vorgestellt von Thomas Ax
Ob sich eine bestehende Wetterradarstation als Genehmigungshindernis für Windkraftanlagen erweist, hängt nach der Normstruktur des § 35 BauGB vom Ergebnis zweier Prüfungsschritte ab: Erstens muss die zur Genehmigung gestellte Windkraftanlage den öffentlichen Belang des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 BauGB beeinträchtigen, indem sie die Funktionsfähigkeit einer Radaranlage stört; sie ist aber erst dann nicht genehmigungsfähig, wenn ihr zweitens dieser öffentliche Belang gemäß § 35 Abs. 1 BauGB dergestalt entgegensteht , dass er das Interesse an der Vorhabenverwirklichung überwiegt.
OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 12.05.2025 – 5 LA 55/22
Gründe:
I.
Die Klägerin begehrt immissionsschutzrechtliche Genehmigungen für die Errichtung und den Betrieb von zwei Windenergieanlagen (Gesamthöhe jeweils 149,5 m).
Die Klägerin stellte am 2. Mai 2013 einen Antrag auf die Errichtung und den Betrieb von zwei Windenergieanlagen mit einer Gesamthöhe von 149,5 m in der Gemeinde ……
Die Standorte der geplanten Windenergieanlagen befinden sich in einem Abstand von 7,5 bis 8,6 km südwestlich zur Wetterradarstation …. (in dem Windvorranggebiet PR3_SEG_024). In Richtung …. befindet sich in einer Distanz von 8 bis 10 km der Bestandswindpark ….., bestehend aus 16 Windenergieanlagen. Die geplanten Windenergieanlagen grenzen nördlich an diesen Bestandswindpark an.
Die Beigeladene gab im Rahmen der Behördenbeteiligung ablehnende Stellungnahmen ab. Es sei erforderlich, dass die von ihr betriebenen Wetterradaranlagen nicht durch in der Nähe errichtete Windenergieanlagen in ihrer Funktion beeinträchtigt würden. Die geplanten Windenergieanlagen würden mit mindestens 40 m in den Radarstrahl hineinragen und die Radarmessung insbesondere in den untersten Elevationen signifikant stören.
Den Anträgen könne nur zugestimmt werden, wenn die geplanten Anlagen eine Gesamthöhe von 130 m nicht überschreiten würden.
Mit Bescheiden vom 29. September 2014 wurden die immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsanträge abgelehnt. Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein.
Die Klägerin hat am 5. März 2015 beim Verwaltungsgericht Klage erhoben.
Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 13. April 2015 zurückgewiesen.
Das Verwaltungsgericht hat zu den Auswirkungen der streitgegenständlichen Windenergieanlagen auf die Wetterradarstation ….. durch Einholung eines Sachverständigengutachtens (Sachverständiger: ……) vom 1. November 2020 Beweis erhoben (Gerichtsakte VG-Band, Bl. 1165).
Im November 2021 erstellte die ….. GmbH für das Ministerium für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt, Natur und Digitalisierung (MELUND) und den Beklagten ein “Behördengutachten Windkraftanlagen im Einwirkbereich des Wetterradars ….”. Mit Einführungserlass vom 29. November 2021 (Az.: V 64 / V625 – 41223/2021) legte das MELUND fest, dass die im Gutachten hergeleiteten Bewertungsmaßstäbe als Grundlage für die Abwägung zur Genehmigungsfähigkeit von Windkraftanlagen heranzuziehen sind. Zum “Behördengutachten” nahm der Sachverständige Dr. Handwerker unter dem 10. April 2022 ergänzend Stellung (E-Akte VG-Band, S. 28).
Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 24. Mai 2022 den Beklagten unter entsprechender Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 29. September 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. April 2015 verpflichtet, über die Anträge der Klägerin auf Errichtung und Betrieb von zwei Windenergieanlagen unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden. Nach der Kostenentscheidung trägt die Klägerin die Kosten des Verfahrens zu 50 %; der Beklagte und der Beigeladene tragen die übrigen 50 % je zur Hälfte. Von den außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen trägt die Klägerin 50 %. Im Übrigen trägt der Beigeladene seine außergerichtlichen Kosten selbst. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, den Vorhaben der Klägerin stehe der öffentliche Belang des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 BauGB nicht entgegen.
