von Thomas Ax
1. Fehlt eine schriftliche Honorarvereinbarung, wird nach § 7 Abs. 5 HOAI 2013 unwiderleglich vermutet, dass die Mindestsätze vereinbart sind.
2. Die Stellung einer Schlussrechnung, in der die Honorarforderung nicht vollständig ausgewiesen ist, beinhaltet regelmäßig keinen konkludenten Verzicht auf die weitergehende Forderung.
3. Der Einwand widersprüchlichen Verhaltens steht der Geltendmachung eines Mindestsatzhonorars nur dann entgegen, wenn der Auftraggeber auf die Wirksamkeit der Vereinbarung vertraut hat und vertrauen durfte und er sich darauf in einer Weise eingerichtet hat, dass ihm die Zahlung des Differenzbetrages zwischen dem vereinbarten Honorar und den Mindestsätzen nach Treu und Glauben nicht zugemutet werden kann.
4. Wird der Architekt mit der Einholung der Baugenehmigung beauftragt, kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass damit auch die übrigen Leistungen der Leistungsphase 1 bis 4 erbracht werden sollen. Entscheidend ist vielmehr, was die Parteien tatsächlich als Leistungen vereinbart haben.
5. Ein Anspruch auf Ersatz eines Verzögerungsschadens setzt voraus, dass dem Auftraggeber infolge des von ihm behaupteten Verzugs ein Schaden entstanden ist.
6. Für den vom geschädigten Auftraggeber zu führenden Beweis eines entgangenen Gewinns gilt ein objektiver Maßstab. Abzustellen ist auf den gewöhnlichen Lauf der Dinge, wobei stets die individuellen Verhältnisse maßgebend sind. Die bloße Möglichkeit eines Gewinns genügt als Nachweis noch nicht.
OLG Karlsruhe, Urteil vom 28.10.2022 – 4 U 142/20
vorhergehend:
LG Freiburg, 17.07.2020 – 2 O 429/18
nachfolgend:
BGH, Beschluss vom 14.02.2024 – VII ZR 221/22
Gründe:
I.
Der Kläger begehrt von der Beklagten restliches Architektenhonorar für seine Tätigkeit bei dem Bauvorhaben Um- und Anbau des Gasthofs N. in …. M… in Höhe von 12.339,37 Euro. Die Beklagte wendet sich dagegen und rechnet, teilweise hilfsweise, mit vermeintlichen Schadensersatzansprüchen auf.
Der Kläger ist Architekt. Die Beklagte ist seit 2012 Eigentümerin des Gasthofs N. und plante mehrere bauliche Veränderungen: Sie beabsichtigte die Errichtung eines Anbaus (1. Anbau) an der nordöstlichen Giebelseite für Holz-/Pelletslagerung und die Ver- und Entsorgung des Gaststättenbetriebs. Ein weiterer Anbau (2. Anbau) war an der südöstlichen Seite vorgesehen. Dort sollte eine Kühlzelle unterkommen und die Küche erweitert werden. Die Dächer der beiden Anbauten wollte die Beklagte als Dachterrasse für die dort im Bestandsgebäude befindlichen Zimmer nutzten. Einen 3. Anbau plante die Beklagte an der Hangseite. Dort sollte unter Abriss eines bereits bestehenden Anbaus ein Neubau errichtet werden, der “in die Beherbergungsnutzung im Zuge der […] geplanten Modernisierung der geplanten Einzel- und Doppelzimmer” einbezogen werden sollte.
Die Beklagte hatte in Pläne der Voreigentümerin handschriftlich eine Skizze für die geplanten Gebäudeerweiterungen nach ungefährer Lage und Größe und eine neue Raumaufteilung gezeichnet. Ebenso die dadurch ausgelösten baulichen Veränderungen in den angrenzenden Altgebäudeteilen. Die Beklagte war erstinstanzlich der Auffassung, bei dieser Skizze handele es sich um die abgeschlossene Vorplanung.
Die Beklagte hat den Kläger zumindest mit der Einholung der Baugenehmigung für diese vorgenannten baulichen Veränderungen beauftragt. Für das Vorhaben gab es bereits Planungen eines anderen Architekten (B.).
Der Kläger erbrachte Leistungen und reichte am 21.04.2017 (Anlage K 15) den Bauantrag ein. Am 04.12.2017 wurde das Bauvorhaben genehmigt (Anlage K 2). Mit Rechnung vom 14.12.2017 berechnete der Kläger seine Leistungen auf Stundenlohnbasis mit 12.024,08 Euro (Anlage K 3), worauf die Beklagte bereits am 05.05.2017 eine Abschlagszahlung in Höhe von 7.000 Euro geleistet hatte. Nachdem die Beklagte auf die Rechnung vom 14.12.2017 keine Zahlung leistete, stellte der Kläger im Mai 2018 einen Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids über diesen Betrag. Während dieses noch laufenden Verfahrens wies der Anwalt des Klägers die Beklagte Anfang Juli 2018 darauf hin, dass dem Kläger ein Anspruch auf Mindesthonorar nach der HOAI zustehe. Mit Schreiben vom 26.09.2018 erklärte der Prozessbevollmächtigte des Klägers die Rücknahme des Mahnbescheidsantrags.
Währenddessen machte der Kläger mit weiterer Rechnung vom 01.07.2018 (Anlage K 6) nunmehr auf der Grundlage der Mindestsätze der HOAI für die Leistungsphasen 1 bis 4 insgesamt 19.339,37 Euro geltend. Unter Abzug der geleisteten Anzahlung (7.000 Euro) begehrt der Kläger mit der vorliegenden Klage den noch offenen Restbetrag in Höhe von 12.339,37 Euro.
Die Beklagte gesteht nur eine Restforderung in Höhe von 4.474,30 Euro zu.
Sie macht wegen vermeintlich verzögerter Leistung des Klägers einen Schadensersatz für entgangenen Gewinn (Pachteinnahmen) in Höhe von monatlich 5.000 Euro geltend und erklärt damit die Aufrechnung gegenüber der zugestandenen Restforderung und darüber hinaus hilfsweise gegenüber der gesamten geltend gemachten Klageforderung.
Das Landgericht, auf dessen Feststellungen zum erstinstanzlichen Sach- und Streitstand Bezug genommen wird (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO), soweit sie nicht Gegenstand der Tatbestandsberichtigungsanträge sind, hat der Klage stattgegeben und die Beklagte antragsgemäß verurteilt.
Die Klage sei begründet. Die Beklagte habe keine aufrechenbare Gegenansprüche.
Der Kläger habe einen Anspruch auf Architektenhonorar für die Leistungsphasen 1 bis 4 aus § 631 BGB in Verbindung mit der HOAI.
Die ursprünglich zwischen den Parteien getroffene Vereinbarung, nach der der Kläger seine Leistung auf Stundenbasis abzurechnen habe, sei unwirksam. Nach der unwiderleglichen Vermutung des § 7 Abs. 5 HOAI hätten die Mindestsätze der HOAI als vereinbart gegolten, da die Parteien keine abweichende schriftliche Vereinbarung getroffen hätten. Diese Regelung sei vom Urteil des europäischen Gerichtshofs vom 04.07.2019 nicht betroffen, da dieser weder § 7 Abs. 1 HOAI, wonach die Honorarvereinbarung schriftlich zu treffen sei, noch die in § 7 Abs. 5 HOAI normierte unwiderlegliche Vermutung beanstandet habe. Zwar habe der europäische Gerichtshof die Erforderlichkeit der Mindestsätze beanstandet, dies schließe aber nicht aus, dass sich die Parteien auf die Mindestsätze oder, ohne die Beträge als Mindestsätze zu benennen, auf Beträge in Höhe der Mindestsätze einigen.
