches Werk herzustellen, liegt ein Mangel trotz Erfüllung der Leistungsbeschreibung vor, soweit das Werk nicht funktionstauglich ist (Erfolgssoll verfehlt). Das gilt selbst dann, wenn die Funktionsuntauglichkeit auf vom Besteller bindend vorgegebener Leistungsbeschreibung, auf fehlerhafter Planung des Bestellers bzw. seines Architekten oder einer fehlerhaften Vorunternehmerleistung beruht. Der Werkunternehmer kann sich in diesen Fällen seiner Verantwortung für den Mangel seines Werks nur durch die Erfüllung seiner Prüfungs- und Hinweispflichten entlasten (vgl. BGH a.a.O.). Der Unternehmer wird mithin von der Mängelhaftung frei, wenn er bei gebotener Prüfung die Fehlerhaftigkeit der Leistungsbeschreibung, der Planung des Bestellers bzw. seines Architekten oder einer Vorunternehmerleistung nicht erkennen konnte, er im Falle der Erkennbarkeit ordnungsgemäß auf seine Bedenken hingewiesen hat oder die Verletzung der Prüfungs- und Hinweispflicht nicht ursächlich dafür war, dass die fehlerhaften Vorleistungen nicht korrigiert wurden (vgl. Jurgeleit in Kniffka/Koeble/Jurgeleit/Sacher, Kompendium des Baurechts, 5. Aufl., Teil 5 Rn.70 ff).

Dem ist der insoweit darlegungs- und beweisbelastete Kläger (vgl. Jurgeleit, a.a.O.; BGH a.a.O.) nicht nachgekommen. Es steht nach den Ausführungen des Sachverständigen fest, dass der Schuldner die unzureichende Ausschreibung/Planung als Fachunternehmer hätte erkennen können und müssen. Unstreitig sind Bedenkenhinweise durch ihn nicht erteilt worden. Der Kläger kann sich auch nicht darauf berufen, dass es eines Bedenkenhinweises nicht bedurft hätte. Ein allgemeiner Grundsatz, dass der Unternehmer auf die Fachkenntnisse des Hauptunternehmers vertrauen darf, ist grundsätzlich nicht anzuerkennen (vgl. Jurgeleit, a.a.O., Teil 5 Rn.65). Eine solche Annahme ist auch vorliegend nicht angezeigt.

Ferner trifft die rechtliche Sichtweise der Berufung nicht zu, dass das Landgericht die Mangelhaftigkeit der Leistung des Schuldners auf eine “Hilfskonstruktion” wegen einer angeblichen Verletzung der Aufklärungspflicht gestützt hat. Es hat vielmehr die Grundlagen des BGH zum funktionalen Mangelbegriff zutreffend angewendet. Ferner geht der Einwand der Berufung ins Leere, der Sachverständige habe erklärt, die Arbeiten hätten durch den Schuldner gar nicht anders ausgeführt werden können. Das hat der Sachverständige in Bezug auf die Entwässerung nicht angegeben und das trifft auch nicht zu.

Die Funktionsbeeinträchtigungen bei der Entwässerung von Dachflächen und Balkonen sind wesentlich. Sie beeinträchtigen die Nutzbarkeit und Funktionalität des durch den Schuldner hergestellten Bauwerks insgesamt. Das zieht die Wesentlichkeit des Mangels nach sich (vgl. Jurgeleit in Kniffka/Koeble/Jurgeleit/Sacher, Kompendium des Baurechts, 5. Aufl., Teil 3 Rn.6). Angesichts der Funktionsbeeinträchtigung bedarf es auch nicht der Feststellung des konkreten Mängelbeseitigungsaufwands. Die Feststellung der Wesentlichkeit dieser Mängel im Zusammenhang mit der Entwässerung lässt sich unabhängig davon treffen. Auch die Frage, inwieweit sich die Beklagte an den Kosten für die mangelfreie Herstellung in Form der Vergabe zusätzlicher vergütungspflichtiger Aufträge bzw. Sowieso-Kosten zu beteiligen hätte, kann auf sich beruhen. Sie ist von derjenigen der gegebenen Mangelhaftigkeit getrennt zu betrachten und spielt für die Einordnung, ob wesentliche oder unwesentliche Mängel vorliegen, keine Rolle.

cc) Hinzu tritt, dass im Bereich B 470/Küche (Mangelpunkt 37 GA) ein Gesimsblech nicht erneuert worden ist. Außerdem ist im Bereich B 533 (Mangelpunkt 40 und 45 GA) die Attikaabdeckung nicht umlaufend ausgeführt und es fehlt der Handlauf der Bodeneinschubtreppe als Absturzsicherung im Spitzbodenbereich (Mangelpunkt 49 GA), was unabhängig von der nicht erfolgten Ausschreibung dieser Leistungen einen Mangel darstellt. Die Abdeckung ist zum Schutz der Attika funktional erforderlich; der Einbau des Handlaufs aus Sicherheitsgründen. Auch insoweit steht die denkbare Zuschusspflicht der Beklagten im Rahmen einer Mängelbeseitigung der Annahme eines Mangels nicht entgegen.

dd) Die Gesamtheit der unter aa) bis cc) beschriebenen Mängel führt zu der Bewertung, dass diese wesentlich sind und das Werk nicht abnahmereif ist. Dasselbe Ergebnis zieht bereits die separate und eigenständige Betrachtung der Mängel aus dem Bereich der Entwässerung nach sich.

Vor diesem Hintergrund lässt der Senat es auf sich beruhen, ob tatsächlich von einer Mangelhaftigkeit ausgegangen werden kann, weil

– die Gehwegplatten auf der Dachterrasse im Bereich B533 (Mangelpunkt 42 GA) nicht plan verlegt sind

– der Laufweg vor dem Spitzboden nicht komplett hergestellt worden ist, weil sonst die Brandschutztür nicht geschlossen werden könnte bzw. die Brandschutzluken wegen der Dämmung nicht schließbar sind (Mangelpunkte 48, 50 – 52)

– die Abdichtung im Bereich der Balkone B250, B 436 und B 439a jeweils an die Türschwelle und nicht unter die Fenster geführt worden ist (Mangelpunkte 3, 4, 5, 18, 27 GA).

Insoweit hat der Sachverständige in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 24.3.2023 (Protokoll S. 3 f.; Bl. 60 f. Bd. II d.A.) ausgeführt, dass die Einhaltung der verletzten allgemein anerkannten Regeln der Technik im Rahmen der vorgenommenen Altbausanierung dazu geführt hätte, dass andere verletzt worden wären bzw. die Einhaltung aller Fachregeln erhebliche Umbaumaßnahmen wie den Abbruch und Neubau der Balkone nach sich gezogen hätte. Vor diesem Hintergrund käme möglicherweise in Betracht, dass die Beklagte trotz der an sich notwendigen Hinweise auf eine Durchführung der aus der Sicht des Unternehmers bedenklichen Leistungen bestanden hätte (vgl. Jurgeleit in Kniffka/Koeble/Jurgleit/Sacher, Kompendium des Baurechts, 5. Aufl., Teil 5 Rn. 74), was indes keiner abschließenden Entscheidung bedarf.

3. Für eine Durchgriffsfälligkeit gem. § 641 Abs. 2 BGB hat der Kläger keinerlei Tatsachen vorgetragen. Vielmehr ergibt sich aus dem Streitverkündungsschriftsatz der Beklagten vom 27.6.2023 (Bl. 117 Bd. II d.A.), dass im Verhältnis zu ihrem Auftraggeber weder ausreichende Zahlungen vorgenommen wurden, noch eine Abnahme der Leistungen erfolgt ist.

4. Die Abnahme als Voraussetzung der Vergütungsfälligkeit ist auch nicht aus anderen Umständen entbehrlich. Ein die Fälligkeit der Werklohnforderung begründendes Abrechnungsverhältnis liegt nicht vor. Insbesondere ergibt sich ein solches nicht daraus, dass der Kläger die Erfüllung des Bauvertrages, auf den das Erfüllungswahlrecht des § 103 InsO grundsätzlich Anwendung findet (vgl. BGH NZI 2002, 375, 376), mit Schriftsatz vom 24.4.2023 (Bl. 70 Bd. II d.A.) abgelehnt hat.

a) Der Senat verkennt nicht, dass dies in der Literatur teilweise abweichend beurteilt wird. Es wird vertreten, dass der die Erfüllung ablehnende Insolvenzverwalter unabhängig von einer Abnahme und wesentlichen Mängeln des teilweise erbrachten Werkes einen Anspruch auf den fiktiven Wert des mangelfreien Werkes abzüglich der Mangelbeseitigungskosten habe (vgl. Huber ZInsO 2005, 449, 551). Andernorts wird unter Bezugnahme auf die Vorschrift des § 645 BGB sowie die missliche Lage des Insolvenzverwalters, der zur Erfüllung des Bauvertrages in Gestalt eines abnahmereifen Werks außerstande ist und damit die Werklohnforderung nicht zur Masse ziehen kann, das Abnahmeerfordernis suspendiert und auf § 271 BGB zurückgegriffen (vgl. Bopp, Der Bauvertrag in der Insolvenz, S. 241f) bzw. unter Annahme einer Vertragsspaltung in einen erfüllten und einen nicht erfüllten Teil des Bauvertrages, die auf der analogen Anwendung des § 105 InsO auch auf die Vorleistung des Schuldners beruht, eine Abrechnung der Vergütungsforderung unter Minderung von Mangelbeseitigungskosten angenommen (vgl. Bopp, a.a.O., S. 284ff). Ferner wird vertreten, dass ein zur Fälligkeit führendes Abrechnungsverhältnis dadurch entsteht, dass der die Vertragserfüllung ablehnende Insolvenzverwalter für das mangelhafte Werk Vergütung verlangt und der Auftraggeber diese verweigert, weil er damit seine Gegenansprüche geltend mache oder jedenfalls die Abnahme des mangelhaften Teilgewerks endgültig verweigere (vgl. Matthies, BauR 2012, 1005, 1011). Demgegenüber vertreten andere Stimmen die Auffassung, dass die Erfüllungsablehnung i.S.d. § 103 InsO kein eigenes Abrechnungsverhältnis begründet, sondern vielmehr die Vergütungsforderung für den Insolvenzverwalter undurchsetzbar bleibt, wenn wesentliche Mängel vorliegen, keine Abnahme erfolgt ist und die Abnahme auch nicht aus anderen Gründen ausnahmsweise entbehrlich erscheint (vgl. Schmitz, Der Bauvertrag in der Insolvenz, ibr-online, Stand 30.8.2021, Rn. 53f; ders. in Grziwotz/Koeble, Handbuch Bauträgerrecht, 2. Aufl., Kap. 9 Rn. 91, 94 ff; Thode ZfBR 2006, 638, 640; wohl auch Matthies in BeckOK Insolvenzrecht, 34. Edition, Stand: 15.01.2024, Bau- und Architektenrecht in der Insolvenz Rn. 337).

b) Die letztgenannte Auffassung verdient den Vorzug. Ein Abrechnungsverhältnis allein dadurch, dass der Insolvenzverwalter die Erfüllung des Bauvertrages gem. § 103 InsO ablehnt, ist nicht anzuerkennen.

aa) Ein die Fälligkeit der Werklohnforderung unabhängig von einer Abnahme und trotz fehlender Abnahmepflicht herbeiführendes Abrechnungsverhältnis ist gegeben, wenn der Besteller nicht mehr die Erfüllung des Vertrages, sondern Minderung oder Schadensersatz verlangt oder die Abnahme des Werks oder weitere Arbeiten des Unternehmers ernsthaft und endgültig ablehnt (vgl. BGH NJW 2006, 2475 Rn. 26 m.w.N.; BGH NJW 2017, 1607 Rn. 44, 47) oder die Erfüllung unmöglich geworden ist (vgl. Kniffka in Kniffka/Koeble/Jurgeleit/Sacher, Kompendium des Baurechts, 5. Aufl., Teil 4 Rn. 490 m.w.N.). Es sind mithin Fälle betroffen, in denen dem Unternehmer eine Werklohnforderung zusteht und der Besteller allein auf Geldzahlung gerichtete Ansprüche wegen der unvollständigen oder mangelhaften Fertigstellung des Werks beanspruchen kann (BGH NJW 2005, 2771). Das entscheidende Kriterium für die Annahme eines solchen Abrechnungsverhältnisses liegt darin, dass es dem Unternehmer rechtlich und/oder tatsächlich unmöglich ist, den Anspruch des Bestellers im Wesentlichen mangelfrei zu erfüllen und er damit selbst die Voraussetzungen für eine Pflicht des Bestellers zur Abnahme und damit letztlich die Fälligkeit seines Werklohnanspruchs nicht herbeiführen kann (vgl. BGH NJW 2020, 2270 Rn. 21).

bb) Gemessen daran begründet die Wahl der Nichterfüllung des Bauvertrages durch den klagenden Insolvenzverwalter gem. § 103 InsO kein unabhängig von der Abnahme und Abnahmereife die Fälligkeit der Werklohnforderung begründendes Abrechnungsverhältnis.

Nach gefestigter Rechtsprechung hat die Wahl der Nichterfüllung des Vertrages durch den Insolvenzverwalter keine materiell-rechtliche Wirkung, sondern bestätigt nur die durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens gesetzlich eingetretene Suspendierung der Hauptleistungspflichten (vgl. BGH NZI 2002, 375). Diese wirkt nur für die Dauer des Insolvenzverfahrens und schafft ein auf dessen Zeitraum begrenztes Leistungsverweigerungsrecht (vgl. Huber in MüKo InsO, 4. Aufl., § 103 Rn. 18, 43). Macht nun der Vertragspartner von der ihm in § 103 Abs. 2 S. 1 InsO eröffneten Möglichkeit, seinen Anspruch wegen Nichterfüllung zur Insolvenztabelle anzumelden, keinen Gebrauch, bleibt ihm sein (werkvertraglicher) Erfüllungsanspruch erhalten (vgl. BGH NZI 2013, 296 Rn. 8), sofern dem nicht eine anderweitige Regelung in einem Insolvenzplan oder eine Restschuldbefreiung des Schuldners entgegenstehen. Dieser Anspruch ist während des Insolvenzverfahrens undurchsetzbar, kann aber nach Aufhebung des Insolvenzverfahren geltend gemacht werden (vgl. BGH a.a.O.). Genauso kann der Schuldner in diesem Fall, soweit er nicht als juristische Person liquidiert und beendet wird, nach der (abnahmereifen) Erfüllung die ausstehende Vergütung verlangen.

Auch wenn das Wiederaufleben der Forderungen nach Beendigung eines Insolvenzverfahrens nicht der Regelfall sein wird, entsteht angesichts der dargestellten Rechtslage gerade keine Sachlage, in der es dem Schuldner rechtlich und/oder tatsächlich unmöglich wäre, die Voraussetzungen der Abnahmepflicht des Bestellers herbeizuführen, wenn sich der Insolvenzverwalter i.S.d. § 103 InsO dafür entscheidet, den Bauvertrag nicht zu erfüllen, solange der Besteller seinen Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung nicht gem. § 103 Abs. 2 S. 1 InsO zur Insolvenztabelle anmeldet. Soweit eine Werklohnforderung lediglich undurchsetzbar ist, begründet dies kein Abrechnungsverhältnis (vgl. BGH NJW 2020, 2270 Rn. 19 ff., 21 für den Fall der Verjährung); wird dem Schuldner Restschuldbefreiung erteilt oder wird er als juristische Person liquidiert und beendet, erlöschen die Forderungen.

Auch bezogen auf den Insolvenzverwalter lässt sich kein anderes Ergebnis rechtfertigen. Er hat zwar nach der grundsätzlich bindenden sowie rechtsgestaltenden Ablehnung der Erfüllung des Bauvertrages oder dem Schweigen auf eine Aufforderung des Bestellers, sein Wahlrecht auszuüben (§ 103 Abs. 2 S. 2, 3 InsO), keine Möglichkeit mehr, die Abnahmereife herzustellen. Allerdings handelt es sich unter dem maßgeblichen Blickwinkel des bestehenden Bauvertrages und nicht der persönlichen Möglichkeiten des Insolvenzverwalters lediglich um einen temporären Zustand, der mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens endet. Zudem erscheint es verfehlt, für die Bestimmung des Abrechnungsverhältnisses allein auf den Zeitpunkt der Erfüllungsablehnung gem. § 103 InsO abzustellen. Vielmehr ist maßgeblich, dass der Insolvenzverwalter bis zur Ausübung seines Wahlrechts die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit hatte, den Anspruch des Bestellers im Wesentlichen mangelfrei zu erfüllen und damit selbst die Voraussetzungen für eine Pflicht des Bestellers zur Abnahme und damit letztlich die Fälligkeit seines Werklohnanspruchs herbeizuführen. Mit seiner Entscheidung, den Bauvertrag nicht zu erfüllen, verhält sich der Insolvenzverwalter wie ein Unternehmer, der die Mängelbeseitigung verweigert und als Kompensation für die Mängel einen Abzug von der Rechnung vornimmt. Genauso wie dem Unternehmer dieser Weg, ein Abrechnungsverhältnis dergestalt eigenmächtig herbeizuführen, verschlossen bleibt (vgl. Kniffka in Kniffka/Koeble/Jurgeleit/Sacher, Kompendium des Baurechts, 5. Aufl., Teil 4 Rn. 492), gilt dies für den Insolvenzverwalter.

Damit ist der Insolvenzverwalter auch nicht über die Maßen benachteiligt. Es entspricht seinen Pflichten, abzuschätzen, ob die Erfüllung des Bauvertrages und der damit zur Masse zu ziehende (Rest-) Werklohn es rechtfertigt, das Bauwerk mangelfrei fertig zu stellen. Danach hat er die Entscheidung zu treffen, ob es lohnt, den Betrieb des Schuldners aufrecht zu erhalten, oder, wenn dies unwirtschaftlich oder unmöglich erscheint, gegebenenfalls einen Drittunternehmer mit der Mängelbeseitigung zu beauftragen. In diesem Fall werden die (Nach-)Erfüllungsansprüche des Bestellers gem. § 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 InsO sowie die Werklohnansprüche eines beauftragten Drittunternehmers nach § 4 Abs. 1 S. 3 InsVV, § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO Masseverbindlichkeiten und es entsteht ein Haftungsrisiko des Insolvenzverwalters nach § 61 Abs. 1 S. 2 InsO. Auch wenn entsprechende Entscheidungen im Einzelfall schwierig zu treffen sein mögen, weil der Bautenstand und die Mängel für den Insolvenzverwalter schwer zu beurteilen sein können, liegen sie in seinem ihm gesetzlich übertragenen Pflichtenkreis. Damit verbundene Risiken können mithin nicht als unzumutbar angesehen werden. Insbesondere stellen sie keinen sachlich gerechtfertigten Grund dar, dem Insolvenzverwalter wider die werkvertraglichen Grundsätze den für ihn deutlich einfacheren und haftungsrechtlich risikoärmeren Weg zu eröffnen, die Vertragserfüllung gem. § 103 InsO abzulehnen und im Anschluss dem Besteller die Vergütung zu berechnen, um diese im Streitfall gerichtlich geltend zu machen, im Zuge dessen die Mängel aufzuklären und die Kosten für deren Beseitigung bestimmen sowie diese durch Urteil von der Werklohnforderung in Abzug bringen zu lassen. Anders ausgedrückt: Kommt der Insolvenzverwalter den ihm gesetzlich übertragenen Pflichten nach, wird er sich für eine Vertragserfüllung entscheiden, wenn der ausstehende Werklohnanspruch die Kosten der mangelfreien Fertigstellung übersteigt. Er wird indes davon absehen, sofern die Kosten der Mängelbeseitigung die unbezahlte Vergütung erreichen oder übersteigen.

Schon aus diesem Grund lässt sich nicht einwenden, dass der Besteller mit seiner Entscheidung, keinen Schadensersatz wegen Nichterfüllung zu verlangen und damit den Bauvertrag unbeendet zu belassen, wirtschaftliche Zwecke verfolgt. Zum einen wäre er dazu allein auf Grund einer vorangehenden, wirtschaftlichen Entscheidung des Insolvenzverwalters in der Lage. Überdies gilt Folgendes: Sobald feststeht, dass der Besteller das Werk dauerhaft mit den darin verkörperten Mängeln behält, die Mangelbeseitigung dauerhaft unmöglich wird oder der Besteller das Werk selbst bzw. durch einen Drittunternehmer fertigstellen lässt, entsteht ein die Fälligkeit der Werklohnforderung unabhängig von der Abnahme auslösendes Abrechnungsverhältnis (vgl. Kniffka in Kniffka/Koeble/Jurgeleit/Sacher, Kompendium des Baurechts, 5. Aufl., Teil 4 Rn. 490ff). Gleiches gilt, sobald der Besteller einen Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung zur Insolvenztabelle anmeldet. Vorliegend steht allerdings entgegen der Andeutungen der Berufung gerade nicht fest, dass die Beklagte die Arbeiten so belassen möchte. Sie befindet sich ausweislich ihres unwidersprochen gebliebenen Vortrags aus dem Streitverkündungsschriftsatz im Streit mit ihrem Auftraggeber.

Auch der Umstand, dass der Besteller im Falle des Schadensersatzverlangens wegen Nichterfüllung mit diesen Kosten gegenüber dem durch den Insolvenzverwalter geltend gemachten Werklohnanspruch aufrechnen kann (vgl. BGH NZBau 2005, 685, 686f), rechtfertigt kein anderes Ergebnis. Dies mag es für den Besteller attraktiver machen, den Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung geltend zu machen. Solange er dies indes nicht tut, entsteht kein Abrechnungsverhältnis.

Die von der Berufung darüber hinaus geltend gemachten Umstände vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners, wie ein Verzug der Beklagten mit der Annahme von Mängelbeseitigungsarbeiten oder eine nicht bzw. zu niedrig geleisteten Sicherheit gem. § 650f BGB, lässt der Senat dahinstehen. Denn sie rechtfertigen keine abweichende Beurteilung. Insbesondere kommt eine Fälligkeit der Forderung unter Berücksichtigung der Grundsätze von Treu und Glauben aus den durch den Kläger dargestellten Gründen nicht in Betracht.

5. Allerdings war die Klage nicht als endgültig, sondern nur mangels Fälligkeit als derzeit unbegründet abzuweisen. Sollte die Beklagte oder ihre Auftraggeberin die Mängel beseitigen oder sie doch noch ihre Ansprüche auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung geltend machen, träte ein Abrechnungsverhältnis ein.


III.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die beschränkte Zulassung der Revision zugunsten des Klägers beruht darauf, dass die Frage, ob die Wahl der Nichterfüllung eines Werkvertrages durch den Insolvenzverwalter gem. § 103 InsO unabhängig von der der Abnahme oder eines anderen Abnahmesurrogats ein die Fälligkeit der Werklohnforderung begründendes Abrechnungsverhältnis herbeiführt, höchstrichterlich nicht geklärt und in der Literatur umstritten ist.