Die Errichtung und der Betrieb der zwei Windkraftanlagen wirke sich auch unter Berücksichtigung des Bestandswindparks und der im Verfahren 6 A 44/15 genehmigten Windenergieanlagen nicht nachteilig auf die Funktionsfähigkeit der Wetterradarstation ….. aus.
Das Urteil wurde der Klägerin am 30. Juni 2022, dem Beklagten am 7. Juli 2022 und der Beigeladenen am 1. Juli 2022 zugestellt.
Der Beklagte hat am 21. Juli 2022 die Zulassung der Berufung beantragt. Mit Schriftsatz vom 8. Februar 2024 hat der Beklagte den Zulassungsantrag zurückgenommen.
Die Beigeladene hat am 27. Juli 2022 die Zulassung der Berufung beantragt. Am 29. August 2022 hat sie den Zulassungsantrag begründet.
Die Klägerin hat am 1. August 2022 (einem Montag) die Zulassung der Berufung beantragt, beschränkt auf die Kostenentscheidung, soweit tenoriert worden ist, dass sie die Kosten des Verfahrens zu 50 % trägt und der Beklagte und die Beigeladene die übrigen 50 % je zur Hälfte tragen, und sie – die Klägerin – von den außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen 50 % zu tragen hat. Unter dem 29. August 2022 hat die Klägerin die Zulassungsbegründung vorgelegt.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung der Klägerin ist unzulässig (1.). Soweit der Beklagte seinen Zulassungsantrag zurückgenommen hat, ist das Verfahren auf Zulassung der Berufung einzustellen (2.). Der Antrag auf Zulassung der Berufung der Beigeladenen ist unbegründet (3.).
1. Der Antrag auf Zulassung der Berufung der Klägerin ist unzulässig.
Nach § 158 Abs. 1 VwGO ist die Anfechtung der Entscheidung über die Kosten unzulässig, wenn nicht gegen die Entscheidung in der Hauptsache ein Rechtsmittel eingelegt wird. So liegt es hier. Die Klägerin hat ihren Zulassungsantrag auf die Kostenentscheidung des angefochtenen Urteils beschränkt.
Die Auffassung der Klägerin, sie könne vorliegend durch ein Anschlussrechtsmittel die Kostenentscheidung allein angreifen, ist unzutreffend.
Die Beschränkung des § 158 Abs. 1 VwGO gilt nur für selbständige Rechtsmittel, die allein gegen die Kostenentscheidung gerichtet sind. Die isolierte Anfechtung der Kostenentscheidung ist als Anschlussrechtsmittel ausnahmsweise zulässig, wenn das Gericht wegen eines durch einen Verfahrensbeteiligten eingelegten Rechtsmittels ohnehin mit der Hauptsache befasst ist (vgl. OVG Hamburg, Beschluss vom 11. Juli 2017 – 2 Bs 114/17 -; OVG Bautzen, Beschluss vom 3. März 2010 – 1 E 3/10 -; VGH Mannheim, Urteil vom 7. März 1996 – 2 S 2537/95 -; Kopp/Schenke, VwGO, 30. Aufl. 2024, § 158 Rn. 3).
Eine Anschlussberufung der Klägerin gemäß § 127 VwGO liegt indes nicht vor; eine solche wäre auch erst nach einer zugelassenen Berufung zulässig (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. März 1996 – 9 C 64.95 -; Kopp/Schenke, VwGO, 30. Aufl. 2024, § 127 Rn. 9).
2. Soweit der Beklagte seinen Zulassungsantrag zurückgenommen hat, ist das Verfahren auf Zulassung der Berufung in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen.
3. Der Antrag auf Zulassung der Berufung der Beigeladenen ist unbegründet.
Zulassungsgründe gemäß § 124 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor oder sind nicht dargelegt (§ 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO).
a) Der Rüge der Beigeladenen, das Urteil leide an erheblichen formalen Mängeln, weil das Verwaltungsgericht auf den von der Klägerin gestellten Hilfsantrag nur ein Bescheidungsurteil gefällt habe, ohne den gestellten Hauptantrag zu tenorieren, greift nicht durch. Aus der Rüge ergibt sich keine (materielle) Beschwer der Beigeladenen (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 30. Aufl. 2024, Vorb § 124 Rn. 46).
b) Die Berufung ist nicht gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen.
