vorgestellt von Thomas Ax
Bauunternehmen verwenden gerne gegenüber Verbrauchern einen vorformulierten “Planungs- und Bauvertrag”. Dieser enthält Vertragsbestimmungen. Viele davon sind unwirksam …
Auch für die Auslegung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen gelten grundsätzlich die Auslegungsregeln der §§ 157, 133 BGB und die hierzu entwickelten Grundsätze. Sie sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Kreise verstanden werden (st. Rspr., vgl. nur BGH, NJW 2016, 936, 937). Die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe ist auch in Allgemeinen Geschäftsbedingungen zulässig (BGH, NJW 2016, 936, 937 f.).
Die Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe in Allgemeinen Geschäftsbedingungen hat so zu erfolgen, wie ein durchschnittlicher und um Verständnis bemühter Verbraucher die Regelung verstehen darf, wobei in erster Linie auf den Wortlaut und ergänzend auf den Zweck der Regelung abzustellen ist (BGH, NJW-RR 2020, 92, 93). Die §§ 308, 309 BGB enthalten Kataloge verbotener Klauseln. § 307 BGB enthält mit seiner Generalklausel die zentrale Vorschrift der Inhaltskontrolle; ihr kommt zugleich rechts-technisch die Funktion einer Auffangnorm zu. Bei der Beurteilung der Frage, ob eine Vertragsklausel den Transparenzanforderungen des § 307 Absatz 1 Satz 2 BGB gerecht wird, ist auf die Erwartungen und Erkenntnismöglichkeiten eines durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders im Zeitpunkt des Vertragsschlusses abzustellen (BGH, NJW 2016, 936, 937) und nicht auf die Erkenntnis-möglichkeiten des konkreten Vertragspartners oder auf das Verständnis eines Fachmannes, insbesondere eines Juristen (BGH, NJW 1989, 222, 224 m. w. N.).
Das Transparenzgebot darf den Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen aber nicht überfordern; die Verpflichtung, den Klauselinhalt klar und verständlich zu formulieren, besteht nur im Rahmen des nach den Umständen Möglichen (BGH, NJW 2016, 936, 940; BGH, NJW-RR 2011, 1618, Rn. 27 m. w. N.).
Eine unangemessene Benachteiligung nach § 307 Absatz 1 Satz 1 BGB liegt vor, wenn der Verwender mit der Formulierung der Klausel nur seine eigenen Interessen im Auge hat, ohne von vornherein die Interessen des Vertragspartners hinreichend zu berücksichtigen und diesem einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen (BGH, NJW 1993, 326, 329).
Sind mehrere Auslegungsmöglichkeiten rechtlich vertretbar, kommt die Zweifelsregel des § 305c Absatz 2 BGB zur Anwendung. Dabei ist im Rahmen eines Verbandsprozesses nach § 1 UKlaG bei mehreren Auslegungsmöglichkeiten von der kundenfeindlichsten Auslegung auszugehen (BGH, NJW 2008, 360, 363).
Folgende Klauseln sind unwirksam:
“Vor Unterzeichnung dieses Vertrages hat keine eingehende Besichtigung oder Untersuchung des Grundstücks stattgefunden. Dies wird erst im Nachgang zur Unterzeichnung dieses Vertrages erfolgen. Der vereinbarte Fertigstellungstermin gem. Ziffer 5.3 und der vereinbarte Pauschalfestpreis gem. Ziffer 7.1 beruhen auf der Annahme, dass ein ebenes Grundstück vorliegt und keine unüblichen Grundstücksgegebenheiten bestehen. Wenn sich bei der eingehenden Besichtigung des Baugrundstücks herausstellen sollte, dass ein unebenes Grundstück oder unübliche Gegebenheiten vorliegen sollten, werden AN und AG in einer Nachtrags-vereinbarung zu diesem Planungs- und Bauvertrag eine Vereinbarung treffen, in der die dann erforderlichen Planungs- und Bauleistungen beschrieben und der Fertigstellungstermin sowie der Pauschalfestpreis angepasst werden.”
Die Klausel ist nach § 309 Nr. 12b BGB und nach § 307 Absatz 1 Satz 2 BGB teilweise unwirksam, soweit es sich um den im Tenor nicht fettgedruckten Teil der Klausel handelt.