OLG Stuttgart zu der Frage, dass eine der Höhe nach unangemessene Sicherheit sich insbesondere daraus ergeben kann, dass nach dem Klauselwerk eine Sicherheit für die Vertragserfüllung, die auch nach Abnahme bestehende Mängelansprüche des Auftraggebers sichern soll, noch längere Zeit nach Abnahme nicht zurückgegeben werden muss, während zugleich eine Sicherheit für Mängelansprüche verlangt werden kann, so dass es zu einer Überschneidung der beiden Sicherheiten kommt

OLG Stuttgart zu der Frage, dass eine der Höhe nach unangemessene Sicherheit sich insbesondere daraus ergeben kann, dass nach dem Klauselwerk eine Sicherheit für die Vertragserfüllung, die auch nach Abnahme bestehende Mängelansprüche des Auftraggebers sichern soll, noch längere Zeit nach Abnahme nicht zurückgegeben werden muss, während zugleich eine Sicherheit für Mängelansprüche verlangt werden kann, so dass es zu einer Überschneidung der beiden Sicherheiten kommt

vorgestellt von Thomas Ax

1. Eine unangemessene Benachteiligung kann auch aus einer Gesamtwirkung mehrerer, jeweils für sich genommen nicht zu beanstandender Vertragsbestimmungen ergeben. Das ist etwa der Fall, wenn sich aus den vom Auftraggeber gestellten formularmäßigen Vertragsbestimmungen eines Bauvertrags – für sich genommen oder in ihrem Zusammenwirken – ergibt, dass der Auftragnehmer als Vertragspartner des Verwenders für einen nicht unerheblichen Zeitraum über die Abnahme hinaus wegen möglicher Mängelansprüche des Auftraggebers eine Sicherheit leisten muss, die jedenfalls nicht unwesentlich über 5 % der Auftragssumme liegt.
2. Eine solche, der Höhe nach unangemessene Sicherheit kann sich dabei insbesondere daraus ergeben, dass nach dem Klauselwerk eine Sicherheit für die Vertragserfüllung, die auch nach Abnahme bestehende Mängelansprüche des Auftraggebers sichern soll, noch längere Zeit nach Abnahme nicht zurückgegeben werden muss, während zugleich eine Sicherheit für Mängelansprüche verlangt werden kann, so dass es zu einer Überschneidung der beiden Sicherheiten kommt und dem Auftraggeber für etwaige Mängelansprüche sowohl die Sicherheit für die Vertragserfüllung als auch die Sicherheit für Mängelansprüche zur Verfügung steht.
OLG Stuttgart, Urteil vom 25.04.2024 – 13 U 97/23
vorhergehend:
LG Stuttgart, 04.04.2023 – 47 O 611/21

In dem Rechtsstreit

(…)

wegen Bürgenhaftung

hat das Oberlandesgericht Stuttgart – 13. Zivilsenat – durch die Richterin am Oberlandesgericht ###, den Richter am Landgericht Dr. ### und die Richterin am Oberlandesgericht ### aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 01.02.2024

für Recht erkannt:

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 04.04.2023, Az. 47 O 611/21, wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Dieses Urteil und das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Stuttgart sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des insgesamt vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen. Streitwert des Berufungsverfahrens: 406.097,00 Euro

Gründe:

I.

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit von Bestimmungen zur Gestellung von Sicherheiten in einem Bauvertrag über die schlüsselfertige Erstellung des Bauvorhabens “###”, bestehend aus zwei Gebäuden mit insgesamt 52 Wohnungen, Freianlagen und Tiefgarage in der ###-Straße ### in ###. Die Beklagten werden hierbei als Bürgen der zwischenzeitlich insolventen Generalunternehmerin ### GmbH von der Klägerin (Bestellerin/Auftraggeberin) auf Zahlung von insgesamt 406.097,00 Euro in Anspruch genommen.

Der zwischen der Klägerin und der ### GmbH am 23.03.2016 geschlossene “Vertrag über Planungs- und Bauleistungen in einem partnerschaftlichen Baumodell” (Anlage K 1 – nachfolgend “GU-Vertrag”, auf CD-ROM [wie alle Anlagen K 1 bis K 53]) enthält u.a. die folgenden Bestimmungen (wobei AN = Auftragnehmer/### GmbH, AG = Auftraggeber/Klägerin):

“§ 2 Vertragsgrundlagen

Der AN hat seine Leistungen aufgrund folgender Vertragsgrundlagen zu erbringen:

2.1 dieser Vertrag,

(…)

2.3 Für Bauleistungen die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil B (VOB/B) in der bei Vertragsunterzeichnung gültigen Fassung.

(…)

2.8 lm Falle von Widersprüchen zwischen den Vertragsgrundlagen hat diejenige Angabe Gültigkeit, die zu einer höherwertigeren Ausführung des Bauvorhabens führen wird. Ist der Widerspruch hierdurch nicht aufzulösen, sind die erforderlichen Angaben dem Referenzobjekt (§ 3.8.1 dieses Vertrages) zu entnehmen. Sind aus dem Referenzobjekt keine Vorgaben ableitbar, gehen zeichnerische Angaben den textlichen vor. Soweit hierdurch der Widerspruch noch nicht gelöst wird, geht die vorstehend oder in der Auflistung in Anlage 2.2 zuerst genannte Vertragsgrundlage der später genannten Vertragsgrundlage vor.

(…)

§ 10 Zahlungen und Abrechnung

10.1 Für seine Leistungen erhält der AN zunächst Abschlagszahlungen nach Maßgabe des ggf. wegen geänderter oder zusätzlicher Leistungen anzupassenden Zahlungsplans (Anlage 2.2 ###). Die Höhe der jeweiligen Zahlung richtet sich nach dem tatsächlichen Leistungsstand, wobei jeweils 90 % des Wertes der nachgewiesenen erbrachten Leistungen zu Vertragspreisen zur Auszahlung gelangen. Der Sicherheitseinbehalt ist durch Erfüllungsbürgschaft eines deutschen Kreditinstituts oder eines deutschen Kreditversicherers gem. Muster AG ablösbar.

(…)

10.4. Alle Abschlagszahlungen sind, zuzüglich Mehrwertsteuer, 15 Werk-Tage nach Eingang einer prüffähigen Abschlagsrechnung fällig.

10.5 Die Schlusszahlungen erfolgt, ggfs. abzüglich des nachfolgend in § 13.3 dieses Vertrages bestimmten Einbehalts für Mängelansprüche in Höhe von 5 %, innerhalb von zwei Monaten nach Abnahme und Vorlage einer prüffähigen Schlussrechnung.

(…)

§ 11 Abnahme der Leistungen des AN

11.1 Alle Leistungen des AN nach § 3 dieses Vertrages sind förmlich abzunehmen. Eine fiktive Abnahme nach § 12 Abs. 5 VOB/B sowie eine Abnahme durch Ingebrauchnahme sind ausgeschlossen. § 640 Abs. 1 Satz 3 BGB bleibt unberührt. Teilabnahmen sind ausgeschlossen.

11.2 Der AN hat die vollständige Fertigstellung der ihm nach Maßgabe dieses Vertrages übertragenen Leistungen schriftlich anzuzeigen und die Abnahme der Leistungen zu beantragen. Eine Abnahmebegehung zur Erlangung der förmlichen Abnahme der dem AN übertragenen Leistungen hat innerhalb von 20 Werktagen nach Zugang der Anzeige beim AG zu erfolgen. Mit dem Abnahmeverlangen hat der AN dem AG folgende Unterlagen zu übergeben:

(1) Nachunternehmerverzeichnis

(2) Behördliche Genehmigungen, soweit diese nicht dem AG in direktem Wege zugestellt wurden

(3) Alle Prüftestate und Abnahmebescheinigungen von staatlichen Stellen oder hierfür besonders bestimmten Stellen, insbesondere Abnahmebescheinigungen des TÜV für diejenigen technischen Anlagen, die einer solchen Abnahme bedürfen

(4) Alle vertraglich vereinbarten Nachweise über Eigenschaften von Baustoffen

(5) Alle Bedienungs-, Wartungs- und Pflegeanleitungen, Handbücher und sonstige Unterlagen für technische Anlagen, die einer solchen Abnahme bedürfen

(6) Die gültigen Bestands- und Revisionspläne der baulichen Anlagen einschließlich Kalt- und Warmwasserzuleitungen, Heizungs-, Lüftungs-, Klimaanlagen, Elektroanlagen, Abwasserleitungen, Beförderungsanlagen, Feuerlöschanlagen sowie Werkstattzeichnungen der technischen Anlagen;

(7) Sämtliche Werkstatt- und Montagepläne

(8) Einweisungsprotokolle für Nutzer

Die Übergabe der vorstehenden Unterlagen ist Abnahmevoraussetzung, soweit der AN sie nicht von Dritten, die nicht selbst von ihm beauftragt sind (z.B. Behörden), nicht erhält oder vom AG selbst zu beschaffen sind. Sofern im Vertrag weitere Unterlagen genannt sind, sind diese spätestens vier Wochen nach Abnahme zu übergeben. (…)

§ 13 Sicherheiten

13.1 Erfüllungssicherheit

Der AN hat dem AG für die Erfüllung aller Ansprüche, die dem AG aus diesem Vertragsverhältnis gegenüber dem AN zustehen oder zustehen können, insbesondere Erfüllungsansprüche, Mängelansprüche einschließlich bei der Abnahme vorbehaltener Mängel, Rückzahlungsansprüche bzgl. geleisteter Anzahlungen, Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung, Schadenersatzansprüche statt der Leistung oder aus sonstigen Gründen einschließlich deliktischer Ansprüche Sicherheit in Höhe von 5 % des Brutto-Vertragspreises gemäß § 7.1 dieses Vertrages (einschließlich MwSt.) zu leisten. Die Sicherheit hat auch künftige Ansprüche aus etwaigen Änderungs-, Ergänzungs-, Erweiterungs-, Zusatz oder Nachtragsvereinbarungen mit abzusichern. Im Übrigen hat die Sicherheit ebenfalls gesetzliche und vertragliche Rückgriffs- und Schadenersatzansprüche (einschließlich Bürgenregress- und Gesamtschuldnerausgleich) des AG gegenüber dem AN für den Fall, dass der AG,

• gem. § 1 a Arbeitnehmerentsendegesetz auf Mindestentgelt,

• nach den Vorschriften des SGB oder anderen gesetzlichen Vorschriften für Sozialversicherungsbeiträge/Unfallversicherungsbeiträge und andere Beiträge, die vom AN oder dessen Subunternehmern geschuldet werden;

• im Zusammenhang mit den Steuerabzugsverpflichtungen nach den §§ 48 bis 48d EstG, in Anspruch genommen werden, abzusichern.

Die Vertragsparteien haben als Sicherheit eine Bürgschaft vereinbart. Die Bürgschaft muss selbstschuldnerisch, unbefristet, unbedingt, unter Verzicht auf die Einreden der Anfechtbarkeit sowie der Aufrechenbarkeit mit anderen als unstreitigen oder rechtskräftig festgestellten Forderungen als auch auf Vorausklage sowie auf Hinterlegung ausgestellt sein. Die Bürgschaftsforderung muss deutschem Recht unterstehen; der Bürge muss seinen Geschäftssitz in Deutschland haben oder aber unwiderruflich einen Zustellungsbevollmächtigten in Deutschland benennen. Sie muss auch ansonsten dem Muster in Anlage 10.1 entsprechen.

Die Bürgschaft ist binnen einer Frist von zwei Wochen nach Abschluss dieses Vertrages zu stellen. Solange die Bürgschaft nicht vorliegt, kann der AG den Einbehalt von Abschlagszahlungen in entsprechender Höhe vornehmen (siehe oben § 10.1.). Er kann außerdem diesen Vertrag kündigen, wenn die Bürgschaft nicht innerhalb einer angemessenen Nachfrist nachgereicht wird.

13.2 Austausch der Sicherheiten

Der AN kann vorbehaltlich der nachfolgenden Regelung die Erfüllungssicherheit nach Abnahme seiner Leistung, Vorlage einer prüffähigen Schlussrechnung sowie Gestellung der Sicherheit für Mängelansprüche zurückverlangen. Der AG kann nach seiner Wahl die Übergabe einer neuen Teilerfüllungssicherheit zur Absicherung folgender Ansprüche geltend machen:

(i) Anspruch auf Beseitigung der im Abnahmeprotokoll festgehaltenen Mängel in Höhe des Nacherfüllungsinteresses (bis zum zweifachen Mängelbeseitigungsaufwand) sowie

(ii) Anspruch auf Erbringung von zurückgestellten, bis zur Abnahme nicht ausgeführten Leistungen in Höhe der hierfür anfallenden Vergütung

oder die Rückgabe der Erfüllungssicherheit gemäß § 13.1 dieses Vertrages in entsprechender Höhe (teilweise) verweigern.

13.3 Bürgschaft für Mängelansprüche

Für die Dauer der Mängelhaftung hat der AN dem AG für etwaige Mängelhaftungsansprüche Sicherheiten in Höhe von 5 % der jeweiligen Brutto-Schlussrechnungssummen zu leisten (einschließlich MwSt.). Sicherheiten sind in Form von Mängelhaftungsbürgschaften gemäß Muster in Anlage 13.3 zu erbringen, für die § 13.1 entsprechend gilt. Bis zur Überreichung kann der AG 5 % der jeweiligen Brutto-Schlussrechnungssumme einbehalten. § 17 Abs. 6 VOB/B ist im Übrigen ausgeschlossen.

Nach Ablauf der jeweiligen Verjährungsfristen für die Mängelansprüche erfolgt eine entsprechende (Teil-)Freigabe. Im Hinblick auf folgende Gewerke, für die die Parteien eine zehnjährige Verjährungsfrist vereinbart haben, vereinbaren die Parteien, dass der AG die Bürgschaft für Mängelansprüche in Höhe von EUR ### (zweifacher Wert) erst nach Ablauf der zehnjährigen Gewährleistungsfrist freizugeben und dann die Urkunde zurückzugeben hat. (…)”

Die Beklagte zu 1) gab am 07.07.2016 zu dem o.g. Bauvorhaben für die ### GmbH gegenüber der Klägerin eine “Kombinierte Vertragserfüllungs- und Mängelansprüchebürgschaft” über eine Höchstbetragssumme von 175.000,00 Euro und am 23.09.2016 eine solche über einen Höchstbetrag von 31.097,00 Euro ab (Anlage K 2).

Die Beklagte zu 2) erteilte am 11.07.2016 zu dem o.g. Bauvorhaben für die ### GmbH gegenüber der Klägerin eine “Kombinierte Vertragserfüllungs- und Mängelansprüchebürgschaft” zum Höchstbetrag von 100.000,00 Euro und am 12.09.2016 eine weitere Bürgschaft zur Sicherstellung der “vertragsgemäßen Ausführung” und der “vertragsgemäßen Mängelansprüche” bis zu einem Betrag von 100.000,00 Euro (Anlage K 2).

Die ### GmbH beendete ihre Leistungen nicht vollständig. Mit Schreiben vom 02.05.2018 (Anlage K 16) erklärte die Klägerin die Kündigung des GU-Vertrags. Nach eigenem Insolvenzantrag der ### GmbH vom 02.11.2019 wurde am 01.01.2020 das Insolvenzverfahren über deren Vermögen eröffnet. Die Klägerin nahm infolgedessen die Beklagten jeweils auf der Grundlage der übernommenen Bürgschaften auf Zahlung in Anspruch (Anlage K 31).

Im Einzelnen begehrt die Klägerin Ersatz von behaupteten Fertigstellungsmehrkosten und Mängelbeseitigungskosten, Ersatz für ihren Kunden (den Erwerbern) mangelbedingt erteilte Gutschriften, Ersatz sonstiger Schäden sowie Zahlung von Vertragsstrafe wegen behaupteter verschuldeter Überschreitung des Gesamtfertigstellungstermins. Auf Seite 4 f. ihrer Replik vom 24.06.2022 (eALG Bl. 206 f.), worauf wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, hat die Klägerin überdies klargestellt, in welcher konkreten Reihen- und Rangfolge sie die behaupteten – jeweils nach Grund und Höhe streitigen – und in ihrer Summe die Höchstbeträge der streitgegenständlichen Bürgschaften übersteigenden Ansprüche – verteilt auf die vier Bürgschaften – geltend macht.

Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt:

1. Beklagte zu 1) wird verurteilt, an die Klägerin 206.097,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 05.05.2020 zu bezahlen.

2. Die Beklagte zu 2) wird verurteilt, an die Klägerin 200.000,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 05.05.2020 zu bezahlen.

Die Beklagten haben jeweils Klageabweisung betragt.

Sie sind den behaupteten Hauptforderungen im Einzelnen entgegengetreten und haben darüber hinaus die Einrede der ungerechtfertigten Bereicherung (§§ 768, 812, 821 BGB) erhoben. Die Sicherungsabreden im GU-Vertrag, bei denen es sich um allgemeine Geschäftsbedingungen handele, hielten der erforderlichen Inhaltskontrolle nicht stand und seien unwirksam. Es liege eine Übersicherung vor, welche den Auftragnehmer (### GmbH) unangemessen benachteilige.

Die Beklagte zu 2) hat des Weiteren geltend gemacht, dass die Klägerin ihre am 12.09.2016 abgegebene Bürgschaft nicht akzeptiert habe und daher ohnehin keine Grundlage bestehe, aus dieser vorzugehen.

Für die weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstands wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils und den übrigen landgerichtlichen Akteninhalt Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Beklagten könnten ihrer Inanspruchnahme als Bürgen aus § 765 BGB den ihnen nach §§ 768, 821 BGB im Verhältnis zur Klägerin zustehenden Einwand entgegenhalten, dass die zwischen der Klägerin und der ### GmbH zustande gekommenen Sicherungsvereinbarungen insgesamt nach §§ 305, 307 Abs. 1 BGB unwirksam seien. Die von der Klägerin gestellte vertragliche Regelung in § 13 in Kombination mit den Regelungen in § 10 des GU-Vertrags benachteilige die ### GmbH unangemessen i.S.v. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB.

Bei den maßgeblichen Vertragsbestimmungen handele es sich um formularmäßig vorgedruckte Regelungen der Klägerin. Diese seien nicht gemäß § 305 Abs. 1 Satz 2 BGB im Einzelnen von den Parteien ausgehandelt worden. Vielmehr habe die Klägerin sie der ### GmbH einseitig gestellt. Aus dem Inhalt und der Gestaltung der in einem Bauvertrag verwendeten Bedingungen könne sich nach der Rechtsprechung ein vom Verwender zu widerlegender Anschein ergeben, dass sie zur Mehrfachverwendung vorformuliert seien. Diesen Anschein erwecke der GU-Vertrag. Die einzelnen Reglungen bestünden aus einer Vielzahl von formelhaften Wendungen zur Regelung typischer konfliktgefährdeter Sachverhalte. Der Klägerin sei es trotz entsprechenden Hinweises nicht gelungen, diesen Anschein zu widerlegen. Das seitens der Klägerin geäußerte Bestreiten, dass es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen handele, sei nicht ausreichend. Tatsachen, die Anhaltspunkte zur Widerlegung des Anscheins böten, trage die Klägerin nicht vor.

Das von der Klägerin verwendete Klauselgefüge über die Stellung einer Vertragserfüllungs- und Mängelbürgschaft in Kombination mit dem unter § 10 geregelten Einbehalt stelle gemäß § 307 Abs. 1 BGB eine unangemessene Benachteiligung der ### GmbH dar. Zusammenfassend lasse sich aus der Zusammenschau der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes sagen, dass eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners des Verwenders im Sinne von § 307 Abs. 1 S. 1 BGB vorliege, wenn nach Abnahme des Werkes Ansprüche des Auftraggebers über einen nicht unerheblichen Zeitraum besichert würden, die nicht unwesentlich über 5 % der Auftragssumme lägen. Dies sei ebenso der Fall, wenn für den Zeitraum vor Abnahme Ansprüche des Auftraggebers von über 10 % der Auftragssumme gesichert würden. Möglich sei auch, dass eine Kombination beider für sich genommen wirksamen Sicherungen zu einer Unwirksamkeit der Regelungen insgesamt führen könne, wenn diese sich überlappten und beide dem Auftraggeber zur Verfügung stünden. Gerade ein solcher Fall der Überlappung mehrerer Sicherheiten liege hier vor. Hierdurch bestehe die Gefahr, dass der Klägerin über den Zeitraum der Abnahme hinaus für Mängelansprüche sowohl die Erfüllungsbürgschaft (bzw. der Sicherheitseinbehalt von 10 %) als auch die Bürgschaft der Mängelansprüche (§ 13.3) zur Befriedigung zustünden.

Zunächst sei bereits zweifelhaft, ob sich eine Unangemessenheit und damit Unwirksamkeit dieser Abreden bereits mit Blick auf das Verhältnis von § 10.1 in Zusammenschau mit § 13.1 ergebe. § 10 regele, dass die Leistungen des Auftragnehmers nach dem Leistungsstand zu bezahlen und insoweit Abschlagszahlungen fällig seien, wobei nur 90 % zur Auszahlung gelangten. Dieser Sicherungseinbehalt in Höhe von 10 % könne durch eine Erfüllungsbürgschaft abgelöst werden. § 13.1 regele weiter zur Erfüllungssicherheit, dass der Auftragnehmer eine Sicherheit zur Erfüllung aller Ansprüche, insbesondere Erfüllungs- als auch Mängelansprüche, in Höhe von 5 % des Bruttovertragspreises zu leisten habe. Diese Regelungen legten den Anschein nahe, dass der Auftragnehmer zum einen eine Bürgschaft in Höhe von 10 % zu leisten habe, um den vollen Betrag seiner Abschlagsrechnungen zu erhalten, und daneben eine weitere Bürgschaft in Höhe von 5 %, die sowohl die Erfüllungsansprüche absichere und insoweit den gleichen Inhalt habe wie die unter § 10.1 geregelte Bürgschaft, als auch mögliche Gewährleistungsansprüche. Die Gesamtbelastung durch die vom Auftragnehmer zu stellenden Sicherheiten mit sodann 15 % überschreite das Maß des Angemessenen. Dieser Auslegung stehe der letzte Absatz in § 13.1 nicht zwingend entgegen, wonach der Auftraggeber, solange die Bürgschaft nicht vorliege, den Einbehalt von Abschlagszahlungen in entsprechender Höhe nach § 10.1 vornehmen könne. Soweit die Klägerin daraus folgere, dass die Sicherheiten in § 10 und § 13.1 eindeutig nicht kumulativ bestehen sollten, sei dies gerade mit Blick darauf, dass § 10 keinerlei Bezug auf § 13.1. nehme (wohingegen für die Schlusszahlungen in § 10.5 durchaus ein Bezug zu § 13.3 hergestellt werde), weder aus dem Wortlaut noch aus der Systematik zwingend, zumal in § 10.1. vorgeschrieben werde, dass die Sicherheit durch Erfüllungsbürgschaft “gem. Muster AG” abgelöst werden könne, wohingegen § 13.1. bereits im Vertragstext konkrete Vorgaben für die Bürgschaft mache und hier auf Anlage 10.1 als Muster verweise.