Für das Vorliegen ernstlicher Zweifel ist erforderlich, dass ein Erfolg des Rechtsmittels, dessen Zulassung begehrt wird, mindestens ebenso wahrscheinlich ist wie dessen Misserfolg. Dabei müssen die Zweifel das Ergebnis der Entscheidung betreffen (vgl. Senat, Beschluss vom 31. Januar 2022 – 5 LA 308/20 -).
Für die Darlegung ernstlicher Zweifel ist erforderlich, dass sich der Antragsteller mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzt und im Einzelnen substantiiert ausführt, welche Erwägungen er für unzutreffend hält und aus welchen Gesichtspunkten sich die Unrichtigkeit dieser Erwägungen ergibt. Der Antragsteller muss ferner darlegen, dass und aus welchen Gründen die verwaltungsgerichtliche Entscheidung auf diesen – aus seiner Sicht fehlerhaften – Erwägungen beruht, d.h. die dargestellten Zweifel müssen im konkreten Fall entscheidungserheblich sein. Aus ihnen muss sich die Unrichtigkeit der Entscheidung im (allein relevanten) Ergebnis ergeben; betrifft der Zweifel nur die Begründung oder nur einen von mehreren, die Entscheidung tragenden Gründen, kann eine Zulassung nicht erfolgen (vgl. Senat, Beschluss vom 31. Januar 2022 – 5 LA 308/20 -).
Mit dem Vortrag (Gliederungspunkt A. der Zulassungsbegründung vom 29. August 2022), das Verwaltungsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass die streitgegenständlichen Windenergieanlagen die Funktionsfähigkeit der Wetterradarstation Boostedt nicht gemäß § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 BauGB störten, weil es einerseits die fehlende Fachkenntnis des Sachverständigen Dr. Handwerker verkenne (Gliederungspunkt A.I. der Zulassungsbegründung vom 29. August 2022) und andererseits die Voraussetzungen des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 BauGB fehlerhaft subsumiere (Gliederungspunkt A.II. der Zulassungsbegründung vom 29. August 2022), legt die Beigeladene keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils dar.
Ob sich eine bestehende Wetterradarstation als Genehmigungshindernis für Windkraftanlagen erweist, hängt nach der Normstruktur des § 35 BauGB vom Ergebnis zweier Prüfungsschritte ab: Erstens muss die zur Genehmigung gestellte Windkraftanlage den öffentlichen Belang des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 BauGB beeinträchtigen, indem sie die Funktionsfähigkeit einer Radaranlage stört. Sie ist aber erst dann nicht genehmigungsfähig, wenn ihr zweitens dieser öffentliche Belang gemäß § 35 Abs. 1 BauGB dergestalt “”entgegensteht”, dass er das Interesse an der Vorhabenverwirklichung überwiegt (“nachvollziehende Abwägung””, vgl. BVerwG, Urteil vom 22. September 2016 – 4 C 2.16 -; Kümper, BauR 2017, 966, 969 f. und 971; Rieger, in: Schrödter, BauGB, 9. Aufl. 2019, § 35 Rn. 160). Mit der “nachvollziehenden Abwägung” ist ein gerichtlich uneingeschränkt überprüfbarer Vorgang der Rechtsanwendung gemeint, der eine auf den Einzelfall ausgerichtete Gewichtsbestimmung verlangt: Ob sich die öffentlichen Belange im Einzelfall durchsetzen, ist eine Frage ihres jeweiligen Gewichts und der Abwägung mit dem Vorhaben, zu dem es konkret in Beziehung zu setzen ist. Dabei ist dem gesteigerten Durchsetzungsvermögen privilegierter Außenbereichsvorhaben gebührend Rechnung zu tragen (BVerwG, a.a.O.).
Das Verwaltungsgericht (Urteil, S. 15 zweiter Absatz) ist – im ersten Prüfungsschritt – zu der Annahme gelangt, dass eine Störung der Funktionsfähigkeit der Wetterradaranlage durch den künftigen Betrieb der zur Genehmigung gestellten Windenergieanlagen sowohl hinsichtlich durch sie bewirkter Störechos als auch in Bezug auf Abschattungseffekte und Mehrfachreflektionen vorliegt und sich diese darüber hinaus auch auf die vom Deutschen Wetterdienst erstellten Warnprodukte auswirken. Die “nachvollziehende Abwägung” führe aber – im zweiten Prüfungsschritt – zu dem Ergebnis, dass sich das Privatinteresse der Klägerin an der Verwirklichung der streitgegenständlichen Windenergieanlagen gegenüber dem beeinträchtigten öffentlichen Belang “Funktionsfähigkeit von Radaranlagen” mangels hinreichender Gewichtigkeit der konkret zu erwartenden Beeinträchtigungen durchsetze (Urteil, S. 15 bis 17).