Die ersten beiden Sätze der Bestimmung, die sich damit befassen, dass vor Unterzeichnung des Vertrages keine eingehende Besichtigung oder Untersuchung des Grundstücks stattgefunden hat und diese erst im Nachgang zur Unterzeichnung des Vertrages erfolgen wird, verstoßen gegen § 309 Nr. 12b BGB. Nach § 309 Nr. 12 BGB ist in Allgemeinen Geschäftsbedingungen eine Bestimmung unwirksam, durch die der Verwender die Beweislast zum Nachteil des anderen Vertragsteils ändert, insbesondere indem er a) diesem die Beweislast für Umstände auferlegt, die im Verantwortungsbereich des Verwenders liegen, oder b) den anderen Vertragsteil bestimmte Tatsachen bestätigen lässt. Die Voraussetzungen des § 309 Nr. 12b BGB liegen vor. § 309 Nr. 12b BGB ist dann erfüllt, wenn die formularmäßige Bestätigung von Tatsachen durch den Kunden zur Folge hat oder auch nur das prozessuale Risiko erhöht, dass die Beweislast, die in Bezug auf diese Tatsachen nach den gesetzlichen Beweislastregeln oder den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen den Verwender trifft, auf den Kunden überbürdet wird (BGH, NJW 1990, 761, 765; OLG Koblenz, Urteil vom 02.03.2017 – 2 U 296/16, BeckRS 2017, 111351, Rn. 16). Mit der Klausel bestätigt der Kunde sinngemäß und formularmäßig eine Tatsache, die zutreffen kann, aber nicht muss, nämlich, dass der Verwender das Baugrundstück nicht kennt. Dies beeinträchtigt die Beweislage des Auftraggebers in etwaigen Nachtragsstreitigkeiten. Denn ohne eine solche Bestätigung muss die Auftragnehmerin Nachtragsgründe darlegen und beweisen. Mit ihr kann sie quasi ein Nichtwissen vom Baugrundstück als Vertragsgrundlage fixieren lassen, was nicht gerechtfertigt ist, wenn sie de facto Wissen hat. Ein solches Wissen ist im Übrigen auch praktisch nicht fernliegend, wenn der Kunde das Baugrundstück vor Vertragsschluss bereits hat. Zutreffend hat daher das OLG Frankfurt am Main (Urteil vom 07.06.1985 – 6 U 148/84, NJW-RR 1986, 245) bereits entschieden, dass eine Vertragsklausel unzulässig ist, nach der – gleichsam umgekehrt – ein Unternehmer als Vertragspartner erklärt, dass ihm die örtlichen Verhältnisse zu der Baustelle bekannt sind. Diese Entscheidung ist vergleichbar, auch wenn in der hier zu beurteilenden Klausel der Auftraggeber bestätigt, dass die örtlichen Verhältnisse zum Grundstück dem Klauselverwender (Auftragnehmerin) unbekannt sind. Die Tatsachenbestätigung kann sich für den Auftraggeber nachteilig auswirken, sofern die Auftragnehmerin vor Vertragsschluss Kenntnis von dem Grundstück und den örtlichen Verhältnisse erlangt hat.
Zudem verstößt der in der Klausel verwendete Begriff “unübliche Grundstücksgegebenheiten” gegen das Transparenzgebot des § 307 Absatz 1 Satz 2 BGB. Ausgehend davon, dass die Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe in Allgemeinen Geschäftsbedingungen so zu erfolgen hat, wie ein durchschnittlicher und um Verständnis bemühter Verbraucher die Regelung verstehen darf, ist dem Kunden vollkommen unklar, wann ein Grundstück noch üblich und wann es unüblich beschaffen ist. Es gibt kein “Baugrundstück von der Stange”. Der Begriff der unüblichen Grundstücksgegebenheit ist durch Auslegung nicht bestimmbar. Vielmehr spielen für die Grundstücksbeschaffenheit verschiedene Einflussfaktoren wie die Lage des Grundstücks, die Bodenbeschaffenheit, der Grundwasserbemessungsstand, die Bepflanzung und Umwelteinwirkungen eine Rolle, die spezifiziert werden müssten und könnten.
Im Übrigen ist die Klausel wirksam. Der in der Bestimmung verwendete Begriff “ebenes Grundstück” ist auslegungsfähig und nicht intransparent im Sinne des § 307 Absatz 1 Satz 2 BGB. Er meint die Ebenheit im baupraktischen Sinne und ist sowohl im allgemeinen Sprachgebrauch als auch auf dem Immobilienmarkt durchaus gängig und verständlich. Der durchschnittliche Vertragspartner wird mit dem Begriff ein leicht zu bebauendes Grundstück verbinden, das keine Hanglage aufweist.
OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 28.10.2020 – 29 U 146/19
“Der AN kann die in den Vertragsunterlagen genannten Fabrikate und Materialien durch gleichwertige Leistungen ersetzen, wenn der AG dem zustimmt. Der AG darf seine Zustimmung nur aus wichtigem Grund verweigern.”
Die Klausel ist wegen eines Verstoßes gegen § 308 Nr. 4 BGB unwirksam.