Deutlich werde die unangemessene Benachteiligung auch mit Blick auf § 13.1 sowie § 13.3, die letztlich beide zur Sicherung von Mängelansprüchen des Auftraggebers dienten. Nach dem Wortlaut in § 13.1 sichere die Erfüllungssicherheit alle Ansprüche des Auftraggebers, mithin sowohl Erfüllungs- als auch Mängelansprüche. § 13.3 regele eine zu stellende Sicherheit in Höhe von 5 % der Bruttoschlussrechnungssumme für etwaige Mängelhaftungsansprüche, bis zu deren Vorlage der Auftraggeber 5 % der Bruttoschlussrechnungssumme einbehalten könne. § 13.2 regele zum Austausch der Sicherheiten, dass die Erfüllungssicherheit nach Abnahme der Leistung, Vorlage einer prüffähigen Schlussrechnung und auch Gestellung der Sicherheit nach § 13.3 zurückverlangt werden könne. Der Auftraggeber könne jedoch nach seiner Wahl die Rückgabe der Erfüllungssicherheit verweigern oder eine neue Teilerfüllungssicherheit für die Ansprüche auf Beseitigung der im Abnahmeprotokoll festgehaltenen Mängel sowie auf Erbringung nicht ausgeführter Leistungen nach § 13.2 verlangen. Durch die Vertragskonstruktion könne es zu einer Konstellation kommen, wonach die Klägerin durch die Kombination dieser Sicherheiten auch nach Abnahme Sicherheiten in Höhe von deutlich über 5 % der Auftragssumme einbehalte, was unter Berücksichtigung der Interessen des Auftragnehmers unangemessen sei. Der Auftraggeber habe durch das Wahlrecht in § 13.2 die Möglichkeit, zusätzlich zu der Summe von 5 % – auch noch längere Zeit nach der Abnahme, z.B. bei Streit über noch offene Forderungen des Auftragnehmers – eine Erhöhung der Bürgschaft um das Doppelte von Mängelbeseitigungskosten zu verlangen oder eben die Erfüllungsbürgschaft einzubehalten.

Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihr erstinstanzliches Klageziel vollumfänglich weiter.

Soweit das Landgericht die maßgeblichen Vertragsbestimmungen im GU-Vertrag als der AGB-Kontrolle gem. §§ 305 ff. BGB unterliegend ansehe, werde dem nach wie vor widersprochen und insoweit auf den Vortrag in erster Instanz verwiesen.

Die Auffassung des Landgerichts, dass die vertraglichen Sicherheitsabreden nach § 307 Abs. 1 BGB unwirksam seien, sei unzutreffend. Zunächst sei die Darstellung der Regelungen zur Erfüllungssicherheit aus dem GU-Vertrag im Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils unvollständig. Zwar würden die maßgeblichen Regelungen in § 10.1 und § 13.1 zutreffend zitiert. Das Erstgericht übersehe allerdings, dass die Vertragsparteien in § 2.3 die Geltung der “Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil B (VOB/B) in der bei Vertragsunterzeichnung gültigen Fassung” (seinerzeit die VOB/B 2012) vereinbart hätten. Bei der Erfüllungssicherheit hätten die Vertragsparteien – anders als explizit bei der Mängelsicherheit (§ 13.3) – die Regelung des § 17 Abs. 6 VOB/B nicht ausgeschlossen, so dass diese im Hinblick auf die vereinbarten Erfüllungssicherheiten in § 10.1 und § 13.1 vereinbart worden sei. Auch hätten die Parteien durch Einbeziehung der VOB/B 2012 ein alternatives Wahlrecht des Auftragnehmers gem. § 17 Abs. 3 VOB/B 2012 vereinbart.

Soweit das Landgericht den Regelungen in § 10.1 und § 13.1 des GU-Vertrags die (mögliche) Verpflichtung entnehme, dass der Auftragnehmer zum einen eine Bürgschaft in Höhe von 10 % (zur Ablösung des Sicherheitseinbehalts in § 10.1) zu leisten habe und daneben eine weitere Vertragserfüllungsbürgschaft in Höhe von 5 % gem. § 13.1, sei eine solche “kundenfeindlichste” Auslegung nicht möglich und zulässig. Denn nach der vereinbarten Regelung in § 17 Abs. 6 Nr. 1 VOB/B 2012 dürfe der Auftraggeber den Sicherheitseinbehalt zwar – wie in § 10.1 des GU-Vertrags vorgesehen – bei den einzelnen Abschlagsrechnungen in Höhe von maximal 10 % vornehmen, allerdings insgesamt nur bis zur Höhe der vereinbarten Sicherheitssumme, welche in § 13.1 in Höhe von 5 % des Bruttovertragspreises vereinbart worden sei. Selbst wenn man die Gefahr einer Kumulation von Einbehalt/Ablösebürgschaft gem. § 10.1 und Vertragserfüllungsbürgschaft gem. § 13.1 annehmen wollte, so habe auch dann jedenfalls die Gefahr einer Erfüllungssicherheit von über 10 % des Bruttovertragspreises nicht bestanden, da sowohl Einbehalt/Ablösebürgschaft (§ 10.1 des GU-Vertrags i.V.m. § 17 Abs. 6 Abs. 1 Satz 1 VOB/B), als auch Bürgschaft (§ 13.1 des GU-Vertrags) auf eine Höhe von je 5 % beschränkt gewesen seien, somit zusammen allenfalls maximal 10 % des Bruttovertragspreises erreicht hätten, was nicht zu beanstanden wäre. Die Möglichkeit einer Kumulation habe aber ohnehin angesichts der Regelungen in § 13.1 des GU-Vertrags nicht bestanden, da darin einerseits die höhenmäßige Begrenzung des in § 10.1 des GU-Vertrags vereinbarten Sicherheitseinbehalts (5 % des Bruttovertragspreises) durch das Wort “entsprechender” zum Ausdruck komme, andererseits auch, dass die Sicherheiten in Gestalt eines Werklohneinbehalts gemäß §§ 10.1, 13.1 bzw. einer Vertragserfüllungsbürgschaft gemäß § 13.1 zwei Alternativen derselben Sicherheit verkörperten, so dass jede Kumulierung insoweit ausscheide. Diese Alternativität ergebe sich zusätzlich aus den vereinbarten Regelungen der VOB/B 2012, § 17 Abs. 6 Nr. 1 bzw. Nr. 3 [gemeint wohl: Abs. 3]. Auch die “kundenfeindlichste” Auslegung müsse sich im Rahmen der anerkannten Auslegungsgrundsätze bewegen. Wenn das Landgericht darauf abstellen wolle, dass der Konnex von § 13.1 und § 10.1 zwar durch die vorgenannten Verweise in § 13.1 aufgezeigt werde, es aber in § 10.1 an korrespondierenden Verweisen wiederum auf § 13.1 fehle, so überzeuge dies nicht. Das Gericht verkenne, dass im Rahmen von § 307 BGB zwar grundsätzlich eine einzelklauselbezogene Würdigung erfolge, bei dem zugrunde zu legenden Klauselinhalt und dessen Auslegung – auch nach § 305c Abs. 2 BGB – jedoch nicht nur der Wortlaut der jeweiligen Einzelklausel zu berücksichtigen sei, sondern auch deren erkennbarer Sinn und Zweck sowie systematische Gesichtspunkte. Eine Formularklausel sei vor dem Hintergrund des gesamten Formularvertrags zu interpretieren. Demgegenüber verstoße es gegen die Grenzen zulässiger Auslegung, wenn eine Klausel isoliert und aus dem Zusammenhang des Gesamtklauselwerks gerissen interpretiert werde. Dies müsse umso mehr gelten, wenn sich, wie es das Landgericht unzutreffend meine, eine Unwirksamkeit nach § 307 BGB ohnehin gerade erst aus einer Gesamtschau und Kumulierung der Rechtsfolgen beider Vertragsbestimmungen herleiten lassen solle.

Auch die Annahme einer unangemessenen “Überlappung” der Sicherungen nach § 13.1 bis § 13.3 des GU-Vertrags sei unzutreffend. Aus § 13.1 ergebe sich zwar, dass die dortige Vertragserfüllungssicherheit auch Mängelansprüche einschließlich bei der Abnahme vorbehaltener Mängel sichern solle. Insofern sicherten sowohl die Vertragserfüllungssicherheit gem. § 13.1 als auch die Mängelsicherheit gem. § 13.3 Mängelansprüche, die bei Abnahme entstanden seien oder nach Abnahme entstünden. Ebenso eindeutig sei aber durch § 13.2 Satz 1 geregelt, dass der Auftragnehmer die Erfüllungssicherheit nach Abnahme seiner Leistung, Vorlage einer prüffähigen Schlussrechnung und Stellung der Sicherheit für Mängelansprüche zurückverlangen könne. Es sei somit ein durchsetzbarer Anspruch auf Herausgabe der Vertragserfüllungssicherheit vereinbart, sodass die in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für eine Unangemessenheit sprechende Konstellation, dass die Mängelansprüche sichernde Vertragserfüllungssicherheit “längere Zeit nach Abnahme nicht zurückgegeben werden muss” gerade nicht bestehe. Unbeachtlich sei insoweit, ob eine Mängelbürgschaft durch den Auftragnehmer gestellt werde, oder der Auftraggeber einen Einbehalt in Höhe von 5 % der Bruttoschlussrechnungssumme vornehme. Unbeachtlich sei auch, dass der Anspruch des Auftragnehmers auf Rückgabe der Vertragserfüllungssicherheit nach § 13 Abs. 2 Satz 1 des GU-Vertrags – im Vergleich zum Wortlaut des § 17 Abs. 8 Nr. 1 VOB/B – zusätzlich von der Vorlage einer prüffähigen Schlussrechnung abhängig gemacht werde. Denn erst nach Vorlage einer prüffähigen Schlussrechnung sei die Berechnung der Höhe der Mängelsicherheit überhaupt möglich; der Auftragnehmer habe es zudem ab Abnahme selbst in der Hand, seine prüffähige Schlussrechnung alsbald nach Abnahme zu stellen – bzw. sei gemäß § 14 Abs. 1 und 3 VOB/B sogar ohnehin gehalten, dies kurzfristig nach Abnahme zu tun.

Demgemäß könne sich eine Unangemessenheit nur aus den weiteren Regelungen in § 13 Abs. 2 Satz 2 des GU-Vertrags ergeben. Jedoch bestehe bei keiner der dort vorgesehenen Konstellationen die Gefahr einer unangemessenen Übersicherung: Fordere der Auftraggeber nach § 13.2 Satz 2 Alt. 1 eine (neue) Teilerfüllungssicherheit (nur) zur Absicherung bestehender Ansprüche auf Beseitigung der im Abnahmeprotokoll festgehaltenen Mängel (maximal in Höhe des zweifachen Mängelbeseitigungsaufwands), so führe dies nicht zu einer unangemessenen Benachteiligung. Dem Auftraggeber stehe nämlich von Gesetzes wegen ohnehin das Recht auf Zahlungseinbehalt in angemessener Höhe nach §§ 641 Abs. 3 BGB, § 632a Abs. 1 Satz 3 BGB a. F zu. Nachdem dem Auftragnehmer zudem gemäß § 17 Abs. 3 VOB/B 2012 die Wahl unter den verschiedenen Arten der Sicherheit verbleibe, könne dieser sogar auswählen, ob diese Sicherheit durch entsprechende Einbehalte an seinem Werklohn oder durch Bürgschaft geleistet werden solle. Die ihm so zustehende Ablösemöglichkeit eines Einbehalts gem. §§ 641 Abs. 3/632a Abs. 1 Satz 3 BGB a.F. stelle somit für den Auftragnehmer eine Verbesserung gegenüber der gesetzlichen Lage dar; an Stelle des gesetzlich (nur) vorgesehenen Einbehalts von Werklohnliquidität könne er gemäß § 13.2 Satz 2 des GU-Vertrags eine Bürgschaft stellen, die seine Liquidität weniger belaste und das Risiko einer Insolvenz des Auftraggebers ausblende. Mache der Auftraggeber demgegenüber von seinem Wahlrecht in § 13 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 des GU-Vertrags Gebrauch und verweigere wegen bestehender Ansprüche auf Beseitigung der im Abnahmeprotokoll festgehaltenen Mängel teilweise die Rückgabe der Erfüllungssicherheit, so stehe ihm neben der bereits übergebenen Sicherheit für Mängelansprüche nicht etwa die gesamte Vertragserfüllungssicherheit gemäß § 13.1 in voller Höhe zusätzlich zur Absicherung von Mängeln nach Abnahme zur Verfügung, sondern eben nur teilweise und nur zur Absicherung eines Anspruchs auf Beseitigung der bei Abnahme festgehaltenen Mängel. Angesichts dessen, dass dem Auftraggeber auf der Grundlage der §§ 632a Abs. 1 S. 3, 641 Abs. 3 BGB a. F. ein Recht zum Einbehalt von Werklohnzahlungen wegen des Anspruchs auf Beseitigung der Abnahmemängel zustehe, ergebe sich auch insoweit allenfalls eine verbesserte Position des Auftragnehmers gegenüber der gesetzlichen Regelung. Und der Auftraggeber habe – anders als der Auftragnehmer gemäß dem ergänzend vereinbarten § 17 Abs. 3 VOB/B 2012 – auch kein Wahl- bzw. Austauschrecht mehr dahingehend, doch stattdessen seinerseits einen Einbehalt von Werklohnliquidität wegen Abnahmemängeln vornehmen zu können. Aus dem in beiden Alternativen des § 13.2 eingeschränkten Sicherungszweck folge zudem, dass eine inhaltliche und zeitliche Parallelität und “Überlappung” einer Sicherung gemäß § 13.2 zu einer Sicherung gemäß § 13.3 im Stadium nach Abnahme allenfalls in ausgesprochen eingeschränktem Umfang entstehen könne, der eine unangemessene Benachteiligung i.S.v. § 307 BGB nicht auslösen könne. Die Überlegung des Landgerichts, dass § 13.2 des GU-Vertrags es dem Auftraggeber ermögliche, auf unangemessene Weise die Vertragserfüllungssicherheit gemäß § 13.1 (teilweise) zurückzuhalten, weil mit dem Auftragnehmer Streit über das Bestehen von Mängeln bei Abnahme entstehen könne, verkenne, dass auch § 17 Abs. 8 Nr. 1 VOB/B dem Auftraggeber die Möglichkeit eröffne, Teile einer Vertragserfüllungssicherheit wegen noch offener Ansprüche zurückzubehalten, die in den Sicherungszweck dieser Sicherheit fielen. Auch über das Bestehen solcher Ansprüche könne Streit mit einem Auftragnehmer entstehen, der sich potenziell über längere Zeit hinziehen könne. Gleichwohl erkenne die Rechtsprechung eine solche Regelung ohne Weiteres an.

Schließlich führe, selbst wenn man davon ausgehen wollte, dass die Regelung in § 13.2. Satz 2 des GU-Vertrags zusätzlich zur Mängelsicherheit nach § 13.3. als solche eine Unangemessenheit bewirkte, dies nach den Grundsätzen der Rechtsprechung nicht zur Unwirksamkeit der Sicherheitenabreden insgesamt. Insbesondere bliebe die Wirksamkeit von § 13.1 des GU-Vertrags (samt Rückgaberegelung in § 13.2 Satz 1) als Rechtsgrund für die von der ### GmbH ursprünglich gestellten Vertragserfüllungssicherheiten, aus denen die Klägerin im vorliegenden Rechtsstreit ihre Klageforderungen herleite, unberührt. Eine solche Beschränkung sei auch keine unzulässige “geltungserhaltende Reduktion”.

Die Klägerin beantragt im Berufungsverfahren:

1. Das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 04.04.2023, Az. 47 O 611/21 wird abgeändert und die Beklagte zu 1) wird verurteilt, an die Klägerin Euro 206.097,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 05.05.2020 zu bezahlen.

2. Das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 04.04.2023, Az. 47 O 611/21 wird abgeändert und die Beklagte zu 2) wird verurteilt, an die Klägerin Euro 200.000,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 05.05.2020 zu bezahlen.

Die Beklagten beantragen jeweils,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Sie verteidigen das erstinstanzliche Urteil als richtig.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands im Berufungsverfahren wird auf die zwischen den Parteien in zweiter Instanz gewechselten Schriftsätze sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vom 01.02.2024 (eAOLG Bl. 114 ff.) verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg. Die Beklagten können der Inanspruchnahme aus den von ihnen übernommenen Bürgschaften gemäß §§ 768 Abs. 1 Satz 1, 812, 821 BGB die Einrede entgegenhalten, die ### GmbH habe die Bürgschaften ohne rechtlichen Grund gestellt.

1. Der Bürge kann gemäß § 768 Abs. 1 Satz 1 BGB die dem Hauptschuldner zustehenden Einreden geltend machen. Hat der Bürge eine Sicherung gewährt, obwohl die Sicherungsabrede zwischen Hauptschuldner und Gläubiger unwirksam ist, so kann er sich gegenüber dem Leistungsverlangen des Gläubigers auf die Unwirksamkeit der Sicherungsabrede und auf die Einrede des Hauptschuldners berufen, dass der Gläubiger die Inanspruchnahme des Bürgen zu unterlassen hat. Das folgt aus dem Sinn und Zweck des Akzessorietätsgedankens, der sicherstellen soll, dass der Bürge grundsätzlich nicht mehr zu leisten hat als der Hauptschuldner (BGH, Urt. v. 22.01.2015 – VII ZR 120/14, Rn. 14; Urt. v. 01.10.2014 – VII ZR 164/12, Rn. 15; Urt. v. 12.02.2009 – VII ZR 39/08, BGHZ 179, 374, Rn. 9; Urt. v. 23.01.2003 – VII ZR 210/01, BGHZ 153, 311, 316 m.w.N.).

2. Bei den in Rede stehenden und eingangs auszugsweise zitierten Regelungen im GU-Vertrag, namentlich dessen §§ 10, 11 und 13, handelt es sich zur Überzeugung des Senats um Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB), die seitens der Klägerin ihrer Vertragspartnerin, der ### GmbH, im Sinne des § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB gestellt wurden. Das Landgericht hat diese Feststellung mit zutreffender Begründung und unter Verweis auf die einschlägige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. Urt. v. 26.02.2004 – VII ZR 247/02 -; Urt. v. 27.11.2003 – VII ZR 53/03, BGHZ 157, 102) auf einen diesbezüglichen Anscheinsbeweis gestützt. Der mit “Vertrag über Planungs- und Bauleistungen in einem partnerschaftlichen Baumodell” überschriebene GU-Vertrag (Anlage K 1) ist auf seiner ersten Seite mit dem Schriftzug und dem Logo der Klägerin versehen und enthält zahlreiche Regelungen, darunter auch die hier maßgeblichen Bestimmungen, die nicht auf die individuelle Vertragssituation abgestimmt sind. Des Weiteren finden sich darin Platzhalter und Verweise auf “Muster” des Auftraggebers (so etwa in § 10.1 oder in § 13.1 und § 13.3). Die Klägerin hat den Anschein des Vorliegens von AGB nicht erschüttert, geschweige denn widerlegt. Sie hat in erster Instanz lediglich ohne jede Substantiierung bestritten, dass es sich bei den maßgeblichen Bestimmungen um von ihr gestellte AGB handeln solle. Auch in der Berufungsbegründung verweist sie insoweit nur auf ihren erstinstanzlichen Vortrag, ohne diesen zu vertiefen oder überhaupt erstmals tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorzutragen, die gegen eine Einordnung der hier maßgeblichen Bestimmungen als AGB sprechen könnten.

3. Die Sicherungsabrede in § 13.1 des GU-Vertrags ist unwirksam, weil sie in der Gesamtschau mit § 13.2, den Bestimmungen zu den Abnahmevoraussetzungen in § 11.1 und 11.2 sowie mit der Regelung in § 13.3 den Auftragnehmer im Sinne des § 307 Abs. 1 BGB unangemessen benachteiligt. Letztlich offenbleiben kann damit, ob die Regelung in § 13.1 darüber hinaus – und davon unabhängig – auch wegen ihres Zusammenspiels mit § 10.1 des GU-Vertrags unwirksam ist (dazu unter 4.).

a) Das Landgericht hat – wie die Klägerin in der Berufungsbegründung konzediert – die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze dazu, wann eine formularmäßige Regelung in einem Bauvertrag über die Stellung von Vertragserfüllungs- und Mängelgewährleistungssicherheiten gegen § 307 Abs. 1 BGB verstößt, zutreffend zusammengefasst. Danach kann sich eine unangemessene Benachteiligung auch aus einer Gesamtwirkung mehrerer, jeweils für sich genommen nicht zu beanstandender Vertragsbestimmungen ergeben. Das ist etwa der Fall, wenn sich aus den vom Auftraggeber gestellten formularmäßigen Vertragsbestimmungen eines Bauvertrags – für sich genommen oder in ihrem Zusammenwirken – ergibt, dass der Auftragnehmer als Vertragspartner des Verwenders für einen nicht unerheblichen Zeitraum über die Abnahme hinaus wegen möglicher Mängelansprüche des Auftraggebers eine Sicherheit leisten muss, die jedenfalls nicht unwesentlich über 5 % der Auftragssumme liegt. Eine solche, der Höhe nach unangemessene Sicherheit kann sich dabei insbesondere daraus ergeben, dass nach dem Klauselwerk eine Sicherheit für die Vertragserfüllung, die auch nach Abnahme bestehende Mängelansprüche des Auftraggebers sichern soll, noch längere Zeit nach Abnahme nicht zurückgegeben werden muss, während zugleich eine Sicherheit für Mängelansprüche verlangt werden kann, so dass es zu einer Überschneidung der beiden Sicherheiten kommt und dem Auftraggeber für etwaige Mängelansprüche sowohl die Sicherheit für die Vertragserfüllung als auch die Sicherheit für Mängelansprüche zur Verfügung steht (BGH, Urt. v. 16.07.2020 – VII ZR 159/19, Rn. 24; Urt. v. 22.01.2015 – VII ZR 120/14, Rn. 18 m.w.N.).