Mit der “nachvollziehenden” Abwägung des Verwaltungsgerichts setzt sich die Beigeladene nicht auseinander (zweiter Prüfungsschritt). Die Ausführungen in der Zulassungsbegründung beschränken sich auf die Frage, ob die zur Genehmigung gestellten Windkraftanlagen den öffentlichen Belang des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 BauGB beeinträchtigen, indem sie die Funktionsfähigkeit einer Radaranlage stören (erster Prüfungsschritt). Hierbei verkennt die Beigeladene (Zulassungsbegründung vom 29. August 2022, S. 3: “Das Verwaltungsgericht ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass die streitgegenständlichen Windenergieanlagen – insbesondere im Hinblick auf die in nächster Umgebung bereits vorhandenen und neu genehmigten Windenergieanlagen – die Funktionsfähigkeit der von der Beigeladenen betriebenen Wetterradaranlage in …. nicht gemäß § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 BauGB stören würden.”; S. 13: “Das Verwaltungsgericht überspannt folglich auch an dieser Stelle den gesetzlichen Tatbestand des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 BauGB und kommt [auch] aufgrund dessen zu einer Ablehnung einer Störung der Funktionsweise des Wetterradars ….. durch die beiden streitgegenständlichen Windenergieanlagen.”), dass das Verwaltungsgericht zu der Annahme gelangt ist, dass eine Störung der Funktionsfähigkeit der Wetterradaranlage durch den künftigen Betrieb der zur Genehmigung gestellten Windenergieanlagen vorliegt, damit indes noch kein “Entgegenstehen” dieses öffentlichen Belangs im Sinne von § 35 Abs. 1 BauGB verbunden ist (Urteil, S. 15).
c) Der Zulassungsgrund gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO liegt nicht vor.
Besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO weist eine Rechtssache auf, wenn sie voraussichtlich in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht größere, d.h. überdurchschnittliche, das normale Maß nicht unerheblich überschreitende Schwierigkeiten verursacht. Die Darlegung des Zulassungsgrundes erfordert grundsätzlich, dass in fallbezogener Auseinandersetzung mit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts die geltend gemachten Schwierigkeiten als solche benannt werden und darüber hinaus aufgezeigt wird, dass und aus welchen Gründen sie sich qualitativ von denjenigen eines Verwaltungsrechtsstreits “durchschnittlicher” Schwierigkeit abheben (Senat, Beschluss vom 5. Dezember 2023 – 5 LA 70/22 -).
aa) Mit dem Vortrag, in keinem anderen – ihr bekannten – Rechtsstreit über die hier maßgebliche Rechtsfrage der Störung der Funktionsfähigkeit von Wetterradaranlagen gemäß § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 BauGB sei eine Berufung nicht zugelassen worden, benennt die Beigeladene nicht in fallbezogener Auseinandersetzung mit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts überdurchschnittliche tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten.
bb) Die Beigeladene bringt vor, der Umstand, dass das Verwaltungsgericht die Berufung nicht zugelassen habe, verdeutliche, dass dem Verwaltungsgericht die besonderen tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten, die in jedem Fall der Störung von Wetterradaren durch Windenergieanlagen zu klären seien, überhaupt nicht bewusst gewesen sei. Dieses Vorbringen verkennt, dass das Verwaltungsgericht gemäß § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO die Berufung nur wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) und Divergenz (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) zulassen kann.