Der Kläger sei nicht nur mit der Leistungsphase 4, sondern auch mit den Leistungsphasen 1 bis 3 beauftragt worden. Zu diesem Ergebnis gelange das Gericht auf der Grundlage der Angaben des Klägers, den vorgelegten Plänen und der Aussage des Zeugen Dr. F. in der mündlichen Verhandlung vom 04.03.2020.
Die Beklagte habe keine aufrechenbare Gegenansprüche. Weder bestehe ein Anspruch wegen verzögerndem Verhalten des Klägers, noch sei dadurch ein Schaden entstanden.
Der Kläger habe keinen festen Termin für die Einreichung des Bauantrags zugesagt. Auch wenn der Zeuge Dr. F. dies angegeben habe und glaubwürdig sei, sei das Gericht nicht von der Richtigkeit der Aussage überzeugt.
Der Kläger habe eine solche Zusage verneint. Eine solche Zusage bereits im ersten Telefonat mit Dr. F. unwahrscheinlich, da der Kläger weder die Planung des vorbefassten Planers noch die Details der Änderungswünsche und das Ausmaß der Beteiligung der Fachbehörden gekannt habe. Der Kläger habe zwar den Zeitplan der Beklagten gekannt und erklärt, frühestens im September 2016 mit der Ausarbeitung zu beginnen, was er dann allerdings nicht getan habe. Er habe mit dieser Äußerung auch in Kenntnis des Zeitplans der Beklagten nicht die Verantwortung für dessen Einhaltung übernommen.
Einen Verzögerungsschaden könne die Beklagte nicht mit Erfolg geltend machen, weil keine Mahnungen ausgesprochen worden seien.
Auch das “Thema Trennwand” habe nicht zu einer schadensauslösenden Verzögerung geführt. Hierfür wäre nicht auf das Datum der Baugenehmigung, sondern auf das der Baufreigabe abzustellen, welche erst am 17.08.2018 erfolgt sei. Dies sei eine Verzögerung, für die der Kläger nicht einzustehen habe. Die gesamte Verzögerungsproblematik habe sich daraus ergeben, dass die Beklagte Umbaumaßnahmen geplant habe, ohne eine Baufreigabe für das Vorhaben, das erst noch zu planen war, gehabt zu haben.
Der Beklagten sei auch kein Schaden entstanden. Bis zu dem Termin vom 09.06.2020 sei das Gericht davon ausgegangen, die Beklagte könnte konkrete Bewerber für das Objekt ab dem Frühjahr 2018 gehabt haben.
Die Aussage des Zeugen Dr. F. habe aber ergeben, dass das Objekt wiederbelebt werden solle und dies in einer Form, die derzeit nicht feststehe. Ferner seien nach den Angaben des Zeugen nunmehr statische Probleme aufgetreten, so dass eine Inbetriebnahme derzeit nicht gegeben sei. Bei dieser Sachlage sei auch unter dem Gesichtspunkt der abstrakten Schadensberechnung kein Schaden gegeben.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie ihr erstinstanzliches Begehren weiterverfolgt.
Die Beklagte rügt, das angefochtene Urteil beruhe auf der Verletzung formellen und materiellen Rechtes, insbesondere auf dem Verstoß gegen den Grundsatz auf rechtliches Gehör und einer Verletzung der §§ 138, 139, 278 ZPO sowie der §§ 631 Abs. 1, 650p Abs. 1, Abs. 2 BGB i.V.m. 7 HOAI.
Der Kläger habe keinen Anspruch auf das Mindesthonorar nach § 7 HOAI da diese Regelung nach dem Urteil des EuGHs vom 04.07.2019 europarechtswidrig sei und auch nicht in Verträgen mit privaten Auftraggebern angewendet werden könne. Das Landgericht habe sich zu dieser Frage nicht mit dem Vortrag der Beklagten auseinandergesetzt und daher ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt. Zudem sei das Urteil in diesen Punkt widersprüchlich und willkürlich, da es die Geltung der Mindestsätze angenommen habe, ohne eine diesbezügliche Vereinbarung zwischen den Parteien festzustellen.
Ein weiterer Verstoß gegen den Anspruch der Beklagten auf rechtliches Gehör ergebe sich aus der Begründung des Anspruchs aus § 631 BGB i.V.m. der HOAI. Daran zeige sich, dass das Landgericht die zentrale Spezialvorschrift für das Architektenhonorar, § 650p BGB, ungeprüft und unangewendet gelassen habe.
Zudem beruhe das Urteil des Landgerichts auf der Verletzung des rechtlichen Gehörs, weil es insgesamt von einem unzutreffenden Sach- und Streitstand ausgehe. Es habe den Kern des Vortrags der Beklagten nicht zur Kenntnis genommen und gewürdigt. Daher habe die Beklagte auch fünf Tatbestandsberichtigungsanträge gestellt, die allerdings vom Einzelrichter wegen Erreichens der Altersgrenze nicht mehr hätten beschieden werden können, woraufhin sie zu zurückgenommen worden seien. Das Berufungsgericht werde daher nicht von den Tatsachenfeststellungen des Landgerichts ausgehen können. Wegen der fünf Berichtigungsanträge sei im Berufungsverfahren zugunsten der Beklagten von ihrer Begründetheit auszugehen und deswegen im Hinblick auf den Anspruch der Beklagten auf Wahrung des rechtlichen Gehörs davon, dass das Landgericht ihren Tatsachenvortrag nicht nur wegen der fünf gerügten Einzelantragsgegenstände, sondern insgesamt nicht umfassend und zutreffend zur Kenntnis genommen und gewürdigt habe. Daraus sei zu folgern, dass das angefochtene Urteil bei zutreffender Kenntnisnahme und Würdigung der vorgetragenen und unter Beweis gestellten Tatsachen mit einer Klageabweisung geendet hätte.
Was die Hilfsaufrechnung mit Schadensersatzansprüchen der Beklagten angehe, habe das Landgericht zu Unrecht sowohl dem Grunde nach einen Schadensersatzanspruch abgelehnt als auch rechtsfehlerhaft die haftungsausfüllende Kausalität verneint.
Soweit das Landgericht einen Schadensersatzanspruch wegen Leistungsverzugs verneint und damit begründet habe, trotz der Aussage des glaubwürdigen Zeugen Dr. F. sei es nicht davon überzeugt, dass der Kläger bereits bei dem Auftragstelefonat am 30.06.2016 zugesagt habe, den Bauantrag bis Ende September 2016 einzureichen, werde diese Beweiswürdigung durch das Landgericht mit der Berufung angegriffen. Das Landgericht habe beweiserhebliche Tatsachen nicht ausgeschöpft und die Grenzen seiner Überzeugungsbildung überschritten. Der Zeuge, ein Rechtsanwalt, sei als solcher von Berufs wegen der Wahrheit verpflichtet. Er habe seine bereits gemachten Angaben bei seiner Einvernahme am 09.06.2020 eingehend und widerspruchsfrei wiederholt. Diese Angaben fügten sich widerspruchsfrei in das Erklärungsverhalten der Beklagten durch den Zeugen als ihren anwaltlichen Vertreter in den Schriftsätzen ein.
Das Landgericht habe ferner unbehandelt gelassen, dass Dr. F. bereits in seiner Vernehmung vom 04.03.2020 dem Gericht seine Originalgesprächsnotiz vom ersten Gespräch mit dem Kläger angeboten habe.