Als AGB sind die formularmäßigen Vertragsbestimmungen dabei gemäß ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Sind danach mehrere Auslegungen rechtlich vertretbar, gehen Zweifel bei der Auslegung gemäß § 305c Abs. 2 BGB zu Lasten des Verwenders. Außer Betracht bleiben (nur solche) Verständnismöglichkeiten, die zwar theoretisch denkbar, praktisch aber fernliegend und nicht ernstlich in Erwägung zu ziehen sind. Nach diesen Grundsätzen ist auch im Individualprozess gemäß § 305c Abs. 2 BGB die “kundenfeindlichste” (hier: “auftragnehmerfeindlichste”) bzw. “verwenderfreundlichste” Auslegung zugrunde zu legen, wenn diese im Rahmen einer vorzunehmenden Inhaltskontrolle zur Unwirksamkeit der Klausel führt und dadurch den Vertragspartner des Verwenders begünstigt (vgl. BGH, Urt. v. 16.07.2020 – VII ZR 159/19, Rn. 27).

b) Unter Anwendung der vorgenannten Grundsätze halten die Bestimmungen in den §§ 13.1, 13.2 und 13.3 GU-Vertrag in ihrer Gesamtschau der Inhaltskontrolle nicht stand. Die Unwirksamkeit ergibt sich insbesondere aus dem Zusammenspiel der Regelungen.

aa) Nach § 13.1 des GU-Vertrags hat der Auftragnehmer eine Vertragserfüllungsbürgschaft in Höhe von 5 % des Bruttovertragspreises zu stellen, die nicht nur Vertragserfüllungs- und Überzahlungsansprüche, sondern auch “Mängelansprüche einschließlich bei Abnahme vorbehaltener Mängel” absichert. Des Weiteren hat der Auftragnehmer nach § 13.3 für die Dauer der Mängelhaftung Sicherheiten für etwaige Mängelhaftungsansprüche in Form von Mängelhaftungsbürgschaften in Höhe von 5 % der jeweiligen Brutto-Schlussrechnungssummen zu leisten, bis zu deren Überreichung der Auftraggeber 5 % der jeweiligen Brutto-Schlussrechnungssumme einbehalten kann, wobei § 17 Abs. 6 VOB/B im Übrigen ausgeschlossen sein soll (§ 13.2 Satz 4). Nach dem Wortlaut der Regelungen in den §§ 13.1 und 13.3 des GU-Vertrags sichern demnach beide Sicherheiten Mängelansprüche ab.

bb) Soweit § 13.2 Satz 1 ein Zurückverlangen der Vertragserfüllungsbürgschaft durch den Auftragnehmer vorsieht, ist diese Möglichkeit des Zurückverlangens an bestimmte qualifizierte Voraussetzungen geknüpft. Solange diese qualifizierten Voraussetzungen gemäß § 13.2 Satz 1 nicht erfüllt sind, kann der Auftraggeber mithin trotz Erbringung der nach § 13.3 geschuldeten Bürgschaft für Mängelansprüche (oder – bei Nichtbeibringung derselben – des Bareinbehalts in Höhe von 5 % nach § 13.3 Satz 3) die Rückgabe der Erfüllungssicherheit nach § 13.1 verweigern. Hieraus allein ergibt sich nach dem objektiven Empfängerhorizont und der maßgeblichen “kundenfeindlichsten” Auslegung der getroffenen Regelungen bereits die Möglichkeit einer Überlappung der Sicherheiten für einen ungewissen, nicht unerheblichen Zeitraum nach Abnahmereife. Dies ist für sich genommen schon nicht unproblematisch.

So knüpft § 13.2 Satz 1 die Rückgabe der Sicherheit nach § 13.1 zum einen an die Abnahme, die ihrerseits in § 11.2 an bestimmte zusätzliche Voraussetzungen geknüpft ist, und zum anderen an die Voraussetzung der Vorlage einer prüffähigen Schlussrechnung an. Weitere Rückgabevoraussetzung ist die “Gestellung der Sicherheit für Mängelansprüche”, wobei sich der Regelung nicht entnehmen lässt, dass diese “Gestellung”, wie die Klägerin meint, auch bereits in dem Einbehalt des Auftraggebers in Höhe der 5 % der Bruttoschlussrechnungssumme liegen kann. Vielmehr wird – ausdrücklich abweichend von § 17 Abs. 3 VOB/B – in § 13.3 Satz 2 GU-Vertrag auf “Mängelhaftungsbürgschaften gemäß Muster” abgestellt und dem Auftragnehmer insoweit gerade kein Wahlrecht belassen.

(1) Problematisch hieran ist insbesondere schon, dass bereits die “Abnahme” selbst in § 11.2 des GU-Vertrags an qualifizierte Voraussetzungen geknüpft wird, die über die gesetzlichen Voraussetzungen der Abnahmereife hinausgehen, nämlich an die Übergabe der dort genannten Unterlagen, ohne danach zu differenzieren, ob es sich dabei um wesentliche oder unwesentliche Restleistungen handelt. Außerdem nimmt § 11.2 Satz 3 (8) mit der Pflicht des Auftragnehmers zur Übergabe der “Einweisungsprotokolle für Nutzer” an den Auftraggeber letztlich auf § 3.6.6 des GU-Vertrags Bezug, worin es heißt: “Der AN weist das Bedienungspersonal des AG, und/oder der Käufer und/oder der künftigen Verwalter, insbesondere die Hausmeister nach deren Bestellung, in die Bedienung der technischen Anlagen im erforderlichen Umfang, auch nach Fertigstellung und ggfs. mehrmals (max.2), ein.” Hiernach bleibt weitgehend unklar, welche Einweisungen erfolgt und durch Einweisungsprotokolle belegt werden müssen, um die Abnahmevoraussetzungen zu schaffen. Schon dies birgt die Gefahr in sich, dass die Abnahme seitens des Auftraggebers (der Klägerin) trotz vorhandener Abnahmereife wegen des Fehlens (nicht ausschließbar) unwesentlicher Unterlagen oder Einweisungen hinausgezögert wird, und dass deshalb die Vertragserfüllungssicherheit nach § 13.1 trotz bereits von der Auftragnehmerin (### GmbH) erbrachter Mängelgewährleistungsbürgschaft oder – in Ermangelung dessen – vorhandenen weiteren 5 %-Einbehalts (§ 13.3 Satz 3 des GU-Vertrags) für einen ungewissen, nicht unerheblichen Zeitraum nicht zurückgegeben werden muss.

(2) Soweit § 13.2 Satz 1 die Rückgabe der Vertragserfüllungssicherheit darüber hinaus an die Voraussetzung der Vorlage einer prüffähigen Schlussrechnung knüpft, trifft zwar das Argument der Klägerin zu, dass der Auftragnehmer ohnehin nach § 14 Abs. 3 VOB/B verpflichtet ist, zeitnah nach Fertigstellung eine prüffähige Schlussrechnung einzureichen, und dass ohne eine solche die Höhe der Gewährleistungsbürgschaft (5 % der Schlussrechnungssumme) schon nicht bestimmt werden kann. Allerdings dürfte eine Schlussrechnung – selbst wenn sie nicht prüfbar sein sollte – eher selten zum Nachteil des Auftragnehmers einen zu niedrigen Betrag aufweisen, so dass mit der Vorlage der Schlussrechnung (auch ohne die Voraussetzungen ihrer Prüfbarkeit) und der Gestellung der sich hieraus errechnenden Mängelgewährleistungssicherheit zumindest in der Regel den Interessen des Auftraggebers hinreichend Genüge getan wird, wohingegen sich Streitigkeiten über die Prüfbarkeit der Schlussrechnung durchaus länger hinziehen können.

Der Gesichtspunkt, dass die Vertragserfüllungsbürgschaft (zugunsten des Auftraggebers) auch Rückzahlungsansprüche wegen Überzahlungen sichert, die ggf. erst nach Vorlage einer prüffähigen Schlussrechnung festgestellt werden können, trägt ebenfalls nicht. Denn der Auftraggeber wird insoweit bereits dadurch geschützt, dass er nach § 10.1 des GU-Vertrags nur Abschlagszahlungen im Umfang des “Wertes der nachgewiesenen erbrachten Leistungen zu Vertragspreisen” leisten muss, und zwar auch hier nur unter der weiteren Voraussetzung des Eingangs einer “prüffähigen Abschlagsrechnung” (§ 10.4). Überdies bleibt die Vorlage einer prüffähigen Schlussrechnung Voraussetzung für die Fälligkeit der Schlusszahlung (§ 10.5).

cc) Eine unangemessene Benachteiligung der ### GmbH als Auftragnehmerin folgt jedenfalls aus dem Zusammenspiel der vorgenannten Regelungen in Verbindung mit der – ihrerseits schon für sich genommen die ### GmbH unangemessen benachteiligenden – Regelung in § 13.2 Satz 2 des GU-Vertrags:

(1) Die Klägerin stellt nicht in Frage, dass (zumindest nach der “auftragnehmerfeindlichsten” bzw. “auftraggeberfreundlichsten” Auslegung) sowohl die Erfüllungsbürgschaft nach § 13.1 als auch die “Bürgschaft für Mängelansprüche” nach § 13.3 Mängelansprüche nach Abnahme einschließlich bei Abnahme vorbehaltener Mängel sichern. Dann kann aber die dem Auftraggeber (also nicht etwa dem Auftragnehmer, wie § 17 Abs. 3 VOB/B es ansonsten vorsähe) in § 13.2 Satz 2 des GU-Vertrags eingeräumte Wahlmöglichkeit, nach der dieser – wahlweise zur Geltendmachung der Übergabe einer Teilerfüllungssicherheit – die Rückgabe der Erfüllungssicherheit in Höhe des zweifachen Mängelbeseitigungsaufwands für sog. Protokollmängel sowie in Höhe der anfallenden Vergütung für bis zur Abnahme noch nicht ausgeführte Leistungen verweigern kann, dazu führen, dass der Auftragnehmer für einen nicht unerheblichen Zeitraum über die Abnahme hinaus wegen möglicher Mängelansprüche eine Sicherheit leisten muss, die jedenfalls nicht unwesentlich über 5 % der Auftragssumme liegt. Dies gilt nicht nur für den Fall, dass der Auftraggeber zu Unrecht Protokollmängel erhebt und hierüber Streit entsteht. Auch bei berechtigten Ansprüchen auf Beseitigung von bei Abnahme festgestellten Mängeln oder Vornahme von Restarbeiten kann sich deren Erledigung über einen nicht unerheblichen Zeitraum nach Abnahme hinziehen. Dabei kann der zweifache Beseitigungsaufwand je nach Sachlage durchaus eine Größenordnung erreichen, bei der zusammen mit der Sicherheit nach § 13.3 des GU-Vertrags die Schwelle von 5 % der Vertragssumme nicht nur unwesentlich überschritten wird (vgl. auch OLG Frankfurt, Urt. v. 12.05.2016 – 22 U 34/15, juris Rn. 45 ff.).

(2) Nach Auffassung des Senats lässt sich auch nicht argumentieren, dass die nach § 13.2 Satz 2, 2. Alt. (teilweise) zurückbehaltene Erfüllungssicherheit nur noch die Ansprüche wegen Protokollmängeln und Restarbeiten und die zusätzliche Mängelhaftungssicherheit nur Ansprüche wegen bei Abnahme noch nicht entdeckter Mängel sichere, sich die Sicherungszwecke also gar nicht überschnitten. Ein solches Verständnis gibt jedenfalls die “auftragnehmerfeindlichste” Auslegung nicht her. Zwar dürfte dann, wenn der Auftraggeber sein Wahlrecht nach § 13.2 Satz 2, 1. Alt. dahin ausübt, dass er eine neue Teilerfüllungssicherheit verlangt, hinreichend klar sein, dass diese dann nur noch die vorbehaltenen Ansprüche wegen Protokollmängeln und Restarbeiten sichert. Wählt er aber die teilweise Verweigerung der Rückgabe der Erfüllungssicherheit “in entsprechender Höhe”, dann ergibt sich aus der Klausel gerade nicht eindeutig, dass dann (neben der höhenmäßigen Begrenzung auf den zweifachen Mängelbeseitigungsaufwand) auch der ursprüngliche Sicherungszweck der Erfüllungsbürgschaft auf Protokollmängel und Restarbeiten beschränkt sein soll. Daher erscheint ein Klauselverständnis jedenfalls nicht fernliegend, wonach der einbehaltene Teil der Erfüllungsbürgschaft auch weiterhin Mängelansprüche generell sichert, also auch solche wegen bislang unbekannter Mängel, etwa auch solcher, die in dem Zeitraum, in dem der Auftragnehmer Protokollmängel und Restarbeiten erledigt, erst zu Tage treten. Demgemäß fehlt auch eine eindeutige Regelung, dass die teilweise einbehaltene Erfüllungsbürgschaft schon vor Ablauf der Gewährleistungsfrist zurückzugeben ist, sobald die Protokollmängel und vorbehaltenen Restarbeiten erledigt sind.

Ebenso wenig lässt sich – umgekehrt – den Regelungen in den §§ 13.1 bis 13.3 entnehmen, dass die Mängelsicherheit in § 13.3. nicht auch Ansprüche wegen sog. Protokollmängel erfassen soll. Selbst wenn man also eine Einschränkung des Sicherungszwecks der nach § 13.2 Satz 2, 2. Alt. (teilweise) einbehaltenen Sicherheit auf Protokollmängel und Restleistungen annehmen wollte, dann bliebe immer noch die Möglichkeit einer Überlappung mit § 13.3, weil auch dort Mängelansprüche abgesichert sind und hierunter auch Protokollmängel zu verstehen sind.

(3) Soweit die Klägerin weiter damit argumentiert, dass der Auftragnehmer durch die Klausel in § 13.2 Satz 2 des GU-Vertrags sogar bessergestellt sei als bei Ausübung des Zurückbehaltungsrechts nach § 641 Abs. 3 BGB, kann dem ebenfalls nicht gefolgt werden. Denn eine solche Besserstellung würde ein Klauselverständnis voraussetzen, dass der Auftraggeber neben seinem Wahlrecht nach § 13.2 Satz 2 nicht auch noch kumulativ ein Zurückbehaltungsrecht nach § 641 Abs. 3 BGB ausüben können soll. Ein solches Verständnis ist aber wiederum nicht zwingend und jedenfalls nicht eindeutig im GU-Vertrag geregelt. Nach der von der Klägerin selbst zitierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urt. v. 08.07.1982 – VII ZR 96/81) hindert ein vereinbarter Sicherheitseinbehalt den Auftraggeber auch nach Abnahme der Werkleistung grundsätzlich nicht, die Zahlung fälligen Werklohnes wegen mangelhafter Ausführung des Werkes zu verweigern. Gleiches dürfte dann aber auch für eine anstelle eines Sicherheitseinbehalts vereinbarte Bürgschaft gelten. Der Bundesgerichtshof hat in der zitierten Entscheidung ausgeführt, dass die Leistungsverweigerung gemäß § 320 BGB (das erst später eingefügte Zurückbehaltungsrecht nach § 641 Abs. 3 BGB ist nichts anderes als eine Ausprägung des § 320 BGB) über die Sicherung des Anspruchs hinaus auf den Auftragnehmer Druck auszuüben solle, damit er die ihm obliegende Leistung umgehend erbringt. Daher könne die Einrede des § 320 BGB auch nicht durch Sicherheitsleistung abgewendet werden (§ 320 Abs. 1 Satz 3 BGB). Solange der Nachbesserungsanspruch bestehe, stehe dem Auftraggeber daher grundsätzlich neben dem Sicherheitseinbehalt ein Leistungsverweigerungsrecht wegen Werkmängeln zu (BGH, aaO.). Auch wenn eine beträchtliche Sicherheit nicht ohne Belang für die Höhe einer berechtigten Leistungsverweigerung sein möge, brauche sich der Auftraggeber doch nicht wegen Werkmängeln, deren Beseitigungskosten vom Sicherheitsbetrag gedeckt seien, allein auf diesen verweisen zu lassen. Er dürfe vielmehr einen weiteren erheblichen Betrag zurückbehalten, welcher erforderlich erscheine, den Auftragnehmer zur schleunigen Nachbesserung anzuhalten. Die Höhe des Betrags, den der Auftraggeber gemäß § 320 BGB zurückbehalten dürfe, hänge von den jeweiligen Umständen mit Rücksicht auf Treu und Glauben ab (BGH, aaO.).

Nach alledem geht der Bundesgerichtshof allenfalls von einer Reduzierung des Druckzuschlags, aber nicht von einem Ausschluss des Zurückbehaltungsrechts aus. Solange also in § 13.2 Satz 2 des GU-Vertrags nicht eindeutig geregelt ist, dass – entgegen der gesetzlichen Wertung in § 320 Abs. 1 Satz 3 BGB – die neue Teilerfüllungssicherheit oder – nach Wahl des Auftraggebers – die teilweise Einbehaltung der Erfüllungssicherheit wegen Protokollmängeln und Restleistungen an die Stelle des Zurückbehaltungsrechts nach § 641 Abs. 3 BGB treten soll, stellt sich die Regelung nicht als vorteilhaft für den Auftragnehmer dar, der im Übrigen auch nicht danach gefragt werden muss, ob er im konkreten Fall die teilweise Zurückbehaltung der Erfüllungsbürgschaft einem Mängeleinbehalt nach § 641 Abs. 3 BGB vorzieht. Eine angebliche Abwendungsmöglichkeit dieses Einbehalts durch den Auftragnehmer folgt auch nicht aus § 17 Abs. 3 VOB/B, wonach dieser die Wahl unter verschiedenen Sicherheiten hat und eine Sicherheit durch eine andere ersetzen kann. Bei dem Leistungsverweigerungsrecht nach § 641 Abs. 3 BGB handelt es sich schon nicht um eine “Sicherheit” im Sinne des § 17 VOB/B, da es nach der vorzitierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht nur der Sicherung von Ansprüchen des Auftraggebers dient, sondern Ausdruck des vertraglichen Synallagmas ist und überdies auf den Auftragnehmer Druck auszuüben soll, damit er die ihm obliegende Leistung umgehend erbringt.

(4) Vor diesem Hintergrund stellt es sich überdies als unangemessen dar, dass § 13.2 Satz 2 des GU-Vertrags das Verlangen einer Teilerfüllungssicherheit oder – wahlweise für den Auftraggeber – die Einbehaltung der Erfüllungsbürgschaft (zusätzlich zur Mängelbürgschaft nach § 13.3) bis zur Höhe des zweifachen Mängelbeseitigungsaufwands ermöglicht. Eine Bürgschaft sichert nämlich letztlich immer nur Zahlungsansprüche und nicht unmittelbar den Anspruch auf Mängelbeseitigung. Daher ist auch ein “Druckzuschlag” regelmäßig nicht vom Sicherungszweck einer Bürgschaft erfasst (so auch BGH, Urt. v. 26.03.2015 – VII ZR 92/14).

c) Die aus der Gesamtschau der Bestimmungen in § 13 des GU-Vertrags (auch in Verbindung mit den qualifizierten Abnahmevoraussetzungen des § 11 Abs. 2) folgende unangemessene Benachteiligung der ### GmbH führt wegen der Unteilbarkeit der Regelungen (vgl. BGH, Urt. v. 16.07.2020 – VII ZR 159/19, Rn. 36) zur Gesamtunwirksamkeit der Sicherungsabrede.

aa) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann die belastende Wirkung einer für sich allein gesehen noch hinnehmbaren Klausel durch eine oder mehrere weitere Vertragsbestimmungen derart verstärkt werden, dass der Vertragspartner des Verwenders im Ergebnis unangemessen benachteiligt wird. Ergibt sich die unangemessene Benachteiligung des Auftragnehmers erst aus der Gesamtwirkung zweier, jeweils für sich genommen nicht zu beanstandender Klauseln, sind beide Klauseln unwirksam. Denn es ist nicht Sache des Gerichts auszusuchen, welche der beiden Klauseln bestehen bleiben soll (BGH, Urt. v. 01.10.2014 – VII ZR 164/12, Rn. 27; Urt. v. 05.05.2011 – VII ZR 179/10, Rn. 29; Urt. v. 17.01.1989 – XI ZR 54/88, BGHZ 106, 259, 263 m.w.N.). Gleiches gilt unter den genannten Voraussetzungen auch für den Fall, dass eine der beiden Klauseln bereits für sich genommen unwirksam ist (BGH, Urt. v. 05.05.2011 – VII ZR 179/10, Rn. 29 m.w.N.).

bb) Dies zugrunde gelegt kann vorliegend § 13.1 GU-Vertrag, da die dort geregelte Bürgschaft auch Mängelansprüche nach Abnahme sichert und somit eine Überschneidung mit der Bürgschaft nach § 13.3 droht, ohne die Rückgaberegelung in § 13.2 keinen Bestand haben. § 13.2 kann aber wiederum nicht ohne Weiteres in einen unzulässigen und einen zulässigen Teil aufgespalten werden. Innerhalb von § 13.2 stößt, wie ausgeführt, bereits die Regelung in § 13.2 Satz 1 für sich genommen mit Blick auf die qualifizierten Voraussetzungen der Abnahme in § 11.2 sowie das weitere Erfordernis der Vorlage einer prüffähigen Schlussrechnung zumindest auf Bedenken. Jedenfalls in Verbindung mit der Regelung in § 13.2 Satz 2 BGB wird die Schwelle einer unangemessenen Benachteiligung des Auftragnehmers überschritten. Dann ist es aber nicht Sache des Gerichts, hier durch Streichung einzelner Klauseln oder Klauselteile – etwa des gesamten § 13.2 Satz 2 und in § 13.2 Satz 1 der Wörter “vorbehaltlich der nachfolgenden Regelung”, des Worts “prüffähigen” und/oder einzelner Regelungen in § 11.2 – eine noch hinnehmbare Regelung zu generieren. Überdies erhielte die Klausel dadurch einen von ihrem ursprünglichen Inhalt grundsätzlich abweichenden Regelungsgehalt, der letztlich zu einer der Intention des Klauselverwenders entgegenstehenden abweichenden Vertragsgestaltung führen würde (vgl. BGH, Urt. v. 01.10.2014 – VII ZR 164/12, Rn. 28).

cc) Die Rückgaberegelung in § 13.2 GU-Vertrag lässt sich auch nicht insgesamt durch Rückgriff auf § 17 Abs. 8 Nr. 1 VOB/B ersetzen (sodass § 13.1 für sich genommen bestehen bleiben könnte), nachdem die Parteien mit § 13.2 gerade eine von § 17 Abs. 8 VOB/B abweichende Regelung vereinbart haben, die bei “Widersprüchen” vorgehen sollte (vgl. § 2.8 GU-Vertrag). Dass im Fall der Unwirksamkeit der vorgehenden Klausel dann doch auch insoweit die VOB/B gelten sollte, lässt sich dem GU-Vertrag gerade nicht entnehmen (vgl. auch BGH, Urt. v. 25.03.2015 – VII ZR 92/14, Rn. 43). Im Gegenteil sieht § 20.4 des Vertrags vor, dass in diesem Fall eine “angemessene” Regelung gelten soll, die der unwirksamen Regelung am nächsten kommt. Allerdings sind Klauseln, nach denen eine Regelung gelten soll, die einer nach § 307 Abs. 1 BGB unwirksamen Klausel soweit wie möglich entspricht, wegen Verstoßes gegen § 306 Abs. 2 ebenfalls nach § 307 BGB unwirksam (vgl. BGH, aaO., Rn. 45 m.w.N).

