vorgestellt von Thomas Ax
1. Das bloße Schweigen ist in der Regel keine Willenserklärung, sondern das Gegenteil einer Erklärung. Eine Ausnahme hiervon besteht im Handelsverkehr nach den Grundsätzen über das Schweigen auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben.
2. Der Empfänger eines kaufmännischen Bestätigungsschreibens muss unverzüglich widersprechen, wenn er den Inhalt des Schreibens nicht gegen sich gelten lassen will. Widerspricht er nicht, wird der Vertrag mit dem aus dem Bestätigungsschreiben ersichtlichen Inhalt rechtsverbindlich, es sei denn, dass der Bestätigende das Verhandlungsergebnis bewusst unrichtig wiedergegeben hat oder das Bestätigungsschreiben so weit vom Verhandlungsergebnis abweicht, dass der Absender vernünftigerweise nicht mit dem Einverständnis des Empfängers rechnen konnte.
3. Vereinbaren die Parteien eines VOB/B-Bauvertrag in einem Verhandlungsprotokoll handschriftlich, dass “Mengenänderungen mehr oder weniger als 10 % die EPs nicht ändern”, handelt es sich um eine Individualvereinbarung, die eine Preisanpassung nach § 2 Abs. 3 VOB/B ausschließt und der AGB-Inhaltskontrolle entzogen ist.
OLG Bamberg, Urteil vom 20.07.2023 – 12 U 9/22
Gründe:
I.
Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Stellung von Bauhandwerkersicherheiten nach § 648 a BGB in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung (§ 648 a BGB a.F.).
Die Klägerin betreibt einen Elektrofachbetrieb, der sich insbesondere auf Elektroeinlegearbeiten spezialisiert hat. Dabei werden die für eine spätere Installation der Versorgung mit Elektrik notwendigen Leerrohre, Verteilerdosen und dergleichen mit Baufortschritt des Rohbaus, insbesondere bei Betonagen erbracht. Die Beklagte betreibt ein Bauunternehmen, welches – u.a. als Generalunternehmer – umfassende Bauleistungen erbringt.
Die Parteien stehen seit etwa 8 Jahren in vertraglichen Beziehungen, wobei die Beklagte die Klägerin als Nachunternehmerin bei diversen Bauvorhaben mit Elektroeinlegearbeiten betraut hat.
Streitgegenständlich sind im vorliegenden Verfahren die Bauvorhaben
– Neubau A.,
– Neubau B. und
– das Bauvorhaben D.
Die Parteien haben den Werkverträgen die VOB/B in der zum Zeitpunkt des jeweiligen Vertragsschlusses gültigen Fassung zugrunde gelegt.
In den Werkverträgen zu den Bauvorhaben A., B. und D. (K 1 bis K 12) wurde in den Verhandlungsprotokollen jeweils handschriftlich vereinbart:
“Massenänderungen mehr oder weniger als 10 % ändern die EPs nicht”.
Im Verlauf der Bauvorhaben kam es bei den Bauvorhaben A. und B. zu erheblichen Mindermengen (mehr als 10 %). Die Klägerin berechnete unter Zugrundelegung ihrer Urkalkulation neue (höhere) als die vertraglich vereinbarten Einheitspreise, auf die sie ihre Schlussrechnungsforderungen stützt (vgl. die AGK-Ausgleichsberechnungen bezüglich A. Anlage K 73, bezüglich B. vgl. Anlage zu Blatt 118 ff., Anlagenband II). Eine Nachtragsvereinbarung zwischen den Parteien wurde insoweit nicht getroffen.
Im Einzelnen:
1. Neubau A.
Die Beklagte beauftragte die Klägerin mit Vertrag vom 31.05.2013/14.06.2013 für das Bauvorhaben “A.” mit Elektroeinlegearbeiten zu einem Einheitspreis von 54.633,53 Euro (Anlage K 1).
Im Dezember 2014 erfolgte die Abnahme des Werkes der Klägerin durch die Beklagte. Im Anschluss bezahlte die Beklagte die Werklohnforderung der Klägerin nicht vollständig.
Am 13.09.2019 kam es zu einem Telefonat zwischen dem Mitarbeiter der Beklagten, dem Zeugen X. und dem Geschäftsführer der Klägerin, dessen Inhalt zwischen den Parteien im Einzelnen streitig ist.
Mit Schreiben vom 17.09.2019 (Anlage B 3) teilte die Beklagte der Klägerin mit:
“Bei dem Bauvorhaben Neubau A. werden wir so vorgehen wie zwischen uns besprochen. Ihre letzte durch uns geprüfte und freigegebene Abschlagsrechnung (2. AR RE-Nr. 001 vom 21.07.2014) wird als Schlussrechnung angesehen (siehe Anlage). Der Einbehalt in Höhe von 5 % für die Vertragserfüllung wird von uns hiermit ausgezahlt. Der 5 % ige Einbehalt für die Gewährleistung wird nach deren Ablauf durch uns ausbezahlt. Gewährleistungsdauer gem. Vertrag 5 Jahre und 6 Wochen, oder sofort bei Vorlage einer Bürgschaft. Ablauf der Gewährleistung 07.12.2019”.
Eine Reaktion der Klägerin hierauf erfolgte nicht.
Mit Schreiben vom 26.11.2019 forderte die Klägerin die Beklagte erfolglos auf, bis zum 10.12.2019 Sicherheit in Höhe von 19.131,93 Euro zu leisten (ausstehender Werklohn i.H.v. 17.392,66 Euro + 10%, Anlage K 3).
Daraufhin kündigte die Klägerin den Werkvertrag mit der Beklagten am 11.12.2019 (Anlage K 4).