Nach § 308 Nr. 4 BGB ist in Allgemeinen Geschäftsbedingungen insbesondere die Vereinbarung eines Rechts des Verwenders, die versprochene Leistung zu ändern oder von ihr abzuweichen, unwirksam, wenn nicht die Vereinbarung der Änderung oder Abweichung unter Berücksichtigung der Interessen des Verwenders für den anderen Vertragsteil zumutbar ist. Die Interessenabwägung ist auf eine typisierende Betrachtungsweise zu stützen und nicht auf die Umstände des konkreten Einzelfalls (BGH, NJW 2014, 1168, Rn. 39). In der streitgegenständlichen Klausel ist der Änderungsvorbehalt schon deshalb unwirksam, weil er die Änderungsgründe nicht ansatzweise spezifiziert, was die höchstrichterliche Rechtsprechung aber für erforderlich hält (BGH, NJW 2005, 3567, 3569). Nach der Rechtsprechung des BGH, der der Senat folgt, ist die Zumutbarkeit einer Leistungsänderungsklausel dann zu bejahen, wenn die Interessen des Verwenders die für das jeweilige Geschäft typischen Interessen des anderen Vertragsteils überwiegen oder ihnen zumindest gleichwertig sind. Das setzt eine Fassung der Klausel voraus, die nicht zur Rechtfertigung unzumutbarer Änderungen dienen kann, und erfordert im Allgemeinen auch, dass für den anderen Vertragsteil ein gewisses Maß an Kalkulierbarkeit der möglichen Leistungsänderungen besteht (BGHZ 158, 149, 154 f.). Das Manko der durch die Klausel nicht im Ansatz spezifizierten Änderungsvorbehalte wird durch das – streitanfällige – Gleichwertigkeitserfordernis und das Widerspruchsrecht des Auftraggebers aus wichtigem Grund nicht ausreichend kompensiert. Die Klausel drängt den Kunden in eine Rechtfertigungsnot, die er de lege nicht hat.
OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 28.10.2020 – 29 U 146/19
“AG und AN sind sich darüber einig, dass die als Anlage 1 beigefügte Bau-beschreibung so ausführlich und hinreichend gefasst ist, dass das Bauvorhaben nach den Bestimmungen dieses Vertrages hergestellt werden kann und sie damit auch den Anforderungen gem. §§ 650j, 650k BGB entspricht.”
Die Klausel ist unwirksam und verstößt gegen § 307 Absatz 1 Satz 1, Absatz 2 Nr. 1 BGB i. V. m. § 276 Absatz 2 BGB sowie § 309 Nr. 7b BGB, da sie jedenfalls bei gebotener kundenfeindlicher Auslegung einen Verzicht auf Ansprüche aus Unzulänglichkeiten der Baubeschreibung enthält, indem der Kunde die Baubeschreibung billigt. Dadurch verliert er einen möglichen Schadensersatzanspruch wegen Verletzung der Baubeschreibungspflicht aus culpa in contrahendo (§§ 280 Absatz 1, 241 Absatz 2, 311 Absatz 2 BGB) bei einem vorsätzlichen (§ 307 Absatz 1 Satz 1, Absatz 2 Nr. 1 BGB i. V. m. § 276 Absatz 2 BGB) oder grob fahrlässigen (§ 309 Nr. 7b BGB) Handeln. Ein legitimes Interesse der Auftragnehmerin an einer derartigen Verzichtserklärung ist aber nicht ersichtlich, so dass die Klausel den Auftraggeber unangemessen benachteiligt.
OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 28.10.2020 – 29 U 146/19
“Der AN wird nach erfolgter technischer Bemusterung die Ausführungsplanung erstellen und diese dem AG zur Freigabe zur Ausführung vorlegen. Erteilt der AG die Freigabe nicht und fordert stattdessen eine wesentliche Änderung der Planung, werden AG und AN vor Beginn der Bauausführung über eine Anpassung des Fertigstellungstermins gem. Ziffer 5.3 und des Pauschalfestpreises gem. Ziffer 7.1 verhandeln und eine entsprechende Nachtragsvereinbarung abschließen.”
Die Klausel ist unwirksam, da sie sowohl gegen § 307 Absatz 1 Satz 1 BGB als auch gegen § 307 Absatz 2 Nr. 1 BGB i. V. m. § 650b BGB verstößt.
Eine unangemessene Benachteiligung nach § 307 Absatz 1 Satz 1 BGB liegt vor, weil die Klausel jedenfalls bei gebotener kundenfeindlicher Auslegung auch wesentliche Änderungen erfasst, deren Notwendigkeit sich aus Planungsmängeln der Beklagten als Verwenderin ergibt. Dies ist zu weitgehend, dem Auftraggeber unzumutbar und benachteiligt ihn daher unangemessen.