4. Nach alledem kann offenbleiben, ob sich die Unwirksamkeit der Sicherungsabrede auch daraus ergibt, dass bei “auftragnehmerfeindlichster” Auslegung die Regelungen in § 10.1, 13.1 und 13.3 Satz 3 GU-Vertrags im Zusammenspiel dazu führen können, dass der Auftragnehmer während des Erfüllungsstadiums (vor Abnahme) Sicherheiten von mehr als 10 % der Auftragssumme stellen muss, oder ob das Verständnis und Verhältnis dieser Regelungen zueinander insoweit in einem Maße unklar ist, dass sie schon deswegen wegen eines Verstoßes gegen das Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB) unwirksam sind.

III.

1. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung betreffend die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

2. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe, die die Zulassung gem. § 543 Abs. 2 ZPO gebieten, nicht vorliegen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung, und es werden auch keine Rechtsfragen aufgeworfen, die eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung oder zur Rechtsfortbildung erforderlich machen. Eine Divergenz zu anderen obergerichtlichen Entscheidungen ist nicht erkennbar. Die allgemeinen Grundsätze zur Inhaltskontrolle formularmäßiger Sicherheitsabreden in Bauverträgen einschließlich Fragen der Gesamt- oder Teilunwirksamkeit sind in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zwischenzeitlich im Wesentlichen geklärt. Die Entscheidung beruht auf der Anwendung dieser allgemeinen Grundsätze auf das vorliegende Klauselwerk.

3. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 47, 48 GKG bestimmt.

Kein deliktischer Schadensersatzanspruch bei „Stoffgleichheit“

Kein deliktischer Schadensersatzanspruch bei „Stoffgleichheit“

von Thomas Ax

Ein Leitungswasserschaden wegen teilweise fehlender Isolierung an den Pressfittingen der verbauten Warmwasserleitungen verletzt nicht das durch § 823 Abs. 1 BGB geschützte Integritätsinteresse für den geltend gemachten Schaden. Die Stoffgleichheit mit dem Mangelunwert ist gegeben. Der behauptete Mangel war “nicht in wirtschaftlich vertretbarer Weise zu beheben” (BGH, Urteil vom 23.02.2021 – VI ZR 21/20, Rz. 16, IBRRS 2021, 0841), weil die Wasserleitung mit Fußboden, Wand und Estrich in der Weise verbunden war, dass ein Auswechseln nur unter Zerstörung der anderen Bauteile möglich war. Die Bestellerin der Werkleistung hat bei Fertigstellung ein Gebäude erhalten, bei dem nicht nur die Wasserleitungen, sondern auch die damit verbundenen Teile des Fußbodens und der Wände vom Mangel betroffen waren und die Fehlstellen bis zum Eintritt der Leckage weder geortet waren noch mit wirtschaftlich vertretbarem Aufwand hätten beseitigt werden können, sondern nur durch Komplettaustausch.

OLG Celle, Urteil vom 06.03.2023 – 6 U 35/22

Keine Zahlung von Werklohn, wenn das erstellte Bauwerk aufgrund wesentlicher Mängel nicht abnahmereif

Keine Zahlung von Werklohn, wenn das erstellte Bauwerk aufgrund wesentlicher Mängel nicht abnahmereif

von Thomas Ax

Die Klage des Bauunternehmers auf Zahlung von Werklohn wird abgewiesen, wenn das erstellte Bauwerk aufgrund wesentlicher Mängel nicht abnahmereif ist und somit die Voraussetzungen für die Fälligkeit des Werklohnes nicht erfüllt sind.

Gemäß § 641 Abs. 1 S. 1 BGB ist die Vergütung bei der Abnahme des Werkes zu entrichten.

Zwar kann grundsätzlich auch die bloße Abnahmereife zur Fälligkeit des Werklohnanspruches führen (vgl. dazu m.N. OLG Nürnberg, Hinweisbeschluss vom 17. Mai 2021 – 13 U 365/21). Eine solche Abnahmereife liegt bei wesentlichen Mängeln nicht vor.

Ein Werk ist dann frei von Mängeln, wenn es die vereinbarte Beschaffenheit hat, § 633 Abs. 2 S. 1 BGB.

Der Unternehmer schuldet nicht nur die Umsetzung einer möglicherweise fehlerhaften Leistungsbeschreibung, sondern einen funktionalen Bauerfolg. Widersprechen die „geschriebenen“ Vertragsbestandteile den allgemeinen Regeln der Technik, so ist der Unternehmer dennoch verpflichtet, ein mangelfreies Werk zu erbringen (vgl. von Rintelen in Messerschmidt/Voit, 4. Auflage 2022, Kapitel H Rn. 3). Denn zur vereinbarten Beschaffenheit im Sinne des § 633 Abs. 2 Satz 1 BGB gehören alle Eigenschaften des Werkes, die nach der Vereinbarung der Parteien den vertraglich geschuldeten Erfolg herbeiführen sollen. Der vertraglich geschuldete Erfolg bestimmt sich dabei nicht allein nach der zu seiner Erreichung vereinbarten Leistung oder Ausführungsart, sondern auch danach, welche Funktion das Werk nach dem Willen der Parteien erfüllen soll (vgl. etwa OLG Braunschweig, Grund- und Teilurteil vom 08. Dezember 2016 – 8 U 111/15).

Ein wesentlicher Mangel liegt in der Regel vor, wenn er nach Art, Umfang und/oder Auswirkung von solchem Gewicht ist, dass dem Besteller vor dem Hintergrund der zugrundeliegenden vertraglichen Beschaffenheitsvereinbarung die Übernahme des Bauwerkes nicht zugemutet werden kann. Unwesentlich ist demgegenüber ein Mangel oder eine fehlende Restleistung, wenn es dem Besteller zumutbar ist, die Leistung als im Wesentlichen vertragsgemäße Erfüllung anzunehmen, und das Interesse des Bestellers an einer Beseitigung verbliebener Mängel vor Abnahme im Einzelfall nicht schützenswert erscheint. Maßgebend für die Beurteilung sind hierbei Art und Umfang der noch ausstehenden Restleistungen und der vorhandenen Mängel sowie ihre konkreten Auswirkungen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen der Vertragsparteien. Die Grenze der Wesentlichkeit wird deshalb regelmäßig bei Mängeln erreicht sein, die für den Besteller bzw. Nutzer Gefahren mit sich bringen, die der Gebrauchsfähigkeit des Werkes entgegenstehen (vgl. m.N. Messerschmidt in Messerschmidt/Voit, 4. Auflage 2022, § 640 Rn. 99).

Wenn der Werklohn des Klägers aufgrund nicht unwesentlicher Mängel noch nicht fällig ist und die Abnahme insoweit berechtigterweise verweigert wird, ist eine Vergütungsklage als derzeit unbegründet abzuweisen (vgl. m.N. Busche in Münchener Kommentar zum BGB, 9. Auflage 2023, § 641 Rn. 6).

Völlige Einstellung der Arbeiten als Grund zur außerordentlichen Kündigung nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1, § 5 Abs. 3, 4 VOB/B?

Völlige Einstellung der Arbeiten als Grund zur außerordentlichen Kündigung nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1, § 5 Abs. 3, 4 VOB/B?

von Thomas Ax

Die völlige Einstellung der Arbeiten kann einen Grund zur außerordentlichen Kündigung nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1, § 5 Abs. 3, 4 VOB/B darstellen, wenn sich der Unternehmer nicht auf ein entsprechendes Leistungsverweigerungsrecht berufen kann. Die Einstellung der Arbeiten ist der Extremfall der unzureichenden Ausstattung einer Baustelle mit Arbeitskräften i. S. des § 5 Abs. 3 VOB/B. In der unberechtigten Einstellung der Arbeiten zur Durchsetzung eines Nachtrags, einer Abschlagsrechnung oder aus sonstigen Gründen kann eine schwerwiegende Verletzung der bauvertraglichen Kooperationspflicht liegen, die zur außerordentlichen Kündigung berechtigt.

Nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 VOB/B kann der Auftraggeber den Vertrag kündigen, wenn in den Fällen des § 4 Abs. 7 und 8 Nr. 1 und des § 5 Abs. 4 VOB/B die gesetzte Frist fruchtlos abgelaufen ist.

Wenn der Auftragnehmer den Beginn der Ausführung verzögert, mit der Vollendung in Verzug gerät oder der Verpflichtung nach § 5 Abs. 3 VOB/B nicht nachkommt, kann der Auftraggeber dem Auftragnehmer nach § 5 Abs. 4 VOB/B eine angemessene Frist zur Vertragserfüllung setzen und erklären, dass er nach fruchtlosem Fristablauf den Auftrag entzieht. § 5 Abs. 3 VOB/B verpflichtet den Auftragnehmer, Arbeitskräfte, Geräte, Gerüste, Stoffe oder Bauteile in gebotenem Umfang vorzuhalten. Sind diese so unzureichend, dass die Ausführungsfristen offenbar nicht eingehalten werden können, muss der Auftragnehmer auf Verlangen unverzüglich Abhilfe schaffen.

Die völlige Einstellung der Arbeiten kann einen Grund zur außerordentlichen Kündigung darstellen, wenn sich der Unternehmer nicht auf ein entsprechendes Leistungsverweigerungsrecht berufen kann. Die Einstellung der Arbeiten ist der Extremfall der unzureichenden Ausstattung einer Baustelle mit Arbeitskräften im Sinn des § 5 Abs. 3 VOB/B (OLG Stuttgart, Urteil vom 28. April 2020 – 10 U 294/19; Urteil vom 17. August 2021 – 10 U 423/20). Kommt der Auftragnehmer der Verpflichtung nach § 5 Abs. 3 VOB/B trotz berechtigten Abhilfeverlangens nicht nach, gerät der Auftragnehmer mit der Abhilfepflicht in Verzug (OLG Stuttgart, Urteil vom 28. April 2020 – 10 U 294/19).

Wenn bei einem VOB/B-Vertrag der Regelungsbereich der Kündigungsgründe nach VOB/B nicht tangiert ist, ist der Auftraggeber bei Vorliegen eines sonstigen wichtigen Grundes berechtigt, den Vertrag fristlos zu kündigen. Voraussetzung ist, dass durch ein schuldhaftes Verhalten des Auftragnehmers das Vertrauensverhältnis nachhaltig gestört oder der Vertragszweck so gefährdet ist, dass es dem vertragstreuen Vertragspartner nicht zumutbar ist, den Vertrag fortzusetzen. Auch wenn die rechtliche Herleitung dieses Kündigungsrechts früher nicht einheitlich beurteilt wurde, steht die Existenz dieses außerordentlichen Kündigungsrechts außer Frage (vgl. BGH, Urteil vom 7. April 2016 – VII ZR 56/15, BGHZ 210, 1, Rn. 40 m.w.N.; OLG Hamm, Urteil vom 22. Dezember 2011 – 21 U 111/10; OLG Düsseldorf, Urteil vom 24. März 2015 – 21 U 136/14; OLG Jena, Urteil vom 3. Februar 2016 – 2 U 602/13; OLG Stuttgart, Beschluss vom 9. Februar 2016 – 10 U 143/15; Urteil vom 19. September 2017 – 10 U 48/15; Joussen/Vygen in Ingenstau/Korbion, VOB-Kommentar, 21. Aufl., § 8 Abs. 3 VOB/B Rn. 19; Kober in BeckOGK, Stand: 1.1.2024, § 634 BGB Rn. 835; Busche in MünchKomm-BGB, 9. Aufl., § 648a Rn. 24; Brüninghaus in BeckOK VOB, Stand: 31.1.2023, § 8 Abs. 3 Rn. 5) und findet sich mittlerweile in § 648a BGB n.F..

Zur fristlosen Kündigung des Vertrags kann vor allem eine schuldhaft begangene Vertragsverletzung des Vertragspartners berechtigen. Unerheblich ist dabei, ob es sich um die Verletzung einer Haupt- oder Nebenpflicht handelt. Auch Nebenpflichten können für den vereinbarten Vertragszweck von erheblicher Bedeutung sein, soweit das Verhalten des Auftragnehmers hinreichenden Anlass für die Annahme bietet, dass er sich auch in Zukunft nicht vertragstreu verhalten wird (BGH, Urteil vom 23. Mai 1996 – VII ZR 140/95). In Fällen einer schwerwiegenden Vertragsverletzung ist eine vorherige Fristsetzung und Kündigungsandrohung grundsätzlich nicht erforderlich (BGH, Urteil vom 23. Mai 1996 – VII ZR 140/95).

Ob ein wichtiger Grund zur Kündigung gegeben ist, ist nach Lage des Einzelfalles zu beurteilen. Dabei sind für die konkrete vertragliche Situation das Interesse des einen Vertragspartners an der Lösung vom Vertrag und das des anderen an dessen Weiterbestand umfassend gegeneinander abzuwägen (BGH, Urteil vom 2. September 1999 – VII ZR 225/98). Allerdings dürfen die Schutzmechanismen der §§ 5 Abs. 4, 4 Abs. 7 und 4 Abs. 8 Nr. 1 VOB/B nicht durch eine außerordentliche Kündigung umgangen werden.

Stützt sich der Vertrauensverlust des Auftraggebers auf mangelhafte oder zögerliche Arbeiten des Auftragnehmers, hat der Kündigung deshalb grundsätzlich eine Fristsetzung mit Kündigungsandrohung vorauszugehen. Entbehrlich ist sie nach allgemeinen Grundsätzen nur, wenn sie eine reine Förmelei wäre (OLG Stuttgart, Beschluss vom 9. Februar 2016 – 10 U 143/15; Urteil vom 19. September 2017 – 10 U 48/15; Kober in BeckOGK, Stand: 1.1.2024, § 634 BGB Rn. 835).

In der unberechtigten Einstellung der Arbeiten zur Durchsetzung eines Nachtrags, einer Abschlagsrechnung oder aus sonstigen Gründen, liegt vor eine schwerwiegende Verletzung der bauvertraglichen Kooperationspflicht, aus der sich die Berechtigung zur außerordentlichen Kündigung ergibt (vgl. bspw. OLG Frankfurt, Urteil vom 21. September 2011 – 1 U 154/10; OLG Hamm, Urteil vom 22. Dezember 2011 – 21 U 111/10; OLG Stuttgart, Beschluss vom 9. Februar 2016 – 10 U 143/15 m.w.N.).

Die Vertragsparteien eines VOB/B-Vertrags sind während der Vertragsdurchführung zur Kooperation verpflichtet. Aus dem Kooperationsverhältnis ergeben sich Obliegenheiten und Pflichten zur Mitwirkung und gegenseitigen Information. Die Kooperationspflichten sollen unter anderem gewährleisten, dass in Fällen, in denen nach der Vorstellung einer oder beider Parteien die vertraglich vorgesehene Vertragsdurchführung oder der Inhalt des Vertrages an die geänderten tatsächlichen Umstände angepasst werden muss, entstandene Meinungsverschiedenheiten oder Konflikte nach Möglichkeit einvernehmlich beigelegt werden.

Ihren Ausdruck haben sie in der VOB/B insbesondere in den Regelungen des § 2 Abs. 5 und Abs. 6 gefunden. Danach soll über eine Vergütung für geänderte oder zusätzliche Leistungen eine Einigung vor der Ausführung getroffen werden. Diese Regelungen sollen die Parteien anhalten, die kritischen Vergütungsfragen frühzeitig und einvernehmlich zu lösen und dadurch spätere Konflikte zu vermeiden (BGH, Urteil vom 28. Oktober 1999 – VII ZR 393/98, BGHZ 143, 89).

LG Lübeck zu der Frage, dass wenn ein mit der Sanierung eines bestehenden Baumangels beauftragtes Unternehmen hierfür ungeeignete Maßnahmen ergreift, sich dadurch das anfängliche Ergebnis verschlechtert und es damit dem primär für den Schaden verantwortlichen Bauunternehmen eine realistische, aber keine völlig sichere Gelegenheit zur kostengünstigeren Mangelbeseitigung durch eine Alternativmaßnahme nimmt, deswegen das Mangelbeseitigungsrisiko nicht insgesamt auf das mit der Sanierung beauftragte Unternehmen übergeht (konkret: ungeeigneter Versuch der nachträglichen Abdichtung einer mangelhaft ausgeführten “weißen Wanne” durch Durchbohren der Kelleraußenwände und Vergelung von außen)

LG Lübeck zu der Frage, dass wenn ein mit der Sanierung eines bestehenden Baumangels beauftragtes Unternehmen hierfür ungeeignete Maßnahmen ergreift, sich dadurch das anfängliche Ergebnis verschlechtert und es damit dem primär für den Schaden verantwortlichen Bauunternehmen eine realistische, aber keine völlig sichere Gelegenheit zur kostengünstigeren Mangelbeseitigung durch eine Alternativmaßnahme nimmt, deswegen das Mangelbeseitigungsrisiko nicht insgesamt auf das mit der Sanierung beauftragte Unternehmen übergeht (konkret: ungeeigneter Versuch der nachträglichen Abdichtung einer mangelhaft ausgeführten "weißen Wanne" durch Durchbohren der Kelleraußenwände und Vergelung von außen)

vorgestellt von Thomas Ax

Ergreift ein mit der Sanierung eines bestehenden Baumangels beauftragtes Unternehmen hierfür ungeeignete Maßnahmen, verschlechtert dadurch das anfängliche Ergebnis und nimmt dem primär für den Schaden verantwortlichen Bauunternehmen damit eine realistische, aber keine völlig sichere Gelegenheit zur kostengünstigeren Mangelbeseitigung durch eine Alternativmaßnahme, geht deswegen das Mangelbeseitigungsrisiko nicht insgesamt auf das mit der Sanierung beauftragte Unternehmen über (konkret: ungeeigneter Versuch der nachträglichen Abdichtung einer mangelhaft ausgeführten “weißen Wanne” durch Durchbohren der Kelleraußenwände und Vergelung von außen).
LG Lübeck, Urteil vom 18.04.2024 – 10 O 222/22 (nicht rechtskräftig)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

4. Der Streitwert wird auf 138.470 Euro festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin, ein Bauunternehmen, begehrt von der Beklagten, einem Fachbetrieb für Bauwerkstrockenlegung, Vorschuss auf die Mangelbeseitigungskosten und Schadensersatz, weil die Beklagte die Kelleraußenwände eines von der Klägerin errichteten Wohnhauses in ### bei einer Sanierungsmaßnahme nur mangelhaft abgedichtet und dadurch weitere kostspielige Maßnahmen erforderlich gemacht habe.

Die Klägerin errichtete 2005 für den Bauherrn ### ein schlüsselfertiges Einfamilienhaus mit Keller unter der eingangs genannten Anschrift. Der Keller wurde als “weiße Wanne” / WU-Konstruktion, bestehend aus Filigran-Doppelwandelementen mit Kernbeton (auch sog. “Dreifachwand” oder in “Sandwich-Bauweise” hergestellte Wand) auf einer Betonsohle errichtet. Bei dieser Wandkonstruktion wird zwischen den fertig gelieferten Doppelwänden vor Ort Kernbeton eingebracht.

Diese Technik ist schadensanfällig: Sollte der Kernbeton nicht ordnungsgemäß lagenweise eingebracht und mit einem Innenrüttler verdichtet werden, können im Beton Luftblasen oder Kiesnester entstehen, die ebenso wie etwaige Schwundrisse später nicht einsehbar sind. Planwidrig in die Kernbetonschicht eindringendes Wasser kann sich über diese Undichtigkeiten über schwer nachvollziehbare Wege bis zu fern gelegenen potenziellen Austrittsstellen ausbreiten.

Unstreitig beging die Klägerin in der Planung und Ausführung der Kellerabdichtung Fehler, die der in einem vor dem Landgericht Lübeck geführten selbständigen Beweisverfahren (Az. 17 OH 9/16) bestellte Sachverständige Dipl.-Ing. ### in seinem Gutachten vom 1. November 2017, welches die Klägerin selbst in den Rechtsstreit eingeführt hat (Anlage K 5), dargelegt hat:

Der Sachverständige konnte keine Unterlagen zu einer gesonderten statischen Berechnung ausfindig machen, die aufgrund der Verwendung von Filigran-Doppelwandelementen mit Kernbeton bei den Kelleraußenwänden erforderlich gewesen wäre. Stattdessen sei die Statik für monolithische Wände aus WU-Beton berechnet worden (Gutachten Seite 50 f.). Für den wasserschlüssigen Sohlen-Wandanschluss hätte dem Sachverständigen zufolge unter anderem eine Fugenabdichtung durch Einbringung eines unbeschichteten Stahlblechs mit bestimmten Dimensionen erfolgen müssen. Die nach der WU-Richtlinie erforderliche Mindestbreite des Stahlblechs sei nicht eingehalten worden. Zudem reiche die Anschlussbewehrung zu dicht an das Fugenblech heran. Damit bestehe die Gefahr, dass Zwickel zwischen Blech und Bewehrungsstäben verbleiben, die nicht vollständig ausbetoniert werden und damit eine Wasserläufigkeit ermöglichen. Die Anschlussfuge sei generell kritisch und führe am häufigsten zu undichten Stellen in WU-Kellern (Gutachten Seite 51 ff.). Darüber hinaus habe die Klägerin keine geeigneten Maßnahmen ergriffen, um eine Rissbildung an den Elementfugen zu verhindern (Gutachten Seite 53 f.). Eine von der Klägerin zusätzlich aufgebrachte Außenabdichtung mit Bitumenbahnen, die jedenfalls im Bereich der Elementfugen wegen der zuvor beschriebenen Mängel als sinnvoll angesehen werden könne, entspreche ebenfalls nicht den Anforderungen (Gutachten Seite 55 ff.).

Schließlich habe die Klägerin Fehler bei der Abdichtung des Wandkopfes im Übergang der Kelleraußenwände zum Sockelplateau des Erdgeschosses begangen, die zu einem Wassereintritt in den Keller “von oben”, also von der Kellerdecke, führen konnten. Eine fachgerechte Planung der Abdichtung dieses Bereichs sei nicht dokumentiert. Die Klägerin habe lediglich schwarze Sperrfolie lose verlegt, verkantet und auf der Außenseite der Kellerwand verklebt. Unterhalb der Terrassenfenstertür sei nicht einmal eine solche, schon für sich unzureichende Abdeckung erkennbar. Am Wandkopf eindringendes Wasser könne sich innerhalb der Dreifachwände über Kapillargänge so ausbreiten, dass es auch unten an der Kellerraumseite austrete (Gutachten Seite 59 ff.).

Nach der Errichtung des Gebäudes trat im Keller des Hauses Feuchtigkeit auf. Die Klägerin beauftragte die Baubüro ### GmbH damit, die Ursache der Feuchtigkeitserscheinungen zu ermitteln. In seinem Untersuchungsbericht vom 8. Juni 2009 (Anlage K 2) kam diese zu dem Ergebnis, dass im gesamten Untergeschoss bis zur Höhe der ersten Sperrschicht und im Fußboden Feuchtigkeit gemessen werden konnte. Die Ursache liege im vorderen Gebäudeteil. Dies führte der Privatsachverständige auf Setzungen der Wände zurück. Er empfahl als Mängelbeseitigungsmaßnahme die Verpressung der in diesem Gebäudeteil befindlichen Bodenfuge mit Quellharz und sodann eine Prüfung, ob diese Maßnahme erfolgreich sei. Diese Arbeiten stellten die gegenüber einer Außenabdichtung kostengünstigere Variante dar. Bei dem empfohlenen Verfahren werden Bohrungen in die Wand gesetzt, die Wand aber nicht durchbohrt. Das in diese Bohrungen injizierte Harz dehnt sich in mögliche Hohlräume aus und führt an diesen Stellen zu einer Abdichtung.