Am 16.03.2020 zahlte die Beklagte einen Betrag in Höhe von 3.837,56 Euro. Mit Schriftsatz vom 30.06.2020 hat die Klägerin den Rechtsstreit in der Hauptsache insoweit teilweise für erledigt erklärt. Die Beklagte hat der Teilerledigterklärung widersprochen. Mit Schriftsatz vom 20.05.2021 hat die Klägerin sodann insoweit die Klagerücknahme erklärt.
Die Klägerin macht einen Restbetrag aus der Schlussrechnung in Höhe von 13.555,10 Euro geltend. Der von der Klägerin geforderte Betrag der Sicherheit beträgt 14.910,61 Euro (13.555,10 Euro + 10 %).
2. Neubau B.
Mit Nachunternehmervertrag vom 20./24.07.2017 beauftragte die Beklagte die Klägerin mit Elektroeinlegearbeiten für das Bauvorhaben “Neubau B.” zu einem Einheitspreis von 124.333,82 Euro netto (K 8). Später wurden noch zwei Nachträge in Höhe von 21.770,10 Euro (K 7) sowie 1.000,00 Euro (K 8) vereinbart.
Die Abnahme der Leistung betreffend den ursprünglichen Auftrag erfolgte am 06.02.2019.
Am 20.11.2019 stellte die Klägerin die 5. Abschlagsrechnung über 55.307,18 Euro (K 9).
Mit Schreiben vom 25.11.2019 verlangte die Klägerin erfolglos eine Sicherheitsleistung in Höhe von 114.034,02 Euro für noch offenen Werklohn von 103.667,29 Euro zzgl. 10 % bis zum 09.12.2019 (K 10).
Am 10.12.2019 kündigte die Klägerin den Werkvertrag (K 11).
Am 16.03.2020 zahlte die Beklagte auf den noch ausstehenden Werklohn einen Betrag von 13.608,84 Euro.
3. Bauvorhaben D.
Am 24.05.2017 beauftragte die Beklagte die Klägerin mit Elektroeinlegearbeiten für das Bauvorhaben D. zu einem Einheitspreis von 136.587,40 Euro netto (K 12).
Am 09.07.2019 erfolgte die Abnahme des Werks der Klägerin durch die Beklagte.
Die Klägerin stellte am 30.10.2019 eine Schlussrechnung über noch offene 26.306,00 Euro (K 13). In der Folgezeit zahlte die Beklagte den noch offenen Rechnungsbetrag nicht.
Mit Schreiben vom 26.11.2019 forderte die Klägerin die Beklagte erfolglos dazu auf, Sicherheit i.H.v. 28.936,60 Euro zu leisten (ausstehender Werklohn 26.306,00 Euro + 10 %) bis zum 10.12.2019 (K 14).
Die Klägerin kündigte daraufhin den Werkvertrag mit der Beklagten am 11.12.2019 (K 15).
Die Klägerin hat in erster Instanz beantragt, der Klägerin für deren Werklohnforderungen aus den genannten drei Werkverträgen Sicherheit gemäß § 648 a BGB a.F. in Höhe von 14.910,61 Euro (A.), in Höhe von 53.864,13 Euro (B.) und in Höhe von 28.936,60 Euro (D.) zu leisten. Darüber hinaus hat sie die Verurteilung der Beklagten zur Erstattung ihrer außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten betreffend die drei vorgenannten Bauvorhaben beantragt.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat in erster Instanz im Wesentlichen vorgetragen:
1. Bauvorhaben A.
Hinsichtlich des Bauvorhabens A. bestehe ein Anspruch nach § 648 a BGB a.F. nicht. Die Parteien hätten sich bei einem Telefonat darauf geeinigt, dass die Leistungen der Klägerin durch die Zahlung der 2. Abschlagsrechnung vom 20.07.2014 abgegolten sein sollten. Der Inhalt des Telefonats sei durch das Schreiben der Beklagten an die Klägerin vom 17.09.2019 (Anlage B 3), bei dem es sich um ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben handele, festgehalten worden. Es gebe somit keine zu sichernde Forderung, weshalb auch kein Anspruch auf Sicherheitsleistung bestehe. Überdies sei der Werklohnanspruch mit Ablauf des 31.12.2017 verjährt. Für eine verjährte Forderung sei keine Sicherheit zu leisten. Darüber hinaus habe die Klägerin den Anspruch betreffend eine Vereinbarung der Parteien hinsichtlich einer Vergütungsanpassung wegen Mengenunterschreitungen im Sinne des § 2 Abs. 3 Nr. 3 VOB/B nicht hinreichend dargelegt.
2. Bauvorhaben B.
Die Beklagte hat behauptet, die Abschlagsrechnung der Klägerin sei nicht prüfbar. Das der Rechnung zugrunde liegende Aufmaß entspreche nicht den vertraglichen Vereinbarungen. Mit Kündigung des Vertrages sei Abrechnungsreife eingetreten, so dass kein Anspruch auf Abschlagszahlung mehr bestehe.
Bereits am 13.03.2020 und damit vor Zustellung der Klage sei im Rahmen der Schlussrechnung vom 04.03.2020 der Betrag von 13.608,64 Euro an die Klägerin bezahlt worden (B 11), weshalb keine zu sichernde Werklohnforderung mehr bestehe.
3. Bauvorhaben D.
Am 31.10.2019 habe die Beklagte die mangelnde Prüfbarkeit der Schlussrechnung gerügt, weil sich aus den Plänen nicht der Umfang der erbrachten Leistungen erkennen lasse.
Die Beklagte ist der Ansicht, dass 80 % der Leistungen nicht erbracht worden seien, so dass sich sogar eine Überzahlung von 23.213,69 Euro ergebe.
Wegen der Einzelheiten des Sachvortrages wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung und die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Eine Beweisaufnahme hat in erster Instanz nicht stattgefunden.