Zudem weicht die Klausel gemäß § 307 Absatz 2 Nr. 1 BGB von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelungen ab. Die Regelung entspricht nicht – wie das Landgericht meint – dem, was ohne die Vereinbarung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen bei wesentlichen Änderungen der Planung auch sonst gilt. Denn nach dem seit dem 01.01.2018 neu eingefügten § 650b Absatz 2 Satz 1 BGB kann der Besteller die Änderung in Textform anordnen, wenn die Parteien binnen 30 Tagen nach Zugang des Änderungsbegehrens beim Unternehmer keine Einigung nach Absatz 1 erzielen. Das Werkvertragsrecht kannte bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Bauvertragsrechts im Gegensatz zur VOB/B (in § 1 Absatz 3, 4 VOB/B) kein gesetzliches Anordnungsrecht des Bestellers, das ermöglicht, das ursprünglich vereinbarte Bauprogramm einseitig zu ändern. Dies hat der Gesetzgeber mit § 650b BGB für den Bauvertrag geändert, so dass dem Besteller nun gegenüber dem Unternehmer ein Anordnungsrecht zusteht, wenn keine gütliche Einigung über zusätzlich zu erbringende Arbeiten zustande kommt (Busche, aaO, § 650b Rn. 1). Der Unternehmer ist sogar im Grundsatz verpflichtet, der Anordnung des Bestellers zu folgen (§ 650b Absatz 2 Satz 2 Halbsatz 1 BGB). Sinn und Zweck der neuen gesetzlichen Regelung ist es, eine Möglichkeit zur Vertragsanpassung zu schaffen, wenn aufgrund der Komplexität und Dauer von Baumaßnahmen aus Sicht des Bestellers ein Bedürfnis zu Vertragsanpassungen gegeben ist (Begr. RegE zum Gesetz zur Reform des Bauvertragsrechts, BT-Drs. 18/8486, 24, 53). Allgemeine Geschäftsbedingungen müssen sich am Leitbildcharakter von § 650b BGB messen lassen (Busche, aaO). Die Klausel lässt aber den ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers, dem Besteller ein Anordnungsrecht zuzubilligen, wenn eine gütliche Einigung zwischen den Parteien nicht zustande kommt, vollkommen außer Acht, indem sie ein solches Anordnungsrecht unerwähnt lässt. Sie erweckt vielmehr den Eindruck, der Kunde benötige unbedingt eine Nachtragsvereinbarung zu Vergütung und Bauzeit, was so de lege nicht zutrifft.
Zwar ist der erste Satz der Klausel isoliert betrachtet nicht zu beanstanden. Allerdings stehen beide Sätze der Bestimmung im Zusammenhang, so dass der erste Satz für das Verständnis des zweiten Satzes erforderlich ist und daher die gesamte Klausel als unwirksam angesehen werden muss.
OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 28.10.2020 – 29 U 146/19
“Der AG wird dem AN das Grundstück so zur Verfügung stellen, dass der AN die Bauleistungen ungehindert und wie vertraglich vereinbart herstellen kann. Der AG wird dem AN ferner die notwendigen Ver- und Entsorgungsleitungen, Baustrom und Bauwasser bereitstellen, sofern und soweit er nicht den AN gesondert mit der entsprechenden Bereitstellung beauftragt. Er wird dem AN außerdem während der gesamten Vertragslaufzeit ungehinderten Zugang zum Baugrundstück gewähren und dafür Sorge tragen, dass es mit schweren Baufahrzeugen mit einem Gesamtgewicht von 40 Tonnen befahren werden kann.”
Die Klausel ist teilweise wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot des § 307 Absatz 1 Satz 2 BGB unwirksam, soweit sie den im Tenor fettgedruckten letzten Halbsatz des letzten Satzes betrifft; im Übrigen ist sie wirksam.
Soweit die Klausel dem Auftraggeber auferlegt, dafür Sorge zu tragen, dass sein Baugrundstück mit schweren Baufahrzeugen mit einem Gesamtgewicht von 40 Tonnen befahren werden kann, liegt ein Verstoß gegen das Transparenzgebot des § 307 Absatz 1 Satz 2 BGB vor. Ein durchschnittlicher und um Verständnis bemühter Verbraucher kann nicht beurteilen, ob sein Baugrundstück mit schweren Baufahrzeugen mit einem Gesamtgewicht von 40 Tonnen befahren werden kann. Denn dies hängt sowohl von der Beschaffenheit seines Grundstücks – insbesondere von den Bodenverhältnissen – als auch von der Beschaffenheit der Baufahrzeuge ab, vor allem auch von der Frage, ob diese einen Allrad-Antrieb haben oder nicht. Der Kunde weiß jedoch weder, wie die Baufahrzeuge konkret ausgestattet sind, noch kann er die Beschaffenheit des Bodens seines Grundstücks diesbezüglich einschätzen, so dass er ein Baugrundgutachten zur Frage der Belastbarkeit bzw. Beschaffenheit seines Grundstücks einholen müsste, was von ihm angesichts der ansonsten von der Beklagten übernommenen Planungsverantwortung nicht ohne Weiteres verlangt werden kann und was ihm aufgrund der Fassung der Klausel auch nicht klar genug vor Augen geführt wird.
Im Übrigen bestehen aber keine Bedenken gegen die Wirksamkeit der Klausel. Eine unangemessene Benachteiligung des Auftraggebers gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB liegt nicht vor; die Bestimmung ist nicht unvereinbar mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird. Zu den wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung des Werkvertrages zählt auch die für den Grundtyp des Bauvertrages von dem Gesetzgeber vorgenommene Risikoverteilung (vgl. Hdb. priv. BauR [Eichberger], 6. Aufl. 2019, § 6 Rn. 127). Das betrifft für die Auftraggeberseite das Bodenrisiko (§ 645 BGB) sowie das Risiko der rechtzeitigen und für die Herbeiführung des vereinbarten Erfolges tauglichen Mitwirkung (§§ 642, 643 BGB), insbesondere das Planungsrisiko (Eichberger, aaO). Nach § 645 BGB kann der Unternehmer einen der geleisteten Arbeit entsprechenden Teil der Vergütung und Ersatz der in der Vergütung nicht inbegriffenen Auslagen verlangen, wenn das Werk vor der Abnahme infolge eines Mangels des vom Besteller gelieferten Stoffes oder infolge einer von dem Besteller für die Ausführung erteilten Anweisung untergegangen, verschlechtert oder unausführbar geworden ist, ohne dass ein Umstand mitgewirkt hat, den der Unternehmer zu vertreten hat. Die mit Ausnahme des letzten Halbsatzes des letzten Satzes in der Klausel vorgenommene Risikoverteilung ist sach- und interessengerecht.