Die Klägerin wandte sich daraufhin an die Beklagte. Den Untersuchungsbericht der Baubüro ### GmbH vom 8. Juni 2009 legte die Klägerin der Beklagten nicht vor und sie teilte ihr auch nicht die wesentlichen Ergebnisse dieses Gutachtens mit. Die Beklagte empfahl selbst eine Abdichtung mit einem Injektionsgel. Bei dieser Methode wird die Wand an vielen Stellen komplett durchbohrt und ein Injektionsgel durch die Bohrungen hindurch gespritzt. Der Gelschleier verbreitet sich zwischen Außenwand und Erdreich, erhärtet dort und bildet eine durchgehende Abdichtung. Die Klägerin beauftragte die Beklagte damit, die Arbeiten, wie von dieser vorgeschlagen, durchzuführen. Für die Arbeiten, die in der Rechnung vom 2. November 2009 (Anlage K 3) genannt sind, zahlte die Klägerin einen Betrag in Höhe von 11.783,64 Euro.

Nach diesen Maßnahmen wurden die Feuchtigkeitserscheinungen nicht geringer, sondern es kam zu deutlich stärkeren und umfangreichen Feuchtigkeitseintritten im gesamten Keller des Gebäudes. Die Klägerin forderte die Beklagte im Zeitraum zwischen 2009 und 2015 mehrmals zu einer Mangelbeseitigung auf. Die Beklagte nahm auch mehrfach Nacharbeiten, darunter Injektionen mit Polyurethanharz in Risse und Fugen der Wände, vor, die jedoch nicht zu einer nachhaltigen Verbesserung führten.

Der Sachverständige Dipl.-Ing. ### stellte in seinem im selbstständigen Beweisverfahren vor dem Landgericht Lübeck (Az. 17 OH 9/16) erstellten Gutachten zunächst die oben beschriebenen Primärursachen für einen Wassereintritt in den Keller fest. Er konstatierte darüber hinaus, dass die Maßnahmen der Beklagten für eine nachträgliche Abdichtung der Kelleraußenwände nach Art und Umfang nicht ausreichend seien, um Wassereintritt hinreichend zu verhindern. Die nahezu umlaufende Durchbohrung der Kellerwände im unteren Bereich und die Verpressung eines Gels an der äußeren Kelleraußenwand sei bei der vorhandenen Konstruktion eher ungeeignet. Injektionen von Polyurethanharz in vermeintliche Risse und Fugen der Wände seien grundsätzlich geeignet, aber bisher nach Umfang und Art nicht ausreichend, um alle Wegsamkeiten in der mehrschichtigen Kelleraußenwand vollständig und dauerhaft abzudichten (Gutachten Seite 80). Zur Abdichtung empfahl der Sachverständige Injektionen in die Dreifachwand. Die Kosten der Maßnahme einschließlich der Beseitigung der durch Feuchtigkeit entstandenen Schäden schätzte er auf insgesamt 67.000 Euro netto. Kosten für mögliche Ersatzmaßnahmen wie z. B. eine Dränung im oberen Bereich und / oder die vollflächige Abdichtung der Kellerwände von außen wolle der Sachverständige einstweilen nicht kalkulieren.

In einem schriftlichen Ergänzungsgutachten vom 4. Juni 2018 (Anlage K 6) führte der Sachverständige unter anderem weiter aus, dass eine Abdichtung über Schleiervergelung im Zusammenhang mit Elementwänden als kritisch zu betrachten sei und im Regelfall keine geeignete Instandsetzungsmethode darstelle. Eine Gelverschleierung sei bei Elementwänden zu risikobehaftet und könne unter Umständen zu einer Verschlimmerung des Schadens führen. Die Frage, ob sich das Schadensbild durch die Injektionen der Beklagten konkret verschlimmert habe, könne nicht beantwortet werden. Stellen, die die Beklagte Maßnahmen unterzogen habe, seien nicht stärker durchfeuchtet als andere Stellen. Selbst wenn dies so wäre, sei dadurch nicht bewiesen, dass die Durchfeuchtungen aufgrund bzw. nach den Arbeiten der Beklagten stärker geworden seien. Es liege ja nahe, dass die Beklagte gerade im Bereich der (stärkeren) Durchfeuchtungen Maßnahmen ergriffen habe. Denkbar sei zudem, dass die Schleiervergelung aufgrund der Perforation der Betonwände und Beschädigung der zusätzlichen Abdichtungsschicht außen eine Zunahme der Wassereintritte bewirkt habe, die von der Beklagten im Rahmen der Nacherfüllung vorgenommene Verpressung von PUR-Harz in die Wände solche Schäden aber kompensiert habe.

In einer mündlichen Befragung am 9. November 2018 bezeichnete der Sachverständige die Wandaufstandsfuge, also den Bereich, in dem die Wand auf der Betonsohle aufsteht, als die potenzielle Haupteintrittsstelle für Wasser. Ob sich das Gel dorthin verteilt habe, könne er nicht sagen. Es wäre erforderlich gewesen, im Bereich der Aufstandsfuge Kunstharz in die Wand zu verpressen. Zudem erläuterte der Sachverständige, dass die mögliche Undichtigkeit am Wandkopf bislang keiner Maßnahme unterzogen worden sei. Wie bereits im schriftlichen Gutachten beschrieben, könne von dort Wasser in Risse einziehen und sich ausbreiten. Als Gegenmaßnahme könne über die gesamte Wand hinweg Harz in die Wände injiziert werden. Für das Verpressen habe der Sachverständige Kosten in Höhe von etwa netto 52.000 Euro kalkuliert. Bevor sämtliche Kellerwände vollflächig in einem geringen Rasterabstand injiziert würden, könne es ausreichen, Injektionen im Bereich der Stoßfuge zwischen Wand und Sockel sowie der Stoßfugen zwischen den einzelnen Betonelementen vorzunehmen und die Sockelabdichtung im Bereich der Terrasse zu sanieren, von wo aus nahezu sicher Stauwasser eintrete. Seien diese Maßnahmen durchgeführt, könne beobachtet werden, ob sie ausreichten.

Im Rahmen eines gerichtlichen Vergleichs vom 9. November 2018 (Anlage K 7) verpflichtete sich die Beklagte, nach dem Vorschlag des Sachverständigen eine umseitig verlaufende Harzinjektion an der Aufstandsfuge vorzunehmen. Hierfür werde sie entsprechend der zeichnerischen Darstellung in Anlage 29 des Ergänzungsgutachtens vom 4. Juni 2018 von der Kellerwandinnenseite aus Bohrungen in einem Lochabstand von ca. 12 bis 15 cm vornehmen, die durch das am Sockel eingebrachte Stahlblech hindurchreichen und dort Polyurethan verpressen. Ebenso werde sie Injektionen mit Harz im Bereich der Betonelementfugen vornehmen. Die Klägerin versprach, die erforderlichen Sanierungsarbeiten im Bereich der Terrasse vorzunehmen. Der Erfolg der Maßnahmen solle nach Ablauf eines halben Jahres bei einem Ortstermin überprüft werden.

Die Klägerin rügte die von der Beklagten durchgeführten Nachbesserungsarbeiten mit anwaltlichem Schreiben vom 18. März 2019 (Anlage K 9) als mangelhaft und forderte diese bis zum 22. März 2019 zur ordnungsgemäßen Durchführung der Arbeiten entsprechend dem Vergleich auf. Die Beklagte nahm daraufhin noch einige Arbeiten vor.

Im April 2020 ließ die Klägerin den Keller des Hauses in der Annahme, die Beklagte habe durch ihre Arbeiten die Undichtigkeit dauerhaft beseitigt, für 1.520 Euro von einem Malerbetrieb streichen.

Ab Mitte Juni 2020 trat erneut erhebliche Feuchtigkeit im Keller des Objektes auf.

In einer E-Mail vom 28. Juli 2020 (Anlage K 11) teilten die Prozessbevollmächtigten der Klägerin der Beklagten das Schadensbild mit und setzten ihr eine Frist zur Mangelbeseitigung bis zum 7. August 2020. Hierauf reagierte die Beklagte nicht.

Am 26. August 2020 (Anlage K 12) legte die Klägerin der Beklagten in einem Schreiben dar, dass sich Feuchtigkeit im gesamten unteren Bereich der Kellerwände gezeigt habe. Sie setzte der Beklagten nochmals eine Frist zur Mangelbeseitigung und drohte ihr die Zwangsvollstreckung aus dem Vergleich an.

Bei einem gemeinsamen Ortstermin im Oktober 2020 stellten die Parteien fest, dass Wasser durch die von der Beklagten bei der Gelschleierinjektion gebohrten Löcher eindrang. Die Beklagte entfaltete keine weitere Tätigkeit.

Im April 2021 initiierte der Bauherr ### gegen die hiesige Klägerin, die der hiesigen Beklagten den Streit verkündete, ein selbständiges Beweisverfahren beim Landgericht Lübeck (Az. 6 OH 15/21). Der im Rahmen des selbständigen Beweisverfahrens beauftragte Sachverständige Dipl.-Ing. ### kam in seinem Gutachten vom 29. Januar 2021 (Anlage K 14) zu dem Ergebnis, dass von außen Wasser in den Keller eindringe. Primäre Ursache sei, wie schon der Sachverständige ### festgestellt habe, die ursprünglich nicht ausreichend dichte Herstellung der WU-Beton-Konstruktion durch die Klägerin. Die durch die Beklagte durchgeführte erste Sanierungsmaßnahme (Vergelung der Aufstandsfuge) habe zu einer weiteren Verschlechterung der Abdichtungssituation geführt (Gutachten Seite 22). Alle anschließenden Sanierungsversuche der Beklagten seien gescheitert und die Empfehlungen des Sachverständigen ### auch nicht als zielführend zu beurteilen (Gutachten Seite 23 ff.).

Eine nachträgliche Abdichtung einer bereits durchgeführten partiellen Schleier- bzw. Gelinjektion durch eine zusätzliche Verpressung mit einem Zweikomponenten-PUR im Bereich der Wandaufstandsfuge könne ebenso wenig zum Erfolg führen wie eine vollflächige Rasterinjektion, da ein Wassereintritt mit den nachträglichen Bohrpackern kaum oder gar nicht mehr erreicht werden könne. Sachgerecht wäre es allenfalls gewesen, bei der Sanierung von Anfang an so vorzugehen, wie der Sachverständige ### dies in seinem Ergänzungsgutachten vom 4. Juni 2018 in der als Anlage 29 beigefügten Skizze beschrieben habe, nämlich mit zwei Reihen von Injektionen von Harz in die Wände im Bereich der Aufstandsfuge. Nach den Maßnahmen, die die Beklagte stattdessen ergriffen habe, sei die von dem Sachverständigen ### vorgeschlagene Abhilfe durch Injizierungen von Harz nicht mehr als geeignet anzusehen. Geeigneter und erfolgversprechender wäre stattdessen eine Abdichtung von außen (also mit einer “schwarzen” Abdichtung) gewesen (Gutachten Seite 25). Die Höhe der Sanierungskosten schätze er auf 136.950 Euro netto.

Im Laufe dieses Rechtsstreits hat die Klägerin die Kelleraußenwände des Hauses in ### abschnittsweise freigegraben und dort nachträglich eine Außenabdichtung aufgebracht. Zum Schluss der mündlichen Verhandlung waren diese Arbeiten weit fortgeschritten, aber noch nicht beendet.

Die Klägerin trägt vor, dass die ursprüngliche Undichtigkeit des Kellers vollständig beseitigt worden wäre, wenn die Beklagte ordnungsgemäße Maßnahmen zur Sanierung ergriffen hätte. Die vom Sachverständigen ### genannten Sanierungsmaßnahmen seien nur erforderlich geworden, weil die Beklagte die bis dahin unbeschädigten Außenwände des Kellers und die dahinter liegende Außenabdichtung durchbohrt habe.

Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin die vom Sachverständigen für eine Sanierung geschätzten Nettokosten sowie die Kosten für die im April 2020 veranlassten aber nutzlosen Malerarbeiten.


Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 138.470 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15. April 2022 zu zahlen und sie von sämtlichen Kosten des selbstständigen Beweisverfahrens zwischen ihr und Herrn ### zum Az. 6 OH 15/21 des Landgerichts Lübeck freizuhalten.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte trägt vor, die Klägerin lasse außer Acht, dass sie die primäre Verantwortung für das Schadensbild habe. Die Klägerin habe ihr, der Beklagten, keine Informationen zur Boden- und Grundwasserbeschaffenheit gegeben. Ohne Vorlage von Planungsunterlagen für den Kellerbereich habe die Beklagte nicht annehmen müssen, dass eine Dichtigkeit wie bei einer weißen Wanne notwendig gewesen sei. Die Klägerin habe die Beklagte, abgesehen von der Präsentation mehrerer Haarrisse an Kellerwänden, nicht auf die eigenen Mängel bei der Ausführung der Kellerabdichtung hingewiesen und ihr die Beurteilung durch die Baubüro ### GmbH nicht vorgelegt. Zudem sei bis heute nicht geklärt, ob und ggf. wo sich Hohlräume und Undichtigkeiten innerhalb der Dreifachwand befinden.

Der Sachverständige ### hat sein Gutachten aus dem selbständigen Beweisverfahren 6 OH 15/21, dessen Verwertung gemäß § 411a ZPO die Kammer mit den Parteien abgestimmt hat, im Termin vom 19. Januar 2024 erläutert und auf zusätzliche Fragen geantwortet. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll (Bl. 124 ff. der Akten) verwiesen.

In einem weiteren vor dem Landgericht Lübeck geführten und bislang nach hiesigem Kenntnisstand nicht förmlich beendeten Rechtsstreit (Az. 17 O 28/21) hat die Klägerin gegen die Beklagte gemäß § 887 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO die Zwangsvollstreckung aus dem Vergleich vom 9. November 2018 betrieben.

Entscheidungsgründe

I.

Die Klage ist zulässig.

Eine anderweitige Rechtshängigkeit steht diesem Rechtsstreit nicht gemäß § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO entgegen. Zwar begehrt die Klägerin in dem Rechtsstreit vor der 17. Zivilkammer des Landgerichts Lübeck (Az. 17 O 28/21) und im vorliegenden Rechtsstreit jeweils von der Beklagten einen Kostenvorschuss für die Selbstvornahme einer Abdichtung der Kelleraußenwände am Haus in ###. Der Streitgegenstand ist gleichwohl nicht identisch.

Identität des Streitgegenstandes liegt vor, wenn aus demselben konkreten Lebenssachverhalt dieselbe Rechtsfolge abgeleitet wird, das heißt, der nämliche Antrag aus demselben Klagegrund gestellt wird (BGH, Urteil vom 10. Oktober 1952 – V ZR 159/51 -, BGHZ 7, 268 ff.). Die Klägerin betreibt in dem Rechtsstreit vor der 17. Zivilkammer als Gläubigerin gegen die Beklagte als Schuldnerin die Zwangsvollstreckung aus dem Vergleich vom 9. November 2018. Grundlage der hiesigen Forderungen auf Kostenvorschuss für die Selbstvornahme ist hingegen der zwischen den Parteien geschlossene Werkvertrag. Klageziel ist in dem einen Verfahren somit Vollstreckung aus einem bereits bestehenden Vollstreckungstitel (§ 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO), während die Klägerin einen solchen Titel mit der vorliegenden Klage erst anstrebt. Damit sind die Klagen nicht auf dasselbe Ziel gerichtet.

II.

Die Klage ist nicht begründet.

1. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung eines Vorschusses für die vom Sachverständigen ### als erforderlich festgestellten Sanierungsmaßnahmen.

a) Ein solcher Anspruch auf Selbstvornahme besteht nicht aufgrund der §§ 637 Abs. 2, Abs. 1, 634 Nr. 2, 633 BGB. Hiernach kann der Besteller vom Unternehmer für die zur Beseitigung eines Mangels erforderlichen Aufwendungen Vorschuss verlangen, wenn er dem Unternehmer erfolglos eine angemessene Frist zur Beseitigung des Mangels gesetzt hat.

Der Unternehmer hat dabei die Aufwendungen des Bestellers zu ersetzen, die zur Mangelbeseitigung erforderlich sind. Die Erforderlichkeit ist vom Besteller zu beweisen (Jurgeleit in: Kniffka/ Koeble/Jurgeleit/Sacher, Kompendium des Baurechts 5. Aufl. 2020 Teil 5 Rn. 314; Voit in: BeckOK BGB 69. Ed. 01.02.2024, § 637 BGB Rz. 9). Die Kostenpflicht des Unternehmers betrifft nicht nur die eigentliche Mangelbehebung, sondern weitergehend alles, was vorbereitend erforderlich ist, um den Mangel der Werkleistung zu beseitigen. Der Nacherfüllungsanspruch gegen den Unternehmer ist allerdings auf Fehler an dessen Werk beschränkt. Er erfasst nicht auch Mangelfolgeschäden, die an anderen als den vom Unternehmer hergestellten Gewerken eingetreten sind (Genius in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 10. Aufl. Stand: 01.02.2023, § 637 BGB Rz. 22).

Nach diesen Grundsätzen steht der Klägerin kein Vorschussanspruch zu. Die Klägerin hat in diesem Rechtsstreit nicht den Beweis geführt, dass die mit der Klage geltend gemachten Kosten der Selbstvornahme aufgrund einer mangelhaften Ausführung der Sanierungsarbeiten an der Abdichtung des Kellers des Hauses in ### erforderlich geworden sind.

Zwar steht aufgrund der Gutachten der Sachverständigen ### und ### zur Überzeugung der Kammer fest, dass es im vorliegenden Fall nicht den anerkannten Regeln der Technik entsprach, die unzulängliche Abdichtung der Kelleraußenwände durch Gelinjektionen in den Bereich zwischen Außenwand und Erdreich zu sanieren. Beide Sachverständige haben insoweit übereinstimmend ausgeführt, dass eine geeignete Sanierung von innen nur durch eine Verpressung von Polyurethanharz in die Wände durchzuführen gewesen wäre. Es kann jedoch nicht mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden, dass die nunmehr geltend gemachten Kosten für eine Sanierung durch Freigraben der Kellerwände und eine Abdichtung von außen nicht auch dann angefallen wären, wenn die Klägerin von Beginn an Polyurethanharz als Bohrpacker in die Kelleraußenwände verpresst hätte und mithin entsprechend den anerkannten Regeln der Technik vorgegangen wäre. Nur wenn die Beklagte durch ein sachgemäßes Vorgehen zweifelsfrei die nun entstehenden Beseitigungskosten vermieden hätte oder wenn sie diese allein aufgrund ihrer unsachgemäßen Handlungsweise erst erforderlich machte, erschienen diese nicht als Folge des Primärschadens. Beides ist aber nicht der Fall.

Bereits die von der Klägerin als Privatsachverständige herangezogene Baubüro ### GmbH hat ausgeführt, dass nach der Verpressung mit Harz geprüft werden müsse, ob die Maßnahme erfolgreich sei; die Methode sei jedenfalls kostengünstiger als eine Öffnung des Gebäudes von außen.

Der Sachverständige ### hat im Rahmen seiner Befragung durch die Kammer ausgeführt, dass eine Ausgrabung von außen, wie nunmehr erforderlich, auch bei sachgerechter Sanierung “von innen” nicht zweifelsfrei hätte vermieden werden können. Es sei nicht gesichert, dass die anfängliche Verpressung von Harz ausreichend für eine Schadenssanierung gewesen wäre. Die Beklagte habe durch ihre Arbeiten, bei denen sie die Kelleraußenwände vollständig durchbohrte, nach Einschätzung des Sachverständigen zwar den Zustand der Abdichtung verschlimmert. Gleichwohl könne nicht mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden, dass eine Aufgrabung vermieden worden wäre, wenn sie stattdessen sachgerecht Polyurethanharz in die Wände verpresst hätte. Diesen Ausführungen des Sachverständigen schließt sich die Kammer an.

Es bleiben demnach nicht nur hypothetische Zweifel daran, dass die Aufgrabung nicht ohnehin hätte erfolgen müssen. Diese Zweifel gehen zu Lasten der für die Erforderlichkeit der Mangelbeseitigungskosten beweisbelasteten Klägerin. Eine erneute Befragung des Sachverständigen ### dazu, in welchem Umfang ein Verpressen der Wände mit Harz den Schaden insgesamt beseitigt hätte, ist entgegen der Auffassung der Klägerin nicht geboten, weil sich aus den Ausführungen des Sachverständigen bereits ergibt, dass dies nicht sicher beantwortet werden kann. Zudem gab der Sachverständige zu verstehen, dass eine vollflächige Verpressung von Polyurethanharz ähnliche Kosten verursacht haben dürfte wie eine Schadensbeseitigung “von außen”.

Durch die mangelhaften Arbeiten hat die Beklagte der Klägerin letztlich eine realistische, aber keine völlig sichere Gelegenheit zur kostengünstigeren Mangelbeseitigung genommen. Deswegen geht jedoch das Mangelbeseitigungsrisiko nicht insgesamt auf sie über. Dieses Risiko verbleibt bei der Klägerin, die durch ihre zahlreichen Fehler bei der Abdichtung des Kellers im Rahmen der Herstellung die ursprüngliche Ursache für die Wassereintritte gesetzt hat.

b) Auch nach §§ 280 Abs. 1, 634 Nr. 4 BGB (Mangelfolgeschaden) kann die Klägerin keinen Schadensersatz beanspruchen, da die haftungsausfüllende Kausalität nicht mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden kann. Der Gläubiger trägt grundsätzlich – und so auch hier – die Beweislast für den Kausalzusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Schaden. Insoweit gilt § 286 ZPO (vgl. Lorenz in: BeckOK BGB, 9. Ed. 01.02.2024, § 280 BGB Rz. 89). Da aufgrund der vorstehenden Erwägungen nicht ausgeschlossen werden kann, dass eine Aufgrabung ohnehin erforderlich gewesen wäre, scheitert ein Anspruch auf Ersatz des Mangelfolgeschadens jedenfalls an der nicht feststellbaren haftungsausfüllenden Kausalität.