II.
Mit dem am 10.06.2021 verkündeten Endurteil hat das Landgericht der Klägerin Bauhandwerkersicherungen gemäß § 648 a BGB a.F. in Höhe von 77,04 Euro (A.), in Höhe von 20.581,20 Euro (B.) und in Höhe von 28.936,50 Euro (D.) zugesprochen. Darüber hinaus hat das Landgericht die Beklagte dazu verurteilt, die Klägerin von den Gebührenforderungen der xxx Rechtsanwälte betreffend die außergerichtliche Tätigkeit der Rechtsanwälte in Höhe der jeweiligen Gegenstandswerte freizustellen. Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen.
Die Klägerin habe gegen die Beklagte für alle drei Bauvorhaben gemäß § 648 a BGB a.F. einen Anspruch auf Stellung von Bausicherheiten in der jeweils tenorierten Höhe.
Vorliegend sei die Anwendung des § 2 Abs. 3 VOB/B ausweislich der Verhandlungsprotokolle (Anlage A zum Nachunternehmervertrag, Anlage K 1, K 6, K 12) zur Überzeugung des Gerichts durch die Parteien wirksam abbedungen worden, weshalb der Klägerin kein Anspruch aus § 2 Abs. 3 VOB/B wegen Mehr- oder Mindermengen von mehr als 10 % der ausgeschriebenen Mengen zustehe (LGU Seite 16). Dies ergebe sich aus dem Wortlaut der Vereinbarung “Massenänderungen mehr oder weniger als 10 % ändern die EPs nicht”.
Entgegen der Ansicht der Beklagten seien die Werklohnansprüche der Klägerin nicht verjährt (LGU Seite 19/20).
Wegen der Einzelheiten der Berechnung der zu sichernden Forderungen wird auf die Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.
III.
Gegen diese Entscheidung wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung, mit der sie ihre in erster Instanz gestellten Anträge bezüglich der Bauvorhaben A. und B., soweit diese durch das Landgericht abgewiesen wurden, weiterverfolgt.
Die Beklagte erstrebt die Zurückweisung der Berufung.
Mit ihrer Anschlussberufung erstrebt die Beklagte die vollständige Abweisung der Klage hinsichtlich des Bauvorhabens A. und die vollständige Abweisung der Klage hinsichtlich der durch das Landgericht zuerkannten Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten.
Die Klägerin erstrebt die Zurückweisung der Anschlussberufung.
Die Klägerin ist der Auffassung, dass die teilweise Klageabweisung bezüglich des Vorhabens A. und B. zu Unrecht erfolgt sei. Die Klägerin habe erstinstanzlich sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach ihre jeweiligen Vergütungsansprüche aus den Ausgleichsberechnungen für Mindermengen (AGK-Ausgleichsberechnung) dargetan. Insbesondere sei schlüssig vorgebracht worden, dass sich der jeweilige Vergütungsanspruch auf einen Vertrag stütze, mit dem die Anwendung der VOB/B, insbesondere des § 2 Abs. 3 VOB/B in der damaligen Fassung wirksam vereinbart worden sei.
Dass das Landgericht die Sicherheiten insoweit nicht gewähren wolle, weil die Anwendung des § 2 Abs. 3 VOB/B hier wirksam ausgeschlossen sei, sei rechtsfehlerhaft. Die hier strittigen Klauseln lauteten gerade nicht: “Die Anwendung des § 2 Abs. 3 VOB/B ist ausgeschlossen”. Vielmehr schlössen die hier strittigen, von der Beklagten selbst formulierten und vorgegebenen Klauseln nach richtigem Verständnis und in feindlichster Auslegung für den Adressaten jegliche Anpassung des Einheitspreises aus. Dies erfasse auch die Fälle des Wegfalls der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB, jedenfalls soweit diese auf eklatanten Mengenabweichungen beruhe.
Bei den in den Verhandlungsprotokollen getroffenen Vereinbarungen handele es sich nicht um Individualvereinbarungen, sondern um AGB, die der Klägerin von der Beklagten, ohne dass hierüber verhandelt worden sei, einseitig vorgegeben worden seien. Als AGB-Regelung seien die Vereinbarungen gemäß § 307 BGB unwirksam. Die Klägerin verweist hierzu auf BGH-Rechtsprechung. Das Landgericht habe die Beweisantritte zum Vorliegen von AGB zu Unrecht übergangen, indem es die mit Schriftsatz vom 14.09.2021, Seite 9 benannten Zeugen nicht vernommen habe (Blatt 312, 313 d.A.). Demzufolge seien auch die Nebenforderungen auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten zu Unrecht teilweise abgewiesen worden.
Die Klägerin hat im Berufungsverfahren zuletzt beantragt (Schriftsatz vom 16.05.2022, Blatt 395 ff.):
1. Das Urteil des Landgerichts Schweinfurt vom 10.06.2021 wird teilweise abgeändert, soweit die Klage teilweise abgewiesen wurde.
2. Auf die Berufung hin wird die Beklagte (über das erstinstanzlich Zugesprochene hinaus) verurteilt wie folgt:
2.1. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin für deren Werklohnforderungen aus dem Werkvertrag vom 31.05.2013/14.06.2013 betreffend das Bauvorhaben “Neubau A.” für Elektroeinlegearbeiten weitere Bauhandwerkersicherung im Sinne des § 648 a BGB a.F. nach Wahl der Beklagten entweder durch Garantie oder durch ein sonstiges Zahlungsversprechen eines im Geltungsbereich dieser Norm zum Geschäftsbetrieb befugten Kreditinstituts oder Kreditversicherers in Höhe von noch 14.833,57 Euro zu stellen.