Auch liegt für den überwiegenden Teil der Klausel kein Verstoß gegen das Transparenzgebot vor. Es ist nämlich rechtlich unbedenklich, dass die Klausel mit den Begriffen “ungehindertem Herstellen” und “ungehindertem Zugang” unbestimmte Rechtsbegriffe enthält. Ein durchschnittlicher und um Verständnis bemühter Verbraucher darf die zu überprüfende Klausel dahingehend verstehen, dass er nicht für Umstände einstehen muss, die er nicht beeinflussen kann und die außerhalb seines Grundstücks liegen. Solche Umstände außerhalb des Grundstücks sind vom Wortlaut der Klausel nicht umfasst. Die Argumentation des Klägers, Behinderungen des Zugangs zur Baustelle wie etwa ein Faschingsumzug, eine Sportveranstaltung, ein Straßenfest etc. würden nach der Klausel zu einer Pflichtverletzung des Auftraggebers führen, so dass beispielsweise Vorhaltekosten nach § 642 BGB entstünden, verfängt daher nicht. Der von der Klägerseite herangezogene Grundsatz der kundenfeindlichsten Auslegung im Verbandsverfahren greift hier nicht, weil bei der Auslegung kein behebbarer Zweifel bleibt, so dass nicht zwei oder mehrere Auslegungsmöglichkeiten sinnvoll in Betracht kommen. Eine Aufbürdung der Einstandspflicht des Auftraggebers für äußere Umstände außerhalb seines Grundstücks liegt fern.
OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 28.10.2020 – 29 U 146/19
“AG und AN streben einen Baubeginn innerhalb von sechs Monaten nach Unterzeichnung dieses Vertrages an. Voraussetzung für den Baubeginn sind die Erteilung der bestandskräftigen Baugenehmigung, die Vorlage der Finanzierungs-bestätigung gemäß Ziffer 3.1, die Fertigstellung der technischen Bemusterung gem. Ziffer 3.3, die Freigabe der vom AN erstellten Ausführungsplanung durch den AG gem. Ziffer 3.4 und – sofern und soweit erforderlich – die Vorlage der geprüften statischen Berechnung. Spätestens sechs Wochen, nachdem die vorstehend genannten Voraussetzungen vorliegen, wird der AN mit den Bauleistungen beginnen.”
Die Klausel ist unwirksam und verstößt gegen § 308 Nr. 1 BGB, § 307 Absatz 1 Satz 1 BGB und § 307 Absatz 1, Absatz 2 Nr. 1 BGB i. V. m. § 212a BauGB.
Es liegt ein Verstoß gegen § 308 Nr. 1 BGB vor. Die Auftragnehmerin behält sich mit der Klausel eine unbestimmte Frist für den Baubeginn vor, weil die Formulierung zwar die Freigabe für die Ausführungsplanung durch den Auftraggeber voraussetzt, aber nicht regelt, innerhalb welcher Frist die Auftragnehmerin die Ausführungs-planung erstellen muss. In Ziffer 3.4 des Planungs- und Bauvertrages, auf die die zu beurteilende Klausel Bezug nimmt, ist geregelt, dass die Auftragnehmerin nach erfolgter technischer Bemusterung die Ausführungsplanung erstellen und diese dem Auftraggeber zur Freigabe zur Ausführung vorlegen wird. Ziffer 3.4 bestimmt aber keine zeitliche Höchstgrenze für die Auftragnehmerin zur Erstellung der Ausführungsplanung. Die Angemessenheit einer Leistungsfrist ist nach den branchenspezifischen Üblichkeiten zu bestimmen (§ 271 Absatz 1 BGB); (nur) insoweit sind die Interessen des Verwenders schützenswert (OLG Koblenz, aaO, Rn. 59; Wurmnest, in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Auflage 2019, § 308 Nr. 1 Rn. 19). Zwar hat die Auftragnehmerin nach § 271 BGB mit der Ausführungsplanung unmittelbar nach Abschluss der technischen Bemusterung zu beginnen. Diese muss sie in angemessener Zeit fertigstellen, wobei ihr mindestens aber der Zeitraum zur Verfügung steht, der für die Ausführungsplanung erforderlich ist (so BGH, NJW-RR 2001, 806; II. 1). Unwirksam sind aber nach § 308 Nr. 1 BGB Klauseln, die Leistungsfristen festlegen, aber nicht hinreichend bestimmen. Dies ist der Fall, wenn der Leistungszeitpunkt vom Vertragspartner des Verwenders, dem Gläubiger der Leistung, nicht berechnet oder herbeigeführt werden kann (BGH, NJW 1989, 1602, 1603). Hinreichend bestimmt i. S. d. § 308 Nr. 1 BGB ist die Frist für die Erbringung einer Leistung, wenn sie der Kunde berechnen kann; dies ist der Fall, wenn der Beginn der Frist ausschließlich von einem Ereignis im Bereich des Kunden abhängig ist (BGH, NJW 1985, 855, 856; OLG Koblenz, aaO; Wurmnest, aaO, § 308 Nr. 1 Rn. 22). Beginn und Länge der Frist dürfen sich also nicht aus den Umständen ergeben, die in die Sphäre des Verwenders fallen und deren Ermittlung und Nachprüfung dem Kunden schwerfällt (Wurmnest, aaO). Nach dem Inhalt der Klausel knüpft der Baubeginn an ein Ereignis an, welches ausschließlich in der Sphäre der Beklagten liegt, so dass der Kunde die Frist nicht hinreichend berechnen kann.