cc) Die Beigeladene trägt vor, in allen genannten oberverwaltungsgerichtlichen Entscheidungen (VGH München, OVG Koblenz, OVG Münster) sei auch der Sachverständige Dr. Handwerker als einziger gerichtlicher Sachverständiger gehört worden. Insoweit könnten die bereits ergangenen Urteile nicht als Beleg dafür herangezogen werden, dass die tatsächlichen, d.h. fachlichen Fragestellungen im Zusammenhang mit der Störung der Funktionsfähigkeit von Wetterradaranlagen durch Windenergieanlagen zwischenzeitlich hinreichend gerichtlich geklärt seien. Das Gegenteil sei der Fall. Die fachlichen Diskussionen gingen nach den ergangenen Urteilen unvermindert weiter. Dies sei in diesem Verfahren nicht zuletzt durch den einbezogenen Gutachter …. und dessen “MELUND-Gutachten”, mit dem erstmals auch ein auf Seiten der Genehmigungsbehörde eingeholtes Gutachten vorgelegen habe, das zudem – entgegen dem gerichtlich beauftragten Gutachten ….- eine Störung der Funktionsfähigkeit des Wetterradars…. durch die streitgegenständlichen Windenergieanlagen bejaht habe, eindrucksvoll bestätigt worden.
Mit diesem Vorbringen zeigt die Beigeladene keine konkreten überdurchschnittlichen Schwierigkeiten auf.
Besondere tatsächliche Schwierigkeiten können nicht bereits aus dem Umstand abgeleitet werden, dass das gerichtlich eingeholte Sachverständigengutachten (Sachverständiger: ……) vom 1. November 2020 und das “Behördengutachten Windkraftanlagen im Einwirkbereich des Wetterradars ….” aus November 2021 möglicherweise zu unterschiedlichen Ergebnissen gekommen sind. Denn es ist Aufgabe des Gerichts, einander widersprechenden Wertungen im Rahmen der Sachverhalts- und Beweiswürdigung zu prüfen und rechtlich angemessen zu bewerten (vgl. VGH München, Beschluss vom 2. Dezember 2022 – 3 ZB 22.1075 -).
d) Die Berufung ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.
Grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO hat eine Rechts-sache, wenn sie eine grundsätzliche, bisher höchstrichterlich oder obergerichtlich noch nicht geklärte Rechtsfrage oder eine im Bereich der Tatsachenfeststellung bisher obergerichtlich noch nicht beantwortete Tatsachenfrage von allgemeiner Bedeutung aufwirft, die für die Entscheidung der Vorinstanz von Relevanz war und sich auch im Berufungsverfahren entscheidungserheblich stellte, einer abstrakten Klärung zugänglich ist, im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Weiterentwicklung des Rechts einer fallübergreifenden berufungsgerichtlichen Klärung bedarf und im Falle einer Rechtsfrage nicht bereits anhand des Gesetzeswortlauts und der üblichen Regeln sachgerechter Auslegung sowie auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung ohne Durchführung eines Berufungsverfahrens beantwortet werden kann (vgl. OVG Schleswig, Beschluss vom 14. Januar 2025 – 3 LA 12/21 -).
Die Beigeladene hält für grundsätzlich bedeutsam,
inwieweit es ein Verwaltungsgericht zu gewichten hat, wenn zur Beurteilung des Sachverhalts nicht nur ein gerichtlich beauftragtes Sachverständigengutachten zugrunde liegt, sondern – wie im vorliegenden Fall mit dem MELUND-Gutachten – daneben auch ein behördlich eingeholtes Sachverständigengutachten zur Verfügung steht,
inwieweit das Verwaltungsgericht diese Beweise zu würdigen hat, wenn es konkret um die Anwendung und Subsumtion des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 BauGB geht.
Die aufgeworfenen Fragen, die in Bezug auf fallabhängige Einzelheiten einer abstrakten Klärung nicht zugänglich wären, lassen sich in ihrer generellen Bedeutung ohne weiteres anhand von § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO beantworten. Nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Es gehört zu den dem Tatsachengericht durch § 108 Abs. 1 VwGO übertragenen Aufgaben, sich im Wege der freien Beweiswürdigung unter Abwägung verschiedener Möglichkeiten seine Überzeugung über den entscheidungserheblichen Sachverhalt zu bilden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10. Dezember 2003 – 8 B 154.03 -; Dawin, in: Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Werkstand: 46. EL August 2024, VwGO § 108 Rn. 19). Dabei ist das Gericht im Grundsatz nicht an bestimmte Beweisregeln gebunden (vgl. VGH München, Beschluss vom 2. Februar 2018 – 8 ZB 17.1271 -).
e) Die Berufung ist nicht gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO zuzulassen.
Nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO ist die Berufung zuzulassen, wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Ein Verfahrensmangel setzt voraus, dass durch unrichtige Anwendung oder Nichtanwendung einer prozessualen Vorschrift das Gerichtsverfahren fehlerhaft geworden ist. Geltend gemacht wird der Verfahrensverstoß durch genaue Bezeichnung der Tatsachen, aus denen er sich ergibt. Der Verfahrensmangel muss rechtserheblich sein, d.h. die angefochtene Entscheidung muss auf dem Verfahrensmangel beruhen können. Das ist der Fall, wenn mindestens die Möglichkeit besteht, dass das Gericht ohne den Verfahrensverstoß zu einem für den Rechtsmittelführer sachlich günstigeren Ergebnis hätte gelangen können (Senat, Beschluss vom 9. September 2021 – 5 LA 1/21 -; zu § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO: BVerwG, Beschluss vom 2. November 1995 – 9 B 710.94 -).
Ein Verfahrensfehler in Gestalt der Verletzung der Aufklärungspflicht aus § 86 Abs. 1 liegt nur vor, wenn bereits im erstinstanzlichen Verfahren auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung hingewirkt worden. Eine Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht kann grundsätzlich nicht geltend gemacht werden, wenn ein anwaltlich vertretener Beteiligter von einem Beweisantrag abgesehen hat; etwas anderes gilt nur, wenn sich eine Beweisaufnahme offensichtlich aufdrängen musste (vgl. BVerwG, Beschluss vom 22. Februar 1988 – 7 B 28.88 -; Senat, Beschluss vom 9. September 2021 – 5 LA 1/21 -, Seibert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 124 Rn. 191).
Gemessen daran legt die Beigeladene einen Verfahrensfehler nicht dar.
aa) Die Beigeladene rügt, trotz der erheblichen fachlichen Bedenken gegen die Feststellungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen, ……, und trotz der eklatanten Abweichungen seiner Beurteilungen gegenüber dem “MELUND-Gutachten” habe das Verwaltungsgericht das Urteil allein auf die Beurteilung des Herrn…. gestützt.
Die Rüge greift nicht durch. Das Verwaltungsgericht hat im angefochtenen Urteil (S. 15) das “Behördengutachten Windkraftanlagen im Einwirkbereich des Wetterradars …..” (MELUND-Gutachten) aus November 2021 berücksichtigt. Es ist jedoch im Rahmen der freien Beweiswürdigung nach § 108 Abs. 1 VwGO zu der Annahme gelangt, dass sich aus den Ergebnissen des MELUND-Gutachtens keine andere Beurteilung ergebe, da dieses Gutachten eine einhergehende Auseinandersetzung mit den Warnprodukten des Deutschen Wetterdienstes, wie z.B. die Hagel- oder Mesozyklonenerkennung, vermissen lasse. Es sei nicht erkennbar, inwieweit windenergieanlagenbedingte Störungen in den Basisdaten sich in der operativen Warntätigkeit des Deutschen Wetterdienstes fortsetzten. Das Gutachten gehe hauptsächlich der Frage nach, ob windenergieanlagenbedingte Störungen der Basisdaten vorlägen. Hieran bestünden jedoch keine Zweifel und werde von keinem der Beteiligten grundlegend in Frage gestellt. Hinzu komme, dass das Gutachten sich nur auf bodennahe Messungen konzentriere und eine Untersuchung der höheren Elevationen ab 2,5 Grad gänzlich unberücksichtigt lasse.
Die anwaltlich vertretene Beigeladene hat in der mündlichen Verhandlung vom 13. Mai 2022 ausweislich des Sitzungsprotokolls (E-Akte VG-Band, S. 196) auch nicht durch einen Beweisantrag nach § 86 Abs. 2 VwGO auf eine weitere Sachaufklärung hingewirkt.