2.2. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin für deren Werklohnforderungen aus dem Werkvertrag vom 20./24.07.2017 betreffend das Bauvorhaben “Neubau B.” für Elektroeinlegearbeiten weitere Bauhandwerkersicherung im Sinne des § 648 a BGB a.F. nach Wahl der Beklagten entweder durch Garantie oder durch ein sonstiges Zahlungsversprechen eines im Geltungsbereich dieser Norm zum Geschäftsbetrieb befugten Kreditinstituts oder Kreditversicherers in Höhe von noch 33.282,89 Euro zu stellen.
2.3. Die Beklagte wird ferner verurteilt, der Klägerin weitere außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten (1,3 Geschäftsgebühr aus einem Gegenstandswert von 19.131,93 Euro betreffend die Bauhandwerkersicherung zur A. zuzüglich Auslagenpauschale) von weiteren 564,70 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 11.01.2020 zu erstatten.
2.4. Die Beklagte wird ferner verurteilt, der Klägerin weitere außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten (1,3 Geschäftsgebühr aus einem Gegenstandswert von 114.034,02 Euro zuzüglich Auslagenpauschale) von weiteren 552,50 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 11.01.2020 zu erstatten.
Die Beklagte beantragt, die Berufung der Klägerin zurückzuweisen (Schriftsatz vom 10.08.2021, Blatt 259).
Im Wege der Anschlussberufung beantragt die Beklagte:
1. Das Urteil des Landgerichts Schweinfurt vom 10.06.2021 (Az.: 12 O 315/20 Bau) aufzuheben, soweit die Beklagte verurteilt wird, der Klägerin für deren Werklohnforderung aus dem Werkvertrag vom 31.05.2013/14.06.2012 betreffend das Bauvorhaben A. für Elektroarbeiten eine Bauhandwerkersicherung im Sinne des § 648 a BGB a.F. in Höhe von 77,04 Euro zu stellen und die Klage insoweit abzuweisen.
2. Das Urteil des Landgerichts Schweinfurt vom 10.06.2021 (Az.: 12 O 315/20 Bau) aufzuheben, soweit die Beklagte verurteilt wird, die Klägerin von der Gebührenforderung der xxx Rechtsanwälte als außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten
– in Höhe einer 1,3 Geschäftsgebühr aus einem Gegenstandswert von 4.268,48 Euro zzgl. Auslagenpauschale, insgesamt 419,09 Euro,
– In Höhe einer 1,3 Geschäftsgebühr aus einem Gegenstandswert von 47.869,73 Euro zzgl. Auslagenpauschale, insgesamt 1.531,90 Euro und
– In Höhe einer 1,3 Geschäftsgebühr aus einem Gegenstandswert von 28.936.80 Euro zzgl. Auslagenpauschale, insgesamt 1.141,90 Euro freizustellen und die Klage insgesamt abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Anschlussberufung der Beklagten zurückzuweisen (Schriftsatz vom 24.11.2021, Blatt 366).
1. Die Beklagte vertritt die Auffassung, dass die Frage der Unwirksamkeit der Klausel “Massenänderungen mehr oder weniger als 10 % ändern die EPs nicht” dahinstehen könne, da die Unwirksamkeit der Klausel nicht zur Anwendbarkeit des § 2 Abs. 3 VOB/B führe, sondern lediglich zur Anwendung des § 313 BGB, zu dessen Voraussetzungen die Klägerin nichts vorgetragen habe.
2. Zum Bauvorhaben A. könne die Berufung der Klägerin schon deshalb keinen Erfolg haben, weil die Schlussrechnung der Klägerin vom 12.11.2019, aus der sich die zu sichernde Forderung ergeben solle, für das Rechtsverhältnis der Parteien nicht maßgeblich sei. Wie bereits in erster Instanz (Schriftsatz vom 10.08.2021) ausgeführt, hätten sich die Parteien in einem Telefonat vom 13.09.2019 darauf geeinigt, dass die letzte geprüfte und freigegebene Abschlagsrechnung der Klägerin vom 21.07.2014 als Schlussrechnung anzusehen sei und der darin vorgenommene Einbehalt von 5 % für die Vertragserfüllung ausgezahlt werden solle. Zugleich sei vereinbart worden, dass die Gewährleistungsfrist am 07.12.2019 ende. Zum Beweis bietet die Beklagte den Zeugen X. an. Hierüber habe der Zeuge X. ein Schreiben angefertigt, in dem er den wesentlichen Inhalt des Telefonats wiedergegeben habe (Anlage B 3). Anschließend habe er das Schreiben per Einschreiben an die Klägerin übersandt. Dieses Schreiben stelle ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben dar. Ein Widerspruch seitens der Klägerin sei nicht erfolgt. Damit stehe fest, dass die Abschlagsrechnung vom 21.07.2014 als Schlussrechnung angesehen werde und demzufolge die darin abgerechnete Vergütung maßgeblich sei. Die Beklagte habe den sich aus der Abschlagsrechnung vom 21.07.2014 ergebenden Saldo abzüglich eines Sicherheitseinbehaltes in Höhe von 3.837,56 Euro bezahlt. Der Sicherheitseinbehalt sei am 16.03.2020 ausbezahlt worden. Damit seien sämtliche Ansprüche der Klägerin erfüllt. Es gebe keine sicherungsfähigen Ansprüche der Klägerin mehr.
3. Bei der Bestimmung in den Verhandlungsprotokollen, “Massenänderungen mehr oder weniger als 10 % ändern die EP´s nicht” handele es sich nicht um eine Allgemeine Geschäftsbedingung. Diese Bestimmung sei zwischen den Parteien während der Vergabegespräche individuell ausgehandelt worden Hierfür hat die Beklagte Beweis durch Vernehmung von Zeugen angeboten (Blatt 350). Selbst wenn das anders zu beurteilen wäre, wäre die Klausel nicht unwirksam. Darüber hinaus fehle es bezüglich der AGK-Ausgleichsberechnung an einer sicherungsfähigen Nachtragsvereinbarung.