Die Bestimmung verstößt zudem auch gegen § 307 Absatz 1, Absatz 2 Nr. 1 BGB i. V. m. § 212a BauGB. Denn wegen des Grundsatzes der kundenfeindlichen Auslegung im Verbandsklageverfahren ist die Anknüpfung an die Bestandskraft im Sinne der Vorschrift zu unbestimmt. Mit dem Begriff Bestandskraft kann sowohl die formelle als auch die materielle Bestandskraft als Voraussetzung für den Baubeginn gemeint sein. Eine formelle Bestandskraft der Baugenehmigung liegt vor, wenn sie nicht mehr mit Rechtsbehelfen angefochten werden kann, somit eine Unanfechtbarkeit vorliegt. Die materielle Bestandskraft hat zur Folge, dass der Rechtsträger der Behörde und der Adressat des Verwaltungsaktes – hier der Bauherr – an die getroffene Regelung gebunden sind. Die materielle Bestandskraft schafft somit einen Vertrauensschutz für den Bauherrn. Die formelle Bestandskraft kann hingegen gegebenenfalls erst nach Jahren eintreten. Der Verbraucher weiß nicht, ob die Klausel an die formelle oder an die materielle Bestandskraft anknüpft. Nach dem Grundsatz der kundenfeindlichen Auslegung ist die Klausel dahingehend auszulegen, dass die formelle Bestandskraft gemeint ist. Da der Verbraucher den Eintritt der formellen Bestandskraft der Baugenehmigung aber nicht oder kaum abschätzen kann, ist die Klausel zu unbestimmt.
Schließlich liegt auch ein Verstoß gegen § 307 Absatz 1 Satz 1 BGB vor, weil die Auftragnehmerin dadurch eine etwaige Vertragsstrafe beeinflussen könnte, denn diese wird erst dann geschuldet, sofern die Auftragnehmerin mit der Einhaltung des Fertigstellungstermins (10 Monate nach Baubeginn gemäß Ziffer 5.3 des Vertrages) in Verzug ist.
OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 28.10.2020 – 29 U 146/19
“Als abgenommen gilt das Werk auch, wenn der AN nach Fertigstellung eine angemessene Frist zur Abnahme gesetzt hat und der AG die Abnahme nicht innerhalb dieser Frist unter Angabe wesentlicher Mängel verweigert hat.”
Die Klausel ist unwirksam und verstößt gegen § 307 Absatz 1, 2 Nr. 1 BGB i. V. m. § 640 Absatz 2 Satz 1, 2 BGB i. V. m. § 650o BGB sowie gegen § 308 Nr. 5 BGB.
§ 640 Absatz 2 Satz 1 BGB regelt, dass ein Werk als abgenommen gilt, wenn der Unternehmer dem Besteller nach Fertigstellung des Werks eine angemessene Frist zur Abnahme gesetzt hat und der Besteller die Abnahme nicht innerhalb dieser Frist unter Angabe mindestens eines Mangels verweigert hat. Nach Satz 2 dieser Vorschrift treten die Rechtsfolgen des Satzes 1 nur dann ein, wenn der Unternehmer den Besteller zusammen mit der Aufforderung zur Abnahme auf die Folgen einer nicht erklärten oder ohne Angabe von Mängeln verweigerten Abnahme hingewiesen hat; der Hinweis muss in Textform erteilt werden. Im Gegensatz zu § 640 Absatz 2 Satz 1 BGB verlangt die Klausel nicht nur einen Mangel, sondern “Mängel”. Sie stellt somit eine unangemessene Benachteiligung des AG entgegen dem Gebot von Treu und Glauben (§ 307 Absatz 1 Satz 1 BGB) dar.