2. Die Klägerin kann von der Beklagten auch nicht die Kosten für die Malerarbeiten als Mangelfolgeschaden ersetzt verlangen. Es war zu keinem Zeitpunkt sicher, dass nicht ohnehin eine Aufgrabung erforderlich geworden wäre. Es kann dahinstehen, ob die Beklagte die nach dem Vergleich geschuldeten Nachbesserungsarbeiten ordnungsgemäß durchgeführt hat. Denn es war klar, dass auch diese Nachbesserungsarbeiten nicht mit Sicherheit zum Erfolg geführt hätten. Dies ergibt sich auch aus den Ausführungen des Sachverständigen ### in seiner Anhörung im Vorfeld des Vergleichsschlusses im Rahmen des selbständigen Beweisverfahrens (Az. 17 OH 9/16). So haben die Parteien in dem Vergleich einen Ortstermin ein halbes Jahr nach Vergleichsschluss vereinbart, in dem geprüft werden sollte, ob die Maßnahmen erfolgreich waren.

3. Die Klägerin hat gegen die Beklagte auch keinen Anspruch auf Freihaltung von den Kosten des gegen sie vom Bauherrn ### angestrengten selbstständigen Beweisverfahrens (Az. 6 OH 15/21). Der Antragsteller eines selbstständigen Beweisverfahrens kann die ihm hieraus entstandenen Kosten jedenfalls solange im Wege der Leistungsklage und gestützt auf seinen materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch geltend machen, wie ein Hauptsacheverfahren im Sinne des § 494a ZPO – und sei es auch nur in Gestalt einer Feststellungsklage – nicht geführt wurde oder geführt wird, und auch ein Antrag nach § 494a Abs. 1 ZPO nicht gestellt ist (vgl. BGH, Urteil vom 10. Oktober 2017 – VI ZR 520/16 -, Rn. 19).

Der materiell-rechtliche Kostenerstattungsanspruch entsteht nicht kraft Veranlassung wie z. B. durch eine Klageerhebung, sondern setzt stets eine materiell-rechtliche Anspruchsgrundlage voraus, wie Vertrag, Geschäftsführung ohne Auftrag, culpa in contrahendo, positive Vertragsverletzung (§§ 280, 311 BGB), Verzug, §§ 823 Abs. 1 ff. BGB, § 1004 BGB, § 7 StVG oder andere Haftungsnormen. Hier ist keine Haftungsnorm ersichtlich, die der Klägerin einen Freihaltungsanspruch bezüglich der Kosten des vom Bauherrn ### gegen sie geführten Beweisverfahrens gewähren könnte. Deliktsrechtliche Anspruchsgrundlagen scheitern bereits daran, dass insoweit ein reiner Vermögensschaden gegeben wäre. Vertragliche Sekundärschadensersatzansprüche scheitern jedenfalls daran, dass nicht festgestellt werden kann, dass das selbstständige Beweisverfahren durch ein ordnungsgemäßes Tätigwerden der Beklagten vermieden worden wäre. Es erscheint durchaus möglich, dass das Verfahren auch dann eingeleitet worden wäre, wenn die Beklagte ordnungsgemäß von Anfang an mit Bohrpackern aus Polyurethanharz saniert hätte und die Undichtigkeit – was nach den obigen Ausführungen möglich ist – dadurch nicht beseitigt worden wäre. Es fehlt auch insoweit zumindest an der haftungsausfüllenden Kausalität.

4. Mangels Existenz der Hauptforderung besteht auch die geltend gemachte Zinsforderung nicht.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.

OLG Oldenburg ua zu der Frage, dass wenn ein Pauschalpreisvertrag gekündigt wird, der Unternehmer die Höhe der Vergütung für die erbrachten Leistungen nach dem Verhältnis des Werts der erbrachten Teilleistungen zu dem Wert der nach dem Pauschalpreisvertrag geschuldeten Gesamtleistung zu errechnen hat

OLG Oldenburg ua zu der Frage, dass wenn ein Pauschalpreisvertrag gekündigt wird, der Unternehmer die Höhe der Vergütung für die erbrachten Leistungen nach dem Verhältnis des Werts der erbrachten Teilleistungen zu dem Wert der nach dem Pauschalpreisvertrag geschuldeten Gesamtleistung zu errechnen hat

vorgestellt von Thomas Ax

1. Nach der Kündigung eines Bau- oder Werkvertrags schuldet der Besteller dem Unternehmer eine Vergütung, die dem am Vertragspreis orientierten Wert der erbrachten Leistung im Zeitpunkt der Kündigung entspricht. Deshalb hat der Unternehmer die erbrachten Leistungen darzulegen und von dem nicht ausgeführten Teil der Leistung abzugrenzen.
2. Wird ein Pauschalpreisvertrag gekündigt, hat der Unternehmer die Höhe der Vergütung für die erbrachten Leistungen nach dem Verhältnis des Werts der erbrachten Teilleistungen zu dem Wert der nach dem Pauschalpreisvertrag geschuldeten Gesamtleistung zu errechnen.
3. Fehlen dem Unternehmer Anhaltspunkte zur Bewertung der erbrachten Leistungen, muss er nachträglich im Einzelnen darlegen, wie die erbrachten Leistungen unter Beibehaltung des Preisniveaus zu bewerten sind.
4. Von einer Aufschlüsselung der Gesamtleistungen in Einzelleistungen kann der Unternehmer absehen, wenn im Zeitpunkt der Kündigung nur noch geringwertige Leistungen ausstehen. Zudem darf er auf der Grundlage der Fertigstellungskosten des Bestellers für die Restleistung abrechnen, wenn dem Besteller bei dieser Berechnung kein Nachteil entsteht.
OLG Oldenburg, Urteil vom 23.05.2023 – 2 U 195/22
vorhergehend:
LG Oldenburg, 17.11.2022 – 17 O 3604/20
nachfolgend:
BGH, Beschluss vom 14.02.2024 – VII ZR 131/23 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen)


In dem Rechtsstreit

(…)

hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht (…), den Richter am Oberlandesgericht (…) und den Richter am Oberlandesgericht (…) auf die mündliche Verhandlung vom 16. Mai 2023

für Recht erkannt:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 17.11.2022 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 17. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des auf Grund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung ihrerseits Sicherheit in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe:

I.

Die Klägerin begehrt nach der Kündigung eines Werkvertrages restlichen Werklohn für erbrachte Leistungen, während die Beklagte die Forderung für unschlüssig hält und hilfsweise u.a. mit Sekundäransprüchen wegen Mängeln aufrechnet.

Die Parteien sind durch einen Werkvertrag aus März 2020 über Rohbauarbeiten bezüglich einer Doppelhaushälfte verbunden. Wegen der Vertragsunterlagen wird die Anlage K 1 (Bl. 14 – 16 Rs Bd. I d.A.) in Bezug genommen. Der Vertrag sah einen nicht weiter aufgegliederten Pauschalpreis in Höhe von 166.600 Euro brutto vor. Während des Bauverlaufs zahlte die Beklagte Abschläge in Höhe von 90.280,00 Euro. Mit Schreiben vom 7.9.2020 (Anlage B 19; Bl. 68 Bd. I d.A.) kündigte die Klägerin unter im einzelnen streitigen Umständen den Vertrag. Am 10.9.2020 sprach die Beklagte ihrerseits eine Kündigung aus wichtigem Grund sowie gleichzeitig die freie Kündigung aus (Anlage B 21, Bl. 70 Bd. I d.A.). Zu diesem Zeitpunkt waren noch nicht alle vertraglich vereinbarten Leistungen erbracht. Eine Abnahme der erbrachten Leistungen erfolgte nicht.

Daraufhin rechnete die Klägerin den Vertrag einschließlich Nachtragsforderungen mit Rechnung vom 22.9.2020 (Anlage K 3, Bl. 17 Rs Bd. I d.A.) ab und forderte mit dieser eine Zahlung von 83.608,00 Euro, die Gegenstand der Klageforderung ist. Einwendungen gegen deren Prüffähigkeit erhob die Beklagte nicht. Im Laufe des Rechtsstreits stellte die Klägerin klar, dass sie nur die von ihr erbrachten Leistungen abrechne und im Wege einer Teilklage vorgehe. Dazu reichte die sie eine weitere Schlussrechnung ein, die auf 86.021, 14 Euro endete (Anlage K 12; Bl. 127 Bd. I d.A.). Nachdem sie durch das Landgericht auf die Grundsätze zur Abrechnung erbrachter Leistungen nach Kündigung eines Pauschalpreisvertrages hingewiesen worden war, nahm sie mit der Anlage K 16 (Bl. 19 – 20 Rs Bd. II) eine Kalkulation der Einzelleistungen vor, die wiederum auf der Kalkulation ihrer Subunternehmerin beruhte. Zu dieser erklärte ihr Prozessbevollmächtigter in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 6.10.2022, dass die Klägerin daran nicht festhalte.

Stattdessen hat die Klägerin die Auffassung vertreten, sie habe mit der Beklagten die Kalkulation nach qm/Fläche vereinbart und auf diese Kalkulation 5% Baustelleneinrichtung und 10 % bzw. 13% Wagnis und Gewinn kalkuliert. Eine Aufgliederung in erbrachte und nicht erbrachte Leistungen sei ihr deswegen nicht möglich. Ferner hat sie behauptet, die geschuldete Leistung sei weitgehend fertiggestellt worden.

Die Beklagte hat vor dem Landgericht gemeint, die Kündigungsvergütung für die erbrachten Leistungen sei nicht schlüssig dargelegt. Es hätten noch erhebliche Leitungen gefehlt. Hilfsweise hat sie sich auf Gegenansprüche wegen Mängeln, Skonti, Vertragsstrafen und Schäden wegen verlängerter Bauzeit berufen.

Das Landgericht, auf dessen tatsächliche Feststellungen verwiesen wird, hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass die Klägerin den Vergütungsanspruch für die bis zur Kündigung erbrachten Leistungen nicht schlüssig dargelegt hätte. Sie habe weder die tatsächlich erbrachten Leistungen dargelegt noch diese unter Berücksichtigung des als Pauschalpreis vereinbarten Preisniveaus bewertet. Genau das sei aber wegen der für den Besteller gegebenen Gefahr von kalkulatorischen Verschiebungen in den Teil der erbrachten Leistungen erforderlich. Eine Ausnahme, die eine Berechnung “von oben” ermögliche, liege nicht vor, weil nicht lediglich geringfügige Restleistungen offen gestanden hätten. Eine Berechnung anhand der von der Beklagten teilweise angegeben Fertigstellungskosten komme nicht in Betracht. Es sei unklar, ob die Fertigstellungskosten über der vereinbarten Vergütung lägen, und damit auch, ob die Klägerin einen Vorteil durch diese Abrechnung einen ungerechtfertigten Vorteil erlangt. Ferner habe die Klägerin den Fertigstellungskosten ausdrücklich widersprochen. Die Beklagte habe zudem nur eine vorläufige Berechnung vorgenommen. Eine Bewertung der Preise der nicht erbrachten Leistungen habe sie gerade nicht durchführen können.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung. Sie meint, die Vergütungsforderung sei auch unter Berücksichtigung der erfolgten Kündigung ausreichend dargelegt, weil sich aus dem Prozess selbst ergäbe, dass die Beklagte in der Lage war, sich ausreichend zu verteidigen. Außerdem habe das Landgericht nicht berücksichtigt, dass zwischen den Parteien eine Kalkulation vereinbart worden sei, die sich allein nach qm bemesse. Das damit verbundene Kalkulationsrisiko, eine Abgrenzung zwischen erbrachten und nicht erbrachten Leistungen nicht vornehmen zu können, falle nicht der Klägerin zu. Im Übrigen habe die Beklagte Abzüge hinsichtlich der nicht erbrachten Leistungen vorgenommen, woraus sich ergäbe, dass sie in Bezug auf die Abrechnung nicht schutzbedürftig sei. Schließlich meint die Klägerin, bei Anwendung des § 648 BGB entfalle das Erfordernis einer Abrechnung der Vergütung, die dem am Vertragspreis orientierten Wert der erbrachten Leistung im Zeitpunkt der Kündigung entspricht. Das ergäbe sich durch eine gebotene Auslegung anhand des neu eingeführten § 648a BGB.
Mit Schriftsatz vom 5.5.2023 reichte der Kläger die Rechnung vom 3.5.2023 zur Akte. Auf Bl. 50 – 57 Bd. III d.A. sowie die Erläuterungen dazu auf. S. 2 des Schriftsatzes (Bl. 48 f Bd. III d.A.) wird verwiesen. Sie meint, daraus ergäbe sich eine schlüssige Abrechnung.

Die Klägerin beantragt,

1. das Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 17.11.2022 zum Az. 17 O 3604/20 abzuändern und die Beklagte kostenpflichtig zu verurteilen, an die Klägerin 83.608,00 Euro nebst Jahreszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 6.10.2020 zu zahlen und

2. hilfsweise das Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil und nimmt den Inhalt der neuen Berechnung vom 3.5.2023 in Abrede.

II.

Die zulässige Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg. Das Landgericht hat die Klage zutreffend mit der Begründung abgewiesen, dass die Klägerin ihren Vergütungsanspruch für die bis zur Kündigung des Werkvertrages erbrachten Leistungen nicht schlüssig vorgetragen hat. Mit der neuen Abrechnung vom 3.5.2023, die mit Schriftsatz vom 5.5.2023 vorgetragen wurde, ist die Klägerin gem. §§ 529, 531 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

A)

1. Nach der Kündigung eines Werkvertrages schuldet der Besteller dem Unternehmer eine Vergütung, die dem am Vertragspreis orientierten Wert der erbrachten Leistung im Zeitpunkt der Kündigung entspricht (vgl. BGH NJW 1995, 2712). Deswegen obliegt es dem die Vergütung für erbrachte Leistungen verlangendem Auftragnehmer zunächst, die erbrachten Leistungen darzulegen und von dem nicht ausgeführten Teil abzugrenzen. Liegt ein gekündigter Pauschalpreisvertrag vor, hat der Unternehmer überdies die Höhe der Vergütung für die erbrachten Leistungen nach dem Verhältnis des Werts der erbrachten Teilleistungen zu dem Wert der nach dem Pauschalpreisvertrag geschuldeten Gesamtleistung zu errechnen. Dementsprechend muss er sowohl das Verhältnis der bewirkten Leistung zur vereinbarten Gesamtleistung als auch das Verhältnis des Preisansatzes für die Teilleistungen zum Pauschalpreis darlegen (vgl. nur BGH, Urteil vom 4. 7. 2002 – VII ZR 103/01 = NZBau 2002, 614, 615).

Fehlen dem Auftragnehmer aus der Zeit vor Vertragsschluss die Anhaltspunkte zur Bewertung der erbrachten Leistungen, muss er im Nachhinein im Einzelnen darlegen, wie die erbrachten Leistungen unter Beibehaltung des Preisniveaus zu bewerten sind (vgl. BGH, Versäumnisurteil vom 04.07.1996 – VII ZR 227/93 = NJW 1996, 3270). In diesem Zusammenhang kann eine ausreichend aufgegliederte und auf einzelne Gewerke bezogene Aufstellung ausreichen, welche die Gesamtkosten bei vollständiger Fertigstellung aufgrund einer Nachunternehmervergabe darlegt und den Kosten gegenüberstellt, die tatsächlich entstanden sind (vgl. BGH, Urteil vom 4. 7. 2002 – VII ZR 103/01 = NJW-RR 2002, 1596). Wesentlich ist nur, dass die vorgenommene Abgrenzung zwischen erbrachten und nicht erbrachten Leistungen sowie deren Bewertung dem Auftraggeber die Möglichkeit gibt, sich sachgerecht zu verteidigen (vgl. BGH a.a.O.), indem er die einzelnen Pauschalen sowie den kalkulatorischen Wahrheitsgehalt und damit letztlich die inhaltliche Richtigkeit überprüfen kann. Sinn und Zweck dieser Anforderungen an die Abrechnung ist, dass der Unternehmer seine Leistungen nicht beliebig bewertet und dadurch ungerechtfertigte Vorteile erlangt, wobei es im Wesentlichen um die Frage geht, ob eine ungerechtfertigte Verschiebung von Kosten in den erbrachten Leistungsteil erfolgt ist (vgl. Kniffka in Kniffka/Koeble/Jurgeleit/Sacher, Kompendium des Baurechts, 5. Auflage, 8. Teil Rn. 59); also die ausgeführten Teilleistungen zu hoch bewertet werden.

Vor dem Hintergrund, dass die Gefahr kalkulatorischer Verschiebungen in diesen Fällen in den Hintergrund tritt, kann von einer Aufschlüsselung der Gesamtleistungen in Einzelleistungen abgesehen werden, wenn im Zeitpunkt der Kündigung nur noch geringwertige Leistungen nicht erbracht sind (vgl. BGH, Urteil vom 16.10.2014 – VII ZR 176/12 = NZBau 2015, 27). Zudem darf der Unternehmer auf der Grundlage der Fertigstellungskosten des Bestellers für die Restleistung abrechnen, wenn feststeht, dass dem Unternehmer bei dieser die Vertragsgrundlagen verlassenden Berechnung kein Nachteil entsteht (vgl. Kniffka in in Kniffka/Koeble/Jurgeleit/Sacher, Kompendium des Baurechts, 5. Auflage, 8. Teil Rn. 65; Schmitz in Kniffka, ibr-online-Kommentar Bauvertragsrecht, Stand 6.3.2023, § 648 Rn. 59). Es muss mithin feststehen, dass die Drittunternehmerkosten die vertraglich vereinbarte Vergütung für die Restfertigstellung überschreiten, oder der Besteller akzeptiert eine Berechnung unter Abzug der Fertigstellungskosten bzw. widerspricht dieser nicht (vgl. BGH, Beschl. v. 10.4.2014 – VII ZR 124/13 = NZBau 2014, 351 Rn. 4).

2. Unerheblich ist in Bezug auf diese Berechnungsgrundlagen zum gekündigten Pauschalpreisvertrag, ob es sich um eine Kündigung nach § 648a BGB oder § 648 BGB handelt. Der Rechtsauffassung der Klägerin, nach Einführung des § 648a Abs. 4 BGB könnten sich die Grundsätze der Abrechnung eines gekündigten Werkvertrages nur noch auf die Fälle des § 648a BGB beziehen, während im Rahmen einer Kündigung nach § 648 BGB, für den eine dem § 648a Abs. 4 BGB entsprechende Regelung fehlt, der Besteller darlegen und beweisen müsse, in welchem Umfang Leistungen nicht erbracht wurden, vermag der Senat sich nicht anzuschließen. Abgesehen davon, dass diese Auffassung – soweit ersichtlich – nirgends in der Literatur oder Rechtsprechung vertreten wird, sondern weiterhin einhellig die Grundsätze der BGH-Rechtsprechung auf beide Kündigungsarten angewendet werden, verkennt die Klägerin mit ihrer Rechtsmeinung, dass nach den allgemeinen Grundsätzen der Darlegungs- und Beweislast der Anspruchsteller die seinen Anspruch ausfüllenden Tatsachen darzulegen und zu beweisen hat. Dazu gehört auch der Umfang der erbrachten Leistungen sowie die Höhe der sich daraus ergebenden Vergütung. Im Übrigen betrifft die Regelung des § 648a Abs. 4 BGB allein die Frage der Feststellung des Leistungsstandes und keineswegs die Frage der vergütungsmäßigen Bewertung der erbrachten Leistungen.

3. Ob sich aus den Regelungen der VOB/B für die Abrechnung des gekündigten Werkvertrages etwas zugunsten der Klägerin ergeben könnte, kann auf sich beruhen. Die VOB/B ist nach ihrem eigenen Vorbringen nicht wirksam einbezogen. Keineswegs kommt dem Zeugen FF eine einem Architekten ähnliche Stellung zu, die Grund für die Annahme wäre, bei ihm handele es sich um eine im Baubereich bewanderte Person (vgl. Jurgeleit in Kniffka/Koeble/Jurgeleit/Sacher, Kompendium des Baurechts, 5. Aufl., Teil 2 Rn. 187). Ein vormals erteilter Bauträger- oder Maklerschein reichen insoweit nicht aus.

4. Unter Zugrundelegung der unter 1. dargelegten Grundsätze hat die Klägerin ihren Vergütungsanspruch für die erbrachten Leistungen mit ihren im ersten Rechtszug vorgebrachten Schlussrechnungen (Anlage K 3 = Bl. 17 Rs Bd. I d.A.; Anlage K 12 = Bl. 127 Bd. I d.A.) nicht schlüssig dargelegt.

a) Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Klägerin bereits im ersten Schritt nicht angegeben hat, welche Leistungen aus dem Vertrag erbracht und welche nicht erbracht wurden, und schließlich auch keine Bewertung der Teilleistungen anhand des Preisgefüges des Pauschalpreisvertrages vorgenommen hat.

Es ergibt sich aus den durch die Berufung nicht angegriffenen Feststellungen des Landgerichts, dass im Kündigungszeitpunkt zwei Giebel an der Garage weder im Hinblick auf das Innen- noch auf das Außenmauerwerk errichtet waren, der Bau nicht putzgerecht hergestellt war, weil Abmauerungen im Sanitärbereich und das Verschließen der Schlitze unterblieben sind, Außenfensterbänke als Rollschichten vollständig nicht errichtet waren, Fensterbänke innen fehlten, eine komplette Stützwand im Treppenhaus nicht ausgeführt wurde und die Verfugung vollständig unterblieben ist. Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der insoweit getroffenen Feststellungen ergeben sich nicht, so dass der Senat sie als bindend zugrunde legt. Daran ändert sich auch nichts durch die unter Sachverständigenbeweis gestellte Behauptung der Klägerin auf S. 5 des Schriftsatzes vom 27.7.2022, sie habe lediglich die in ihrer letzten Schlussrechnung des ersten Rechtszuges (Anlage K 12 = Bl. 127 Bd. I d.A.) berücksichtigen Positionen nicht erbracht. Denn der Geschäftsführer der Klägerin hatte im Termin zur mündlichen Verhandlung am 14.7.2021 selbst erklärt, dass auch die Schlitze nicht verschlossen worden sind und die Verfugung nicht ausgeführt wurde. Im Zusammenhang mit letzterer gibt es gegen die Auslegung des Landgerichts, dass auch diese Verfugung zu den geschuldeten Arbeiten gehörte, nichts zu erinnern. Auf dessen Ausführungen (S. 12 – 14 LGU) wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen. Zusätzlich ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin vertraglich auch zur Beräumung der Baustelle von Schutt verpflichtet war. Denn die Beseitigung des mit der Werkleistung verbundenen Abfalls gehört vorbehaltlich – hier nicht ersichtlicher – abweichender vertraglicher Vereinbarung zu dem geschuldeten Werkerfolg des Auftragnehmers (vgl. BGH, Urteil vom 6. 7. 2000 – VII ZR 73/00 = NZBau 2000, 466).