Dagegen sei unerheblich, dass der Kläger eine solche Zusage auf ausdrückliche Befragung des Gerichts in der mündlichen Verhandlung vom 09.06.2020 verneint habe. Denn er habe dies auch zuvor schon schriftsätzlich bestritten. Darin liege kein Beweis gegen die Glaubhaftigkeit des Zeugen und Rechtsanwalts Dr. F., da dies die bloße Wiederholung einer Parteierklärung auf Vorhalt des Gerichts sei.
Nehme man dieses Erklärungsverhalten beider Parteien mit den Aussagen des Zeugen Rechtsanwalt Dr. F. zusammen, ergebe sich ein widerspruchsfreies Bild für die Glaubhaftigkeit der Bekundung des Zeugen zu der vom Kläger verpflichtend übernommenen Terminserledigung bis Ende September 2016.
Da der Kläger unstreitig erst am 14.12.2016 mit der Auftragsbearbeitung begonnen habe, sei spätestens ab dem 01.10.2016 Verzug eingetreten.
Das Landgericht habe des Weiteren die Zusage eines festen Ersatztermins für die Einreichung des Bauantrags noch vor Weihnachten 2016 ungeprüft gelassen. Diese Behauptung sei unstreitig. Die Behauptung des Klägers im Schriftsatz vom 26.02.2020, zwischen den Parteien sei keine feste Planungszeit vereinbart worden, sei unsubstantiiert und daher unerheblich. Zudem habe Dr. F. diesen Vortrag bei seiner Vernehmung als Zeuge am 04.03.2020 ohne Widerspruch des Klägers glaubhaft bestätigt. Für diesen vom Kläger fest versprochenen Ersatztermin habe es keiner Mahnung bedurft, da der Kläger seinen Leistungstermin selbst nach dem Kalender bestimmt habe.
Selbst wenn man nicht von einer festen Terminszusage des Klägers zur Fertigstellung der Planunterlagen und der Einreichung des Bauantrags ausgehen wolle, habe er im Zweifel alsbald nach Vertragsschluss mit der Herstellung seines Werkes zu beginnen und es in angemessener Zeit zügig zu Ende zu führen. Mit Ablauf der angemessenen Fertigstellungsfrist trete dann die Fälligkeit der Leistung ein.
Der Kläger habe erst am 14.12.2016 mit seiner Tätigkeit begonnen und bis zur Einreichung des Bauantrags am 04.05.2017 rund 5 Monate benötigt. Hätte er die Arbeit wie versprochen Anfang September 2016 aufgenommen, wäre dies keinesfalls länger gewesen. Damit sei mit Ablauf des Januars 2017 der Verzug des Klägers ohne Mahnung eingetreten (§§ 271 Abs. 2, 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB). Selbst bei der Lieferung Ende Januar 2017 wäre die Genehmigung unter Zugrundelegung der tatsächlichen Bearbeitungszeit von rund 6,5 Monaten Mitte Juli 2017 erteilt worden und der Bauunternehmer L., der seine Kapazitäten für die gesamten Baumaßnahmen extra für die Beklagte durchgängig vorgehalten und eingeplant habe, hätte sie noch so rechtzeitig durchführen können, dass noch vor dem Wintereinbruch der Rohbau hätte abgeschlossen werden können. Der Innenausbau wäre dann wie geplant im Winter 2017/2018 durchgeführt worden und der Zeitplan der Beklagten wäre eingehalten worden.
Das Landgericht nehme in den Urteilsgründen zur Frage der Verzögerung weiter auf eine Anlage K 12 Bezug, die der Beklagten nicht übermittelt worden sei. Dies habe die Beklagte bereits mit Schriftsatz vom 14.01.2019 gerügt. Gleichwohl sei die Anlage nicht übersandt worden. Das Landgericht habe dann weder auf die Erheblichkeit dieser Anlage hingewiesen noch die Anlage der Beklagten vorab zur Stellungnahme übersandt, sondern einfach entschieden. Hierin liege sowohl eine Verletzung der Hinweispflicht als auch eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör.
Ob der zur Hilfsaufrechnung gestellte Schadenersatzanspruch der Beklagten begründet sei, weil der Kläger den Zeitplan der Beklagten nicht eingehalten habe, sei vom Landgericht rechtsfehlerhaft nicht als Frage der haftungsausfüllenden Kausalität geprüft worden.
Das Landgericht habe dann das “Thema Trennwand” zu Unrecht als Frage der schadensauslösenden Verzögerung geprüft. Nach dem Vortrag des Klägers betreffe die Trennwand aber nicht die Frage einer Pflichtverletzungshandlung, die einen Schadensersatzanspruch der Beklagten begründe, weil der Schaden wie eben ausgeführt bereits eingetreten sei, sondern die haftungsausfüllende Kausalität. Das Landgericht habe bei seiner Annahme, das “Thema Trennwand” habe nur zu einer unmaßgeblichen Verzögerung geführt, weil neben diesem Thema in der Zwischenverfügung der unteren Denkmalbehörde vom 11.07.2017 weitere vier Punkte zu erledigen gewesen seien, unbeachtet gelassen, dass die Beantwortung der Fragen zu diesen vier weiteren Punkten innerhalb eines Tages möglich gewesen wäre. Die isolierte Beantwortung der Fragen zu diesen Punkten habe aber keinen Sinn gemacht, so dass die Beklagte zu diesen Punkten in einem Schreiben vom 08.08.2017 (Anlage B 10) Stellung genommen habe, in dem sie auch auf das Thema Trennwand eingegangen sei (Punkt 1). Zu diesem ersten Punkt habe man sich erst zu dieser Zeit nach mehreren Befragungen der Mutter der Beklagten äußern können. Daraus ergebe sich, dass die vier weiteren vom Landgericht angenommenen Punkte der Zwischenverfügung keine maßgebliche Verzögerungsursache gewesen seien. Die erhebliche Verzögerungsursache sei ausschließlich das “Thema Trennwand” gewesen.
Es komme hinzu, dass das Landgericht auf diesem von ihm für erheblich gehaltenen Gesichtspunkt nicht hingewiesen habe. Hierin liege ein Verstoß gegen die Aufklärungs- und Hinweispflicht gegenüber der Beklagten. Wäre ein Hinweis erfolgt, hätte die Beklage wie soeben ausgeführt vorgetragen. Es sei nicht ausgeschlossen, dass dann die Klage abgewiesen worden wäre.
Auch die weitere Annahme des Landgerichts, das “Thema Trennwand” sei nicht schadensursächlich gewesen, da auf das Datum der Baufreigabe abzustellen sei, die erst einige Monate später am 17.09.2018 erfolgt sei, wofür der Kläger nicht einzustehen habe, sei fehlerhaft. Zudem habe das Landgericht keinen Hinweis erteilt, dass es nicht den Zeitpunkt der Baugenehmigung, sondern den der Baufreigabe für erheblich halte, so dass die Beklagte keinen ergänzenden Vortrag hierzu habe halten können, der wie folgt laute: Die Beklagte hätte sofort mit Erteilung der Baugenehmigung mit den Arbeiten an den Anbauten und am Ersatzbau begonnen, da diese einen baugenehmigungsfreien Teil gehabt hätten. Zu diesem hätte der Abriss der Doppelgaragen und die Hangabtragung im nordöstlichen Bereich und die Hangabtragung im südöstlichen Bereich gehört. Diese Arbeiten hätten sofort mit der Baugenehmigung aufgenommen werden können, weil durch ihre Erteilung gesichert gewesen sei, dass das Bauvorhaben mit den beiden Anbauten an das denkmalgeschützte Gebäude überhaupt und unter Genehmigung des Denkmalschutzamtes mit den Eingriffen in die Nordost- und Südostfassaden hätte errichtet werden können.