4. Bezüglich des Bauvorhabens B. ist die Beklagte der Auffassung, dass sie, nachdem sie die Klägerin nach Kündigung des Bauvertrages erfolglos zur Schlussrechnungsstellung aufgefordert habe, selbst eine Schlussrechnung erstellt habe (B 8, B 9 und B 10). Den sich daraus ergebenden Saldo in Höhe von 13.608,84 Euro habe die Beklagte am 13.03.2020 ausgeglichen. Es gebe daher keine zu sichernde Werklohnforderung mehr. Zwar habe die Klägerin am 30.04.2020 eine eigene Schlussrechnung vom 30.04.2020 gestellt, mit der sie eine Zahlung in Höhe von 48.967,39 Euro zur Grundlage für das hier streitgegenständliche Sicherungsverlangen mache. Die Schlussrechnung vom 30.04.2020 enthalte in zwei Positionen wiederum eine AGK-Ausgleichsberechnung nach § 2 Abs. 3 Nr. 3 VOB/B und zwar in Höhe von insgesamt 30.846,09 Euro. Ebenso wie beim Bauvorhaben A. sei im vorliegenden Fall die Anwendung des § 2 Abs. 3 VOB/B zwischen den Parteien ausgeschlossen. Anders als beim Bauvorhaben A. sei die Klausel beim Bauvorhaben B. nicht ausgehandelt worden. Allerdings habe das Protokoll, das der Klägerin zugesandt worden sei, genau demjenigen der A. entsprochen, das im einzelnen ausgehandelt gewesen sei. Sie sei daher davon ausgegangen, dass die Klägerin mit den Regelungen einverstanden sei.
Auf die Ausführungen in der Berufungsbegründung, der Berufungserwiderung und der Anschlussberufung sowie der Erwiderung auf die Anschlussberufung wird wegen der Einzelheiten Bezug genommen.
Der Senat hat im Termin vom 15.06.2023 den Geschäftsführer der Klägerin informatorisch gehört. Darüber hinaus hat der Senat im Termin vom 15.06.2023 eine Beweisaufnahme durch Vernehmung der Zeugen Y., Z., V. und X. durchgeführt. Auf das Protokoll des Termins vom 15.06.2023 wird Bezug genommen.
IV.
1. Zulässigkeit der Berufung:
Die Berufung ist zulässig (§§ 511 ff. ZPO). Gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist wurde der Klägerin mit Beschluss des OLG Bamberg vom 21.09.2021 (Blatt 321 ff.) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.
Der Auffassung der Beklagten, die Berufung sei unzulässig, weil sie nicht ausreichend begründet worden sei (Berufungserwiderung Seite 14 ff, Blatt 358 ff. d.A.) kann nicht gefolgt werden. Die Beklagte meint, die Klägerin befasse sich in ihrer Berufung ausschließlich mit der Frage, ob die fragliche Klausel eine Allgemeine Geschäftsbedingung darstelle und nach § 307 BGB unwirksam sei. Hierauf komme es aber nach Auffassung des Erstgerichts nicht an, welches die Wirksamkeit der Regelung ausdrücklich offengelassen habe und ausgeführt habe, selbst wenn man die Wirksamkeit der Regelung unterstelle, komme nicht die VOB/B zur Anwendung, sondern allein die Regelungen des BGB, die eine Vertragsanpassung im Falle von Mengenunterschreitungen von mehr als 10 % nicht vorsähen. Dieses Argument des Erstgerichts habe die Klägerin nicht angegriffen, sondern sich nur mit der AGB-Widrigkeit der Regelung befasst. Die Berufungsbegründung sei daher unzureichend und die Berufung damit unzulässig.
Dem kann nicht gefolgt werden. Die Argumentation des Erstgerichts, wonach selbst wenn man die Wirksamkeit der Regelung unterstelle, nicht die VOB/B zur Anwendung komme, sondern allein die Regelungen des BGB, die eine Vertragsanpassung im Falle von Mengenunterschreitungen von mehr als 10 % nicht vorsähen, wird von der Berufung durchaus angegriffen. Dies ergibt sich insbesondere aus den Ausführungen auf Seite 4 der Berufungsbegründung. Danach erfasse die Klausel auch die Fälle des Wegfalls der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB. Damit greift die Berufung auch die die angefochtene Entscheidung tragende Begründung an und ist damit zulässig.
2. Begründetheit der Berufung und der Anschlussberufung:
Die Berufung ist unbegründet. Die Anschlussberufung ist teilweise begründet.
Bezüglich des Bauvorhabens A. steht der Klägerin kein Anspruch auf eine Bauhandwerkersicherung nach § 648 a.F. BGB zu, weil insoweit eine zu sichernde Restwerklohnforderung nicht mehr besteht. Insoweit war die Entscheidung auf die Anschlussberufung der Beklagten dahingehend abzuändern, dass die Klage auf Bauhandwerkersicherung abgewiesen wird (hierzu unter a).
Bezüglich des Bauvorhabens B. ist die Berufung der Klägerin nicht begründet. Eine höhere zu sichernde Forderung als sie das Landgericht zuerkannt hat, besteht nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme nicht. Insoweit war die Berufung zurückzuweisen (hierzu unter b).