Zudem verstößt die Klausel gegen § 307 Absatz 2 Nr. 1 BGB, weil sie mit wesentlichen Grundgedanken der Neufassung des § 640 Absatz 2 Satz 1 BGB nicht zu vereinbaren ist. Dies liegt zum einen daran, dass die Klausel entgegen der gesetzlichen Regelung auf “Mängel” und nicht mindestens einen Mangel abstellt; zum anderen verlangt sie die Angabe wesentlicher Mängel. Ob der Mangel wesentlich oder unwesentlich ist, spielt aber nach § 640 Absatz 2 Satz 1 BGB keine Rolle (Begr. RegE zum Gesetz zur Reform des Bauvertragsrechts, DT-Drs. 18/8486, 24, 48f; Bachem/Bürger, NJW 2018, 118, 120; Busche, in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Auflage 2020, § 640 Rn. 30). Sinn und Zweck der Bestimmung ist es, den Unternehmer in die Lage zu versetzen, etwaige Mängel zeitnah zu beseitigen (Begr. RegE, aaO; Busche, aaO). Da der Besteller vielfach nicht über Fachkenntnisse verfügt, ist anerkannt, dass es ausreicht, wenn er Symptome beschreibt, die auf eine mangelhafte Leistung des Unternehmers schließen lassen (vgl. nur Busche, aaO). Die Klausel mutet dem Besteller aber zu, zwischen einem wesentlichen und einem unwesentlichen Mangel zu unterscheiden, was von ihm nicht erwartet werden kann und auch mit dem Grundgedanken der neuen gesetzlichen Regelung unvereinbar ist.
Schließlich ergibt sich aus § 650o Satz 1 BGB, dass von § 640 Absatz 2 Satz 2 BGB nicht zum Nachteil des Verbrauchers abgewichen werden kann. Die Vorschrift findet auch dann Anwendung, wenn sie durch anderweitige Gestaltungen umgangen wird (§ 650o Satz 2 BGB). Fehlt – wie hier – der nach Absatz 2 Satz 2 erforderliche Hinweis, scheidet der Eintritt der Abnahmewirkung nach § 640 Absatz 2 BGB aus (so Busche, aaO, Rn. 31).
Da in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nach § 308 Nr. 5 BGB auch eine Bestimmung unwirksam ist, wonach eine Erklärung des Vertragspartners des Verwenders bei Vornahme oder Unterlassung einer bestimmten Handlung als von ihm abgegeben oder nicht abgegeben gilt, ist die Klausel auch wegen dieser Norm unwirksam.
Es spricht schließlich – entgegen der Auffassung der Beklagten – gerade nicht für die Wirksamkeit der Klausel, dass diese der Gesetzeslage vor dem 01.01.2018 entspricht. Klauseln, die der alten Gesetzeslage entsprechen, halten dann einer Inhaltskontrolle nach dem 01.01.2018 nicht mehr stand, wenn sie von dem neuen gesetzlichen Leitbild abweichen, wobei es für die Inhaltskontrolle nicht erheblich ist, ob die aktuelle gesetzliche Regelung interessengerechter als die bisherige ist oder nicht.
OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 28.10.2020 – 29 U 146/19
“§ 1 Abs. 3 und Abs. 4 VOB/B finden keine Anwendung. § 650b BGB gilt für alle nach diesem Vertrag vom AN geschuldeten Leistungen mit der Maßgabe, dass der AN dem AG zunächst innerhalb von 12 Werktagen nach Zugang des Änderungs-begehrens ein Angebot vorlegt (“Angebotsfrist”), aus dem die Mehr- oder Minder-kosten für die aufgrund der Leistungsänderung erforderlichen Planungs- und Bauleistungen hervorgehen. AG und AN werden dann innerhalb eines Zeitraums von 24 Werktagen nach Zugang des Angebots beim AG über eine Einigung über die Vergütung für die Planungs- und Bauleistungen anstreben (“Einigungsfrist”). Erzielen AG und AN innerhalb dieser 24 Werktage keine Einigung, ist der AG berechtigt, die Änderung in Textform anzuordnen.”
Diese Klausel ist nach § 307 Absatz 1 Satz 1 BGB und nach § 307 Absatz 2 Nr. 1 BGB i. V. m. § 650b Absatz 2 BGB unwirksam.
Die Klausel benachteiligt den Auftraggeber unangemessen im Sinne des § 307 Absatz 1 Satz 1 BGB. Sie kann nicht nach Treu und Glauben hingenommen werden, weil der Verwender bei dieser Klausel vorrangig seine eigenen Interessen im Auge hat. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist es für den Auftraggeber kein Vorteil, dass die Klausel eine Angebotsfrist von 12 Werktagen für die Auftragnehmerin vorsieht. Diese Angebotserstellung, die sofort bzw. in nach den Umständen angemessener Zeit geschuldet ist (§ 271 Absatz 1 BGB), kann letztlich die Beklagte bis zu 12 Werktage hinauszögern. Die Klausel beinhaltet eine maximale Frist von 36 Werktagen (12 plus 24 Werktage), was umgerechnet 42 Kalendertagen entspricht. Dies entspricht einer erheblichen Verlängerung um 40 Prozent. Durch die Verlängerung der Wartefrist kann sich die Fertigstellung zum Nachteil des Auftraggebers verzögern. Die 30-Tagesfrist soll nach dem gesetzgeberischen Willen aber den Besteller schützen. Eine mögliche erhebliche Überschreitung der maximalen Gesamtzeit bis zur Anordnung durch den Auftraggeber von 30 Tagen auf 42 Tage entspricht nicht dem gesetzgeberischen Willen und ist nicht mehr hinnehmbar. Im Übrigen stellt eine Frist von 30 Tagen für den Auftraggeber schon eine erhebliche Belastung dar. Daher ist bislang auch nicht ernsthaft diskutiert worden, ob diese Frist in Allgemeinen Geschäftsbedingungen verlängert werden kann. Vielmehr war es Gegenstand von Diskussionen, ob man die Frist überhaupt abbedingen kann, so wie die VOB/B seit jeher ein sofortiges Anordnungsrecht vorsieht (Langen, in: Langen/Berger/Dauner-Lieb, Kommentar zum neuen Bauvertragsrecht, Köln 2018, § 650b Rn. 122). Jedenfalls liegt entgegen der Auffassung der Beklagten nicht lediglich eine Konkretisierung der gesetzlichen Regelungen durch eine leichte Modifizierung der Einigungsfrist vor.