Es beruhe – wie ausgeführt – auf dem schadensbegründenden Verhalten des Klägers, dass die Baufreigabe erst am 17.09.2018 erteilt worden sei. Im Ausgangspunkt habe das oben bereits dargestellte schadensbegründende Verhalten des Klägers dazu geführt, dass die Baugenehmigung erst am 20.10.2017 erteilt und der Beklagen erst am 04.12.2017 übermittelt worden sei, so dass eine Bauumsetzung für das Jahr 2017 wegen der Absage des Bauunternehmers L. bereits ausgeschlossen gewesen sei. Die in der Baugenehmigung für die Erteilung des Bauscheins geforderte Vorlage der statischen Berechnung einschließlich der Positions- und Konstruktionspläne der Unteren Baurechtsbehörde habe daher keine Eile gehabt und sei in der Zeit vor Weihnachten “und weit über den Jahreswechsel hinaus wegen der im Bereich des Landkreises F. tatsächlich ausgeübten ‘Bauferien’ mit Skifreizeiten etc.” ohnehin nicht zu erreichen gewesen. Außerdem habe der Bauunternehmer L. der Beklagten mitgeteilt, dass vor Ende der Ferienzeit nicht mit der Errichtung der beiden genehmigten Anbauten und des Ersatzbaus gerechnet werde konnte, da er bis dorthin voll ausgelastet sei.
Die Beklagte hätte die vorstehendenden Ergänzungen und Erläuterungen vorgenommen, wenn das Landgericht darauf hingewiesen hätte, dass es diese Aspekte für entscheidungserheblich halte. Aus diesen ergebe sich, dass die Verzögerung von einem Jahr ausschließlich auf der pflichtwidrig verzögerten Stellung des Bauantrags beruhe.
Für die Berechnung des Schadens komme es darauf an, wann der Bauschein erteilt worden wäre, wenn der Kläger seine Leistung pflichtgemäß erbracht hätte und nicht, welcher Zeitraum zwischen der Erteilung der Baugenehmigung bis zur Erteilung des Bauscheins verstrichen sei. Hätte die Baugenehmigung entsprechend den Vorausführungen allerspätestens Mitte Juli 2017 vorgelegen, wäre der Bauschein bei einer Regelbearbeitungszeit des Bauamtes des Landkreises Freiburg von längstens einem Monat nach der dann sofort erstellten und vorgelegten statischen Berechnung spätestens Mitte August 2017 erteilt worden und damit vor der vom Bauunternehmer L. geplanten Wiederaufnahme seines Baugeschäftsbetriebes mit dem Ende der Betriebsferien.
Auch die weiteren Urteilsfeststellungen, der Beklagten sei kein Schaden durch den Kläger entstanden, da nach den Angaben des Zeugen Dr. F. in dem Termin der mündlichen Verhandlung vom 09.06.2020 das Objekt wegen später aufgetretener statischer Probleme nicht fertig gestellt und auch nicht wiederbelebt sei, würden die Beklagte abermals in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör verletzen. Durch diese Aussage sei es entgegen der Annahme des Landgerichts nicht zur einer Änderung der bisherigen Zielrichtung des Vortrags gekommen. Die Beklagte habe nie vorgetragen, ab Frühjahr 2018 konkrete Bewerber für das Objekt gehabt zu haben. Außerdem sei die Fertigstellung und Wiederbelebung keine Voraussetzung für einen Schadensersatzanspruch für einen Pachtausfall als Verzögerungsschaden. Die Beklagte habe auf die Aufforderung des Landgerichts mit Verfügung vom 20.01.2020, die Ersatzansprüche wegen der Verzögerung zu beziffern, mit Schriftsatz vom 20.02.2020 vorgetragen. Aus diesen Angaben habe sich nicht ergeben, dass es bereits konkrete Bewerber gegeben habe. Vielmehr habe der Vortrag dazu gedient, dem Gericht Tatsachen für eine Mindestschadensschätzung nach § 287 ZPO an die Hand zu geben.
Die vom Landgericht aufgegriffenen statischen Probleme seien gemessen an dem Gesamtplan von untergeordneter und vorübergehender Art. Die denkmalschutzrechtliche Genehmigung für die teilweise Erneuerung und statische Ertüchtigung der Flurwand sei nur eine Zeitfrage und ändere an dem Gesamtausbau nichts. In diesem Innenausbauproblem liege kein dem Kläger zurechenbarer Vorteil, weil dieses an der Nutzungsausfallzeit von einem Jahr, die auf die auf die Pflichtverletzung des Klägers zurückzuführen sei, nichts ändere.
Die Beklagte beantragt,
unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts Freiburg im Breisgau vom 09.06.2020 – 2 0 429/18 – die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil und wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen.
Das Landgericht sei aus rechtlich zutreffenden Erwägungen zu dem Ergebnis gelangt, der Kläger habe einen Anspruch auf ein Mindesthonorar nach § 7 Abs. 5 HOAI. Auch nach dem Urteil des EuGHs vom 04.07.2019 sei zumindest im Rechtsverkehr zwischen Privaten § 7 Abs. 5 HOAI weiter anzuwenden.
Soweit die Beklagte in der Berufungsbegründung rüge, das Landgericht habe den Anspruch auf § 631 BGB i.V.m. der HOAI gestützt und die Regelungen über Architektenverträge in §§ 650p bis 650t BGB nicht gesehen, verkenne sie, dass zum Zeitpunkt des Abschlusses des Architektenvertrags im Jahr 2016 die Bestimmungen der §§ 650p ff. BGB noch nicht gegolten hätten und erst auf Verträge Anwendung fänden, die nach dem 31.12.2017 abgeschlossen worden seien (EGBGB Art. 229 § 39).
Das Landgericht sei auf der Grundlage der Aussage von Dr. F. als Zeuge und unter Berücksichtigung der vom Kläger vorgelegten Planunterlagen zu dem zutreffenden Ergebnis gelangt, der Kläger sei nicht nur mit der Genehmigungsplanung (Leistungsphase 4), sondern auch mit der Grundlagenermittlung (Leistungsphase 1), der Vorplanung (Leistungsphase 2) und der Entwurfsplanung (Leistungsphase 3) beauftragt worden. Die Beklagte greife die Beweiswürdigung des Landgerichts nicht an. Sie stelle die in der ersten Instanz festgestellten Tatsachen, die das Landgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt habe, nicht mit konkretem Sachvortrag in Frage.
Zu Recht habe das Landgericht festgestellt, der Beklagten stünden keine aufrechenbare Gegenansprüche zu.
Der Kläger habe keinen festen Termin zugesagt, bis zu dem er den Bauantrag einreichen werde. Das Landgericht habe die Zeugenaussage des Zeugen Dr. F. und die Anhörung des Klägers im Ergebnis rechtsfehlerfrei so gewürdigt, dass es eine feste Zusage für die Einreichung der Baugenehmigungsunterlagen nicht gegeben habe. Selbst wenn man zu einem anderen Beweisergebnis komme, wäre zugunsten der Beklagten bestenfalls von einem non liquet auszugehen, d.h. mangels schriftlicher Vereinbarung über den Termin zur Abgabe der Baugenehmigungsunterlagen wäre im Rahmen der Beweiswürdigung davon auszugehen, dass ein fester Termin zur Abgabe der Baugenehmigungsunterlagen Ende September 2016 aufgrund der divergierenden Aussagen des Klägers und des Zeugen Dr. F. nicht als bewiesen anzusehen sei.