Bezüglich der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten ist die Anschlussberufung hingegen nicht begründet und war insoweit zurückzuweisen (hierzu unter c).
a) Bauvorhaben A.:
Hinsichtlich des Bauvorhabens A. kann die Frage der Auslegung und der Wirksamkeit der Klausel “Mengenänderungen mehr oder weniger als 10 % ändern die EPs nicht”, letztlich dahinstehen. Insoweit hat die durch den Senat durchgeführte Beweisaufnahme durch Vernehmung des Zeugen X. ergeben, dass dem als Anlage B 3 vorgelegten Schreiben vom 17.09.2019 ein Telefonat zwischen dem Zeugen X. und dem Geschäftsführer der Klägerin vorausging, bei dem Vereinbarungen bezüglich der Restwerklohnforderung aus dem Bauvorhaben A. getroffen wurden, die in dem Schreiben der Beklagten an die Klägerin vom 17.09.2019 (Anlage B 3) festgehalten wurden. Der Zeuge X. hat hierzu angegeben, nach seiner Erinnerung habe es ein Telefonat zwischen ihm und Herrn W. gegeben und er habe den Inhalt dieses Telefonats in einem Schreiben so festgehalten, wie er Herrn W. verstanden habe. Im Nachgang habe sich dann aber herausgestellt, dass sie sich wohl nicht richtig verstanden hätten und er habe Herrn W. dann auch vorgehalten, warum er dies der Firma xxxx nicht früher mitgeteilt habe. Dem Zeugen X. wurde das Schreiben vom 17.09.2019 (Anlage B 3) vorgehalten. Der Zeuge X. hat erklärt, dass er dieses Schreiben nach dem Telefongespräch mit Herrn W. so per Einschreiben herausgegeben habe. Auf das Schreiben habe Herr W. entweder lange nicht oder überhaupt nicht reagiert.
Nach dem persönlichen Eindruck, den der Zeuge X. bei seiner Vernehmung gemacht hat, erachtet der Senat den Zeugen X. als glaubwürdig. Der Zeuge machte auf den Senat einen seriösen Eindruck. Auch an der Glaubhaftigkeit der Angaben des Zeugen X. hat der Senat keine Zweifel. Der Senat verkennt nicht, dass der Zeuge X. bis zum 01.05.2023 bei der Beklagten beschäftigt war und daher der Beklagten nahesteht. Ein wirtschaftliches Eigeninteresse des Zeugen X. am Ausgang des Rechtsstreits ist, da der Zeuge nicht mehr bei der Beklagten beschäftigt ist, aber nicht erkennbar. Es ist nicht ersichtlich, warum der Zeuge den Inhalt des Telefonats, welches dem Schreiben vom 17.09.2019 vorausging, unrichtig wiedergegeben haben sollte.
Der Zeuge hat zudem ausdrücklich klargestellt, dass er den Geschäftsführer der Klägerin so verstanden habe, wie er es in dem Schreiben vom 17.09.2019 (Anlage B 3) wiedergegeben habe. Er hat eingeräumt, dass man sich bei dem Telefonat möglicherweise missverstanden habe.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme hat die Klägerin daher durch ihr Schweigen auf das Schreiben vom 17.09.2019 der darin vorgeschlagenen Lösung zugestimmt. Zwar ist bloßes Schweigen in der Regel keine Willenserklärung, sondern das Gegenteil einer Erklärung (Grüneberg, BGB, 82. Aufl., Einf. vor § 116 BGB Rdnr. 7). Von diesem Grundsatz gibt es jedoch Ausnahmen. Hier sind die Grundsätze über das Schweigen auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben (§ 356 Abs. 1 HGB) anwendbar. Im Handelsverkehr gilt der Grundsatz, dass der Empfänger eines kaufmännischen Bestätigungsschreibens unverzüglich widersprechen muss, wenn er den Inhalt des Schreibens nicht gegen sich gelten lassen will. Widerspricht er nicht, wird der Vertrag mit dem aus dem Bestätigungsschreiben ersichtlichen Inhalt rechtsverbindlich, es sei denn, dass der Bestätigende das Verhandlungsergebnis bewusst unrichtig wiedergegeben hat oder das Bestätigungsschreiben so weit vom Verhandlungsergebnis abweicht, dass der Absender vernünftigerweise nicht mit dem Einverständnis des Empfängers rechnen konnte (Grüneberg, BGB, 82. Aufl., § 147 BGB Rdnr. 8). Davon, dass das Verhandlungsergebnis bewusst unrichtig wiedergegeben oder weit abweichend vom Verhandlungsergebnis wiedergegeben wurde, kann in Anbetracht der glaubwürdigen Angaben des Zeugen X. nicht ausgegangen werden.
Der Geschäftsführer der Klägerin hat auf das Schreiben vom 17.09.2019 innerhalb angemessener Frist, auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass er zum Zeitpunkt des Zugangs des Schreibens, welches auf dem Postweg per Einschreiben versendet wurde, 2 Wochen in Urlaub gewesen ist, nicht reagiert. Der Geschäftsführer der Klägerin wäre verpflichtet gewesen, wenn er mit der in dem Schreiben der Beklagten vom 17.09.2019 (B 3) als Ergebnis des Telefonats wiedergegebenen Lösung nicht einverstanden war, unverzüglich nach seiner Rückkehr aus dem Urlaub zu reagieren und dem zu widersprechen. Dies ist hier nicht erfolgt. Das Schweigen des Geschäftsführers der Klägerin ist nach den Grundsätzen des kaufmännischen Bestätigungsschreibens als Zustimmung zu werten.
Demzufolge besteht aus dem Bauvorhaben A. aufgrund der getroffenen Vereinbarung keine zu sichernde Restwerklohnforderung mehr. Insoweit war die Entscheidung des Landgerichts auf die Anschlussberufung der Beklagten abzuändern und die Klage auf Bauhandwerkersicherung gemäß § 648 a.F. BGB insoweit abzuweisen.
b) Bauvorhaben B.