Zudem ist die Klausel auch nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB i. V. m. § 650b Absatz 2 BGB unwirksam, weil sie mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist. Allgemeine Geschäftsbedingungen müssen sich am Leitbildcharakter von § 650b BGB messen lassen (Busche, aaO, § 650b Rn. 1). Der am 01.01.2018 neu eingefügte § 650b Absatz 2 Satz 1 BGB besagt, dass der Besteller die Änderung in Textform anordnen kann, wenn die Parteien binnen 30 Tagen nach Zugang des Änderungsbegehrens beim Unternehmer keine Einigung nach Absatz 1 erzielen. Ursprünglich war diese Fristbestimmung von 30 Tagen im Gesetzesentwurf nicht enthalten; sie geht auf eine Anregung des Bundesrates zurück (BR, Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Bauvertragsrechts, BT-Drs. 18/8486, 81, 86 f.). Kritik des Bundesrates war, dass ohne eine derartige Regelung das Baugeschehen durch die Verhandlungen über Gebühr verzögert werden könnte, so dass er eine zeitliche Begrenzung der Verhandlungsdauer als geboten ansah. Damit will der Gesetzgeber verhindern, dass der Unternehmer den Fristablauf und somit die Verhandlungs-dauer durch eine späte Erstellung des Angebots hinauszögern kann (BT-Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz, Beschlussempfehlung und Bericht zum Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Bauvertragsrechts, BT-Drs. 18/11437, 42, 47; Busche, aaO, Rn. 15). Die Klausel sieht indes mit einer Verlängerung von 40 Prozent eine nicht unerhebliche Verlängerung dieser 30-Tages-Frist vor. Entgegen der gesetzgeberischen Vorstellung kann sich die Fertigstellung zum Nachteil des Auftraggebers erheblich stärker verzögern.
OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 28.10.2020 – 29 U 146/19
“Der Fertigstellungstermin verlängert sich automatisch um den Zeitraum der Angebots- und der Einigungsfrist gem. Ziffer 4.1 dieses Vertrages sowie um den Ausführungszeitraum für Leistungsänderungen. Der Fertigstellungstermin verlängert sich darüber hinaus automatisch um den Zeitraum, in dem der AG gem. Ziffer 3.6 dieses Vertrages Eigenleistungen erbringt und der AN insofern keine Leistungen erbringen kann.”
Diese Klausel ist wegen eines Verstoßes gegen § 308 Nr. 1 BGB unwirksam. Hinsichtlich § 308 Nr. 1 BGB räumt diese Regelung der Auftragnehmerin eine potentiell unangemessen lange Frist für die Erbringung ihrer Leistung ein. Die Klausel sieht eine Fristverlängerung automatisch und unabhängig davon vor, ob eine Verhandlung oder die geänderte Ausführung zu einer Verzögerung des Bauablaufs führt. Unwirksam sind zudem nach § 308 Nr. 1 BGB Klauseln, die Leistungsfristen festlegen, aber nicht hinreichend bestimmen. Dies ist der Fall, wenn der Leistungszeitpunkt vom Vertragspartner des Verwenders, dem Gläubiger der Leistung, nicht berechnet oder herbeigeführt werden kann (BGH, NJW 1989, 1602, 1603). Beginn und Länge der Frist dürfen sich also nicht aus den Umständen ergeben, die in die Sphäre des Verwenders fallen und deren Ermittlung und Nachprüfung dem Kunden schwerfällt (Wurmnest, aaO, § 308m Nr. 1 Rn. 22). Die Frist muss nach Beginn, Dauer und Ende berechenbar sein; dies gilt auch für etwaige Verlängerungstatbestände (Wurmnest, aaO, Rn. 9). Dies ist bei der hier vorliegenden automatischen Verlängerung nicht gegeben, weil sich die Frist um den Ausführungszeitraum für Leistungsänderungen verlängert, dieser Ausführungszeitraum aber nicht hinreichend präzise bestimmt werden kann. Im Rahmen eines Verbandsprozesses nach § 1 UKlaG ist bei mehreren Auslegungsmöglichkeiten von der kundenfeindlichsten Auslegung auszugehen.
OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 28.10.2020 – 29 U 146/19