Das Landgericht habe weiter zu Recht festgestellt, dass ein Verzug nach § 286 BGB nach der Aussage des Zeugen Dr. F. nicht vorliege, da dieser Mahnungen nicht ausgesprochen habe.
Im Übrigen bleibe festzuhalten, dass Genehmigungsverzögerungen, die durch die Bearbeitung des Bauantrages aufgrund der Beteiligung zahlreicher Träger öffentlicher Belange u.a. der Denkmalschutzbehörde eingetreten seien, vom Kläger nicht zu vertreten seien.
Auch die Feststellung des Landgerichts, der Beklagten sei kein Schaden entstanden, mit der sie gegenüber der Klageforderung aufrechnen könne, sei zutreffend. Es stehe fest, dass die Umbaumaßnahmen bis heute nicht abgeschlossen seien. Der Zeuge Dr. F. habe in seiner Vernehmung am 09.06.2020 eingeräumt, es sei zu Fertigstellungsverzögerungen gekommen, die der Kläger nicht zu vertreten habe. Die Arbeiten hätten im Frühjahr 2018 – also bis zu dem Termin, den die Beklagte sich als Fertigstellungstermin gewünscht habe, abgeschlossen werden können, wenn es nicht zu Bauverzögerungen gekommen wäre, die darauf beruhten, dass Handwerker die ihnen in Auftrag gegebenen Arbeiten nicht ausgeführt hätten. Zu alledem seien auch noch statische Probleme aufgetreten. All dies habe der Kläger nicht zu vertreten.
Die Behauptung der Beklagten, ihr entgehe seit dem Frühjahr 2018 ein monatlicher Pachtzins in der Größenordnung von 5.000,00 Euro sei aus der Luft gegriffen und entbehre jeglicher Grundlage. Das Objekt sei bis heute nicht fertiggestellt und könne deswegen nicht verpachtet werden. Derzeit stehe deswegen noch nicht einmal fest, ob das Objekt überhaupt je verpachtet werden und kostendeckend und rentabel bewirtschaftet werden könne.
Wegen der Einzelheiten des Berufungsvorbringens wird auf die beiderseitigen Schriftsätze nebst Anlagen und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 06.10.2022 verwiesen.
II.
Die Berufung der Beklagten ist zulässig, aber nicht begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf Architektenhonorar in der geltend gemachten Höhe (1). Die Aufrechnung und die Hilfsaufrechnung der Beklagten bleiben ohne Erfolg (2): Weder gelang ihr der Nachweis, dass ihr Gewinn entging, noch ist ein unterstellter Verzug des Klägers ursächlich für einen Schaden bei der Beklagten, da u.a. aufgrund statischer Probleme, die nicht dem Kläger zuzurechnen sind, die Baumaßnahmen nach wie vor nicht abgeschlossen sind und der Gasthof noch nicht wiedereröffnet ist.
1. Der Kläger hat einen Anspruch auf Architektenhonorar gem. § 631 BGB (a) i.V.m. §§ 7 Abs. 1, 3, 5, 56 HOAI 2013 in Höhe des Mindestsatzes (b) für die Leistungsphasen 1 bis 4 (c) in Höhe von 12.339,37 Euro.
a) Der Anspruch des Klägers ergibt sich aus § 631 BGB i.V.m. den Regelungen der HOAI 2013. Entgegen der Auffassung der Beklagten sind auf das Vertragsverhältnis nicht die Regelungen der §§ 650p ff. BGB anwendbar. Die Parteien haben im Jahr 2016 einen mündlichen Architektenvertrag geschlossen. Nach Art 229 § 39 EGBGB findet auf Schuldverträge, die vor dem 01.01.2018 abgeschlossen wurden, die Vorschriften des BGB in der bis zu diesem Tag geltenden Fassung Anwendung.
b) Der Kläger hat aus dem zwischen den Parteien im Jahr 2016 geschlossenen Architektenvertrag einen Anspruch auf Vergütung seiner erbrachten Architektenleistungen in Höhe der Mindestsätze gemäß § 56 Abs. 1 HOAI 2013 (aa). Er ist nicht an der Abrechnung nach den Mindestsätzen gehindert (bb).
aa) Mangels schriftlicher Honorarvereinbarung besteht kein Anspruch der Beklagten auf Abrechnung der Tätigkeit des Klägers nach Stunden. Nach § 7 Abs. 5 HOAI 2013 wird unwiderleglich vermutet, dass die Mindestsätze der HOAI 2013 vereinbart sind, wenn nicht bei Auftragserteilung etwas Anderes schriftlich vereinbart wurde.
Die Bestimmungen in § 7 HOAI 2013, nach denen ohne schriftliche Vereinbarung die Architektenleistung nach den Mindestsätzen zu vergüten ist, ist in einem laufenden Gerichtsverfahren zwischen Privatpersonen weiterhin anwendbar (BGH, Urteil vom 2. Juni 2022 – VII ZR 174/19 -). Weder kann § 7 HOAI unter Berücksichtigung der Entscheidung des EuGH vom 4. Juli 2019 (C-377/17 – Kommission/Deutschland) richtlinienkonform dahingehend ausgelegt werden, dass die Mindestsätze der HOAI im Verhältnis zwischen Privatpersonen grundsätzlich nicht mehr verbindlich sind, noch ist der Anspruch des Klägers als treuwidrig und unzulässig zu bewerten, weil die nationale Rechtsvorschrift, aus der der Anspruch hergeleitet wird, gegen eine Richtlinie der Europäischen Union verstößt (BGH, a.a.O.).
bb) Der Kläger ist nicht an einer Abrechnung nach den Mindestsätzen gehindert. Weder liegt eine konkludente Verzichtserklärung des Klägers vor (1), noch ist er nach den Grundsätzen von Treu und Glauben gem. § 242 BGB daran gehindert, nach den Mindestsätzen abzurechnen (2).
(1) Ein konkludent erklärter Verzicht des Klägers nach § 397 BGB auf eine Vergütung über die mit der ursprünglichen Schlussrechnung vom 14.12.2017 geltend gemachte Vergütung hinaus ist nicht festzustellen.
An die Feststellung eines Verzichtswillens sind strenge Anforderungen zu stellen, er darf nicht vermutet werden (BGH, Urteil vom 21. November 2006 – VI ZR 76/06 -). Selbst bei eindeutig erscheinender Erklärung des Gläubigers darf ein Verzicht deshalb nicht angenommen werden, ohne dass bei der Feststellung zum erklärten Vertragswillen sämtliche Begleitumstände berücksichtigt worden sind (BGH, Urteil vom 21. November 2006 – VI ZR 76/06 -; Urteil vom 15. Januar 2022 – X ZR 91/00 -). Diesen Grundsätzen entsprechend liegt auch in der Stellung einer Schlussrechnung, in der die Honorarforderung nicht vollständig ausgewiesen ist, regelmäßig kein Verzicht auf die weitergehende Forderung (BGH, Urteil vom 19. November 2015 – VII ZR 151/13 -).
Daher lässt sich alleine anhand des Umstands, dass der Kläger in seiner ersten Schlussrechnung seine Tätigkeit auf Stundenlohnbasis abrechnete, ein Verzichtswille nicht feststellen. Auch der Umstand, dass er diese Schlussrechnung zunächst im Mahnbescheidsverfahren geltend machte, den Mahnbescheidsantrag dann aber wieder zurücknahm, führt zu keinem anderen Ergebnis. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Kläger parallel zu dem laufenden Mahnbescheidsverfahren der Beklagten gegenüber durch seinen Anwalt mitteilen ließ, dass ihm ein Mindesthonorar zustehe, so dass aus den gesamten Begleitumständen kein Wille zum Verzicht festgestellt werden kann.