Hinsichtlich des Bauvorhabens B. ist die Berufung der Klägerin nicht begründet. Eine höhere zu sichernde Werklohnforderung als vom Landgericht errechnet, besteht nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme nicht. Die Parteien haben die in § 2 Abs. 3 VOB/B geregelte Preisänderungsmöglichkeit individualvertraglich ausgeschlossen, so dass die Klägerin wegen der Mindermengen im konkreten Fall keine Nachtragsforderung stellen kann und demzufolge ein Anspruch auf eine Bauhandwerkersicherung nach § 648 a BGB a.F. bezüglich der geltend gemachten Mehrforderung nicht besteht.
Eine Nachtragsvereinbarung über geänderte Einheitspreise ist nicht zustande gekommen; es handelt sich um ein einseitiges Verlangen der Klägerin auf Preisänderung aufgrund § 2 Abs. 3 Nr. 3 VOB/B. Das Verlangen auf Preisänderung nach § 2 Abs. 3 Nr. 3 VOB/ ist unter Bezugnahme auf die AGK-Ausgleichsberechnungen jeweils schlüssig dargestellt.
Die Parteien haben hier durch die Vereinbarung im Verhandlungsprotokoll: “Mengenänderungen mehr oder weniger als 10 % ändern die EPs nicht” eine Abänderung der vertraglich vereinbarten Einheitspreise nach § 2 Abs. 3 VOB/B wegen Mengenänderungen mehr oder weniger als 10 % bezüglich des Bauvorhabens B. durch eine Individualvereinbarung ausgeschlossen. Eine Preisänderung nach § 2 Abs. 3 VOB/B ist aufgrund dieser Vereinbarung ausgeschlossen.
Dafür, dass diese Klausel nicht als Allgemeine Geschäftsbedingung der Klägerin gestellt wurde, sondern zwischen den Parteien individuell ausgehandelt wurde, spricht schon die äußere Gestaltung: Die Klausel befindet sich in einem als “Verhandlungsprotokoll” bezeichneten Schriftstück, in dem unter Ziffer 19.11 (“Sonstige technische/kaufmännische Vereinbarungen”) handschriftlich getroffene Vereinbarungen wiedergegeben werden. Das Verhandlungsprotokoll vom 20.07.2017 erweckt von seiner äußeren Gestaltung her den Eindruck, dass die Punkte, die handschriftlich ergänzt wurden, während der Verhandlung im Einzelnen durchgesprochen und sodann handschriftlich in das Protokoll eingefügt wurden.
Dieser äußere Eindruck hat sich durch die vom Senat durchgeführte Beweisaufnahme letztlich bestätigt. Der Zeuge Y. hat glaubhaft angegeben, dass die in den Verhandlungsprotokollen niedergelegten Punkte vorher jeweils durchgesprochen wurden. Der Zeuge Y. hat ausgesagt, er könne nicht sagen, wer die streitgegenständliche Klausel eingebracht habe. Es gebe Verträge, in denen sie stehe und andere, in denen sie nicht stehe. Es habe keine Regel dafür gegeben, wann diese Klausel in den Vertrag gekommen sei. Man habe sie besprochen, wenn keine Einwände gekommen seien, sei sie aufgenommen worden, sonst vielleicht nicht. Zwar hat der Zeuge Y. an den Verhandlungen bezüglich des Vorhabens B. nicht selbst teilgenommen, was sich auch aus dem Verhandlungsprotokoll auf Seite 1 ergibt, wo die Teilnehmer genannt sind. Der Zeuge hat aber das übliche Procedere bezüglich der Klausel anschaulich und glaubhaft geschildert. Der Zeuge Z., der laut Verhandlungsprotokoll an der Verhandlung bezüglich des Bauvorhabens B. teilgenommen hat, hatte keine Erinnerung mehr an das konkrete Verhandlungsgespräch. Er meinte, dass die handschriftlichen Einträge am Telefon durchgesprochen worden seien. Er hat angegeben, dass die streitgegenständliche Klausel zwar öfters verwendet worden sei, aber nicht standardmäßig. So sei die Klausel beim Bauvorhaben H. nicht verwendet worden. Der Zeuge V., der an den Verhandlungen bezüglich der A. teilgenommen hat, hat angegeben, dass die Klausel nicht so wichtig gewesen sei, dass sie zu 100 % ins Protokoll gemusst hätte. Die streitgegenständliche Klausel sei keine Standardklausel gewesen.
Aufgrund der Angaben der vernommenen Zeugen, an deren Glaubwürdigkeit der Senat keinen Zweifel hat, ist der Senat davon überzeugt, dass die streitgegenständliche Klausel der Klägerin nicht einseitig durch die Beklagte gestellt worden ist, sondern jeweils im Einzelfall darüber verhandelt wurde, ob sie in den Vertrag aufgenommen wird oder nicht. Der Senat verkennt dabei nicht, dass die vernommenen Zeugen Y., Z. und V. bei der Beklagten beschäftigt sind oder waren und insofern der Beklagten nahestehen. Es ist hier aber nicht erkennbar, warum die Zeugen hier nicht wahrheitsgemäß ausgesagt haben sollten. Die Klausel wurde den Angaben der Zeugen zufolge nicht standardmäßig bei jedem Bauvorhaben vereinbart, z.B. beim Bauvorhaben H. wurde sie nicht vereinbart. Der Senat geht aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme davon aus, dass die Klausel beim Bauvorhaben B. aufgrund einer Individualvereinbarung in den Vertrag aufgenommen wurde.