Ungeachtet dessen legt die Beigeladene auch einen Verstoß gegen § 108 Abs. 1 VwGO nicht dar. Ein die Annahme eines Verfahrensfehlers begründender Verstoß gegen § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann ausnahmsweise dann anzunehmen sein, wenn die tatrichterliche Beweiswürdigung auf einem Rechtsirrtum beruht, objektiv willkürlich ist oder allgemeine Sachverhalts- und Beweiswürdigungsgrundsätze, insbesondere gesetzliche Beweisregeln, Natur- oder Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze, missachtet (vgl. BVerwG, Beschluss vom 26. September 2016 – 5 B 3.16 D -). Solche Umstände zeigt die Beigeladene nicht auf. Allein die Möglichkeit einer anderen Bewertung der Beweisaufnahme rechtfertigt die Zulassung der Berufung nicht (vgl. VGH München, Beschluss vom 2. Februar 2018 – 8 ZB 17.1271 -).
bb) Die Beigeladene bringt vor, das MELUND-Gutachten liefere als objektives Behördengutachten bereits eine hinreichende und zutreffende Grundlage zur Entscheidung des Rechtsstreits. Das Verwaltungsgericht hätte auf der Grundlage der hierin gewonnenen Erkenntnisse die Klage abweisen müssen.
Mit diesem Vorbringen wendet sich die Beigeladene gegen die Sachverhalts- und Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts, ohne indes einen Verstoß gegen den Grundsatz der freien Beweiswürdigung nach § 108 Abs. 1 VwGO darzulegen. Im Übrigen kann das Tatsachengericht im Rahmen seines Ermessens nach § 98 VwGO i.V.m. § 412 Abs. 1 ZPO zwar davon absehen, ein weiteres Sachverständigengutachten einzuholen, wenn bereits Gutachten zu einer entscheidungserheblichen Tatsache vorliegen, wobei sich das Tatsachengericht ohne Verstoß gegen seine Aufklärungspflicht auf Gutachten oder gutachterliche Stellungnahmen stützen kann, die eine Behörde im Verwaltungsverfahren eingeholt hat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 26. Juni 2020 – 7 BN 3.19 -). Es ist hierzu aber nicht verpflichtet.
cc) Die Beigeladene bringt vor, das Verwaltungsgericht hätte den Sachverhalt weiter aufklären müssen. Zur weiteren Aufklärung hätte das Gericht den gerichtlichen Sachverständigen zu einer schriftlichen Ergänzung seines Gutachtens veranlassen und/oder eine weitere mündliche Anhörung vornehmen müssen. Das Verwaltungsgericht habe sich darauf beschränkt, den gerichtlichen Sachverständigen zum Termin zur mündlichen Verhandlung zu laden und dort mit wenigen durch das Gericht vorformulierten Fragen zu konfrontieren.
Die Rüge greift nicht durch. Der gerichtliche Sachverständige (…..) hat unter dem 10. April 2022 eine schriftliche Stellungnahme zum “Behördengutachten Windkraftanlagen im Einwirkbereich des Wetterradars ….” (MELUND-Gutachten) erstellt und diese dem Verwaltungsgericht am 14. April 2022 übersandt (E-Akte VG-Band, S. 27).
Zudem hat die anwaltlich vertretene Beigeladene in der mündlichen Verhandlung vom 13. Mai 2022 nicht durch einen Beweisantrag nach § 86 Abs. 2 VwGO auf eine weitere Sachaufklärung – etwa in Form eines weiteren Gutachtens nach § 98 VwGO i.V.m. § 412 Abs. 1 ZPO – hingewirkt.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO (für die Klägerin und die Beigeladene) und § 155 Abs. 2 VwGO (für den Beklagten) i.V.m. § 155 Abs. 1 VwGO (vgl. Wöckel, in: Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 154 Rn. 7; BVerwG, Beschluss vom 10. November 1980 – 1 B 802.80 -). Bei der Verteilung der Gerichtskosten ist zu berücksichtigen, dass sich der ursächliche Beitrag des von dem Beklagten gestellten Zulassungsantrags zur Entstehung der Gerichtsgebühren durch die Rücknahme verringert hat (vgl. Nr. 5121 KV-GKG). Der Senat sieht ferner davon ab, die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen gemäß § 162 Abs. 3 VwGO anteilig der Klägerin aufzuerlegen, da sich die Beigeladene zu dem klägerischen Zulassungsantrag nicht eingelassen hat.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG. Auf den Zulassungsantrag der Klägerin entfallen 14.820,00 Euro, auf die Zulassungsanträge des Beklagten und der Beigeladenen jeweils 60.000,00 Euro (analog Nr. 19.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit). Die letztgenannten Werte sind nicht zu addieren, da das verfolgte Interesse der Sache nach identisch ist (vgl. Nr. 1.1.1 des Streitwertkatalogs).
Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).