(2) Der Kläger ist auch nicht gem. § 242 BGB nach den Grundsätzen von Treu und Glauben gehindert, nach den Mindestsätzen abzurechnen. Diese Fälle gehören zur Fallgruppe der unzulässigen Rechtsausübung nach § 242 BGB in Gestalt des widersprüchlichen Verhaltens (Kniffka/Koeble/Jurgeleit/Sacher/ Kompendium des Baurechts, 5. Auflage 2020, Teil 11, Rn. 463).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs steht ein widersprüchliches Verhalten (1. Voraussetzung) nach Treu und Glauben einem Geltendmachen der Mindestsätze entgegen, sofern der Auftraggeber auf die Wirksamkeit der Vereinbarung vertraut hat (2. Voraussetzung) und vertrauen durfte (3. Voraussetzung) und er sich darauf in einer Weise eingerichtet hat (4. Voraussetzung), dass ihm die Zahlung des Differenzbetrages zwischen dem vereinbarten Honorar und den Mindestsätzen nach Treu und Glauben nicht zugemutet werden kann (5. Voraussetzung) (vgl. BGH, EuGH-Vorlage vom 14. Mai 2020 – VII ZR 174/19 -; BGH, Urteil vom 27. Oktober 2011 – VII ZR 163/10 -).
Letzteres setzt zum einen voraus, dass sich der Auftraggeber im Vertrauen auf die Wirksamkeit der Vereinbarung durch konkrete Dispositionen darauf eingerichtet hat, dass ein das vereinbarte Honorar übersteigendes Mindestsatzhonorar nicht gefordert wird; zum anderen ist erforderlich, dass die Zahlung des Differenzbetrags unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls für den Auftraggeber nicht mehr zumutbar ist, weil sie eine besondere Härte für ihn bedeutet (BGH, EuGH-Vorlage vom 14. Mai 2020 – VII ZR 174/19 -).
Diese beiden Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. Aus dem Vortrag der Beklagten ergibt sich nicht, dass sie überhaupt – und falls doch, welche – konkrete Dispositionen im Vertrauen auf die Wirksamkeit der Stundensatzabrechnung vornahm, weil sie sich auf diese eingerichtet hat. Zudem stellt die Beklagte auch keine sonstigen Umstände dar, aus denen sich ergibt, dass die Zahlung der Mindestsätze eine besondere – unzumutbare – Härte für sie begründet (vgl. zu diesem Erfordernis: BGH, EuGH-Vorlage vom 14. Mai 2020 – VII ZR 174/19 -; OLG Hamm, Urteil vom 23. Juli 2019 – I-21 U 24/18 -).
Entgegen der Auffassung der Beklagten führt auch das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 27. Oktober 2011 – VII ZR 163/10 – zu keinem anderen Ergebnis. Im Unterschied zu dem jener Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt stehen im Streitfall die Parteien schon nicht in einer ständigen Geschäftsbeziehung. Daher liegt keine Konstellation vor, bei der sich der Auftraggeber in seiner wirtschaftlichen Disposition auf die in einer Vielzahl von Fällen mit dem Architekten oder Ingenieur unterhalb der Mindestsätze vereinbarten Honorare eingestellt hat und befürchten muss, bei der Geltendmachung der Mindestsätze wirtschaftlich unzumutbar getroffen zu werden.
c) Die Feststellung des Landgerichts, der Kläger sei mit der Erbringung der Leistungsphasen 1 bis 4 beauftragt worden und habe diese erbracht, ist nicht zu beanstanden.
Unstreitig wurde der Kläger beauftragt, die Baugenehmigung einzuholen. Der Kläger war daher jedenfalls beauftragt, eine Tätigkeit zu erbringen, die der Leistungsphase 4 der HOAI unterfällt. aa) Ob bei dem Auftrag, die Baugenehmigung zu erwirken, auch die Leistungsphasen 1 bis 3 beauftragt wurden, richtet sich nach dem zwischen den Parteien geschlossenen Werkvertrag und ist – worauf das Landgericht zutreffend hinweist – durch Auslegung der Vereinbarung zu ermitteln (BGH, Urteil vom 6. Juli 2007 – VII ZR 157/06 -). Dabei sind nicht die Preisvorschriften der HOAI heranzuziehen, sondern die allgemeinen rechtsgeschäftlichen Grundsätze des BGB zur Feststellung und Auslegung von Willenserklärungen und Verträgen (BGH, a.a.O.). Nach dieser Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, a.a.O.) kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, die Beauftragung mit der Genehmigungsplanung bedeute in der Regel, dass auch die übrigen Leistungen der Leistungsphase 1 bis 4 erbracht werden sollen. Entscheidend ist vielmehr, was die Parteien tatsächlich als Leistungen vereinbart haben (vgl. Kniffka/Koeble/Jurgeleit/Sacher/ Kompendium des Baurechts, 5. Auflage 2020, Teil 11, Rn. 68).
Auch nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 06.07.2007 wird in der Rechtsprechung die Auffassung vertreten, der Auftrag, die Genehmigungsplanung zu erstellen, setze die systematisch vorangehende Überlegung und Planungsschritte der Grundlagenermittlung, Vor- und Entwurfsplanung entsprechend der Leistungsphasen 1 bis 3 notwendig voraus, wenn sie nicht von anderer Seite erbracht wurden (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 17. Februar 2010 – 8 U 143/09 -; LG München I, Urteil vom 31. Januar 2017 – 5 O 21198/15 -, BeckRS 2017, 103196 Rn. 10). Denn ohne diese Vorarbeiten wäre es dem Architekten nicht möglich festzustellen, ob ein Baugenehmigungsverfahren erfolgsversprechend geführt werden kann (LG München I, a.a.O.).
Etwas Anderes soll gelten, wenn die Tätigkeiten, die in den Leistungsphasen 1 bis 3 abgebildet werden, bereits durch Dritte erbracht worden sind und auf dieser Grundlage ein Architekt lediglich mit der Tätigkeit beauftragt wurde, die der Fertigung der Genehmigungsplanung, wie sie in der Leistungsphase 4 beschrieben wird, entspricht. Diese von Dritten erbrachten Arbeiten und erstellten Pläne müssen dann aber eine ausreichende Grundlage für die Genehmigungsplanung sein (LG München I, a.a.O.) und der Architekt darf nicht vom Auftraggeber mit der Erledigung von Aufgaben – insbesondere planerischen Leistungen – beauftragt worden sein, die nicht der Leistungsphase 4, sondern den Leistungsphasen 1 bis 3 unterfallen (vgl. OLG Karlsruhe, a. a. O.).
bb) Gemessen hieran ist das Ergebnis des Landgerichts, der Kläger sei mit der Erbringung der Leistungsphasen 1 bis 4 beauftragt worden und habe diese erbracht, nicht zu beanstanden. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Senats aus den Angaben des Zeugen Dr. F. im Termin der mündlichen Verhandlung vom 04.03.2020, den vom Kläger vorgelegten Planunterlagen und seinen Angaben im Rahmen der informatorischen Anhörung am 04.03.2020.
Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten, ihr Ehemann Dr. Richard F., schilderte als Zeuge, welche Tätigkeiten er als Vertreter der Beklagten vom Kläger verlangte und welche Planunterlagen des zuvor von der Beklagten beauftragten Architekten B. dem Kläger überlassen wurden. Danach hat der Architekt B. bei der Erstellung des als Anlage K 9 vorgelegten Plans lediglich die von Dr. F. gefertigte Bestandszeichnung über die genehmigte Bestandzeichnung gelegt. Daher habe dies, so der Zeuge Dr. F. weiter, im Detail überprüft werden müssen, besonders bezüglich Leitungen und Wänden. Bei dem ersten Ortstermin am 01.07.2016 sei dem Kläger das gesamte Objekt gezeigt worden, insbesondere seien die drei Bereiche, in denen Änderungen vorgesehen gewesen seien, dargelegt worden. Auch sei dem Kläger gesagt worden, wenn er aus seinem Fachwissen heraus Ideen habe, seien Änderungen denkbar. Bereits diese Umstände sprechen gegen die Annahme, der Kläger habe aus einer vollständig abgeschlossenen Vor- und Entwurfsplanung lediglich noch die Genehmigungsplanung erstellen müssen. Vielmehr hatte sich der Kläger auf der Grundlage der vom Zeugen Dr. F. für die Beklagte konkret mitgeteilten Vorstellungen der späteren Verwendung des Gebäudes Gedanken zu machen und zu beurteilen, wie diese planerisch umgesetzt werden können und wie die Genehmigungsvoraussetzungen einzuhalten sind.
Der Kläger hat sodann auch nicht die Genehmigungsplanung ohne Veränderungen auf der Grundlage der Entwurfsplanung des Architekten B. gefertigt, sondern er hat in mehreren Bereichen die Wünsche der Beklagten planerisch umgesetzt: Der 1. Anbau (nordöstlicher Anbau) sollte nach den Wünschen der Beklagten so breit wie möglich geplant werden. Dies erforderte, da er zu einem Bach hin gelegen war, eine Abklärung mit dem Hochwasserschutz, was durch den Kläger nach den Angaben von Dr. F. auch erfolgt ist. Dies deckt sich mit den Angaben des Klägers, der im Rahmen seiner informatorischen Anhörung in der mündlichen Verhandlung vom 04.03.2020 schilderte, hinsichtlich dieses Anbaus habe er in einer Besprechung am 22.12.2016 die Notwendigkeit der Klärung des Gewässerrandstreifens besprochen und von seinen Gesprächen zu diesem Punkt mit dem Leiter des Baurechtsamts M., dem Kreisbaumeister und der Dezernentin vom Gewässerschutz berichtet. Aus diesem Grund habe die Beklagte den Vermesser Bernauer beauftragt, den Gewässerverlauf zu ermitteln, da dieser konkret in die Planung einzuzeichnen gewesen sei.
Im Bereich der Gästezimmer im ersten Obergeschoss war es nach den Angaben von Dr. F. die Aufgabe des Klägers, nach den Vorstellungen der Beklagten bodentiefe Fenster zu planen. Auch sollte der Kläger im Obergeschoss drei Zimmer zur Bachseite hin neu planen und deren Nasszellen neu konzipieren. Ebenso sollten zwei Zimmer auf der Hangseite neu zugeschnitten werden. Diese Änderungen hat der Kläger planerisch umgesetzt, was sich auch aus einem Vergleich der als Anlage K 9 vorgelegten Pläne des Architekten B. mit den dann vom Kläger erstellten Plänen in der Anlage K 10 ergibt. Auch diesbezüglich handelt es sich nicht um eine bloße Übernahme der Vorplanung/Entwurfsplanung von Herrn B..
Auch im Bereich des 3. Anbaus (Hangseite) wurde, um dem Wunsch der Beklagten nach einem barrierefreien Zugang zu entsprechen, in Abweichung der B. Planung durch den Kläger eine Rampe geplant.
Zudem wurden mehrere planerische Varianten angedacht und dann wieder verworfen. Unter anderen die Idee der Überdachung der Terrasse, die zunächst vom Kläger planerisch umgesetzt (vgl. Anlage K 10), dann aber doch wieder verworfen wurde. Ebenso wurde im Bereich des 3. Anbaus (Hangseite) zunächst ein Flachdach geplant, dann aber ein Pultdach (vgl. die verschiedenen Darstellungen in den Schnitten A-A/B-B – bspw. in den Anlagen K 11 und K 15).
Aus alledem ergibt sich, dass die Vorplanung und Entwurfsplanung noch nicht durch den Architekten B. abgeschlossen war und der Kläger nur daran anschließend die Genehmigungsplanung zu fertigen hatte. Auch Dr. F. erklärte, der Kläger habe mit ihm zusammen an der B.-Planung das umgesetzt, was er geändert haben wollte und was Herr B. eigentlich machen wollte. Auch daran wird deutlich, dass der Kläger nicht nur an die Planung des Vorplaners anschloss, sondern diese erst änderte, um anschließend auf der Basis dieser geänderten Pläne die Genehmigungsplanung vorzunehmen.
Damit lagen bereits, was den Bestand anging, keine Pläne vor, auf denen der Kläger für eine Genehmigungsplanung hätte aufbauen können. Schon gar nicht war die Planung so konkret vorangeschritten und abgeschlossen, dass die Tätigkeit des Klägers sich darin erschöpfte, lediglich auf der Grundlage der feststehenden Planung eine Vorlage für die Baugenehmigung zu erstellen (vgl. zu diesem Aspekt der Abgrenzung: BGH, Urteil vom 06.12.2007 – VII ZR 157/06 -).
Da nach alledem feststeht, dass der Kläger für seinen Auftrag, die Genehmigungsplanung zu erstellen, nicht umfassend auf Vorleistungen aus den mit den Leistungsphasen 1 bis 3 abzurechnenden Tätigkeiten aufbauen konnte, sondern diese – was sich aus dem Vorstehenden ergibt – selbst erbracht hat und dazu durch die Beklagte, vertreten durch Dr. F., auch beauftragt war, hat er einen Anspruch auf Vergütung für die Leistungsphasen 1 bis 4 in der geltend gemachten Höhe. Die Beklagte hat die Grundlagen der Honorarberechnung nicht angegriffen.
Auch sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass diese fehlerhaft gewählt wurden.
2. Die Beklagte hat keine Gegenansprüche, mit denen sie aufrechnen kann.
Es kann dahingestellt bleiben, ob die Parteien einen festen Termin vereinbart haben, bis zu dem der Kläger spätestens die Genehmigungsunterlagen einreichen sollte, ob vom Kläger zu vertretende Verzögerungen vorlagen und ob die Voraussetzungen der haftungsbegründenden Kausalität erfüllt sind.
Auf alles dies kommt es nicht an, weil der Beklagten nicht der Nachweis gelang, dass ihr in Folge des von ihr behaupteten Verzugs des Klägers ein Schaden entstanden ist.
Daher ist auch die Anlage K 12 – deren nicht erfolgte Übersendung die Beklagte rügt – nicht entscheidungserheblich. Bei dieser Anlage handelt es sich um eine Tabelle des Klägers, wann er welche Tätigkeiten erledigt haben will, was lediglich mit der Frage einer etwaig verzögerten Leistungserbringung in Zusammenhang steht.
a) Bei der von der Beklagten zur Aufrechnung gestellten Gegenforderung handelt es sich um den Ersatz entgangenen Gewinns nach §§ 249 Abs. 1, 252 BGB. Ihr gelang aber nicht der Nachweis, dass ein solcher mit hinreichender Wahrscheinlichkeit hätte erzielt werden können. Die landgerichtlichen Feststellungen sind in diesem Punkt zutreffend.
aa) Nach § 249 Abs. 1 BGB hat derjenige, der zu Schadensersatz verpflichtet ist, denjenigen Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Der zu ersetzende Schaden umfasst auch den entgangenen Gewinn (§ 252 Satz 1 BGB). Als entgangen gilt der Gewinn, der nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge oder nach den besonderen Umständen, insbesondere nach den getroffenen Anstalten und Vorkehrungen, mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte.