Allgemeine Geschäftsbedingungen liegen nicht vor, soweit die Vertragsbedingungen zwischen den Parteien in einzelnen ausgehandelt sind, § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB. Die streitgegenständliche Klausel unterliegt daher nicht der AGB-Kontrolle. Die Rechtsprechung des BGH, wonach eine Klausel in AGB des Auftraggebers “Massenänderungen – auch über 10 % – sind vorbehalten und berechtigen nicht zur Preiskorrektur” den Auftragnehmer unangemessen benachteiligt, weil sie auch Ansprüche wegen Störung der Geschäftsgrundlage ausschließt (BGH, Urteil vom 04.11.2015 – VII ZR 282/14 – BauR 2016, 260, zitiert bei Ingenstau/Korbion, VOB/B, 22. Aufl. § 3 Abs. 3 Rdnr. 10), ist hier daher nicht einschlägig, weil es sich hier um eine individuell vereinbarte Klausel handelt und die Einbeziehung in den Vertrag auf der freien Entscheidung der Klägerin beruhte.
Die streitgegenständliche Klausel ist auch nicht – wie der Geschäftsführer der Klägerin bei seiner informatorischen Anhörung angegeben hat – als bloße Wiedergabe des § 2 Abs. 3 VOB/B zu verstehen (“Ist ja in der VOB/B so geregelt”). Die Klausel enthält vielmehr eine von § 2 Abs. 3 VOB/B abweichende Regelung dahingehend, dass bei Mengenänderungen nach unten oder nach oben über 10 % entgegen § 2 Abs. 3 keine Preisänderung verlangt werden kann. Wäre die Klausel als bloße Wiedergabe der Regelung in § 2 Abs. 3 VOB/B zu verstehen, wäre sie überflüssig.
Für eine Preisanpassung nach § 313 BGB fehlt es – wie das Landgericht zu Recht ausgeführt hat – an einem Sachvortrag der Klägerin.
Die Frage der Aufmaßdifferenzen wird im Hauptsacheverfahren zu klären sein. Im Verfahren auf Bauhandwerkersicherung genügt – wie das Landgericht zu Recht ausgeführt hat – eine Schlüssigkeitsprüfung. Eine mögliche Übersicherung wird hierbei in Kauf genommen.
c) Nebenforderungen
Das Landgericht hat die Beklagte zur Freistellung von den Gebührenforderungen der xxx Rechtsanwälte verurteilt (LGU 23, 24). Die Beklagte habe sich mit der Stellung der Sicherheit in Verzug befunden und habe die entstandenen außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten als Verzugsschaden zu ersetzen, allerdings nur in der jeweils schlüssig dargelegten Höhe des Gegenstandswertes.
Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung, mit der sie bezüglich der A. und B. die Zuerkennung der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten auf der Grundlage der von ihr geltend gemachten Hauptforderungen erstrebt.
Die Berufung der Klägerin, die sich gegen die Kürzung der Gegenstandswerte wendet, ist nicht begründet.
Auf die Ausführungen des Landgerichts zur Höhe der Gegenstandswerte wird Bezug genommen. Das Landgericht hat die Freistellungsverpflichtung zu Recht auf der Grundlage der jeweiligen berechtigten Gegenstandswerte ausgesprochen.
Die Anschlussberufung erstrebt die Abweisung der Klage betreffend die Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten und macht geltend, dass die Beklagte sich mit der Stellung der Sicherheiten nicht in Verzug befunden habe.
Die Anschlussberufung der Beklagten ist nicht begründet.
Aufgrund des Schreibens der Beklagten vom 04.12.2019 (K 61) liegt hier – was die Stellung der Sicherheiten für alle drei Bauvorhaben angeht – eine ausdrückliche und endgültige Erfüllungsverweigerung seitens der Beklagten vor. Dort wird ausgeführt:
“Des Weiteren weisen wir Ihr Verlangen nach einer Bauhandwerkersicherung nach § 650 f BGB zurück, da die Arbeiten bereits abgeschlossen sind und keine Leistungen, bis auf etwaige Mängelbeseitigungen, ausstehen und Ihr Kreditorenkonto keine ausstehende Vergütung ausweist”.
Damit war eine Mahnung entbehrlich. Das Landgericht ging zu Recht davon aus, dass sich die Beklagte mit der Stellung der Sicherheit grundsätzlich in Verzug befand und daher die entstandenen außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten als Verzugsschaden zu ersetzen seien, allerdings nur in der jeweils schlüssig dargelegten Höhe des Gegenstandswertes (LGU 23).
Zum Zeitpunkt des Schreibens der Beklagten vom 04.12.2019 bestand für die Klägerin aus dem Bauvorhaben A. noch eine Werklohnforderung in Höhe von 3.837,56 Euro. Gemäß § 648a BGB a.F. stand der Klägerin damit eine Sicherheit in Höhe von 110 % dieses Betrages zu. Auf der Grundlage dieses Gegenstandswertes hat das Landgericht zu Recht eine 1,3 Geschäftsgebühr in Höhe von 393,90 Euro zuzüglich der Auslagenpauschale zugesprochen. V.
Die Kostenentscheidung für die erste Instanz beruht auf §§ 91, 92 Abs. 1, 269 Abs. 3 S. 3 ZPO. Die Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung um lediglich 77,04 Euro (Ziffer 1) führt nicht zu einer Änderung der Kostenquote, die das Landgericht zutreffend errechnet hat (LGU Seite 24, 25).
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin gemäß § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.
Der Streitwert des Berufungsverfahrens war gemäß §§ 47 Abs. 1, 3 ZPO auf 48.193,50 Euro festzusetzen.
Bezüglich der Berufung der Klägerin sind die im Schriftsatz vom 16.05.2022 gestellten Anträge maßgeblich (Blatt 395,396). Hinzuzurechnen ist der Wert der Anschlussberufung:
Antrag zu 2.1.: 14.833,57 Euro
Antrag zu 2.2: 33.282,89 Euro
Anträge Anschlussberufung 77,04 Euro
Summe 48.193,50 Euro
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 ZPO) liegen nicht vor.
Verkündet am: 20.07.2023