Die Klägerin hat in ihrer ersten Rechnung (Anlage K 3; Bl. 17 Rs Bd. I d.A.) hingegen gar keine nicht erbrachten Leistungen ausgewiesen oder berechnet. Bei der weiteren Rechnung aus der Anlage K 12 (Bl. 127 Bd. I d.A.) hat sie lediglich die beiden Giebel, die WC-Kanten-Abmauerung und 16 lfdm (statt 26 lfdm im ihr seinerzeit überlassenen, unausgefüllten LV) Rollschicht abgezogen. Eine Bewertung der Einzelleistungen unter Berücksichtigung des Preisgefüges des Pauschalpreisvertrages unterblieb gänzlich. Vielmehr nahm sie einen Abzug anhand nicht nachvollziehbarer Einzelbeträge vor. Mit Schriftsatz vom 25.8.2021 reichte die Klägerin als Anlage K 16 (Bl. 19 – 21 Rs Bd. II d.A.) eine Kalkulation ihrer Subunternehmerin ein. Anhand dieser, die den mit der Klägerin vereinbarten Pauschalpreis indes nicht widerspiegelte, errechnete sie erneut Abzüge ausschließlich für die beiden Giebel, die WC-Kanten-Abmauerung und 16 lfdm Rollschicht, um dann – zuletzt in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 6.10.2022 – zu erklären, an dieser Abrechnung nicht mehr festzuhalten. Mithin hat die Klägerin die grundsätzlichen Anforderungen für die schlüssige Abrechnung einer Vergütung erbrachter Leistungen nach Kündigung eines Pauschalpreisvertrages nicht erbracht.

Soweit die Klägerin argumentiert, sie habe mit einem konkreten Preis/m² Fläche zuzüglich 5% Baustelleneinrichtung und 10% bzw. 13% Wagnis und Gewinn kalkuliert, enthebt sie dies nicht von der Pflicht zur konkreten Abrechnung. Soweit sie meint, die Aufschlüsselung und Bewertung der nicht erbrachten Leistungen sei ihr deswegen nicht möglich, trifft dies nicht zu. Denn die Richtigkeit dieses Vorbringens unterstellt, fehlen der Klägerin dann lediglich Anhaltspunkte zur Bewertung der erbrachten Leistungen aus der Zeit vor Vertragsschluss, die sie im Nachhinein vornehmen muss um dann im Einzelnen darzulegen, wie die erbrachten Leistungen unter Beibehaltung des Preisniveaus zu bewerten sind (vgl. BGH, Versäumnisurteil vom 04.07.1996 – VII ZR 227/93 = NJW 1996, 3270). Soweit in der Berufungsbegründung geltend gemacht wird, die Beklagte habe sich mit Email vom 16.3.2020 (Bl. 180 Bd. II d.A.) auf die die Kalkulation nach Preis/m² eingelassen und müsse nunmehr deren Nachteile im Rahmen der Abrechnung des gekündigten Vertrages tragen, kann sich der Senat dem nicht anschließen. Zum einen ist der Email, die sich allein auf die Angebote konkurrierender Wettbewerber bezieht, keineswegs eine Vereinbarung einer bestimmten Kalkulation mit der Klägerin zu entnehmen. Zum anderen schlüge dies nicht auf die Verpflichtung der den Werklohn beanspruchenden Klägerin durch, den gekündigten Pauschalpreisvertrag nach den Grundsätzen der Rechtsprechung abzurechnen.

b) Schließlich ist die Klägerin unter Berücksichtigung ihres erstinstanzlichen Vorbringens auch nicht von einer Abrechnung ihrer Vergütung nach den dargestellten Grundsätzen enthoben. Eine Ausnahmekonstellation, in der sie “von oben nach unten” abrechnen darf, liegt nicht vor.

aa) Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass sich nicht feststellen lasse, im Zeitpunkt der Kündigung hätten lediglich noch geringfügige Restleistungen ausgestanden.

Es liegt auf der Hand, dass dies nicht anhand der Abrechnung der Klägerin erfolgen konnte. Nicht nur, dass diese wesentliche Teile der nicht erbrachten Leistungen gar nicht berücksichtigte, kann der vermeintlich geringfügige Betrag gerade auf einer “kalkulatorischen Verschiebung“, also einer Unterbewertung der Restleistung durch die Klägerin beruhen (vgl. KG NJW 2018, 3721 Rn. 82). Tatsächlich sind die oben festgehaltenen ausstehenden Leistungen in Bezug auf das Gesamtvolumen des Werkvertrages von 162.400,00 Euro nicht geringwertig. Das folgt einerseits aus den fehlenden Leistungen an sich und zusätzlich aus den durch die Beklagte zum Teil angegebenen Drittunternehmerkosten und zum Teil geschätzten

Preise der nicht erbrachten Teilleistungen:

2 Giebel Garage; 6 m² Innen- und Außenmauerwerk

4.250,00 Euro

Putzfertige Errichtung (Schätzung Beklagte)

8.250,00

Abmauerungen Sanitärbereich

2.900,00 Euro

Verschließen der Schlitze pp

(keine Angabe)

Außenfensterbänke als Rollschichten; Stützwand im Treppenhaus

1.276,00 Euro

Fensterbänke innen

997,84 (Material)

Verfugung

3.441,93 Euro + 628,93 Euro

Beräumung der Baustelle

1.303,84 Euro

 

————————–

 

20.148,54


Auch wenn dieses Rechenwerk der Beklagten nicht unstreitig ist, steht jedenfalls fest, dass nach der Kündigung nicht lediglich geringfügige Leistungen der Klägerin ausstanden. In diesem Zusammenhang ist es mangels abweichender Anhaltspunkte für die Beklagte auch zulässig, für die Schätzung auf den Abschlagsplan der Klägerin zuzugreifen.

bb) Schließlich kann eine Abrechnung nicht auf Grundlage der Fertigstellungskosten für die Restleistungen erfolgen.

Zutreffend hat das Landgericht festgestellt, dass nicht feststeht, dass die an einen Drittunternehmer zu entrichtenden Fertigstellungskosten über dem vereinbarten Vertragspreis liegen. Das mag grundsätzlich naheliegen und der Regelfall sein, steht aber vorliegend eben weder fest noch ist es durch die Klägerin unter Beweis gestellt worden. Überdies scheidet vorliegend eine Abrechnung nach den Fertigstellungskosten aus, weil die Klägerin zu diesen gar nichts vorgetragen hat und sie auch aus dem Vortrag der Beklagten nicht vollständig hervorgehen. Die Beklagte hat insbesondere im Bereich der ausgebliebenen putzfertigen Errichtung in weiten Teilen eine Schätzung anhand des Abschlagszahlungsplans der Klägerin (5% nach “Bau putzgerecht herstellen“) vorgenommen. Darüber hinaus hat das Landgericht in nicht zu beanstandender Weise auf seine mit Tatbestandswirkung nach § 314 ZPO getroffene Feststellung abgestellt, dass die Klägerin sich die Abrechnung nach den Fertigstellungskosten gerade nicht hilfsweise zu eigen gemacht, sondern diese bestritten hat. Damit war es gerade die Klägerin, die sich einer Abrechnung auf Grundlage der Fertigstellungsmehrkosten verweigert hat.

Soweit die Klägerin im Berufungsrechtszug ihre Auffassung wiederholt, die Aufstellung der Beklagten zeige gerade, dass diese sich sachgerecht verteidigen könne und deswegen eine nähere Darlegung der Klägerin entbehrlich sei, dringt sie damit nicht durch. Es ist zwar im Grundsatz zutreffend, dass der Detaillierungsgrad der vom Unternehmer zu erbringenden Abrechnung nicht zu unverhältnismäßigen Anforderungen an diesen führen darf, sondern sich nach dem berechtigten Informationsinteresse des Bestellers richtet und nicht dessen ungerechtfertigte Verweigerungstaktik unterstützen soll. Vorliegend hat hingegen bereits das Landgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass die Aufstellung der Beklagten gerade keine derartige sachgerechte Verteidigung gegen die vollkommen unvollständige Abrechnung der Klägerin, sondern allein eine vorläufige Aufstellung der bereits angefallenen und geschätzten Drittunternehmerkosten darstellt. Die Berufung vermischt in diesem Zusammenhang die Anforderung an die Abrechnung des gekündigten Pauschalpreisvertrages mit der Ausnahme der Abrechnung nach Drittunternehmerkosten, die von einer solchen Abrechnung enthebt. Eine sachgerechte Verteidigung gegen die angesichts der Rechenwerke der Klägerin naheliegende ungerechtfertigte Verschiebung von Kosten in den erbrachten Leistungsteil ist mit der Aufstellung der gezahlten und geschätzten Fertigstellungskosten nicht verbunden. Der Klägerin hätte es vielmehr freigestanden, den infolge der unzureichenden Abrechnung bei der Beklagten drohenden Nachteil dadurch abzuwenden, dass sie eine Abrechnung auf Grundlage der Fertigstellungskosten hinnimmt. Dem ist sie aber gerade entgegengetreten.

5. Mit ihrem neuen Vorbringen zur Abrechnung des Vertrages aus dem Schriftsatz vom 5.5.2023 in Verbindung mit der Berechnung vom 3.5.2023 ist die Klägerin gem. §§ 529, 531 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, so dass auf sich beruhen kann, ob dieses den Grundsätzen einer schlüssigen Abrechnung eines gekündigten Pauschalpreises entspräche.

a) Die Beklagte hat dieses neue Vorbringen der Klägerin zur Abrechnung des gekündigten Pauschalpreisvertrages in ihrem Schriftsatz vom 9.5.2023 in Abrede genommen, so dass es streitig war. Damit unterliegt es dem Anwendungsbereich der §§ 529 Abs. 1, 531 Abs. 2 ZPO.

aa) Soweit die Klägerin unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BGH, Urteil vom 6. 10. 2005 – VII ZR 229/03 = NJW-RR 2005, 1687, geltend macht, auf die im Berufungsrechtszug erstellte Schlussrechnung seien die §§ 529 Abs. 1, 531 Abs. 2 ZPO nicht anwendbar, vermag der Senat dem nicht näher zu treten. Aus dieser Entscheidung geht lediglich hervor, dass die vom Unternehmer im Berufungsrechtszug nach Abweisung seiner Klage in erster Instanz vorgelegte neue Rechnung nur dann nicht als neue Tatsache aus prozessualen Gründen als verspätet zurückgewiesen werden kann, wenn die Schlussrechnung Fälligkeitsvoraussetzung ist. So liegt es hier indes nicht. Unabhängig von der Frage, ob die Parteien einen BGB- oder VOB/B-Vertrag geschlossen haben, ist die Forderung unabhängig von der Prüfbarkeit der zunächst erteilten Schlussrechnung (Anlage K 3) fällig geworden, weil die Belklagte die fehlende Prüffähigkeit nicht binnen 30 Tagen nach Zugang (§ 650 f Abs. 4 S. 3 BGB; § 16 Abs. 3 S. 1 VOB/B) gerügt hat (vgl. Retzlaff in Grüneberg, BGB, 82. Aufl., § 650g Rn. 14; Locher in Ingenstau/Korbion, VOB Teile A und B, 22. Aufl., § 16 Abs. 3 VOB/B Rn. 25). In diesen Fällen findet nur noch eine Sachprüfung statt, ob die Forderung berechtigt ist und die §§ 529 Abs. 1, 531 Abs. 2 ZPO sind anzuwenden (vgl. Kniffka in Kniffka/Koeble/Jurgeleit/Sacher, 5. Aufl., Teil 4 Rn. 547).

bb) Die neue Berechnung der Klägerin erläutert und präzisiert auch nicht die bislang vorgelegten Abrechnungen (Anlage K 3 = Bl. 17 Rs Bd. I d.A.; Anlage K 12 = Bl. 127 Bd. I d.A.), sondern verändert die Abrechnungsstruktur grundlegend, so dass es sich um ein neues Angriffsmittel handelt (vgl. Kniffka a.a.O. Rn. 548). Während die Abrechnung in der Anlage K 3 gar keine Abzüge wegen nicht erbrachter Leistungen vorsah, erfolgte in der Anlage K 12 einer “Abrechnung von oben nach unten“, indem von der Bruttovergütung lediglich Abschläge wegen der nicht erbrachten Leistungen genommen wurden. Demgegenüber wird in der neuen Abrechnung aus dem Schriftsatz vom 5.5.2023 erstmals eine “Abrechnung von unten nach oben” vorgenommen, indem der Pauschalbetrag in Einzelpositionen der erbrachten Leistungen aufgeschlüsselt wird und im Zuge dessen die Abzüge der nicht erbrachten Leistungen eingefügt werden. Die Richtigkeit dieser kalkulatorischen Aufschlüsselung sowie der Abzüge hat wiederum die Beklagte in Abrede genommen, so dass die Tatsachengrundlage streitig ist.

b) Die Zulassung dieses neuen, streitigen Vorbringens kommt gem. § 531 Abs. 2 ZPO nicht in Betracht.

Das gilt zunächst in Bezug auf § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO. Diese Vorschrift gestattet neues Vorbringen zu tatsächlichen oder rechtlichen Gesichtspunkten, die vom Standpunkt des Berufungsgerichts aus betrachtet entscheidungserheblich sind, von dem Eingangsgericht jedoch erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten wurden (vgl. BGH NJW 2004, 2152, 2153). So liegt der Fall hier allerdings nicht. Vielmehr hat das Landgericht zunächst in seiner Verfügung vom 18.2.2021 ausführlich darauf hingewiesen, dass die Abrechnung der Anlage K 3 nicht schlüssig ist. Es hat auch klar und richtig vorgegeben, wie die Abrechnung zu erfolgen hat. Diesen Hinweis hat es in der mündlichen Verhandlung vom 14.7.2021 wiederholt, nachdem die Klägerin die Anlage K 12 in den Prozess eingeführt hat. Die Einzelrichterin hat damit die auch für den Senat entscheidungserheblichen Fragen angesprochen. Gerade vor dem Hintergrund dieser Hinweise verbietet sich eine Zulassung nach § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO. Die Vorschrift ermöglicht neues Vorbringen im Berufungsrechtszug, weil Vorbringen infolge eines Verfahrensmangels erstinstanzlich nicht geltend gemacht wurde. Sie betrifft insbesondere den Fall, dass nach § 139 ZPO gebotene Hinweise des erstinstanzlichen Gerichts unterblieben sind, die zu dem Vorbringen, das nunmehr erst im Berufungsrechtszug gehalten wird, bereits in erster Instanz Anlass gegeben hätten (vgl. BGH NJW 2004, 2152, 2153). Diese wurde indes gerade erteilt. Schließlich beruht das neue Vorbringen zur Abrechnung in der Berufungsinstanz aus dem Schriftsatz vom 5.5.2023 auf Nachlässigkeit, welche die Zulassung des Vorbringens gem. § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO ausschließt. Es wäre ohne Weiteres bereits im ersten Rechtszug möglich gewesen.

B)

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 97, 708 Nr.10, 711 ZPO

Verkündet am 23.05.2023

OLG Bamberg ua zu der Frage, dass die Leistung eines mit der Errichtung einer Dach-Photovoltaikanlage beauftragten Auftragnehmers mangelhaft ist, wenn er Unterlegplatten und Dachhaken verwendet, die für die verbauten Dachziegel nicht zugelassen waren, die Konterlattung beschädigt und die Stromzuleitungs- und Erdungskabel ohne Abdichtungsmanschetten zwischen Dachstein und Schalung verlegt

OLG Bamberg ua zu der Frage, dass die Leistung eines mit der Errichtung einer Dach-Photovoltaikanlage beauftragten Auftragnehmers mangelhaft ist, wenn er Unterlegplatten und Dachhaken verwendet, die für die verbauten Dachziegel nicht zugelassen waren, die Konterlattung beschädigt und die Stromzuleitungs- und Erdungskabel ohne Abdichtungsmanschetten zwischen Dachstein und Schalung verlegt

vorgestellt von Thomas Ax

1. Die Leistung eines mit der Errichtung einer Dach-Photovoltaikanlage beauftragten Auftragnehmers ist mangelhaft, wenn er Unterlegplatten und Dachhaken verwendet, die für die verbauten Dachziegel nicht zugelassen waren, die Konterlattung beschädigt und die Stromzuleitungs- und Erdungskabel ohne Abdichtungsmanschetten zwischen Dachstein und Schalung verlegt.

2. Verschweigt der Auftragnehmer von ihm bzw. seinen Mitarbeitern verursachte Mängel arglistig, verjähren die Mängelansprüche des Auftraggebers nicht innerhalb von fünf Jahren ab der Abnahme der Leistung, sondern innerhalb von drei Jahren ab Kenntnis des Auftraggebers von den den Anspruch begründenden Umständen.

3. Bei gravierenden oder offensichtlichen Mängeln, die durch nachfolgende Arbeiten verdeckt werden, liegt Arglist nahe.
OLG Bamberg, Beschluss vom 10.10.2022 – 3 U 61/22
vorhergehend:
OLG Bamberg, Beschluss vom 29.08.2022 – 3 U 61/22
LG Hof, 21.02.2022 – 35 O 5/20
nachfolgend:
BGH, Beschluss vom 08.11.2023 – VII ZR 200/22 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen)


In dem Rechtsstreit

(…)

erlässt das Oberlandesgericht Bamberg – 3. Zivilsenat – durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht xxx, den Richter am Oberlandesgericht xxx und den Richter am Oberlandesgericht xxx am 10.10.2022 folgenden

Beschluss

1. Die Berufung des Beklagten gegen das Endurteil des Landgerichts Hof vom 21.02.2022, Aktenzeichen 35 O 5/20, wird zurückgewiesen.

2. Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Hof ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110% des von ihr zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis zu 63.200,00 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes sowie die gestellten Anträge wird auf den Tatbestand im angefochtenen Urteil des Landgerichts Hof vom 21.02.2022 sowie auf den Hinweisbeschluss des Senats vom 29.08.22 Bezug genommen.

II.

Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Hof vom 21.02.2022, Aktenzeichen 35 O 5/20, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist. Zur Begründung wird auf den vorausgegangenen Hinweis des Senats Bezug genommen. Im Hinblick auf das Vorbringen im Schriftsatz vom 26.09.2022 ist auszuführen:

1. Der Senat hält an seiner Auffassung fest, dass aufgrund der Vorgänge im Jahr 2014 der Klägerin keine grobe Fahrlässigkeit in Bezug auf eine Unkenntnis vom Schaden und der Person des Schädigers vorzuwerfen und damit die Verjährung nicht eingetreten ist.

a) Es mag zwar sein, dass nach dem Erwerb des streitgegenständlichen Anwesens durch die Klägerin im Jahr 2010 Arbeiten am Dach nur durch die Dachdeckerfirma A. GmbH und den Beklagten durchgeführt wurden. Zutreffend ist auch, dass sich die Klägerin nach dem Starkregenereignis und dem damit verbundenen Wassereintritt im Jahr 2014 an keine der beiden Firmen gewandt hat. Allerdings setzt sich der Beklagte nicht mit der Tatsache auseinander, dass die Klägerin eine Fachfirma beauftragt und damit gerade versucht hat, die Klärung der Ursache des Schadens und der möglichen Verantwortlichkeit über eine neutrale Person herbeizuführen. Dass der von ihr gewählte Weg hierfür auch grundsätzlich geeignet war, stellt der Beklagte nicht in Abrede. Soweit der Beklagte in diesem Zusammenhang eine Rechtspflicht zu konstruieren versucht, sich stattdessen auf Verdacht an einen der möglichen Schädiger zu wenden und diesen um Aufklärung nachzusuchen, um dem Vorwurf einer grob fahrlässigen Unkenntnis von einem Schaden und der Person des Schädigers zu entgehen, liegt dies neben der Sache.

b) Dass die von der Klägerin veranlasste Untersuchung ohne Erfolg blieb, ist der Klägerin nicht anzulasten, weil sie grundsätzlich auf die Kompetenz der beauftragten Fachfirma vertrauen durfte; Gegenteiliges trägt auch der Beklagte nicht vor.

c) Unbehelflich ist der Verweis auf das vor dem Senat anhängige Berufungsverfahren 3 U 410/21, in dem entgegen der Behauptung des Beklagten eine gänzlich andere Fallkonstellation streitgegenständlich ist, so dass sich ein weiteres Eingehen hierauf erübrigt.

Vorliegend kann also von einem “groben Pflichtenverstoß” oder einer “schlechthin unentschuldbaren Pflichtverletzung” (BGH NJW 2009, 1482 Rn. 34) im Sinne der Vorschrift des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB in Bezug auf das Tätigwerden der Klägerin nach dem Wassereintritt im Jahr 2014 nicht die Rede sein, so dass dies einen Beginn der Verjährungsfrist nicht begründen kann.

d) Von einer Kenntnis der Klägerin von dem Schaden und der Person des Schädigers ist damit erst im Jahr 2016 auszugehen. Damit begann die aus § 634a Abs. 3 S. 1 BGB resultierende dreijährige Verjährungsfrist mit Ablauf dieses Jahres und endete mit Ablauf des Jahres 2019 (§ 199 Abs. 1, 195 BGB). Die Klageerhebung am 24.12.2019 hat daher gem. § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB die Verjährung rechtzeitig gehemmt.

2. Auch die Einwendungen des Beklagten gegen die Höhe des Schadensersatzanspruchs greifen nicht durch.

a) Im Hinblick auf den angeblich vom Sachverständigen B. erstmals im Termin vom 17.01.2022 genannten Betrag von 20.000,00 Euro bestand für das Landgericht kein Anlass, deswegen einen ergänzenden Beweisbeschluss zu erlassen. Zum einen bezogen sich die Ausführungen des Sachverständigen auf die Kosten der Nachrüstung des Daches mit einer regendichten Nagelschutzbahn und nicht auf die Kosten der Beseitigung der vom Beklagten verursachten Schäden. Vor allem jedoch hat der Beklagte bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung die von der Klägerin unter Vorlage der Rechnung der Fa. A. behaupteten Aufwendungen zur Schadensbeseitigung in Höhe von 62.500,86 Euro nicht bestritten, weshalb sich eine Beweisaufnahme hierüber verbot und Ausführungen des Sachverständigen hierzu als nicht entscheidungserheblich zu behandeln gewesen wären. Zutreffend hat das Landgericht daher diese Kosten seiner Entscheidung zugrunde gelegt, auch wenn es der Klägerin aus Rechtsgründen (Sowiesokosten, Abzug “neu für alt“) nicht den vollen Betrag zugesprochen hat.

b) Soweit der Beklagte erstmals mit dem nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingegangenen und nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 31.01.2022 die Schadenshöhe in Frage gestellt hat, hat der Senat bereits in dem vorgenannten Hinweisbeschluss ausführlich dargelegt, dass das Landgericht rechtsfehlerfrei von einem Wiedereintritt in die mündliche Verhandlung gem. § 156 ZPO abgesehen hat. Hierauf nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug. Einer weiteren Erörterung bedarf das Vorbringen im Schriftsatz vom 26.09.2022, das der Senat zur Kenntnis genommen hat, nicht.

Die Berufung des Beklagten ist daher als unbegründet zurückzuweisen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgt gemäß § 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Festsetzung des Streitwerts für das Berufungsverfahren folgt aus §§ 63 Abs. 2, 47 Abs. 1 S. 1 GKG, § 3 ZPO.