Die Darlegungs- und Beweislast obliegt dem Geschädigten, vorliegend also der Beklagten. Für den Beweis des entgangenen Gewinns gilt ein objektiver Maßstab. Daher kann auf den gewöhnlichen Lauf der Dinge abgestellt werden. Maßgebend sind dabei stets die individuellen Verhältnisse. Die bloße Möglichkeit eines Gewinns genügt als Nachweis noch nicht. Es reicht also nicht, dass der Kläger lediglich subjektiv den Eintritt des Gewinns erwartet oder erhofft hat (Geigel, Haftpflichtprozess, 28. Aufl., Kap. 4 Personenschaden, Rn. 81).
bb) Gemessen hieran hat die Beklagte auch nach dem insoweit erleichterten Darlegungs- und Beweismaß der §§ 252 Satz 2 BGB, 287 ZPO nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit einen entgangenen Gewinn nachgewiesen. Die individuellen Verhältnisse stellen sich im Ausgangspunkt wie folgt dar: Ein Landgasthof soll nach längerer Betriebspause und umfangreicher Modernisierung wiederbelebt werden. Allerdings ist bereits nach dem Vortrag der Beklagten der endgültige Ausbauzustand, in dem dann die Wiederinbetriebnahme erfolgen soll, nach wie vor nicht bestimmt und bekannt. Auch ist noch keine Entscheidung getroffen, ob das Objekt verpachtet oder von der Nichte der Beklagten als familieninterne Lösung betrieben wird. Dies hat der Zeuge Dr. F. bei seiner Vernehmung in dem Termin der mündlichen Verhandlung vom 09.06.2020 so angegeben (Protokoll vom 09.06.2020, S. 4 – I 259). Pachtverhandlungen wurden damals nicht geführt. Die realistische Einschätzung des Zeugen war, dies sei wegen des Zustandes des Gasthofes auch nicht möglich, weil der Korpus und die Zimmer des Gebäudes gar nicht fertig seien (Protokoll vom 09.06.2020, S. 4).
Angesichts dieser konkreten Situation bleibt vage, wie das Gasthaus zugeschnitten sein wird, wie dessen Nutzung aussehen wird, ob und zu welcher Pachthöhe es verpachtet wird und werden kann. Hinzu kommt – worauf das Landgericht zutreffend hinweist -, dass von den Pachteinnahmen die vom Verpächter zu tragenden Kosten in Abzug zu bringen sind. Nach alledem lässt sich nicht mit einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit erkennen, von welchem gewöhnlichen Verlauf der Dinge für die Berechnung des entgangenen Gewinns auszugehen ist und dass überhaupt ein Gewinn wahrscheinlich ist.
b) Unabhängig davon gelang der Beklagten nicht der Nachweis, dass der behauptete Schaden auf dem vermeintlichen Verzug des Klägers beruht. Selbst wenn der Kläger, wie von der Beklagten behauptet, seine Leistung nicht wie zugesagt bis Ende September 2016, sondern erst im Frühjahr 2017 erbrachte und die Beklagte daher nicht im Jahr 2017 die An- und Umbaumaßnahmen durchführen konnte und aus diesem Grund der Innenausbau auch nicht im Winter 2017/2018 erfolgen konnte, war dies nicht ursächlich für den entgangenen Gewinn. Dies zeigt der nach der Differenzhypothese vorzunehmende Vergleich des tatsächlichen Ablaufs mit dem hypothetischen Ablauf:
Auch wenn der Kläger seine Arbeiten innerhalb der von der Beklagten behaupteten Frist erbracht hätte, wären die Sanierungsmaßnahmen gleichwohl nicht abgeschlossen gewesen und der Betrieb hätte auch dann noch nicht wiederaufgenommen werden können: Bei der Renovierung der Zimmer im Obergeschoss zeigten sich statische Probleme. Diese entstammen einem Bereich, für den der Kläger nicht zuständig war (vgl. Aussage Dr. F., Protokoll vom 09.06.2020, S. 3). Aufgrund dieser neu aufgetreten Situation verlangte die Baurechtsbehörde einen neuen Bauantrag, der am 09.06.2020 lediglich “auf den Weg gebracht” war (Protokoll vom 09.06.2020, S. 4). Durch diese zusätzlichen Statikprobleme traten somit eigenständige, nicht dem Kläger zurechenbare Verzögerungen auf, so dass auch am 09.06.2020 von Dr. F. nicht prognostiziert werden konnte, wann die gesamten Bauarbeiten abgeschlossen sind. Diese neu aufgetretenen Schwierigkeiten und ihre Auswirkungen auf den weiteren Ablauf der Arbeiten hat der Zeuge Dr. F. bei seiner Vernehmung am 09.06.2020 eindrucksvoll und nachvollziehbar geschildert (Protokoll vom 09.06.2020, S. 3 ff.).
Eine etwaige Verzögerung der Leistungserbringung durch den Kläger ist nicht dafür kausal, dass der Beklagten Gewinn entgeht. Der weitere Innenausbau stockte bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht nach wie vor u.a. wegen der Statikprobleme. Selbst bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz war der Innenausbau nicht fertiggestellt und das Betriebskonzept – fremdverpachtete oder familieninterne Lösung – noch nicht geklärt, wie der Beklagtenvertreter im Termin am 06.10.2022 bestätigte.
3. Auf etwaige Unrichtigkeiten in den erstinstanzlichen Feststellungen, die Gegenstand der fünf Tatbestandsberichtigungsanträge sind, kommt es nicht an. Sie betreffen keine Umstände, die entscheidungserheblich sind.
Dies gilt zunächst für den ersten und den dritten Berichtigungsantrag, bei denen es darum geht, ob eine Person bei einer Besichtigung zugegen war und wer dem Kläger Pläne in digitaler Form übersandt hat. Diese beiden Tatsachen sind nicht entscheidungsrelevant. Weder ist erheblich, ob die damalige Betreiberin des Gasthofs bei einer Besichtigung auch dabei war, noch kommt es darauf an, wer dem Kläger die digitalisierten Planunterlagen des vorbefassten Architekten übersandte.
Aber auch die Berichtigungsanträge Nummer 2 und 4 sind nicht entscheidungserheblich, betreffen sie doch die Fragen, wann die Beauftragung des Klägers erfolgte und wann mit den Umbauarbeiten begonnen werden konnte. Da wie oben dargestellt der Beklagten nicht der Nachweis gelang, dass ihr durch die von ihr behauptete verspätete Bearbeitung durch den Kläger ein Schaden entstanden ist, kommt es auf diese Tatsachen für die Entscheidung nicht an. Aus diesem Grund ist auch nicht die begehrte Streichung (Beginn des Gaststättenbetriebs) im Berichtigungsantrag Nummer 5 entscheidungserheblich.
Schließlich ist entgegen der Auffassung des Beklagten angesichts dieser fünf Berichtigungsanträge auch nicht davon auszugehen, dass das Landgericht den Tatsachenvortrag insgesamt nicht umfassend und zutreffend zur Kenntnis genommen und gewürdigt hat. Hierfür gibt es in den Entscheidungsgründen keine Anhaltspunkte.
Welche weiteren Tatsachen nicht umfassend oder nicht zutreffend zur Kenntnis genommen worden sein sollen, trägt die Beklagte nicht vor. Solche sind für den Senat unter Berücksichtigung der Inhalte der gewechselten Schriftsätze, der Protokolle der Termine der mündlichen Verhandlung sowie der Entscheidungsgründe auch nicht ersichtlich.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
5. Gründe, gemäß § 543 Abs. 2 ZPO die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Verkündet am: 28.10.2022